Untersuchung zur Herzratenvariabilität unter Stress- und Entspannungs-Bedingung
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Universität Regensburg Institut für experimentelle Psychologie Lehrstuhl: Prof. Dr. H. Lukesch PWP: Empirische Erhebungen zum Bereich der Medien- und Gesund- heitspsychologie WS 2007/2008 Untersuchung zur Herzratenvariabilität unter Stress- und Entspannungs- Bedingung Alexandra Curic Heidrun Männer Susanne Meißner Ferdinand Morawetz 1
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung Inhalt 1 Einleitung 1.1 Herzratenvariabilität 1.2 Biologische Grundlagen der HRV 1.3 Parameter der HRV 1.3.1 Zeitbezogene Parameter 1.3.2 Parameter der Frequenzanalyse 2 Fragestellung und Hypothesen 3 Methode 3.1 Versuchspersonen 3.2 Versuchsplan 3.3 Versuchsablauf 3.4 Versuchsmaterialien 3.5 Datenauswertungsmethoden 4 Ergebnisse 4.1 Deskriptive Statistiken 4.2 Einfaktorielle Analysen 4.3 Zweifaktorielle Analysen 4.4 Korrelationen 5 Diskussion 6 Zusammenfassung 7 Literatur 8 Anhang 8.1 Anhang A 8.2 Anhang B 8.3 Anhang C 8.4 Anhang D 8.5 Anhang E 8.6 Anhang F 8.7 Anhang G 2
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung 1 Einleitung Die Bestimmung der Herzratenvariabilität hat sich während der letzten 20 Jahre im klinischen Einsatz (z. B. bei der Risikobestimmung des plötzlichen Herztodes oder der Diagnose diabetischer, neuropathischer Prozesse) als zuverlässiges, nicht invasives diagnostisches Verfahren fest etabliert. Auch in den Sportwissenschaften, vor allem im Ausdauersport, nutzt man die Parameter der Herzratenvariabilität zur optimalen Trai- ningssteuerung von Belastungs- und Erholungsphasen. Mit Blick auf eventuelle künftige Anwendungsmöglichkeiten bei psychologischen Fragestellungen muss daher zuerst geklärt werden, ob die Parameter der Herzratenva- riabilität bzw. deren Erhebungsmethoden geeignet sind, neben physischen Belastun- gen auch psychische bzw. mentale Belastung und Entspannung zuverlässig zu erfas- sen. 1.1 Herzratenvariabilität Die Herzratenvariabilität (HRV) ist eine Messgröße der neurovegetativen Aktivität und autonomen Funktion des Herzens und beschreibt dessen Fähigkeit, den zeitlichen Ab- stand von Herzschlag zu Herzschlag belastungsabhängig laufend zu verändern, um sich wechselnden Anforderungen schnell anzupassen. Die HRV ist somit eine Kenn- größe für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an innere und äuße- re Belastungsfaktoren (Hottenrott, 2002). Auf die verschiedensten Situationen und Wechselfälle des Lebens reagiert immer der gesamte Organismus des Menschen. So schlägt einem „das Herz bis zum Halse“ oder es „rast“ in Stresssituationen. Dies sind normale Anpassungsreaktionen auf äuße- re oder innere Reize, die ständig registriert und durch kleinere oder größere Variatio- nen in der Herzschlagfolge – eben die Herzratenvariabilität – beantwortet werden. Problematisch wird es, wenn sich das Herz nicht mehr flexibel diesen Belastungen anpassen kann. Menschen mit eingeschränkter HRV werden durch größere Belastun- gen rasch überfordert. Sie erleben dies als Stress – also als Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen einerseits und den eigenen, zur Verfügung stehenden Bewälti- gungsmöglichkeiten andererseits. Sie entwickeln zu einem deutlich höheren Prozent- satz gravierende Gesundheitsstörungen wie Herzkrankheiten, Depressionen oder Neu- ropathien (Mück-Weymann, 2002). Eine ausreichend große HRV scheint demnach ein Hinweis auf Gesundheit zu sein, bezogen auf die Fähigkeit des Organismus, angemessen auf dauernd wechselnde innere und äußere Belastungen reagieren zu können. Die HRV ist somit möglicherwei- 3
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung se ein „Globalindikator für Schwingungsfähigkeit (Resonanzfähigkeit) und Adaptivität bio-psycho-sozialer Funktionskreise im Austausch zwischen Organismus und Umwelt“ (Mück-Weymann, 2002). Die HRV ist ein sehr individueller Wert und hängt u. a. vom Geschlecht, Alter, Trai- ningszustand und Aktivität des betreffenden Individuums ab. Des Weiteren beeinflus- sen Medikamente, Alkohol, Nikotin, Schlafmangel, Erschöpfung, akute Infekte und chronische Erkrankungen die HRV. Insgesamt lässt sich sagen: Je ausgeruhter und entspannter der Organismus ist, desto größer wird die Unregelmäßigkeit und desto höher die Variabilität. Regelmäßigkeit bzw. eine geringe Variabilität des Herzschlags („Pulsstarre“) sind dagegen immer ein Anzeichen von intensiver Belastung des Herz-Kreislaufsystems z. B. durch körperliche Anstrengung, aber auch durch Krankheit. 1.2 Biologische Grundlagen der HRV Das gesunde Herz des Erwachsenen schlägt in Ruhe zwischen 50-80 mal in der Minu- te. Die Herzfrequenz (HF) gibt die Anzahl der Herzschläge pro Minute an. Eine HF von 60 bedeutet also 60 Kontraktionen in einer Minute. Im Durchschnitt beträgt der Abstand von einem Herzschlag zum nächsten 1 Sekunde oder 1000 Millisekunden (ms). Dies entspricht jedoch nicht der Arbeitsweise eines gesunden Herzens. Dieses schlägt in Ruhe unregelmäßig. Die Intervalle zwischen den Herzschlägen betragen mal mehr und mal weniger als 1000 ms – sie schwanken also um Bruchteile von Sekunden um einen Mittelwert (vgl. Abb.1.1). Abbildung 1.1: Beispiel eines EKGs in Ruhe über sechs RR-Intervalle mit Angabe der Herz- periodendauer und der Herzfrequenz (Hottenrott, 2002, S.10) 4
