Untersuchungsbericht Identifikation

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Untersuchungsbericht Identifikation
Bundesstelle für
                                         Flugunfalluntersuchung

Untersuchungsbericht
Identifikation
Art des Ereignisses: Unfall
Datum:               19.09.2020
Ort:                 Moosburg

Luftfahrzeug:        Flugzeug
Hersteller:          Amateurbau
Muster:              Raven 2XS

Personenschaden:     Pilot und Fluggast tödlich verletzt
Sachschaden:         Luftfahrzeug zerstört
Drittschaden:        Flurschaden

Aktenzeichen:        BFU20-0809-CX

Kurzdarstellung

Bei einem Überflug über der Piste kam es zu Motorstörungen. Beim anschließenden
Versuch einer Umkehrkurve geriet das Flugzeug in eine unkontrollierte Fluglage und
stürzte ab.
Untersuchungsbericht Identifikation
Untersuchungsbericht BFU20-0809-CX

Sachverhalt

Ereignisse und Flugverlauf
Der verantwortliche Pilot war zusammen mit einem Passagier um 10:12 Uhr1 vom
Verkehrslandeplatz Meschede-Schüren gestartet. Ziel war der Sonderlandeplatz
Moosburg auf der Kippe. Es handelte sich um einen Überführungsflug, der nach
Sichtflugregeln durchgeführt wurde. Laut Aussage eines Zeugen hatte der verant-
wortliche Pilot das Luftfahrzeug am Vorabend mit 85 l Kraftstoff (AVGAS 100LL) be-
tankt.

Die Flugleiterin des Zielflugplatzes gab an, dass sich der Pilot etwa 5 Minuten vor Er-
reichen des Platzes meldete. Er sei schwer zu verstehen gewesen. Der Pilot habe
gefragt, ob ein Überflug der Piste 22 mit anschließender Landung auf der Piste 04
möglich sei. Dies habe sie bejaht. Das Flugzeug habe dann die Piste 04 angeflogen.
Etwa in Höhe der Halbbahnmarkierung sei die Leistung erhöht worden. Es habe un-
mittelbar Motoraussetzer gegeben und der Pilot hätte noch einen unverständlichen
Funkspruch abgesetzt, aus dem nur das Fragment „04“ identifizierbar gewesen sei.
Kurz danach sei sie informiert worden, dass das Flugzeug abgestürzt sei, und habe
die Rettungskräfte alarmiert.

Die Befragung weiterer Zeugen ergab, dass das Luftfahrzeug die Piste 04 in einer
Höhe von etwa 100 m bis 150 m überflog. Etwa auf Höhe der Halbbahnmarkierung
sei die Triebwerksleitung erhöht worden. Direkt danach sei es zu Motoraussetzern
gekommen. Das Luftfahrzeug sei nach rechts von der Mittellinie der Piste 04 abgewi-
chen und daraufhin nach links, wohl mit dem Ziel, zum Platz zurückzukehren, einge-
kurvt. Dabei sei es über die linke Seite abgekippt.

Die zur Verfügung stehenden Radardaten belegen diese Aussagen. Demnach über-
flog das Luftfahrzeug die Schwelle der Piste 04 in einer Höhe von 407 ft AGL mit ei-
ner Geschwindigkeit von 148 kt über Grund. In Höhe der Bahnmitte hatte es eine
Geschwindigkeit von 143 kt über Grund und eine Höhe von 411 ft AGL. Im weiteren
Verlauf verlor es etwa 100 ft an Höhe, wich nach rechts von der Bahnmittellinie ab
und leitete eine Linkskurve ein. Die letzte Radarerfassung wurde um 12:04:57 Uhr in
einer Höhe von 313 ft AGL, etwa 70 m südwestlich der Unfallstelle dokumentiert. Die
Geschwindigkeit betrug 114 kt über Grund.

1
    Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit

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Das Flugzeug stürzte in Verlängerung der Piste 04, etwa 180 m hinter der Schwelle
der Piste 22, in einem mit Büschen bewachsenen Gelände ab. Beide Insassen ver-
starben an der Unfallstelle.

