Urteil vom 25. Mai 2020 - Entscheidsuche

 
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Kantonsgericht von Graubünden
             Dretgira chantunala dal Grischun
             Tribunale cantonale dei Grigioni

Urteil vom 25. Mai 2020

Referenz          ZK1 19 109

Instanz           I. Zivilkammer

Besetzung         Michael Dürst, Vorsitzende
                  Brunner und Pedrotti
                  Gustin, Aktuar

Parteien          A.________
                  Berufungsklägerin
                  vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Stephan Zimmerli
                  Eichwaldstrasse 5, Postfach, 6002 Luzern

                  gegen

                  B._____
                  Berufungsbeklagter
                  vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Silvia Däppen
                  Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur

Gegenstand        Abänderung von vorsorglichen Massnahmen im
                  Ehescheidungsverfahren

Anfechtungsobj.   Entscheid des Einzelrichters am Regionalgericht Prättigau/Davos
                  vom 05. Juni 2019, mitgeteilt am 27. Juni 2019 (Proz. Nr. 13-2018-
                  421)

Mitteilung        26. Mai 2020
I. Sachverhalt

A.    B._____, geboren am .________ 1968, und A._____, geboren am _____
1973, haben am ________ 2007 in F.________ geheiratet. Sie sind Eltern von
C.________, geboren am ________ 2008, und D.________, geboren am
________ 2010. Seit dem ________ 2016 leben die Ehegatten getrennt, wobei die
Mutter mit den Kindern anfänglich in der zuvor gemeinsam bewohnten
Liegenschaft in H.________ verblieb. Im Herbst 2017 verlegte sie ihren Wohnsitz
nach J.________, wo sie mit den beiden Kindern eine Mietwohnung bezog.

B.     Am 3. April 2018 reichte der Ehemann dem Regionalgericht Prättigau/Da-
vos eine unbegründete Scheidungsklage ein. Im Zuge der Einigungsverhandlung
vom 30. Mai 2018 unterzeichneten die Parteien am 11./12./13. Juni 2018 eine
Trennungsvereinbarung, welche der Einzelrichter am Regionalgericht Prättigau mit
Entscheid vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) vollumfänglich
genehmigte. Der Vereinbarung der Parteien folgend wurden die beiden Kinder bei
Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge unter die alleinige Obhut der
Mutter gestellt (Dispositiv-Ziffer 2), das Besuchs- und Ferienrecht des Vaters
(unter Einschluss der Übergabemodalitäten) geregelt (Dispositiv-Ziffer 4) und der
Vater verpflichtet, an den Unterhalt der Kinder mit Wirkung ab dem 3. April 2018
monatliche Beiträge von CHF 980.00 (Barunterhalt) für C.________ respektive
von CHF 1'270.00 (Barunterhalt CHF 780.00, Betreuungsunterhalt CHF 490.00)
für D.________, je zuzüglich Kinderzulagen von derzeit CHF 220.00, zu bezahlen
(Dispositiv-Ziffer 5). Des Weiteren wurde davon Vormerk genommen, dass
gestützt auf die Grundlagen der Unterhaltsberechnung auf die Vereinbarung eines
Ehegattenunterhalts verzichtet werde, ein Antrag auf gerichtliche Zusprechung
eines solchen für die Zukunft aber möglich bleibe (Dispositiv-Ziffer 7).

C.    Mit Gesuch vom 18. Oktober 2018 an das Regionalgericht Prättigau/Davos
beantragte B._____ die Abänderung des am 15. Juni 2018 getroffenen Entscheids
des Regionalgerichts Prättigau/Davos. Er stellte die folgenden Anträge:
      1.   Es sei Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206)
           abzuändern und C.________, geb. ________2008, unter die Obhut
           des Gesuchstellers zu stellen.
      2.   Es sei Dispositiv Ziff. 5a des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206)
           aufzuheben und festzustellen, dass der Gesuchsteller ab 18. Oktober
           2018 keinen Unterhalt für C.________ an die Gesuchsgegnerin
           schuldet.
      3.   Unter gesetzlicher Kosten-und Entschädigungsfolge.

                                                                                 2 / 49
Dem Gesuch beigelegt war ein von A._____ unterzeichnetes Schreiben vom 16.
Oktober 2018 an das Einwohneramt J.________, in welchem sie den Behörden
mitteilte, dass C.________ zu seinem Vater nach H.________ ziehen werde. Im
Weiteren reichte B._____ eine Zustimmungserklärung von A._____ in Bezug auf
die im Gesuch beantragten Änderungen ein.

D.     Anlässlich zweier mündlicher Verhandlungen am 5. November 2018 und
am 9. Januar 2019 vor dem Regionalgericht Prättigau/Davos konnten sich die
Parteien in Bezug auf die gestellten Anträge nicht einigen. Dies insbesondere
deshalb, weil eine durch A._____ beantragte Neugestaltung des Sorgerechts und
der Besuchsregelung von D.________ scheiterte. Aus diesem Grund ordnete der
Gerichtspräsident in der Folge die Fortführung des Verfahrens auf schriftlichem
Wege an und führte im Hinblick darauf am 23. Januar 2019 eine persönliche
Anhörung von D.________ durch.

E.     Mit Schreiben vom 25. Januar 2019 teilte A._____ dem Regionalgericht
Prättigau/Davos mit, dass sie per sofort beide Sorgerechte ihrer Kinder abgebe
und lebenslänglich für keine Rechnungen im Zusammenhang mit den Kindern
aufkommen werde. D.________ müsse gleichentags (25. Januar 2019) um 19:30
Uhr bei ihr vor dem Haus abgeholt werden.

F.     Mit Eingabe vom 28. Februar 2019 reichte B._____ beim Regionalgericht
Prättigau/Davos innert der ihm für die Begründung seiner ursprünglich gestellten
Abänderungsbegehren gewährten Frist ein an die veränderte Situation
angepasstes Gesuch mit den folgenden Anträgen ein:
      1.   Es sei Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206)
           abzuändern und die gemeinsamen Kinder C.________, geb.
           ________2008, und D.________, geb. ________2010, unter die
           alleinige elterliche Sorge und Obhut des Gesuchstellers zu stellen.
      2.   Es sei das Besuchs- und Ferienrecht          für   die   Dauer   des
           Scheidungsverfahrens zu sistieren.
      3.   Es sei Dispositiv Ziff. 5 des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206)
           aufzuheben und festzustellen, dass der Gesuchsteller ab 18.10.2018
           keinen Unterhalt für C.________ und ab 26.1.2019 keinen Unterhalt
           für D.________ an die Gesuchsgegnerin schuldet.
      4.   Es sei die Gesuchsgegnerin zu verpflichten für jedes Kind monatlich
           im voraus [sic] einen Unterhaltsbeitrag von CHF 900 zu bezahlen mit
           Beginn der Unterhaltspflicht für C.________ ab 1.11.2018 und für
           D.________ ab 1.2.2019.
      5.   [Verpflichtung der Gesuchsgegnerin zur Herausgabe von den Kindern
           gehörenden Gegenständen]

                                                                                  3 / 49
6.   [Antrag auf Vollstreckungsmassnahmen]
      7.   Unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge.

G.     Mit Gesuch vom 19. März 2019 an das Regionalgericht Prättigau/Davos
stellte B._____ das Begehren, seine Kinder C.________ und D.________
superprovisorisch unter seine alleinige Obhut zu stellen. Begründend führte er
aus, dass aufgrund eines Vorfalles die Gefahr bestehe, dass die Mutter beide
Kinder einfach mitnehmen wolle. So habe ein ebenfalls in H.________ wohnhafter
Verwandter am ________ 2019 D.________ abgepasst und zu sich nach Hause
genommen. Dort habe A._____ auf ihre Tochter gewartet und sie gefragt, ob sie
nicht wieder zu ihr ziehen wolle. Am Schluss des Treffens habe sie D.________
aufgefordert, niemandem von dem Treffen und dem Gespräch zu erzählen. Im
Weiteren habe A._____ versucht, von der Mutter einer Schulkameradin von
C.________ Informationen über ihren Sohn zu erhalten. Aufgrund dieses
Verhaltens sei ernsthaft zu befürchten, dass die Mutter eines oder beide Kinder zu
sich nach I.________ nehmen werde. Nur mit der Zuweisung der alleinigen Obhut
an ihn könne er die Kinder im Falle einer Mitnahme wieder zurückholen und
verhindern, dass sie je nach Situation einmal bei der Mutter wohnen sollen, um
dann plötzlich wieder vor die Türe gestellt zu werden.