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung Misst man diese Abweichungen vom Mittelwert, so kann man die Standardabweichung bzw. die Varianz der Phasenlänge zwischen den Herzschlägen berechnen. Das autonome Nervensystem steuert unsere Organfunktionen und besteht aus zwei, meist gegensätzlich arbeitenden Anteilen: Dem Sympathikus mit seiner aktivie- renden, für Kampf- und Fluchtreaktionen verantwortlichen Wirkung, sowie dem Para- sympathikus, der in Ruhephasen aktiv ist und vornehmlich Regenerationsprozesse ermöglicht. Auch die Arbeitsleistung des Herzens wird von den beiden Antagonisten gesteuert. Unter Sympathikuseinfluss kommt es zu einer Frequenzsteigerung, während die Herzfrequenz unter parasympathischem Einfluss abnimmt. Der Parasympathikus- einfluss zeigt sich jedoch auch in einer Zunahme der Unregelmäßigkeiten, während der Sympathikus eine geringere Varianz in der Herzschlagfolge bewirkt. Normale HRV Sympatho-vagale Balance LF-Einfluss HF-Einfluss sympathisch parasympathisch Sympatho-vagale Dysbalance Niedrige HRV HF-Einfluss parasympathisch LF-Einfluss sympathisch Abbildung 1.2: HRV und sympathovagale Balance „Waagenmodell“ (Hottenrott, 2002, S.18) Die hochfrequenten, schnellen Impulse des Vagus (HF) führen zum sofortigen Absin- ken der Herzfrequenz nach Belastungsende. Nach einem vagalen Reiz dauert es ma- ximal 400 ms bis zu einer Reaktion, deren Spitze ca. 1-2 Herzschläge später erreicht 5
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung wird. Die niederfrequenten, langsamen Impulse des Sympathikus (LF) beanspruchen dagegen eine Latenzzeit von ca. 5 s und bewirken dann innerhalb der nächsten 20-30 Herzschläge eine progressive Steigerung der Herzfrequenz, bis ein bestimmtes, der Belastung entsprechendes Niveau erreicht wird (Günther, 1999). Bei einer schnellen Herzfrequenzsteigerung (z. B. in der Anfangsphase von Mus- kelarbeit oder bei plötzlichen Stressreizen) ist der initiale Herzfrequenzanstieg auf eine Verminderung des Vagotonus zurückzuführen, was eine Herzfrequenz von 120-140 Schläge/min ermöglicht. Erst bei höherer Belastung setzt der Sympathikuseinfluss ein und ermöglicht eine weitere Erhöhung der Schlagfrequenz. Ein weiterer Einflussfaktor auf die Herzschlagfolge ist die Atmung. Da Atem- und Kreislaufzentrum im Hirnstamm eng beieinander liegen, werden bei der Einatmung die sympathischen Neurone, die zum Herzen führen, immer miterregt. D. h. bei starker Einatmung wird auch der Herzschlag schneller. Beim Ausatmen sinkt die Herzfrequenz wieder ab. Dieses Phänomen wird respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) genannt und ist für die klinische Diagnostik von Bedeutung. Senkt man nun die Atemfrequenz auf ca. 6 Atemzüge pro Minute (Taktatmung), kommt es zu einer deutlichen Steigerung der Varianz, d. h. der Parasympathikuseinfluss nimmt zu (vgl. Abb. 1.3). HF [S/min] HF [S/min] 180 180 Maximale Intensität 160 160 Hohe Intensität 140 140 Moderate Intensität 120 Leichte Intensität 120 100 Sehr leichte Intensität 100 80 RSA 80 60 60 40 62 S/min Zeit 0:00:00 0:02:00 0:04:00 0:06:00 0:08:00 Abbildung 1.3: Respiratorische Sinusarrhythmie unter Taktatmung (6x/min) 6
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung 1.3 Parameter der HRV Zur Bestimmung der HRV werden die Methoden der Zeit- und Frequenzanalyse ge- nutzt. Das Prinzip beruht auf der Vermessung der einzelnen RR-Abstände in der EKG- Aufzeichnung (Langzeit-24h-EKG oder Kurzzeitmessung). 1.3.1 Zeitbereichsbezogene Parameter Bei der Zeitbereichsanalyse handelt es sich um eine deskriptive statistische Darstel- lung der aufeinanderfolgenden RR-Abstände und deren Differenzen. Dabei sind fol- gende Werte von Relevanz: ● NN (= normal to normal): Abstand zweier Herzschläge in Millisekunden ● SD: Standardabweichung zum Mittelwert ● RMSSD: Der RMSSD steht für die schnellen (hochfrequenten) Schwankungen der Herzfrequenz. Beim RMSSD-Wert wird die Unterschiedlichkeit aufeinanderfolgender RR-Intervalle verrechnet. Dies sagt etwas über den Parasympathikuseinfluss und damit etwas über den Entspannungsgrad und die Erholungsfähigkeit des Organis- mus aus. Je höher dieser Wert, desto entspannter ist der Mensch. Der RMSSD Wert ist die Quadratwurzel aus dem Mittelwert der quadrierten Differenzen sukzes- siver RR-Intervalle (in ms). Ö √ (RR1 - RR2)² + (RR2 - RR3)² +.....(RRn-1 + RRn)² n ● pNN50: Der pNN50-Wert bezeichnet den Prozentsatz der aufeinanderfolgenden RR-Intervalle, die sich um mehr als 50 ms voneinander unterscheiden. Dabei gilt, dass der Parasympathikuseinfluss umso größer ist, je höher der pNN50-Wert ist. Geringe Werte indizieren dagegen geringen Parasympathikuseinfluss und damit eine gewisse Herzfrequenzstarre. PNN50 und RMSSD sind Parameter, die vor allem die schnellen Impulse des Vagus anzeigen, da sie Bezug auf die vorgehenden Intervalle nehmen. Sie eignen sich auch für Kurzeitmessungen. 7
