Urteil vom 25. Mai 2020 - Entscheidsuche
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Kantonsgericht von Graubünden Dretgira chantunala dal Grischun Tribunale cantonale dei Grigioni Urteil vom 25. Mai 2020 Referenz ZK1 19 109 Instanz I. Zivilkammer Besetzung Michael Dürst, Vorsitzende Brunner und Pedrotti Gustin, Aktuar Parteien A.________ Berufungsklägerin vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Stephan Zimmerli Eichwaldstrasse 5, Postfach, 6002 Luzern gegen B._____ Berufungsbeklagter vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Silvia Däppen Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur Gegenstand Abänderung von vorsorglichen Massnahmen im Ehescheidungsverfahren Anfechtungsobj. Entscheid des Einzelrichters am Regionalgericht Prättigau/Davos vom 05. Juni 2019, mitgeteilt am 27. Juni 2019 (Proz. Nr. 13-2018- 421) Mitteilung 26. Mai 2020
I. Sachverhalt A. B._____, geboren am .________ 1968, und A._____, geboren am _____ 1973, haben am ________ 2007 in F.________ geheiratet. Sie sind Eltern von C.________, geboren am ________ 2008, und D.________, geboren am ________ 2010. Seit dem ________ 2016 leben die Ehegatten getrennt, wobei die Mutter mit den Kindern anfänglich in der zuvor gemeinsam bewohnten Liegenschaft in H.________ verblieb. Im Herbst 2017 verlegte sie ihren Wohnsitz nach J.________, wo sie mit den beiden Kindern eine Mietwohnung bezog. B. Am 3. April 2018 reichte der Ehemann dem Regionalgericht Prättigau/Da- vos eine unbegründete Scheidungsklage ein. Im Zuge der Einigungsverhandlung vom 30. Mai 2018 unterzeichneten die Parteien am 11./12./13. Juni 2018 eine Trennungsvereinbarung, welche der Einzelrichter am Regionalgericht Prättigau mit Entscheid vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) vollumfänglich genehmigte. Der Vereinbarung der Parteien folgend wurden die beiden Kinder bei Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge unter die alleinige Obhut der Mutter gestellt (Dispositiv-Ziffer 2), das Besuchs- und Ferienrecht des Vaters (unter Einschluss der Übergabemodalitäten) geregelt (Dispositiv-Ziffer 4) und der Vater verpflichtet, an den Unterhalt der Kinder mit Wirkung ab dem 3. April 2018 monatliche Beiträge von CHF 980.00 (Barunterhalt) für C.________ respektive von CHF 1'270.00 (Barunterhalt CHF 780.00, Betreuungsunterhalt CHF 490.00) für D.________, je zuzüglich Kinderzulagen von derzeit CHF 220.00, zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 5). Des Weiteren wurde davon Vormerk genommen, dass gestützt auf die Grundlagen der Unterhaltsberechnung auf die Vereinbarung eines Ehegattenunterhalts verzichtet werde, ein Antrag auf gerichtliche Zusprechung eines solchen für die Zukunft aber möglich bleibe (Dispositiv-Ziffer 7). C. Mit Gesuch vom 18. Oktober 2018 an das Regionalgericht Prättigau/Davos beantragte B._____ die Abänderung des am 15. Juni 2018 getroffenen Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos. Er stellte die folgenden Anträge: 1. Es sei Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) abzuändern und C.________, geb. ________2008, unter die Obhut des Gesuchstellers zu stellen. 2. Es sei Dispositiv Ziff. 5a des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) aufzuheben und festzustellen, dass der Gesuchsteller ab 18. Oktober 2018 keinen Unterhalt für C.________ an die Gesuchsgegnerin schuldet. 3. Unter gesetzlicher Kosten-und Entschädigungsfolge. 2 / 49
Dem Gesuch beigelegt war ein von A._____ unterzeichnetes Schreiben vom 16. Oktober 2018 an das Einwohneramt J.________, in welchem sie den Behörden mitteilte, dass C.________ zu seinem Vater nach H.________ ziehen werde. Im Weiteren reichte B._____ eine Zustimmungserklärung von A._____ in Bezug auf die im Gesuch beantragten Änderungen ein. D. Anlässlich zweier mündlicher Verhandlungen am 5. November 2018 und am 9. Januar 2019 vor dem Regionalgericht Prättigau/Davos konnten sich die Parteien in Bezug auf die gestellten Anträge nicht einigen. Dies insbesondere deshalb, weil eine durch A._____ beantragte Neugestaltung des Sorgerechts und der Besuchsregelung von D.________ scheiterte. Aus diesem Grund ordnete der Gerichtspräsident in der Folge die Fortführung des Verfahrens auf schriftlichem Wege an und führte im Hinblick darauf am 23. Januar 2019 eine persönliche Anhörung von D.________ durch. E. Mit Schreiben vom 25. Januar 2019 teilte A._____ dem Regionalgericht Prättigau/Davos mit, dass sie per sofort beide Sorgerechte ihrer Kinder abgebe und lebenslänglich für keine Rechnungen im Zusammenhang mit den Kindern aufkommen werde. D.________ müsse gleichentags (25. Januar 2019) um 19:30 Uhr bei ihr vor dem Haus abgeholt werden. F. Mit Eingabe vom 28. Februar 2019 reichte B._____ beim Regionalgericht Prättigau/Davos innert der ihm für die Begründung seiner ursprünglich gestellten Abänderungsbegehren gewährten Frist ein an die veränderte Situation angepasstes Gesuch mit den folgenden Anträgen ein: 1. Es sei Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) abzuändern und die gemeinsamen Kinder C.________, geb. ________2008, und D.________, geb. ________2010, unter die alleinige elterliche Sorge und Obhut des Gesuchstellers zu stellen. 2. Es sei das Besuchs- und Ferienrecht für die Dauer des Scheidungsverfahrens zu sistieren. 3. Es sei Dispositiv Ziff. 5 des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) aufzuheben und festzustellen, dass der Gesuchsteller ab 18.10.2018 keinen Unterhalt für C.________ und ab 26.1.2019 keinen Unterhalt für D.________ an die Gesuchsgegnerin schuldet. 4. Es sei die Gesuchsgegnerin zu verpflichten für jedes Kind monatlich im voraus [sic] einen Unterhaltsbeitrag von CHF 900 zu bezahlen mit Beginn der Unterhaltspflicht für C.________ ab 1.11.2018 und für D.________ ab 1.2.2019. 5. [Verpflichtung der Gesuchsgegnerin zur Herausgabe von den Kindern gehörenden Gegenständen] 3 / 49