H.     Mit Entscheid vom 20. März 2019 (Proz. Nr. 135-2018-421) entsprach der
Einzelrichter am Regionalgericht Prättigau/Davos dem Gesuch um Erlass einer
superprovisorischen Massnahme, stellte die Kinder C.________ und D.________
in Abänderung von Dispositiv-Ziffer 2 seines Entscheides vom 15. Juni 2018 unter
die alleinige Obhut von B._____ und setzte A._____ Frist bis zum 8. April 2019,
um zum gegnerischen Gesuch vom 19 März 2019 schriftlich Stellung zu nehmen.

I.    Mit Stellungnahme vom 5. April 2019 stellte A._____ die folgenden Anträge:
      1.   Es sei Ziff. 2 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206)
           abzuändern und der gemeinsame Sohn C.________, geboren am
           ________ 2008, unter die alleinige Obhut des Gesuchstellers zu
           stellen.
      2.   Es sei Ziff. 4 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) wie folgt
           abzuändern:
      2.1. Der Gesuchsteller sei während der Dauer des Scheidungsverfahrens
           zu berechtigen und verpflichten, die gemeinsame Tochter
           D.________, geboren am ________ 2010, unter Beizug einer
           Fachperson (begleitetes Besuchsrecht) auf eigene Kosten und ohne
           Abzug von den Unterhaltsbeitragspflichten wie folgt auf Besuch zu
           nehmen:

                                                                                  4 / 49
a)   Mit Ausnahme derjenigen Samstage, an denen eine
                Veranstaltung des Blaurings J.________ stattfindet, jeden 1. und
                3. Samstag eines Monats, von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr.
           b)   Ein weitergehendes oder anderslautendes Besuchs- und
                Ferienrecht sei der einvernehmlichen Regelung der Eltern unter
                Berücksichtigung der Wünsche und des Wohles des Kindes
                vorbehalten.
      2.2. Das Besuchs- und Ferienrecht der Gesuchsgegnerin in Bezug auf den
           gemeinsamen Sohn C.________, geboren am ________ 2008, sei für
           die Dauer des Scheidungsverfahrens zu sistieren.
      3.   Es sei Ziff. 5 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts
           Prättigau/Davos vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) wie folgt
           abzuändern:
      3.1. Der Gesuchsteller sei zu verpflichten, an die Kosten des Unterhalts
           und der Erziehung von D.________ CHF 780.00, zuzüglich
           Kinderzulagen    (von    derzeit   CHF     220.00)    sowie   einen
           Betreuungsunterhalt    von    CHF 490.00      zu    bezahlen.   Der
           Unterhaltsbeitrag sei im Voraus zahlbar, und zwar an die
           Gesuchsgegnerin, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats.
      3.2. Es sei festzustellen, dass der Gesuchsteller der Gesuchsgegnerin ab
           dem 18. Oktober 2018 keinen Unterhalt für C.________, geboren am
           ________ 2008, mehr schuldet.
      4.   [Regelung des ausserordentlichen Kindesunterhalts]
      5.   [Herausgabe von dem Sohn C.________ gehörenden Gegenständen]
      6.   Alle  weitergehenden     oder    anderslautenden      Anträge    des
           Gesuchstellers seien abzuweisen.
      7.   Der Gesuchsgegnerin sei Gelegenheit zu geben, nach Abschluss des
           Beweisverfahrens ihre Anträge zu präzisieren und abzuändern oder zu
           ergänzen.
      8.   Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Gesuchstellers.

J.     Mit Eingabe vom 29. April 2019 beantragte B._____ die Ansetzung einer
mündlichen Verhandlung, das Einholen von schriftlichen Auskünften bei allen
Lehrpersonen von C.________ und D.________, und eine abermalige Anhörung
der Kinder. Mit Schreiben vom 1. Mai 2019 gab der Regionalgerichtspräsident des
Regionalgerichts Prättigau/Davos den Anträgen statt und führte die genannten
Beweiserhebungen in der Folge durch.

K.     Am 5. Juni 2019 fand die mündliche Hauptverhandlung statt. Dabei hielt
B._____ grundsätzlich an seinen Anträgen fest, verzichtete jedoch in Abänderung
von Ziff. 1 seiner Anträge auf die Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge. Auch
A._____ hielt an ihren Anträgen − ausser dem Antrag 7 − ausdrücklich fest.

L.    Mit Entscheid vom 5. Juni 2019, mitgeteilt am 27. Juni 2019, erkannte der
Regionalgerichtspräsident des Regionalgerichts Prättigau/Davos wie folgt:

                                                                                   5 / 49
1.   Das Gesuch um Abänderung von vorsorglichen Massnahmen im
     Scheidungsverfahren wird teilweise gutgeheissen und Ziff. 2, 4, 5 und
     6 des Dispositivs des Entscheids des Einzelgerichts Prättigau/Davos
     vom 15. Juni 2018 (Proz. Nr. 135-2018-206) werden aufgehoben und
     der Entscheid betreffend superprovisorische Massnahmen des
     Einzelgerichts Prättigau/Davos vom 20. März 2019 (Proz. Nr. 135-
     2018-421) wird bestätigt.
2.   Die gemeinsamen Kinder C.________, geboren ________ 2008, und
     D.________, geboren ________ 2010, werden für die Dauer der
     Trennung unter die alleinige Obhut von B._____ gestellt.
     Die elterliche Sorge bleibt für die Dauer des Getrenntlebens weiterhin
     bei beiden Elternteilen. Entsprechend sind sie verpflichtet, sämtliche
     wesentliche Fragen der Pflege, Erziehung, Ausbildung, medizinische,
     therapeutische und zahnmedizinische Massnahmen miteinander
     abzusprechen. Auch über medizinische Abklärungen, gesundheitliche
     Zustände und schulische Vorgänge sind die Eltern verpflichtet, sich
     gegenseitig unaufgefordert und umfassend zu orientieren, wobei jeder
     Ehegatte die Informationen selber direkt bei den entsprechenden
     Stellen einholen kann. Die Einholung von Zustimmungserklärungen
     und Orientierungen kann auch über den Kinderarzt oder die Schule
     erfolgen.
3.   A.________ steht ein Besuchsrecht für D.________ − mit
     entsprechender Pflicht − am ersten und dritten Samstag und Sonntag
     im Monat zu, wie folgt:
     a)   A.________ holt D.________ am Samstag in H.________ GR ab.
          Treffpunkt ist Bahnhof H.________, 10:10 Uhr. B._____ holt
          D.________ am darauffolgenden Sonntag um 18:00 Uhr am
          Wohnsitz von A.________ (derzeit: ________ I.________ ) ab
          und bringt sie nach H.________ GR zurück.
     b)   Über Verspätungen und dergleichen ist der andere Elternteil
          unverzüglich zu informieren.
     c)   Die Kosten dieser Fahrten trägt jene Person, welche die Kinder
          begleitet.
     d)   Die Kosten von D.________ während ihres Aufenthaltes bei der
          Mutter trägt die Mutter.
     A.________ ist berechtigt und verpflichtet, D.________ drei Wochen
     während der Schulferien (unter Absprache mit dem Vater drei Monate
     im Voraus) und in den geraden Jahren an Ostern und Neujahr, in den
     ungeraden Jahren an Pfingsten und Weihnachten, auf ihre Kosten zu
     betreuen. Während der übrigen Zeit wird D.________ vom Vater
     betreut.
     Die Ehegatten können von den fixierten Regelungen durch vorgängig
     getroffene, übereinstimmende Vereinbarung abweichen. Diesfalls ist
     die Beistandsperson zu informieren (s. Dispositiv Ziff. 4). Den Eltern ist
     bekannt, dass das Kindswohl, d.h. das Wohl von C.________ und
     D.________, ihren Interessen und Bedürfnissen vorgeht.
4.   Für D.________ wird eine Beistandschaft mit besonderen Befugnissen
     gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB errichtet. Zweck dieser Beistandschaft ist
     die Sicherstellung, dass D.________ nach den Besuchswochenenden

