Untersuchung zur Herzratenvariabilität unter Stress- und Entspannungs-Bedingung

Die Seite wird erstellt Tom-Lennard Stark
 
WEITER LESEN
Universität Regensburg
Institut für experimentelle Psychologie
Lehrstuhl: Prof. Dr. H. Lukesch
PWP: Empirische Erhebungen zum
Bereich der Medien- und Gesund-
heitspsychologie
WS 2007/2008

               Untersuchung zur
           Herzratenvariabilität unter
          Stress- und Entspannungs-
                  Bedingung

                                Alexandra Curic
                                Heidrun Männer
                               Susanne Meißner
                              Ferdinand Morawetz

                                          1
Curic, Männer, Meissner & Morawetz         Einleitung

Inhalt

1 Einleitung
  1.1 Herzratenvariabilität
  1.2 Biologische Grundlagen der HRV
  1.3 Parameter der HRV
     1.3.1 Zeitbezogene Parameter
     1.3.2 Parameter der Frequenzanalyse
2 Fragestellung und Hypothesen
3 Methode
  3.1 Versuchspersonen
  3.2 Versuchsplan
  3.3 Versuchsablauf
  3.4 Versuchsmaterialien
  3.5 Datenauswertungsmethoden
4 Ergebnisse
  4.1 Deskriptive Statistiken
  4.2 Einfaktorielle Analysen
  4.3 Zweifaktorielle Analysen
  4.4 Korrelationen
5 Diskussion
6 Zusammenfassung
7 Literatur
8 Anhang
  8.1 Anhang A
  8.2 Anhang B
  8.3 Anhang C
  8.4 Anhang D
  8.5 Anhang E
  8.6 Anhang F
  8.7 Anhang G

                                       2
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                            Einleitung

1 Einleitung

Die Bestimmung der Herzratenvariabilität hat sich während der letzten 20 Jahre im
klinischen Einsatz (z. B. bei der Risikobestimmung des plötzlichen Herztodes oder der
Diagnose diabetischer, neuropathischer Prozesse) als zuverlässiges, nicht invasives
diagnostisches Verfahren fest etabliert. Auch in den Sportwissenschaften, vor allem im
Ausdauersport, nutzt man die Parameter der Herzratenvariabilität zur optimalen Trai-
ningssteuerung von Belastungs- und Erholungsphasen.
  Mit Blick auf eventuelle künftige Anwendungsmöglichkeiten bei psychologischen
Fragestellungen muss daher zuerst geklärt werden, ob die Parameter der Herzratenva-
riabilität bzw. deren Erhebungsmethoden geeignet sind, neben physischen Belastun-
gen auch psychische bzw. mentale Belastung und Entspannung zuverlässig zu erfas-
sen.

1.1 Herzratenvariabilität

Die Herzratenvariabilität (HRV) ist eine Messgröße der neurovegetativen Aktivität und
autonomen Funktion des Herzens und beschreibt dessen Fähigkeit, den zeitlichen Ab-
stand von Herzschlag zu Herzschlag belastungsabhängig laufend zu verändern, um
sich wechselnden Anforderungen schnell anzupassen. Die HRV ist somit eine Kenn-
größe für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an innere und äuße-
re Belastungsfaktoren (Hottenrott, 2002).
   Auf die verschiedensten Situationen und Wechselfälle des Lebens reagiert immer
der gesamte Organismus des Menschen. So schlägt einem „das Herz bis zum Halse“
oder es „rast“ in Stresssituationen. Dies sind normale Anpassungsreaktionen auf äuße-
re oder innere Reize, die ständig registriert und durch kleinere oder größere Variatio-
nen in der Herzschlagfolge – eben die Herzratenvariabilität – beantwortet werden.
Problematisch wird es, wenn sich das Herz nicht mehr flexibel diesen Belastungen
anpassen kann. Menschen mit eingeschränkter HRV werden durch größere Belastun-
gen rasch überfordert. Sie erleben dies als Stress – also als Ungleichgewicht zwischen
den Anforderungen einerseits und den eigenen, zur Verfügung stehenden Bewälti-
gungsmöglichkeiten andererseits. Sie entwickeln zu einem deutlich höheren Prozent-
satz gravierende Gesundheitsstörungen wie Herzkrankheiten, Depressionen oder Neu-
ropathien (Mück-Weymann, 2002).
  Eine ausreichend große HRV scheint demnach ein Hinweis auf Gesundheit zu sein,
bezogen auf die Fähigkeit des Organismus, angemessen auf dauernd wechselnde
innere und äußere Belastungen reagieren zu können. Die HRV ist somit möglicherwei-

                                            3
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                Einleitung

se ein „Globalindikator für Schwingungsfähigkeit (Resonanzfähigkeit) und Adaptivität
bio-psycho-sozialer Funktionskreise im Austausch zwischen Organismus und Umwelt“
(Mück-Weymann, 2002).
   Die HRV ist ein sehr individueller Wert und hängt u. a. vom Geschlecht, Alter, Trai-
ningszustand und Aktivität des betreffenden Individuums ab. Des Weiteren beeinflus-
sen Medikamente, Alkohol, Nikotin, Schlafmangel, Erschöpfung, akute Infekte und
chronische Erkrankungen die HRV. Insgesamt lässt sich sagen: Je ausgeruhter und
entspannter der Organismus ist, desto größer wird die Unregelmäßigkeit und desto
höher die Variabilität.
   Regelmäßigkeit bzw. eine geringe Variabilität des Herzschlags („Pulsstarre“) sind
dagegen immer ein Anzeichen von intensiver Belastung des Herz-Kreislaufsystems
z. B. durch körperliche Anstrengung, aber auch durch Krankheit.

1.2 Biologische Grundlagen der HRV

Das gesunde Herz des Erwachsenen schlägt in Ruhe zwischen 50-80 mal in der Minu-
te. Die Herzfrequenz (HF) gibt die Anzahl der Herzschläge pro Minute an. Eine HF von
60 bedeutet also 60 Kontraktionen in einer Minute. Im Durchschnitt beträgt der Abstand
von einem Herzschlag zum nächsten 1 Sekunde oder 1000 Millisekunden (ms). Dies
entspricht jedoch nicht der Arbeitsweise eines gesunden Herzens. Dieses schlägt in
Ruhe unregelmäßig. Die Intervalle zwischen den Herzschlägen betragen mal mehr und
mal weniger als 1000 ms – sie schwanken also um Bruchteile von Sekunden um einen
Mittelwert (vgl. Abb.1.1).

