COVID-19 und die EU-Entwicklungs-zusammenarbeit: Rückschlag oder "Neue Ära"?
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Dietrich John COVID-19 und die EU-Entwicklungs- zusammenarbeit: Rückschlag oder „Neue Ära“? Die EU-Entwicklungszusammenarbeit steht in der Corona-Pandemie vor schwierigen Zeiten. Entwicklungs- länder sind von ihren Folgen stärker betroffen als industrialisierte Staaten. Letztere sind verstärkt mit sich selbst beschäftigt, sodass der erhöhte Bedarf nach Entwicklungshilfe noch schwieriger zu decken ist. Die EU und ihre Mitgliedstaaten tragen als größte Geber der Welt eine besondere Verantwortung. Um Entwicklungs- rückschritte durch COVID-19 zu verhindern, will die EU mit dem Ansatz „Team Europe“ die interne Koopera- tion stärken, Synergien erwirken und Mittel gebündelter und effizienter einsetzen. Der nächste Mehrjährige Finanzrahmen 2021-27 soll durch das NDICI-Instrument die Entwicklungszusammenarbeit strukturell auf- werten. COVID-19 könnte somit eine „neue Ära“ der EU-Entwicklungszusammenarbeit einläuten, wenn der politische Wille, entwicklungspolitisch gemeinsam zu agieren, auch langfristig vorhanden ist. Schlagwörter: Team Europe - Entwicklungszusammenarbeit - Corona-Pandemie - COVID-19 und Entwicklungspolitik - Chance - in- ternationale Kooperation - Europäische Union - European Development Days
COVID-19 und die EU Entwicklungs- zusammenarbeit: Rückschlag oder „Neue Ära“? || Dietrich John Globale Entwicklungszusammenarbeit vor jedoch abzuwarten, wie effektiv diese lang- schwierigen Zeiten fristig sein werden und ob es gelingen kann, die massiven Auswirkungen der Corona- Die Europäischen Entwicklungstage (Eu- Pandemie ausreichend abzufedern. COVID-19 ropean Development Days, EDD) sind seit hat für internationale Entwicklungszusam- 2006 ein alljährlicher Höhepunkt für Experten menarbeit einschneidende Auswirkungen. und Organisationen, die sich im Bereich der Einerseits weil die Pandemie den globalen europäischen und globalen Entwicklungszu- Bedarf nach Entwicklungshilfe verstärkt. An- sammenarbeit engagieren. Seit vielen Jahren dererseits, weil die mit der Gesundheitskrise dient die in Brüssel stattfindende Veranstal- einhergehende weltweite Wirtschaftskrise die tung, oftmals auch als „Davos für Entwick- Kapazitäten zur Entwicklungshilfeleistung auf lungsfragen“ umschrieben, als wesentliche Seite der Geber stark beeinträchtigt. Der EU Plattform der Entwicklungszusammenarbeit: und ihren Mitgliedstaaten als mit Abstand Ideen und Erfahrungen werden ausgetauscht, größtem Geber der Welt kommt in diesem inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, und die Zusammenhang eine ganz besondere Rolle Schaffung von Partnerschaften vorangetrie- und gleichzeitig Verantwortung zu. ben. Angesichts der Corona-Pandemie fanden die diesjährigen 14. Development Days jedoch Globale Gesundheitskrise – asymmetrische nicht statt. Folgen Ist das Ausbleiben der EDD ein Vorzei- chen für die schwierigen Zeiten, welche der Viele Entwicklungsländer, gerade auch europäischen und globalen Entwicklungszu- die ärmsten Länder der Welt etwa in Subsaha- sammenarbeit bevorstehen? Vieles spricht ra-Afrika, sind im Vergleich zu industrialisier- dafür. Andererseits birgt jede Krise auch ten Staaten – zumindest bisher – von der Chancen und die Europäische Union ist, wie Pandemie nur mäßig getroffen worden. Wenn- oft in der Vergangenheit, fest entschlossen, gleich es positiv ist, dass sich die unmittelba- aus der aktuellen Krise gestärkt hervorzuge- ren gesundheitlichen Auswirkungen ver- hen. Im Rahmen ihrer umfassenden „Team gleichsweise in Grenzen halten, so sind Exper- Europe“ Reaktion auf die Corona-Pandemie ten von Vereinten Nationen (UNO), Weltge- hat die EU – nach gewissen anfänglichen sundheitsorganisation (WHO), oder dem Ent- Schwierigkeiten – mit der Bereitstellung zu- wicklungsprogramm der Vereinten Nationen sätzlicher Mittel und engerer Kooperation (UNDP) über die langfristigen sozioökonomi- zwischen beteiligten Akteuren und Institutio- schen Folgen zutiefst besorgt. Viele der be- nen Maßnahmen gesetzt, um negativen Ent- troffenen Länder sind arm, haben schwache wicklungen für weltweite Entwicklungszu- oder keine Sozialsysteme, unzureichend aus- sammenarbeit entgegenzuwirken. Es bleibt gebaute Infrastrukturen, und wenig diversifi- ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 45