                                                                                  6 / 49
oder nach Ferien bei/mit ihrer Mutter A._____ wiederum zum Vater
     B._____ zurückkehrt. Die Beistandsperson hat den Auftrag, die
     Übergaben von D.________ an den Kindsvater jeweils am
     Besuchswochenend-Sonntagabend oder am Abend des letzten
     Ferientags, den D.________ mit ihrer Mutter verbringt, je 18:00 Uhr,
     am Wohnsitz der Kindsmutter (derzeit: ________ I.________ ) zu
     gewährleisten. Sie hat die Kompetenz, eine Dritthilfe (eine
     Fachperson) einzusetzen, die beim Vollzug der Übergaben von
     D.________ an den Kindsvater dabei ist. Die Beistandsperson hat
     dem     Regionalgericht    Prättigau/Davos,     Unregelmässigkeiten
     vorbehalten, alle zwei Monate Bericht zu erstatten. Mit dem Vollzug
     dieser Massnahme wird die KESB Prättigau/Davos beauftragt.
5.   Das Besuchs- und Ferienrecht betreffend C.________ wird für die
     Dauer des Scheidungsverfahrens sistiert.
6.   Es wird gerichtlich festgestellt, dass B._____ ab 18. Oktober 2018
     keinen Unterhalt für C.________ und ab 26. Januar 2019 keinen
     Unterhalt für D.________, je an A.________, mehr schuldet.
     Allfällige von B._____ an A.________ zu               viel   geleistete
     Unterhaltsbeiträge können zurückgefordert werden.
7.   A.________ wird verpflichtet, die folgenden Kinderunterhaltsbeiträge
     zu bezahlen:
     a)   für C.________: rückwirkend ab dem 1. November 2018 bis zum
          31. Januar 2019: CHF 820.00 pro Monat (Barunterhalt).
     b)   für C.________ und D.________: rückwirkend ab dem 1. Februar
          2019 bis zum 31. August 2019: je CHF 669.00 pro Monat
          (Barunterhalt).
     c)   für C.________: ab dem 1. September 2019 CHF 820.00 pro
          Monat (Barunterhalt).
     d)   für D.________: ab dem 1. September 2019 CHF 700.00 pro
          Monat (Barunterhalt).
     Die Unterhaltsbeiträge sind im Voraus zahlbar, und zwar an den
     Kindsvater B._____, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats.
8.   Die übrigen Anträge der Parteien werden abgewiesen.
9.   Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 2’000.00 gehen zu Lasten von
     A.________ und werden mit dem von B._____ geleisteten
     Kostenvorschuss von CHF 1'000.00 verrechnet. A.________ wird
     verpflichtet, B._____ den Betrag von CHF 1’000.00 zu bezahlen.
     Zudem wird A.________ verpflichtet, dem Regionalgericht
     Prättigau/Davos die noch fehlenden CHF 1'000.00 zu bezahlen.
10. A.________ wird verpflichtet, B._____ mit CHF 10’631.85 (inkl.
    Barauslagen und MwSt.) ausseramtlich zu entschädigen.
11. (Rechtsmittelbelehrung)
12. (Rechtsmittelbelehrung Kostenentscheid)
13. (Mitteilung)

                                                                               7 / 49
M.    Gegen diesen Entscheid erhob A._____ mit Eingabe vom 10. Juli 2019
beim Kantonsgericht von Graubünden Berufung. Sie stellt folgende
Rechtsbegehren:
     1.   Ziffer 1 (eins) und Ziffer 2 (zwei) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs
          des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni
          2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern:
          Der gemeinsame Sohn C.________, geboren ________ 2008, sei für
          die Dauer der Trennung unter die alleinige Obhut von B._____ zu
          stellen. Die gemeinsame Tochter D.________, geboren ________
          2010, sei für die Dauer der Trennung unter die alleinige Obhut von
          A.________ zu stellen.
          Die elterliche Sorge bleibe für die Dauer des Getrenntlebens weiterhin
          bei beiden Elternteilen. Entsprechend seien sie verpflichtet, sämtliche
          wesentlichen Fragen der Pflege, Erziehung, Ausbildung, medizinische,
          therapeutische und zahnmedizinische Massnahmen miteinander
          abzusprechen. Auch über medizinische Abklärungen, gesundheitliche
          Zustände und schulische Vorgänge seien die Eltern verpflichtet, sich
          gegenseitig unaufgefordert und umfassend zu orientieren, wobei jeder
          Ehegatte die Informationen selber direkt bei den entsprechenden
          Stellen einholen könne. Die Einholung von Zustimmungserklärungen
          und Orientierungen könne auch über den Kinderarzt oder die Schule
          erfolgen.
     2.1. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 3 (drei) und Ziffer 4 (vier) und Ziffer 8 (acht)
          des     Rechtsspruchs      des     Entscheids     des    Regionalgerichts
          Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt
          abzuändern:
          Der Gesuchsteller sei während der Dauer des Scheidungsverfahrens
          zu berechtigen und verpflichten, die gemeinsame Tochter
          D.________, geboren am ________ 2010, unter Beizug einer
          Fachperson (begleitetes Besuchsrecht) auf eigene Kosten und ohne
          Abzug von den Unterhaltsbeitragspflichten wie folgt auf Besuch zu
          nehmen:
          a)   Mit Ausnahme derjenigen Samstage, an denen eine
               Veranstaltung des Blaurings J.________, der Mädchenriege oder
               der Tanzschule K.________ stattfindet, jeden 1. und 3. Samstag
               eines Monats, von 09.00 Uhr bis 19.00 Uhr.
          b)   Über Verspätungen und dergleichen ist der andere Elternteil
               unverzüglich zu informieren.
          c)   In den geraden Jahren an Ostern und Neujahr und in den
               ungeraden Jahren an Pfingsten und Weihnachten jeweils
               tageweise.
          d)   Ein weitergehendes oder anderslautendes Besuchs- und
               Ferienrecht sei der einvernehmlichen Regelung der Eltern unter
               Berücksichtigung der Wünsche und des Wohles des Kindes
               vorbehalten. Diesfalls sei die beigezogene Fachperson zu
               informieren.
     2.2. Eventualiter zu Antrag Ziff. 2.1 seien Ziffer 1 (eins) und Ziffer 3 (drei)
          und Ziffer 4 (vier) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des