Abb.1: Anflug                                           Quelle: Google Earth, Bundeswehr
Geschwindigkeit und Höhe über Grund                                    Bearbeitung: BFU

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Angaben zu Personen
Verantwortlicher Pilot
Der 44-jährige verantwortliche Pilot war im Besitz einer PPL(A), erteilt durch die Be-
zirksregierung Münster, Ausstellungsdatum 06.10.1998, mit den folgenden Berechti-
gungen:

SEP (land)                                    gültig bis: 30.06.2021

Aerobatic (A)                                                 unbefristet

ST (A)2                                                       unbefristet

Zusätzlich besaß er eine Privatpilotenlizenz, ausgestellt durch die FAA3, Ausstel-
lungdatum 21.07.2005. Eingetragen war die Berechtigung SEP (land). Diese Lizenz
war in Verbindung mit seiner deutschen Lizenz gültig.

Er verfügte über ein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis der Klasse 2, gültig bis
zum 15.04.2021. Es waren keine Einschränkungen eingetragen. Er hatte eine Ge-
samtflugerfahrung von ca. 830 Stunden.

Seine Flugerfahrung auf dem betroffenen Muster betrug laut Flugbuch seit Septem-
ber 2017 etwa 40 Stunden, wobei von insgesamt 116 dokumentierten Flügen 6 eine
Flugdauer von mehr als 1,5 Stunden aufwiesen. Die Einträge waren hauptsächlich
mit der Bemerkung „Kunstflug“ versehen und von relativ kurzer Flugdauer.

Angaben zum Luftfahrzeug
Amateurbau/Raven 2XS
Bei dem betroffenen Flugzeugmuster handelte es sich um einen zweisitzigen, einmo-
torigen Doppeldecker, angetrieben durch ein 280 PS starkes Lycoming-AEIO-540-
EX-Kolbentriebwerk. Es wurde als Kunstflugflugzeug eingesetzt. Die maximale Ab-
flugmasse betrug 1 700 lb4. Es war als Selbstbau (Experimental) in den USA auf ei-
nen amerikanischen Sachwalter zugelassen und wurde durch den verantwortlichen
Piloten privat betrieben.

2
  Schleppberechtigung mit Motorflugzeugen
3
  Federal Aviation Administration
4
  Pfund im angloamerikanischen Maßsystem (1 lb = 0,45 kg)

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Luftfahrzeugmasse und Schwerpunkt
Laut dem Wägebericht vom 29.07.2011 hatte das Luftfahrzeug eine Leermasse von
1 323 lb. Der an der Unfallstelle vorgefundene Restkraftstoff hatte eine Masse von
31,6 lb. Der vordere Insasse wog mit Kleidung 165 lb. Der hinten sitzende Pilot wog
mit Kleidung und Fallschirm 280 lb. Das Gepäck hinter dem Piloten hatte eine Masse
von 15,4 lb.

Die ermittelte Gesamtmasse betrug zum Unfallzeitpunkt 1 815 lb. Der ermittelte
Schwerpunkt lag 92,7‘‘5 hinter dem Bezugspunkt und somit außerhalb des maximal
zulässigen hinteren Limits von 90,2‘‘.

Kraftstoffmenge und Kraftstoffverbrauch
Das Luftfahrzeug verfügte über einen Haupttank, welcher sich in der Kabine vor dem
vorderen Sitzplatz befand. Er hatte ein Fassungsvermögen von 87 l, wobei 3,78 l als
nicht ausfliegbare Restmenge definiert waren. In der oberen Tragfläche befand sich
ein Zusatztank, der ein Fassungsvermögen von 18,9 l hatte. Die maximal zur Verfü-
gung stehende Kraftstoffmenge betrug somit 102 l. Es gab keine direkte Verbindung
vom Zusatztank zum Triebwerk. Um den Kraftstoffvorrat des Zusatztanks verwenden
zu können, musste während des Fluges, nachdem eine entsprechende Menge aus
dem Haupttank verbraucht worden war, der Zusatztank in den Haupttank entleert
werden. Wurde dies versäumt, stand diese Kraftstoffmenge nicht zur Verfügung. Der
Zusatztank wird nur für Überlandflüge befüllt, da er bei Kunstflugmanövern auslaufen
würde.

