Vektorbedingte Infektionskrankheiten - Neue Herausforderungen durch den Klimawandel - Pädiatrische Allergologie
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Pädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“ 9
TOPIC
Vektorbedingte Infektionskrankheiten
Neue Herausforderungen durch den Klimawandel
Ignaz Schmidt, Kreuzau
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Einfluss des Klimawandels auf das mögliche neue Auftreten und die Ausbreitung von
vektorübertragenen Infektionskrankheiten in Deutschland und Europa. Hinsichtlich detaillierter Symptomatik, Diagnostik und Therapie
der nachfolgend erwähnten Infektionskrankheiten verweisen wir auf die einschlägige Literatur.
Klimaveränderungen:
Effekte auf Vektoren
und Krankheitserreger
Durch Vektoren bedingte Infektions-
krankheiten (VBD) sind Krankheiten, bei
denen die Erreger vornehmlich mittels
Insekten und Spinnen, zu denen Zecken
gehören, als sogenannte Vektoren auf
den Menschen übertragen werden. Das
Erregerreservoir können Tiere oder aber
auch der Mensch selbst sein.
Die beiden wichtigsten Klimafaktoren,
die einen Effekt auf VBD haben, sind
Temperatur und Niederschlag. Tempera-
tureffekte auf Vektoren bewirken spezi-
esabhängig eine Ab- oder Zunahme der
Überlebensfähigkeit sowie Veränderun- Habitate zerstören, aber auch zu einer übertragenen Krankheiten werden als
gen des Populationswachstums, der An- Synchronisation von Wirtssuche und mosquito-borne-disease (MBD) und tick-
fälligkeit von Vektoren gegenüber Krank- Virustransmission führen kann. Eine born-disease (TBD) bezeichnet.
heitserregern sowie Veränderungen im Abnahme der Regenmenge kann Flüsse
Nahrungsverhalten und Wirtkontakt. in stehende Gewässer verwandeln und Im Weiteren werden ausgehend von der
Temperatureffekte auf Krankheitserre- auch zu neuen Habitaten in vermehrten Ausbreitungsdynamik der Vektoren die
ger zeigen sich in einer verkürzten Inku- Wassersammelbehältern führen (Mü- wichtigsten MBD und TBD betrachtet,
bationsperiode im Vektor bei höheren cken). und deren Vorkommen in Europa und
Temperaturen, einer verkürzten Replika- Deutschland aufgezeigt.
tionsdauer sowie einer Veränderung der Über den Einfluss der Niederschlags-
Transmissionssaison [7]. menge auf die Krankheitserreger liegen Von Mücken übertragbare
keine zuverlässigen Daten vor [7]. Infektionskrankheiten
Die Niederschlagseffekte auf Vekto-
ren sind mannigfaltig und häufig auch Die beiden Vektorengruppen, die in Euro- Aedes albopictus
gegensätzlich. So vermehrt eine höhe- pa für zukünftige neue Infektionskrank- (asiatische Tigermücke)
re Niederschlagsmenge die Habitate heiten die größte Bedeutung haben, sind Aedes albopictus, neben Aedes aegypti
der Larven, wohingegen Starkregen Mücken und Zecken [9]. Die von ihnen ein sekundärer Dengue-Vektor in Asien,
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hat sich in mehr als 32 Staaten in den fische Verbreitung ist hauptsächlich auf zeigt die ausgeprägte Dynamik der Aus-
USA und in mehr als 25 Ländern in der seine Toleranz gegenüber kälteren Be- breitung von Aedes albopictus von 2011
Europäischen Region verbreitet, haupt- dingungen im Ei- und adulten Stadium bis 2020. In Anbetracht der basierend
sächlich aufgrund des internationalen gegründet [11, 16]. auf Modellrechnungen des Weltklima-
Handels mit gebrauchten Reifen (einem rats zu erwartenden Klimaerwärmung
Brut
lebensraum) und anderen Gütern, Aedes albopictus hat sich in Deutsch- ist bis zum Jahr 2050 mit einer Ausbrei-
wie z. B. Bambus [20]. Aedes albopictus land hauptsächlich im Oberrheingraben tung bis in den Norden Europas zu rech-
ist sehr anpassungsfähig. Seine geogra- und Thüringen etabliert [1]. Abbildung 1 nen.