                                                                                        8 / 49
Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019
     aufzuheben und wie folgt abzuändern:
     Das Besuchs- und Ferienrecht betreffend D.________ sei für die
     Dauer des Scheidungsverfahrens zu sistieren.
3.   Ziffer 1 (eins) und Ziffer 6 (sechs) und Ziffer 8 (acht) des
     Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos
     vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern:
     a)   Es sei gerichtlich festzustellen, dass B._____ ab 18. Oktober
          2018 keinen Unterhalt für C.________ an A.________ mehr
          schulde.
          Allfällige von B._____ an A.________ zu viel geleistete
          Unterhaltsbeiträge für C.________ können zurückgefordert
          werden.
     b)   Es sei gerichtlich festzustellen, dass B._____ vom 26. Januar
          2019 bis zur Rechtskraft des vorliegenden Urteils keinen Unterhalt
          für D.________ an A.________ schulde.
          Allfällige von B._____ an A.________ während der genannten
          Zeitspanne zu viel geleistete Unterhaltsbeiträge für D.________
          können zurückgefordert werden.
4.1. Ziffer 1 (eins) und Ziffer 7 (sieben) und Ziffer 8 (acht) des
     Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos
     vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben und wie folgt abzuändern:
     B._____ sei zu verpflichten, A.________ an den Unterhalt für
     D.________ ab Rechtskraft des vorliegenden Urteils einen
     monatlichen, gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab
     Verfall zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 1'270.00
     (davon CHF 490.00 Betreuungsunterhalt) zuzüglich allfälliger Kinder-
     und Ausbildungszulagen zu zahlen.
4.2. Eventualiter zu Antrag Ziffer 4.1. seien Ziffer 1 (eins) und Ziffer 7
     (sieben) und Ziffer 8 (acht) des Rechtsspruchs des Entscheids des
     Regionalgerichts Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019 aufzuheben und
     wie folgt abzuändern:
     a)   A.________ sei zu verpflichten, B._____ an den Unterhalt für
          C.________ ab dem 1. Januar 2020 einen monatlichen,
          gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab Verfall
          zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 120.00 zu zahlen.
     b)   A.________ sei zu verpflichten, B._____ an den Unterhalt für
          D.________ ab dem 1. Januar 2020 einen monatlichen,
          gerichtsüblich zu indexierenden, vorauszahlbaren und ab Verfall
          zu 5% verzinslichen Unterhaltsbeitrag von CHF 120.00 zu zahlen.
5.   Ziffer 8 (acht) und Ziffer 9 (neun) und Ziffer 10 (zehn) des
     Rechtsspruchs des Entscheids des Regionalgerichts Prättigau/Davos
     vom 5. Juni 2019 seien aufzuheben wie folgt abzuändern:
     Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens seien zulasten des
     Gesuchstellers zu verlegen und der Gesuchsteller habe der
     Gesuchsgegnerin     für   das      vorinstanzliche Verfahren eine
     Parteientschädigung nach richterlichem Ermessen zu bezahlen.

                                                                               9 / 49
6.   Der Berufung der Gesuchsgegnerin sei vollumfänglich die
           aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vollstreckung des
           vorinstanzlichen Entscheids damit in den angefochtenen Teilen
           aufzuschieben.
      7.   Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren zu
           Lasten des Gesuchstellers und Berufungsbeklagten.

N.    B._____ beantragt in seiner Berufungsantwort vom 22. Juli 2019 was folgt:
      1.   Die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird.
                                  Eventualantrag:
           Falls dem Antrag der Berufungsklägerin und Gesuchsgegnerin, die
           gemeinsame Tochter D.________ unter ihre Obhut zu stellen,
           stattgegeben wird, sei der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller zu
           berechtigen und zu verpflichten, die gemeinsame Tochter D.________
           jeweils am 1. und 3. Wochenende jedes Monats, von Samstag, 8.30
           Uhr, bis Sonntag, 17.50 Uhr, zu sich auf Besuch zu nehmen. Der
           Berufungsbeklagte und Gesuchsteller sei dabei zu verpflichten,
           D.________ samstags am Wohnort der Berufungsklägerin und
           Gesuchsgegnerin in Empfang zu nehmen, und die Berufungsklägerin
           sei zu verpflichten, D.________ sonntags beim Berufungsbeklagten
           und Gesuchsteller abzuholen.
           Der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller sei zu berechtigen,
           D.________ in Jahren mit gerader Jahreszahl an Ostern und Neujahr
           und in Jahren mit ungerader Jahreszahl an Pfingsten und
           Weihnachten, jeweils an sämtlichen freien Tagen, und während den
           Schulferien jährlich vier Wochen zu sich zu nehmen.
           Es sei der Berufungsbeklagte und Gesuchsteller zu verpflichten, an
           den Unterhalt seiner Tochter D.________ monatlich CHF 700.00
           zuzüglich allfälliger von ihm bezogener Kinderzulagen zu bezahlen.
      2.   Es sei der Berufung keine aufschiebende Wirkung zu erteilen.
      3.   Unter Kosten- und Entschädigungsfolge für beide Verfahren zu Lasten
           der Berufungsklägerin und Gesuchsgegnerin.

O.     Mit Eingaben vom 2. September 2019 und 15. Oktober 2019 reichte
A._____ verschiedene weitere Beweismittel betreffend ihre Bemühungen um eine
Arbeitsstelle ein. Zudem legte sie mit Schreiben vom 22. November 2019 eine
unterzeichnete Teilkonvention zwischen den Ehegatten betreffend güterrechtlicher
Auseinandersetzung ins Recht.

P.     A._____ nahm zur Berufungsantwort fristgerecht am 30. März 2020
Stellung. B._____ reichte am 2. April 2020, ebenfalls fristgerecht, eine
Stellungnahme zu den Noveneingaben von A._____ ein; mit Eingabe vom 6. April
2020 äusserte er sich schliesslich innert Frist auch zur Replik der
Berufungsklägerin vom 30. März 2020.

                                                                                 10 / 49
Q.     Mit prozessleitender Verfügung vom 27. April 2020 erkannte die
Vorsitzende der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden in Bezug auf
die beantragte aufschiebende Wirkung wie folgt:
      1.   Der Antrag um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wird
           dahingehend gutgeheissen, als die Vollstreckbarkeit der Dispositiv-
           Ziffer 7, soweit sie die Unterhaltsbeiträge für die Zeit vor dem 1. Juli
           2019 betrifft, sowie der Dispositiv-Ziffern 9 und 10 des Entscheides
           des Einzelrichters am Regionalgericht Prättigau/Davos (Proz. Nr. 135-
           2018-421) vom 5. Juni 2019 aufgeschoben wird. Im Übrigen wird der
           Antrag abgewiesen.
      2.   Die Kosten bleiben bei der Prozedur.
      3.   (Rechtsmittel)

Im Rahmen der Erwägungen hielt die Vorsitzende überdies fest, dass der
Schriftenwechsel abgeschlossen sei, eine mündliche Berufungsverhandlung bei
den gegebenen Verhältnissen nicht erforderlich erscheine und folglich ein
Entscheid aufgrund der Akten ergehen werde (Art. 316 Abs. 1 ZPO).

R.   Am 8. Mai 2020 reichte A._____ eine weitere Noveneingabe im
Zusammenhang mit ihrer Stellensuche ein.

S.    Auf die Begründung der Anträge in den Rechtsschriften sowie auf die
Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird, soweit erforderlich, in den
nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

II. Erwägungen

1.1. Entscheide           betreffend       vorsorgliche     Massnahmen         im
Ehescheidungsverfahren werden vom Einzelrichter in Zivilsachen am
Regionalgericht im summarischen Verfahren getroffen (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZPO
i.V.m. Art. 271 lit. a ZPO und Art. 4 Abs. 1 lit. a des Einführungsgesetzes zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung [EGzZPO; BR 320.100]). Gegen solche
Entscheide kann – unter der Voraussetzung, dass eine nicht vermögensrechtliche
Streitigkeit vorliegt oder der Streitwert im Falle einer vermögensrechtlichen
Streitigkeit den Betrag von CHF 10'000.00 übersteigt – Berufung im Sinne von Art.
308 ff. ZPO an das Kantonsgericht von Graubünden erhoben werden (Art. 308
Abs. 1 lit. b u. Abs. 2 ZPO, Art. 7 Abs. 1 EGzZPO). Innerhalb des Kantonsgerichts
liegt die Zuständigkeit für zivilrechtliche Berufungen auf dem Rechtsgebiet des
Zivilgesetzbuches bei der I. Zivilkammer (Art. 6 lit. a der Verordnung über die
Organisation des Kantonsgerichts [KGV; BR 173.100]).

