ÜBERZEU GENDERE SPRACHE - Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache - Die ...

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ÜBERZ E U GENDER E
 S P R AC HE

Leitfaden für eine
geschlechtersensible
Sprache
ÜBERZEU GENDERE SPRACHE - Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache - Die ...
VORWORT
INHALT
          3 / Vorwort

          4 / Zum Nachdenken
              Warum eine geschlechtersensible Sprache?
              Was bedeutet geschlechtersensible Sprache?
              Wie lässt sich das umsetzen?

          8 / Sichtbarmachen
                                                                          LIEBE MITGLIEDER UND ANGEHÖRIGE
              Sichtbarmachen von Männern und Frauen                       DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN,
              Ansprache aller Geschlechter
                                                                          der Wunsch, alle Menschen respektvoll und aufmerksam anzusprechen, entspringt grundsätzlich der Haltung
         11 / Geschlechtsneutrale Formulierungen                          einer wertschätzenden Kommunikation. Eine geschlechtersensible Sprache ist dabei ein wichtiges Element, um
                                                                          dieses Ziel zu erreichen.
         13 / Was, wann, wie?
              Ein kleiner Wegweiser durch das babylonische Sprachgewirr   Sprachen wir früher noch davon, dass „diese Dame einer unserer besten Wissenschaftler“ ist und selbstver-
                                                                          ständlich von „der Universität als ihrem Arbeitgeber“, so sind wir heute deutlich nuancierter: die Universität ver-
         15 / Herausnehmbares Poster (Seite 15 - 18)                      steht sich als Arbeitgeberin auch für exzellente Wissenschaftlerinnen sowie als diskriminierungsfreier, sicherer
                                                                          und gewaltfreier Studien-, Lehr- und Arbeitsort für alle Studierenden, Mitglieder und Angehörigen.
         19 / Geschlechtersensible Sprache für Fortgeschrittene
              Zusammengesetzte Begriffe                                   Der DUDEN hat neben den weiblichen Formen (z.B. Gästin) inzwischen auch den Genderstern aufgenommen. Er
              Pronomina – „wer“, „niemand“, „jemand“, „man“               wagt zudem den Vorstoß, sogenannte „generische Formen“ (insbesondere das „generische Maskulinum“) ganz
              Von der Syntax zur Semantik                                 grundsätzlich in Frage zu stellen. Darüber hinaus existieren der Gender-Gap oder Doppelpunkt zur Ansprache
                                                                          von Personen, die sich nicht als Mann oder Frau definieren können bzw. möchten. Es gibt aktuell also einige Um-
         22 / Konkrete Anwendungsbereiche im universitären Alltag
                                                                          brüche und unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten in der geschlechtersensiblen Kommunikation. Eine finale
              Wissenschaft, Erfassungssysteme und Korrespondenz
                                                                          Entscheidung, welche Form normgerecht ist, steht noch aus. In dieser unsicheren Situation will dieser Leitfaden
              Stellenausschreibungen
                                                                          Orientierung geben.
         25 / Englische Begriffe und Texte
                                                                          Unser Sprachleitfaden begleitet die Entwicklungen seit 2009. Er unterstützt mit Beispielen, Erläuterungen und
         26 / Jenseits des geschriebenen Textes                           Hilfestellungen für eine wertschätzende Sprache in verschiedenen Kontexten - lässt jedoch auch viel Spielraum
              „Wie spreche ich das richtig?“                              für Kreativität und Diskussionen.
              Geschlechtsunterschiede bei Algorithmen
              Geschlechtsspezifische Kommunikation                        Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre der 7. Auflage.

         28 / „Aber das braucht doch keine*r!“ –
              Argumente und Gegenargumente
                                                                          Annelene Gäckle				                          Prof. Dr. Ansgar Büschges
                                                                          Zentrale Gleichstellungsbeauftragte          Prorektor für Akademische Karriere und Chancengerechtigkeit

