Veränderungen Bonn 2009 bis 2015 | Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch - Stephan Eisel
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Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch Veränderungen Bonn 2009 bis 2015 Zahl der Beschäftigten in Bonn Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2014 90.000,00 € 164000 80.000,00 € 162000 160000 70.000,00 € 158000 60.000,00 € 156000 50.000,00 € 154000 40.000,00 € 152000 30.000,00 € 150000 148000 20.000,00 € 146000 10.000,00 € 144000 0,00 € 2009 2014 NRW Deutschland Bonn Bonn muss stark bleiben Oberbürgermeister-Kandidat, 2009 Bonn ist noch stärker geworden Oberbürgermeister, 2015 1
Inhalt Vorbemerkung 1. Bürgerbeteiligung stärken 7 2. Bonn ist noch stärker geworden - die wirtschaftliche Entwicklung 14 3. Unser Geld - der Haushalt 22 4. Internationale „Hauptstadt der Nachhaltigkeit“ 26 5. Bildungs- und Wissenschaftsstadt 39 6. Kulturstadt 44 7. Bundesstadt als Teil der Region 59 8. Stadtentwicklung und Verkehr 62 9. Modernisierung der Stadtverwaltung 75 10. Großprojekte „WorldCCBonn“ und „Festspielhaus“ 79 Schlussbemerkung Anhang: Zahlen, Daten und Fakten zur Arbeit des Oberbürgermeisters 2
mit dem ich gelegentlich zusammenkommen durfte und der mich am Ende meiner Amtszeit zu einem längeren Abschiedsgespräch einlud. In seinem Plädoyer „Für Freiheit“ schreibt er zu dieser Frage: „Bei vielen Menschen, die mir im Land begegnen, vermute ich eine geheime Ver- fassung, deren virtueller Artikel 1 lautet ´Die Be- sitzstandswahrung ist unantastbar´.“ Ich lernte, diesen Tatsachen ins Auge sehen, was dem Rheinländer in mir nicht schwerfiel. Zur ent- spannenden Fünf-Minuten Lektüre zwischen dem Studium der Akten und der Kenntnisnahme Vorbemerkung unfassbarer Horrormeldungen über die täglichen „Desaster“ in unserer Stadt legte ich mir eine Am Ende meiner Amtszeit als Oberbürgermeis- gebundene Ausgabe des Rheinischen Grund- ter schaue ich mit dieser Zusammenstellung zu- gesetzes von Konrad Beikircher neben meinen rück auf sechs Jahre Stadtgeschichte. Es ist we- Schreibtisch: „Et kütt wie et kütt“. Es war eben niger ein Bericht über meine Arbeit, sondern eher hinzunehmen, dass einzelne Menschen und Me- eine Beschreibung von Veränderungen, die unse- dien aus einem kleinen Problem gern ein Un- re Stadt in den letzten Jahren erfahren hat und tergangsszenario entwickeln, und zum Beispiel an denen ich beteiligt war. Daher die Überschrift schreiben, in Bonn könne man nur „überwiegend „Veränderungen“ – es ist auch der Titel des dies- negative Nachrichten“ vermelden, große Pläne jährigen Beethovenfestes. Mir liegt daran, deut- würden stets „mit Getöse versenkt“ und es liege lich zu machen, wie stark sich unsere Stadt in „Mehltau über der Stadt“. Übertreibungen also, den letzten Jahren zu ihrem Vorteil gewandelt hat bei denen aus einem Problem gleich ein „Desas- und dass keine Rede davon sein kann, wie gele- ter“, aus kleinen negativen Dingen gleich eine gentlich behauptet wird, es sei eine Art Stillstand „Hiobsbotschaft“ und aus einem Fehler in der eingetreten. Verwaltungsarbeit gleich ein „Organisationsver- sagen“ gemacht wird. In den ersten Wochen meiner Amtszeit, im Herbst 2009, beschlich mich bisweilen das Gefühl, ich Da aber den Lauten immer mehr Aufmerksam- sei Oberbürgermeister einer krisengeschüttel- keit geschenkt wird als den Leisen, entstand mit- ten Stadt am anderen Ende der Welt geworden. unter der Eindruck, es bestehe in unserer Stadt Mit dieser Einschätzung war ich nicht allein. Im tatsächlich Anlass zur Unzufriedenheit. Der aus Februar 2010 fragten der IHK-Präsident und der dem Rheinland stammende Physiker Benzen- IHK-Hauptgeschäftsführer in einem öffentlichen berg hat hingegen einmal gesagt: „Zahlen bewei- Aufruf, ob denn vielleicht „Larmoyanz eine spe- sen“. Ich will daher ein paar Zahlen nennen, die zielle Bonner Tugend?“ sei. Beide verwiesen da- den tatsächlichen Zustand der Stadt beschreiben rauf, dass Bonn doch trotz der allgemeinen Wirt- und aus denen man ablesen kann, dass es uns schafts- und Finanzkrise gut dastehe und man nicht nur, wie es die IHK-Chefs 2010 beschrieben gute Voraussetzungen habe, weiter positiv nach haben, eigentlich ganz gut geht, sondern dass vorne zu arbeiten. Eigentlich fehle es – nicht unsere Stadt in den letzten Jahren noch stärker überall, aber doch meistens - an Gründen für das geworden ist und sich durch große Dynamik aus- täglich zu hörende und gern verbreitete Wehkla- zeichnet. gen. Ich war sehr froh, mich über diese Haltung eines ■ In meiner Amtszeit sind in unserer Stadt jähr- kleinen Teils unserer Bürgerschaft gelegentlich lich rund 2600 neue Arbeitsplätze entstan- mit sehr erfahrenen Menschen austauschen zu den, seit dem Bonn/Berlin-Beschluss 1991 können. Ein besonders geschätzter Ratgeber war sind es insgesamt 30 000 mehr geworden. In Bundespräsident Joachim Gauck, den ich bei sei- jedem Jahr gibt es einige hundert Gewerbe- nem Amtsantritt im Bonner Rathaus begrüßte, anmeldungen mehr als -abmeldungen. Bonn 3
hatte 2014 bundesweit die höchste Dichte an Abschluss; in ganz Nord-rhein-Westfalen wa- freiberuflichen Existenzgründern. ren es 4,4 Prozent. Das Hamburger Weltwirt- schaftsinstitut erteilte bei seinem Städteran- ■ Bonn liegt mit seinen DAX-Unternehmen aktu- king Bonn Bestnoten im Bereich Bildung und ell auf Platz 2 der Börsenliga und ist im Städ- stellt fest: Bonn verzeichnet den geringsten teranking des Hamburger Weltwirtschaftsins- Anteil der untersuchten Städte bei Schulab- tituts von Platz 9 in 2008 auf Platz 3 in 2012 gängern ohne Abschluss und den größten geklettert. Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife. Mehr noch als anderswo gilt also: Bildung ist ■ Man vertraut wieder darauf, dass man in un- Bonns Kapital. serer wachsenden Stadt investieren kann und Immobilien hier auch langfristig eine gute ■ Deswegen betrug der Bauumsatz des Städ- Geldanlage sind. Viele Investoren, Geldan- tischen Gebäudemanagements in meiner leger, z.B. Versorgungskassen, kaufen oder Amtszeit fast 200 Mio. Euro für Bau- und bauen Häuser in Bonn. Das kann nicht ver- Sanierungsmaßnahmen in Kindergärten und wundern bei einem Leerstand von nur 3,5 Schulen. Vom 1.1.2009 bis 1.1. 