Abbildung 1.1:   Beispiel eines EKGs in Ruhe über sechs RR-Intervalle mit Angabe der Herz-
                 periodendauer und der Herzfrequenz (Hottenrott, 2002, S.10)

                                             4
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Einleitung

Misst man diese Abweichungen vom Mittelwert, so kann man die Standardabweichung
bzw. die Varianz der Phasenlänge zwischen den Herzschlägen berechnen.
  Das autonome Nervensystem steuert unsere Organfunktionen und besteht aus
zwei, meist gegensätzlich arbeitenden Anteilen: Dem Sympathikus mit seiner aktivie-
renden, für Kampf- und Fluchtreaktionen verantwortlichen Wirkung, sowie dem Para-
sympathikus, der in Ruhephasen aktiv ist und vornehmlich Regenerationsprozesse
ermöglicht. Auch die Arbeitsleistung des Herzens wird von den beiden Antagonisten
gesteuert. Unter Sympathikuseinfluss kommt es zu einer Frequenzsteigerung, während
die Herzfrequenz unter parasympathischem Einfluss abnimmt. Der Parasympathikus-
einfluss zeigt sich jedoch auch in einer Zunahme der Unregelmäßigkeiten, während der
Sympathikus eine geringere Varianz in der Herzschlagfolge bewirkt.

   Normale HRV                                  Sympatho-vagale Balance

                                       LF-Einfluss                         HF-Einfluss
                                      sympathisch                        parasympathisch

                                               Sympatho-vagale Dysbalance
  Niedrige HRV

                                                                           HF-Einfluss
                                                                         parasympathisch

                                      LF-Einfluss
                                     sympathisch

Abbildung 1.2: HRV und sympathovagale Balance „Waagenmodell“ (Hottenrott, 2002,
               S.18)

Die hochfrequenten, schnellen Impulse des Vagus (HF) führen zum sofortigen Absin-
ken der Herzfrequenz nach Belastungsende. Nach einem vagalen Reiz dauert es ma-
ximal 400 ms bis zu einer Reaktion, deren Spitze ca. 1-2 Herzschläge später erreicht

                                           5
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                        Einleitung

        wird. Die niederfrequenten, langsamen Impulse des Sympathikus (LF) beanspruchen
        dagegen eine Latenzzeit von ca. 5 s und bewirken dann innerhalb der nächsten 20-30
        Herzschläge eine progressive Steigerung der Herzfrequenz, bis ein bestimmtes, der
        Belastung entsprechendes Niveau erreicht wird (Günther, 1999).
                  Bei einer schnellen Herzfrequenzsteigerung (z. B. in der Anfangsphase von Mus-
        kelarbeit oder bei plötzlichen Stressreizen) ist der initiale Herzfrequenzanstieg auf eine
        Verminderung des Vagotonus zurückzuführen, was eine Herzfrequenz von 120-140
        Schläge/min ermöglicht. Erst bei höherer Belastung setzt der Sympathikuseinfluss ein
        und ermöglicht eine weitere Erhöhung der Schlagfrequenz.
                  Ein weiterer Einflussfaktor auf die Herzschlagfolge ist die Atmung. Da Atem- und
        Kreislaufzentrum im Hirnstamm eng beieinander liegen, werden bei der Einatmung die
        sympathischen Neurone, die zum Herzen führen, immer miterregt. D. h. bei starker
        Einatmung wird auch der Herzschlag schneller. Beim Ausatmen sinkt die Herzfrequenz
        wieder ab. Dieses Phänomen wird respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) genannt und
        ist für die klinische Diagnostik von Bedeutung. Senkt man nun die Atemfrequenz auf
        ca. 6 Atemzüge pro Minute (Taktatmung), kommt es zu einer deutlichen Steigerung der
        Varianz, d. h. der Parasympathikuseinfluss nimmt zu (vgl. Abb. 1.3).

HF [S/min]                                                                                               HF [S/min]
     180                                                                                                  180
                     Maximale Intensität
     160                                                                                                  160
                     Hohe Intensität

     140                                                                                                  140
                     Moderate Intensität

     120             Leichte Intensität                                                                   120

     100             Sehr leichte Intensität                                                              100

      80                               RSA                                                                80

      60                                                                                                  60

      40
                                                                   62 S/min
                                                                                                            Zeit
        0:00:00                                0:02:00   0:04:00              0:06:00   0:08:00

        Abbildung 1.3: Respiratorische Sinusarrhythmie unter Taktatmung (6x/min)

                                                                        6
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                          Einleitung

1.3 Parameter der HRV

Zur Bestimmung der HRV werden die Methoden der Zeit- und Frequenzanalyse ge-
nutzt. Das Prinzip beruht auf der Vermessung der einzelnen RR-Abstände in der EKG-
Aufzeichnung (Langzeit-24h-EKG oder Kurzzeitmessung).

1.3.1 Zeitbereichsbezogene Parameter

Bei der Zeitbereichsanalyse handelt es sich um eine deskriptive statistische Darstel-
lung der aufeinanderfolgenden RR-Abstände und deren Differenzen. Dabei sind fol-
gende Werte von Relevanz:

● NN (= normal to normal): Abstand zweier Herzschläge in Millisekunden
● SD: Standardabweichung zum Mittelwert
● RMSSD: Der RMSSD steht für die schnellen (hochfrequenten) Schwankungen der
  Herzfrequenz. Beim RMSSD-Wert wird die Unterschiedlichkeit aufeinanderfolgender
  RR-Intervalle verrechnet. Dies sagt etwas über den Parasympathikuseinfluss und
  damit etwas über den Entspannungsgrad und die Erholungsfähigkeit des Organis-
  mus aus. Je höher dieser Wert, desto entspannter ist der Mensch. Der RMSSD
  Wert ist die Quadratwurzel aus dem Mittelwert der quadrierten Differenzen sukzes-
  siver RR-Intervalle (in ms).

       Ö   √     (RR1 - RR2)² + (RR2 - RR3)² +.....(RRn-1 + RRn)²
                           n

● pNN50: Der pNN50-Wert bezeichnet den Prozentsatz der aufeinanderfolgenden
  RR-Intervalle, die sich um mehr als 50 ms voneinander unterscheiden. Dabei gilt,
  dass der Parasympathikuseinfluss umso größer ist, je höher der pNN50-Wert ist.
  Geringe Werte indizieren dagegen geringen Parasympathikuseinfluss und damit
  eine gewisse Herzfrequenzstarre.

PNN50 und RMSSD sind Parameter, die vor allem die schnellen Impulse des Vagus
anzeigen, da sie Bezug auf die vorgehenden Intervalle nehmen. Sie eignen sich auch
für Kurzeitmessungen.