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ZUM                                                                               WARUM EINE
NACHDENKEN                                                                        GESCHLECHTERSENSIBLE SPRACHE?
                                                                                  SPRACHE & REALITÄT                                                 Durch einen sensiblen Sprachgebrauch tragen wir aktiv zur
                                                                                  Die Verwendung von männlichen Formen, bei denen Frau-              Gleichberechtigung der Geschlechter und zu einer wert-
                 In einer Vorlesung wurden die Studierenden mit folgender         en „mitgemeint“ sind, ist weit verbreitet und historisch           schätzenden Ansprache und Kommunikation bei. Sprache
                 Geschichte konfrontiert:                                         geläufig. Es handelt sich hierbei um das so genannte „ge-          bildet gesellschaftliche Strukturen ab und ist wandelbar.
                                                                                  nerische Maskulinum“, eine verallgemeinernd verwendete             Heute verwenden wir zum Beispiel selbstverständlich die
  „Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie verunglücken.                     männliche Personenbezeichnung. „Der Arzt“ aus dem vor-             Begriffe Kauffrau oder Kanzlerin, um die sich in den 1970er
  Der Vater stirbt an der Unfallstelle. Der Sohn wird schwer                      herigen Beispiel könnte demnach ein Mann oder eine Frau            Jahren und im Jahr 2005 noch große Diskussionen entfach-
  verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und muss operiert                         sein. Wenn Sie zu denjenigen gehören, die beim Lesen des           ten. Geschlechtersensible Sprache trägt also zur Eindeutig-
  werden. Ein Arzt eilt in den OP, tritt an den Operationstisch                   Beispiels spontan an einen „Arzt“ statt an eine „Ärztin“ ge-       keit und zur Vermeidung von Missverständnissen bei.
  heran, auf dem der Junge liegt, wird kreidebleich und sagt:                     dacht haben, gehören Sie zur Mehrheit, denn das generische         Auch deutsche Medien wie ARD, ZDF oder Die Zeit nutzen
  „Ich bin nicht im Stande zu operieren. Dies ist mein Sohn.“                     Maskulinum ist männlich assoziiert.                                inzwischen geschlechtersensible Sprache. Der Duden bietet
                                                                                                                                                     die Nennung und Nutzung der weiblichen Form an und führt
                 Im ersten Moment irritierte diese Geschichte viele Lesende.      Dass Frauen zwar häufig mitgemeint, selten jedoch mitge-           den Genderstern auf.
                 War der verunglückte Vater nicht der leibliche Vater und         dacht werden, zeigen sprachwissenschaftliche und psycho-
                 der Arzt im OP erkannte seinen leiblichen Sohn? Handelt          logische Studien. Sprache bildet und konstruiert also nicht
                 es sich um ein gleichgeschlechtliches Elternpaar, so dass        nur gesellschaftliche Strukturen ab, sondern prägt auch
                 der Junge zwei Väter hatte? Oder wurde hier einfach davon        unsere eigene Wahrnehmung. Berufsbezeichnungen waren
                 ausgegangen, dass „Arzt“ ein geschlechterneutraler Begriff       bis in die 1990er Jahre hinein überwiegend maskulin und
                 ist und so Mann und Frau gleichermaßen meint?                    spiegelten wider, dass es in der Vergangenheit Männern
                                                                                  vorbehalten war Berufe auszuüben, wie zum Beispiel Kauf-
                 Letzteres ist häufig der Fall. Die Mutter begegnet im OP ih-     mann, Ingenieur oder Kanzler. Heute noch trägt Sprache
                 rem Sohn. Sie ist eben kein Arzt, sondern eine Ärztin. Denn      dazu bei, diese Zuschreibungen aufrechtzuerhalten. Wie
                 an eine Ärztin denken leider erst einmal die wenigsten, wenn     stark verwurzelt das generische Maskulinum in der deut-
                 sie den männlichen Begriff hören. Die Geschichte zeigt, wie      schen Sprache ist, zeigt auch das Beispiel aus dem Vorwort:            generisches Maskulinum        männliche und weibliche Formen
                                                                                                                                                           (Verallgemeinerung)                 (Sichtbarkeit)
                 sehr unsere Vorstellung und Wahrnehmung an Sprache ge-           „Die Universität als Arbeitgeber“ empfinden wir als richtig,
                 koppelt sind. Eine differenzierte Sprache trägt also dazu bei,   obwohl die grammatikalisch korrekte Variante „Die Univer-
                 Missverständnisse zu verhindern.                                 sität als Arbeitgeberin“ wäre.