                                                                                      11 / 49
1.2. Die Berufung gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen
Entscheid ist innert zehn Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids
schriftlich einzureichen, wobei der angefochtene Entscheid beizulegen ist (Art. 311
ZPO i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZPO). Der vorliegend angefochtene Entscheid des
Einzelrichters in Zivilsachen am Regionalgericht Prättigau/Davos vom 5. Juni 2019
wurde den Parteien am 27. Juni 2019 mitgeteilt und ging A._____ am 1. Juli 2019
zu. Die von ihr dagegen am 10. Juli 2019 erhobene Berufung erfolgte unter
Berücksichtigung von Art. 142 Abs. 3 ZPO fristgerecht.

1.3. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bilden einerseits die
Obhutszuteilung von C.________ und D.________ an B._____ (im Folgenden als
Vater oder Ehemann bezeichnet) und damit zusammenhängend die Regelung des
persönlichen Verkehrs mit A._____ (im Folgenden als Mutter oder Ehefrau
bezeichnet). Andererseits wird eine Änderung des erstinstanzlichen Entscheids
hinsichtlich der Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber ihren Kindern verlangt. In
vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist eine Berufung nur zulässig, wenn der
Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens
CHF 10'000.00 beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Vorliegend überwiegt in der zu
beurteilenden     Streitsache    –    wie   regelmässig    in   familienrechtlichen
Angelegenheiten – der nicht vermögensrechtliche Aspekt, womit der Streitwert in
Bezug auf die Unterhaltspflicht nicht weiter zu prüfen ist (vgl. Urteil des
Bundesgericht 5A_72/2016 vom 2. November 2016 E. 1; Peter Diggelmann, in:
Brunner/Gasser/Schwander         [Hrsg.],  Schweizerische     Zivilprozessordnung,
Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2016, N 1, 28 zu Art. 91 ZPO).

1.4. Nach Art. 311 Abs. 1 ZPO ist eine Berufung zu begründen, selbst wenn die
entsprechende Sache dem Offizial- und Untersuchungsgrundsatz unterliegt. Aus
der Begründung muss hervorgehen, welche Punkte des erstinstanzlichen
Entscheids angefochten werden, weshalb der erstinstanzliche Entscheid in den
angefochtenen Punkten unrichtig sein soll und wie stattdessen zu entscheiden ist.
Eine blosse Wiedergabe erstinstanzlicher Rechtsschriften in der Berufungsschrift
oder ein blosser Hinweis auf die Vorakten genügt den Begründungsanforderungen
nicht. Die kritisierten Ausführungen und die Beilagen müssen genau bezeichnet
werden. Fehlt eine Begründung oder sind die Anträge auch im Lichte der
Begründung ungenügend, ist auf die Berufung nicht einzutreten (BGE 138 III 374
E. 4.3 = Pra 2013 Nr. 4; Urteil des Bundesgerichts 5A_141/2014 vom 28. April
2014      E.       2.4;    Peter    Reetz/Stefanie     Theiler,   in:    Sutter-
Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Auflage, Zürich 2016, N 36 ff. zu Art. 311 ZPO;

                                                                              12 / 49
Benedikt Seiler, Die Berufung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung,
Basel 2011, S. 366 f.).

Vorliegend rügt der Ehemann, dass die eingereichte Berufungsschrift den
Anforderungen von Art. 311 Abs. 1 ZPO nicht genügt. Begründend führt er aus,
dass die Ehefrau sich nicht mit den Erwägungen der Vorinstanz
auseinandergesetzt habe und über weite Teile der Berufung die Ausführungen aus
der Stellungnahme vor der Vorinstanz kopiert habe (Berufungsantwort, N 7.).

Die Berufungsschrift enthält tatsächlich einige Abschnitte, welche bereits wörtlich
vor der Vorinstanz vorgebracht worden sind; abschnittsweise wird auch die
Begründung wiederholt. Insgesamt vermag die Berufungsschrift den
Anforderungen von Art. 311 Abs. 1 ZPO jedoch zu genügen, da die Begründung
stellenweise − im Vergleich zur vorinstanzlichen Argumentation − präzisiert wird
und inhaltlich in verschiedenen Punkten in Auseinandersetzung mit dem
vorinstanzlichen Entscheid neue Aspekte vorgebracht werden. Inwiefern dies auf
einzelne Stellen nicht zutrifft, ist im Folgenden jeweils gesondert zu beurteilen.

1.4. Mit der Berufung als vollkommenes Rechtsmittel kann gemäss Art. 310
ZPO die unrichtige Rechtsanwendung (lit. a), die unrichtige Feststellung des
Sachverhalts (lit. b) und – über den Wortlaut hinaus – die Unangemessenheit
geltend gemacht werden. Sind die Anforderungen an die Begründung erfüllt,
überprüft die Berufungsinstanz den angefochtenen Entscheid sowohl in rechtlicher
als auch in tatsächlicher Hinsicht frei. Sie verfügt über volle Kognition (Art. 310
ZPO) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO; Peter
Reetz/Stefanie Theiler, a.a.O., N 5 ff. zu Art. 310 ZPO). Nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung ist die Berufungsinstanz allerdings nicht gehalten, von sich aus
wie eine erstinstanzliche Gerichtsbehörde alle sich stellenden tatsächlichen und
rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn keine entsprechenden Rügen der
Parteien vor der zweiten Instanz vorliegen. Abgesehen von offensichtlichen
Mängeln hat sich die Berufungsinstanz grundsätzlich auf die Beurteilung der in der
Berufung und Berufungsantwort gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen
Beanstandungen zu beschränken. Die Rügen der Parteien geben mithin das
Prüfungsprogramm der Berufungsinstanz vor. In rechtlicher Hinsicht ist die
Berufungsinstanz bei dieser Prüfung jedoch weder an die Erwägungen der ersten
Instanz noch an die Argumente der Parteien gebunden. In tatsächlicher Hinsicht
ist sie nicht an die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, auch
wenn mangels entsprechender Sachverhaltsrügen der Parteien im
Berufungsverfahren der erstinstanzliche Entscheid nach dem Gesagten in der
Regel als Grundlage des Rechtsmittelverfahrens dient (BGE 144 III 394 E. 4.1.4;

                                                                              13 / 49
142 III 413 E. 2.2.4; Urteile des Bundesgerichts 4A_184/2017 vom 16. Mai 2017
E. 4.2.1 und 4A_397/2016 vom 30. November 2016 E. 3.1, je m.w.H). Im Ergebnis
besteht für die Berufungsinstanz eine Prüfungspflicht hinsichtlich der in der
Berufungsschrift (rechtsgenügend) geltend gemachten Mängel und ein
Prüfungsrecht bezüglich allfälliger anderer Mängel des angefochtenen Entscheids.

1.5. Das Novenrecht richtet sich im Berufungsverfahren grundsätzlich nach
Art. 317 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung werden neue Tatsachen und
Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden
(lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht
werden konnten (lit. b). In Verfahren, welche − wie das vorliegende (vgl.
nachfolgend E. 2.2) − der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime unterstehen,
ist nach neuster bundesgerichtlicher Rechtsprechung die strikte Anwendung von
Art. 317 Abs. 1 ZPO allerdings nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist es zuzulassen,
dass die Parteien im Berufungsverfahren Noven einreichen, auch wenn die
Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sind (vgl. BGE 144 III 349
E. 4.2.1 m.w.H. = Pra 2019 Nr. 88; Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden
ZK1 16 105 vom 17. September 2018 E. 2.2.2). Somit sind die von den Parteien
vorliegend neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich
zuzulassen und, sofern von Relevanz, zu berücksichtigen.