                                           7
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Einleitung

1.3.2 Parameter der Frequenzanalyse

Über mathematische Frequenzanalyseverfahren (Fast-Fourier-Analyse) werden die
einzelnen Spektralkomponenten der HRV in ihre Grundfrequenzen zerlegt, so dass
man den relativen Anteil der verschiedenen Grundfrequenzen am Gesamtspektrum
erhält.

●   VLF (Very low frequency): 0,000-0,04 Hz
●   LF (low frequency): 0.04-0,15 Hz Î überwiegend sympathikusgesteuerter Bereich
●   HF (high frequency): 0,15-0,4 Hz Î vagusgesteuerter Bereich
● HF/LF Ratio („sympatho-vagale Balance“): 0,5-2,0 Hz (Normbereich bei Ruhe-
    messung)

Die LF/HF-Ratio gibt das Verhältnis von niederfrequenten Sympathikus- zu hochfre-
quenten Vagusimpulsen an. Da im LF-Bereich jedoch ebenfalls Vaguseinflüsse zu fin-
den sind und die Vergleichswerte v. a. bei Aktivität von Studie zu Studie variieren,
scheint dieser Parameter nur bei Langzeitmessungen (24h-EKG) verlässliche Durch-
schnittswerte zu ergeben. Daher werden diese Werte in der vorliegenden Studie außer
Acht gelassen.

                                         8
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                       Fragestellung und Hypothesen

2 Fragestellungen und Hypothesen

In folgender Untersuchung wird versucht, den Einfluss von Stress- und Entspannungs-
bedingungen auf messbare physiologische Parameter der HRV zu erfassen. Dabei soll
untersucht werden, ob die HRV bei Stress kleiner ist als bei Entspannung. Des Weite-
ren erstreckt sich die Fragestellung auf den Zusammenhang zwischen den vegetativen
Parametern und der subjektiven Spannungs- und Stimmungseinschätzung der Pro-
banden. Es wurden folgende Hypothesen formuliert:

H1: Die HRV ist während der Ruhebedingung größer als während der Stressbedingung
    und kleiner als während der Entspannungsbedingung.

H2: Die HRV ist nach der Stressbedingung kleiner als nach der Entspannungsbedin-
    gung.

H3: Entsprechend eines negativen Zusammenhangs ist die subjektiv empfundene An-
    spannung umso größer/kleiner bzw. die subjektiv empfundene Stimmung umso
    schlechter/besser, je kleiner/größer die gemessene HRV ist.

                                          9
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                           Methode

3 Methode

3.1 Versuchspersonen

An der Untersuchung nahmen 28 weibliche Versuchspersonen im Alter zwischen 19
und 28 Jahren teil. Das Durchschnittsalter beträgt 22 Jahre (s = 2.52). Das durch-
schnittliche Gewicht betrug 57 kg (s = 10.83). Die Teilnehmerinnen gaben im Durch-
schnitt an, ca. 2 h Sport zu machen (s = 1.85). Die am häufigsten angegebenen Sport-
arten waren Ausdauersport, Krafttraining und Kampfsport. Bei den Teilnehmerinnen
handelt es sich um Psychologiestudentinnen der Universität Regensburg. Es wurde
sichergestellt, dass die Teilnehmerinnen keine akuten Infekte, Herzkreislauferkrankun-
gen oder andere chronische Erkrankungen aufweisen. Weiterhin wurden die Teilneh-
merinnen instruiert, zwei Stunden vor Beginn des Experiments kein Nikotin, kein Kof-
fein und keine Hauptmahlzeit zu sich nehmen. Zudem ist kein Restalkohol erlaubt1.

3.2 Versuchsplan

Jede Versuchsperson (Vp) durchläuft fünf Phasen, bei welchen jeweils der Puls und
die Herzratenvariabilität (HRV) gemessen werden. Bei der ersten Phase handelt es
sich um die Kontrollbedingung. Hierbei wird der Ruhezustand der Vp gemessen, ohne
dass sie einer spezifischen Aufgabe ausgesetzt ist. Als nächstes folgt eine Entspan-
nungsbedingung, die aus angeleiteter Taktatmung besteht. Nach einer erneuten Ruhe-
bedingung schließt sich eine Stressbedingung an, die durch teilweise unlösbare Ana-
grammaufgaben herbeigeführt wird. Anschließend folgt eine weitere Ruhebedingung.
     Bei dem Bersuchsplan handelt es sich um ein within-subject-design, daher werden
alle Versuchspersonen in jeder Bedingung getestet. Um Reihenfolgeeffekte zu vermei-
den, werden zwei parallelisierte Versuchsgruppen gebildet, welche die Bedingungen in
verschiedener Weise durchlaufen. Dabei wird die Reihenfolge von Stress- und Ent-
spannungsbedingung variiert.

3.3 Versuchsablauf

Nach der Begrüßung versichert die Vp ihre freiwillige Teilnahme durch Unterschreiben
einer Einwilligungserklärung2. Die Versuchsleiter instruieren die Vp zum Anlegen des
Pulsmessgerätes. Bei Bedarf wird Hilfestellung durch einen Versuchsleiter gleichen
Geschlechts gegeben. Im Anschluss füllt die Vp einen Fragebogen zu persönlichen

1
    Siehe Anhang A (Aushang zur Rekrutierung der Versuchspersonen)
2
    Siehe Anhang B (Einwilligungserklärung)
                                             10
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                           Methode

