Vergleich der Geburtseinleitungsmethoden Wehencocktail' und oral appliziertes Misoprostol' im Hinblick auf Effektivität, fetales Outcome und ...

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Vergleich der Geburtseinleitungsmethoden Wehencocktail' und oral appliziertes Misoprostol' im Hinblick auf Effektivität, fetales Outcome und ...
Universitätsklinik Ulm
           Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
                  Prof. Dr. med. Wolfgang Janni

     Vergleich der Geburtseinleitungsmethoden
‚Wehencocktail‘ und ‚oral appliziertes Misoprostol‘ im
    Hinblick auf Effektivität, fetales Outcome und
 Geburtsmodus – eine unizentrische, retrospektive
                           Analyse

                 Dissertation zur Erlangung des
                    Doktorgrades der Medizin
          der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm

                          vorgelegt von

                          Anne Wycislo

                     geboren in Waiblingen

                              2019
Vergleich der Geburtseinleitungsmethoden Wehencocktail' und oral appliziertes Misoprostol' im Hinblick auf Effektivität, fetales Outcome und ...
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth

1. Berichterstatter: Prof. Dr. Katharina Hancke

2. Berichterstatter: Prof. Dr. Tatiana Syrovets

Tag der Promotion: 17.07.2020
Meine Promotion widme ich den drei wichtigsten Menschen in meinem Leben: meinem
Ehemann und meinen beiden Söhnen. Ohne eure Unterstützung, Liebe und Verzicht wäre
diese Arbeit nie zustande gekommen.

Ich liebe euch!
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

 Inhaltsverzeichnis                                                                      I
 Abkürzungsverzeichnis                                                               III
 1.                  Einleitung                                                          1
        1.1.         Einführung in die Thematik                                          1
        1.1.1.       Definition und epidemiologische Daten                               1
        1.1.2.       Die physiologische Schwangerschaft                                  1
        1.1.3.       Die physiologische Geburt                                           3
        1.1.4.       Formen der Analgesie subpartu                                       4
        1.1.5.       Diagnostik postpartaler kindlicher Adaption                         4
        1.2.         Indikation und Kontraindikation der Geburtseinleitung               6
        1.3.         Methoden der Geburtseinleitung                                  11
        1.3.1.       Mechanische Methoden                                            11
        1.3.2.       Medikamentöse Methoden                                          11
        1.3.3.       Alternative Methoden                                            13
        1.4.         Ziel der Arbeit                                                 14
 2.                  Material und Methoden                                           15
        2.1.         Aufbau der Studie                                               15
        2.1.1.       Patientenkollektiv                                              15
        2.1.2.       Einschlusskriterien                                             15
        2.1.3.       Ausschlusskriterien                                             15
        2.1.4.       Datenerhebung und Dokumentation                                 16
        2.1.5.       Einleitungsschema Misoprostol                                   18
        2.1.6.       Einleitungsschema Wehencocktail und Rezeptur                    18
        2.2.         Statistik                                                       19
 3.                  Ergebnisse                                                      20
        3.1.         Übersicht Patientenkollektiv                                    20
        3.2.         Demografische Daten                                             20
        3.3.         Primäre Endpunkte                                               21
        3.3.1.       Fetal Outcome                                                   21
        3.3.1.1 APGAR 1/2/3: Vergleich Mittelwerte M/W                               21
        3.3.1.2      pH-Wert: Vergleich Mittelwerte M/W                              22
        3.3.1.3      Base Excess (mmol/l): Vergleich Mittelwerte M/W                 22
        3.3.1.4      Mekonium im Vergleich M/W                                       23
        3.3.2.       Effektivität                                                    23
        3.3.2.1      Dauer EP: Vergleich Mittelwerte M/W                             23
        3.3.2.2      Dauer AP: Vergleich Mittelwerte M/W                             24
        3.3.2.3      Intervall: Vergleich Mittelwerte M/W                            24
        3.3.2.4      Vergleich der Art und Anzahl weiterer ELV nach frustraner
                     Einleitungmit M/W                                               25
        3.3.3.       Geburtsmodus                                                    28

Dissertation Anne Wycislo                                                        I   |
Inhaltsverzeichnis

        3.3.3.1      Vergleich Spontanpartus M/W                                  28
        3.3.3.2      Vergleich Sectio M/W                                         28
        3.3.3.3      Vergleich Notsectio M/W                                      29
        3.3.3.4      Vergleich vaginal-operativer Partus M/W                      29
        3.4.         Sekundäre Endpunkte                                          30
        3.4.1.       Subpartal unterstützende Maßnahmen (PDA/ODT)                 30
        3.4.1.1      Vergleich PDA bei M/W                                        30
        3.4.1.2      Vergleich ODT M/W                                            30
        3.4.2.       Indikation bei operativen Maßnahmen                          31
        3.4.2.1      Pathologisches CTG                                           31
        3.4.2.2      Geburtsstillstand                                            32
        3.4.2.3      Fetale Bradykardie                                           32
        3.4.2.4      Fetomaternales Missverhältnis                                33
        3.4.2.5      Amnioninfektsyndrom                                          33
        3.4.2.6      Weitere Indikationen im Überblick                            34
        3.4.3.       Subgruppenanalyse: Vergleich W1/W2                           35
        3.4.3.1      Übersicht                                                    35
        3.4.3.2      Ergebnisse Subgruppen                                        36
 4.                  Diskussion                                                   37
        4.1.         Vergleich der Geburtseinleitung mit Misoprostol und dem
                     rizinusbasierten Wehencocktail: primäre Endpunkte            37
        4.1.1.       Dauer und Effektivität der Geburtseinleitung                 37
        4.1.2.       Peripartale Morbidität und Mortalität                        38
        4.1.3.       Geburtsmodus                                                 39
        4.2.         Sekundäre Endpunkte: Nebenwirkungen und Komplikationen in
                     den beiden Einleitungsgruppen                                41
        4.2.1.       Oxytocin-Dauer-Tropf (ODT)                                   41
        4.2.2.       Indikation für eine vaginal-operative Entbindung             41
        4.2.3.       Analgesie                                                    42
        4.2.4.       Unterschied durch Zusatz von Alkohol innerhalb der
                     Wehencocktail-Gruppe                                         43
        4.3.         Vorteile, Nachteile und Grenzen der Studie                   43
        4.3.1.       Vorteile                                                     43
        4.3.2.       Nachteile und Grenzen                                        43
        4.3.3.       Schlussfolgerung und Ausblick                                44
 5.                  Zusammenfassung                                              45
 6.                  Literaturverzeichnis                                         47
 Anhang                                                                           54
 Abbildungsverzeichnis                                                            54
 Tabellenverzeichnis                                                              55
 Danksagung                                                                       59
 Lebenslauf                                                                       60

Dissertation Anne Wycislo                                                        II |
Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AB           Antibiotika
AIS          Amnioninfektsyndrom
AP           Austreibungsperiode
APGAR        Aussehen, Puls, Gesichtsbewegungen (Grimassieren), Aktivität,
             Respiration (Atmung)
BE           Base Excess
BS           Blasensprung
Bzw.         Beziehungsweise
Ca.          Circa
Cm           Zentimeter
CRP          C-reaktives Protein
CTG          Cardio-Toko-Gramm
DGGG         Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
ELV          Einleitungsversuch
EP           Eröffnungsperiode
Etc.         Et cetera
FB           Fruchtblase
Fet.         Fetal
FIGO         International Federation of Gynecology and Obstetrics
GBS          hämolysierende Streptokokken der Gruppe B
GDM          Gestationsdiabetes
HELLP        Haemolysis, Elevated Liver enzymes, Low Platelet count
ID           Identifikationsnummer
IUFT         Intrauteriner Fruchttod
IUGR         Intrauterine growth restriction
MM           Muttermund
MMH          Medizinische Hochschule Hannover
MPG          Minprostin-Gel
MV           Missverhältnis
o. g.        Oben gegeben
ODT          Oxytocin-Dauer-Tropf
PDA          Periduralanästhesie
Sectio       Sectio caesarea
s. oben      siehe oben
SIH          schwangerschaftsinduzierter Hypertonus
Spm          Spikes per minutes

Dissertation Anne Wycislo                                                    III|
Abkürzungsverzeichnis

SPSS         Statistical Package for the Social Sciences
SS           Schwangerschaft
SSW          Schwangerschaftswoche
u. g.        Unten gegeben
Vag.         Vaginal
vBS          Vorzeitiger Blasensprung
Vs.          Versus
WC           Wehencocktail
WHO          Weltgesundheitsorganisation
WT           Wehentätigkeit
z. B.        Zum Beispiel