DIETRICH JOHN zierte Wirtschaftsstrukturen. Große informelle Risiko der „Selbstbeschäftigung“ entwickelter Sektoren am Arbeitsmarkt haben zur Folge, Länder dass viele Menschen über keine soziale Absi- cherung verfügen und schnell in Armut abrut- Zu den Herausforderungen für die inter- schen. Folglich werden diese Länder vom glo- nationale Entwicklungszusammenarbeit balen Wirtschaftseinbruch vielfach empfindli- kommt die Tatsache, dass bereits vor dem cher getroffen als industrialisierte Länder. Corona-Ausbruch geplante Finanzierungen bis Besonders auch der ausbleibende Tourismus 2030 nicht ausreichend waren, um die Nach- ist für viele Entwicklungsländer ein Problem. haltigkeitsziele zu erreichen. Zusätzlich grenz- Exemplarisch hierfür ist etwa Vanuatu, wo es ten hohe Staatsverschuldungen den fiskalen nur wenig COVID-19-Fälle gibt, aber die Aus- Spielraum ein.5 Aufgrund der massiven ge- wirkungen auf Arbeitsmarkt und Jobs massiv sundheitlichen und wirtschaftlichen Auswir- sind.1 kungen der Pandemie sind entwickelte Länder nun zunehmend mit sich selbst beschäftigt. Aber auch innerhalb von Gesellschaften Die politische Aufmerksamkeit ist angesichts fallen die sozioökonomischen Auswirkungen der Krisenlage eher „nach innen“ gerichtet, asymmetrisch aus. Dies gilt allgemein, doch in was sich auch in der Bereitstellung von Res- Entwicklungsländern zeigen sich die Konse- sourcen widerspiegelt. quenzen stärker als in industrialisierten Län- der. Während sich finanziell und sozial besser So wirkt die zusätzliche Unterstützung gestellte Schichten und Bevölkerungsgruppen von Entwicklungsländern mit teils neuen, teils gegen negative Auswirkungen schützen kön- umgeschichteten Mitteln in Höhe von etwa 36 nen, werden jene von der Corona-Pandemie Mrd. EUR im Vergleich zu den massiven natio- am stärksten getroffen, die ohnehin schon in nalen und europäischen Wachstumsprogram- der größten Notlage sind. Zu den am stärksten men auf den ersten Blick eher spärlich.6 Im gefährdeten Gesellschaftsgruppen gehören Juli 2020 brachte der Europäische Rat einen u.a. Frauen und Mädchen.2 UNO-Schätzungen EU-Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. zufolge dürften wegen COVID-19 weitere 47 EUR („Next Generation EU“) auf den Weg, Millionen Frauen in Armut geraten.3 welcher den nächsten, 1,05 Bio. EUR umfas- senden EU-Haushalt 2021-27 flankiert. Hinzu Wenn man all dies in Betracht zieht, so ist kommen nationale Aufbauprogramme – allei- es nicht verwunderlich, dass die Vereinten ne Deutschlands Hilfspaket vom Mai 2019 Nationen eindringlich vor der Gefahr warnen, etwa umfasste Mittel in Höhe von 353,3 Mrd. dass die Corona-Pandemie die Entwicklungs- EUR (haushaltswirksame Maßnahmen).7 fortschritte der letzten Jahrzehnte in den am wenigsten entwickelten Ländern zunichtema- In einem optimistischen Szenario rechnet chen könnte4. Eine besondere Bedrohung be- die OECD wegen COVID-19 mit einem steht auch für vom Klimawandel am stärksten Schrumpfen der Weltwirtschaft um mindes- betroffene Regionen, die nun mit mehreren tens 6 Prozent im Jahr 2020. Dies entspricht Gefahren gleichzeitig konfrontiert sind. CO- einem Vielfachen des Wirtschaftseinbruchs VID-19 hat Fortschritte bei Umweltfragen zu- des Jahres 2009, damals schrumpfte das rückgeworfen, etwa durch die Verschiebung weltweite BIP um lediglich 0,1 Prozent.8 der diesjährigen UN-Klimakonferenz von 2020 Schon damals standen plötzlich weniger Mit- auf 2021 oder die Verzögerungen der Einrei- tel für Entwicklungshilfe zur Verfügung. Die chungen revidierter nationaler Klimaschutz- Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die beiträge. Auch dies ist ein Bereich, in dem Finanzierung von Entwicklungszusammenar- sich die EU international besonders stark en- beit dürften daher deutlich heftiger ausfallen. gagiert und in dem ihr besondere Verantwor- tung zukommt. 46 ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