Daten aus3. Weiterhin füllt die Vp eine Stimmungsmatrix zu ihrer momentanen Befind-
lichkeit aus4. Die Messung wird durch Drücken des Startknopfes an der Pulsuhr gestar-
tet. In der Versuchsgruppe 1 wird die HRV zunächst vier Minuten in der Ruhebedin-
gung gemessen. Hierfür wird die Vp instruiert, bequem auf einem Stuhl zu sitzen und
sich zu entspannen. Nach Ablauf von vier Minuten wird durch erneutes Drücken des
Startknopfes das Ende der Bedingung in der Datenaufzeichnung markiert. Es folgt eine
Entspannungsübung in Form einer zweiminütigen Taktatmung. Die Versuchsleiter er-
klären den Ablauf der Taktatmung und führen diese kurz vor5. Nach Beendigung der
Taktatmung wird der Startknopf an der Pulsuhr erneut gedrückt. Daraufhin wird wie-
derum eine vierminütige Ruhephase durchgeführt, die durch das Drücken des Start-
knopfes abgeschlossen wird. Die Vp wiederholt das Ausfüllen der Stimmungsmatrix.
Nach dem erneutem Drücken des Startknopfes folgt die Stressbedingung. Die Vp hat
die Aufgabe, in fünf Minuten 21 Anagramme zu lösen6. Der Stress wird induziert, in-
dem der Vp vermittelt wird, dass 90 % der Personen ihrer Altersklasse und ihres Bil-
dungsstandes in der Lage sind, die Wortliste in dieser Zeit erfolgreich zu bearbeiten.
Tatsächlich sind zwei Drittel der Anagramme nicht lösbar. Nach Ablauf der vorgegeben
Zeit wird wiederum der Startknopf gedrückt und es schließt sich eine weitere vierminü-
tige Ruhephase an. Abschließend wird der Startknopf gedrückt und die Vp füllt noch-
mals die Stimmungsmatrix zu ihrer momentanen Befindlichkeit aus.
    In Versuchsgruppe 2 ist der Versuchsablauf identisch, mit der Ausnahme, dass erst
die Stress- und dann die Entspannungsbedingung stattfindet7. Außerdem wird die Vp
vor der Entspannungsbedingung über die Unlösbarkeit der Anagramme informiert, um
keine konfundierende Variable zu kreieren.
    Nach Beendigung der Messung wird das Pulsmessgerät abgenommen und die Vp
wird über den Hintergrund der Untersuchung aufgeklärt. Eventuell auftretende Fragen
werden von den Versuchsleitern beantwortet.

3.4 Versuchsmaterialien

Neben der Einwilligungserklärung8 wird ein Fragebogen zur Erfassung persönlicher
Daten9 verwendet. Dabei werden Alter, Größe, Gewicht und sportliche Gewohnheiten
der Vp erfasst. Durch eine Stimmungsmatrix in dreifacher Ausführung wird die momen-

3
  Siehe Anhang C (Fragebogen zu persönlichen Daten)
4
  Siehe Anhang D (Stimmungsmatrix)
5
  Siehe Anhang E (Instruktion zur Taktatmung)
6
  Siehe Anhang F (Anagramme)
7
  Siehe Anhang G (Ablauf)
8
  Siehe Anhang B (Einwilligungserklärung)
9
  Siehe Anhang C (Fragebogen zu persönlichen Daten)
                                           11
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                            Methode

tane Stimmungs- und Erregungslage wiederholt erhoben10. Die horizontale Stim-
mungsdimension setzt sich aus acht Antwortmöglichkeiten von „gehobene Stimmung“
bis „Deprimiertheit“ zusammen. Die vertikale Spannungsdimension umfasst ebenfalls
acht Abstufungen von „Ruhe“ bis „Erregtheit“. Um die Inhalte der Dimensionen zu ver-
deutlichen, werden zusätzlich einige Beispiele für die Überbegriffe „gehobene Stim-
mung“, „Deprimiertheit“, „Ruhe“ und „Erregtheit“ aufgezählt. Diese sind an die Stim-
mungskategorien von Abele-Brehm und Brehm (1986) angelehnt. Die Stressinduktion
erfolgt durch zum größten Teil unlösbare Anagramme11. Zur Bearbeitung wird der Vp
ein Stift zur Verfügung gestellt. Mit einer Stoppuhr wird die Einhaltung der einzelnen
Zeitabschnitte sicher gestellt. Zur Messung von Puls und Herzratenvariabilität wird ein
Pulsmessgerät der Marke Polar RS 800 verwendet. Das Messgerät besteht aus einem
Sensor, der in Form eines Brustgürtels am Körper angebracht wird, sowie aus einer
Armbanduhr, die die Daten erfasst. Die Daten werden via Infrarot auf einen Computer
übertragen. Die Auswertung der Daten erfolgt durch eine bei Polar erhältliche Soft-
ware.

3.5 Datenauswertungsmethoden

In die Auswertung gingen die Werte von 22 Vpn ein. Die restlichen Daten waren aus
technischen Gründen nicht verwertbar. Bei der Auswertung wurden folgende Werte
berücksichtigt: HRV (ms), Puls (S/min), RMSSD und pNN50, sowie subjektive Anga-
ben für die Stimmung und Spannung bei verschiedenen Bedingungen. Zur Datenaus-
wertung wurde das Programm SPSS 15 verwendet. Zur statistischen Auswertung wur-
de – wenn nicht anders vermerkt – das Signifikanzniveau bei α =.05 angesetzt. Um zu
überprüfen, inwieweit aus den verschiedenen Parametern unterschiedliche Aussagen
über den Organismus getroffen werden können, wurden die Werte S/min, ms, RMSSD
und pNN50 nach Pearson miteinander korreliert. Es ergaben sich jeweils signifikante
Korrelationen (α =.01) (vgl. Tabelle 3.1). Dies deutet darauf hin, dass durch die Para-
meter ähnliche vegetative Vorgänge repräsentiert werden.

10
     Siehe Anhang D (Stimmungsmatrix)
11
     Siehe Anhang F (Anagramme)
                                          12
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                               Methode

Tabelle 3.1:       Korrelationen nach Pearson zwischen S/min, ms, RMSSD und pNN50

                                                 Mittler S/min    Mittlere ms   RMSSD     PNN50

                  Korrelation nach Pearson                        -.972**       -.558**   -.546**
 Mittler S/min
                  Signifikanz (2-seitig)                          .000          .000      .000
                  Korrelation nach Pearson       -.972**                        .596**    .581**
 Mittlere ms
                  Signifikanz (2-seitig)         .000                           .000      .000
                  Korrelation nach Pearson       -.558**          .596**                  .923**
 RMSSD
                  Signifikanz (2-seitig)         .000             .000                    .000
                  Korrelation nach Pearson       -.546**          .581**        .923**
 PNN50
                  Signifikanz (2-seitig)         .000             .000          .000

** Die Korrelation ist auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant.

                                                        13
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Ergebnisse

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Statistiken zu den erhobenen Variablen bei verschiedenen
Bedingungen

In Tabelle 4.1 sind Minimum, Maximum, Mittelwert und Standardabweichung der unter-
suchten Parameter während der einzelnen Experimentalphasen aufgeführt.