2015 haben Prozent bei den Büroimmobilien und Spit- wir 24 neue, öffentlich geförderte Kindergär- zenmieten von 16,50 Euro pro qm und mehr. ten mit rund 1 940 neuen Plätzen gebaut und Nach einer Studie von September 2015 haben die insgesamt zur Verfügung stehende Zahl Immobilien in Bonn die besten Aussichten auf an Kindergartenplätzen von 9 467 (1.1.2009) Wertsteigerungen in ganz Nordrhein-Westfa- auf 11 408 (1.1.2015) erhöht (+ 20 Prozent). len. Bonn belegt Platz 1 unter den „Immobili- Aktuell können wir 2 496 U3-Plätze in Kinder- en Top Ten“. gärten und 900 Plätze in der Tagespflege an- bieten, was einem Versorgungsgrad von über ■ Wir wachsen und haben jedes Jahr rund 1 000 42 Prozent entspricht. Für die 3-6jährigen neue Einwohner und wir verzeichnen einen stellen wir insgesamt 8 912 Plätze in Kinder- Geburtenüberschuss - ein Anzeichen dafür, gärten und ca. 30 Plätze in der Tagespflege dass Familien unserer Stadt vertrauen. zur Verfügung, was einem Versorgungsgrad von 99 Prozent entspricht. Im Ganztagsbe- ■ Unser Kapital sind die überdurchschnittlich reich an Grundschulen konnten wir die Ange- vielen gut ausgebildeten Menschen. Sie er- botszahl um 2423 Plätze von 5 018 (2009) auf ar-beiten ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 7441 (2015) erhöhen (+ 48 Prozent). von 83 394 Euro, das ist der höchste Wert in Nordrhein-Westfalen und sie haben nach An- ■ Im Kulturranking liegen wir mit unserem phan- gaben des Statistischen Bundesamtes und tastischen Angebot auf Platz 5 unter den 30 von Krankenkassen auch noch eine geringe- größten Städten in Deutschland. Nach dem re Krankenquote als diese in anderen Städ- Wegfall der Konzerte auf dem Museumsplatz ten verzeichnet wird. Da inzwischen für 25,3 und der eintägigen „Rheinkultur“ haben wir an Prozent der Arbeitsplätze in Bonn ein Hoch- anderer Stelle neue Veranstaltungen schaffen schulabschluss erwartet wird – das sind können. Die Zahl der Open-Air-Konzerte ist 4 Prozent mehr als 2009 und mehr als dop- 2015 höher als 2011 und in den letzten Jah- pelt so viel wie anderswo - ist es gut, dass fast ren kletterte die Zahl der Veranstaltungen ein Drittel unserer Einwohner über 15 Jahre von 299 in 2013 auf 347 in 2015. Unser Flagg- schon einen Hochschulabschluss hat; auch schiff, das Beethoven Orchester, sammelt ei- das ist mehr als doppelt so viel wie in anderen nen Echo-Klassik-Preis nach dem anderen. Städten. Über die Hälfte (53 Prozent) unserer Einwohner über 15 Jahre hat eine Hochschul- zugangsberechtigung; in NRW sind es nur 30 Prozent. Und auch am anderen Ende der Ska- la haben wir uns verbessert. 2013 verließen in Bonn nur noch 153 Jugend-liche (2,8 Prozent) von rund 5000 insgesamt die Schule ohne 4
2009 2014 Kindergartenplätze U 3 2181 3 396 Kindergartenplätze 9 467 11 408 OGS-Plätze 5 018 7 441 Arbeitsplätze 150 752 163 663 Arbeitsplätze mit Hochschulabschluss 20,8% 25,3% Insolvenzen 194 142 Platzierung im Städteranking des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts 9 3 Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 81 731 Euro 83 394 Euro [Platz 1 in NRW] Umsatz in der Immobilienwirtschaft 707 Mio. Euro 1,15 Mrd. Euro Vermietete Büroflächen [m2] 85 700 88 900 Hotelzimmer 3 701 4 327 Stärkster Anstieg der Bonn gehört zu den Kriminalitätsbericht Kriminalität von allen sichersten Städ- Stadten in NRW [2000] ten in Deutschland Schulden im städtischen Haushalt 1 213 213 522 Euro 1 691 241 117 Euro Wir können also festhalten: In Bonn kann man gut schafts- und Wissenschaftsstandort mit starkem arbeiten, gute Geschäfte machen, gut lernen und kulturellen Profil und Menschen aus rund 180 Na- gut leben. Dass unsere Stadt in den letzten sechs tionen. „Boomtown Bonn“ kann man gelegentlich Jahren sogar noch stärker geworden ist, das ist in den bundesweiten Blättern lesen oder ab und das Verdienst der ganzen Stadtgesellschaft, de- zu titelt dann sogar auch schon einmal eine unse- ren Bürgerinnen und Bürger in der Summe Groß- rer Zeitungen: „Wir sind der Motor NRWs“. artiges leisten. Städte über denen „Mehltau“ liegt sehen anders aus. Eigentlich wissen wir das auch,Ich nehme an, dass der Autor, der von den denn bei einer Umfrage von infas haben 98 Pro- „versenkten Projekten“ schrieb, damit das zent der Bonnerinnen und Bonner gesagt, dass WorldCCBonn und das Festspielhaus gemeint sie sich hier „wohl“ oder „sehr wohl“ fühlen. hat. Wen mein Blick auf das WorldCCBonn, das Festspielhaus und das „Hallenkonzept“ interes- Wenn es eine Stadt gibt, die mit Wandel umge- siert, der mag es in Kapitel 5 und 10 nachlesen. hen kann, dann sind wir es. Wir haben uns in un- serer 2000jährigen Geschichte immer neuen He- Ich will an dieser Stelle vorab nur Folgendes sa- rausforderungen gegenüber gesehen und haben gen. Nachdem es uns gelungen ist, den „Dämon besondere Aufgaben übernommen. Allein in den WorldCCBonn“ zu verjagen und das neue Haupt- letzten 20 Jahren haben wir einen enormen Weg gebäude des Konferenzzentrums mit einer fünf- zurückgelegt von einer überwiegend durch Mi- jährigen Verzögerung zu eröffnen wird es uns nisterien, Verbände und Behörden geprägten Be- hoffentlich genau so gehen, wie dem Bund, des- amtenstadt zu einem zukunftsorientierten Wirt- sen Bauprobleme auf derselben Meile inzwi- 5
schen fast in Vergessenheit geraten sind. Beim vom Rheinhochwasser versenkten Schürmann- Bau des Bundes, nur 100 Meter weiter, gab es vor 20 Jahren eine Verzögerung von 7 Jahren und einen 10 Jahre dauernden Rechtsstreit; mit ge- schätzten 700 Millionen Euro gilt es als eines der teuersten Gebäude der deutschen Nachkriegsge- schichte. Und der Deutsche Bundestag musste nach seinem Einzug in das gegenüber liegende neue Parlamentsgebäude 1992 wegen Baumän- geln direkt wieder ausziehen, und konnte erst ein Jahr später zurückkehren. Beim Projekt „Festspielhaus“ hätte ich mir von al- len Beteiligten einen längeren Atem gewünscht. Von der Idee bis zur Realisierung hat das Fest- spielhaus in Salzburg 30 Jahre gebraucht und bei der Oper in Sydney dauerte es sogar noch länger. Wie also geht es Bonn 2015? Was haben alle Mit- wirkenden gemeinsam erreicht? Damit meine ich die gesamte Stadtverwaltung mit rund 6000 Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern, den Stadtrat und die Bezirksvertretungen, die Wirtschaft und die gesamte Bürgerschaft mit all ihren Organisatio- nen, Institutionen, Initiativen und Vereinen. Ich hatte 2009 dem Ziel „Bonn muss stark blei- ben!“ eine zweite zentrale Wahlkampfaussage hinzugefügt: Bürgerbeteiligung stärken! Ich be- ginne daher bei den Bürgerinnen und Bürgern; sie sind das Maß aller Dinge. Ich war als von ihnen di- rekt gewählter erster Repräsentant gerne bei ih- nen und habe, neben den vielen inoffiziellen Ter- minen, rund 2500 Reden und Grußworte auf rund 3000 Veranstaltungen gehalten und die Gelegen- heit zu unzähligen Gesprächen genutzt. Ich wollte ein Oberbürgermeister sein, der den Bürgerinnen und Bürgern zuhört und der sie so umfassend wie möglich an Planungen und Entscheidungen betei- ligt. Wir alle leben nämlich davon, dass sich un- sere Bürgerschaft täglich tausendfach engagiert; sie macht den Herzschlag unserer Stadt aus. Die sehr hohe „Wohlfühlrate“ ist nur so zu erklären, dass die Menschen in Bonn einander vertrauen, miteinander arbeiten und füreinander leben. Und darum steht auch das Kapitel „Bürgerbeteiligung stärken!“ am Anfang dieses Berichts. 6