COVID-19 UND DIE EU-ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT – RÜCKSCHLAG ODER „NEUE ÄRA“? Besondere Verantwortung für die EU nahmen freizusetzen. Die EU mobilisiert im Rahmen des Europäischen Außeninvestitions- Mehr Bedarf an Entwicklungshilfe und plans oder des Europäischen Fonds für nach- gleichzeitig größere Herausforderungen, die- haltige Entwicklung zusätzliche Finanzmittel sen Bedarf zu decken – der Europäischen Uni- für Partnerländer und unterstützt diese auch on kommt in diesem Zusammenhang eine be- etwa bei Verbesserungen im Bereich der Steu- sondere Rolle zu. Denn zusammen mit ihren ererhebung und der Verwaltung öffentlicher Mitgliedstaaten leistet die EU seit vielen Jah- Ausgaben. Wie die EU also in der Corona-Krise ren mehr öffentliche Entwicklungshilfe (Offi- entwicklungspolitisch agiert, wird somit die cial Development Assistance, ODA) als alle Lage in Entwicklungsländern in den kommen- anderen Staaten zusammen. Auch im Jahr den Jahren und das Ausmaß der Corona- 2019 war die EU mit 55,2 Prozent und etwa Auswirkungen wesentlich beeinflussen. 75,2 Mrd. EUR wieder mit Abstand weltweit größter Geber.9 An zweiter Stelle folgt die USA Der Mehrjährige Finanzrahmen 2021-27: Auf- mit einem Anteil von 22,7 Prozent und Mitteln wertung der Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 30,9 Mrd. EUR. durch neue Strukturen Neben der Bereitstellung von Mitteln Der nächste Mehrjährige Finanzrahmen spielt die EU aber auch eine zentrale Rolle bei 2021-27, welcher den Rahmen für den jährli- der Koordinierung und Zusammenführung von chen EU-Haushalt setzt, wird in dieser Hin- Hilfeleistungen, Investitionen, Handel, oder sicht grundlegende Richtungen festlegen. Die der Mobilisierung inländischer Ressourcen. politischen Verhandlungen wurden zum Ende Ziel ist es, das volle Potenzial aller verfügba- der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 ab- ren Finanzströme und Unterstützungsmaß- geschlossen. Entwicklungspolitisch besonders Quelle: Europäische Kommission. URL https://ec.europa.eu/commission/presscorner/api/files/attachment/864363/ Annex_Tables_and_Graphs_ODA_2019.pdf ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 47
DIETRICH JOHN relevant wird das neue „Instrument für Nach- Konkrete Beispiele hierfür gibt es viele: 15 barschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Staaten im Pazifikraum erhalten im Rahmen internationale Zusammenarbeit“, kurz „NDI- eines neuen Hilfsprogramms 22 Mio. EUR11; CI“ (Neighbourhood, Development and Inter- die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen im national Cooperation Instrument). Dieses wird Sudan werden mit 160 Mio. EUR unterstützt12; das mit Abstand größte und wichtigste In- acht Länder am Horn von Afrika werden mit strument im außen- und entwicklungspoliti- umfassender Schutzausrüstung und Test-Kits schen Bereich (Rubrik 6) des neuen EU- beliefert13; 10,4 Mio. EUR fließen für den digi- Haushalts. talen Ausbau im Bereich von Gesundheit und Bildung an die Demokratische Republik Kon- Nach umfassenden Verhandlungen zwi- go, Ruanda, und Burundi14; in der Zentralafri- schen Rat und Europäischem Parlament wur- kanischen Republik werden mit Zuschüssen in den mit 79,5 Mrd. EUR (laufende Preise) nun Höhe von 54 Mio. EUR die sozioökonomischen weniger Mittel für das NDICI bereitgestellt als Risiken der