Tabelle 4.1: Deskriptive Daten verschiedener Parameter bei verschiedenen Versuchs-
             bedingungen

                                                                   Standardab-
                            N    Minimum    Maximum   Mittelwert
                                                                   weichung

S/min bei Stress            22   68         110       82.73        11.94
S/min nach Stress           22   59         102       77.68        11.29
S/min bei
                            22   63         95        77.73        10.02
Entspannung
S/min nach Entspannung      22   61         96        78.82        9.48
S/min bei Ruhe              22   62         103       79.23        11.62
ms bei Stress               22   545        878       734.14       97.88
ms nach Stress              22   592        1020      795.32       111.41
ms bei Entspannung          22   638        969       796.18       102.72
ms nach Entspannung         22   635        988       776.82       95.41
ms bei Ruhe                 22   586        969       777.23       110.40
RMDDS bei Stress            22   9          79        34.43        18.53
RMSSD nach Stress           22   17         116       46.15        26.44
RMSSD bei Entspannung       22   20         97        55.58        23.35
RMSSD nach Entspannung 22        16         84        35.89        19.15
RMSSD bei Ruhe              22   14         97        40.17        23.03
pNN50 bei Stress            22   0          32        6.84         8.05
pNN50 nach Stress           22   1          30        10.87        9.52
pNN50 bei Entspannung       22   0          27        13.39        7.93
pNN50 nach Entspannung      22   0          31        7.67         8.52
pNN50 bei Ruhe              22   0          31        8.88         10.29
Spannung nach Stress        22   2          7         4.23         1.60
Spannung nach
                            22   1          4         2.73         .94
Entspannung
Spannung nach Ruhe          22   2          7         4.64         1.50
Stimmung nach Stress        22   2          6         4.14         .94
Stimmung nach
                            22   1          6         3.41         1.14
Entspannung
Stimmung nach Ruhe          22   2          6         3.41         1.22

                                           14
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                                       Ergebnisse

Die Abbildungen 4.1 bis 4.6 stellen die Mittelwerte über alle Vpn pro untersuchten Pa-
rameter unter verschiedenen Bedingungen dar.

               80
  Mittelwert

               60

                              82,73
                                                                                 78,82           79,23
                                                 77,68            77,73

               40

               20
                        S/min bei Stress   S/min nach Stress    S/min bei      S/min nach   S/min bei Ruhe
                                                               Entspannung    Entspannung
Abbildung 4.1: Mittelwerte Puls (S/min) über alle Bedingungen

               1000

                800

                600
  Mittelwert

                400                                795,3             796,2        776,8          777,2
                                734,1

                200

                    0
                           ms bei Stress     ms nach Stress        ms bei       ms nach      ms bei Ruhe
                                                                Entspannung   Entspannung

Abbildung 4.2: Mittelwerte HRV (ms) über alle Bedingungen
                                                                15
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                                  Ergebnisse

               60
  Mittelwert

               40

                                                                55,6

                                              46,1

               20                                                                           40,2
                                                                             35,9
                          34,4

                0
                    RMDDS bei Stress RMSSD nach Stress      RMSSD bei    RMSSD nach    RMSSD bei Ruhe
                                                           Entspannung   Entspannung
Abbildung 4.3: Mittelwerte RMSSD über alle Bedingungen

               15
  Mittelwert

               10

                                                                13,39

                                              10,87
                5

                                                                                             8,88
                                                                            7,67
                           6,84

                0
                    pNN50 bei Stress   pNN50 nach Stress    pNN50 bei    pNN50 nach    pNN50 bei Ruhe
                                                           Entspannung   Entspannung

Abbildung 4.4: Mittelwerte pNN50 über alle Bedingungen

                                                           16
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                               Ergebnisse

               6

               5

               4
  Mittelwert

               3

                                                                                4,636
                           4,227
               2

                                                      2,727

               1

               0
                   Spannung nach Stress    Spannung nach Entspannung     Spannung nach Ruhe

Abbildung 4.5: Mittlerer Punktwert beim subjektiven Spannungswert (je höher der
               Punktwert, desto größer ist die subjektiv empfundene Erregung der
               Person)

               5

               4

               3
  Mittelwert

                             4,136
               2

                                                         3,409                          3,409

               1

               0
                    Stimmung nach Stress     Stimmung nach Entspannung      Stimmung nach Ruhe

Abbildung 4.6: Mittlerer Punktwert beim subjektivem Stimmungswert (je höher der
               Punktwert, desto größer ist die subjektiv empfundene Deprimiertheit
               der Person)

                                                        17
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                      Ergebnisse

4.2 Der Einfluss verschiedener Untersuchungsbedingungen auf die Para-
    meter der HRV

Zum Vergleich der vegetativen Parameter während der Anagrammaufgabe und wäh-
rend der Taktatmung wurde eine univariate Varianzanalyse mit fünffach gestuftem In-
nersubjektfaktor durchgeführt. Es ergaben sich signifikante Unterschiede für alle Pa-
rameter (vgl. Tabelle 4.2)

Tabelle 4.2: Univariate Varianzanalyse mit fünffach gestuftem Innersubjektfaktor
             „Stress – Entspannung – Ruhe – nach Stress – nach Ruhe“

              Quadrat-
                                   Mittel der
 Maß          summe vom       df                     F            Signifikanz
                                   Quadrate
              Typ III
 S/min        375.218         4    93.805            93.805       .000*
 ms           55774.782       4    55774.782         11.510       .000*
 RMSSD        6570.506        4    1642.627          10.253       .000*
 pNN50        612.199         4    153.050           7.561        .000*

*signifikant bei α=.05.

Die Durchführung univariater Varianzanalysen für den dreifach gestuften Innersubjekt-
faktor „Stress – Entspannung – Ruhe“ ergab sowohl für die vegetativen Parameter als
auch für die subjektiven Einschätzungen von Spannung und Stimmung signifikante
Unterschiede (vgl. Tabelle 4.3).

Tabelle 4.3: Univariate Varianzanalyse mit dreifach gestuftem Innersubjektfaktor
             „Stress – Entspannung – Ruhe“

                Quadrat-
 Maß                                        Mittel der
                summe         df                              F           Signifikanz
                                            Quadrate
                vom Typ III
 S/min          289.667       2             144.833           9.520       .000*
 ms             44482.091     2             22241.045         13.156      .000*
 RMSSD          5263.285      2             2631.642          19.682      .000*
 pNN50          494.265       2             247.132           10.923      .000*
 Spannung       44.455        2             22.227            17.435      .000*
 Stimmung       7.758         2             3.879             6.208       .004*

*signifikant bei α=.05.

                                                18
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Ergebnisse

Es zeigte sich, dass die Werte ms, RMSSD und pNN50 in der Bedingung „nach Stress“
größer sind als in der Bedingung „nach Entspannung“ (vgl. Tabelle 4.1). Der Wert
S/min liegt hingegen in der Bedingung „nach Entspannung“ höher. Um die Signifikanz
dieser Unterschiede zu prüfen, wurde eine univariate Varianzanalyse für den zweifach
gestuften Innersubjektfaktor „nach Stress – nach Entspannung“ durchgeführt. Die Er-
gebnisse sind in Tabelle 4.4 zu sehen. Die Werte ms, RMSSD und pNN50 unterschei-
den sich in den beiden Bedingungen signifikant voneinander.