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WAS BEDEUTET                                                         WIE LÄSST SICH
                                                                                                                                       GESCHLECHTERSENSIBLE                                                 DAS UMSETZEN?
§ RECHTLICHER HINTERGRUND                                         finden. Die Nutzung der geschlechterumfassenden Sprache
                                                                                                                                       SPRACHE?
Forschungsergebnisse zu den Wechselwirkungen von Spra-            ist weder vom Rechtschreibrat, noch im LGG NRW oder dem                                                                                   Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen,
che und Realität sind inzwischen auch in das Recht ein-           „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ explizit verboten.                 Eindeutigkeit                                                        geschlechtersensible Sprache umzusetzen.
geflossen. Mitglieder und Angehörige der Universität, die                                                                              Sprache ist so zu verwenden, dass aus dem jeweiligen Text klar
Verwaltungsaufgaben ausüben, müssen die Vorgaben des              Für die Universität folgen daraus konkrete Vorgaben: Sämt-           hervor geht, wer gemeint ist.                                        Sie lassen sich grob in die drei Strategien
Landesgleichstellungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LGG            liche Korrespondenzen, Anträge, Vordrucke, Formulare, Be-                                                                                 „Sichtbarmachen von Männern und
NRW) beachten (siehe Kasten). Der ausschließliche Ge-             richte und Ordnungen sind in geschlechtersensibler Spra-             Repräsentation                                                       Frauen“, „Ansprache aller“ und „Neutra-
brauch der männlichen Form und das praktisch gedachte,            che zu gestalten. Bei Ansprachen von Personen mit dem                Sprachliche Formen sind zu finden und zu verwenden, die alle Ge-     lisieren“ zusammenfassen.
aber wirkungslose „Mitmeinen“ von Frauen sind also ge-            Geschlechtsmerkmal „divers“ oder „offen“ ist der Gender-             schlechter adäquat repräsentieren und durch die sich alle ange-
setzlich nicht zulässig. Auch nicht die häufig anzutreffen-       stern zu verwenden (vgl. Rundschreiben 27/2019). Dies                sprochen fühlen.
de Klausel: „Soweit personenbezogene Bezeichnungen in             schließt Internetauftritte und Online-Formulare mit ein.
männlicher Form aufgeführt sind, beziehen sie sich auf bei-                                                                            Wertschätzung
de Geschlechter in gleicher Weise.“                                                                                                    Sprache ist so einzusetzen, dass sie nicht diskriminierend ist.
                                                                                                                                       Durch Sprache werden gesellschaftliche Normen bzw. Stereotype
Mit der Änderung des Personenstandsgesetzes 2018 gehen                                                                                 und die eigene Haltung zu diesen offengelegt. Nicht zuletzt bedeu-
weitere sprachliche Veränderungen einher: § 22 besagt nun,                                                                             tet geschlechtersensible Sprache, einen Beitrag zu mehr Gleich-
dass Personen auch mit dem Geschlechtsmerkmal „divers“                                         § 4 LGG NRW:                            berechtigung zu leisten. Denn Geschlecht war und ist nach wie vor
oder „offen“ in das Personenregister eingetragen werden                „Gesetze und andere Rechtsvorschriften tragen sprachlich        eine wichtige Ordnungskategorie, die Hierarchien erzeugt und an
                                                                         der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung.
können.                                                                 In der internen wie externen dienstlichen Kommunikation
                                                                                                                                       deren Aufbrechen wir aktiv mitwirken können.
                                                                             ist die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen
Darüber hinaus schützt das Allgemeine Gleichbehandlungs-               und Männern zu beachten. In Vordrucken sind geschlechts-
                                                                      neutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese
gesetz (AGG) vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.              nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die
In der offiziellen Kommunikation müssen Wege gefunden                              männliche Sprachform zu verwenden.“
werden, alle Menschen diskriminierungsfrei anzusprechen.              Grundlage der Integration einer 3. Geschlechtsoption in Erfas-
Die gesetzliche Lage ist zurzeit noch widersprüchlich. Das            sungssystemen und die Verwendung des Gendersterns bietet
LGG NRW sowie das „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ des                   das Rundschreiben 27/2019 der Universität zu Köln.