6. [Antrag auf Vollstreckungsmassnahmen] 7. Unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge. G. Mit Gesuch vom 19. März 2019 an das Regionalgericht Prättigau/Davos stellte B._____ das Begehren, seine Kinder C.________ und D.________ superprovisorisch unter seine alleinige Obhut zu stellen. Begründend führte er aus, dass aufgrund eines Vorfalles die Gefahr bestehe, dass die Mutter beide Kinder einfach mitnehmen wolle. So habe ein ebenfalls in H.________ wohnhafter Verwandter am ________ 2019 D.________ abgepasst und zu sich nach Hause genommen. Dort habe A._____ auf ihre Tochter gewartet und sie gefragt, ob sie nicht wieder zu ihr ziehen wolle. Am Schluss des Treffens habe sie D.________ aufgefordert, niemandem von dem Treffen und dem Gespräch zu erzählen. Im Weiteren habe A._____ versucht, von der Mutter einer Schulkameradin von C.________ Informationen über ihren Sohn zu erhalten. Aufgrund dieses Verhaltens sei ernsthaft zu befürchten, dass die Mutter eines oder beide Kinder zu sich nach I.________ nehmen werde. Nur mit der Zuweisung der alleinigen Obhut an ihn könne er die Kinder im Falle einer Mitnahme wieder zurückholen und verhindern, dass sie je nach Situation einmal bei der Mutter wohnen sollen, um dann plötzlich wieder vor die Türe gestellt zu werden. H. Mit Entscheid vom 20. März 2019 (Proz. Nr. 135-2018-421) entsprach der Einzelrichter am Regionalgericht Prättigau/Davos dem Gesuch um Erlass einer superprovisorischen Massnahme, stellte die Kinder C.________ und D.________ in Abänderung von Dispositiv-Ziffer 2 seines Entscheides vom 15. Juni 2018 unter die alleinige Obhut von B._____ und setzte A._____ Frist bis zum 8. April 2019, um zum gegnerischen Gesuch vom 19 März 2019 schriftlich Stellung zu nehmen. I. Mit Stellungnahme vom 5. April 2019 stellte A._____ die folgenden Anträge: 1. Es sei Ziff. 2 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) abzuändern und der gemeinsame Sohn C.________, geboren am ________ 2008, unter die alleinige Obhut des Gesuchstellers zu stellen. 2. Es sei Ziff. 4 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) wie folgt abzuändern: 2.1. Der Gesuchsteller sei während der Dauer des Scheidungsverfahrens zu berechtigen und verpflichten, die gemeinsame Tochter D.________, geboren am ________ 2010, unter Beizug einer Fachperson (begleitetes Besuchsrecht) auf eigene Kosten und ohne Abzug von den Unterhaltsbeitragspflichten wie folgt auf Besuch zu nehmen: 4 / 49
a) Mit Ausnahme derjenigen Samstage, an denen eine Veranstaltung des Blaurings J.________ stattfindet, jeden 1. und 3. Samstag eines Monats, von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr. b) Ein weitergehendes oder anderslautendes Besuchs- und Ferienrecht sei der einvernehmlichen Regelung der Eltern unter Berücksichtigung der Wünsche und des Wohles des Kindes vorbehalten. 2.2. Das Besuchs- und Ferienrecht der Gesuchsgegnerin in Bezug auf den gemeinsamen Sohn C.________, geboren am ________ 2008, sei für die Dauer des Scheidungsverfahrens zu sistieren. 3. Es sei Ziff. 5 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) wie folgt abzuändern: 3.1. Der Gesuchsteller sei zu verpflichten, an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung von D.________ CHF 780.00, zuzüglich Kinderzulagen (von derzeit CHF 220.00) sowie einen Betreuungsunterhalt von CHF 490.00 zu bezahlen. Der Unterhaltsbeitrag sei im Voraus zahlbar, und zwar an die Gesuchsgegnerin, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats. 3.2. Es sei festzustellen, dass der Gesuchsteller der Gesuchsgegnerin ab dem 18. Oktober 2018 keinen Unterhalt für C.________, geboren am ________ 2008, mehr schuldet. 4. [Regelung des ausserordentlichen Kindesunterhalts] 5. [Herausgabe von dem Sohn C.________ gehörenden Gegenständen] 6. Alle weitergehenden oder anderslautenden Anträge des Gesuchstellers seien abzuweisen. 7. Der Gesuchsgegnerin sei Gelegenheit zu geben, nach Abschluss des Beweisverfahrens ihre Anträge zu präzisieren und abzuändern oder zu ergänzen. 8. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Gesuchstellers. J. Mit Eingabe vom 29. April 2019 beantragte B._____ die Ansetzung einer mündlichen Verhandlung, das Einholen von schriftlichen Auskünften bei allen Lehrpersonen von C.________ und D.________, und eine abermalige Anhörung der Kinder. Mit Schreiben vom 1. Mai 2019 gab der Regionalgerichtspräsident des Regionalgerichts Prättigau/Davos den Anträgen statt und führte die genannten Beweiserhebungen in der Folge durch. K. Am 5. Juni 2019 fand die mündliche Hauptverhandlung statt. Dabei hielt B._____ grundsätzlich an seinen Anträgen fest, verzichtete jedoch in Abänderung von Ziff. 1 seiner Anträge auf die Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge. Auch A._____ hielt an ihren Anträgen − ausser dem Antrag 7 − ausdrücklich fest. L. Mit Entscheid vom 5. Juni 2019, mitgeteilt am 27. Juni 2019, erkannte der Regionalgerichtspräsident des Regionalgerichts Prättigau/Davos wie folgt: 5 / 49
1. Das Gesuch um Abänderung von vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsverfahren wird teilweise gutgeheissen und Ziff. 2, 4, 5 und 6 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) werden aufgehoben und der Entscheid betreffend superprovisorische Massnahmen des Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 20. März 2019 (Proz. Nr. 135- 2018-421) wird bestätigt. 2. Die gemeinsamen Kinder C.________, geboren ________ 2008, und D.________, geboren ________ 2010, werden für die Dauer der Trennung unter die alleinige Obhut von B._____ gestellt. Die elterliche Sorge bleibt für die Dauer des Getrenntlebens weiterhin bei beiden Elternteilen. Entsprechend sind sie verpflichtet, sämtliche wesentliche Fragen der Pflege, Erziehung, Ausbildung, medizinische, therapeutische und zahnmedizinische Massnahmen miteinander abzusprechen. Auch über medizinische Abklärungen, gesundheitliche Zustände und schulische Vorgänge sind die Eltern verpflichtet, sich gegenseitig unaufgefordert und umfassend zu orientieren, wobei jeder Ehegatte die Informationen selber direkt bei den entsprechenden Stellen einholen kann. Die Einholung von Zustimmungserklärungen und Orientierungen kann auch über den Kinderarzt oder die Schule erfolgen. 3. A.________ steht ein Besuchsrecht für D.________ − mit entsprechender Pflicht − am ersten und dritten Samstag und Sonntag im Monat zu, wie folgt: a) A.________ holt D.________ am Samstag in H.________ GR ab. Treffpunkt ist Bahnhof H.________, 10:10 Uhr. B._____ holt D.________ am darauffolgenden Sonntag um 18:00 Uhr am Wohnsitz von A.________ (derzeit: ________ I.________ ) ab und bringt sie nach H.________ GR zurück. b) Über Verspätungen und dergleichen ist der andere Elternteil unverzüglich zu informieren. c) Die Kosten dieser Fahrten trägt jene Person, welche die Kinder begleitet. d) Die Kosten von D.________ während ihres Aufenthaltes bei der Mutter trägt die Mutter. A.________ ist berechtigt und verpflichtet, D.________ drei Wochen während der Schulferien (unter Absprache mit dem Vater drei Monate im Voraus) und in den geraden Jahren an Ostern und Neujahr, in den ungeraden Jahren an Pfingsten und Weihnachten, auf ihre Kosten zu betreuen. Während der übrigen Zeit wird D.________ vom Vater betreut. Die Ehegatten können von den fixierten Regelungen durch vorgängig getroffene, übereinstimmende Vereinbarung abweichen. Diesfalls ist die Beistandsperson zu informieren (s. Dispositiv Ziff. 4). Den Eltern ist bekannt, dass das Kindswohl, d.h. das Wohl von C.________ und D.________, ihren Interessen und Bedürfnissen vorgeht. 4. Für D.________ wird eine Beistandschaft mit besonderen Befugnissen gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB errichtet. Zweck dieser Beistandschaft ist die Sicherstellung, dass D.________ nach den Besuchswochenenden 6 / 49