Das Luftfahrzeug verfügte nicht über Kraftstoffanzeigen. Stattdessen war eine Kraft-
stoffverbrauchsanzeige (Flight Data Systems, FC-10 Fuel Computer) verbaut, welche
die zur Verfügung stehende Kraftstoffmenge aufgrund des Durchflusses ermittelte. In
dieser musste vor dem Start die verfügbare Kraftstoffmenge eingegeben werden.
Wenn vor dem Flug die volle Kraftstoffmenge eingegeben und während des Fluges
versäumt wird, den Hahn vom Reservetank rechtzeitig zu öffnen, kann es dazu füh-
ren, dass die Kraftstoffverbrauchsanzeige noch einen Kraftstoffvorrat anzeigt, wel-
cher jedoch tatsächlich nicht verfügbar ist.

Auf der Instrumententafel des Piloten und der Tankbedieneinheit befanden sich
Warnhinweise, die daran erinnern sollten, den Tankschalter des Haupttanks während

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    Zoll

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des Fluges nicht zu schließen und das der Inhalt des Zusatztanks nur in den Haupt-
tank fließt (Abb. 2 und 3).

Laut dem Owner’s Manual liegt der Kraftstoffverbrauch bei einer Fluggeschwindigkeit
von 140 kt TAS (bei Windstille in 3 000 ft/MSL) bei etwa 43 Liter/Std. Theoretisch
stand mit 102 l somit Kraftstoff für eine Flugzeit von etwa 2 Stunden und 20 Minuten
zur Verfügung. Bei der ausschließlichen Nutzung des Kraftstoffs aus dem Haupttank
(rechnerisch maximal 83,22 l) hätte Kraftstoff für eine Flugzeit von etwa 1 Stunde
und 56 Minuten zur Verfügung gestanden.

Abb.2: Warnhinweis auf der Instrumententafel                                   Quelle: BFU

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Abb. 3: Tankschalter, links neben dem Pilotensitz mit Warnhinweis                    Quelle: BFU

Meteorologische Informationen
In der Routinewettermeldung (METAR) des 11 NM von Moosburg entfernt gelegenen
Verkehrsflughafens München von 11:50 Uhr wurden folgende Bedingungen angege-
ben:

Bodenwind: 060°, 6 kt, variabel zwischen 020° und 110°

Bodensicht: mehr als 10 km

Keine signifikante Bewölkung unterhalb 5 000 ft GND (CAVOK)

Temperatur: 16° C, Taupunkt: 10° C

QNH: 1 020 hPa

Der Pilot informierte während des Fluges einen der Unfallzeugen über einen Mes-
sengerdienst, dass er sich, aufgrund starken Gegenwindes verspäten würde.

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Funkverkehr
Es bestand Funkverkehr zwischen der Besatzung und dem Sonderlandeplatz Moos-
burg, der nicht aufgezeichnet wurde.

Angaben zum Flugplatz
Der Sonderlandeplatz Moosburg auf der Kippe (EDPI) befindet sich ca. 1,5 km süd-
lich des Ortes Moosburg. Der Platz kann von Flugzeugen bis zu einer maximalen Ab-
flugmasse (MTOM) von 2 000 kg und Hubschraubern bis 5 700 kg MTOM genutzt
werden. Er verfügte über eine 700 m lange und 30 m breite Grasbahn in der Ausrich-
tung 04/22 (037°/217°). Die verfügbare Landestrecke der Piste 04 betrug 500 m. Die
Platzrundenhöhe für Motorflugzeuge beträgt 2 300 ft AMSL. Im Luftfahrthandbuch
wird auf Hindernisse (Bäume) beiderseits des Sicherheitsstreifens und im An- und
Abflugbereich hingewiesen.