Dissertation Anne Wycislo                                  IV|
Einleitung

1. Einleitung

1.1.    Einführung in die Thematik

 1.1.1. Definition und epidemiologische Daten
Die Geburtseinleitung wird definiert als vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft bei
lebensfähigem Kind innerhalb einer sinnvollen Frist, um ein besseres perinatales Ergebnis
für Mutter und/oder Kind zu erzielen als durch abwartendes Verhalten. Im engeren Sinne
stellt die Geburtseinleitung die künstliche Einflussnahme auf die Uteruskontraktion dar, die
zunächst zu einer Konsistenzveränderung und Verkürzung der Zervix (Priming), zur
Eröffnung des Muttermundes (MM) und schließlich zur Geburt führt [36]. In Deutschland
kamen im Jahr 2012 673544 Kinder (im Jahr 2018 787523) zur Welt [71], wobei ca. 12–
14 % der Geburten eingeleitet wurden [61]. In Perinatalzentren beträgt die Rate der
Geburtseinleitungen aufgrund des Risikokollektivs 25 % und mehr [72]. In den letzten
Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg der Geburtseinleitungen [94]. In den USA
erhöhte sich beispielsweise die Anzahl der Geburtseinleitungen von 9,5 % im Jahre 1990 auf
22,1 % im Jahre 2004 [15]. Andere Zahlen konstatieren eine Zunahme von 13 % auf 23 %
im Zeitraum von 1980 bis 1996 [94]. Einige Autoren sprechen sogar von bis zu 20 % der
Fälle, in denen eine Geburt medikamentös oder mechanisch eingeleitet wird. Voraussetzung
ist, dass keine Kontraindikation für eine Vaginalgeburt besteht [36].

 1.1.2. Die physiologische Schwangerschaft
Die normale Schwangerschaft dauert, berechnet nach dem 1. Tag der letzten Regelblutung,
im Mittel 280 Tage oder 40+0 Schwangerschaftswochen (SSW). Ab einer Verlängerung um
14 Tage, also ab 294 Tagen bzw. ab der 42+0. SSW, spricht man gemäß der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der International Federation of Gynecology and
Obstetrics (FIGO) von einer zeitlichen Übertragung. Im deutschen Sprachraum ist für die
Zeit von der 40+1. bis 41+6. SSW der Begriff der Terminüberschreitung üblich [7].

Dissertation Anne Wycislo                                                                1
Einleitung

                                    Errechneter
                                   Geburtstermin

                                                                       Übertragung

                                         Terminüberschreitung

                     Termingeburt/ Reifgeburt

    37                       39                     41                      43

                      Schwangerschaftswochen

             Abbildung 1: Einordnung der Begriffe Termingeburt, errechneter Geburtstermin,
                                          Terminüberschreitung und Übertragung [nach 7]

Mehr als 40 % aller Schwangeren gebären nach dem errechneten Geburtstermin. Das
Management im Fall eines Ausbleibens des Geburtsbeginns bewegt sich zwischen einem
exspektativen Vorgehen mit intensiver Überwachung von Mutter und Kind und der
Indikation für eine Geburtseinleitung [7].
Kinder, die vor der abgeschlossenen 37. SSW geboren werden, gelten als Frühgeborene und
haben ein erhöhtes Risiko für eine peri- und postpartale Morbidität und Mortalität. Aber auch
Kinder, die deutlich nach dem 280. Schwangerschaftstag geboren werden, weisen eine
erhöhte peri- und postpartale Morbidität und Mortalität auf. Außerdem gibt es noch weitere
Situationen/Erkrankungen bei der Mutter (z. B. Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie,
Schwangerschaftshypertonus        und   vieles   mehr)   oder   beim     ungeborenen   Kind
(Wachstumsrückgang, zu wenig oder zu viel Fruchtwasser etc.), die eine erhöhte peri- und
postpartale Morbidität und Mortalität verursachen. Daher muss in diesen Situationen
abgewogen werden, ob ein Kaiserschnitt (Sectio caesarea) durchgeführt werden sollte oder
eine Geburtseinleitung mit dem Ziel einer physiologischen Geburt geplant werden kann.

Dissertation Anne Wycislo                                                                 2
Einleitung

1.1.3. Die physiologische Geburt
Die physiologische Geburt gliedert sich in drei Phasen:

1.     Eröffnungsperiode

2.     Austreibungsperiode

3.     Nachgeburtsperiode
Die Eröffnungsperiode (EP) ist definiert als die Zeitspanne vom Geburtsbeginn, d. h. vom
Beginn regelmäßiger zervixwirksamer Wehentätigkeit, bis zur vollständigen Eröffnung des
MM bei zehn Zentimetern (cm). Die Zeitdauer ist sehr variabel und von vielen Faktoren
abhängig.
Die Austreibungsperiode (AP) wird definiert als der Zeitraum von der vollständigen
Eröffnung des MM bis zur Geburt des Kindes.
Die Nachgeburtsperiode umfasst den Zeitabschnitt von der Geburt des Kindes bis zur Geburt
der Plazenta (Mutterkuchen) [16].

Zur Beurteilung des Geburtsfortschritts steht die Untersuchung der Cervix uteri bzw. des
MM zur Verfügung. Je weiter der MM geöffnet ist, umso fortgeschrittener ist die Geburt.
Der MM-Befund wird mit dem sogenannten Bishop-Score eingeteilt [37]. Der Bishop-Score
ist ein geburtshilfliches Screeninginstrument zur subjektiven Beurteilung der Reife des MM.
Dabei handelt es sich um eine semiquantitative Methode, um die Konsistenz und Weite des
MM, die Lage und Verkürzung der Zervix sowie die Position des vorangehenden Teils des
Kindes im mütterlichen Becken zu erfassen [11].

Tabelle 1: Bishop-Score (=geburtshilfliches Screeninginstrument) zur subjektiven
Beurteilung und zur Erfassung der Konsistenz und Weite des Muttermundes, der Lage
und Verkürzung der Zervix sowie der Position des vorangehenden Teils des Kindes im
mütterlichen Becken [11]

Je niedriger der Score ist, desto geringer ist der Geburtsfortschritt. Ein Score > 6 gilt als
geburtsreif [79].

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Einleitung

1.1.4. Formen der Analgesie subpartu
Da die physiologische Geburt ein schmerzhafter Prozess ist, der individuell unterschiedlich
lange dauert und unterschiedlich stark erlebt wird, stehen verschiedene Verfahren der
Analgesie mit unterschiedlichem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil unter Geburt zur
Verfügung:
   •   Periduralanästhesie (PDA): Die PDA ist eine rückenmarksnahe Form der
       Regionalanästhesie. Sie bewirkt eine zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung
       ausgewählter         Nervensegmente.     Sie     führt     zur     Sympathikolyse,
       Empfindungslosigkeit, Schmerzfreiheit und Hemmung der aktiven Beweglichkeit im
       zugehörigen Körperabschnitt und ermöglicht damit eine adäquate Schmerzhemmung
       unter der Geburt [16].
   •   Opioid-Analgetika
   •   Lachgas
   •   Spasmolytika
   •   alternative Methoden wie Akkupunktur und Massagen

1.1.5. Diagnostik postpartaler kindlicher Adaption
Zur Beurteilung der kindlichen postpartalen Adaption erfolgen die Ermittlung des
sogenannten APGAR-Scores (Aussehen, Puls, Gesichtsbewegungen (Grimassieren),
Aktivität, Respiration (Atmung)) und die Messung des arteriellen und venösen Nabelschnur-
pH-Wertes des Kindes.
Der APGAR-Score wurde 1952 von Virginia Apgar (1909–1974) entwickelt. Dabei handelt
es sich um ein Punkteschema, mit dem der klinische Zustand von Neugeborenen
standardisiert beurteilt wird. Mithilfe dieser Beurteilung werden der Zustand des
Neugeborenen und dessen Anpassung an das Leben außerhalb des Uterus, also der Übergang
vom fetalen in den neonatalen Zustand, beschrieben.
Der APGAR-Score wird nach einer Minute (APGAR 1), nach fünf Minuten (APGAR 2)
sowie nach zehn Minuten (APGAR 3) post partum von den die Geburt betreuenden Ärzten
und/oder Hebammen erstellt. Acht bis zehn Punkte bedeuten ein lebensfrisches Kind. Fünf
bis sieben Punkte zeigen ein leicht deprimiertes Kind. Null bis vier Punkte bedeuten ein
schwer deprimiertes Kind.

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Einleitung

Tabelle 2: Aussehen, Puls, Gesichtsbewegungen (Grimassieren), Aktivität, Respiration
(Atmung) (APGAR-Score) zur standardisierten Beurteilung des klinischen Zustandes von
Neugeborenen [78]

Zusätzlich gehört neben der Feststellung der APGAR-Werte nach 1,5 und zehn Minuten die
Analyse des pH-Wertes im Nabelschnurarterienblut zur Beurteilung des Neugeborenen.
Anhand des pH-Wertes kann eine mögliche Azidose und somit das Risiko für eine
Frühmorbidität [9, 19, 31, 43, 63, 64, 93] abgeschätzt werden (Tabelle 3) [28].