oder nach Ferien bei/mit ihrer Mutter A._____ wiederum zum Vater B._____ zurückkehrt. Die Beistandsperson hat den Auftrag, die Übergaben von D.________ an den Kindsvater jeweils am Besuchswochenend-Sonntagabend oder am Abend des letzten Ferientags, den D.________ mit ihrer Mutter verbringt, je 18:00 Uhr, am Wohnsitz der Kindsmutter (derzeit: ________ I.________ ) zu gewährleisten. Sie hat die Kompetenz, eine Dritthilfe (eine Fachperson) einzusetzen, die beim Vollzug der Übergaben von D.________ an den Kindsvater dabei ist. Die Beistandsperson hat dem Regionalgericht Prättigau/Davos, Unregelmässigkeiten vorbehalten, alle zwei Monate Bericht zu erstatten. Mit dem Vollzug dieser Massnahme wird die KESB Prättigau/Davos beauftragt. 5. Das Besuchs- und Ferienrecht betreffend C.________ wird für die Dauer des Scheidungsverfahrens sistiert. 6. Es wird gerichtlich festgestellt, dass B._____ ab 18. Oktober 2018 keinen Unterhalt für C.________ und ab 26. Januar 2019 keinen Unterhalt für D.________, je an A.________, mehr schuldet. Allfällige von B._____ an A.________ zu viel geleistete Unterhaltsbeiträge können zurückgefordert werden. 7. A.________ wird verpflichtet, die folgenden Kinderunterhaltsbeiträge zu bezahlen: a) für C.________: rückwirkend ab dem 1. November 2018 bis zum 31. Januar 2019: CHF 820.00 pro Monat (Barunterhalt). b) für C.________ und D.________: rückwirkend ab dem 1. Februar 2019 bis zum 31. August 2019: je CHF 669.00 pro Monat (Barunterhalt). c) für C.________: ab dem 1. September 2019 CHF 820.00 pro Monat (Barunterhalt). d) für D.________: ab dem 1. September 2019 CHF 700.00 pro Monat (Barunterhalt). Die Unterhaltsbeiträge sind im Voraus zahlbar, und zwar an den Kindsvater B._____, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats. 8. Die übrigen Anträge der Parteien werden abgewiesen. 9. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 2’000.00 gehen zu Lasten von A.________ und werden mit dem von B._____ geleisteten Kostenvorschuss von CHF 1'000.00 verrechnet. A.________ wird verpflichtet, B._____ den Betrag von CHF 1’000.00 zu bezahlen. Zudem wird A.________ verpflichtet, dem Regionalgericht Prättigau/Davos die noch fehlenden CHF 1'000.00 zu bezahlen. 10. A.________ wird verpflichtet, B._____ mit CHF 10’631.85 (inkl. Barauslagen und MwSt.) ausseramtlich zu entschädigen. 11. (Rechtsmittelbelehrung) 12. (Rechtsmittelbelehrung Kostenentscheid) 13. (Mitteilung) 7 / 49
M. Gegen diesen Entscheid erhob A._____ mit Eingabe vom 10. Juli 2019 beim Kantonsgericht von Graubünden Berufung. Sie stellt folgende Rechtsbegehren: 1. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 2 (zwei) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern: Der gemeinsame Sohn C.________, geboren ________ 2008, sei für die Dauer der Trennung unter die alleinige Obhut von B._____ zu stellen. Die gemeinsame Tochter D.________, geboren ________ 2010, sei für die Dauer der Trennung unter die alleinige Obhut von A.________ zu stellen. Die elterliche Sorge bleibe für die Dauer des Getrenntlebens weiterhin bei beiden Elternteilen. Entsprechend seien sie verpflichtet, sämtliche wesentlichen Fragen der Pflege, Erziehung, Ausbildung, medizinische, therapeutische und zahnmedizinische Massnahmen miteinander abzusprechen. Auch über medizinische Abklärungen, gesundheitliche Zustände und schulische Vorgänge seien die Eltern verpflichtet, sich gegenseitig unaufgefordert und umfassend zu orientieren, wobei jeder Ehegatte die Informationen selber direkt bei den entsprechenden Stellen einholen könne. Die Einholung von Zustimmungserklärungen und Orientierungen könne auch über den Kinderarzt oder die Schule erfolgen. 2.1. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 3 (drei) und Ziffer 4 (vier) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern: Der Gesuchsteller sei während der Dauer des Scheidungsverfahrens zu berechtigen und verpflichten, die gemeinsame Tochter D.________, geboren am ________ 2010, unter Beizug einer Fachperson (begleitetes Besuchsrecht) auf eigene Kosten und ohne Abzug von den Unterhaltsbeitragspflichten wie folgt auf Besuch zu nehmen: a) Mit Ausnahme derjenigen Samstage, an denen eine Veranstaltung des Blaurings J.________, der Mädchenriege oder der Tanzschule K.________ stattfindet, jeden 1. und 3. Samstag eines Monats, von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr. b) Über Verspätungen und dergleichen ist der andere Elternteil unverzüglich zu informieren. c) In den geraden Jahren an Ostern und Neujahr und in den ungeraden Jahren an Pfingsten und Weihnachten jeweils tageweise. d) Ein weitergehendes oder anderslautendes Besuchs- und Ferienrecht sei der einvernehmlichen Regelung der Eltern unter Berücksichtigung der Wünsche und des Wohles des Kindes vorbehalten. Diesfalls sei die beigezogene Fachperson zu informieren. 2.2. Eventualiter zu Antrag Ziff. 2.1 seien Ziffer 1 (eins) und Ziffer 3 (drei) und Ziffer 4 (vier) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des 8 / 49
Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 aufzuheben und wie folgt abzuändern: Das Besuchs- und Ferienrecht betreffend D.________ sei für die Dauer des Scheidungsverfahrens zu sistieren. 3. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 6 (sechs) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern: a) Es sei gerichtlich festzustellen, dass B._____ ab 18. Oktober 2018 keinen Unterhalt für C.________ an A.________ mehr schulde. Allfällige von B._____ an A.________ zu viel geleistete Unterhaltsbeiträge für C.________ können zurückgefordert werden. b) Es sei gerichtlich festzustellen, dass B._____ vom 26. Januar 2019 bis zur Rechtskraft des vorliegenden Urteils keinen Unterhalt für D.________ an A.________ schulde. Allfällige von B._____ an A.________ während der genannten Zeitspanne zu viel geleistete Unterhaltsbeiträge für D.________ können zurückgefordert werden. 4.1. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 7 (sieben) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern: B._____ sei zu verpflichten, A.________ an den Unterhalt für D.________ ab Rechtskraft des vorliegenden Urteils einen monatlichen, gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab Verfall zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 1'270.00 (davon CHF 490.00 Betreuungsunterhalt) zuzüglich allfälliger Kinder- und Ausbildungszulagen zu zahlen. 4.2. Eventualiter zu Antrag Ziffer 4.1. seien Ziffer 1 (eins) und Ziffer 7 (sieben) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 aufzuheben und wie folgt abzuändern: a) A.________ sei zu verpflichten, B._____ an den Unterhalt für C.________ ab dem 1. Januar 2020 einen monatlichen, gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab Verfall zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 120.00 zu zahlen. b) A.________ sei zu verpflichten, B._____ an den Unterhalt für D.________ ab dem 1. Januar 2020 einen monatlichen, gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab Verfall zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 120.00 zu zahlen. 5. Ziffer 8 (acht) und Ziffer 9 (neun) und Ziffer 10 (zehn) des Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben wie folgt abzuändern: Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens seien zulasten des Gesuchstellers zu verlegen und der Gesuchsteller habe der Gesuchsgegnerin für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung nach richterlichem Ermessen zu bezahlen. 9 / 49