Es gab zu Beginn noch eine gewisse Reserviert- heit gegenüber einer mutig betriebenen Bürger- beteiligung vor einer Ratsentscheidung. Dabei zeigten sich doch schon früh die Entwicklungen wie eine mutige Bürgerschaft nach einer vom Stadtrat gefassten Entscheidung, dessen Ent- scheidung wieder einkassierte, z.B. in Bad Hon- nef (Nationalpark), Siegburg (Einkaufszentrum), Köln (Schauspielhaus), Hamburg (Schulreform) und Stuttgart (Bahnhof). Es ist nur klug, Bürge- 1. rinnen und Bürger vor der Entscheidung von Gre- mien möglichst umfassend zu beteiligen. So war es auch keine Überraschung, dass in einer dar- aufhin von der Universität Bonn durchgeführten qualitativen Vorstudie von 1000 im April 2010 re- präsentativ ausgewählten Bonnerinnen und Bon- Bürgerbeteiligung stärken! nern 90 Prozent die Themen nannten, die ihnen auf den Nägeln brannten und bei denen sie sich eine größere Beteiligung wünschten: Bildung, „Wer an den Dingen der Stadt keinen Festspielhaus, Finanzen, Verkehr, WorldCCBonn. Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.“ Mein Ziel, am Tag der Landtagswahl, im Mai [Perikles] 2010, auch eine Abstimmung über wichtige kom- munale Fragen zu ermöglichen, konnte ich nicht erreichen. Mehr und mehr regten sich aber inte- Am Tag meines Dienstantritts begann ich damit, ressierte Bürgerinnen und Bürger. So veröffent- wie im Wahlkampf versprochen, den Dialog zwi- lichte eine Gruppe von Innenstadtbewohnern schen Verwaltung und Bürgerschaft zu intensivie- schon im Oktober 2010 eine ganzseitige Anzeige ren und neue Formen der Bürgerbeteiligung ein- mit der Überschrift „Wem gehört der öffentliche zuführen. Dazu gehörte die sofortige Einrichtung Raum?“ und beklagte eine Reihe von Missstän- des Internet-Portals „direkt zu“, die Errichtung ei- den im City-Bereich. Ich griff dies auf und richte- ner kleinen Arbeitsgruppe zur Bürgerbeteiligung te dazu eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe in meinem Dezernat, die Einführung der Video- mit einer Ansprechpartnerin für diese Bürgerin- übertragung von Ratssitzungen und eine öffent- nen und Bürger ein. Schritt für Schritt schaff- lichen Veranstaltung 100 Tage nach Beginn mei- ten wir so eine Reihe von in der Tat vorhandenen ner Amtszeit („Ich stelle mich“). Bei „direkt zu“ Missständen ab. Ich erwähne den „Kleinen Hain“, erreichte ich bereits innerhalb der ersten Monate die mit Bäumen gestaltete Fläche zwischen Frie- über 50 000 Leser, mehr als sich bei den meisten densplatz und Bottlerplatz, die mit der Zeit verun- Bundes- oder Landespolitikern meldeten. staltet worden war. Der durch die Bäume eigent- lich mögliche, schöne Aufenthaltsbereich mitten Der Stadtrat beschloss zur politischen Beglei- in der Stadt war zugestellt worden durch eine Im- tung meiner Initiative die Einführung eines neu- bissbude, einen Stromkasten, vier Dreiecksstän- en „Ausschusses für Beteiligung der Bürgerinnen der, eine Fahrradabstellanlage und eine Telefon- und Bürger“. Die Parteien nahmen sich ebenfalls zelle. Nach und nach befreiten wir den „Kleinen des Themas an; so beschloss der SPD-Bundes- Hain“ von diesen Lasten. parteitag Ende 2009 den Ausbau der Bürgerbe- teiligung als politisches Ziel und der „Vorwärts“ Im Zuge des Ausbau unserer Bürgerbeteiligung be- berichtete zu den Aktivitäten in Bonn. Die ersten zogen wir die Bürgerschaft bei wichtigen Prozes- Vorschläge aus dem Ausschuss waren zunächst sen mehr und mehr ein, z.B. beim Lärmaktionsplan, noch verhalten und mündeten im Beschluss, bei der Spielplatzplanung, bei der Entwicklung die Bürgerinnen und Bürger zunächst zu befra- des „Behindertenpolitischen Teilhabeplans“ und gen, ob sie überhaupt gefragt werden wollen. schafften so nach und nach neue Strukturen. 7
Bürgerdialog zum Haushalt mas „Schwimmbäder“. Zu diesen Vorschlägen „Bonn packt’s an“ hat der Stadtrat allerdings bis heute keine Be- schlüsse getroffen. Bei der Bestenliste aus dem Es war ein wichtiger Schritt, dass wir in Bonn im Bereich „Natur- und Landschaftspflege“ setzten Januar 2011 zum ersten Mal eine breite Bürgerbe- sich die meisten Vorschläge mit der Übernahme teiligung bei der Aufstellung des Haushalts unter ehrenamtlicher Tätigkeiten im Bereich der Grün- dem Titel „Bonn packt´s an“ ermöglicht haben. pflege auseinander. In der Umsetzung wurden Noch im Jahr zuvor, im März 2010, hatten wir bei die städtischen Bemühungen verstärkt, Grünpa- der Vorstellung des für ein Jahr eingebrachten tenschaften zu bewerben. Zwischenzeitlich gibt Haushaltes auf das bis dahin praktizierte Verfah- es diverse gelungene Projekte; so z.B. die Com- ren gesetzt und mit 1500 Broschüren und 100 munity Gärten auf dem Gelände der Ermekeilka- Plakaten nur rund 100 Menschen bei einer Bür- serne. gerversammlung zum Haushalt erreicht. Nun, bei „Bonn packt´s an“ waren auf einmal 12 377 Beim Bürgerdialog zum Haushalt 2015/2016 Personen online dabei und auf der Internetsei- stand wieder das Thema „Konsolidierung“ im te gab es 191 000 Besucherinnen und Besucher. Fokus. 3 700 aktiv registrierte Nutzerinnen und Dazu kamen fast 3000 schriftliche Rückmeldun- Nutzer haben im November 2014 insgesamt 390 gen. Die Bürgerinnen und Bürger machten 1 494 Bürgervorschläge zum Haushalt gemacht und eigene Konsolidierungsvorschläge und verfass- diese – gemeinsam mit 25 ausgewählten Kon- ten rund 12 700 Kommentare. Die einzelnen Vor- solidierungsvorschlägen der Verwaltung – über schläge wurden mehr als 535 000 Mal bewertet. 77 500mal mit Pro, Neutral oder Contra bewer- Von den bestbewerteten 108 Bürgervorschlägen tet und rund 4 000 Diskussionsbeiträge verfasst. wurden 48 sofort umgesetzt. Von den 108 Ein- Von den 25 bestbewerteten Bürgervorschlägen sparvorschlägen der Verwaltung wurden 49 von stimmte der Stadtrat im Mai 2015 acht in vollem den Bürgerinnen und Bürgern mit Pro bewertet; Umfang zu. Weiteren acht Bürgervorschlägen 30 davon wurden umgesetzt und erbrachten eine ist grundsätzlich zugestimmt worden, der Rat Einsparung bzw. Einnahmeerhöhung von 14,5 hat hier zum Teil Änderungen oder Ergänzungen Mio. Euro. Von den 59 Vorschlägen der Verwal- vorgenommen. Vom Stadtrat abgelehnt wurden tung, die mit Contra bewertet worden waren, ka- acht Bürgervorschläge. Ein Vorschlag ist in wei- men 46 nicht zur Anwendung. Dreizehn Vorschlä- tere Beratungen verwiesen worden. Die Bürge- ge im Umfang von 12,8 Mio. Euro haben wir trotz rinnen und Bürger hatten auch die Möglichkeit, des abweichenden Bürgervotums umgesetzt, die Konsolidierungsvorschläge