Tabelle 4.4: Univariate Varianzanalyse mit zweifach gestuftem Innersubjektfaktor „nach
             Stress – nach Entspannung“

                                     Mittel der
 Quelle           Maß        df                    F       Signifikanz
                                     Quadrate
                  S/min      1       14.205        1.475   .238
 Reihenfolge      ms         1       3764.750      5.399   .030*
                  RMSSD      1       1157.738      5.023   .036*
                  pNN50      1       112.960       5.887   .024*

*signifikant bei α=.05.

4.3 Analysierung von Reihenfolgeeffekten

Um einen Einfluss der Reihenfolge, in der die Vpn der Stress- bzw. der Entspannungs-
bedingung ausgesetzt waren, auszuschließen, wurde eine univariate Varianzanalyse
mit der Reihenfolge von Stress- bzw. Entspannungsinduktion als zweifach gestuften
Zwischensubjektfaktor und den Bedingungen Stress- bzw. Entspannungsinduktion als
zweifach gestuften Innersubjektfaktor gerechnet. Es ergaben sich außer für den Para-
meter Puls keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Reihenfolgen (vgl.
Tabelle 4.5).

Tabelle 4.5: Univariate Varianzanalyse mit zweifach gestuftem Zwischensubjektfaktor
             „Reihe folge: Stress – Entspannung“ und zweifach gestuftem Innersub-
             jektfaktor „Stress – Entspannung“

                                     Mittel der
 Quelle           Maß        df                    F       Signifikanz
                                     Quadrate
                  S/min      1       820.455       4.359   .050*
                  ms         1       49178.205     3.073   .095
 Reihenfolge      RMSSD      1       1022.418      1.495   .236
                  pNN50      1       39.142        .357    .557
                  Spannung   1       .568          .292    .595
                  Stimmung   1       1.455         .825    .375

*signifikant bei α=.05.

                                              19
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                                Ergebnisse

                                          Geschätztes Randmittel von Smin

                            90
                                                                    Reihenfolge
                                                                          ES
                                                                          SE
                            88
   Geschätztes Randmittel

                            86

                            84

                            82

                            80

                            78

                            76

                                    1                         2
                                 Stress       Bedingung   Entspannung

Abbildung 4.7: Puls (S/min) in Abhängigkeit der Reihenfolge von Stress-, und Ent-
               spannungsbedingung und der Bedingung Stress oder Entspannung.
               Reihenfolge ES: Entspannungsbedingung vor Stressbedingung. Rei-
               henfolge SE: Stressbedingung vor Entspannungsbedingung

4.4 Zusammenhänge zwischen dem subjektiven Erleben und der HRV
Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der subjektiv empfundenen Span-
nung bzw. Stimmung und der Herzratenvariabilität wurde der Korrelationskoeffizient
nach Spearman berechnet. Es wurden jeweils bivariate Korrelationen zwischen der
Herzratenvariabilität (ms) und dem Spannungs- bzw. dem Stimmungswert durchge-
führt. Ein negativer Korrelationskoeffizient bedeutet, dass die subjektiv empfundene
Spannung umso kleiner bzw. die subjektiv empfundene Stimmung umso besser ist, je
größer die gemessene Herzratenvariabilität ist. Sämtliche berechneten Korrelationsko-
effizienten waren leicht negativ. Es ergaben sich keine signifikanten Zusammenhänge.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.6 abgebildet.

                                                     20
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                      Ergebnisse

Tabelle 4.6: Korrelationskoeffizient nach Spearman zwischen Herzratenvariabilität
             (ms) und dem subjektiven Spannungs- bzw. Stimmungswert

                                Korrelationskoeffizient
Variablen                                                     Signifikanz
                                   nach Spearman
ms bei Stress –
subjektive Spannung nach                 -.104                   .644
Stress

ms bei Entspannung –
subjektive Spannung nach                 -.018                   .937
Entspannung

ms bei Ruhe –
subjektive Spannung bei                  -.166                   .461
Ruhe

ms bei Stress –
subjektive Stimmung nach                 -.014                   .950
Stress

ms bei Entspannung –
subjektive Stimmung nach                 -.029                   .899
Entspannung

ms bei Ruhe –
subjektive Stimmung nach                 -.237                   .287
Ruhe

                                          21
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Diskussion

5 Diskussion

In vorliegender Studie wurde untersucht, wie sich messbare Parameter der HRV sowie
die subjektive Befindlichkeitseinschätzung in Abhängigkeit von Stress- und Entspan-
nungsinduktion verändern. Außerdem wurde überprüft, ob ein Zusammenhang zwi-
schen gemessener HRV und subjektivem Entspannungs-Stress-Empfinden festgestellt
werden kann.
   Die Hypothese H1 (HRV ist während der Ruhebedingung größer als während der
Stressbedingung und kleiner als während der Entspannungsbedingung) konnte beibe-
halten werden. Sowohl ms, RMSSD als auch pNN50 waren in der Entspannungsbe-
dingung größer als in der Ruhebedingung und in der Stressbedingung am geringsten.
Der Puls (S/min) hingegen war in der Ruhebedingung größer als in der Entspannungs-
bedingung und in der Stressbedingung am größten. Offenbar war es gelungen, durch
die Anagrammaufgabe Stress zu induzieren bzw. mittels der Taktatmung vegetativer
Entspannung zu erzielen. Dies unterstützt Hottenrotts (2002) Annahme, dass die HRV
eine Kenngröße für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an Belas-
tungsfaktoren ist. Außerdem trägt der Befund zur Validierung der HRV-Nutzung als
Stressindikator bei. Da die Inhalte der drei Parameter (ms, RMSSD, pNN50) laut der
vorliegenden Ergebnisse stark korrelieren, kann es in künftigen Studien allerdings
sinnvoll sein, sich auf nur einen Messparameter der HRV konzentrieren.
   Die Hypothese H2 (HRV ist nach der Stressbedingung kleiner als nach der Ent-
spannungsbedingung) konnte nicht bestätigt werden. Alle gemessenen Werte der HRV
verhielten sich signifikant gegenteilig zur Vorhersage. Die Versuchspersonen waren
nach der Stressbedingung vegetativ offenbar entspannter als nach der Entspannungs-
phase. Der Stresslevel der Probanden sank also unmittelbar nach Beendigung der
Aufgabe, aber bereits vor Aufklärung der Tatsache, dass die Anagrammaufgaben nicht
lösbar waren. Eine mögliche Erklärung stellt der sog. Rebound-Effekt dar, eine Gegen-
reaktion des ANS, die nach einer Verschiebung des sympathisch-parasympatischen
Gleichgewichts, schnell wieder die Balance herstellt und so die Reaktions- bzw. Adap-
tionsfähigkeit des Organismus wieder herstellt. Außerdem lässt sich dieses Ergebnis in
eine Reihe von Befunden zum Angstverlauf in Prüfungssituationen einfügen, die zeig-
ten, dass nach Prüfungssituationen die subjektiv empfundene Angst (Jacobs, 1981)
wie auch körperliche Beschwerden (Scheer & Zenz, 1973, zitiert nach Lukesch, 2006)
absanken. Somit kann angenommen werden, dass auch im vorliegenden Experiment
dieser Effekt eingetreten ist. In direktem Kontrast dazu stehen jedoch die subjektiven
Einschätzungen der Vpn zu ihrer Befindlichkeit. Die Vpn schätzten sich nach der Ent-
spannungsphase als besser gelaunt und entspannter ein als nach der Stressphase.