Tabelle 3: standardisierte Beurteilung der Neugeborenenmorbidität anhand der Analyse
des arteriellen Nabelschnur pH-Wertes [28]

Zusätzlich zum pH-Wert erfolgt die Bestimmung des Basenexzesses (BE) (in mmol/l) im
arteriellen und venösen Nabelschnur-Blut. Der BE spiegelt die biochemischen Reaktionen
auf eine Hypoxie im intrazellulären Raum wider [2, 24]. Je höher der BE, umso höher ist die
metabolisch bedingte Hypoxie und somit das Risiko für postpartale Komplikationen.

Dissertation Anne Wycislo                                                               5
Einleitung

1.2.    Indikation und Kontraindikation der Geburtseinleitung

Der besondere Stellenwert der Geburtseinleitung geht aus den Perinatalstatistiken hervor,
nach denen in Deutschland 12–16 % aller Geburten eingeleitet werden. An Kliniken mit
hoher risikobezogener Zuweisungspraxis [44, 46] beträgt diese Rate bis zu 25 % [72]. Trotz
sinkender Geburtenzahlen hat die Häufigkeit der Geburtseinleitungen stetig zugenommen
[60]. Die Geburtseinleitung erfordert eine kritische und individuelle Risiko-Nutzen-Analyse
(Abbildung      2),      die      die      zugrunde      liegende     Schwangerschaftspathologie,
einleitungsspezifische Risikofaktoren und die individuelle Einstellung der Schwangeren zu
berücksichtigen hat. Aufgrund mehrerer Faktoren, wie z. B. der unkalkulierbaren Dauer der
medikamentösen Geburtseinleitung, muss unbedingt dem Schweregrad und der Dynamik
der Erkrankung der Mutter sowie dem Zustand des Kindes in utero Rechnung getragen
werden. Die Dringlichkeit der Schwangerschaftsbeendigung bestimmt das geburtshilfliche
Vorgehen. Es muss also entschieden werden, ob Zeit für eine medikamentöse
Geburtseinleitung verbleibt oder ob die Schwangerschaft zügig durch eine Sectio caesarea
(Sectio) beendet werden sollte [5].

                                          Risiko-Nutzen-Analyse

               Einleitungsspezifische Faktoren:            Schwangerschaftserkrankung:
                    •    Kontraindikation                      •  Schweregrad
                    •    Uterine Hyperstimulation              •  Dynamik
                    •    Einleitungserfolg, -dauer             •  Zustand des Feten
                    •    Einstellung der
                         Schwangeren

                                        Indikation und Dringlichkeit der
                                        Schwangerschaftsbeendigung

                                         Geburtshilfliches Vorgehen

                               Medikamentöse                 Sectio caesarea
                                 Einleitung

             Abbildung 2: kritische und individuelle Risiko-Nutzen-Analyse vor Beginn einer
                      Geburtseinleitung unter Berücksichtigung multipler Faktoren [nach 5]

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Einleitung

In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Indikationen und Kontraindikationen zur
Geburtseinleitung dargestellt. Dabei ist es entscheidend, zu erwähnen, dass in der
Geburtshilfe zwar genau festgelegte Standards existieren, jedoch jede Patientin und jede
Schwangerschaft individuell beurteilt werden muss und es somit in jedem einzelnen Fall
einzigartige Entscheidungen gibt. Manchmal verlangt es die Situation auch, von dem bisher
eingeschlagenen Weg abzuweichen und neue Richtungen zu gehen, um ein optimales
Resultat für Mutter und Kind zu erzielen.

Tabelle 4: maternale und fetale Indikation und Kontraindikation für die
Geburtseinleitung [5]

                         Indikation                           Kontraindikation

             •   Terminüberschreitung > 41.            •   Z.n. Myomenukleation (mit
                 Schwangerschaftswoche (SSW)               Cavumeröffnung)
             •   spontaner vorzeitiger                 •   Z.n. 2 x Sectio
                 Blasensprung ohne
                 Wehentätigkeit                        •   vorzeitige Placentalösung

             •   hypertensive                          •   mütterliche Erkrankungen
                 Schwangerschaftserkrankungen              (z.B. schwerwiegenden
                 [44]                                      Herzfehler [20])
                                                       •   monoamnionale Multiparität
Maternal

             •   Diabetes mellitus/
                 Gestationsdiabetes                    •   aktiver ausgeprägter Herpes
             •   mütterliche Erkrankungen                  genitales
                 (respiratorisch, kardial,             •   Allergien gegen Inhaltsstoffe
                 hepatisch, renal)                     •   Regelmäßige Kontraktionen

             •   Psychosomatische
                 Erkrankungen
             •   mütterliche Erschöpfung
             •   logistische Gründe (z.B.
                 Entfernung zum Krankenhaus)
             •   intrauterine Wachstumsrestriktion     •   Nabelschnurvorfall
             •   Chorionamnionitis bei vorzeitigem     •   Querlage
                 Blasensprung
                                                       •   Absolutes Kopf-/Becken-
             •   spezielle fetale Fehlbildungen            Missverhältnis
                 (z.B. progressive
Fetal

                 Nierenbeckendilataton)
             •   pathologischer Doppler
             •   intrauteriner Fruchttod
             •   fetale Makrosomie

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Einleitung

Im Folgenden wird auf die zwei häufigsten Indikationen der Geburtseinleitung näher
eingegangen: die Terminüberschreitung und den vorzeitigen Blasensprung [94] (siehe
Abbildung 2).

Terminüberschreitung:
Mit 37,1 % ist eine Überschreitung des errechneten Geburtstermins die häufigste Indikation
zur Geburtseinleitung (3.965 von 650.597 Geborenen) [7, 72]. Nach US-amerikanischen
Daten nimmt insbesondere die Geburtseinleitung wegen Überschreitung in den letzten zehn
Jahren um das circa (ca.) Doppelte zu [72].
Die Anzahl der elektiven Indikationen verzeichnet sogar eine Zunahme um fast 30 % in den
letzten zehn Jahren [72]. Elektiv bedeutet nicht zwingend nötige medizinische Indikationen,
wie z. B. zunehmende unspezifische, nicht pathologische Schwangerschaftsbeschwerden
und dadurch verbundene mütterliche Ungeduld bzw. Erschöpfung. Ergeben sich aus der
aktuellen Untersuchung und Anamnese keine medizinischen Gründe für eine
Schwangerschaftsbeendigung,        kann     unter        Berücksichtigung     leitliniengerechter
Empfehlungen bis zur 40+6. SSW zugewartet werden. Unabhängig davon ist eine
Schwangerschaftsbeendigung dann indiziert, wenn aktuelle Ergebnisse der Überwachung
von Mutter und Kind eine Gefährdung im Sinne eines erhöhten peri- und postpartalen
Risikos anzeigen [8].

In der ARRIVE-Studie von 2018 wird gezeigt, dass bei Erstgebärenden durch die elektive
Geburtseinleitung    ab     der   39+0.     SSW     die     Sectio-Rate,    die   Inzidenz    an
schwangerschaftsinduzierter Hypertonie und die Notwendigkeit einer Atemhilfe bei den
Neugeborenen signifikant vermindert wurden. Die Daten der Studie können helfen,
Patientinnen, die ab der 39+0. SSW auf eine elektive Beendigung der Schwangerschaft
drängen, eine Alternative zur sogenannten Wunschsectio (Sectio ohne mütterliche oder
kindliche Indikation) anzubieten [10].

Wenn     die    Schwangerschaft    länger     als   40     SSW    ohne      Geburtsbestrebungen
(= Überschreitung) andauert, steigt die Anzahl an peripartalen Komplikationen deutlich an.
Beispielsweise wird von einer Erhöhung der perinatalen Mortalität von bis zu 1 % berichtet.
Die Rate der Makrosomie steigt bis zu 9 %, des mekoniumhaltigen Fruchtwassers bis zu
10 % und des fetalen Distresses bis zu 3,4 %. Weiterhin zeigt sich ein Anstieg der Sectio-
Rate um 2,8 % bei der Überschreitung im Vergleich zur Geburt zwischen der 38+0. und der
40+1. SSW [7, 94].