der Verwaltung zu weil wir sonst die volle Einflussmöglichkeit auf die bewerten. Die am stärksten positiv bewerteten Gestaltung unserer Finanzen an die Aufsichtsbe- Verwaltungsvorschläge werden seitdem im We- hörde im Nothaushalt verloren hätten; wir hatten sentlichen umgesetzt. Dies sind Vorschläge wie aber so im Verfahren erstmals eine Chance, un- „Erhöhung der Vergnügungssteuer auf Geldspiel- sere Entscheidung zu begründen und um Akzep- geräte“ oder „Einführung einer Bettensteuer“. tanz zu werben. Von den Verwaltungsvorschlägen, die die Bürge- rinnen und Bürger am negativsten bewertet hat- Für den Haushalt 2013/2014 registrierten sich ten, werden zum Beispiel Kürzungen im OGS-Be- rund 1 750 Teilnehmende auf dem Portal und reich oder die Schließung von Bäderstandorten machten 245 Vorschläge. Diese wurden über nicht umgesetzt. Zum Teil umgesetzt werden die 318 000 Mal bewertet. Insgesamt hatte die Inter- „Schließung von Bibliotheksstandorten“ oder die netseite rund eine halbe Million Klicks. Wir hatten Grundsteuererhöhung. zwei Produktbereiche des Bonner Gesamthaus- halts zur Beteiligung angeboten, Natur- und Land- „Bonn packt’s an“ hat sich während meiner schaftspflege und Sportförderung. Die Bürge- Amtszeit etabliert. Es ist ein niedrigschwelliges rinnen und Bürger konnten aber auch allgemein Dialogangebot zwischen den Wahlen zum städti- Spar- und Einnahmeerhöhungsvorschläge ma- schen Haushalt, das es prinzipiell jeder Bür-gerin chen. Von den bestbewerteten 25 Vorschlägen und jedem Bürger ermöglichen soll, einen Vor- im Bereich Sportförderung beschäftigten sich al- schlag oder Kommentare zu Vorschlägen abzu- lein 18 mit unterschiedlichen Facetten des The- geben. Es öffnet also ein bislang weitgehend von 8
der Öffentlichkeit unbemerktes Haushaltsplan- Projekte zu legitimieren und eine breitere verfahren und macht es resonanzfähiger für das Akzeptanz von Planungen und Entscheidun- Feedback, für Ideen und Hinweise aus der Bür- gen zu erreichen. gerschaft, insbesondere für die politisch nicht- organisierten Bevölkerungsteile. Der Stadtrat be- ■ Es ist wichtig, alle gesellschaftlichen rät die Anregungen der Bürgerschaft intensiv und Gruppen zu aktivieren und Chancengleichheit entscheidet am Ende. Die Ergebnisse werden in bei der Beteiligung zu ermöglichen. Form eines Rechenschaftsberichtes den Bürge- rinnen und Bürgern zurückgemeldet. Dieses An- ■ Bürgerbeteiligungsprozesse müssen auf gebot ist eine in die formale Haushaltsplanung Basis von – allen akzeptierten – Qualitäts- eingebettete Beteiligungsmaßnahme, die weit standards erfolgen. mehr Bürgerinnen und Bürger erreicht als jemals zuvor. Statt Repräsentativität stehen der offene ■ Bürgerbeteiligung muss Bestandteil des tägli- Dialog, der Austausch und die Entwicklung mög- chen Verwaltungshandelns sein. lichst vieler unterschiedlicher Sichtweisen sowie der offene und interaktive Wettbewerb um Vor- Um Bürgerbeteiligung zu verankern braucht es ei- schläge zum Haushalt im Vordergrund. Erfolgs- nen gemeinsamen Rahmen innerhalb der Stadt- kriterium ist dabei nicht nur die Beteiligungs- gesellschaft – am besten wird dieser Rahmen zahl, sondern ein qualifizierter Austausch über von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung gemein- gute Ideen zum Haushalt und die Debatte über sam entwickelt. 2012 bildeten wir dazu die aus die Vorschläge der Verwaltung. acht zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bür- gern, acht Mitgliedern aus der Politik und sieben Weitere Bürgerbeteiligungen mit Online-Elemen- Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern ten wurden auch zum „Masterplan Innenstadt“ zusammengesetzte Arbeitsgruppe „Leitlinien für und zum „Kulturkonzept“ sowie zur öffentlichen die Bürgerbeteiligung“. Die breite Öffentlichkeit Diskussion des Gutachtens zur Bäderlandschaft beteiligte sich per Online-Kommentierung und in in Bonn durchgeführt. Das Ergebnis der sich an- einer Bürgerwerkstatt mit ihren Ideen und Vor- schließenden repräsentativen Bürgerbefragung, schlägen. Wesentliche Zielsetzung der Arbeits- welches Hallenbad in Bonn geschlossen werden gruppe war die Entwicklung eines Rahmens und soll – nämlich das Kurfürstenbad in Bad Godes- einer Orientierung für die Bürgerbeteiligung. berg – führte allerdings nicht zu einem Ratsbe- Konkret wurden Qualitätsanforderungen an die schluss. Die Stadtverordneten aus Bad Godes- Bürgerbeteiligung in Bonn formuliert und darauf berg verweigerten ihrer Koalition aus CDU und aufbauend Ansprüche an die Gestaltung der Be- Grünen die Zustimmung zur Schließung „ihres“ teiligungsprozesse erarbeitet. Damit verbunden Kurfürstenbades. Die anderen Fraktionen be- sind Vorschläge, wie diese Prozesse konkret in gnügten sich mit der Rolle des Beobachters. der Praxis etabliert und gesteuert werden kön- nen. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe, die „Leit- linien Bürgerbeteiligung Bonn“, wurden im März Leitlinien für die Bürgerbeteiligung 2014 einstimmig vom Rat der Stadt Bonn verab- schiedet. Als eine von ganz wenigen Städten in Meinem Ansatz einer integrativen und nachhal- Deutschland kann Bonn die Bürgerbeteiligung tigen Bürgerbeteiligung lagen von Anfang an fol- auf dieser Grundlage integriert und nachhaltig gende Leitgedanken zu Grunde: angehen. Das Fundament und der Rahmen für die künftige Umsetzung der Bürgerbeteiligung ■ Partizipation stellt ein zentrales Element sind 10 Qualitätskriterien für gute Bürgerbetei- kommunaler Demokratie dar. ligung. Diese werden für alle rechtlich veranker- ten und freiwilligen Bürgerbeteiligungsprozesse ■ Ziel ist es, die kommunale Beteiligungskultur in Bonn gelten. Mit einer Vorhabenliste wird zu- weiterzuentwickeln, um Entscheidungen in dem sichergestellt, dass die Einwohnerinnen und einem gemeinsamen Diskurs auf eine brei- Einwohner frühzeitig von den relevanten Vorha- tere Basis zu stellen und Projekte weiter zu ben in Bonn erfahren. Ein „Beirat Bürgerbeteili- qualifizieren. Darüber hinaus geht es darum, gung“, dem paritätisch besetzt Vertreterinnen 9