Ungeachtet vorstehender Ausführungen ist es den Parteien verwehrt, sowohl
echte als auch unechte Noven vorzubringen, wenn der Berufungsprozess
aufgrund der Spruchreife der Berufungssache in die Phase der Urteilsberatung
übergeht. Denn in der Phase der Urteilsberatung muss der Prozessstoff
abschliessend so fixiert sein, dass das Gericht die Berufungssache gestützt darauf
sorgfältig beraten und ein Urteil ausfällen kann. Die Phase der Urteilsberatung
beginnt mit dem Abschluss einer allfälligen Berufungsverhandlung (vgl. BGE 138
III 788 E. 4.2) oder aber mit der förmlichen Mitteilung des Berufungsgerichts, dass
es die Berufungssache für spruchreif halte und nunmehr zur Urteilsberatung
übergehe (BGE 142 III 413 E. 2.2.5 f.; BGE 138 III 788 E. 4.2). Vorliegend begann
die Beratungsphase mit der in der prozessleitenden Verfügung vom 27. April 2020
enthaltenen Feststellung der Vorsitzenden, dass der Schriftenwechsel
abgeschlossen sei und ein Entscheid aufgrund der Akten ergehen werde. Im
Zeitpunkt des Eingangs der Noveneingabe der Mutter vom 8. Mai 2020 waren die
Vorbereitungen für die Ausarbeitung eines Entscheidentwurfs im Sinne von Art. 23
der Verordnung über die Organisation des Kantonsgerichts (KGV; BR 173.100)
dementsprechend bereits im Gang. Die genannte Eingabe muss beim Entscheid
über die Berufung daher unberücksichtigt bleiben.

                                                                              14 / 49
2.1. Im Scheidungsverfahren trifft das Gericht die nötigen vorsorglichen
Massnahmen. Dabei sind die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz
der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 ZPO). Nach
Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB legt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten unter
anderem die Unterhaltsbeiträge an die Kinder fest; nach Art. 176 Abs. 3 ZGB trifft
das Gericht in Bezug auf minderjährige Kinder zudem auch die übrigen
notwendigen Massnahmen. Verändern sich die Verhältnisse vor dem
rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahren, kann die einmal getroffene
Regelung nach Massgabe von Art. 179 ZGB angepasst werden (Art. 276 Abs. 2
ZPO). Erforderlich ist in der Regel eine erhebliche und dauernde Veränderung,
wobei an die Dauerhaftigkeit angesichts der beschränkten Gültigkeitsdauer der
vorsorglichen Massnahmen keine allzu grossen Anforderungen zu stellen sind
(Marcel Leuenberger, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung,
Band II: Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 14 zu Art. 276 ZPO). Die Änderung
kann sich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, ihre berufliche oder
gesundheitliche Situation oder auf die Belange der unmündigen Kinder beziehen.
Erheblich ist die Änderung, wenn die Fortdauer der bisherigen Massnahme Treu
und Glauben widersprechen würde (vgl. dazu Bernhard Isenring/Martin A. Kessler,
in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 – 456
ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 3 zu Art. 179 ZGB). Vorsorgliche Massnahmen
bezwecken, in einem raschen Verfahren, ohne Anspruch auf abschliessende
Beurteilung,     eine     vorläufige     Friedensordnung     herzustellen.      Die
entscheidrelevanten tatsächlichen Verhältnisse sind dabei, bei freier
Beweiswürdigung, nicht strikt zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen
(vgl. etwa Marcel Leuenberger, a.a.O., N 1 u. 21 zu Art. 276 ZPO; Urteile des
Bundesgerichts 5A_1003/2014 vom 26. Mai 2015 E. 3 sowie 5A_555/2013 vom
29. Oktober 2013 E. 3.1). Es braucht somit nicht die volle Überzeugung des
Gerichts vom Vorhandensein dieser Tatsachen herbeigeführt zu werden, sondern
es genügt, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafürspricht, auch wenn das
Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben
könnten. Demnach darf das Gericht weder blosse Behauptungen genügen lassen
noch einen stichhaltigen Beweis verlangen (BGE 130 III 321 E. 3.3, BGE 120 II
393 E. 4c).

2.2. In     formeller  Hinsicht  ist  für  vorsorgliche   Massnahmen       im
Ehescheidungsverfahren das summarische Verfahren anwendbar, unter Vorbehalt
von Art. 272 ZPO und Art. 273 ZPO (Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 271 lit. a
ZPO; Marcel Leuenberger, a.a.O., N 21 Anh. ZPO Art. 276). Nach Art. 272 ZPO
stellt das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Diese sogenannte

                                                                              15 / 49
soziale oder eingeschränkte Untersuchungsmaxime verpflichtet das Gericht nicht
zur eigentlichen Erforschung des Sachverhalts. Demgegenüber gilt nach Art. 296
Abs. 1 ZPO die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime, soweit in
familienrechtlichen Angelegenheiten Kinderbelange betroffen sind. Das Gericht
hat in diesen Fällen den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen, bis über die
Tatsachen, die für die Beurteilung des strittigen Anspruchs erforderlich sind,
hinreichende Klarheit besteht. Die Geltung der (eingeschränkten oder vollen)
Untersuchungsmaxime ändert nichts an der Beweislast und enthebt die Parteien
nicht davon, an der Sammlung des Prozessstoffes mitzuwirken. Es obliegt ihnen,
dem Gericht die rechtserheblichen Tatsachen zu unterbreiten und es auf die
verfügbaren Beweismittel hinzuweisen (Urteil des Bundesgerichts 5A_645/2016
bzw. 5A_651/2016 vom 18. Mai 2017 E. 3.2.3 m.w.H.; BGE 125 III 231 E. 4a;
Thomas          Sutter-Somm/Yannick      Sean       Hostettler,    in    Sutter-
Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Auflage, Zürich 2016, N 8 ff. zu Art. 272 ZPO). In
Kinderbelangen nach Art. 296 Abs. 3 ZPO ist des Weiteren die Offizialmaxime
anwendbar, nach der das Gericht ohne Bindung an die Parteianträge entscheidet
(Rolf Vetterli, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band II:
Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 3 ff. Anh. ZPO Art. 272; Marcel Leuenberger,
a.a.O., N 21 Anh. ZPO Art. 276; Jonas Schweighauser, in: Schwenzer/Fankhauser
[Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band II: Anhänge, 3. Auflage, Bern 2017, N 37 f.
Anh. ZPO Art. 296).

Die Untersuchungs- und die Offizialmaxime gelangen in Kinderbelangen in allen
familienrechtlichen Verfahren, in allen Verfahrensstadien und vor allen kantonalen
Instanzen, mithin auch im kantonalen Rechtsmittelverfahren, als allgemeine
Grundsätze zur Anwendung (BGE 137 III 617 E. 4.5.2; Jonas Schweighauser,
a.a.O., N 3, 6, 11 u. 13 Anh. ZPO Art. 296). Da im vorliegenden
familienrechtlichen Verfahren einzig Kinderbelange strittig sind, sind die
uneingeschränkte Untersuchungsmaxime und die Offizialmaxime anwendbar.

3.    Die Vorinstanz bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine
Abänderung des Massnahmeentscheids vom 15. Juni 2018 und stellte
C.________ und D.________ im angefochtenen Entscheid vom 5. Juni 2019 unter
die alleinige Obhut des Vaters. Gleichzeitig regelte die Vorinstanz das
Kontaktrecht und die Unterhaltspflicht der Ehefrau, und errichtete für D.________
eine Beistandschaft mit besonderen Befugnissen.