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Einleitung

Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
(DGGG) [7] zum Vorgehen bei Terminüberschreitung schlägt folgende Maßnahmen vor:

1.    Vorgehen bei 40+0 bis 40+6 SSW:
Durchführung einer Ultraschallkontrolle mit sorgfältiger Biometrie, Bestimmung der
Fruchtwassermenge und Ausschluss einer Wachstumsdiskrepanz [Intrauterine Growth
Restriction (IUGR)]. Falls keine Risiken für Mutter und das Ungeborene vorliegen, kann bis
zur 40+6. SSW ein abwartendes Verhalten gewählt werden. Bis zu diesem Termin ist eine
regelmäßige Cardio-Toko-Gramm-Kontrolle (CTG) indiziert.

2.    Vorgehen bei 41+0 bis 41+6 SSW:
Es wird empfohlen, die Geburtseinleitung ab 41+0 SSW anzubieten und spätestens ab der
41+3. SSW zu empfehlen [7]. Es müssen eine Risikoaufklärung und eine Beratung erfolgen.
Falls in dieser Zeit neue Risiken hinzukommen, sollte eine Einleitung entsprechend früher
erfolgen.    Sollte   sich   die   Schwangere   bei   fehlenden   Risiken   und   normaler
Fruchtwassermenge nach ausführlicher Aufklärung und Beratung für ein abwartendes
Vorgehen entscheiden, muss eine zweitägige Kontrolle des CTGs sowie der
Fruchtwassermenge stattfinden.

3.    Vorgehen ab 42+0 SSW:
Ab der 42+0. SSW ist eine Einleitung oder Beendigung der Schwangerschaft per Sectio
caesarea auch ohne das Vorliegen anderer Risikofaktoren indiziert [7].
Vorzeitiger Blasensprung:
Die zweithäufigste Indikation für eine Geburtseinleitung ist der vorzeitige Blasensprung mit
einem Anteil von 29,4 % [72].
Als vorzeitiger Blasensprung wird die Ruptur des Amnions vor Einsetzen regelmäßiger
Wehentätigkeit unabhängig vom Schwangerschaftsalter definiert. Der Abgang von
Fruchtwasser vor der vollendeten 37+0. SSW wird als früher vorzeitiger Blasensprung
definiert. Er tritt bei 2–5 % aller Schwangerschaften auf [94].

In ca. 90 % erfolgt eine klinische Diagnosesicherung des Blasensprungs durch
Flüssigkeitsabgang in der Speculumeinstellung (mit einem pH-Wert von 7) kombiniert mit
einer in der Sonografie deutlich reduzierten Fruchtwassermenge. Falls dies nicht eindeutig
gelingen sollte, steht mit diversen Schnelltests zum Nachweis eines vorzeitigen

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Einleitung

Blasensprungs (vBS) eine sehr genaue Detektion von geringen Mengen Fruchtwasser zur
Verfügung. Weiterhin sollte ein mikrobiologischer Vaginal- und Cervixabstrich entnommen
werden.
Dabei muss auch auf die Farbe des Fruchtwassers geachtet werden. Es sollte klar und
geruchlos sein. Manchmal können sich auch einige Vernixflocken darin befinden. Färbt es
sich bei Mekoniumabsatz grünlich oder kommt es zu fötoidem Geruch durch Infektionen,
muss mit besonderer Vorsicht weiter vorgegangen werden. Eine Rotfärbung kann auf eine
Blutung wie z. B. durch eine vorzeitige Plazentalösung oder eine Insertio velamentosa
hindeuten. In diesen Fällen muss eine sofortige Beendigung der Schwangerschaft erfolgen.
Die regelmäßige Kontrolle der Entzündungsparameter im Blut zum Ausschluss eines
Amnioninfektsyndrom (AIS) ist bis zur Geburt indiziert.
Anzeichen eines AIS sind [6]:
   •   Temperaturerhöhung (≥ 38 °C)
   •   mütterliche Tachykardie (≥ 100 Spikes per minutes (Spm))
   •   fetale Tachykardie (≥ 150 Spm)
   •   druckschmerzhafter Uterus
   •   zunehmende Wehentätigkeit
   •   Geruch und Farbe des Fruchtwassers (s. Kapitel 1.2 Vorzeitiger Blasensprung)
   •   Leukozytose (≥ 15.000/Dl)
   •   C-reaktives Protein (CRP)-Erhöhung (serieller Anstieg)
Bei einem manifesten AIS ist die sofortige Beendigung der Schwangerschaft unter
antibiotischer Therapie indiziert.

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Einleitung

1.3.    Methoden der Geburtseinleitung

 1.3.1. Mechanische Methoden
Eine Methode ist die Amniotomie, auch künstliche bzw. iatrogene Blasensprengung
genannt. Dabei wird die chorioamniale Membran mit einem am Fingerling befindlichen
Häkchen perforiert. Diese Methode ist nur bei bereits geöffnetem MM und bei fest im
Becken sitzendem vorangehenden Kindsteil möglich. Dabei sollte auf die Farbe des
Fruchtwassers (s. Kapitel 1.2 Vorzeitiger Blasensprung) geachtet werden.
Eine weitere Möglichkeit ist die Zervixdilatation, bei der versucht wird, den MM zu
erweitern, z. B. durch hygroskopische Quellstifte (Laminaria-Stifte) oder den Ballonkatheter
[47].
Eine weitere mechanische Methode ist die Eipollösung, auch membranes Stripping [77]
genannt. Während der vaginalen Untersuchung wird vorsichtig versucht, die chorioamniale
Membran mit dem Untersuchungsfinger von der Zervixwand und dem unteren
Uterinsegment zu lösen. Häufig wird dies von den Patientinnen als schmerzhaft empfunden.
Diese Technik kann zu vaginalen Blutungen führen und ist daher bei einer tiefsitzenden
Placenta kontraindiziert.

 1.3.2. Medikamentöse Methoden
Es gibt unterschiedliche Methoden der Geburtseinleitung mit Prostaglandinen. Zunächst gibt
es das intrazervikale Gel [23], das endozervikal bei unreifer Zervix (Bishop-Score ≤ 5)
appliziert wird. Weiterhin gibt es Vaginalgele in Dosierungen von 1 mg und 2 mg, die bei
Nulliparität und unreifer Zervix (Bishop-Score < 4) eingesetzt werden können. Für eine
kontinuierliche Prostaglandin-Freisetzung sorgen Vaginalinserts, die unabhängig vom
Bishop-Score ab der 37. SSW eingeführt werden können. Bei ausreichender Geburtsreife
der Zervix kann auch die Prostaglandin-Vaginaltablette zur Geburtseinleitung verwendet
werden [5]. In der vorliegenden Studie wird Misoprostol (als Off-Lable-Use) als mögliche
Alternative zur Weheninduktion gewählt. Es gibt unterschiedliche Dosierungen und
Applikationswege (intravaginal, oral oder sublingual). In dieser Arbeit wird die orale
Applikation untersucht.
Prostaglandin    E    (PGE),   F    (PGF)    und    Misoprostol    (PGE1)     haben    eine
kontraktionsstimulierende Funktion. PGE führt gegenüber PGF zu einer stärkeren
Uteruskontraktion [80, 92]. Weiterhin steht Oxytocin als medikamentöse Art der
Geburtseinleitung zur Verfügung [72]. Bei einem Bishop-Score > 6 und fehlender

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Einleitung

Wehentätigkeit (WT) kann Oxytocin zur Auslösung von Kontraktionen Anwendung finden
[23].

Da für die Analysen dieser Arbeit die Geburtseinleitung mit Misoprostol untersucht wurde,
soll darauf näher eingegangen werden: Misoprostol ist ein synthetisch hergestelltes Derivat
des Prostaglandins E1. Die biologisch aktive Form von Misoprostol ist das Misoprostolacid.
Dieses bindet an Prostaglandin-E-Rezeptoren (EP3- und EP4-Rezeptoren). Die
Prostaglandine E und F2 α führen über eine Erhöhung der Kalziumpermeabilität der
Zellmembran zu einem Anstieg der intrazellulären Kalziumionen-Konzentration und damit
zur Kontraktion des Myometriums. Es hat als einziges E1-Analogon keine Nebenwirkungen
auf die Bronchien oder das Gefäßsystem [17].