6. Der Berufung der Gesuchsgegnerin sei vollumfänglich die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vollstreckung des vorinstanzlichen Entscheids damit in den angefochtenen Teilen aufzuschieben. 7. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren zu Lasten des Gesuchstellers und Berufungsbeklagten. N. B._____ beantragt in seiner Berufungsantwort vom 22. Juli 2019 was folgt: 1. Die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Eventualantrag: Falls dem Antrag der Berufungsklägerin und Gesuchsgegnerin, die gemeinsame Tochter D.________ unter ihre Obhut zu stellen, stattgegeben wird, sei der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller zu berechtigen und zu verpflichten, die gemeinsame Tochter D.________ jeweils am 1. und 3. Wochenende jedes Monats, von Samstag, 8.30 Uhr, bis Sonntag, 17.50 Uhr, zu sich auf Besuch zu nehmen. Der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller sei dabei zu verpflichten, D.________ samstags am Wohnort der Berufungsklägerin und Gesuchsgegnerin in Empfang zu nehmen, und die Berufungsklägerin sei zu verpflichten, D.________ sonntags beim Berufungsbeklagten und Gesuchsteller abzuholen. Der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller sei zu berechtigen, D.________ in Jahren mit gerader Jahreszahl an Ostern und Neujahr und in Jahren mit ungerader Jahreszahl an Pfingsten und Weihnachten, jeweils an sämtlichen freien Tagen, und während den Schulferien jährlich vier Wochen zu sich zu nehmen. Es sei der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller zu verpflichten, an den Unterhalt seiner Tochter D.________ monatlich CHF 700.00 zuzüglich allfälliger von ihm bezogener Kinderzulagen zu bezahlen. 2. Es sei der Berufung keine aufschiebende Wirkung zu erteilen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge für beide Verfahren zu Lasten der Berufungsklägerin und Gesuchsgegnerin. O. Mit Eingaben vom 2. September 2019 und 15. Oktober 2019 reichte A._____ verschiedene weitere Beweismittel betreffend ihre Bemühungen um eine Arbeitsstelle ein. Zudem legte sie mit Schreiben vom 22. November 2019 eine unterzeichnete Teilkonvention zwischen den Ehegatten betreffend güterrechtlicher Auseinandersetzung ins Recht. P. A._____ nahm zur Berufungsantwort fristgerecht am 30. März 2020 Stellung. B._____ reichte am 2. April 2020, ebenfalls fristgerecht, eine Stellungnahme zu den Noveneingaben von A._____ ein; mit Eingabe vom 6. April 2020 äusserte er sich schliesslich innert Frist auch zur Replik der Berufungsklägerin vom 30. März 2020. 10 / 49
Q. Mit prozessleitender Verfügung vom 27. April 2020 erkannte die Vorsitzende der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden in Bezug auf die beantragte aufschiebende Wirkung wie folgt: 1. Der Antrag um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wird dahingehend gutgeheissen, als die Vollstreckbarkeit der Dispositiv- Ziffer 7, soweit sie die Unterhaltsbeiträge für die Zeit vor dem 1. Juli 2019 betrifft, sowie der Dispositiv-Ziffern 9 und 10 des Entscheides des Einzelrichters am Regionalgericht Prättigau/Davos (Proz. Nr. 135- 2018-421) vom 5. Juni 2019 aufgeschoben wird. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen. 2. Die Kosten bleiben bei der Prozedur. 3. (Rechtsmittel) Im Rahmen der Erwägungen hielt die Vorsitzende überdies fest, dass der Schriftenwechsel abgeschlossen sei, eine mündliche Berufungsverhandlung bei den gegebenen Verhältnissen nicht erforderlich erscheine und folglich ein Entscheid aufgrund der Akten ergehen werde (Art. 316 Abs. 1 ZPO). R. Am 8. Mai 2020 reichte A._____ eine weitere Noveneingabe im Zusammenhang mit ihrer Stellensuche ein. S. Auf die Begründung der Anträge in den Rechtsschriften sowie auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen. II. Erwägungen 1.1. Entscheide betreffend vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren werden vom Einzelrichter in Zivilsachen am Regionalgericht im summarischen Verfahren getroffen (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 271 lit. a ZPO und Art. 4 Abs. 1 lit. a des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [EGzZPO; BR 320.100]). Gegen solche Entscheide kann – unter der Voraussetzung, dass eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit vorliegt oder der Streitwert im Falle einer vermögensrechtlichen Streitigkeit den Betrag von CHF 10'000.00 übersteigt – Berufung im Sinne von Art. 308 ff. ZPO an das Kantonsgericht von Graubünden erhoben werden (Art. 308 Abs. 1 lit. b u. Abs. 2 ZPO, Art. 7 Abs. 1 EGzZPO). Innerhalb des Kantonsgerichts liegt die Zuständigkeit für zivilrechtliche Berufungen auf dem Rechtsgebiet des Zivilgesetzbuches bei der I. Zivilkammer (Art. 6 lit. a der Verordnung über die Organisation des Kantonsgerichts [KGV; BR 173.100]). 11 / 49