und Vertreter aus Einwohnerschaft, Politik und che Beteiligungs-Basisinfrastruktur mit ständig Verwaltung angehören, begleitet die Initiierung, freigeschalteten und nutzbaren Beteiligungska- Umsetzung und Evaluation aller Beteiligungspro- nälen bereit. Die Dialogplattform beinhaltet da- zesse. Die Leitlinien für die Bürgerbeteiligung ver- rüber hinaus in verschiedenen Ausbaustufen stehen sich als lernendes System, das sich durch erweiterbare Beteiligungsmodule, wie zum Bei- Evaluation kontinuierlich weiterentwickelt. Inhalt- spiel Umfragen, um der Stadt Bonn zu ermögli- lich setzen die Leitlinien auf ein kooperatives Rol- chen, kurzfristig zu politischen Fragestellungen lenverständnis zwischen Politik, Verwaltung und oder Konzeptpapieren Bürgerinnen und Bürger Bürgerschaft. Das bedingt Wertschätzung, Of- als Hinweis - und Feedbackgeber einzubinden. fenheit und Lernbereitschaft auf allen Seiten. So ist auch vorgesehen, über die Dialogplattform besonders interessierte Bürgerinnen und Bürger Partizipationsportal in Form von Bürgerpanels wiederholt zu gleichen (um Entwicklungen und Veränderungen zu beob- Das 2015 eingerichtete Partizipationsportal achten) oder unterschiedlichen Themen einzubin- „Bonn macht mit“ ist letztlich die Konsequenz den und somit eine nachhaltige Bindung zu dieser aus der Entwicklung eines Leitbildes für die Bür- aktiven, partizipations- und engagierten Bürger- gerbeteiligung. Es ist das Forum für die sich aus schaft aufzubauen. Ich freue mich, dass wir das der Umsetzung der Leitlinien ergebenden Anfor- mir besonders wichtige Ziel erreicht haben, näm- derungen an Information und Dialog für und mit lich bedeutende Vorlagen der Verwaltung für den den Bürgerinnen und Bürgern. Die Einrichtung Stadtrat zunächst einer online-Abfrage bei einer dieser Dialogplattform als zentrale Anlaufstelle dafür ausgewählten repräsentativen Gruppe von für Bürgerbeteiligung ist ein wichtiger Zwischen- 1000 Bürgerinnen und Bürgern zuzuführen. Mein schritt hin zu einer integrierten und nachhaltigen Nachfolger hat nun die Möglichkeit dieses Instru- Bürgerbeteiligung. Hier wird über alle Bürgerbe- ment einzusetzen. teiligungsaktivitäten und -angebote der Stadt Bonn – auch via Newsletter im Sinne eines „Be- Neben den 63 Bürgersprechstunden, in denen teiligungs-Alert“ und Social Media – informiert ich rd. 400 längere Gespräche führen konnte, er- bzw. auf bestehende Informations- und Beteili- freuten sich vor allem das erwähnte „direkt zu- gungsangebote verwiesen. Die Informations- und Portal“ bzw. das auf dem im Januar 2015 an den Transparenzfunktionen der Dialogplattform er- Start gegangene Bonner Bürgerbeteiligungspor- füllt die in ständiger Weiterentwicklung befindli- tal „Bonn macht mit“ eingerichtete Modul „Frag chen Open-Data-Anforderungen, indem die Dia- den OB“ großer Beliebtheit. Seit der Freischal- logplattform zukünftig auch Schnittstellen zum tung der Plattform „direkt zu“ im Januar 2010 Export maschinenlesbarer Daten zu laufenden und der Weiterführung auf „Frag den OB“ seit Ja- oder abgeschlossenen Beteiligungsereignissen nuar 2015 wurden insgesamt rd. 1,2 Mio. Lese- (Statistiken und anonymisierte Teilnehmerbeiträ- rinnen und Leser gezählt. 333 Beiträge wurden ge) anbieten kann. Neben den bereits vorhande- eingereicht, 16 421 Stimmen zu ihrer Wertung ab- nen stets erreich- und nutzbaren Bürgerservices gegeben. Insgesamt sind bisher 287 Antworten wird den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt (3 Top-Anliegen alle 14 Tage) in die Portale einge- Bonn mit der Dialogplattform auch auf der darü- stellt worden. Diese Antworten erreichten, neben ber liegenden Beteiligungsebene die Möglichkeit den über 1,2 Mio. Leserinnen und Lesern, insbe- eröffnet, sich jederzeit in politisch-administrative sondere die 14 465 Bürgerinnen und Bürger, die Prozesse einzubringen, auf aktuelle Themen un- diese Anliegen zuvor mit ihrer Pro-Stimme unter- mittelbar zu reagieren oder eigene Themen auf stützt hatten. die Agenda zu setzen. Es ist nun möglich, die öf- fentliche Diskussion professionell darzustellen Fachbereich Bürgerbeteiligung und einen tatsächlichen Dialog im Rahmen der und Fortbildung e-Partizipation zu gewährleisten. Die Dialogplatt- form stellt damit – neben in der Regel größeren Der Fachbereich Bürgerbeteiligung ist inzwi- und personell aufwändiger betreuten, mode- schen anerkannter, zentraler Ansprechpartner rierten und medienübergreifenden Beteiligungs- der Verwaltung für informelle Bürgerbeteiligungs- verfahren wie etwa zum Haushalt – eine einfa- verfahren als Querschnittsaufgabe der Gesamt- 10
verwaltung. Das heißt konkret, dass der Fach- von Einrichtungen) zeigten wir die Vielfalt, wie bereich die Ämter in ihren jeweiligen Vorhaben bürgerschaftliches Engagement in unserer Stadt berät und unterstützt, die Federführung und die ihren Ausdruck findet. Durchführung von Maßnahmen jedoch bei den Fachämtern verbleibt. Der Fachbereich Bürger- Bürger-Zukunftsforum und beteiligung initiiert federführend Projekte unter Perspektivwerkstatt dem Aspekt der Entwicklung, Erprobung und Ko- ordination von neuen Maßnahmen zur informel- Bereits nach dem erfolgreichen Verlauf des Bür- len Bürgerbeteiligung. Der Fachbereich ist auch gerforums 2011, einer Initiative des damaligen bundesweit gefragter Ratgeber zu Fragen der Bundespräsidenten und der Heinz-Nixdorf-Stif- Bürgerbeteiligung. Insbesondere die Themen tung, in dem auch Bonner Bürger gemeinsam mit „Bürgerdialog zum Haushalt“, „Leitlinien Bürger- Vertretern aus 24 anderen bundesweit ausge- beteiligung“ und „Partizipationsportal“ stoßen wählte Städte und Landkreise ein bundesweites auf großes Interesse und sind für viele Kommu- „Bürger-Zukunftsprogramm“ entwickelt hatten, nen beispielgebend. Der Fachbereich vertritt die entstand die Idee, in einer Folgeveranstaltung Stadt Bonn in den bundesweiten Netzwerken gleichen Formats die wichtigsten Zukunftsthe- „Bürgerbeteiligung“, „Bürgerhaushalt“ und „Par- men Bonns auf lokaler Ebene mit den Bürgerin- tizipationsbeauftragte“, hat im „Innovationsdia- nen und Bürgern zu diskutieren. log Bürgerbeteiligung“ der Bertelsmann-Stiftung die Broschüre „Bürger beteiligen – ein Leitfaden Etwa zur gleichen Zeit meldete sich im Mai 2011 für eine neue Beteiligungskultur in Behörden“ mi- eine Initiative aus Wirtschaft, Gewerkschaften, tentwickelt und ist als Praxispartner im Vorstand Kirchen und Sozialverbände bei mir und über- des Fortschrittskollegs „E-Partizipation“ des Lan- reichte mir den gemeinsamen Aufruf „Für Bonn“. des Nordrhein-Westfalen. Er steht außerdem in Dort hieß es: „Wir brauchen eine gemeinsame engem Kontakt mit allen Fachbereichen der Ver- Anstrengung aller, um die Lähmung aufzuheben, waltung, zu deren Arbeit Bürgerbeteiligungspro- um den Nebelschleier von der Stadt zu ziehen zesse gehören, z.B. im Bereich der Bauplanung. und wieder zu der gemeinsamen Motivation zu- rückzufinden. Der Strukturwandel ist ins Stocken Eine stärkere Bürgerbeteiligung kann nur gut um- geraten. Es entsteht der Eindruck, dass es nicht gesetzt werden, wenn die rund 6 000 Mitarbeite- vorangeht; fast wirkt die Stadt wie gelähmt. Zu- rinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung auch rückzuführen ist das wesentlich auf das Projekt davon überzeugt sind, dass dieser Weg richtig ist. World Conference Center Bonn. Die bei der Um- Bei meiner „Aktion Schatzkiste“, mit der im am setzung dieses Projektes gemachten Fehler und ersten Tag meiner Amtszeit ein Signal in die Ver- Versäumnisse gefährden die städtischen Finan- waltung gesandt und um Verbesserungsvorschlä- zen, beschädigen den Ruf der Stadt und vergiften ge zur Verwaltungsstruktur gebeten hatte, hoben das innerstädtische Klima. Bonn braucht eine Vi- die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst einen sion als Wegweiser seiner Entwicklung, als Per- verbesserten „Bürgerservice“ unter die TOP 10 spektive für das politische und gesellschaftliche der insgesamt 153 Vorschläge. Handeln. Nehmen Sie die Politikerinnen und Po- Daran anknüpfend gelang es, auf allen Verwal- litiker im Rat beim Wort - sie haben mit ihrem tungsebenen die besondere Bedeutung der Bür- Wahlmandat einen Gestaltungsauftrag übernom- gerbeteiligung bewusst zu machen und durch men, den es nun einzulösen gilt.