                                   Abbildung 3: chemische Strukturformel Misoprostol [nach 67]

Es      existiert   eine   große   Anzahl    randomisierter   Studien   mit   Misoprostol   zur
Geburtseinleitung. Dabei wurden unterschiedliche Dosierungen und Applikationswege
(intravaginal, oral, sublingual) geprüft [5, 95]. Nichtsdestotrotz nimmt Misoprostol eine
Sonderstellung ein. Es wird in der Geburtshilfe weltweit eingesetzt und war längere Zeit
Mittel der Wahl zur Geburtseinleitung, ist aber für die Anwendung in der Schwangerschaft
in Deutschland nicht zugelassen und muss trotz umfangreicher Studien im Off-Label-Use
eingesetzt werden. Daher muss die Patientin entsprechend aufgeklärt werden [5].
Da die orale Einnahme für die Patientinnen komfortabel ist und als weniger belastend
empfunden wird als Vaginalgel, willigen die Frauen in der Regel in den Off-Label-Use ein.
Auch ist heutzutage die Kostenanalyse ein wiederkehrendes Thema für die Ökonomisierung
der Medizin. Die Kosten für eine 100er-Packung Misoprostol belaufen sich auf ca. 47 Euro
[91]. Dies entspricht Kosten in Höhe von 0,47 Euro pro Tablette. Bei dem durchschnittlichen
Einleitungsschema ergeben sich Kosten von ca. 0,82 Euro pro Einleitung pro Tag (= 350 µg)

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Einleitung

und damit ist diese Methode sehr günstig [68]. Im Vergleich dazu kostet die einmalige
Applikation des Dinoproston-Vaginalgels ca. 31 Euro [59]. Beim Vaginalinsert PropessÒ
belaufen sich die Kosten sogar auf ca. 72 Euro pro Stück [90]. Da die einmalige Applikation
von Dinoproston-Vaginalgel in den meisten Fällen nicht ausreichend ist, sind die Kosten um
ein Vielfaches höher. Werden die Kosten auf ca. 700.000 Geburten pro Jahr in der
Bundesrepublik hochgerechnet, ergibt sich ein Einsparungspotenzial von etwa 7.000.000
Euro [59] (Misoprostol im Vergleich zu Minprostin).

 1.3.3. Alternative Methoden
Pflanzenheilmittel, mechanische Methoden [32, 52, 55] und naturkundliche Verfahren sind
seit jeher fester Bestandteil der täglichen Praxis von Hebammen und Geburtshelfern. Bereits
von Hippokrates und Paracelsus wurde Rizinus angewendet.
Eine alternative Methode, die in der vorliegenden Studie untersucht wird, ist die Einleitung
mit dem sogenannten Wehencocktail (WC). Die Inhaltsstoffe bestehen aus Rizinusöl als
wichtigste Komponente sowie Aprikosensaft, Mandelmus und Sekt [70, 84].
Wenngleich die Geburtseinleitung mit Rizinusöl – der wichtigsten Komponente im
Wehencocktail – eine lange Tradition hat und als ‚natürliche Medizin‘ gilt, ist sie nicht
grundsätzlich sicher [33, 84]. In (Laien-)Presseartikeln wird von der Gefährlichkeit des
Wehencocktails v. a. im Hinblick auf fetale Risiken wie Mekoniumabgang, aber auch von
der maternalen Gefährdung in Form von Erbrechen und Darmkoliken berichtet [83]. Die
Arzneimittelkommission der Ärzteschaft warnt daher vor Rizinus als geburtseinleitendes
Mittel [83]. Dies steht aber häufig im Gegensatz zum Wunsch der werdenden Eltern, die
diese Art der Wehenförderung als weniger invasiv und eher ‚natürlich‘ empfinden als die
medikamentöse Einleitung.
Rizinusöl wird aus den hochgiftigen Samen des Wunderbaumes (Ricinus communis)
gewonnen. Sein Hauptbestandteil ist die Rizinolsäure. Diese fördert die Darmmotilität und
damit die Defäkation, hemmt die Aufnahme von Natrium, Vitaminen und Wasser aus dem
Darm und fördert die Wasserausscheidung. Es ließ sich nachweisen, dass Rizinolsäure direkt
auf Prostaglandinrezeptoren der Muskelzellen in der Gebärmutter und im Darm wirkt [27,
76] und somit am schwangeren Uterus kontraktionsfördernd sein kann. Daher kommt es
neben den für ein Abführmittel typischen Symptomen [73] auch zu einer Anregung der
Wehentätigkeit. Die Indikationen zur Geburtseinleitung sind beim Wehencocktail dieselben,
wie unter 1.2 beschrieben. Als Nebenwirkungen treten v. a. Nausea [37] und Diarrhoe [26]
auf. Außerdem wurde von einer erhöhten Anzahl von Uterusrupturen, operativen Geburten

Dissertation Anne Wycislo                                                                13
Einleitung

[66] sowie von vermehrter Mekoniumabgabe ins Fruchtwasser berichtet [1, 13, 32, 57].
Beim Wehencocktail ergeben sich, nach prozentualem Anteil der in 2.1.5 angegebenen
Zutaten, Kosten von ca. 2,50 Euro/Cocktail.

1.4.    Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, die Geburtseinleitung mit dem Wehencocktail mit der
Geburtseinleitung mittels oral appliziertem Misoprostol zu vergleichen.
Primäre Endpunkte sind die Effektivität, das fetale Outcome sowie der Geburtsmodus:
   •   Primäre Endpunkte: Dauer der Eröffnungsperiode sowie Austreibungsperiode in
       Stunden; Zeiteinheit von Beginn der Einleitung bis Partus in Tagen und Stunden;
       Anzahl    der    Misoprostol-Gaben     (in   der   Misoprostol-Gruppe);      weitere
       Einleitungsversuche (ELV) beim Wehencocktail; Beurteilung der peripartalen und
       postpartalen Morbidität/Mortalität von Mutter [Entbindungsmodus (spontan, Sectio,
       Notsectio, vaginal-operativ)] und Kind [APGAR; pH, BE, Mekoniumabgang ins
       Fruchtwasser].
   •   Sekundäre Endpunkte sind aufgetretene unerwünschte Nebenwirkungen und
       Komplikationen: Art der Analgesie; zusätzliche Gabe von Oxytocin als Oxytocin-
       Dauer-Tropf (ODT); Unterschied durch Zusatz von Alkohol innerhalb der
       Wehencocktail-Gruppe      sowie   weitere    Indikationen   zu     vaginal-operativen
       Maßnahmen.

Dissertation Anne Wycislo                                                                14
Material und Methoden

2. Material und Methoden

2.1.    Aufbau der Studie

 2.1.1. Patientenkollektiv
Bei dieser Studie handelt es sich um eine retrospektive Datenerhebung am Klinikum
Ludwigsburg über den Zeitraum von 2007 bis 2013. In den Jahren 2007 bis 2009 wurde die
Geburtseinleitung in der Frauenklinik Ludwigsburg u. a. mit dem Wehencocktail, in den
Jahren 2010 bis 2013 u. a. mit Misoprostol durchgeführt.
Dabei wurden 231 Patientinnen mit der Einleitungsform Misoprostol untersucht und 207
Patientinnen, die mit Wehencocktail eingeleitet wurden. Insgesamt handelte es sich also um
ein Gesamtkollektiv von 438 Schwangeren. Bei allen Patientinnen lag eine medizinische
Indikation für eine Geburtseinleitung vor (siehe dazu auch Kapitel 2.1). Die Studie hat der
Ethik-Kommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg zur berufsrechtlichen
Beratung vorgelegen (Internes Aktenzeichen: F-2019-012). Die Kommission erteilte einen
positiven Bescheid.

 2.1.2. Einschlusskriterien
   •   Einleitungen mit Wehencocktail im Zeitraum von 2007–2009
   •   Einleitungen mit Misoprostol im Zeitraum von 2010–2013
   •   Schwangerschaft ≥ 24. SSW
   •   Alter ≥ 16,5 Jahre

 2.1.3. Ausschlusskriterien

   •   fehlende oder inkomplette Daten bzw. Dokumentation
   •   Gemini-Schwangerschaften
   •   IUFT (Intrauteriner Fruchttod)
   •   Spätaborte
   •   medizinisch indizierte Interruptiones
   •   bei Wehencocktail: ein zuvor durchgeführter Einleitungsversuch
   •   bei Misoprostol: Einleitungswechsel (z. B. Wehencocktail oder Minprostin-Gel
       (MPG))

Dissertation Anne Wycislo                                                               15
Material und Methoden

Nicht berücksichtigt wurden:
   •   Anzahl der vorangegangenen Schwangerschaften (Parität)
   •   der MM-Befund nach Bishop-Score wurde zwar erhoben, aber in der Studie nicht
       beschrieben.

 2.1.4. Datenerhebung und Dokumentation
Die Datenerhebung wurde mithilfe der digitalen Akten im Orbis-Programm der Klinik
Ludwigsburg sowie anhand der Geburtenbücher durchgeführt. Zunächst wurde jeder Akte
eine ID (Identifikationsnummer) zugeordnet, sodass eine Rückverfolgung zur originalen
Patientenakte nachträglich nicht mehr möglich ist. Dadurch erfolgte eine anonymisierte
Analyse. Anschließend wurden die Daten in eine Excel-Tabelle überführt.