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Einleitung 1.3.2 Parameter der Frequenzanalyse Über mathematische Frequenzanalyseverfahren (Fast-Fourier-Analyse) werden die einzelnen Spektralkomponenten der HRV in ihre Grundfrequenzen zerlegt, so dass man den relativen Anteil der verschiedenen Grundfrequenzen am Gesamtspektrum erhält. ● VLF (Very low frequency): 0,000-0,04 Hz ● LF (low frequency): 0.04-0,15 Hz Î überwiegend sympathikusgesteuerter Bereich ● HF (high frequency): 0,15-0,4 Hz Î vagusgesteuerter Bereich ● HF/LF Ratio („sympatho-vagale Balance“): 0,5-2,0 Hz (Normbereich bei Ruhe- messung) Die LF/HF-Ratio gibt das Verhältnis von niederfrequenten Sympathikus- zu hochfre- quenten Vagusimpulsen an. Da im LF-Bereich jedoch ebenfalls Vaguseinflüsse zu fin- den sind und die Vergleichswerte v. a. bei Aktivität von Studie zu Studie variieren, scheint dieser Parameter nur bei Langzeitmessungen (24h-EKG) verlässliche Durch- schnittswerte zu ergeben. Daher werden diese Werte in der vorliegenden Studie außer Acht gelassen. 8
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Fragestellung und Hypothesen 2 Fragestellungen und Hypothesen In folgender Untersuchung wird versucht, den Einfluss von Stress- und Entspannungs- bedingungen auf messbare physiologische Parameter der HRV zu erfassen. Dabei soll untersucht werden, ob die HRV bei Stress kleiner ist als bei Entspannung. Des Weite- ren erstreckt sich die Fragestellung auf den Zusammenhang zwischen den vegetativen Parametern und der subjektiven Spannungs- und Stimmungseinschätzung der Pro- banden. Es wurden folgende Hypothesen formuliert: H1: Die HRV ist während der Ruhebedingung größer als während der Stressbedingung und kleiner als während der Entspannungsbedingung. H2: Die HRV ist nach der Stressbedingung kleiner als nach der Entspannungsbedin- gung. H3: Entsprechend eines negativen Zusammenhangs ist die subjektiv empfundene An- spannung umso größer/kleiner bzw. die subjektiv empfundene Stimmung umso schlechter/besser, je kleiner/größer die gemessene HRV ist. 9
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Methode 3 Methode 3.1 Versuchspersonen An der Untersuchung nahmen 28 weibliche Versuchspersonen im Alter zwischen 19 und 28 Jahren teil. Das Durchschnittsalter beträgt 22 Jahre (s = 2.52). Das durch- schnittliche Gewicht betrug 57 kg (s = 10.83). Die Teilnehmerinnen gaben im Durch- schnitt an, ca. 2 h Sport zu machen (s = 1.85). Die am häufigsten angegebenen Sport- arten waren Ausdauersport, Krafttraining und Kampfsport. Bei den Teilnehmerinnen handelt es sich um Psychologiestudentinnen der Universität Regensburg. Es wurde sichergestellt, dass die Teilnehmerinnen keine akuten Infekte, Herzkreislauferkrankun- gen oder andere chronische Erkrankungen aufweisen. Weiterhin wurden die Teilneh- merinnen instruiert, zwei Stunden vor Beginn des Experiments kein Nikotin, kein Kof- fein und keine Hauptmahlzeit zu sich nehmen. Zudem ist kein Restalkohol erlaubt1. 3.2 Versuchsplan Jede Versuchsperson (Vp) durchläuft fünf Phasen, bei welchen jeweils der Puls und die Herzratenvariabilität (HRV) gemessen werden. Bei der ersten Phase handelt es sich um die Kontrollbedingung. Hierbei wird der Ruhezustand der Vp gemessen, ohne dass sie einer spezifischen Aufgabe ausgesetzt ist. Als nächstes folgt eine Entspan- nungsbedingung, die aus angeleiteter Taktatmung besteht. Nach einer erneuten Ruhe- bedingung schließt sich eine Stressbedingung an, die durch teilweise unlösbare Ana- grammaufgaben herbeigeführt wird. Anschließend folgt eine weitere Ruhebedingung. Bei dem Bersuchsplan handelt es sich um ein within-subject-design, daher werden alle Versuchspersonen in jeder Bedingung getestet. Um Reihenfolgeeffekte zu vermei- den, werden zwei parallelisierte Versuchsgruppen gebildet, welche die Bedingungen in verschiedener Weise durchlaufen. Dabei wird die Reihenfolge von Stress- und Ent- spannungsbedingung variiert. 3.3 Versuchsablauf Nach der Begrüßung versichert die Vp ihre freiwillige Teilnahme durch Unterschreiben einer Einwilligungserklärung2. Die Versuchsleiter instruieren die Vp zum Anlegen des Pulsmessgerätes. Bei Bedarf wird Hilfestellung durch einen Versuchsleiter gleichen Geschlechts gegeben. Im Anschluss füllt die Vp einen Fragebogen zu persönlichen 1 Siehe Anhang A (Aushang zur Rekrutierung der Versuchspersonen) 2 Siehe Anhang B (Einwilligungserklärung) 10