Im vorliegenden Berufungsverfahren stellt die Mutter verschiedene umfassende
Berufungsbegehren, welche inhaltlich teilweise den Wortlaut des vorinstanzlichen

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Dispositivs übernehmen und inhaltlich übereinstimmend sind. So beantragt sie
beispielsweise die Obhutszuteilung über C.________ an seinen Vater, obwohl
diese bereits im erstinstanzlichen Entscheid dem Vater zugesprochen worden ist.
Seitens des Berufungsbeklagten wird daher beantragt, auf die Berufung sei
insoweit nicht einzutreten, da an einer Beurteilung der betreffenden Punkte kein
Rechtsschutzinteresse bestehe. Rechtsbegehren sind im Lichte der Begründung
auszulegen (BGE 137 III 617 E. 4.2 ff. m.w.H.). Aus der Begründung der Berufung
geht hervor, dass die Mutter nur die Zuweisung der faktischen Obhut über
D.________ an sie, die Regelung des Besuchs- und Ferienrechts des Ehemanns
und eine Neufestsetzung der Unterhaltspflichten verlangt. Zusätzlich beantragt sie
die Verlegung der vorinstanzlichen Gerichtskosten zulasten des Ehemannes. Das
vorliegenden Verfahren ist damit auf diese Fragen zu beschränken. Die
Obhutszuteilung für C.________ und die gemeinsame elterliche Sorge bilden
hingegen genauso wenig Gegenstand der Berufung wie der Wegfall der
väterlichen Verpflichtung zur Bezahlung der im Entscheid vom 15. Juni 2018
festgesetzten Unterhaltsbeiträge für die Zeit, in welcher die Verantwortung für die
Betreuung der Kinder bei ihm lag. Dass diese Punkte dennoch in die
Berufungsbegehren aufgenommen wurden, ist einzig darauf zurückzuführen, dass
sich die nach Auffassung der Mutter zu ändernden Dispositivziffern des
angefochtenen Entscheides jeweils auf beide Kinder beziehen. Ein (teilweiser)
Nichteintretensentscheid hat deswegen nicht zu ergehen.

4.    Hauptstreitpunkt unter den Parteien bildet die Frage nach der Zuteilung der
Obhut über die Tochter D.________.

4.1. Können sich die Eltern nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes
nicht auf ein Betreuungsmodell einigen, kann das Gericht in einem Scheidungs-
oder Eheschutzverfahren eine Regelung der alleinigen oder alternierenden Obhut
vornehmen (vgl. Art. 176 Abs. 3 und Art. 298 Abs. 2 ZGB). Unter der Herrschaft
des alten Rechts war das "Obhutsrecht" Bestandteil des elterlichen Sorgerechts.
"Obhut" im Rechtssinne bedeutete das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes und
die Modalitäten seiner Betreuung zu bestimmen. Im neuen Recht umfasst die
elterliche Sorge auch das "Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen"
(s. Art. 301a Abs. 1 ZGB). Die Bedeutung der "Obhut" reduziert sich – losgelöst
vom Sorgerecht – auf die "faktische Obhut", das heisst auf die Befugnis zur
täglichen Betreuung des Kindes und auf die Ausübung der Rechte und Pflichten
im Zusammenhang mit seiner Pflege und laufenden Erziehung (BGE 142 III 612
E. 4.1 und 142 III 617 E. 3.2.2., jeweils m.w.H.; Heinz Hausheer/Thomas
Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen

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Zivilgesetzbuches, 6. Auflage, Bern 2018, N 17.100; Ingeborg Schwenzer/Michelle
Cottier, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I,
Art. 1 – 456 ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 6 zu Art. 296 ZGB). Das
Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst im Sinne der bisherigen "rechtlichen Obhut"
das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes und die Art der Betreuung zu
bestimmen, unter Einschluss des Rechts, die (faktische) Obhut selbst auszuüben,
das Kind Dritten anzuvertrauen, es wieder zurückzuholen, dessen Beziehungen zu
überwachen und über seine Erziehung zu entscheiden. Bei gemeinsamer
elterlicher Sorge steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern zu, auch
wenn das Kind unter der Obhut nur eines Elternteils steht (vgl. Ingeborg
Schwenzer/Michelle Cottier, a.a.O., N 6a zu Art. 296 ZGB).

Trotz der genannten Änderungen bleiben die von der Rechtsprechung unter dem
bisherigen Recht entwickelten Kriterien zur Obhutszuteilung auch unter dem
neuen Recht anwendbar. Leitprinzip ist das Kindeswohl, welches den Interessen
der Eltern vorgeht. Einbezogen werden müssen zunächst die bestehenden
Bindungen des Kindes zu den Elternteilen und die Erziehungsfähigkeit der Eltern.
Dazu kommen ihre Eignung und Bereitschaft, sich persönlich um die Kinder zu
kümmern und sich mit ihnen zu beschäftigen, sowie die Kooperationsbereitschaft
und die Bereitschaft, insbesondere die Beziehung zum anderen Elternteil
zuzulassen. Das Konfliktverhalten der Eltern kann deren Erziehungsfähigkeit und
Betreuungsfähigkeit beeinträchtigen. Es ist diejenige Lösung zu wählen, welche
unter Berücksichtigung der gesamten Umstände dem Kind die notwendige
Stabilität der Beziehungen gewährleistet, die es zur optimalen Entwicklung und
Entfaltung benötigt. Geschwister sollen nach Möglichkeit nicht getrennt werden.
Bei unterschiedlichen Bedürfnissen, emotionalen Bindungen und Wünschen der
Kinder und der Erziehungsfähigkeit beider Eltern steht aber einer separaten
Obhutszuteilung nichts im Weg (vgl. Ingeborg Schwenzer/Michelle Cottier, a.a.O.,
N 5 zu Art. 298 ZGB mit zahlreichen Hinweisen, u.a. auf BGE 136 I 175 E. 5.3.
und Urteil des Bundesgerichts 5A_976/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.3).

Die für die Regelung der Obhut massgeblichen Umstände können sich ihrer Natur
nach im Verlaufe der Zeit derart verändern, dass eine Anpassung der einmal
getroffenen Ordnung notwendig wird. Das Gesetz sieht dementsprechend die
Möglichkeit einer Abänderung zufolge veränderter Verhältnisse sowohl für die in
einem Scheidungsurteil enthaltene Regelung (Art. 134 ZGB) als auch für eine
eheschutzrichterliche resp. als vorsorgliche Massnahme ergangene Anordnung
(Art. 179) ausdrücklich vor. Ob die eingetretene Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse eine Anpassung der gerichtlichen Regelung rechtfertigt, beurteilt sich

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wiederum aus der Perspektive des Kindeswohls. Namentlich ist bei einer
beantragten Obhutsänderung zu beachten, dass die Stabilität der Verhältnisse für
eine harmonische Entwicklung der Kinder von erheblicher Bedeutung sein kann
(Bernhard Isenring/ Martin A. Kessler, a.a.O., N 5 zu Art. 179 ZGB). Droht
indessen die Beibehaltung der geltenden Regelung das Wohl des Kindes ernsthaft
zu gefährden respektive würde die aktuelle Regelung dem Kind mehr schaden als
der Verlust an Kontinuität in der Erziehung und den Lebensumständen, der mit der
Änderung einhergeht, sind die Voraussetzungen für eine Anpassung der
bestehenden Regelung jedenfalls gegeben. Zu beachten ist schliesslich, dass eine
einvernehmlich erfolgte und über eine relevante Zeitdauer praktizierte Änderung in
einem nachfolgenden Abänderungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des
Kindeswohls faktisch präjudizierende Wirkung entfalten kann (vgl. Christiana
Fountoulakis/Peter Breitschmid, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 – 456 ZGB, 6. Auflage, Basel 2018, N 3 f. zu
Art. 134 ZGB).