Abb. 4: Ausschnitt der Anflugkarte mit Unfallstelle (roter Stern)                         Quelle: AIP

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Flugdatenaufzeichnung
Für die Untersuchung standen der BFU Radardaten zur Verfügung, welche durch die
Bundeswehr bereitgestellt wurden. Laut diesen Daten bewegte sich das Luftfahrzeug
während des Reisefluges in Höhen zwischen 2 000 - 4 000 ft AMSL mit einer Ge-
schwindigkeit von etwa 120 – 130 kt über Grund.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle befand sich ca. 180 m vor der Schwelle der Piste 22, etwa 15 m süd-
östlich der verlängerten Pistenmittellinie der Piste 04 (Abb. 5). Sie war aufgrund von
ca. 4 m hohem Buschwerk schwer zugänglich.

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Abb. 5: Unfallstelle                                    Quelle: BFU

Das Luftfahrzeug war im Frontbereich und an den Tragflächen stark beschädigt. Die
Steuerflächen waren vollständig. Die Verbindungen von den Steuerorganen zu den
Steuerflächen waren vorhanden. Die Steuerorgane, die Verbindungen zu den Steu-
erflächen und diese selbst waren freigängig. Die Anschlüsse, Sicherungen, Führun-

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gen und Lager der Steuerung waren nicht beeinträchtigt. Ein Propellerblatt befand
sich noch unbeschädigt an der Nabe (Abb. 6). Ein weiteres steckte unter dem Trieb-
werk im Boden und das dritte wurde etwa 1,2 m links neben dem Triebwerk gefun-
den.

Beide Tanks waren deformiert, aber dicht. Der Deckel des Zusatztanks befand sich
nicht auf der Füllöffnung, jedoch neben dem Flugzeug. Im Haupttank befanden sich
0,7 l Kraftstoff, im Zusatztank 9,5 l. Der Füllstand reichte bis an die Füllöffnung her-
an.

Abb. 6: Unbeschädigtes Propellerblatt an der Nabe                                      Quelle: BFU

Der Tank war durch die Lage des Luftfahrzeuges schräg nach vorne geneigt. Die
Rettungskräfte fanden die Tankschalter in den folgenden Positionen vor: Haupttank
zu, Zusatztank auf. Aufgrund der Lage des Luftfahrzeuges konnten die 9,5 l nach
dem Unfall nicht aus dem Zusatztank in den Haupttank fließen. Der Hauptschalter
wurde in der Position „AUS“ vorgefunden. Nach Aussage der Rettungskräfte roch es
an der Unfallstelle stark nach ausgelaufenem Kraftstoff.

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Alle 6 Zündkerzen wurden ausgebaut und überprüft. Es wurden keine Verunreini-
gungen festgestellt. Die Elektroden waren oberflächlich sehr hell und trocken
(Abb. 7). Die Einspritzverteilerspinne wurde ebenfalls ausgebaut und begutachtet. Es
stellte sich heraus, dass sich in ihr kein Kraftstoff befand. Ein Verteiler war an der
Verschraubung abgebrochen (Abb. 8). Aufgrund der Lage des Triebwerks hätte
Kraftstoff aus dieser Bruchstelle nicht auslaufen können.

Abb. 7: Zündkerzen                                     Quelle: BFU

Abb. 8: Einspritzverteilerspinne                       Quelle: BFU

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Medizinische und pathologische Angaben
Eine gerichtlich angeordnete Obduktion wurde durchgeführt. Beide Insassen waren
in Folge schwerer Mehrfachverletzungen (Polytrauma) verstorben. Es ergaben sich
keine Hinweise auf Vorerkrankungen, die zum Unfallzeitpunkt die Fliegertauglichkeit
oder Flugtüchtigkeit eingeschränkt hätten.

Brand
Es entstand kein Brand.

Zusätzliche Informationen
Um die Funktion des Kraftstoffsystems zu prüfen, wurde im Verlauf der Untersu-
chung ein Versuchsaufbau konstruiert. Ziel war es, den Kraftstofffluss nachzuvollzie-
hen und zu eruieren, wie die Restmenge im Zusatztank erklärt werden kann, obwohl
am Triebwerk kein Kraftstoff ankam. Der Zusatztank war noch im Mittelteil der obe-
ren Tragfläche integriert und wurde soweit in Schräglage versetzt, dass diese der
Position an der Unfallstelle entsprach. In dieser Lage wurde der Tank bis an den
Rand der Füllöffnung mit Wasser befüllt. Das Wasser konnte in dieser Position über
die abgewinkelte Kraftstoffleitung nicht abfließen (Abb. 9 und 10).