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Methode Daten aus3. Weiterhin füllt die Vp eine Stimmungsmatrix zu ihrer momentanen Befind- lichkeit aus4. Die Messung wird durch Drücken des Startknopfes an der Pulsuhr gestar- tet. In der Versuchsgruppe 1 wird die HRV zunächst vier Minuten in der Ruhebedin- gung gemessen. Hierfür wird die Vp instruiert, bequem auf einem Stuhl zu sitzen und sich zu entspannen. Nach Ablauf von vier Minuten wird durch erneutes Drücken des Startknopfes das Ende der Bedingung in der Datenaufzeichnung markiert. Es folgt eine Entspannungsübung in Form einer zweiminütigen Taktatmung. Die Versuchsleiter er- klären den Ablauf der Taktatmung und führen diese kurz vor5. Nach Beendigung der Taktatmung wird der Startknopf an der Pulsuhr erneut gedrückt. Daraufhin wird wie- derum eine vierminütige Ruhephase durchgeführt, die durch das Drücken des Start- knopfes abgeschlossen wird. Die Vp wiederholt das Ausfüllen der Stimmungsmatrix. Nach dem erneutem Drücken des Startknopfes folgt die Stressbedingung. Die Vp hat die Aufgabe, in fünf Minuten 21 Anagramme zu lösen6. Der Stress wird induziert, in- dem der Vp vermittelt wird, dass 90 % der Personen ihrer Altersklasse und ihres Bil- dungsstandes in der Lage sind, die Wortliste in dieser Zeit erfolgreich zu bearbeiten. Tatsächlich sind zwei Drittel der Anagramme nicht lösbar. Nach Ablauf der vorgegeben Zeit wird wiederum der Startknopf gedrückt und es schließt sich eine weitere vierminü- tige Ruhephase an. Abschließend wird der Startknopf gedrückt und die Vp füllt noch- mals die Stimmungsmatrix zu ihrer momentanen Befindlichkeit aus. In Versuchsgruppe 2 ist der Versuchsablauf identisch, mit der Ausnahme, dass erst die Stress- und dann die Entspannungsbedingung stattfindet7. Außerdem wird die Vp vor der Entspannungsbedingung über die Unlösbarkeit der Anagramme informiert, um keine konfundierende Variable zu kreieren. Nach Beendigung der Messung wird das Pulsmessgerät abgenommen und die Vp wird über den Hintergrund der Untersuchung aufgeklärt. Eventuell auftretende Fragen werden von den Versuchsleitern beantwortet. 3.4 Versuchsmaterialien Neben der Einwilligungserklärung8 wird ein Fragebogen zur Erfassung persönlicher Daten9 verwendet. Dabei werden Alter, Größe, Gewicht und sportliche Gewohnheiten der Vp erfasst. Durch eine Stimmungsmatrix in dreifacher Ausführung wird die momen- 3 Siehe Anhang C (Fragebogen zu persönlichen Daten) 4 Siehe Anhang D (Stimmungsmatrix) 5 Siehe Anhang E (Instruktion zur Taktatmung) 6 Siehe Anhang F (Anagramme) 7 Siehe Anhang G (Ablauf) 8 Siehe Anhang B (Einwilligungserklärung) 9 Siehe Anhang C (Fragebogen zu persönlichen Daten) 11
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Methode tane Stimmungs- und Erregungslage wiederholt erhoben10. Die horizontale Stim- mungsdimension setzt sich aus acht Antwortmöglichkeiten von „gehobene Stimmung“ bis „Deprimiertheit“ zusammen. Die vertikale Spannungsdimension umfasst ebenfalls acht Abstufungen von „Ruhe“ bis „Erregtheit“. Um die Inhalte der Dimensionen zu ver- deutlichen, werden zusätzlich einige Beispiele für die Überbegriffe „gehobene Stim- mung“, „Deprimiertheit“, „Ruhe“ und „Erregtheit“ aufgezählt. Diese sind an die Stim- mungskategorien von Abele-Brehm und Brehm (1986) angelehnt. Die Stressinduktion erfolgt durch zum größten Teil unlösbare Anagramme11. Zur Bearbeitung wird der Vp ein Stift zur Verfügung gestellt. Mit einer Stoppuhr wird die Einhaltung der einzelnen Zeitabschnitte sicher gestellt. Zur Messung von Puls und Herzratenvariabilität wird ein Pulsmessgerät der Marke Polar RS 800 verwendet. Das Messgerät besteht aus einem Sensor, der in Form eines Brustgürtels am Körper angebracht wird, sowie aus einer Armbanduhr, die die Daten erfasst. Die Daten werden via Infrarot auf einen Computer übertragen. Die Auswertung der Daten erfolgt durch eine bei Polar erhältliche Soft- ware. 3.5 Datenauswertungsmethoden In die Auswertung gingen die Werte von 22 Vpn ein. Die restlichen Daten waren aus technischen Gründen nicht verwertbar. Bei der Auswertung wurden folgende Werte berücksichtigt: HRV (ms), Puls (S/min), RMSSD und pNN50, sowie subjektive Anga- ben für die Stimmung und Spannung bei verschiedenen Bedingungen. Zur Datenaus- wertung wurde das Programm SPSS 15 verwendet. Zur statistischen Auswertung wur- de – wenn nicht anders vermerkt – das Signifikanzniveau bei α =.05 angesetzt. Um zu überprüfen, inwieweit aus den verschiedenen Parametern unterschiedliche Aussagen über den Organismus getroffen werden können, wurden die Werte S/min, ms, RMSSD und pNN50 nach Pearson miteinander korreliert. Es ergaben sich jeweils signifikante Korrelationen (α =.01) (vgl. Tabelle 3.1). Dies deutet darauf hin, dass durch die Para- meter ähnliche vegetative Vorgänge repräsentiert werden. 10 Siehe Anhang D (Stimmungsmatrix) 11 Siehe Anhang F (Anagramme) 12
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Methode Tabelle 3.1: Korrelationen nach Pearson zwischen S/min, ms, RMSSD und pNN50 Mittler S/min Mittlere ms RMSSD PNN50 Korrelation nach Pearson -.972** -.558** -.546** Mittler S/min Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000 Korrelation nach Pearson -.972** .596** .581** Mittlere ms Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000 Korrelation nach Pearson -.558** .596** .923** RMSSD Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000 Korrelation nach Pearson -.546** .581** .923** PNN50 Signifikanz (2-seitig) .000 .000 .000 ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant. 13