Folgende Daten, in primäre und sekundäre Endpunkte unterteilt, wurden erhoben:
Indikation; Art der Geburtseinleitung; Zeiteinheit zwischen Beginn der Geburtseinleitung
und Entbindung in Tagen und Stunden; Anzahl der Misoprostolgaben (in der Misoprostol-
Gruppe); Zusatz von Alkohol in der Wehencocktail-Gruppe; Beginn der regelmäßigen
Wehentätigkeit;   Schmerzmedikation;     weitere   Einleitungsversuche    (ELV);   ODT;
Eröffnungsperiode (EP) und Austreibungsperiode (AP) in Stunden; Entbindungsmodus;
Indikation zur (vaginal-)operativen Entbindung.

Dissertation Anne Wycislo                                                            16
Material und Methoden

Tabelle 5: Analysierte Daten der Arbeit: Mit Misoprostol (2010–2013) oder Wehencocktail
(2007–2009) eingeleitete Schwangere in der Frauenklinik Ludwigsburg

                            Fetal Outcome              • Aussehen, Puls,
                                                         Gesichtsbewegungen,
                                                         Aktivität, Respiration
                                                         (APGAR)
                                                       • pH-Wert
                                                       • BaseExcess (BE)
                                                       • Mekonium
                            Effektivität               • Dauer Eröffnungsperiode
                                                         (EP)
                                                       • Dauer Austreibungsperiode
                                                         (AP)
                                                       • Intervall von Beginn der
                                                         Einleitung bis Partus
 Primäre                                               • nach frustranem
 Endpunkte                                               Einleitungsversuch:

                                                         bei Wehencocktail:
                                                         Einleitungswechsel

                                                         bei Misoprostol: Anzahl der
                                                         weiteren Gaben

                            Geburtsmodus               • Spontanpartus
                                                       • Sectio
                                                       • Notsectio
                                                       • vaginal-operative Entbindung

                            Indikation zu (vaginal-)   • bei Misoprostol
                            operativen Maßnahmen       • bei Wehencocktail
                            Subpartal unterstützende   • Periduralanästhesie (PDA)
 Sekundäre Endpunkte        Maßnahmen                  • Oxytocin-Dauer-Tropf (ODT)

                            Wehencocktail              • mit Sekt
                                                       • ohne Sekt

Dissertation Anne Wycislo                                                              17
Material und Methoden

 2.1.5. Einleitungsschema Misoprostol
Die Geburtseinleitung mit Misoprostol wurde nach folgendem Schema durchgeführt:
Nach dem Anlegen eines 15-minütigen Aufnahme-CTGs erfolgte die orale Gabe von 50 µg
Misoprostol. Anschließend wurde eine 45-minütige CTG-Kontrolle durchgeführt mit
anschließender Anleitung der Patientin zu körperlicher Aktivität (Bewegung/Laufen). Falls
sich keine Kontraktionen zeigten, erfolgte die nächste Gabe nach vier Stunden mit 100 µg
Misoprostol. Diese wurde wieder unter CTG-Kontrolle nach oben genanntem (o.g.) Schema
durchgeführt. Die dritte und vierte Gabe erfolgten in derselben Dosierung und nach
demselben Intervall von vier Stunden. Nach der vierten Gabe musste eine Pause bis zum
nächsten Tag eingehalten werden. Nach dieser Karenzzeit konnte am folgenden Tag zur etwa
gleichen Uhrzeit mit dem gleichen Dosierungsschema von vorne begonnen werden, falls
dadurch keine Kontraktionen ausgelöst werden konnten.

 2.1.6. Einleitungsschema Wehencocktail und Rezeptur
Der Wehencocktail wurde im Klinikum Ludwigsburg nach folgender Rezeptur gemischt:

                        2 EL Rizinusöl
                        200 ml Aprikosensaft
                        2 EL Mandelmus
                        100 ml Sekt (oder Mineralwasser)

Alle Zutaten wurden kräftig im Shaker vermischt. Je nach Konfession oder auf Wunsch
durfte die Patientin selbst entscheiden, ob sie den Wehencocktail mit oder ohne Alkohol zu
sich nehmen möchte. Nach einem 15-minütigen Aufnahme-CTG erfolgte die orale
Einnahme des Cocktails. Nach der ca. 30-minütigen CTG-Kontrolle sollte sich die Patientin
viel bewegen und zu regelmäßigen CTG-Kontrollen (nach spätestens drei Stunden) im
Kreißsaal erscheinen. Sollte der Cocktail keine Kontraktionen ausgelöst haben, durfte an
diesem Tag kein weiterer Einleitungsversuch unternommen werden. Am darauffolgenden
Tag wurde eine neue Entscheidung über weitere Maßnahmen getroffen. Jedoch erfolgte
keine weitere Wehencocktail-Gabe.

Dissertation Anne Wycislo                                                              18
Material und Methoden

2.2.       Statistik
Die       Daten   wurden    pseudonymisiert   in   einer    Excel-Tabelle   getrennt    nach
Einleitungskollektiv ‚Misoprostol‘ und ‚Wehencocktail‘ eingepflegt. Anschließend wurden
sie in das Statistikprogramm ‚Statistical Package for the Social Sciences‘ (SPSS) eingepflegt
und die Datensätze in einen gemeinsamen Datensatz überführt. Zur statistischen Auswertung
wurden bei den intervallskalierten abhängigen Variablen (z. B. Dauer EP) T-Tests
durchgeführt. Mit diesem Mittelwertvergleich können statistisch nachweisbare Unterschiede
zwischen den beiden Gruppen (W und M) identifiziert werden. Bei nominalen Variablen (z.
B. Sectio, ODT, PDA) wurden Chi-Quadrat-Tests durchgeführt. Diese testen auf
Unabhängigkeit der beiden Variablen und zeigen somit, ob statistisch nachweisbare
Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der nominalen Variablen bestehen.
Unterschiede zwischen Messgrößen werden als signifikant bezeichnet, wenn die
Wahrscheinlichkeit, dass sie durch Zufall entstanden sind, nicht über einer gewissen
Schwelle liegt. Das bedeutet, dass sie nicht zufällig entstanden sind. Als statistisch
signifikant gilt das Ergebnis eines statistischen Tests, wenn Stichprobendaten so stark von
einer vorher festgelegten Annahme (der Nullhypothese) abweichen, dass diese Annahme
nach einer vorher festgelegten Regel verworfen wird [88].

      •   Bei einem p-Wert von < 0,05 (Fehlerwahrscheinlichkeit ≤ 5 %) spricht man von
          einem signifikanten,

      •   bei einem p-Wert von < 0,01 (Fehlerwahrscheinlichkeit ≤ 1 %) spricht man von
          einem hoch signifikanten und

      •   bei einem p-Wert von < 0,001 (Fehlerwahrscheinlichkeit ≤ 0,1 %) von einem höchst
          signifikanten Ergebnis [22].

Dissertation Anne Wycislo                                                                 19
Ergebnisse

3. Ergebnisse

3.1.    Übersicht Patientenkollektiv

In dieser Arbeit werden ausschließlich Daten von Patientinnen der Frauenklinik
Ludwigsburg retrospektiv untersucht. Dabei werden 231 Patientinnen mit der
Einleitungsform ‚Misoprostol‘ (im weiteren Verlauf der Arbeit als ‚M‘ bezeichnet) und 207
Patientinnen, die mit einem Wehencocktail (im weiteren Verlauf der Arbeit als ‚W‘
bezeichnet) eingeleitet werden, eingeschlossen. Dies entspricht einem Gesamtkollektiv von
438 Schwangeren.

                                         Stichprobe

                                           Misoprostol

                                           Wehencocktail

       52,74%               47,26%
         231                  207                          Abbildung 4:
                                                           Stichprobenverteilung: Anzahl
                                                           der mit Misoprostol (2007–
                                                           2009) oder Wehencocktail
                                                           (2010–2013) eingeleiteten
                                                           Schwangeren in der
                                                           Frauenklinik Ludwigsburg

3.2.    Demografische Daten

                                                           Abbildung 5: Altersverteilung
                                                           in den Einleitungsgruppen,
                                                           der mit Misoprostol (2010–
                                                           2013) oder Wehencocktail
                                                           (2007–2009) eingeleiteten
                                                           Schwangeren in der
                                                           Frauenklinik Ludwigsburg

Dissertation Anne Wycislo                                                              20
Ergebnisse

Das Alter im Gesamtkollektiv (n = 438) beträgt 16,5–46,8 Jahre. Das durchschnittliche Alter
in M (n = 207) liegt bei 30,98 Jahren, das Durchschnittsalter in W (n = 231) bei 30,35 Jahren.
Daraus ergibt sich ein Durchschnittsalter von 30,5 Jahren. Dabei wird nicht zwischen
Primipara und Mehrpara unterschieden.