BMJ geben die „weibliche und männliche Sprachform“ vor,
sofern geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen nicht
zu finden sind. Diese Regelung schließt jedoch Personen
mit diversem oder offenem Geschlechtseintrag aus. Hier
gilt es nun, das LGG NRW einzuhalten und darüber hinaus
kreative Lösungen für die Ansprache aller Geschlechter zu

                                                              6                                                                                                                                     7
SICHTBARMACHEN                                                                                                                               SICHTBARMACHEN
                                                                                                                                             VON MÄNNERN UND FRAUEN

                                                                                                                                                                                                 &
                                                                                                                                             BEIDNENNUNG
                                                                                                                                             (VOLLSTÄNDIGE PAARFORM & SPLITTING)

                                                                                                                                             Verbreitet                                          Richtig
                                                                                                                                             Sehr geehrte Besucher meiner Vorlesung, ...         Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher
                                                                                                                                                                                                 meiner Vorlesung, ...

                                                                                                                                             Wissenschaftliche Mitarbeiter haben häufig          Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und
                                                                                                                                             befristete Verträge.                                Mitarbeiter haben häufig befristete Verträge.

                                                                                                                                             Der Autor trägt die Verantwortung für eine          Die Autorin/Der Autor trägt die Verantwortung
                                                                                                                                             fehlerfreie Textgestaltung.                         für eine fehlerfreie Textgestaltung

                                                                                                                                             Der Dezernent leitet das Meeting.                   Der/Die Dezernent/in leitet das Meeting.

                                                                                                                                             Ein Student lernt dabei, wissenschaftliche          Ein/e Student/in lernt dabei, wissenschaftliche
                                                                                                                                             Ergebnisse überzeugend darzustellen.                Ergebnisse überzeugend darzustellen.

Sichtbarmachen des Geschlechts bedeutet zunächst einmal,                                                                                     Einige Professoren nutzen ihre Freizeit             Einige Professor/innen nutzen ihre
                                                                                                                                             für die Forschung.                                  Freizeit für die Forschung.
klarzustellen, welches Geschlecht die Personen haben, über
die gesprochen wird. Nach dem LGG NRW wird sprachlich
deutlich gemacht, ob Männer, Frauen oder beide Geschlech-
ter gemeint sind. Weiterführend fällt hierunter auch die
Strategie, alle Geschlechter sichtbar zu machen, also auch                                                                                   EXPLIZITE BENENNUNG VON FRAUEN
„divers“ oder andere. Der große Vorteil des Sichtbarma-                                                                                      (WENN ES SICH NUR UM FRAUEN HANDELT)
chens ist, dass es Eindeutigkeit schafft und für eine korrekte
mentale Repräsentanz sorgt. Unter mentaler Repräsentanz              Die Forderung nach sprachlicher Sichtbarkeit wird im Kontext der
                                                                     2. Feminismus-Welle in den 1960er und 1970er Jahren laut.
sind die bildlichen Vorstellungen zu verstehen, die Sprache          Schon      damals     kritisieren    feministische    Sprachwissen-     Verbreitet                                          Richtig
in uns hervorruft.1                                                  schaftlerinnen wie Luise F. Pusch, dass es sich bei der deutschen
                                                                                                                                             Der Wissenschaftler präsentiert seine Ergebnisse.   Die Wissenschaftlerin präsentiert ihre Ergebnisse.
                                                                     Sprache um eine „Männersprache“ handele, und setzen sich für eine
                                                                     nicht-diskriminierende Sprache ein.2 Heute setzen sich trans* und in-   Einige Ärzte sind Spezialisten auf diesem Gebiet.   Einige Ärztinnen sind Spezialistinnen auf diesem
                                                                     ter* Personen für ihre Sichtbarmachung und korrekte Ansprache ein.                                                          Gebiet.

                                                                                                                                             Die Teilnehmer sind pünktlich zum Seminar an-       Die Teilnehmerinnen sind pünktlich zum Seminar
                                                                                                                                             wesend.                                             anwesend.