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse 4 Ergebnisse 4.1 Deskriptive Statistiken zu den erhobenen Variablen bei verschiedenen Bedingungen In Tabelle 4.1 sind Minimum, Maximum, Mittelwert und Standardabweichung der unter- suchten Parameter während der einzelnen Experimentalphasen aufgeführt. Tabelle 4.1: Deskriptive Daten verschiedener Parameter bei verschiedenen Versuchs- bedingungen Standardab- N Minimum Maximum Mittelwert weichung S/min bei Stress 22 68 110 82.73 11.94 S/min nach Stress 22 59 102 77.68 11.29 S/min bei 22 63 95 77.73 10.02 Entspannung S/min nach Entspannung 22 61 96 78.82 9.48 S/min bei Ruhe 22 62 103 79.23 11.62 ms bei Stress 22 545 878 734.14 97.88 ms nach Stress 22 592 1020 795.32 111.41 ms bei Entspannung 22 638 969 796.18 102.72 ms nach Entspannung 22 635 988 776.82 95.41 ms bei Ruhe 22 586 969 777.23 110.40 RMDDS bei Stress 22 9 79 34.43 18.53 RMSSD nach Stress 22 17 116 46.15 26.44 RMSSD bei Entspannung 22 20 97 55.58 23.35 RMSSD nach Entspannung 22 16 84 35.89 19.15 RMSSD bei Ruhe 22 14 97 40.17 23.03 pNN50 bei Stress 22 0 32 6.84 8.05 pNN50 nach Stress 22 1 30 10.87 9.52 pNN50 bei Entspannung 22 0 27 13.39 7.93 pNN50 nach Entspannung 22 0 31 7.67 8.52 pNN50 bei Ruhe 22 0 31 8.88 10.29 Spannung nach Stress 22 2 7 4.23 1.60 Spannung nach 22 1 4 2.73 .94 Entspannung Spannung nach Ruhe 22 2 7 4.64 1.50 Stimmung nach Stress 22 2 6 4.14 .94 Stimmung nach 22 1 6 3.41 1.14 Entspannung Stimmung nach Ruhe 22 2 6 3.41 1.22 14
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse Die Abbildungen 4.1 bis 4.6 stellen die Mittelwerte über alle Vpn pro untersuchten Pa- rameter unter verschiedenen Bedingungen dar. 80 Mittelwert 60 82,73 78,82 79,23 77,68 77,73 40 20 S/min bei Stress S/min nach Stress S/min bei S/min nach S/min bei Ruhe Entspannung Entspannung Abbildung 4.1: Mittelwerte Puls (S/min) über alle Bedingungen 1000 800 600 Mittelwert 400 795,3 796,2 776,8 777,2 734,1 200 0 ms bei Stress ms nach Stress ms bei ms nach ms bei Ruhe Entspannung Entspannung Abbildung 4.2: Mittelwerte HRV (ms) über alle Bedingungen 15
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse 60 Mittelwert 40 55,6 46,1 20 40,2 35,9 34,4 0 RMDDS bei Stress RMSSD nach Stress RMSSD bei RMSSD nach RMSSD bei Ruhe Entspannung Entspannung Abbildung 4.3: Mittelwerte RMSSD über alle Bedingungen 15 Mittelwert 10 13,39 10,87 5 8,88 7,67 6,84 0 pNN50 bei Stress pNN50 nach Stress pNN50 bei pNN50 nach pNN50 bei Ruhe Entspannung Entspannung Abbildung 4.4: Mittelwerte pNN50 über alle Bedingungen 16
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse 6 5 4 Mittelwert 3 4,636 4,227 2 2,727 1 0 Spannung nach Stress Spannung nach Entspannung Spannung nach Ruhe Abbildung 4.5: Mittlerer Punktwert beim subjektiven Spannungswert (je höher der Punktwert, desto größer ist die subjektiv empfundene Erregung der Person) 5 4 3 Mittelwert 4,136 2 3,409 3,409 1 0 Stimmung nach Stress Stimmung nach Entspannung Stimmung nach Ruhe Abbildung 4.6: Mittlerer Punktwert beim subjektivem Stimmungswert (je höher der Punktwert, desto größer ist die subjektiv empfundene Deprimiertheit der Person) 17
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse 4.2 Der Einfluss verschiedener Untersuchungsbedingungen auf die Para- meter der HRV Zum Vergleich der vegetativen Parameter während der Anagrammaufgabe und wäh- rend der Taktatmung wurde eine univariate Varianzanalyse mit fünffach gestuftem In- nersubjektfaktor durchgeführt. Es ergaben sich signifikante Unterschiede für alle Pa- rameter (vgl. Tabelle 4.2) Tabelle 4.2: Univariate Varianzanalyse mit fünffach gestuftem Innersubjektfaktor „Stress – Entspannung – Ruhe – nach Stress – nach Ruhe“ Quadrat- Mittel der Maß summe vom df F Signifikanz Quadrate Typ III S/min 375.218 4 93.805 93.805 .000* ms 55774.782 4 55774.782 11.510 .000* RMSSD 6570.506 4 1642.627 10.253 .000* pNN50 612.199 4 153.050 7.561 .000* *signifikant bei α=.05. Die Durchführung univariater Varianzanalysen für den dreifach gestuften Innersubjekt- faktor „Stress – Entspannung – Ruhe“ ergab sowohl für die vegetativen Parameter als auch für die subjektiven Einschätzungen von Spannung und Stimmung signifikante Unterschiede (vgl. Tabelle 4.3). Tabelle 4.3: Univariate Varianzanalyse mit dreifach gestuftem Innersubjektfaktor „Stress – Entspannung – Ruhe“ Quadrat- Maß Mittel der summe df F Signifikanz Quadrate vom Typ III S/min 289.667 2 144.833 9.520 .000* ms 44482.091 2 22241.045 13.156 .000* RMSSD 5263.285 2 2631.642 19.682 .000* pNN50 494.265 2 247.132 10.923 .000* Spannung 44.455 2 22.227 17.435 .000* Stimmung 7.758 2 3.879 6.208 .004* *signifikant bei α=.05. 18