3.3.       Primäre Endpunkte

 3.3.1. Fetal Outcome

 3.3.1.1          APGAR 1/2/3: Vergleich Mittelwerte M/W

Tabelle 6: Vergleich der Aussehen, Puls, Gesichtsbewegung, Aktivität, Respiration
(APGAR)-Mittelwerte der mit Misoprostol (M–Gruppe von 2010 bis 2013) oder
Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren in der
Frauenklinik Ludwigsburg

                           Stichprobe   Anzahl   Mittelwert    Standard-   Standardfehler    p-Wert
                                                              abweichung   des Mittelwerts
   APGAR1
                           M-Gruppe       204          8,85         0,76              0,05
   (Aussehen,      Puls,
   Gesichtsbewegung,       W-Gruppe       217          8,82         0,82              0,06     0,72
   Aktivität,
   Respiration)

   APGAR2
                           M-Gruppe       205          9,80         0,50              0,04
                                                                                               0,14
                           W-Gruppe       217          9,87         0,48              0,03

   APGAR3
                           M-Gruppe       204          9,92         0,30              0,02
                                                                                               0,32
                           W-Gruppe       217          9,95         0,26              0,02

In der vorliegenden Arbeit kann gezeigt werden, dass der APGAR 1 in M mit einem
Mittelwert von 8,85 etwas besser abschneidet als in W mit 8,82. Beim Fünf- und Zehn-
Minuten-Wert verhält es sich genau umgekehrt. Beim APGAR 2 liegt der Mittelwert in der
M-Gruppe bei 9,80 im Vergleich zu 9,87 bei der W-Gruppe. Der APGAR 3 beträgt bei M
9,92 und bei W 9,95. Insgesamt sind die APGAR-Werte beider Gruppen fast identisch, d. h.,
es gibt keinen signifikanten Unterschied in beiden Gruppen bezüglich dieses kindlichen
Outcomes.

Dissertation Anne Wycislo                                                                             21
Ergebnisse

 3.3.1.2      pH-Wert: Vergleich Mittelwerte M/W

Tabelle 7: Vergleich der pH-Mittelwerte der mit Misoprostol (M–Gruppe von 2010 bis
2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren in
der Frauenklinik Ludwigsburg

                   Stichprobe   Anzahl    Mittelwert     Standard-    Standardfehler    p-Wert
                                                       abweichung     des Mittelwerts

                  M-Gruppe         207         7,29          0,76                0,01
    pH-Wert                                                                               0,74
                  W-Gruppe         216         7,29          0,78                0,01

In dieser Arbeit kann gezeigt werden, dass die Mittelwerte der arteriellen Nabelschnur-pH-
Werte mit 7,29 in beiden Gruppen gleich ausfallen. Es besteht somit kein Unterschied
zwischen den zwei Gruppen (p = 0,74).

 3.3.1.3      Base Excess (mmol/l): Vergleich Mittelwerte M/W

Tabelle 8: Vergleich der BaseExcess-Mittelwerte (mmol/l) der mit Misoprostol (M–Gruppe
von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten
Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                  Stichprobe    Anzahl   Mittelwert    Standard-     Standardfehler     p-Wert
                                                       abweichung    des Mittelwerts

                  M-Gruppe        201         -5,53           2,95               0,21
    BaseExcess
                                                                                           0,4
    mmol/l
                  W-Gruppe        217         -5,80           3,24               0,24

Auch der Vergleich der BE-Werte der beiden Gruppen zeigt keinen statistisch signifikanten
Unterschied (p = 0,4).

Dissertation Anne Wycislo                                                                        22
Ergebnisse

 3.3.1.4      Mekonium im Vergleich M/W

Tabelle 9: Vergleich der Mekonium Abgabe ins Fruchtwasser der mit Misoprostol (M–
Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                                        Mekonium                         Gesamt

                                               nein                     ja

      M-Gruppe         Anzahl                           189                     18                207

                       %                              91,3 %                 8,7 %             100 %

      W-Gruppe         Anzahl                           203                     28                231

                       %                              87,9 %             12,1 %                100 %

      Gesamt           Anzahl                           392                     46                438

                       %                              89,5 %             10,5 %                100 %

Bei 8,7 % der Frauen in M lässt sich Mekonium im Fruchtwasser nachweisen, wohingegen
dies bei 12,1 % der Frauen in W der Fall ist, d. h., das Risiko für Mekonium scheint in der
W-Gruppe etwas höher zu sein. Statistisch lässt sich dieser Unterschied aber nicht
nachweisen (p = 0,24).

 3.3.2. Effektivität

 3.3.2.1      Dauer EP: Vergleich Mittelwerte M/W

Tabelle 10: Vergleich der Dauer der Eröffnungsperioden-Mittelwerte der mit Misoprostol
(M–Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                  Stichprobe    Anzahl   Mittelwert      Standard-           Standardfehler    p-Wert
                                                        abweichung           des Mittelwerts

    Eröffnungs-   M-Gruppe        154       269,96             201,82                  16,26
    periode                                                                                       0,19
    in Minuten    W-Gruppe        177       296,88             169,73                  12,76

Es kann gezeigt werden, dass in dieser Arbeit die EP in Minuten in der M-Gruppe um 26,92
Minuten kürzer ist. Dieses Ergebnis ist statistisch allerdings nicht signifikant (p = 0,19).

Dissertation Anne Wycislo                                                                                23
Ergebnisse

 3.3.2.2        Dauer AP: Vergleich Mittelwerte M/W

Tabelle 11: Vergleich der Dauer der Austreibungsperioden-Mittelwerte der mit Misoprostol
(M–Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                     Stichprobe    Anzahl    Mittelwert     Standard-    Standardfehler    Signifikanz
                                                           abweichung    des Mittelwerts   (zweiseitig)
                                                                                             p-Wert
   Austreibungs-
                    M-Gruppe          151         14,44         16,32              1,38
   periode                                                                                         0,12
   in Minuten       W-Gruppe          175         18,44         29,07              2,19

Bei der AP in Minuten scheint, wie beim Vergleich der EP, die Methode der
Geburtsinduktion in M mit vier Minuten deutlich kürzer zu sein. Allerdings lässt sich auch
dieses Ergebnis statistisch nicht nachweisen (p = 0,12). Interessant ist außerdem, dass die
Standardabweichung in W deutlich höher ist, was auf eine größere Bandbreite der Dauer der
AP innerhalb der Gruppe W schließen lässt.

 3.3.2.3        Intervall: Vergleich Mittelwerte M/W
Als Intervall wird die Zeitspanne vom Beginn der Einleitung bis zur Geburt definiert. Die
verschiedenen Werte in den Gruppen M und W werden nachfolgend verglichen.

Tabelle 12: Vergleich der Intervall-Mittelwerte (Zeitspanne von Beginn Einleitung bis
Geburt) der mit Misoprostol (M–Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–
Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                   Stichprobe     Anzahl    Mittelwert     Standard-    Standardfehler     Signifikanz
                                                          abweichung    des Mittelwerts    (zweiseitig)
                                                                                             p-Wert

                  M-Gruppe          207      1.022,29         862,85             59,97
   Intervall                                                                                       0,01
   in Minuten
                  W-Gruppe          220      1.287,56       1.266,31             85,37

Damit kann gezeigt werden, dass im Mittel das Intervall von Geburtseinleitung bis Partus
bei der M-Gruppe hoch signifikant kürzer ist (17,03 und 21,46 Stunden) [p < 0,01]. Der
Unterschied beträgt durchschnittlich 4,43 Stunden (das entspricht vier Stunden, 25 Minuten
und 48 Sekunden).

Dissertation Anne Wycislo                                                                                 24
Ergebnisse

 3.3.2.4     Vergleich der Art und Anzahl weiterer ELV nach frustraner Einleitung
             mit M/W
Anzahl weiterer Misoprostol-Gaben bei erfolgloser erster Anwendung:

                             2,43%
                                5
                                                                   Bei Misoprostol:
                     1,46%
                                     0,49%                         Anzahl der Gaben
                        3
                                        1

                                                                     1
                 12,62%
                   26
                                                                     2
                                                      27,18%
                                                        56           3
                                                                     4
                                                                     5
                                                                     6
                                                                     7
                 20,39%
                   42                                                8
                                             30,10%                  9
                                               62
                                                                     10
                                                                     11

           Abbildung 6: Anzahl der Misoprostol–Gaben der mit Misoprostol (2010 bis 2013)
                               eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

Von insgesamt 207 Frauen in M benötigen 27,18 % (n = 56) nur eine Gabe, um regelmäßige
Kontraktionen zu bekommen. 30,1 %, das entspricht 62 Frauen, benötigen eine zweite Gabe
Misoprostol nach o. g. Einleitungsschema. 20,39 %, das entspricht 42 Patientinnen,
benötigen insgesamt drei Gaben Misoprostol. 12,62 %, das entspricht 26 Patientinnen,
benötigen insgesamt vier Gaben. Das Maximum liegt bei elf Gaben. Dies ist in 0,49 % der
Fälle, das entspricht einer Schwangeren, eingetreten. Im Mittel werden 2,67 Gaben benötigt,
um bei der schwangeren Patientin eine regelmäßige Wehentätigkeit auszulösen.