                                         22
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                            Diskussion

Ein Zusammenhang zwischen subjektiver Spannungs- bzw. Stimmungseinschätzung
und der gemessenen HRV gemäß H3 konnte nicht bestätigt werden. Zwar war die sub-
jektiv empfundene Stimmung tendenziell besser und die subjektiv empfundene An-
spannung kleiner, je größer die HRV war. Dennoch lag kein überzufälliger negativer
Zusammenhang vor. Für diesen Befund bieten sich mehrere Erklärungen an. Eventu-
ell ist die verwendete Befindlichkeitsmatrix wenig differenziert. Sie ist wenig geeignet,
um feine Veränderungen in der Befindlichkeit zu erfassen und sollte für künftige Stu-
dien abgeändert werden. Andererseits setzt die Selbsteinschätzung der subjektiv emp-
fundenen Stimmung/Spannung bzw. deren Veränderung im Versuchsverlauf eine gut
ausgeprägte Introspektionsfähigkeit voraus.
  Außerdem zeigten sich Reihenfolgeeffekte für den Parameter Puls (größer bei Rei-
henfolge Stress-Entspannung als bei Reihenfolge Entspannung-Stress). Dementspre-
chend ist ein Within-subject Design, wie es in der vorliegenden Studie verwendet wur-
de, von Vorteil, um diese Unterschiede auszugleichen.
  Die vorliegende Studie bestätigt, dass die HRV-Messung ein valides Mittel zur Er-
fassung der vegetativen Balance ist, weshalb sie zur Untersuchung verschiedener psy-
chologischer Fragestellungen geeignet ist. Denkbar wären z. B. weitere Erhebungen
zur Stressregulierung.

                                           23
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                 Zusammenfassung

6 Zusammenfassung

Die Herzratenvariabilität (HRV) ist eine vegetative Kenngröße, die nach Hottenrott
(2002) umso größer ist, je eher sich ein Organismus an innere und äußere Belastun-
gen anpassen kann. Im vorliegenden Experiment wird der Einfluss von Stress- und
Entspannungssituationen auf verschiedene Parameter der HRV untersucht.
   Jede Versuchsperson (Vp) durchlief dazu Stress-, Entspannungs- sowie drei Ruhe-
bedingungen in unterschiedlichen Reihenfolgen. Zur Stressinduktion wurden den Ver-
suchpersonen unlösbare Anagramme vorgelegt. Entspannung sollte durch Taktatmung
bewirkt werden. Es wurde erwartet, dass die HRV umso größer ist, je entspannter die
Vp ist. Darüber hinaus wurden Einschätzungen der Versuchspersonen ihres Stim-
mungs- und Spannungszustands nach den experimentellen Manipulationen erhoben,
um zu prüfen, ob die vegetativen Parameter mit den subjektiven Bewertungen korre-
lierten.
   Die HRV war tatsächlich in der Entspannungsbedingung größer als in der Stressbe-
dingung. Ein signifikanter Zusammenhang der gemessenen HRV und der subjektiven
Befindlichkeitseinschätzung konnte allerdings nicht festgestellt werden. Die HRV kann
offenbar durch unterschiedliche Stress- und Entspannungsbedingungen beeinflusst
werden und liefert wertvolle Informationen zur vegetativen und psychischen Anpas-
sungsfähigkeit eines Organismus.

                                         24
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                             Literatur

7 Literatur

Abele-Brehm, A. & Brehm, W. (1986). Zur Konzeption und Messung von Befindlichkeit.
 Die Entwicklung der „Befindlichkeitsskalen“ (BFS). Diagnostika, 32, 209-228.

Aßmann, G. (2002). Tageszeitliche Unterschiede der sympathovagalen Aktivität des
  Kreislaufsystems bei gesunden Probanden. München: Unveröffentlichte Disser-
  tation.

Günther, U. (1999). Die interindividuelle und intraindividuelle Vergleichbarkeit und
  klinische Bedeutung der verschiedenen Parameter der Herzfrequenzvariabilität in
  der Langzeitanalyse. Leipzig: Unveröffentlichte Dissertation.

Hottenrott, K.(2002). Herzfrequenzvariabilität im Sport – Prävention, Rehabilitation und
  Training. Hamburg: Feldhaus Verlag.

Hottenrott, K. (2004). Herzfrequenzvariabilität im Fitness- und Gesundheitssport.
   Hamburg: Meyer & Meyer Sport Verlag.

Hottenrott, K. (2006). Trainingskontrolle mit Herzfrequenzmessgeräten. Hamburg:
   Meyer & Meyer Sport Verlag.

Jacobs, B. (1981). Angst in der Prüfung. Beiträge zu einer kognitiven Therapie der
   Angstentstehung in Prüfungssituationen. Frankfurt: Fischer.

Lukesch, H. (2006). Einführung in die Pädagogische Psychologie. Regensburg:
   Roderer.

Metzger-Brewka, J. (1992). Die Abbildung emotionalisierender Effekte eines Horror-
 films mit der Methode des Katathymen Bilderlebens. Universität Regensburg: Unver-
 öffentlichte Diplomarbeit.

Mück-Weymann, M. (2002). www.hrv24.de [Stand: 28.01.2008]

Scheer, J. W. & Zenz, H. (1973). Studenten in der Prüfung. Eine Untersuchung zur
   akademischen Initiationskultur. Frankfurt: Aspekt-Verlag.