“ eine Reihe von Maßnahmen mit Leben zu füllen. Ich dankte den Initiatoren sehr herzlich. So widmeten wir 2015 die jährliche Themenwo- che unserer Fortbildungsaktivitäten gezielt dem Im Juni 2012 legte ich mit dem Verwaltungsvor- Bereich „Bürgerschaftliches Engagement“ und stand das Papier „Zukunft Bonn“ vor. Einen Mo- boten gemeinsam mit unserer Freiwilligenagen- nat später folgte ein weiteres Papier aus dem be- tur viele Veranstaltungen an, in denen die un- reits 2011 in Erscheinung getretenen Bündnis aus terschiedlichen Facetten bürgerschaftlichen Vertretern der Kirchen, Sozialverbände, Gewerk- Engagements dargestellt wurden. In rund 40 Ver- schaften und Wirtschaft mit dem Titel „Vision anstaltungen (Vorträgen, workshops, Schnuppe- Bonn 2025“. Mein Ziel war es, die beiden umfang- rangebote, Markt der Möglichkeiten, Vorstellung reichen Papiere in einer großen Bürgerwerkstatt 11
zusammenzuführen. Es freut mich sehr, dass mit Sachinformationen des Presseamtes er- die Stadt Bonn im Wettbewerb „Zukunftsstadt“, scheint mehrfach in der Woche und erreicht eine der vom Bundesministerium für Bildung und For- hohe Zahl von Abonnenten. schung im Rahmen des „Wissenschaftsjahres Meine etwa 600 Tweets erreichten zuletzt jeweils 2015“ durchgeführt wird, auch deswegen als Teil- 1 261 Follower. Über die Netzwerke bei „Face- nehmerstadt ausgewählt wurde, weil der Bonner book“ mit etwa 5000 „Freunden“, „Xing“, „Yasni“ Weg zur Etablierung einer stärkeren Bürgerbe- und „Linkedin“ sowie über die private Homepage teiligung für vielversprechend gehalten wird. Im nimptsch.de verfolgen regelmäßig mehrere tau- Rahmen dieses Wettbewerbs wird ab September send Menschen meine Arbeit. 2015 nun auch die „Bürgerwerkstatt“ als „Bürger- Zukunftsforum“ durchgeführt. 300 repräsentativ Ein Ergebnis stärkerer Beachtung der Bedürfnis- ausgewählte Bürgerinnen und Bürgern werden se von Bürgerinnen und Bürgern war auch die Ein- auf der Grundlage der beiden Strategiepapiere führung eines neuen Beschwerdemanagements, „Zukunft Bonn – Überlegungen zur Entwicklung nämlich die Einrichtung einer Ombudsstelle. Als der Bundesstadt Bonn“ und „Vision Bonn 2025“ letzte interne Instanz, Differenzen zwischen der ein neues Leitbild Vision Bonn 2030+ entwickeln, Verwaltung und einzelnen Bürgerinnen und Bür- das von einem breiten Querschnitt der Bevölke- gern über eine konkrete Entscheidung auszuräu- rung mitgetragen wird. men, haben wir eine Reihe von unabhängigen Expertinnen und Experten aus verschiedenen 2015 begannen wir, zugeschnitten auf die Bedürf- Bereichen gewinnen können, die bei konkreten nisse des Ortes, eine „Perspektivwerkstatt“ in Anliegen in ein unabhängiges Prüfungsverfahren Bonn-Buschdorf. Ziel ist hier, die die Bürgerinnen einsteigen und zwischen den Beteiligten vermit- und Bürger unmittelbar vor Ort betreffenden Fra- teln, bevor möglicherweise sonst der Rechtsweg gen und Probleme zu ermitteln und gemeinsam als letztes Mittel eingesetzt wird. nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, bzw. die- se vorzustellen. Die „Perspektivwerkstatt Busch- Auch zukünftig wird vieles in unserer Stadt nur dorf“ hat konkrete Vorschläge zur Verbesserung möglich gemacht werden können, wenn ihr bzw. Weiterentwicklung in den Bereichen Ver- „Herzschlag“, das bürgerschaftliche Engagement kehr, Baumaßnahmen und bürgerschaftlichem im Ehrenamt, weiter funktioniert. Die öffentliche Engagement entwickelt. Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engage- ments und Förderung des Ehrenamtes bleibt da- Verschiedenes her sehr wichtig. Dies gilt uneingeschränkt und in gleicher Weise für jede ehrenamtliche Tätigkeit Mit der Plattform anliegen.bonn.de haben wir und jede Organisation, die dieses koordiniert. Ih- nach der Einführung im Oktober 2014 und einer nen allen sei von Herzen gedankt, vor allem den Erweiterung des Angebots im Juli 2015 bereits inzwischen 2 000 Menschen, die sich bei der in 5000 Menschen erreicht, die sich sehr konkret meiner Amtszeit ausgeweiteten Ehrenamtsagen- online zu den dort gelisteten Beschwerdeberei- tur gemeldet haben und von dort aus eingesetzt chen (z.B. Wilde Müllkippe, Grünüberwuchs im werden. Inzwischen haben wir 1 000 besonders Verkehrsraum, verstopfter Gully, Farbschmie- engagierte Ehrenamtliche mit der Ehrenamtskar- rereien, herrenlose Fahrräder, defekte Straßen- te auszeichnen können, womit kleine Vergünsti- schilder, Ampeln, Laternen, Kanaldeckel) geäu- gungen, z.B. bei Eintrittsgeldern verbunden sind. ßert und auf diese Weise mit für Abhilfe gesorgt haben. In diesem Zusammenhang will ich drei Bereiche Nichts aber ist besser als der persönliche Kon- benennen, deren bedeutsame und auch zahlen- takt. Ich habe mich bei jedem meiner 2 857 Ter- mäßig besonders wichtige ehrenamtliche Arbeit mine bis zum 30.06.2015 gefreut, dass ich als Re- nach meiner Wahrnehmung nach wie vor nicht präsentant der Stadt insgesamt mehr als 100 000 hinreichend genug gewürdigt wird. Dies betrifft interessierten Menschen begegnet bin und die vor allem die Kirchen, die große zweistellige Mil- Gelegenheit zu unzähligen Gesprächen wahrneh- lionenbeträge in den Unterhalt von Kinderta- men konnte. gesstätten, Schulen, sozialen Einrichtungen und Der neu eingeführte städtische online-newsletter Krankenhäusern einbringen. Ohne diese Ange- 12