Pandemie adressiert15; Gambia im Kommissionsvorschlag aus dem Jahr 2018 wird bei der Bekämpfung der Pandemie mit ursprünglich geplant. Unabhängig davon je- Budgethilfen von 25 Mio. EUR unterstützt16. doch - und verglichen mit den bisherigen Diese Mittel werden für die Unterstützung der komplexen Strukturen - wird das NDICI als Gesundheitssysteme, für Notfallhilfe, aber vereinfachtes, neues Instrument schon jetzt auch für wirtschaftliche Maßnahmen in Part- von manchen Akteuren und Experten10 positiv nerländern eingesetzt. Auch in der EU ansäs- und als Schritt hin zu einer Aufwertung der sige Unternehmen bringen sich ein, etwa Entwicklungszusammenarbeit wahrgenom- durch die verstärkte Produktion von Schutz- men. ausrüstung in Entwicklungsländern oder durch die Bereitstellung kostenloser oder günstige- „Team Europe“ – Wie die EU auf die Corona- rer Dienstleistungen.17 Pandemie reagiert Bei „Team Europe“ geht es aber nicht nur Die EU ist sich der „doppelten Gefahr“ um Geld. Neben der „Finanzspritze“ wird ein der Corona-Pandemie für Gesundheit und grundlegend neuer Ansatz verfolgt, bei dem Wirtschaft in den ärmsten Ländern der Welt die noch engere Zusammenarbeit verschiede- bewusst. Seit April 2020 ist ihre Reaktion im ner europäischer entwicklungspolitischer Ak- Bereich der Entwicklungszusammenarbeit teure im Zentrum steht. So sollen sich EU- durch den Ansatz „Team Europe“ bestimmt. Institutionen, Mitgliedstaaten, die Europäi- Im Rahmen dieser Initiative werden jetzt Mit- sche Investitionsbank (EIB) und die Europäi- tel in Höhe von insgesamt etwa 36 Mrd. EUR sche Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vor allem für Entwicklungsländer und (EBWE) enger in ihren entwicklungspoliti- -regionen, die bedürftigsten Menschen in der schen Maßnahmen abstimmen. Besonders Welt, aber auch Nachbarstaaten der EU be- relevant ist hierbei der Aspekt der gemeinsa- reitgestellt. Es handelt sich um eine Mischung men Programmierung, aber auch etwa Verbes- aus Umschichtungen bereits vorgesehener serungen bei einer abgestimmten Vorgehens- Beträge, neue Mittel und Garantien. weise bei der Außenkommunikation. Seit Beginn der Pandemie unterstützt die Ziel ist es insgesamt, Synergien auszu- EU Entwicklungsländer durch die Stärkung bauen, effizienter zu werden, und entwick- ihrer Gesundheitssysteme, die Bereitstellung lungspolitisch weltweit wirklich gemeinsam medizinischer Ausrüstung, und darüber hin- zu agieren. Manche Experten sprechen gar von aus mit längerfristig angelegten Maßnahmen einer „neuen Ära“ in der europäischen Ent- etwa im Form von umgeschichteten oder neu wicklungszusammenarbeit, welche der eingeplanten Zuschüssen oder Budgethilfen, Corona-Pandemie zu „verdanken“ sei. Auch welche oftmals in Kooperation mit anderen wenn der vor allem von der Kommission vo- Institutionen auf den Weg gebracht wurden. rangetriebene Vorstoß viel Potenzial hat, ist 48 ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
COVID-19 UND DIE EU-ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT – RÜCKSCHLAG ODER „NEUE ÄRA“? abzuwarten, welche Ergebnisse konkret er- Chinas, entscheidend sein. Der entwicklungs- reicht werden können. Dies wird nicht nur politische Kurs der Vereinigten Staaten nach eine Frage des Geldes sein, sondern vor allem Donald Trump und unter dem nächsten Präsi- auch des politischen Willens auf Seiten aller denten Joe Biden bleibt abzuwarten. Jedoch involvierten Akteure, allen voran der EU- gibt es Hoffnungen, dass sich die USA stärker Mitgliedstaaten. im Entwicklungsbereich einbringen und ihre Hilfe für arme Länder ausweiten19. Die EU Engere Kooperation und mehr digitale Formate kann sich gemeinsam mit ihren Partnern für globale Entwicklungszusammenarbeit in in- Die Corona-Krise hat aber auch aufge- ternationalen und multilateralen Institutionen zeigt, dass neue digitale Formate zukunfts- einsetzen und