Abbildung 1. Verbreitung von Aedes albopictus 2011, 2020 sowie laut Prognosen für 2050
Legende
Etabliert
Eingeführt
Nicht anwesend
Keine Daten
Unbekannt
Außerhalb der Reichweite
Verbreitung von Aedes albopictus 2011 und 2020 in Europa (oben), Mögliche zukünftige Verbreitung von Aedes albopictus unter Zugrundelegung der Klima
modelle des Weltklimarats (unten) (2019).
Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control. An agency of the European Union
Pädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“ 11
Dengue-Fieber und Chikungunya sind schmerzen, die oft monatelang persis- 2013 konnte eine Arbeitsgruppe des
zwei tropische Infektionskrankheiten, die tieren können. Im Gegensatz zum Den- Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenme-
von A. albopictus übertragen werden kön- gue-Fieber verläuft die Erkrankung aber dizin in Hamburg (BNITM) jedoch zeigen,
nen und auch in Europa zunehmend rele- selten tödlich. Es wird jedoch über oph dass es in süddeutschen Regionen, in
vant werden. Der Erreger des Dengue-Fie- thalmologische, neurologische und kar- denen sich das Vorkommen aller 3 Bio-
bers ist wie das Gelbfiebervirus, das FS- diologische Komplikationen berichtet. typen überschneidet, zur Entwicklung
ME-Virus oder das West-Nil-Fieber-Virus Im Jahr 2014 war Europa mit fast 1500 von Hybriden kommt, die sowohl Vögel
ein Flavivirus, wobei 4 Serotypen unter- importierten Fällen mit der bisher höchs- als auch Säuger stechen. Somit könnten
schieden werden können. Dengue-Fieber ten Chikungunya-Belastung konfrontiert, diese Hybride als Brückenvektoren für
ist eine schwere grippeähnliche Krank- wobei Frankreich und Großbritannien am WNV fungieren [17]. Das West-Nil-Fieber
heit, die Menschen jeden Alters betrifft stärksten betroffen waren. Frankreich verläuft in ca. 80 % der Fälle asympto-
und aufgrund massiver Gefäßpermea- bestätigte außerdem erstmals 12 Fälle matisch. Die symptomatischen Fälle be-
bilitätsstörungen zum Tod führen kann. einer autochthon erworbenen Chikun- ginne abrupt mit grippeähnlichen Symp-
Dies ist fast ausschließlich der Fall, wenn gunya-Infektion im Süden des Landes. tomen. Rund 1 % der Infizierten erleiden
bereits vorher der Kontakt zu einem der 3 Im Jahr 2017 meldete das Europäische einen neuroinvasiven Verlauf, wobei die
anderen Serotypen stattgefunden hat. Zentrum für Krankheitsprävention und Letalität bis zu 10 % beträgt.
-kontrolle in Schweden (European Cen-
Durch die Ausbreitung des Dengue-Fie- tre for Disease Prevention and Control Seit 2010 kommt es in Südost- und
bers auf neue Gebiete einschließlich = ECDC) insgesamt 10 Länder in Europa Süd
europa zunehmend zu regionalen
Europa nimmt nicht nur die Zahl der mit 548 autochthon erworbenen Chikun- West-Nil-Fieber-Ausbrüchen. Einen Hö-
Fälle zu, sondern es kommt auch immer gunya-Fällen. Italien trug mehr als 50 % hepunkt erreichte die Dynamik 2018 mit
wieder zu explosiven Ausbrüchen. Auch der Chikungunya-Last. Zum ersten Mal EU-weit 2083 Fällen, von denen 181 letal
in Europa besteht jederzeit die Gefahr seit 2014 wurden in Europa (Frankreich verliefen, was einer Letalitätsrate von
eines Dengue-Ausbruchs. In Frankreich und Italien) erneut autochthone Fälle ge- 8,7 % entspricht [5]. Wie aus Abbildung
und Kroatien wurde 2010 erstmals eine meldet [19]. 2 ersichtlich, übertraf die Fallzahl somit
lokale Übertragung gemeldet [2]. Im Jahr die Summe aller Fälle aus den Jahren
2012 führte ein Dengue-Ausbruch auf der Seitdem treten jedes Jahr (außer 2018) 2014 bis 2017.