4.2     Im vorliegenden Fall wies der Vorderrichter die Obhut über beide Kinder –
in Abänderung des Entscheides vom 15. Juni 2018 und in Bestätigung seiner
superprovisorischen Anordnung vom 20. März 2019 – dem Vater zu. Mit Bezug
auf C.________ erwog er, dass sich die Parteien einig seien, dass die Obhut dem
Vater alleine zuzuteilen sei und auch das Kindeswohl keine Anzeichen dafür
liefere, dass die Obhut von C.________ anders geregelt werden müsste. Was
D.________ anbelangt, kam er ebenfalls zum Schluss, dass das Kindeswohl mit
einer Obhut des Vaters am besten gewahrt sei. D.________ habe sich in
H.________ bei ihrem Vater gut eingelebt; es seien keine überzeugenden Gründe
für einen erneuten Obhutswechsel ersichtlich. Vielmehr ergebe sich aus den
Äusserungen von D.________, dass sie sich mit der Situation in H.________
abgefunden habe und selbst keinen Wohnortswechsel zu ihrer Mutter wünsche.
Nicht in Frage stehe schliesslich die Erziehungsfähigkeit des Vaters und auch
dessen Wille, beide Kinder in seine Obhut zu nehmen. Dies habe er gezeigt,
indem er beide Kinder jeweils umgehend aufgenommen habe (E. 3.6, S. 17 f., des
angefochtenen Entscheids). Die Ehefrau auf der anderen Seite habe mit ihrem
Verhalten erst Anlass zum vorliegenden Änderungsverfahren gegeben, indem sie
am 10. Oktober 2018 zuerst C.________, und am 25. Januar 2019 dann auch
D.________ an den Ehemann und Vater abgegeben habe (E. 3.4, S. 16 f., des
angefochtenen Entscheids). Die Begründung der Ehefrau, weshalb D.________
nun wieder in ihre Obhut gestellt werden solle, sei nicht stichhaltig. So überzeuge
der Hinweis auf die Fremdbetreuung durch G.________ und das Nani (Schwester
und Mutter der Ehefrau) schon deshalb nicht, weil sie dies offensichtlich nur in

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Bezug auf D.________, nicht jedoch auf C.________, als problematisch empfinde.
Zu wenig glaubhaft gemacht sei ferner, dass D.________ vor ihrem Bruder
geschützt werden müsste, zumal weder die Auskünfte der Lehrpersonen noch die
Aussagen der Zeugin G.________ solches nahelegen würden. Die durch die
Mutter vorgeschlagene und als fair bezeichnete Lösung, bei welcher jeder
Ehegatte ein Kind in Obhut bekomme, entspreche schliesslich nicht dem
Kindeswohl, sondern sei auf die Interessen der Eltern ausgerichtet. Aufgrund
dieser Umstände sei auch D.________ unter die Obhut des Vaters zu stellen (E.
3.6, S. 18, des angefochtenen Entscheids). Abschliessend wies die Vorinstanz
den Vater darauf hin, dass mit der Übernahme der Obhut auch die Pflicht
einhergehe, für die Kinder zu sorgen und sie persönlich zu betreuen.
Nachvollziehbar sei, dass es ihm aufgrund seiner 100%-igen Erwerbstätigkeit in
L.________ nicht möglich sei, die Kinder unter der Woche alleine zu betreuen. Es
sei daher auch eine den Kindern willkommene Lösung, wenn die Tante
G.________ und das Nani einspringen würden. Indessen müsste es dem Vater
zumutbar sein, abends bei den Kindern vorbeizuschauen und sie wenn möglich
auch unter der Woche über Nacht und an den Wochenenden zu sich zu nehmen
(E. 3.7, S. 18 f., des angefochtenen Entscheids).

4.3. Die Mutter macht in ihrer Berufungsschrift verschiedene falsche
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz geltend. So widerspricht sie
insbesondere der Feststellung der Vorinstanz, dass D.________ in H.________
Stabilität und Ruhe gefunden habe (Berufung, Ziff. 5.4.). Es sei erwiesen, dass
C.________ nach wie vor zu aggressivem Verhalten neige. Die Klassenlehrerin
habe bestätigt, dass sich D.________ bei ihr zweimal besorgt über einen
Ausraster ihres Bruders gezeigt habe. D.________ sei in H.________ der Gefahr
ausgesetzt, von ihrem Bruder C.________ tätlich angegangen zu werden
(Berufung, Ziff. 5.1., 5.2., 5.4.1.). Weiter legt die Ehefrau dar, dass sie durch die
Grossmutter und die Tante von D.________ ständig schlechtgemacht werde, und
führt einen Vorfall an, bei welchem die Tante D.________ das Schicken einer
Muttertagskarte verboten habe (Berufung, Ziff. 5.3., 5.4.2.). Durch diese negative
Beeinflussung gehe die Mutter als Bindungs- und Bezugsperson völlig verloren.
Eine solche Bindungsintoleranz zur eigenen Mutter könne so weit führen, dass
das Mädchen sich später nicht selbst akzeptieren könne (Berufung, Ziff. 5.4.1.).
Die Beeinflussung durch G.________ habe sich auch an der zweiten
Kindsanhörung am 13. Mai 2019 gezeigt. Aufgrund der Antworten von
D.________ sei nämlich davon auszugehen, dass D.________ auf die Fragen
vorbereitet worden sei; es sei unwahrscheinlich, dass ein neunjähriges Kind die
Frage betreffend Häufigkeit der Besuche mit "jedes dritte Wochenende"

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beantworte. Deshalb sei nicht auf die zweite Kindesanhörung vom 13. Mai 2019,
sondern alleine auf die erste Anhörung am 23. Januar 2019 abzustellen. Dort
habe sich D.________ so geäussert, dass sie bei der Mutter leben wolle
(Berufung, Ziff. 5.4.2., 5.4.3.). D.________ fühle sich bei ihr wohl. Als
Primarlehrerin biete sie auch die besten Voraussetzungen, um sich um ihr Kind zu
kümmern. Darüber hinaus sei D.________ in J.________ vielen Freizeitaktivitäten
nachgegangen, und habe dort viele Freunde und Freundinnen gefunden
(Berufung, Ziff. 5.4.3., 5.4.5).

Ihren plötzlichen Verzicht auf die Obhut und das Sorgerecht von D.________ am
25. Januar 2019 begründet die Ehefrau damit, dass sie D.________ im Interesse
des Kindeswohls zum Ehemann gelassen habe, da die Besuchsregelung ständig
zu Auseinandersetzungen geführt hätte. Darunter habe D.________ sehr gelitten.
Auch deshalb, weil die Grossmutter und die Tante von D.________ offenbar
ständig schlecht über ihre Mutter gesprochen hätten. Dass die Besuchsregelung
Probleme für D.________ verursache, habe offensichtlich auch die Vorinstanz so
gesehen. Deshalb habe diese es als angebracht erachtet, eine Beistandschaft zu
errichten (Berufung, Ziff. 5.3.).

Schliesslich beruft sich die Ehefrau in rechtlicher Hinsicht auf den Grundsatz,
wonach grundschulpflichtige Kinder in die Obhut desjenigen Elternteils zu geben
seien, welcher die Möglichkeit zur persönlichen Betreuung biete. Eine persönliche
Betreuung gehe einer Fremdbetreuung vor (Berufung, Ziff. 5.5.). Vorliegend
würden C.________ und D.________ durch G.________ fremdbetreut, da die
Kinder bei ihr schlafen, essen und die Freizeit verbringen würden. Der Vater
wiederum zeige sich offensichtlich nicht bereit, sein eigenes Leben so zu
gestalten, dass er die faktische Obhut auch tatsächlich ausüben würde. Nicht
einmal an den Wochenenden wolle er die Kinderbetreuung voll übernehmen
(Berufung, Ziff. 5.5.1., 5.5.2.). Aus diesem Grunde sei die Obhut über D.________
ihr zuzuweisen, da sie die persönliche Betreuung übernehmen würde (5.5.3.).
Dies könne sie aufgrund seines aggressiven Verhaltens jedoch nicht für
C.________ gewährleisten. Deshalb gehe die vorinstanzliche Begründung, dass
sie offenbar nur eine Fremdbetreuung von D.________ als inakzeptabel empfinde,
ins Leere. Sie wünsche sich, dass C.________ von seinem Vater betreut werde
(5.5.4.).

4.4. Der Ehemann und Vater bestreitet in der Berufungsantwort die
Ausführungen der Ehefrau vollständig. Im Wesentlichen bringt er vor, dass die
Vorinstanz angesichts der Situation, der Beweislage und des Verhaltens der
Parteien richtigerweise zum Schluss gelangt sei, dass die beiden Kinder unter

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