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Abb. 9: Versuchsaufbau Reservetank                                                Quelle: BFU

Abb. 10: Maximale Befüllung des Reservetanks                                      Quelle: BFU

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Als der Reservetank in eine waagerechte Position gebracht wurde, konnte das Was-
ser restlos abfließen (Abb. 11). Die Menge entsprach der an der Unfallstelle ermittel-
ten Restmenge von etwa 9,5 l.

Abb. 11: Prüfung der Leitungsdurchgängigkeit Reservetank                             Quelle: BFU

Zur Überprüfung des Kraftstoffflusses vom Reserve- zum Haupttank wurde ein Was-
serkanister anstelle des Reservetanks verwendet, da die Kraftstoffleitung zwischen
Reserve- und Haupttank an der Unfallstelle durchtrennt wurde. Über eine separate
Schlauchleitung wurde der Wasserkanister mit der abgetrennten Benzinleitung am
Luftfahrzeug verbunden. Der Kanister wurde etwa einen Meter höher als der Haupt-
tank positioniert, was der Einbausituation im Luftfahrzeug entsprach.
Der obere Kraftstoffhahn des Reservetanks im Cockpit (Abb. 2) wurde mehrfach ge-
öffnet und wieder geschlossen. Das Wasser konnte bei geöffnetem Hahn ungehin-
dert in den Haupttank fließen. Bei geschlossenem Hahn floss kein Wasser in den
Haupttank. Anschließend wurde die Dichtigkeit des gestauchten Haupttanks über-
prüft, indem er mit etwa 20 l Wasser befüllt wurde. Es wurden keine Undichtigkeiten
festgestellt.

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Beurteilung

Pilot
Der verantwortliche Pilot verfügte über eine gültige Lizenz und ein gültiges flugmedi-
zinisches Tauglichkeitszeugnis. Die Obduktion ergab keine Hinweise, dass Vorer-
krankungen oder sonstige körperliche Einschränkungen für den Unfall ursächlich wa-
ren. Er hatte eine hohe Flugerfahrung, was den Kunstflug mit dem betroffenen
Muster betraf. Die Flugerfahrung hinsichtlich längerer Flüge auf dem Muster während
der letzten 3 Jahre war gering.

Individuelle Handlungen
Der Pilot entschied sich, vor der Landung noch einen Überflug durchzuführen. Hier-
bei handelte es sich nicht um ein Standardverfahren beim Anflug eines Flugplatzes.
In Höhe der Bahnmitte kam es zu Triebwerksaussetzern. Der Pilot wich nach rechts
von der Mittelinie ab und versuchte dann eine steile Umkehrkurve zu fliegen, sehr
wahrscheinlich mit der Intention, entgegen der ursprünglich geplanten Landerichtung
zu landen. Dabei kippte das Luftfahrzeug über die linke Tragfläche ab. Eine Umkehr-
kurve nach einem Triebwerksausfall in niedriger Höhe sollte grundsätzlich vermieden
werden. Aufgrund des relativ hohen Bewuchses in Verlängerung der Piste 04 und
des dahinter liegenden Flusses wäre ein Ausweichen nach links und der Versuch ei-
ner Notlandung auf der nördlich liegenden Freifläche eine bessere Option gewesen
(Abb. 4). Für diese Entscheidung blieb jedoch kaum Zeit.

Kraftstoffmanagement
Die theoretisch maximal zur Verfügung stehende Kraftstoffmenge hätte für einen
Flug mit einer Dauer von etwa 2 Stunden und 20 Minuten (ohne Sicherheitsreserven)
ausgereicht. Es ist davon auszugehen, dass das Flugzeug den Startflugplatz vollge-
tankt verlassen hat. Aufgrund der aufgefundenen Restmenge im Reservetank ist da-
von auszugehen, dass der Hahn zum Befüllen des Haupttanks nicht rechtzeitig ge-
öffnet worden ist. Die an der Unfallstelle vorgefundenen Stellungen der
Kraftstoffhähne deuten darauf hin, dass der Hahn zur Befüllung des Haupttanks aus
dem Zusatztank erst geöffnet wurde, als es bereits Triebwerksaussetzer gab und der
Hahn des Haupttanks im weiteren Verlauf geschlossen wurde. Es ist nicht auszu-
schließen, dass der Hahn für den Haupttank geschlossen wurde, um eine Notlan-

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dung vorzubereiten. Dies wird auch durch den Fakt unterstützt, dass der Hauptschal-
ter für die Elektrik in der Position „AUS“ vorgefunden wurde.