Dissertation Anne Wycislo                                                               25
Ergebnisse

Anzahl weiterer Einleitungsversuche bei Wehencocktail:

Tabelle 13: Weiteres Priming mit Minprostin-Gel nach primärem Einleitungsversuch mit
Wehencocktail bei den mit Wehencocktail (2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren in
der Frauenklinik Ludwigsburg

                     Anzahl der Minprostin-   Häufigkeit        Prozent
                         Gaben nach
                       Wehencocktail–
                      Einleitungsversuch
                 1                                         34              7,8

                 2                                         7               1,6

                 3                                         8               1,8

                 4                                         2               0,5

                 6                                         1               0,2

                 Gesamt                                    52             11,9

                 Minimum                                   1

                 Maximum                                   6

                 Mittelwert                           1,65

Insgesamt benötigen 52 Frauen, das entspricht lediglich 11,9 %, in W nach der Einleitung
mit Wehencocktail weitere ELV mit Minprostin-Gel (MPG).
7,8 % der so eingeleiteten Frauen benötigen lediglich eine weitere Gabe MPG, das entspricht
34 Patientinnen. 1,6 % benötigen zwei vaginale Gaben MPG, das entspricht sieben
Schwangeren. Nur eine Patientin benötigt sechs intravaginale Einleitungen, was lediglich
0,2 % der Eingeleiteten entspricht. Im Mittel werden 1,6 weitere Maßnahmen benötigt, um
bei der Patientin regelmäßige Kontraktionen hervorzurufen.

Tabelle 14: Sonstige Einleitungsarten nach primärem Einleitungsversuch mit
Wehencocktail bei den mit Wehencocktail (2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren in
der Frauenklinik Ludwigsburg

                 Sonstige Einleitungsarten    Häufigkeit        Prozent
                  nach Wehencocktail–
                      Einleitungsversuch
                                                           7               1,6

1,6 % erhalten eine andere Art der Einleitung, wie z. B. Misoprostol. Insgesamt benötigen
13,5 % ((52+7):438) der Frauen in W einen Einleitungswechsel, um regelmäßige
Kontraktionen auszulösen.

Dissertation Anne Wycislo                                                               26
Ergebnisse

Übersicht über den direkten Vergleich:

Tabelle 15: Verteilung weiterer Gaben und Einleitungsversuche der mit Misoprostol (M–
Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2010)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                  Misoprostol                  Wehencocktail

             Gaben    Anzahl      %          Mittelwert   Anzahl   %         Mittelwert

             1              56     27,18                     34        7,8

             2              62        30,1                    7        1,6

             3              42     20,39                      8        1,8

             4              26     12,62                      2        0,5

             5               3        1,46                    0

             6               6        2,91                    1        0,2

             7               5        2,43                    0

             8               3        1,46                    0

             9               1        0,49                    0

             10              1        0,49                    0

             11              1        0,49                    0

             Gesamt         206       99,5         2,67      52    11,9            1,65

Dissertation Anne Wycislo                                                                 27
Ergebnisse

 3.3.3. Geburtsmodus

 3.3.3.1     Vergleich Spontanpartus M/W

Tabelle 16: Vergleich der Anzahl an Spontangeburten der mit Misoprostol (M–Gruppe von
2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2010) eingeleiteten
Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                                 Spontanpartus              Gesamt

                                             nein                ja

      M-Gruppe        Anzahl                        75                132            207

                      %                         36,2 %            63,8 %        100 %

      W-Gruppe        Anzahl                        68                163            231

                      %                         29,4 %            70,6 %        100 %

      Gesamt          Anzahl                        143               295            438

                      %                         32,6 %            67,4 %        100 %

Im direkten Vergleich der Einleitungsmethoden entbinden 63,8 % in M und 70,6 % in W
spontan. Der Unterschied ist nicht signifikant (p = 0,13).

 3.3.3.2     Vergleich Sectio M/W

Tabelle 17: Vergleich der Anzahl an Sectiones der mit Misoprostol (M–Gruppe von 2010
bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten Schwangeren
in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                                    Sectio
                                                                            Gesamt
                                             nein                ja

                      Anzahl                        165               42             207
      M-Gruppe
                      %                         79,7 %            20,3 %        100 %

                      Anzahl                        184               47             231
      W-Gruppe
                      %                         79,7 %            20,3 %        100 %

                      Anzahl                        349               89             438
      Gesamt
                      %                         79,7 %            20,3 %        100 %

Es kann gezeigt werden, dass in beiden Gruppen 20,3 % der Patientinnen eine sekundäre
Sectio erhalten. Das Ergebnis ist nicht signifikant (Chi-Quadrat-Test mit p = 0,988).

Dissertation Anne Wycislo                                                                  28
Ergebnisse

 3.3.3.3     Vergleich Notsectio M/W

Tabelle 18: Vergleich der Anzahl an Notsectiones der mit Misoprostol (M–Gruppe von
2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten
Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                                    Notsectio                    Gesamt

                                        keine Notsectio         Notsectio

      M-Gruppe         Anzahl                       197                     10            207

                       %                        95,2 %                  4,8 %        100 %

      W-Gruppe         Anzahl                       224                     7             231

                       %                        97,0 %                  3,0 %        100 %

      Gesamt           Anzahl                       421                     17            438

                       %                        96,1 %                  3,9 %        100 %

Im Vergleich der beiden Methoden schneidet W besser ab, da das Risiko für eine Notsectio
bei 3 % liegt. Bei M liegt das Risiko für eine Notsectio bei 4,8 %. Allerdings zeigt sich kein
signifikanter Unterschied (Chi-Quadrat-Test mit p = 0,33).

 3.3.3.4     Vergleich vaginal-operativer Partus M/W

Tabelle 19: Vergleich der Anzahl an vaginal–operativen Geburten der mit Misoprostol (M–
Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                                vaginal-operativ                 Gesamt

                                             nein                  ja

     M-Gruppe          Anzahl                       185                     22        207

                       %                        89,4 %               10,6 %         100 %

     W-Gruppe          Anzahl                       217                     14        231

                       %                        93,9 %                  6,1 %       100 %

     Gesamt            Anzahl                       402                     36        438

                       %                        91,8 %                  8,2 %       100 %

Es gibt in dieser Arbeit Hinweise darauf, dass das Risiko für eine vaginal-operative
Maßnahme in W mit 6,1 % etwas niedriger ist als in M (10,6 %). Das Ergebnis ist statistisch
nicht signifikant (p = 0,08).

Dissertation Anne Wycislo                                                                       29
Ergebnisse

3.4.     Sekundäre Endpunkte

 3.4.1. Subpartal unterstützende Maßnahmen (PDA/ODT)

 3.4.1.1     Vergleich PDA bei M/W

Tabelle 20: Vergleich der Anzahl an Periduralanästhesien der mit Misoprostol (M–Gruppe
von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009) eingeleiteten
Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                            Periduralanästhesie            Gesamt

                                           nein              ja

       M-Gruppe       Anzahl                        152               55            207

                      %                           73,4%           26,6 %       100 %

       W-Gruppe       Anzahl                       15 5               76            231

                      %                       67,1 %              32,9 %       100 %

       Gesamt         Anzahl                        307              131            438

                      %                       70,1 %              29,9 %       100 %

In M benötigen 26,6 %, in W 32,9 % eine PDA. Dieser Unterschied ist nicht signifikant
(Chi-Quadrat-Test mit p = 0,149).

 3.4.1.2     Vergleich ODT M/W

Tabelle 21: Vergleich der Anzahl an Oxytocin-Dauer-Tröpfen der mit Misoprostol (M–
Gruppe von 2010 bis 2013) oder Wehencocktail (W–Gruppe von 2007 bis 2009)
eingeleiteten Schwangeren in der Frauenklinik Ludwigsburg

                                           Oxytocin-Dauer-Tropf            Gesamt

                                           nein              ja

       M-Gruppe      Anzahl                        160               47             207

                     %                        77,3 %              22,7 %       100 %

       W-Gruppe      Anzahl                        136               95             231

                     %                        58,9 %              41,1 %       100 %

       Gesamt        Anzahl                        296              142             438

                     %                        67,6 %              32,4 %       100 %

In M (22,71 %) wurde signifikant seltener ein ODT benötigt als in W (41,13 %), p < 0,001.

Dissertation Anne Wycislo                                                                 30
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