portugiesischen Insel Madeira zu über in beiden Ländern lokal übertragene
2000 Fällen [3]. Seit 2018 wurden jährlich Chikungunya-Infektionen auf, 2019 erst- 2019 wurden die ersten 5 autochthonen
jeweils mehrere autochthon, das heißt lo- mals auch in Spanien, wobei es sich um von Mücken übertragenen Fälle in 3 Re-
kal, übertragene Fälle in Frankreich und 3 isländische Touristen handelte [12]. gionen Ostdeutschlands gemeldet. 2020
Spanien gemeldet [2]. wurden bis Mitte November weitere 13
Stechmücken (Culex-Spezies) Fälle registriert. Es waren 5 weitere ost-
Im August 2020 erkrankte erstmals in Spezies der Stechmücke Culex sind in deutsche Landkreise erstmals betroffen
Italien (Venetien) ein 54-jähriger Mann Europa und Deutschland ubiquitär ver- [15].
an einer lokal erworbenen Dengue-Infek- breitet.
tion. Als Primärfall konnte ein Reiserück- „Offenbar haben die durch den Klima-
kehrer aus Indonesien ermittelt werden. Culex pipiens pipiens (Cpp.), mit ihren wandel bedingten ungewöhnlich warmen
Insgesamt wurden bis November 2020 in Biotypen pipiens und molestus, sowie Sommer der letzten beiden Jahre dazu
der Region Venetien 10 autochthone Fäl- Culex torrentium gelten in Europa als beigetragen, dass sich das WNF nörd-
le gemeldet [4]. Hauptüberträger für das West-Nil-Virus lich der Alpen etabliert hat“, sagte Jonas
(WNV). Diese Biotypen verhalten sich Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiag-
2007 verzeichnete Italien – und damit normalerweise äußerst wirtsspezifisch, nostik am Bernard-Nocht-Institut, Ham-
erstmals ein europäisches Land – einen das heißt Cpp. pipiens und Culex torren- burg [22].
Ausbruch mit ca. 200 Chikungunya-Fäl- tium stechen vornehmlich Vögel, das
len [19]. Auslöser ist ein Virus aus der wichtigste Erregerreservoir für das WNV, Sandmücken (Phlebotominae)
Familie der Togaviren. Charakteristisch Cpp. molestus sind hingegen Säugetiere Die verschiedenen Gattungen der Sand-
sind starke Muskel-, Gelenk- und Kopf- und somit auch den Menschen. mücken gehören zur übergeordneten
12 Pädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“
gen für die Ausbreitung der Sandmücke
Abbildung 2. Häufigkeit und Verbreitung des West-Nil-Fiebers erwartet [6].
350
Der wichtigste von Sandmücken übertra-
325
gene Erreger, der zukünftig auch in nördli-
300
275
cheren Breiten zunehmend eine Rolle spie-
250
len wird, ist der Parasit Leishmania infan-
tum, Auslöser der Viszeralen Leishmanio-
Number of WNV infections
225
200
se (VL). Die Erkrankung ist gekennzeichnet
175
durch unregelmäßige Fieberanfälle, erheb-
150 lichen Gewichtsverlust, Hepatospleno-
125 megalie sowie schwere Anämie. Wenn VL
100 nicht behandelt wird, kann die Todesrate
75 innerhalb von 2 Jahren bis zu 100 % betra-
50 gen. Am häufigsten betroffen sind Kinder.
25
0 Mücke und Parasit haben sich beide ge-
1 6 11 16 21 26 31 36 41 46 51
meinsam südlich von 45° nördlicher Breite
Week of notification*
und unterhalb von 800 Höhenmetern etab-
liert. Aufgrund der Ausbreitung der Sand-
* Week of notification to national authorities of if missing, week of notification to ECDC.
mücken nach Norden und der Einfuhr von
mit L. infantum infizierten Hunden werden
wahrscheinlich neue Infektionsherde in
nördlichen Gebieten entstehen.
In Deutschland treten jedes Jahr autoch-
thone Infektionen mit L. infantum auf, die
jedoch überwiegend Hunde betreffen.
Über eine sicher autochthon erworbene
Leishmaniose bei einem Kleinkind wurde
2014 von Naucke et al. berichtet [13].
Gemeldete autochthone WNF-Fälle 2014 bis 2018 (oben), Verbreitung von WNF in Europa von 2011 bis
2019 (unten).
Laut Vorhersagen der ECDC (European
Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control. An agency of the European Union Centre for Disease Prevention and Cont-
rol) könnten ab 2025 möglicherweise P.