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse Es zeigte sich, dass die Werte ms, RMSSD und pNN50 in der Bedingung „nach Stress“ größer sind als in der Bedingung „nach Entspannung“ (vgl. Tabelle 4.1). Der Wert S/min liegt hingegen in der Bedingung „nach Entspannung“ höher. Um die Signifikanz dieser Unterschiede zu prüfen, wurde eine univariate Varianzanalyse für den zweifach gestuften Innersubjektfaktor „nach Stress – nach Entspannung“ durchgeführt. Die Er- gebnisse sind in Tabelle 4.4 zu sehen. Die Werte ms, RMSSD und pNN50 unterschei- den sich in den beiden Bedingungen signifikant voneinander. Tabelle 4.4: Univariate Varianzanalyse mit zweifach gestuftem Innersubjektfaktor „nach Stress – nach Entspannung“ Mittel der Quelle Maß df F Signifikanz Quadrate S/min 1 14.205 1.475 .238 Reihenfolge ms 1 3764.750 5.399 .030* RMSSD 1 1157.738 5.023 .036* pNN50 1 112.960 5.887 .024* *signifikant bei α=.05. 4.3 Analysierung von Reihenfolgeeffekten Um einen Einfluss der Reihenfolge, in der die Vpn der Stress- bzw. der Entspannungs- bedingung ausgesetzt waren, auszuschließen, wurde eine univariate Varianzanalyse mit der Reihenfolge von Stress- bzw. Entspannungsinduktion als zweifach gestuften Zwischensubjektfaktor und den Bedingungen Stress- bzw. Entspannungsinduktion als zweifach gestuften Innersubjektfaktor gerechnet. Es ergaben sich außer für den Para- meter Puls keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Reihenfolgen (vgl. Tabelle 4.5). Tabelle 4.5: Univariate Varianzanalyse mit zweifach gestuftem Zwischensubjektfaktor „Reihe folge: Stress – Entspannung“ und zweifach gestuftem Innersub- jektfaktor „Stress – Entspannung“ Mittel der Quelle Maß df F Signifikanz Quadrate S/min 1 820.455 4.359 .050* ms 1 49178.205 3.073 .095 Reihenfolge RMSSD 1 1022.418 1.495 .236 pNN50 1 39.142 .357 .557 Spannung 1 .568 .292 .595 Stimmung 1 1.455 .825 .375 *signifikant bei α=.05. 19
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse Geschätztes Randmittel von Smin 90 Reihenfolge ES SE 88 Geschätztes Randmittel 86 84 82 80 78 76 1 2 Stress Bedingung Entspannung Abbildung 4.7: Puls (S/min) in Abhängigkeit der Reihenfolge von Stress-, und Ent- spannungsbedingung und der Bedingung Stress oder Entspannung. Reihenfolge ES: Entspannungsbedingung vor Stressbedingung. Rei- henfolge SE: Stressbedingung vor Entspannungsbedingung 4.4 Zusammenhänge zwischen dem subjektiven Erleben und der HRV Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der subjektiv empfundenen Span- nung bzw. Stimmung und der Herzratenvariabilität wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman berechnet. Es wurden jeweils bivariate Korrelationen zwischen der Herzratenvariabilität (ms) und dem Spannungs- bzw. dem Stimmungswert durchge- führt. Ein negativer Korrelationskoeffizient bedeutet, dass die subjektiv empfundene Spannung umso kleiner bzw. die subjektiv empfundene Stimmung umso besser ist, je größer die gemessene Herzratenvariabilität ist. Sämtliche berechneten Korrelationsko- effizienten waren leicht negativ. Es ergaben sich keine signifikanten Zusammenhänge. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.6 abgebildet. 20
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Ergebnisse Tabelle 4.6: Korrelationskoeffizient nach Spearman zwischen Herzratenvariabilität (ms) und dem subjektiven Spannungs- bzw. Stimmungswert Korrelationskoeffizient Variablen Signifikanz nach Spearman ms bei Stress – subjektive Spannung nach -.104 .644 Stress ms bei Entspannung – subjektive Spannung nach -.018 .937 Entspannung ms bei Ruhe – subjektive Spannung bei -.166 .461 Ruhe ms bei Stress – subjektive Stimmung nach -.014 .950 Stress ms bei Entspannung – subjektive Stimmung nach -.029 .899 Entspannung ms bei Ruhe – subjektive Stimmung nach -.237 .287 Ruhe 21
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Diskussion 5 Diskussion In vorliegender Studie wurde untersucht, wie sich messbare Parameter der HRV sowie die subjektive Befindlichkeitseinschätzung in Abhängigkeit von Stress- und Entspan- nungsinduktion verändern. Außerdem wurde überprüft, ob ein Zusammenhang zwi- schen gemessener HRV und subjektivem Entspannungs-Stress-Empfinden festgestellt werden kann. Die Hypothese H1 (HRV ist während der Ruhebedingung größer als während der Stressbedingung und kleiner als während der Entspannungsbedingung) konnte beibe- halten werden. Sowohl ms, RMSSD als auch pNN50 waren in der Entspannungsbe- dingung größer als in der Ruhebedingung und in der Stressbedingung am geringsten. Der Puls (S/min) hingegen war in der Ruhebedingung größer als in der Entspannungs- bedingung und in der Stressbedingung am größten. Offenbar war es gelungen, durch die Anagrammaufgabe Stress zu induzieren bzw. mittels der Taktatmung vegetativer Entspannung zu erzielen. Dies unterstützt Hottenrotts (2002) Annahme, dass die HRV eine Kenngröße für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an Belas- tungsfaktoren ist. Außerdem trägt der Befund zur Validierung der HRV-Nutzung als Stressindikator bei. Da die Inhalte der drei Parameter (ms, RMSSD, pNN50) laut der vorliegenden Ergebnisse stark korrelieren, kann es in künftigen Studien allerdings sinnvoll sein, sich auf nur einen Messparameter der HRV konzentrieren. Die Hypothese H2 (HRV ist nach der Stressbedingung kleiner als nach der Ent- spannungsbedingung) konnte nicht bestätigt werden. Alle gemessenen Werte der HRV verhielten sich signifikant gegenteilig zur Vorhersage. Die Versuchspersonen waren nach der Stressbedingung vegetativ offenbar entspannter als nach der Entspannungs- phase. Der Stresslevel der Probanden sank also unmittelbar nach Beendigung der Aufgabe, aber