                                                                 8                                                                                                                                                9
ANSPRACHE ALLER                                                                                                                                GESCHLECHTSNEUTRALE
GESCHLECHTER                                                                                                                                   FORMULIERUNGEN
                                                                                                                                               Neutrales Formulieren ermöglicht es, alle Geschlechter
                                                                                                                                               miteinzubeziehen und den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen.
Das allgemein etablierte Geschlechtersystem geht von der                       GENDERSTERN
Existenz zweier klar bestimmbarer Geschlechter, nämlich                        Der Stern ist eine sprachliche Repräsentationsform jenseits
Männern und Frauen, aus. Es ist somit binär. Die deutsche                      des binären Systems. Inzwischen ist er eine gebräuchliche
Sprache spiegelt diese Zweigeschlechtlichkeit wider, wenn                      Schreibweise.
zum Beispiel von Studentinnen und Studenten oder von
Professorinnen und Professoren die Rede ist. Heutzutage                        Verbreitet                     Empfohlen
wird von einer Vielzahl geschlechtlicher Identitäten ausge-                    Studenten                      Student*innen
gangen und das Personstandsgesetz um die Möglichkeit der
                                                                               Dezernenten                    Dezernent*innen
Geschlechtseintragung „offen“ und „divers“ ergänzt. Das                                                                                        Verbreitet                         Richtig                              Verbreitet                        Richtig
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt jede                                                                                          Wir bitten um Auskunft an den      Wir bitten um Auskunft an die        Der Student, die Studenten        Studierende
Person vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. In                        GENDER-GAP                                                      Betroffenen.                       betroffene Person.                                                     (substantivierte Partizipien im Plural)

der europäischen Rechtssprechung ist Trans*- und Interge-                      Der Gender-Gap lässt sich auf Steffen Herrmann zurück-          Der Stimmberechtigte kann          Das stimmberechtigte Mitglied        Der Lehrer, die Lehrer            Lehrende
schlechtlichkeit durch das Merkmal Geschlecht geschützt³                       führen, der in seinem Artikel „Performing the Gap – Queere      sein Stimmrecht nur einmal und     kann sein Stimmrecht nur ein-
                                                                                                                                               persönlich ausüben.                mal und persönlich ausüben.          Der Leser, die Leser              Lesende
und eine „diverse“ Person kann ein „X“ in den Reisepass ein-                   Gestalten und geschlechtliche Aneignung“ (2003) eine sprach-
tragen lassen.                                                                 liche Darstellungsform für alle Geschlechter schaffen wollte.   Der Einzelne und seine Freiheit.   Der einzelne Mensch und seine        Interessenten                     Interessierte
                                                                                                                                                                                  Freiheit.                            Promovend, Promovenden            Promovierende
Wie kann nun das gesamte Spektrum der Geschlechter                             Verbreitet                     Empfohlen
sprachlich abgebildet werden? Der Genderstern, Gender-                         Mitarbeiter                    Mitarbeiter_innen
Gap4 und der Doppelpunkt können verwendet werden.                                                                                                                                                                      Verbreitet                        Richtig
                                                                               Rektoren                       Rektor_innen
                                                                                                                                                                                                                       Die Studentin oder der Student,   Die Studierenden, die die
                                                                                                                                                                                                                       die oder der ihre oder seine      Prüfung ablegen, …
    Kritiker*innen des Gender-Gaps finden, dass er die Identitäten jen-        DOPPELPUNKT                                                                                                                             Prüfung ablegt, …
     seits der binären Matrix als „Leerstelle“ darstelle und damit ihre        Der Doppelpunkt ist eine weitere Möglichkeit alle Geschlech-                                                                            Die Mitarbeiterinnen und          Die Mitarbeitenden warten auf
     Existenz verneine. Befürworter_innen des Gender-Gaps sehen in                                                                                                                                                     Mitarbeiter warten auf das Ge-    das Gespräch.
   der Lücke einen Freiraum für Entfaltung neuer Identitäten, also ein         ter anzusprechen und setzt sich zurzeit insbesondere im
                                                                                                                                                                                                                       spräch.
  emanzipatorisches Symbol. Hier gibt es unseres Erachtens kein rich-          Internet und in Medien durch.
   tig und kein falsch. Der Doppelpunkt kann von einigen Vorlesepro-
  grammen besser als „kurze Stille“ (glottaler Stopp) gelesen werden.
    Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. empfiehlt             Verbreitet                     Empfohlen
   jeoch in einem Statement aus dem Jahr 2021 den Stern zu verwen-
                                                                               Doktorand                      Doktorand:innen
   den, weil er laut Veröffentlichungen des Deutschen Rechtschreibra-
  tes die am häufigsten verwendete Kurzform ist und so dem Wunsch              Abteilungsleiter               Abteilungsleiter:innen
            nach einem Konsenszeichen am nächsten kommt.5