Gruppe der Schmetterlingsmücken (Psy- Die Stechaktivität der Sandmücken ist mascitti und P. perniciosus Leishmania in-
chodidae). Obwohl die Auswirkungen streng saisonal auf die Sommermonate fantum sogar in England transmittieren.
von durch Sandmücken übertragenen begrenzt. Sandmücken treten erstmals
Infektionen auf die öffentliche Gesund- im Jahr in Erscheinung, wenn 3-mal Von Zecken übertragbare
heit in Ländern an der Süd- und Ostküs- hintereinander nachts die Temperatur Infektionskrankheiten
te des Mittelmeers am größten sind, nicht < 20°C fällt, was im Mittelmeer-
sind sie auch in Europa ein aufkom- raum meist ab Ende Mai der Fall ist. Die Gemeiner Holzbock (Ixodes ricinus)
mendes Problem im Zusammenhang Verbreitungsgrenze der Sandmücke, die Der Klimawandel hat auch auf die bei
mit der globalen Erwärmung und dem der 10°C-Jahresisotherme entspricht, uns etablierten zeckenbürtigen Infek
gesellschaftlichen Verhalten − vor allem verschiebt sich langsam nach Norden. tionskrankheiten Frühsommer-Meningo
Urlaubs- und Geschäftsreisen −, das die Ausgehend von den IPCC-Szenarien wer- enzephalitis (FSME) und Borreliose Aus-
Verteilung und Häufigkeit von Vektoren den in den nächsten Jahrzehnten noch wirkungen. Beide Erkrankungen werden
beeinflusst. deutlich bessere klimatische Bedingun- durch Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock)Pädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“ 13
übertragen. Dieser Vektor ist ubiquitär in
Europa bis nach Skandinavien verbrei- Abbildung 3. Bestätigte FSME-Fälle
tet. Insbesondere bei der FSME führt die
zunehmende Erwärmung zu einer lang-
samen Ausbreitung nach Norden. Jedes
Jahr werden in Deutschland vom RKI
neue Landkreise als Risikogebiete dekla-
riert [14]. Eine slowakische Studie konnte
zeigen, dass sich FSME auch in höheren
Lagen ausbreiten wird [10].
In Europa divergieren die Infektionszah-
len erheblich mit Inzidenzwerten zwi-
schen < 1 und > 10 pro 100.000. Haupt-
sächlich betroffen sind Zentral- und
Osteuropa, sowie insbesondere das Bal-
tikum und Skandinavien (Abb. 3).
Im Baltikum und an der finnischen Küste
kommt es zudem zu einer zunehmenden
Einwanderung der sibirischen und fern
östlichen Subtypen, die von Ixodes per-
sulcatus übertragen werden und deut-
Source: Country reports from Austria, Belgium, Bulgaria, Croatia, Czechia, Estonia, Finland, France, Germany, Greece, Hungary,
lich virulenter und aggressiver sind. Ireland, Italy, Latvia, Lithuania, Luxembourg, the Netherlands, Norway, Poland, Romania, Slovakia, Slovenia, Spain, Sweden and
the United Kingdom
Länderbezogene Inzidenzen von bestätigten FSME-Fällen in der EU/European economic Area (EAA); 2019.
Auch die Inzidenzen der Borreliose wer-
den zunehmen, da sich die Aktivitäts Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control. An agency of the European Union
saison von Ixodes ricinus weiter verlän-
gern wird. lich von Zugvögeln eingeschleppt. 2019 versagen. Die Sterblichkeitsrate liegt
wurde Hyalomma marginatum in Mittel- bei ca. 30 %.
Jagdzecken und Norddeutschland jedoch so früh im
(Hyalomma marginatum) Jahr gefunden, dass es sicher ist, dass CCHF ist endemisch verbreitet in Afrika,
Die Hyalomma-Zecke ist zwei- bis dreimal diese Zecken hier auch überwintert ha- dem Nahen Osten, auf dem Balkan sowie
so groß wie ihre europäischen Verwand- ben [18]. in asiatischen Ländern südlich des 50.
ten und hat auffällig gestreifte Beine. An- Breitengrades. Das Auftreten von CCHF
ders als europäische Zecken jagt die Hya- Hyalomma marginatum ist der Haupt- scheint eng an die Verbreitungsgebiete
lomma-Zecke aktiv und kann Warmblüter vektor für das Krim-Kongo-Hämorrha- von Hyalomma marginatum gebunden zu
über mehrere hundert Meter verfolgen. gische-Fieber (CCHF = Crimean-Congo sein, da diese im Infektionszyklus Wirt-
hemorrhagic fever). Nach einer Inkuba- Vektor-Wirt eine herausragende Rolle
Als nördliche Grenze für die Ausbreitung tionszeit von durchschnittlich 9 Tagen spielt. Die Zecken sind in diesem Zyk-
von Hyalomma marginatum galt bis vor beginnt die Erkrankung mit Fieber, Licht- lus sowohl Vektoren als auch Reservoir,
wenigen Jahren der 50. Breitengrad, auf empfindlichkeit und starken Schmer- während die Säugetiere ausschließlich
welchem in Deutschland die mittelrhei- zen, häufig gefolgt von neurologischen als Verstärkerwirte dienen. Der Mensch
nische Stadt Mainz liegt. 2018 wiesen und psychischen Symptomen, wie ist ein Fehlwirt [21].