1.2. Die Berufung gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid ist innert zehn Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich einzureichen, wobei der angefochtene Entscheid beizulegen ist (Art. 311 ZPO i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZPO). Der vorliegend angefochtene Entscheid des Einzelrichters in Zivilsachen am Regionalgericht Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 wurde den Parteien am 27. Juni 2019 mitgeteilt und ging A._____ am 1. Juli 2019 zu. Die von ihr dagegen am 10. Juli 2019 erhobene Berufung erfolgte unter Berücksichtigung von Art. 142 Abs. 3 ZPO fristgerecht. 1.3. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bilden einerseits die Obhutszuteilung von C.________ und D.________ an B._____ (im Folgenden als Vater oder Ehemann bezeichnet) und damit zusammenhängend die Regelung des persönlichen Verkehrs mit A._____ (im Folgenden als Mutter oder Ehefrau bezeichnet). Andererseits wird eine Änderung des erstinstanzlichen Entscheids hinsichtlich der Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber ihren Kindern verlangt. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist eine Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF 10'000.00 beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Vorliegend überwiegt in der zu beurteilenden Streitsache – wie regelmässig in familienrechtlichen Angelegenheiten – der nicht vermögensrechtliche Aspekt, womit der Streitwert in Bezug auf die Unterhaltspflicht nicht weiter zu prüfen ist (vgl. Urteil des Bundesgericht 5A_72/2016 vom 2. November 2016 E. 1; Peter Diggelmann, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2016, N 1, 28 zu Art. 91 ZPO). 1.4. Nach Art. 311 Abs. 1 ZPO ist eine Berufung zu begründen, selbst wenn die entsprechende Sache dem Offizial- und Untersuchungsgrundsatz unterliegt. Aus der Begründung muss hervorgehen, welche Punkte des erstinstanzlichen Entscheids angefochten werden, weshalb der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten unrichtig sein soll und wie stattdessen zu entscheiden ist. Eine blosse Wiedergabe erstinstanzlicher Rechtsschriften in der Berufungsschrift oder ein blosser Hinweis auf die Vorakten genügt den Begründungsanforderungen nicht. Die kritisierten Ausführungen und die Beilagen müssen genau bezeichnet werden. Fehlt eine Begründung oder sind die Anträge auch im Lichte der Begründung ungenügend, ist auf die Berufung nicht einzutreten (BGE 138 III 374 E. 4.3 = Pra 2013 Nr. 4; Urteil des Bundesgerichts 5A_141/2014 vom 28. April 2014 E. 2.4; Peter Reetz/Stefanie Theiler, in: Sutter- Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Auflage, Zürich 2016, N 36 ff. zu Art. 311 ZPO; 12 / 49
Benedikt Seiler, Die Berufung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Basel 2011, S. 366 f.). Vorliegend rügt der Ehemann, dass die eingereichte Berufungsschrift den Anforderungen von Art. 311 Abs. 1 ZPO nicht genügt. Begründend führt er aus, dass die Ehefrau sich nicht mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandergesetzt habe und über weite Teile der Berufung die Ausführungen aus der Stellungnahme vor der Vorinstanz kopiert habe (Berufungsantwort, N 7.). Die Berufungsschrift enthält tatsächlich einige Abschnitte, welche bereits wörtlich vor der Vorinstanz vorgebracht worden sind; abschnittsweise wird auch die Begründung wiederholt. Insgesamt vermag die Berufungsschrift den Anforderungen von Art. 311 Abs. 1 ZPO jedoch zu genügen, da die Begründung stellenweise − im Vergleich zur vorinstanzlichen Argumentation − präzisiert wird und inhaltlich in verschiedenen Punkten in Auseinandersetzung mit dem vorinstanzlichen Entscheid neue Aspekte vorgebracht werden. Inwiefern dies auf einzelne Stellen nicht zutrifft, ist im Folgenden jeweils gesondert zu beurteilen. 1.4. Mit der Berufung als vollkommenes Rechtsmittel kann gemäss Art. 310 ZPO die unrichtige Rechtsanwendung (lit. a), die unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) und – über den Wortlaut hinaus – die Unangemessenheit geltend gemacht werden. Sind die Anforderungen an die Begründung erfüllt, überprüft die Berufungsinstanz den angefochtenen Entscheid sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht frei. Sie verfügt über volle Kognition (Art. 310 ZPO) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO; Peter Reetz/Stefanie Theiler, a.a.O., N 5 ff. zu Art. 310 ZPO). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Berufungsinstanz allerdings nicht gehalten, von sich aus wie eine erstinstanzliche Gerichtsbehörde alle sich stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn keine entsprechenden Rügen der Parteien vor der zweiten Instanz vorliegen. Abgesehen von offensichtlichen Mängeln hat sich die Berufungsinstanz grundsätzlich auf die Beurteilung der in der Berufung und Berufungsantwort gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Beanstandungen zu beschränken. Die Rügen der Parteien geben mithin das Prüfungsprogramm der Berufungsinstanz vor. In rechtlicher Hinsicht ist die Berufungsinstanz bei dieser Prüfung jedoch weder an die Erwägungen der ersten Instanz noch an die Argumente der Parteien gebunden. In tatsächlicher Hinsicht ist sie nicht an die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, auch wenn mangels entsprechender Sachverhaltsrügen der Parteien im Berufungsverfahren der erstinstanzliche Entscheid nach dem Gesagten in der Regel als Grundlage des Rechtsmittelverfahrens dient (BGE 144 III 394 E. 4.1.4; 13 / 49
142 III 413 E. 2.2.4; Urteile des Bundesgerichts 4A_184/2017 vom 16. Mai 2017 E. 4.2.1 und 4A_397/2016 vom 30. November 2016 E. 3.1, je m.w.H). Im Ergebnis besteht für die Berufungsinstanz eine Prüfungspflicht hinsichtlich der in der Berufungsschrift (rechtsgenügend) geltend gemachten Mängel und ein Prüfungsrecht bezüglich allfälliger anderer Mängel des angefochtenen Entscheids. 1.5. Das Novenrecht richtet sich im Berufungsverfahren grundsätzlich nach Art. 317 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung werden neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b). In Verfahren, welche − wie das vorliegende (vgl. nachfolgend E. 2.2) − der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime unterstehen, ist nach neuster bundesgerichtlicher Rechtsprechung die strikte Anwendung von Art. 317 Abs. 1 ZPO allerdings nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist es zuzulassen, dass die Parteien im Berufungsverfahren Noven einreichen, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sind (vgl. BGE 144 III 349 E. 4.2.1 m.w.H. = Pra 2019 Nr. 88; Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden ZK1 16 105 vom 17. September 2018 E. 2.2.2). Somit sind die von den Parteien vorliegend neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich zuzulassen und, sofern von Relevanz, zu berücksichtigen. Ungeachtet vorstehender Ausführungen ist es den Parteien verwehrt, sowohl echte als auch unechte Noven vorzubringen, wenn der Berufungsprozess aufgrund der Spruchreife der Berufungssache in die Phase der Urteilsberatung übergeht. Denn in der Phase der Urteilsberatung muss der Prozessstoff abschliessend so fixiert sein, dass das Gericht die Berufungssache gestützt darauf sorgfältig beraten und ein Urteil ausfällen kann. Die Phase der Urteilsberatung beginnt mit dem Abschluss einer allfälligen Berufungsverhandlung (vgl. BGE 138 III 788 E. 4.2) oder aber mit der förmlichen Mitteilung des Berufungsgerichts, dass es die Berufungssache für spruchreif halte und nunmehr zur Urteilsberatung übergehe (BGE 142 III 413 E. 2.2.5 f.; BGE 138 III 788 E. 4.2). Vorliegend begann die Beratungsphase mit der in der prozessleitenden Verfügung vom 27. April 2020 enthaltenen Feststellung der Vorsitzenden, dass der Schriftenwechsel abgeschlossen sei und ein Entscheid aufgrund der Akten ergehen werde. Im Zeitpunkt des Eingangs der Noveneingabe der Mutter vom 8. Mai 2020 waren die Vorbereitungen für die Ausarbeitung eines Entscheidentwurfs im Sinne von Art. 23 der Verordnung über die Organisation des Kantonsgerichts (KGV; BR 173.100) dementsprechend bereits im Gang. Die genannte Eingabe muss beim Entscheid über die Berufung daher unberücksichtigt bleiben. 14 / 49