                                          25
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                             Anhang

8 Anhang
8.1 Anhang A – Aushang zur Rekrutierung der Versuchspersonen

  Experiment zur Herzratenvariabili-
                 tät
Dauer: ca. 45 Minuten
        2 Stunden vorher kein Nikotin, kein Koffein,
        keine Hauptmahlzeit, kein Restalkohol

Treffpunkt: hier (vor Vp-Stunden-Aushängen)

Voraussetzung:
Ihr seid weiblich und zwischen 20 und 28 Jahre alt.

Ausschlusskriterien:
 • Einnahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten
 • akuter Infekt
 • Herzkreislauferkrankungen oder andere chroni-
   sche Erkrankung

Tragt euch bitte in der Teilnehmerliste
bei freien Terminen ein.

                                     26
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                         Anhang

8.2 Anhang B – Einwilligungserklärung

Vielen Dank für Ihre Teilnahme an diesem Experiment, das Teil einer For-
schungsarbeit für die Universität Regensburg ist.

Hiermit bestätige ich, dass ich freiwillig als Proband an diesem Experiment teil-
nehme. Ich wurde darüber informiert, dass ich das Experiment jederzeit been-
den kann.

Alle hier erhobenen Daten sind anonym und werden nicht im Zusammenhang
mit meinem Namen oder Geburtsdatum gespeichert.
Sollte ich mich ungerecht behandelt fühlen, weiß ich, dass ich jederzeit über die
Universität Regensburg Beschwerde einreichen kann.
Diese Einwilligungserklärung wird aus rechtlichen Gründen zwölf Monate auf-
gehoben.

Name:

Unterschrift:

Regensburg/Datum:

                                        27
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                        Anhang

8.3 Anhang C – Fragebogen zu persönlichen Daten

                          Angaben zur Person

Vp-Nr:

Geburtsdatum:

Gewicht in kg:

Körpergröße in cm:

Wie viele Stunden verbringen Sie pro Woche mit Sport?

______________________________________________________

Welche Sportarten üben Sie derzeit aus?
Kreuzen Sie Zutreffendes an. Mehrere Antworten möglich.

o Ausdauersportarten
o Meditative Sportarten
o Mannschaftssportarten
o Erlebnis-/Natursportarten
o Kampfsport und/oder Tanzsport
o Krafttraining
o Sonstiges, nämlich________________________________

                                     28
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                        Anhang

 8.4 Anhang D – Stimmungsmatrix

                                                                Vp:

 Bitte kreuzen Sie in folgender Matrix ein Kästchen an, das auf Ihren
 momentanen Zustand am ehesten zutrifft.

 Wichtig:

 Beurteilen Sie nur, wie Sie sich augenblicklich fühlen.

                                             Erregtheit
                                       (z.B. ruhelos, nervös,
                                      verkrampft, angespannt,
                                              kribbelig)

        Gehobene                                                      Deprimiertheit
        Stimmung                                                      (z.B. gedrückt,
(z.B. unbeschwert,                                                    betrübt, traurig,
    angenehm, gut                                                     niedergeschlagen,
   gelaunt, freudig)                                                  unglücklich)

                                                Ruhe
                                        (z.B. locker, gelöst,
                                       entspannt, gelassen)

                                            29
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                      Anhang

8.5 Anhang E – Instruktion zur Taktatmung

   1. Bitte setzen Sie sich aufrecht hin.
   2. Ihre Arme und Beine sollten nicht überkreuzt sein.
   3. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb von 10 Sekunden genau einmal ein und
       einmal auszuatmen.
   4. Der Versuchsleiter wird Ihnen als Hilfestellung die zehn Sekunden vor-
       zählen.
   5. Die Taktatmung wird 2 Minuten dauern.
   6. Sollten Sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt unwohl fühlen, brechen Sie bit-
       te die Taktatmung umgehend ab.
   7. Wenn Sie wollen können Sie während der Atmung die Augen schließen.

                                       30
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                           Anhang

8.6 Anhang F – Anagramme

Auf der folgenden Seite sind etliche – teils sinnlose, teils sinnvolle – Buchsta-
benfolgen aufgelistet. Sie sollen aus jeder dieser vorgegebenen Buchstabenrei-
he ein sinnvolles Hauptwort der deutschen Sprache bilden. Dieses neue Wort
muss alle vorgegebenen Buchstaben enthalten.

Beispiel:

In der Liste steht: „STIEL“ – Ihre Lösung lautet „LISTE“

Bitte notieren Sie Ihre Lösung jeweils rechts neben dem vorgegebenen Wort.
Sie haben zur Bearbeitung dieser Aufgaben 5 Minuten Zeit. 90% der Personen
Ihrer Altersklasse und Ihres Bildungsstandes sind in der Lage, die Wortliste in
dieser Zeit zu bearbeiten.
Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, blättern Sie jetzt bitte um und begin-
nen Sie mit der Bearbeitung.

                                        31
Curic, Männer, Meissner & Morawetz        Anhang

1. TORW

2. NIEM

3. TISM

4. FLOW

5. STEP

6. SCHLAE

7. HEGNIR

8. MENTGA

9. BRUKRI

10. TWALEG

11. LATTEN

12. DIREKT

13. TOERNS

14. BACHOD

15. KAMINDY

16. NAMZPRIA

17. BAMRUNBI

18. TROWART

19. SÜTRREM

20. DERIMPAY

21. OBRANDTE

                                     32
Curic, Männer, Meissner & Morawetz                                      Anhang

8.7 Anhang G – Ablauf

               ES                                           SE

           Begrüßung                                     Begrüßung
           Einwilligung                                  Einwilligung

          Anlegen (an)                                   Anlegen (an)
          Persönliche                                    Persönliche
             Daten                                          Daten

                                 Info über
             Matrix A            Taktatmung                Matrix A

                                                                          1
              Ruhe                                          Ruhe
            4 Minuten                                     4 Minuten
                                                                          2
          Taktatmung                                     Anagramme
           2 Minuten                                      5 Minuten
                                                                          3
              Ruhe                                          Ruhe
            4 Minuten                                     4 Minuten
                                                                          4
                                          Info über
             Matrix B                     Unlösbarkeit     Matrix B

                                                                          5
          Anagramme                                      Taktatmung
           5 Minuten                                      2 Minuten
                                                                          6
              Ruhe                                          Ruhe
            4 Minuten                                     4 Minuten
                                                                          7
             Matrix C                                      Matrix C

                                          33
Sie können auch lesen