Forscher der Universität Hohenheim Stimmungsschwankungen, Depressio-
erstmals Tiere der Gattung Hyalomma in nen, Verwirrung und Schläfrigkeit. Bei Das CCHF-Virus konnte in den Hyalomma
größerer Menge auch in Norddeutsch- schwerem Verlauf kommt es meist nach marginatum-Funden in Deutschland bis-
land nach. Sie wurden bislang vermut- dem 5. Krankheitstag zum Multiorgan- her noch nicht nachgewiesen werden.14 Pädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“
Zusammenfassung Hinsichtlich der zukünftigen Dynamik potenzielle Krankheitserreger vermehrt
des Auftretens von vektorbedingten In- importiert werden. Sämtliche Progno-
In Europa und Deutschland ist in den fektionskrankheiten lassen sich jedoch sen lassen leider vermuten, dass nach
nächsten Jahrzehnten mit dem Auftreten nur sehr ungenaue Aussagen treffen, da Beherrschung der Corona-Pandemie der
neuer Infektionen zu rechnen, die bisher die klimatischen Effekte sehr komplex weltweite Personen- und Warenverkehr
überwiegend aus tropischen Regionen sind. Die Etablierung und weitere Verbrei- wieder deutlich zunehmen werden.
bekannt sind, sowie der weiteren Aus- tung der Vektoren steigern jedoch zuneh-
breitung bereits etablierter Infektions- mend das Risiko von lokalen Ausbrüchen, Es ist deshalb dringend notwendig, dass
krankheiten (Tabelle). da aufgrund der gestiegenen Mobilität sich Ärztinnen und Ärzte für Kinder- und
Tabelle. Ausbreitung von Vektoren und vektorbedingten Infektionskrankheiten in Europa
Vektor Situation in Europa Erkrankung Autochtone Infektionen
Asiatische Tigermücke Im gesamten Mittelmeerraum Dengue-Fieber Erstmals 2010 in Kroatien und Frankreich,
(Aedes albopictus) vertreten, in den letzten Jahren seit 2018 regelmäßig in Spanien und
starke Ausbreitung nach Norden, Frankreich, 2020 in Italien
in D etabliert im Breisgau und
Thüringen Chikungunya 2014 erstmals in Frankreich, 2017 ins
gesamt 10 europäische Länder betroffen,
am stärksten Italien, seitdem immer
wieder Fälle in Italien und Frankreich,
2019 erstmals in Spanien
Stechmücken In ganz Europa verbreitet West-Nil-Fieber Seit 2010 in Südost- und Südeuropa,
(Culex species) 2018 EU-weit > 2000 Fälle, 2019 und 2020
Transmissionen in Ostdeutschland
Sandmücken Südeuropa, Viszerale Leishmaniose Südlich 45° nördlicher Breite, besonders
(Phlebotominen) nördliche Verbreitungsgrenze Spanien und Sizilien, jährlich Transmis-
10°-Jahresisotherme sionen in Deutschland, meist Hunde
betreffend, 2014 autochthone Infektion
eines Kleinkindes
Gemeiner Holzbock Ubiquitär in Europa Borreliose Ganz Europa, nördlich bis Skandinavien,
(Ixodes ricinus) aufgrund der klimabedingten Verlän-
gerung der Aktivitätszeit des Vektors
zunehmende Infektionen zu erwarten
FSME In Europa stark divergierende Inzidenzen
zwischen < 1 und > 10. Am stärksten
betroffen sind Zentral-, Ost- und Nord
europa, in Deutschland langsame Aus-
breitung nach Norden
Jagdzecke Hauptsächlich in Ost- und Südost- Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber Endemische Verbreitung auf dem Balkan,
(Hyalomma marginatum) europa südlich 50. Breitengrad, (CCHV) eng an die Verbreitung des Vektors
2018 erstmals Nachweis geknüpft, bisher keine CCHV in Zecken-
größerer Anzahl durch Vögel funden in Deutschland
in Deutschland importiert,
2019 Funde von überwinterten
Zecken in DeutschlandPädiatrische Allergologie » 04 / 2021 » Topic „Vektorbedingte Infektionskrankheiten“ 15
Jugendmedizin und Vertreterinnen und
Dr. med. Ignaz Schmidt
Vertreter anderer Berufsgruppen in un-
serem Gesundheitssystem mit diesem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Allergologie
Reisemedizinische Gesundheitsberatung (DTG-Zertifikat), Gelbfieberimpfstelle
für viele noch unbekannten Thema in-
Frohbenden 43 | 52372 Kreuzau
tensiv befassen. Es muss über diese
sowohl für alle Gesundheitsberufe wie
erst recht die „normalen“ Bürgerin- Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
nen und Bürger als medizinische Laien
noch weitgehend unbekannte Thematik
nachvollziehbar und verständlich auf- Literatur
geklärt werden. Dazu sollten sämtliche 1 European Centre for Disease Prevention and Con- Aedes albopictus (Diptera: Culicidae) in the United
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publications-data /aedes-albopictus-current-
bereitstellung könnte über das Robert known-distribution-may-2020
E https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Spanien-
meldet-erste-Chikungunya-Infektionen-254778.