bereits vor Aufklärung der Tatsache, dass die Anagrammaufgaben nicht lösbar waren. Eine mögliche Erklärung stellt der sog. Rebound-Effekt dar, eine Gegen- reaktion des ANS, die nach einer Verschiebung des sympathisch-parasympatischen Gleichgewichts, schnell wieder die Balance herstellt und so die Reaktions- bzw. Adap- tionsfähigkeit des Organismus wieder herstellt. Außerdem lässt sich dieses Ergebnis in eine Reihe von Befunden zum Angstverlauf in Prüfungssituationen einfügen, die zeig- ten, dass nach Prüfungssituationen die subjektiv empfundene Angst (Jacobs, 1981) wie auch körperliche Beschwerden (Scheer & Zenz, 1973, zitiert nach Lukesch, 2006) absanken. Somit kann angenommen werden, dass auch im vorliegenden Experiment dieser Effekt eingetreten ist. In direktem Kontrast dazu stehen jedoch die subjektiven Einschätzungen der Vpn zu ihrer Befindlichkeit. Die Vpn schätzten sich nach der Ent- spannungsphase als besser gelaunt und entspannter ein als nach der Stressphase. 22
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Diskussion Ein Zusammenhang zwischen subjektiver Spannungs- bzw. Stimmungseinschätzung und der gemessenen HRV gemäß H3 konnte nicht bestätigt werden. Zwar war die sub- jektiv empfundene Stimmung tendenziell besser und die subjektiv empfundene An- spannung kleiner, je größer die HRV war. Dennoch lag kein überzufälliger negativer Zusammenhang vor. Für diesen Befund bieten sich mehrere Erklärungen an. Eventu- ell ist die verwendete Befindlichkeitsmatrix wenig differenziert. Sie ist wenig geeignet, um feine Veränderungen in der Befindlichkeit zu erfassen und sollte für künftige Stu- dien abgeändert werden. Andererseits setzt die Selbsteinschätzung der subjektiv emp- fundenen Stimmung/Spannung bzw. deren Veränderung im Versuchsverlauf eine gut ausgeprägte Introspektionsfähigkeit voraus. Außerdem zeigten sich Reihenfolgeeffekte für den Parameter Puls (größer bei Rei- henfolge Stress-Entspannung als bei Reihenfolge Entspannung-Stress). Dementspre- chend ist ein Within-subject Design, wie es in der vorliegenden Studie verwendet wur- de, von Vorteil, um diese Unterschiede auszugleichen. Die vorliegende Studie bestätigt, dass die HRV-Messung ein valides Mittel zur Er- fassung der vegetativen Balance ist, weshalb sie zur Untersuchung verschiedener psy- chologischer Fragestellungen geeignet ist. Denkbar wären z. B. weitere Erhebungen zur Stressregulierung. 23
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Zusammenfassung 6 Zusammenfassung Die Herzratenvariabilität (HRV) ist eine vegetative Kenngröße, die nach Hottenrott (2002) umso größer ist, je eher sich ein Organismus an innere und äußere Belastun- gen anpassen kann. Im vorliegenden Experiment wird der Einfluss von Stress- und Entspannungssituationen auf verschiedene Parameter der HRV untersucht. Jede Versuchsperson (Vp) durchlief dazu Stress-, Entspannungs- sowie drei Ruhe- bedingungen in unterschiedlichen Reihenfolgen. Zur Stressinduktion wurden den Ver- suchpersonen unlösbare Anagramme vorgelegt. Entspannung sollte durch Taktatmung bewirkt werden. Es wurde erwartet, dass die HRV umso größer ist, je entspannter die Vp ist. Darüber hinaus wurden Einschätzungen der Versuchspersonen ihres Stim- mungs- und Spannungszustands nach den experimentellen Manipulationen erhoben, um zu prüfen, ob die vegetativen Parameter mit den subjektiven Bewertungen korre- lierten. Die HRV war tatsächlich in der Entspannungsbedingung größer als in der Stressbe- dingung. Ein signifikanter Zusammenhang der gemessenen HRV und der subjektiven Befindlichkeitseinschätzung konnte allerdings nicht festgestellt werden. Die HRV kann offenbar durch unterschiedliche Stress- und Entspannungsbedingungen beeinflusst werden und liefert wertvolle Informationen zur vegetativen und psychischen Anpas- sungsfähigkeit eines Organismus. 24
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Literatur 7 Literatur Abele-Brehm, A. & Brehm, W. (1986). Zur Konzeption und Messung von Befindlichkeit. Die Entwicklung der „Befindlichkeitsskalen“ (BFS). Diagnostika, 32, 209-228. Aßmann, G. (2002). Tageszeitliche Unterschiede der sympathovagalen Aktivität des Kreislaufsystems bei gesunden Probanden. München: Unveröffentlichte Disser- tation. Günther, U. (1999). Die interindividuelle und intraindividuelle Vergleichbarkeit und klinische Bedeutung der verschiedenen Parameter der Herzfrequenzvariabilität in der Langzeitanalyse. Leipzig: Unveröffentlichte Dissertation. Hottenrott, K.(2002). Herzfrequenzvariabilität im Sport – Prävention, Rehabilitation und Training. Hamburg: Feldhaus Verlag. Hottenrott, K. (2004). Herzfrequenzvariabilität im Fitness- und Gesundheitssport. Hamburg: Meyer & Meyer Sport Verlag. Hottenrott, K. (2006). Trainingskontrolle mit Herzfrequenzmessgeräten. Hamburg: Meyer & Meyer Sport Verlag. Jacobs, B. (1981). Angst in der Prüfung. Beiträge zu einer kognitiven Therapie der Angstentstehung in Prüfungssituationen. Frankfurt: Fischer. Lukesch, H. (2006). Einführung in die Pädagogische Psychologie. Regensburg: Roderer. Metzger-Brewka, J. (1992). Die Abbildung emotionalisierender Effekte eines Horror- films mit der Methode des Katathymen Bilderlebens. Universität Regensburg: Unver- öffentlichte Diplomarbeit. Mück-Weymann, M. (2002). www.hrv24.de [Stand: 28.01.2008] Scheer, J. W. & Zenz, H. (1973). Studenten in der Prüfung. Eine Untersuchung zur akademischen Initiationskultur. Frankfurt: Aspekt-Verlag. 25