2.1. Im Scheidungsverfahren trifft das Gericht die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Dabei sind die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 ZPO). Nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB legt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten unter anderem die Unterhaltsbeiträge an die Kinder fest; nach Art. 176 Abs. 3 ZGB trifft das Gericht in Bezug auf minderjährige Kinder zudem auch die übrigen notwendigen Massnahmen. Verändern sich die Verhältnisse vor dem rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahren, kann die einmal getroffene Regelung nach Massgabe von Art. 179 ZGB angepasst werden (Art. 276 Abs. 2 ZPO). Erforderlich ist in der Regel eine erhebliche und dauernde Veränderung, wobei an die Dauerhaftigkeit angesichts der beschränkten Gültigkeitsdauer der vorsorglichen Massnahmen keine allzu grossen Anforderungen zu stellen sind (Marcel Leuenberger, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band II: Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 14 zu Art. 276 ZPO). Die Änderung kann sich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, ihre berufliche oder gesundheitliche Situation oder auf die Belange der unmündigen Kinder beziehen. Erheblich ist die Änderung, wenn die Fortdauer der bisherigen Massnahme Treu und Glauben widersprechen würde (vgl. dazu Bernhard Isenring/Martin A. Kessler, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 – 456 ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 3 zu Art. 179 ZGB). Vorsorgliche Massnahmen bezwecken, in einem raschen Verfahren, ohne Anspruch auf abschliessende Beurteilung, eine vorläufige Friedensordnung herzustellen. Die entscheidrelevanten tatsächlichen Verhältnisse sind dabei, bei freier Beweiswürdigung, nicht strikt zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen (vgl. etwa Marcel Leuenberger, a.a.O., N 1 u. 21 zu Art. 276 ZPO; Urteile des Bundesgerichts 5A_1003/2014 vom 26. Mai 2015 E. 3 sowie 5A_555/2013 vom 29. Oktober 2013 E. 3.1). Es braucht somit nicht die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein dieser Tatsachen herbeigeführt zu werden, sondern es genügt, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafürspricht, auch wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnten. Demnach darf das Gericht weder blosse Behauptungen genügen lassen noch einen stichhaltigen Beweis verlangen (BGE 130 III 321 E. 3.3, BGE 120 II 393 E. 4c). 2.2. In formeller Hinsicht ist für vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren das summarische Verfahren anwendbar, unter Vorbehalt von Art. 272 ZPO und Art. 273 ZPO (Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 271 lit. a ZPO; Marcel Leuenberger, a.a.O., N 21 Anh. ZPO Art. 276). Nach Art. 272 ZPO stellt das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Diese sogenannte 15 / 49
soziale oder eingeschränkte Untersuchungsmaxime verpflichtet das Gericht nicht zur eigentlichen Erforschung des Sachverhalts. Demgegenüber gilt nach Art. 296 Abs. 1 ZPO die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime, soweit in familienrechtlichen Angelegenheiten Kinderbelange betroffen sind. Das Gericht hat in diesen Fällen den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen, bis über die Tatsachen, die für die Beurteilung des strittigen Anspruchs erforderlich sind, hinreichende Klarheit besteht. Die Geltung der (eingeschränkten oder vollen) Untersuchungsmaxime ändert nichts an der Beweislast und enthebt die Parteien nicht davon, an der Sammlung des Prozessstoffes mitzuwirken. Es obliegt ihnen, dem Gericht die rechtserheblichen Tatsachen zu unterbreiten und es auf die verfügbaren Beweismittel hinzuweisen (Urteil des Bundesgerichts 5A_645/2016 bzw. 5A_651/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.3 m.w.H.; BGE 125 III 231 E. 4a; Thomas Sutter-Somm/Yannick Sean Hostettler, in Sutter- Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Auflage, Zürich 2016, N 8 ff. zu Art. 272 ZPO). In Kinderbelangen nach Art. 296 Abs. 3 ZPO ist des Weiteren die Offizialmaxime anwendbar, nach der das Gericht ohne Bindung an die Parteianträge entscheidet (Rolf Vetterli, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band II: Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 3 ff. Anh. ZPO Art. 272; Marcel Leuenberger, a.a.O., N 21 Anh. ZPO Art. 276; Jonas Schweighauser, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band II: Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 37 f. Anh. ZPO Art. 296). Die Untersuchungs- und die Offizialmaxime gelangen in Kinderbelangen in allen familienrechtlichen Verfahren, in allen Verfahrensstadien und vor allen kantonalen Instanzen, mithin auch im kantonalen Rechtsmittelverfahren, als allgemeine Grundsätze zur Anwendung (BGE 137 III 617 E. 4.5.2; Jonas Schweighauser, a.a.O., N 3, 6, 11 u. 13 Anh. ZPO Art. 296). Da im vorliegenden familienrechtlichen Verfahren einzig Kinderbelange strittig sind, sind die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime und die Offizialmaxime anwendbar. 3. Die Vorinstanz bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abänderung des Massnahmeentscheids vom 15. Juni 2018 und stellte C.________ und D.________ im angefochtenen Entscheid vom 5. Juni 2019 unter die alleinige Obhut des Vaters. Gleichzeitig regelte die Vorinstanz das Kontaktrecht und die Unterhaltspflicht der Ehefrau, und errichtete für D.________ eine Beistandschaft mit besonderen Befugnissen. Im vorliegenden Berufungsverfahren stellt die Mutter verschiedene umfassende Berufungsbegehren, welche inhaltlich teilweise den Wortlaut des vorinstanzlichen 16 / 49