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sowie Veterinärmedizin und entspre-
topics-z/dengue/surveillance-and-disease-data/ ndrizky G, Maier WA, Reise K. Warnsignal Klima: Ge-
chende Bundesoberbehörden erfolgen. autochthonous-transmission-dengue-virus-eueea sundheitsrisiken/Gefahren für Pflanzen, Tiere und
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für die Ausbildung zu Ärztinnen und Ärz-
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ten, Pflege- sowie Sanitätsberufen auf- 4 European Centre for Disease Prevention and Control. Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_FSME.htm
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ein Mustercurriculum für Medizinische
6 European Centre for Disease Prevention and Con- sociation 2006; 22(1): 149−151
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Ebenfalls federführend war das LMU-
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zierten pädiatrischen Bildungsmoduls Institut für Medizinische Parasitologie der Universi-
Zeckenart-ueberwintert-erstmals-in-Deutschland
tät Bonn. Forschungsbericht 200 61 218/11 (UBA-FB
für Ärzte, welches zu sämtlichen rele- 000454, 2003) 19 WHO. Chikungunya. 15. September 2020; E https://
vanten Gesundheitsthemen vor dem 8 E h t t p: // w w w. k l i n i k u m .u n i - m u e n c h e n .d e / w w w.who.int /news-room/fac t-sheets/detail/
Bildungsmodule-Aerzte/de/bildungsmodule-plan/ chikungunya
Hintergrund des Klimawandels umfang- index.html 20 WHO. Dengue and severe dengue; Mai 2021
reiche Informationen liefert. Seit meh- 9 Klouche M. Vektor-übertragene Erkrankungen Teil (E https://www.who.int/news-room/fact-sheets/
II: Womit müssen wir in Europa rechnen? Trillium detail/dengue-and-severe-dengue)
reren Jahren werden diese Themen auf Diagnostik; Heft 3/2018 Hämatologie. E https://
www.trillium.de/zeitschriften/trillium-diagnostik/ 21 Wiemer D. Der „schwarze Tod“, Krim-Kongo-Hä
den großen pädiatrischen Kongressen morrhagisches-Fieber. Bundesgesundheitsblatt –
ausgaben-2018/td-heft-32018/in-vitro-diagnostik/
in Form von Vorträgen und Seminaren cme-beitrag-vektor-uebertragene-erkrankungen- Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2015;
teil-ii.html 58: 714-720
präsentiert. Die Informationen sind für
10 Lukan M et al. Climate Warming and Tick-born En- 22 Gemeinsame Pressemitteilung des Friedrich-Loeff-
alle interessierten Ärztinnen und Ärzte zephalitis in Slovakia, 2005. University of Zilina, ler-Instituts, des Bernhard-Nocht-Instituts und
Tutranska Javorina, Slovakia des Robert Koch-Instituts; 2019 (E https://
außerdem auf der Website des Projekts
11 Medlock JM, Avenell D, Barrass I, Leach S. Analysis w w w. r k i . d e / D E / C o n t e n t / S e r v i c e / P r e s s e /
abrufbar [8]. of the potential for survival and seasonal activity of Pressemitteilungen/2019/09_2019.html)Sie können auch lesen