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8 Anhang 8.1 Anhang A – Aushang zur Rekrutierung der Versuchspersonen Experiment zur Herzratenvariabili- tät Dauer: ca. 45 Minuten 2 Stunden vorher kein Nikotin, kein Koffein, keine Hauptmahlzeit, kein Restalkohol Treffpunkt: hier (vor Vp-Stunden-Aushängen) Voraussetzung: Ihr seid weiblich und zwischen 20 und 28 Jahre alt. Ausschlusskriterien: • Einnahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten • akuter Infekt • Herzkreislauferkrankungen oder andere chroni- sche Erkrankung Tragt euch bitte in der Teilnehmerliste bei freien Terminen ein. 26
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.2 Anhang B – Einwilligungserklärung Vielen Dank für Ihre Teilnahme an diesem Experiment, das Teil einer For- schungsarbeit für die Universität Regensburg ist. Hiermit bestätige ich, dass ich freiwillig als Proband an diesem Experiment teil- nehme. Ich wurde darüber informiert, dass ich das Experiment jederzeit been- den kann. Alle hier erhobenen Daten sind anonym und werden nicht im Zusammenhang mit meinem Namen oder Geburtsdatum gespeichert. Sollte ich mich ungerecht behandelt fühlen, weiß ich, dass ich jederzeit über die Universität Regensburg Beschwerde einreichen kann. Diese Einwilligungserklärung wird aus rechtlichen Gründen zwölf Monate auf- gehoben. Name: Unterschrift: Regensburg/Datum: 27
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.3 Anhang C – Fragebogen zu persönlichen Daten Angaben zur Person Vp-Nr: Geburtsdatum: Gewicht in kg: Körpergröße in cm: Wie viele Stunden verbringen Sie pro Woche mit Sport? ______________________________________________________ Welche Sportarten üben Sie derzeit aus? Kreuzen Sie Zutreffendes an. Mehrere Antworten möglich. o Ausdauersportarten o Meditative Sportarten o Mannschaftssportarten o Erlebnis-/Natursportarten o Kampfsport und/oder Tanzsport o Krafttraining o Sonstiges, nämlich________________________________ 28
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.4 Anhang D – Stimmungsmatrix Vp: Bitte kreuzen Sie in folgender Matrix ein Kästchen an, das auf Ihren momentanen Zustand am ehesten zutrifft. Wichtig: Beurteilen Sie nur, wie Sie sich augenblicklich fühlen. Erregtheit (z.B. ruhelos, nervös, verkrampft, angespannt, kribbelig) Gehobene Deprimiertheit Stimmung (z.B. gedrückt, (z.B. unbeschwert, betrübt, traurig, angenehm, gut niedergeschlagen, gelaunt, freudig) unglücklich) Ruhe (z.B. locker, gelöst, entspannt, gelassen) 29
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.5 Anhang E – Instruktion zur Taktatmung 1. Bitte setzen Sie sich aufrecht hin. 2. Ihre Arme und Beine sollten nicht überkreuzt sein. 3. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb von 10 Sekunden genau einmal ein und einmal auszuatmen. 4. Der Versuchsleiter wird Ihnen als Hilfestellung die zehn Sekunden vor- zählen. 5. Die Taktatmung wird 2 Minuten dauern. 6. Sollten Sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt unwohl fühlen, brechen Sie bit- te die Taktatmung umgehend ab. 7. Wenn Sie wollen können Sie während der Atmung die Augen schließen. 30
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.6 Anhang F – Anagramme Auf der folgenden Seite sind etliche – teils sinnlose, teils sinnvolle – Buchsta- benfolgen aufgelistet. Sie sollen aus jeder dieser vorgegebenen Buchstabenrei- he ein sinnvolles Hauptwort der deutschen Sprache bilden. Dieses neue Wort muss alle vorgegebenen Buchstaben enthalten. Beispiel: In der Liste steht: „STIEL“ – Ihre Lösung lautet „LISTE“ Bitte notieren Sie Ihre Lösung jeweils rechts neben dem vorgegebenen Wort. Sie haben zur Bearbeitung dieser Aufgaben 5 Minuten Zeit. 90% der Personen Ihrer Altersklasse und Ihres Bildungsstandes sind in der Lage, die Wortliste in dieser Zeit zu bearbeiten. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, blättern Sie jetzt bitte um und begin- nen Sie mit der Bearbeitung. 31
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 1. TORW 2. NIEM 3. TISM 4. FLOW 5. STEP 6. SCHLAE 7. HEGNIR 8. MENTGA 9. BRUKRI 10. TWALEG 11. LATTEN 12. DIREKT 13. TOERNS 14. BACHOD 15. KAMINDY 16. NAMZPRIA 17. BAMRUNBI 18. TROWART 19. SÜTRREM 20. DERIMPAY 21. OBRANDTE 32
Curic, Männer, Meissner & Morawetz Anhang 8.7 Anhang G – Ablauf ES SE Begrüßung Begrüßung Einwilligung Einwilligung Anlegen (an) Anlegen (an) Persönliche Persönliche Daten Daten Info über Matrix A Taktatmung Matrix A 1 Ruhe Ruhe 4 Minuten 4 Minuten 2 Taktatmung Anagramme 2 Minuten 5 Minuten 3 Ruhe Ruhe 4 Minuten 4 Minuten 4 Info über Matrix B Unlösbarkeit Matrix B 5 Anagramme Taktatmung 5 Minuten 2 Minuten 6 Ruhe Ruhe 4 Minuten 4 Minuten 7 Matrix C Matrix C 33
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