versuchen, Schwerpunkte zu weisende Alternativen sein könnten und bis- setzen. Auch dies wird aber nur gelingen, herige Praktiken im Bereich der Entwicklungs- wenn der politische Wille, entwicklungspoli- zusammenarbeit zumindest in Teilen effizien- tisch abgestimmt zu handeln und mit einer ter gestalten könnten. Zum Beispiel birgt die Stimme zu sprechen, vorhanden ist. Durchführung von virtuellen Treffen, Diskussi- onen und Veranstaltungen das Potenzial, mehr Wichtig wäre es jedoch, dass sich politi- Beteiligung zu erzielen und Kosten, etwa für sche Führungskräfte bewusst sind, dass die die Anreise von Teilnehmern, zu senken.18 langfristigen negativen Auswirkungen in Ent- Auch in diese Richtung könnte die EU in Zu- wicklungsländern, allen voran Subsahara- kunft arbeiten und so die Entwicklungszu- Afrika, einen direkten Einfluss auf die Prospe- sammenarbeit bewusst strategisch digitaler rität und Sicherheit in Europa selbst haben. und zukunftsorientierter gestalten. Eine Stärkung der Entwicklungszusammenar- beit, gerade im aktuellen Moment, liegt also EU kann globale entwicklungspolitische Her- im ureigenen Interesse der europäischen Ge- ausforderungen nicht alleine stemmen ber20. Wenn dieser Zusammenhang erkannt wird, so könnte die Corona-Pandemie tatsäch- Auch wenn die Europäische Union als lich zu einer Chance für die EU und die Welt weltweit größter Geber einen großen Einfluss werden. auf internationale Entwicklungspolitik hat, so ist auch klar, dass sie alleine die globalen Die EU-Kommission möchte die Europäi- entwicklungspolitischen Herausforderungen schen Entwicklungstage 2020 nun nächstes nicht stemmen kann. Dies gilt auch für die Jahr, voraussichtlich am 15./16. Juni, nachho- Auswirkungen der Corona-Pandemie. Selbst len. Die Organisatoren wollen sich darum be- wenn es der EU also gelingt, die Corona- mühen, dabei ein noch höheres Maß an Betei- Pandemie als Chance für eine modernere und ligung zu erzielen, und das diesjährige Aus- effizientere Entwicklungszusammenarbeit zu bleiben der Veranstaltung dadurch sozusagen verstehen, so gibt es zahlreiche andere rele- wettzumachen. Vielleicht gelingt dies – und vante Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt vielleicht kann es ein erstes Anzeichen einer und auf welche die EU bestenfalls indirekten „neuen Ära“ der EU-Entwicklungszusammen- Einfluss hat. arbeit sein. Hierzu zählen etwa die mittel- bis lang- || Dietrich John fristige Gesamtentwicklung der Weltwirt- schaft, aber auch internationale politische Dietrich John ist Wissenschaftlicher Mitarbei- Faktoren. Neben Sicherheitsfragen in Entwick- ter im Entwicklungspolitischen Dialog des Europ- lungsländern, insbesondere dem Verlauf von abüros der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel. Zuvor Konflikten in Afrika, wird auch ganz besonders arbeitete er im Rahmen der österreichischen EU- die entwicklungspolitische Rolle anderer in- Ratspräsidentschaft 2018 in der außen- und ent- ternationaler Akteure, allen voran jene der wicklungspolitischen Abteilung der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU. Dietrich John USA, und mittel- bis langfristig wohl auch jene ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 49
DIETRICH JOHN studierte Politik und internationale Beziehungen https://ec.europa.eu/international-partnerships/news/co an der London School of Economics, sowie BWL vid-19-eu-programme-promotes-digital-solutions-crisis- und Europäische Studien an der Katholischen Uni- africa_en [01.12.2020]. 15 European Commission (2020): Coronavirus: EU supports versität Löwen. Central African Republic with €54 million to limit socio- economic risks, URL https://ec.europa.eu/international- partnerships/news/coronavirus-eu-supports-central-afri can-republic-eu54-million-limit-socio-economic-risks_en ANMERKUNGEN [01.12.2020]. 