bote und vor allem, ohne die auch dort in riesi- gem Umfang geleistete ehrenamtliche Arbeit, könnten wir unsere Standards nicht halten. Wir nehmen das kirchliche Engagement als zu selbst- verständlich an; es verdient mehr Dank und Aner- kennung als unsere Gesellschaft laut ausspricht. Dies betrifft auch den Sport und seine rund 80 000 Vereinsmitglieder; die ehrenamtliche Ar- beit in diesen Vereinen mit hunderttausenden von Stunden ist besonders für die Persönlich- keitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen von unschätzbarem Wert für unsere Stadt. Hier sollten wir alle miteinander besonders laut „Dan- ke“ sagen. Und es betrifft einen dritten Bereich, den Karneval, der 2015 offiziell als immaterielles Kulturerbe anerkannt wurde. Die vielen hundert Vereine in Bonn erbringen mit ihrem starken eh- renamtlichen Engagement eine großartige Integ- rationsleistung und tragen mit vielen freudvollen Veranstaltungen zur Steigerung unseres „Brutto- inlandsglücks“ bei. Aktuell zeigt sich bei der Betreuung von rund 3 000 Flüchtlingen in unserer Stadt wieder ein- mal, dass wir tatsächlich füreinander da sind, wenn es Not tut. 13
Dramatisierungen dieser Art beruhen auf Un- kenntnis der tatsächlichen Situation. Die Detecon-Tochter musste 2011 von Bonn nach Köln umziehen, weil die Telekom diese Flächen für sich selbst brauchte, denn sie erhöhte in mei- ner Amtszeit die Zahl der Arbeitsplätze in Bonn von 14 208 im Jahr 2010 auf 16 204 Beschäftig- te im Jahr 2015; in Köln hingegen besaß sie im Jahr 2011 leer stehende Immobilien. Unter dem 2. Strich verlor Bonn also keinen einzigen Arbeits- platz, sondern gewann viele hinzu. Als die Haribo-Führung mir 2012 erstmals ihre Expansionspläne vorstellte und einen Flächenbe- Bonn ist noch stärker darf von 27 Hektar (38 Fußballfelder) anmeldete, prüften wir in einer eigens gegründeten ämterü- geworden – die wirtschaft- bergreifenden „Projektgruppe Haribo“ alles, was liche Entwicklung auch nur irgendwie möglich schien, auch unter Einbeziehung von Flächen der Nachbargemein- den. Wir erwogen sogar, um das Gelände des „Et bliev nix wie et wor.“ „Wissenschaftsparks“ in Pützchen herum, rechts und links der Autobahn, weitere Flächen zu er- [„Sei offen für Neuerungen!“, Art. 5, Rheinisches Grundgesetz] schließen, eine Autobahnüberbauung (!) zuzulas- sen, kamen aber nicht auf die geforderte Größe. Am Ende war klar, dass es überhaupt nur zwei Seit 2009 ist die Zahl der Arbeitsplätze in Bonn Flächen in der Großregion gab, die den Anforde- in jedem Jahr im Durchschnitt um rund 2 600 an- rungen entsprachen: in Euskirchen und in Graf- gestiegen; zeitweise war Bonn die einzige Stadt schaft. Grafschaft machte das Rennen. in Nordrhein-Westfalen mit einem Wirtschafts- Die Zurich-Versicherung entschied sich am Ende wachstum. Wirtschaftsfachleute in der Wissen- einer intensiven Beratung, Begleitung und Unter- schaft preisen dies ein und so kletterte Bonn im stützung durch die Wirtschaftsförderung zur Zu- Städteranking des Hamburger Weltwirtschafts sammenführung der beiden Standorte in Bonn instituts (HWWI) von Platz 9 in 2008 auf jetzt und Köln für Köln, wo sie 2017 in der Nähe von Platz 3 in Deutschland. Messe, ICE-Bahnhof und Autobahnan-schluss ein Gebäude anmieten wird. Wir hatten bei der Wer- In den Zuwachs von rund 15 000 Arbeitsplätzen bung für Bonn mit einem Investor in einer Anima- in sechs Jahren waren gelegentlich auch Verluste tion unter anderem ein tolles neues Gebäude auf einzurechnen. Drei größere Unternehmen erklär- dem Gelände des frei werdenden Bonn-Centers ten, ihren Standort zu verlagern und ganz oder präsentiert; ein großes „Z“ stand auf dem Dach teilweise aus Bonn wegzuziehen, wie die Detecon, in Sichtweite zu den Zeichen der UN, der Deut- die Zurich-Versicherung und Haribo. Die Bevor- schen Post DHL und der Telekom und mit dem zugung von Negativ-Meldungen führte an diesen Rhein und dem Siebengebirge im Hintergrund – Stellen zu Aussagen wie: „Bankrotterklärung für wir boten also einen Ort für eine neue Landmar- die Bonner Wirtschaftsförderung“, „Eklatantes ke unter Global Playern. Wenige Monate später Versagen der Stadtspitze“, „Wirtschaft fordert kündigte der zweitgrößte Erstversicherer „Ge- ein eigenes Dezernat“, „Investoren und ansässige nerali“ an, seine Konzernzentrale von Köln nach Unternehmen müssen die Wirtschaftsförderung München zu verlegen. Unternehmen entscheiden stärker als Lotse wahrnehmen können“, „Bei der eben nach Abwägung vieler Kriterien, auf die eine Bonner Wirtschaftsförderung fehlt eine Schnitt- einzelne Wirtschaftsförderung, selbst im Zusam- stelle, die die verschiedenen Fachämter zusam- menwirken mit dem Wirtschaftsministerium des menbringt und koordiniert“. Landes, oft keinen Einfluss hat. 14
Ich will vor dem Hintergrund der oft auf Unkennt- Beispiel schon wissen, dass wir uns zur Durch- nis beruhenden Kritik an der Wirtschaftsförde- setzung unternehmerischer Bauvorhaben auch rung die Gelegenheit wahrnehmen und schildern, schon mal mit der Kommunalaufsicht zum Woh- wie das Amt für Wirtschaftsförderung arbeitet. le unserer Stadt heftig auseinandersetzen oder dass wir, um die Zufahrt zu einem Unternehmen 2007 landete Bonn in einer Studie der „Wirt- zu erleichtern, schon einmal Verkehrswege än- schaftswoche“ bei 50 untersuchten deutschen dern? Als die IHK-Vertreter erkannten, dass wir Städten in der Wirtschaftsfreundlichkeit nur an tausend Stellen helfen konnten – und dafür auf Platz 43. Aus dieser Zeit stammt auch eine mit Neuansiedlung oder Standorterweiterung be- Studie an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg, lohnt wurden – bot uns die IHK an, „Praxisbei- die im Auftrag der Industrie- und Handelskam- spiele“ dieser Art regelmäßig in ihrer Zeitschrift mer die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft zu veröffentlichen. Wir haben dieses Angebot und Verwaltung untersucht hatte. Die befrag- gerne angenommen und werden zukünftig nicht ten Unternehmen benannten im Abschnitt „Ver- nur Gutes tun, sondern auch mehr darüber reden. besserungspotenzial“ drei Sofortmaßnahmen: Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, Dazu gehört auch, mit Stolz auf die Auszeichnun- Einführung der Lotsenfunktion und Arbeit als gen zu verweisen, die wir für unsere Arbeit im Be- One-Stop-Agency (einheitlicher Ansprechpart- reich der Wirtschaftsförderung erhalten haben: ner). Die Stadtverwaltung war gefordert. Die Geo-Informationsinitative der Region Bonn wurde 2015 mit dem weltweiten Preis „Geospa 2008 begann der Umbau der Bonner Wirtschafts- tial Business Hub of the Year“ ausgezeichnet und förderung. Zielsetzung war es, unternehme 2014 wurde unser „Bündnis für Fachkräfte“ für rische Anliegen noch intensiver zu koordinieren seine Arbeit im Bereich der Nachwuchskräfte- und zu begleiten. Das Team des Service Cen- sicherung mit dem Preis „Innovatives Netzwerk ter übernimmt seither, wenn vom Unternehmen 2014“ des Bundesministeriums für Arbeit und So- gewünscht, die Funktion als erste Anlaufstelle ziales ausgezeichnet. für alle Fragen bezüglich Existenzgründung, Be- standsqualifizierung, Neuansiedlung oder Arron- Als oberster