Dispositivs übernehmen und inhaltlich übereinstimmend sind. So beantragt sie beispielsweise die Obhutszuteilung über C.________ an seinen Vater, obwohl diese bereits im erstinstanzlichen Entscheid dem Vater zugesprochen worden ist. Seitens des Berufungsbeklagten wird daher beantragt, auf die Berufung sei insoweit nicht einzutreten, da an einer Beurteilung der betreffenden Punkte kein Rechtsschutzinteresse bestehe. Rechtsbegehren sind im Lichte der Begründung auszulegen (BGE 137 III 617 E. 4.2 ff. m.w.H.). Aus der Begründung der Berufung geht hervor, dass die Mutter nur die Zuweisung der faktischen Obhut über D.________ an sie, die Regelung des Besuchs- und Ferienrechts des Ehemanns und eine Neufestsetzung der Unterhaltspflichten verlangt. Zusätzlich beantragt sie die Verlegung der vorinstanzlichen Gerichtskosten zulasten des Ehemannes. Das vorliegenden Verfahren ist damit auf diese Fragen zu beschränken. Die Obhutszuteilung für C.________ und die gemeinsame elterliche Sorge bilden hingegen genauso wenig Gegenstand der Berufung wie der Wegfall der väterlichen Verpflichtung zur Bezahlung der im Entscheid vom 15. Juni 2018 festgesetzten Unterhaltsbeiträge für die Zeit, in welcher die Verantwortung für die Betreuung der Kinder bei ihm lag. Dass diese Punkte dennoch in die Berufungsbegehren aufgenommen wurden, ist einzig darauf zurückzuführen, dass sich die nach Auffassung der Mutter zu ändernden Dispositivziffern des angefochtenen Entscheides jeweils auf beide Kinder beziehen. Ein (teilweiser) Nichteintretensentscheid hat deswegen nicht zu ergehen. 4. Hauptstreitpunkt unter den Parteien bildet die Frage nach der Zuteilung der Obhut über die Tochter D.________. 4.1. Können sich die Eltern nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes nicht auf ein Betreuungsmodell einigen, kann das Gericht in einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren eine Regelung der alleinigen oder alternierenden Obhut vornehmen (vgl. Art. 176 Abs. 3 und Art. 298 Abs. 2 ZGB). Unter der Herrschaft des alten Rechts war das "Obhutsrecht" Bestandteil des elterlichen Sorgerechts. "Obhut" im Rechtssinne bedeutete das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes und die Modalitäten seiner Betreuung zu bestimmen. Im neuen Recht umfasst die elterliche Sorge auch das "Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen" (s. Art. 301a Abs. 1 ZGB). Die Bedeutung der "Obhut" reduziert sich – losgelöst vom Sorgerecht – auf die "faktische Obhut", das heisst auf die Befugnis zur täglichen Betreuung des Kindes und auf die Ausübung der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit seiner Pflege und laufenden Erziehung (BGE 142 III 612 E. 4.1 und 142 III 617 E. 3.2.2., jeweils m.w.H.; Heinz Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen 17 / 49
Zivilgesetzbuches, 6. Auflage, Bern 2018, N 17.100; Ingeborg Schwenzer/Michelle Cottier, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 – 456 ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 6 zu Art. 296 ZGB). Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst im Sinne der bisherigen "rechtlichen Obhut" das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes und die Art der Betreuung zu bestimmen, unter Einschluss des Rechts, die (faktische) Obhut selbst auszuüben, das Kind Dritten anzuvertrauen, es wieder zurückzuholen, dessen Beziehungen zu überwachen und über seine Erziehung zu entscheiden. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern zu, auch wenn das Kind unter der Obhut nur eines Elternteils steht (vgl. Ingeborg Schwenzer/Michelle Cottier, a.a.O., N 6a zu Art. 296 ZGB). Trotz der genannten Änderungen bleiben die von der Rechtsprechung unter dem bisherigen Recht entwickelten Kriterien zur Obhutszuteilung auch unter dem neuen Recht anwendbar. Leitprinzip ist das Kindeswohl, welches den Interessen der Eltern vorgeht. Einbezogen werden müssen zunächst die bestehenden Bindungen des Kindes zu den Elternteilen und die Erziehungsfähigkeit der Eltern. Dazu kommen ihre Eignung und Bereitschaft, sich persönlich um die Kinder zu kümmern und sich mit ihnen zu beschäftigen, sowie die Kooperationsbereitschaft und die Bereitschaft, insbesondere die Beziehung zum anderen Elternteil zuzulassen. Das Konfliktverhalten der Eltern kann deren Erziehungsfähigkeit und Betreuungsfähigkeit beeinträchtigen. Es ist diejenige Lösung zu wählen, welche unter Berücksichtigung der gesamten Umstände dem Kind die notwendige Stabilität der Beziehungen gewährleistet, die es zur optimalen Entwicklung und Entfaltung benötigt. Geschwister sollen nach Möglichkeit nicht getrennt werden. Bei unterschiedlichen Bedürfnissen, emotionalen Bindungen und Wünschen der Kinder und der Erziehungsfähigkeit beider Eltern steht aber einer separaten Obhutszuteilung nichts im Weg (vgl. Ingeborg Schwenzer/Michelle Cottier, a.a.O., N 5 zu Art. 298 ZGB mit zahlreichen Hinweisen, u.a. auf BGE 136 I 175 E. 5.3. und Urteil des Bundesgerichts 5A_976/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.3). Die für die Regelung der Obhut massgeblichen Umstände können sich ihrer Natur nach im Verlaufe der Zeit derart verändern, dass eine Anpassung der einmal getroffenen Ordnung notwendig wird. Das Gesetz sieht dementsprechend die Möglichkeit einer Abänderung zufolge veränderter Verhältnisse sowohl für die in einem Scheidungsurteil enthaltene Regelung (Art. 134 ZGB) als auch für eine eheschutzrichterliche resp. als vorsorgliche Massnahme ergangene Anordnung (Art. 179) ausdrücklich vor. Ob die eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Anpassung der gerichtlichen Regelung rechtfertigt, beurteilt sich 18 / 49
wiederum aus der Perspektive des Kindeswohls. Namentlich ist bei einer beantragten Obhutsänderung zu beachten, dass die Stabilität der Verhältnisse für eine harmonische Entwicklung der Kinder von erheblicher Bedeutung sein kann (Bernhard Isenring/ Martin A. Kessler, a.a.O., N 5 zu Art. 179 ZGB). Droht indessen die Beibehaltung der geltenden Regelung das Wohl des Kindes ernsthaft zu gefährden respektive würde die aktuelle Regelung dem Kind mehr schaden als der Verlust an Kontinuität in der Erziehung und den Lebensumständen, der mit der Änderung einhergeht, sind die Voraussetzungen für eine Anpassung der bestehenden Regelung jedenfalls gegeben. Zu beachten ist schliesslich, dass eine einvernehmlich erfolgte und über eine relevante Zeitdauer praktizierte Änderung in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls faktisch präjudizierende Wirkung entfalten kann (vgl. Christiana Fountoulakis/Peter Breitschmid, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 – 456 ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 3 f. zu Art. 134 ZGB). 4.2 Im vorliegenden Fall wies der Vorderrichter die Obhut über beide Kinder – in Abänderung des Entscheides vom 15. Juni 2018 und in Bestätigung seiner superprovisorischen Anordnung vom 20. März 2019 – dem Vater zu. Mit Bezug auf C.________ erwog er, dass sich die Parteien einig seien, dass die Obhut dem Vater alleine zuzuteilen sei und auch das Kindeswohl keine Anzeichen dafür liefere, dass die Obhut von C.________ anders geregelt werden müsste. Was D.________ anbelangt, kam er ebenfalls zum Schluss, dass das Kindeswohl mit einer Obhut des Vaters am besten gewahrt sei. D.