16 European Commission (2020): Team Europe: The Europe- an Union disburses €25 million to mitigate the effects of 1 Vgl. UNDP (2020): COVID-19 & Poverty, URL the coronavirus crisis in The Gambia, URL https:// https://feature.undp.org/covid-and-poverty [01.12.2020]. ec.europa.eu/international-partnerships/news/ team- 2 Vgl. Kräuter, Melanie (2020): Stärkt die Frauen und hört europe-european-union-disburses-eu25-million-mitigate- auf sie, in Welt-Sichten 10-2020, S. 11. effects-coronavirus-crisis-gambia_en [01.12.2020]. 3 Vgl. UNDP (2020): COVID-19 & Poverty, URL 17 Vgl. European Commission (2020): EU global response to https://feature.undp.org/covid-and-poverty [01.12.2020]. COVID-19, URL https://ec.europa.eu/international-part ner- 4 Vgl. Bruckner, Matthias / Mollerus, Roland (2020): ships/topics/eu-global-response-covid-19_en [01.12.2020]. UN/DESA Policy Brief #66: COVID-19 and the least devel- 18 Vgl. Elliesen, Moritz (2020): Corona ist auch eine Chance, oped countries, URL https://www.un.org/development in Welt-Sichten 10-2020, S. 28-29. /desa/dpad/publication/un-desa-policy-brief-66-covid- 19 Vgl. Monath, Hans (2020): Engagieren sich die die USA 19- and-the-least-developed-countries/ [01.12.2020]. wieder stärker im Kampf gegen Armut?, URL https:// 5 Vgl. OECD (2020): The impact of the coronavirus (COVID- www.tagesspiegel.de/politik/engagieren-sich-die-die- 19) crisis on development finance, URL http://www usa-wieder-staerker-im-kampf-gegen-armut-jeden-tag- .oecd.org/coronavirus/policy-responses/the-impact-of- verhungern-15-000-kinder/26625762.html [01.12.2020]. the-coronavirus-covid-19-crisis-on-development-finance - 20 Ertl, Veronika (2020): S. 16. 9de00b3b/ [01.12.2020]. 6 Ertl, Veronika (2020): Insufficient funding, in D+C Devel- opment and Cooperation 09-10/2020, S. 15. 7 Bundesministerium der Finanzen (2020): Kampf gegen Corona: Größtes Hilfspaket in der Geschichte Deutsch- lands, URL https://www.bundesfinanzministerium.de/Con tent/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona- Schutzschild/2020-03-13-Milliarden-Schutzschild-fuer- Deutschland.html [01.12.2020]. 8 Vgl. OECD (2020): OECD Economic Outlook, June 2020 The world economy on a tightrope, URL http://www.oecd .org/economic-outlook/june-2020/ [01.12.2020]. 9 Europäische Kommission (2020): The European Union remains world’s leading donor of Official Development Assistance with €75.2 billion in 2019, URL https://ec. eu- ropa.eu/international-partnerships/news/european-un ion-remains-worlds-leading-donor-official-development- assistance_de [01.12.2020]. 10 z.B. Vgl. European Investment Bank (2020): More than the sum of the parts – putting Team Europe in action through programming (President Hoyer’s speech at the EU 2020 Ambassadors’ Conference), URL https://www.eib. org/en/press/speeches/hoyers-speech-at-the-eu-2020- ambassadors-conference [01.12.2020]. 11 European Commission (2020): Coronavirus: European Commission announces €22 million to support the health response in the Pacific and Timor-Leste, URL https: //ec.europa.eu/international-partnerships/news/ corona- virus-european-commission-announces-eu22-million- support-health-response-pacific-and_en [01.12.2020]. 12 European Commission (2020): Team Europe provides €160 million to help the most vulnerable in Sudan, URL https://ec.europa.eu/international-partnerships/news/te am-europe-provides-eu160-million-help-most-vulnerable- sudan_en [01.12.2020]. 13 European Commission (2020): EU COVID-19 response for East Africa: first shipment of medical supplies arrives in Ethiopia, URL https://ec.europa.eu/international-partner ships/news/eu-covid-19-response-east-africa-first-ship ment-medical-supplies-arrives-ethiopia_en [01.12.2020]. 14 European Commission (2020): Covid-19: EU programme promotes digital solutions to the crisis in Africa, URL 50 ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
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