Auch die Flugdauer lässt den Schluss zu, dass nur Kraftstoff aus dem Haupttank ge-
nutzt worden ist. Rechnerisch hätte diese Menge unter optimalen Bedingungen für
einen Flug mit einer Dauer von 1 Stunde und 56 Minuten ausgereicht. Die Zeit vom
Start bis zum Unfall betrug etwa 1 Stunde und 53 Minuten. Die Restmenge Kraftstoff
im Haupttank deutlich unterhalb der nicht ausfliegbaren Kraftstoffmenge, die trocke-
ne Einspritzverteilerspinne und die trockenen, hell gefärbten Zündkerzen belegen,
dass das Triebwerk lief, bis es keinen Kraftstoff mehr bekam. Die helle Färbung der
Zündkerzen deutet auf eine hohe Verbrennungstemperatur hin. Dies geschieht auch,
wenn zum Beispiel das Kraftstoffgemisch stark abgemagert wird und es dabei zu ei-
ner Kraftstoffunterversorgung kommt. Es wurde nachgewiesen, dass beide Tanks
dicht waren. Die ermittelten 0,7 l entsprachen der tatsächlichen Restkraftstoffmenge
im Haupttank.

Die ermittelte Faktenlage könnte das Szenario einer fehlerhaften Bedienung des
Tanksystems, bei dem der Haupttank nicht rechtzeitig aus dem Reservetank befüllt
wurde, erklären. Vermutlich wurde der Zusatztank durch den Piloten nur sehr selten
benutzt, da er das Flugzeug überwiegend für Kunstflüge und weniger für längere
Flugstrecken benutzt hat.

Luftfahrzeug
Bei der Untersuchung des Luftfahrzeuges ergaben sich keine Hinweise auf techni-
sche Mängel, welche als unfallursächlich anzusehen wären.

Masse und Schwerpunkt
Der Schwerpunkt lag außerhalb der zulässigen Grenzen und das Luftfahrzeug war
überladen. Der zu weit hinten liegende Schwerpunkt hat eine Schwanzlastigkeit zur
Folge, wodurch die Steuerbarkeit abnehmen und die Trudelneigung zunehmen kann.
Gerade in Verbindung mit einem Triebwerksausfall in niedriger Höhe kann dies gra-
vierende Folgen haben. Es ist davon auszugehen, dass die Masse des Luftfahrzeu-
ges und die Schwerpunktlage zum Absturz beigetragen haben.

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Örtliche Gegebenheiten
Der An- und Abflugbereich des Flugplatzes war dicht bewachsen. Im Abflugbereich
der Piste 04 befindet sich zudem ein relativ breiter Fluss. Lediglich nördlich des Plat-
zes gab es beschränkte Außenlandemöglichkeiten.

Schlussfolgerungen
Der Flugunfall bei dem das Flugzeug aus geringer Flughöhe abkippte, ist auf folgen-
de Ursachen zurückzuführen:

   -   Triebwerksstörung beim Überflug über die Piste.

   -   Unterschreitung der erforderlichen Geschwindigkeit beim Einleiten einer Um-
       kehrkurve.

Beitragende Faktoren:

   -   Die Bedienung der Kraftstoffversorgung war fehlerhaft.

   -   Das Luftfahrzeug war überladen und der Schwerpunkt lag zu weit hinten.

Untersuchungsführer:                    Christian Blanke

Untersuchung vor Ort:                   Herbert Lehner, Jürgen Freytag

Braunschweig, 21.06.2021

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     Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
     Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto-
     ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun-
     gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl-
     len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-
     Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.

     Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
     Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des
     Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.

Herausgeber

Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
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38108 Braunschweig

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