________ habe sich in H.________ bei ihrem Vater gut eingelebt; es seien keine überzeugenden Gründe für einen erneuten Obhutswechsel ersichtlich. Vielmehr ergebe sich aus den Äusserungen von D.________, dass sie sich mit der Situation in H.________ abgefunden habe und selbst keinen Wohnortswechsel zu ihrer Mutter wünsche. Nicht in Frage stehe schliesslich die Erziehungsfähigkeit des Vaters und auch dessen Wille, beide Kinder in seine Obhut zu nehmen. Dies habe er gezeigt, indem er beide Kinder jeweils umgehend aufgenommen habe (E. 3.6, S. 17 f., des angefochtenen Entscheids). Die Ehefrau auf der anderen Seite habe mit ihrem Verhalten erst Anlass zum vorliegenden Änderungsverfahren gegeben, indem sie am 10. Oktober 2018 zuerst C.________, und am 25. Januar 2019 dann auch D.________ an den Ehemann und Vater abgegeben habe (E. 3.4, S. 16 f., des angefochtenen Entscheids). Die Begründung der Ehefrau, weshalb D.________ nun wieder in ihre Obhut gestellt werden solle, sei nicht stichhaltig. So überzeuge der Hinweis auf die Fremdbetreuung durch G.________ und das Nani (Schwester und Mutter der Ehefrau) schon deshalb nicht, weil sie dies offensichtlich nur in 19 / 49
Bezug auf D.________, nicht jedoch auf C.________, als problematisch empfinde. Zu wenig glaubhaft gemacht sei ferner, dass D.________ vor ihrem Bruder geschützt werden müsste, zumal weder die Auskünfte der Lehrpersonen noch die Aussagen der Zeugin G.________ solches nahelegen würden. Die durch die Mutter vorgeschlagene und als fair bezeichnete Lösung, bei welcher jeder Ehegatte ein Kind in Obhut bekomme, entspreche schliesslich nicht dem Kindeswohl, sondern sei auf die Interessen der Eltern ausgerichtet. Aufgrund dieser Umstände sei auch D.________ unter die Obhut des Vaters zu stellen (E. 3.6, S. 18, des angefochtenen Entscheids). Abschliessend wies die Vorinstanz den Vater darauf hin, dass mit der Übernahme der Obhut auch die Pflicht einhergehe, für die Kinder zu sorgen und sie persönlich zu betreuen. Nachvollziehbar sei, dass es ihm aufgrund seiner 100%-igen Erwerbstätigkeit in L.________ nicht möglich sei, die Kinder unter der Woche alleine zu betreuen. Es sei daher auch eine den Kindern willkommene Lösung, wenn die Tante G.________ und das Nani einspringen würden. Indessen müsste es dem Vater zumutbar sein, abends bei den Kindern vorbeizuschauen und sie wenn möglich auch unter der Woche über Nacht und an den Wochenenden zu sich zu nehmen (E. 3.7, S. 18 f., des angefochtenen Entscheids). 4.3. Die Mutter macht in ihrer Berufungsschrift verschiedene falsche Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz geltend. So widerspricht sie insbesondere der Feststellung der Vorinstanz, dass D.________ in H.________ Stabilität und Ruhe gefunden habe (Berufung, Ziff. 5.4.). Es sei erwiesen, dass C.________ nach wie vor zu aggressivem Verhalten neige. Die Klassenlehrerin habe bestätigt, dass sich D.________ bei ihr zweimal besorgt über einen Ausraster ihres Bruders gezeigt habe. D.________ sei in H.________ der Gefahr ausgesetzt, von ihrem Bruder C.________ tätlich angegangen zu werden (Berufung, Ziff. 5.1., 5.2., 5.4.1.). Weiter legt die Ehefrau dar, dass sie durch die Grossmutter und die Tante von D.________ ständig schlechtgemacht werde, und führt einen Vorfall an, bei welchem die Tante D.________ das Schicken einer Muttertagskarte verboten habe (Berufung, Ziff. 5.3., 5.4.2.). Durch diese negative Beeinflussung gehe die Mutter als Bindungs- und Bezugsperson völlig verloren. Eine solche Bindungsintoleranz zur eigenen Mutter könne so weit führen, dass das Mädchen sich später nicht selbst akzeptieren könne (Berufung, Ziff. 5.4.1.). Die Beeinflussung durch G.________ habe sich auch an der zweiten Kindsanhörung am 13. Mai 2019 gezeigt. Aufgrund der Antworten von D.________ sei nämlich davon auszugehen, dass D.________ auf die Fragen vorbereitet worden sei; es sei unwahrscheinlich, dass ein neunjähriges Kind die Frage betreffend Häufigkeit der Besuche mit "jedes dritte Wochenende" 20 / 49
beantworte. Deshalb sei nicht auf die zweite Kindesanhörung vom 13. Mai 2019, sondern alleine auf die erste Anhörung am 23. Januar 2019 abzustellen. Dort habe sich D.________ so geäussert, dass sie bei der Mutter leben wolle (Berufung, Ziff. 5.4.2., 5.4.3.). D.________ fühle sich bei ihr wohl. Als Primarlehrerin biete sie auch die besten Voraussetzungen, um sich um ihr Kind zu kümmern. Darüber hinaus sei D.________ in J.________ vielen Freizeitaktivitäten nachgegangen, und habe dort viele Freunde und Freundinnen gefunden (Berufung, Ziff. 5.4.3., 5.4.5). Ihren plötzlichen Verzicht auf die Obhut und das Sorgerecht von D.________ am 25. Januar 2019 begründet die Ehefrau damit, dass sie D.________ im Interesse des Kindeswohls zum Ehemann gelassen habe, da die Besuchsregelung ständig zu Auseinandersetzungen geführt hätte. Darunter habe D.________ sehr gelitten. Auch deshalb, weil die Grossmutter und die Tante von D.________ offenbar ständig schlecht über ihre Mutter gesprochen hätten. Dass die Besuchsregelung Probleme für D.________ verursache, habe offensichtlich auch die Vorinstanz so gesehen. Deshalb habe diese es als angebracht erachtet, eine Beistandschaft zu errichten (Berufung, Ziff. 5.3.). Schliesslich beruft sich die Ehefrau in rechtlicher Hinsicht auf den Grundsatz, wonach grundschulpflichtige Kinder in die Obhut desjenigen Elternteils zu geben seien, welcher die Möglichkeit zur persönlichen Betreuung biete. Eine persönliche Betreuung gehe einer Fremdbetreuung vor (Berufung, Ziff. 5.5.). Vorliegend würden C.________ und D.________ durch G.________ fremdbetreut, da die Kinder bei ihr schlafen, essen und die Freizeit verbringen würden. Der Vater wiederum zeige sich offensichtlich nicht bereit, sein eigenes Leben so zu gestalten, dass er die faktische Obhut auch tatsächlich ausüben würde. Nicht einmal an den Wochenenden wolle er die Kinderbetreuung voll übernehmen (Berufung, Ziff. 5.5.1., 5.5.2.). Aus diesem Grunde sei die Obhut über D.________ ihr zuzuweisen, da sie die persönliche Betreuung übernehmen würde (5.5.3.). Dies könne sie aufgrund seines aggressiven Verhaltens jedoch nicht für C.________ gewährleisten. Deshalb gehe die vorinstanzliche Begründung, dass sie offenbar nur eine Fremdbetreuung von D.________ als inakzeptabel empfinde, ins Leere. Sie wünsche sich, dass C.________ von seinem Vater betreut werde (5.5.4.). 4.4. Der Ehemann und Vater bestreitet in der Berufungsantwort die Ausführungen der Ehefrau vollständig. Im Wesentlichen bringt er vor, dass die Vorinstanz angesichts der Situation, der Beweislage und des Verhaltens der Parteien richtigerweise zum Schluss gelangt sei, dass die beiden Kinder unter 21 / 49
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