Wirtschaftsförderer war ich in vielen dierung innerhalb der Stadt Bonn. Die Bilanz des persönlichen Kontakten erster Ansprechpartner Service Centers Wirtschaft als Partner in unter- für die Chefetage der Unternehmen und führte nehmerischen Fragestellungen seit 2009 weist dazu unter anderem 75 offizielle Unternehmens- aus, dass die vielfältigen Angebote angenommen besuche durch. Innerhalb der Verwaltung brach- werden und zu Ansiedlungen oder Erweiterungen te dies die Aufgabe mit sich, mitunter auch un- führen. Bei den Ansiedlungs- und Investitionsvor- terschiedliche Sichtweisen zu vereinen und im haben stieg die Zahl der Beratungen zwischen rechtlich zulässigen Rahmen Abwägungsent- 2010 und 2014 um rund 70 Prozent auf 191 im scheidungen zu treffen, bei denen zum Beispiel letzten Jahr und auch bei den Bestandsunterneh- Aspekte der Wirtschaftsförderung, des Planungs- men war im gleichen Zeitraum eine leichte Stei- rechts, Verkehrsfragen oder Umweltbelange zu- gerungsrate um rund 10 Prozent zu verzeichnen. sammenzuführen waren. Es war nicht mehr viel nachzusteuern, als ich Mit dafür zu sorgen, dass 2009 neue sozialver- 2009 ins Amt kam. Bonn hat heute die Art von sicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden, moderner Wirtschaftsförderung, wie sie gerne war angesichts einer nachwirkenden Weltwirt- gefordert wird. Als ich bemerkte, dass wir es also schafts- und Finanzkrise nicht einfach und be- vor allem mit einem Kommunikationsproblem zu deutete eine besondere Herausforderung. Wir tun hatten, habe ich mich 2014 mit der Leiterin hatten im Rahmen unserer Einflussmöglichkei- des Amtes für Wirtschaftsförderung und der ten die Aufgabe, alles zu tun, was die Attraktivi- Chefetage der IHK zusammengesetzt und wir ha- tät unseres Standortes erhält, ja vielleicht sogar ben die vielen Mosaiksteine erfolgreicher Arbeit steigern konnte. Wir mussten zeigen, dass wir zusammengetragen, die sich von außen gar nicht trotz aller Turbulenzen um uns herum, unsere Fi erkennen lassen, über die man aber offenbar nanzen „im Griff“ hatten, selbst an der richtigen auch von Zeit zu Zeit reden muss. Wer kann zum Stelle investieren und die hervorragende Poten- 15
ziale in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, nehmen und eine gegenüber 2009 (194) stark Internationales, Bundesstadt und Kultur, die sich rückläufige Zahl von Insolvenzen in 2014 (142) gegenseitig ergänzen, auch als Wettbewerbsfak- weist auf ein gesundes Wirtschaftsklima hin. Bei tor einsetzen. den freiberuflichen Gründungen war Bonn im Städtewettbewerb mit rund 1 000 Gründungen Erste Erfolge sahen wir bereits im Juni 2011. im Jahr 2014 (48,6 Gründungen je 10 000 Ein- IT.NRW bescheinigte uns, dass wir als einzige Stadt wohner) bundesweit führend. Hier war es außer- in Nordrhein-Westfalen positiv aus der allgemei- ordentlich hilfreich, dass wir 2011 unser eigenes nen Wirtschaftskrise herausgekommen waren. Gründungszentrum für wissensbasierte Dienst- Während allerorten das Bruttoinlandsprodukt leistungen gegründet haben, das schon zu Be- um 4,4 Prozent gesunken war, war es in Bonn um ginn fast alle Einheiten vermieten konnte. 0,8 Prozent gestiegen. Zur eingangs zitierten „Larmoyanz“ bestand schon damals überhaupt Man vertraut wieder darauf, dass man in unserer kein Anlass. wachsenden Stadt investieren kann und Immo- bilien hier auch langfristig eine gute Geldanlage 2013 landeten wir beim Prognos-Zukunftsatlas, sind. Viele Investoren, Geldanleger, z.B. Versor- der nicht nur die Wirtschaftskraft, sondern die gungskassen, kaufen oder bauen Häuser in Bonn. „Zukunftsaussichten“ der Stadt in allen Berei- Das kann nicht verwundern bei einem Leerstand chen bewertet, auf Platz 1 in Nordrhein-Westfa- von nur 3,5 Prozent bei den Büroimmobilien und len. Bundesweit konnten wir uns gegenüber 2007 Spitzenmieten von 16,50 Euro pro m2. Von 707 (Platz 44) deutlich verbessern (Platz 24). Mio. Umsatz und 3 404 Immobilien, die im Jahr 2010 in Bonn den Besitzer wechselten stieg der 2014 erzielten wir Ende Juni mit insgesamt Umsatz im Jahr 2014 auf 1,15 Mrd. Euro. Bei Ei- 163 663 sozialversicherungspflichtig Beschäftig- gentumswohnungen wurde im Durchschnitt ein ten einen neuen Höchststand; pro Jahr waren Preis von 3 325 Euro pro qm erzielt (+ 9 Prozent). 2 600 neue Arbeitsplätze entstanden. Ich freue Nach einer Prognos-Studie vom Juli 2015, in der mich besonders darüber, dass der Anstieg der die 402 deutschen Städte und Kreis untersucht Arbeitsplätze sich auch auf den produzierenden wurden, können Immobilienbesitzer in Bonn bis Bereich bezieht. Auch hier investierten die Global 2030 mit einer hohen Wertsteigerung ihrer Lie- Player kontinuierlich in Bonn, wie zum Beispiel genschaften rechnen. Dies bestätigte eine Stu- SGL Carbon 2011, was wir mit einem gemeinsa- die der Postbank im September 2015, nach der men Spatenstich für die größte Carbonpresse Immobilien in Bonn die besten Aussichten auf der Welt zur Herstellung von isostatischem Gra- Wertsteigerungen in ganz Nordrhein-Westfalen phit mit einem Investitionsvolumen von 75 Mio. verzeichnen und Bonn Platz 1 unter den „Immo- Euro öffentlich machten. Auch andere Unterneh- bilien Top Ten“ belegt. Bei meiner Teilnahme an men des produzierenden Gewerbes investieren den jährlichen Immobilienmessen in München und werden in Bonn weiter expandieren, wie z.B. und Cannes, fasste ich unsere Botschaft meist GKN Sinter Metals oder Fahrzeugbau Miesen, ein plakativ zusammen: Kommen Sie nach Bonn; Unternehmen, das wir in meiner Amtszeit wieder wir machen aus Beton Gold! nach Bonn zurückgeholt haben. Auch hier gilt, dass die Entscheidungen einzelner Unterneh- Unser eigentliches Kapital aber sind die über- men, die Zahl der Beschäftigten in den kommen- durchschnittlich vielen gut ausgebildeten Men- den Jahren zu reduzieren, wie dies offenbar bei schen. Sie erarbeiten ein Bruttoinlandsprodukt SGL Carbon und Step-G der Fall sein wird, nicht pro Kopf von 83 394 Euro, das ist der höchs- gleich als „Hiobsbotschaft für den Industries- te Wert in Nordrhein-Westfalen und sie haben tandort Bonn“ bezeichnet werden sollten, son- nach Angaben des Statistischen Bundesamtes dern als das was es ist: die Entscheidung eines und von Krankenkassen auch noch eine geringe- einzelnen Unternehmens zu seinem eigenen Pro- re Krankenquote als dies in anderen Städten ver- fit, nicht aber eine Trendwende des gesamten Ar- zeichnet wird. Da für 25,3 Prozent der Arbeits- beitsmarktes. plätze in Bonn ein Hochschulabschluss erwartet wird – das ist doppelt so viel wie anderswo - ist Ein Gewerbesaldo von zuletzt 268 neuen Unter- es gut, dass fast ein Drittel unserer Einwohner 16
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