                                                                          10                                                                                                                                      11
EIN KLEINER WEGWEISER DURCH DAS BABYLONISCHE SPRACHGEWIRR

                                                                                                                                                 WAS, WANN, WIE?
Geschlechtsneutrale Pronomen                                         Passivbildungen                                                             Wir haben nun eine Vielzahl von Möglichkeiten aufgezeigt,           delbar. Welche Personengruppe möchte ich ansprechen?
                                                                                                                                                 wie geschlechtersensibel geschrieben werden kann. „Aber             Schließt die von mir gewählte Form alle Personen ein, über
Verbreitet                      Richtig                              Verbreitet                              Richtig                             welche Form wähle ich jetzt?“, fragen Sie sich vielleicht.          die ich sprechen möchte? Es lohnt sich, die eigenen Sprech-
Der Student, der Probleme mit   Wer Probleme mit dem BAföG-          Die Antragsteller müssen das            Der Antrag ist vollständig auszu-                                                                       und Schreibgewohnheiten ergebnisoffen zu hinterfragen.
dem BAföG-Amt hat, …            Amt hat, …                           Formular vollständig ausfüllen          füllen und fristgerecht einzu-      Gerade Personen, die sich noch nicht ausführlich mit der
                                                                     und fristgerecht einreichen.            reichen.                            Thematik auseinandergesetzt haben, können sich hier leicht          Studien7 belegen, dass die gewählte Schreibweise die Vor-
Der Verfasser des Buches ist    Es ist nicht bekannt, wer das
unbekannt.                      Werk verfasst hat.                   Die Studenten können ihr Zeug-          Das Zeugnis kann im Prüfungs-       verloren fühlen. Wir wollen an dieser Stelle einige Anregun-        stellungen beeinflusst, die bei den Lesenden erzeugt wer-
                                                                     nis im Prüfungsamt beantragen.          amt beantragt werden.               gen und Hilfestellungen zur Wahl der passenden Schreib-             den. Soll die mentale Repräsentation von Frauen erhöht
Jeder macht mal Fehler.         Alle machen mal Fehler.
                                                                     Die Trainerin wird das Seminar          Das Seminar wird in englischer      weise geben. Die geschlechtergerechte Sprache und ihre              werden, liegt es nahe, die Beidnennung zu verwenden. Neu-
                                                                     in englischer Sprache durch-            Sprache durchgeführt.               vielfältigen Ausprägungen sind aus sprachwissenschaftli-            trale Formulierungen bieten sich - aus praktischen Erwä-
                                                                     führen.
                                                                                                                                                 cher Perspektive ein relativ junges Feld. Hieraus folgt na-         gungen - insbesondere bei langen Texten an. Sie erleichtern
                                                                                                                                                 türlich, dass noch nicht für alle möglichen Probleme opti-          den Lesefluss und verkürzen den Text. Dagegen ermögli-
                                                                                                                                                 male Lösungen entwickelt wurden. Bestimmte, hier von uns            chen die Leerstelle des Gendersterns „*“, des Gender-Gaps
Weitere Möglichkeiten                                                Partizipien                                                                 vorgeschlagene Varianten, sind beispielsweise schwierig             „_“ oder der Doppelpunkt „:“ auch die sprachliche Darstel-
                                                                                                                                                 umzusetzen, wenn Begriffe im Dativ oder Akkusativ gebildet          lung derjenigen, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau
Verbreitet                      Richtig                              Verbreitet                              Richtig                             werden müssen. Hier raten wir dazu, selbstbewusst krea-             verstehen.
Wir suchen kompetente           Wir suchen Personen,                 Herausgeber                             Herausgegeben von …                 tive Lösungen zu finden, denn Sprache ist und bleibt wan-
Softwareberater.                die kompetent in der
                                Softwareberatung sind.               Lektor                                  Lektoriert von …

Die Redakteure der MitUns       Die Redaktion der MitUns             Interpret                               Interpretiert von …
berichten aus dem bunten        berichtet aus dem bunten
Leben der Universität.          Leben der Universität.

                                                                                                     Achtung Falle:
                                                                              Der Gebrauch von Pronomen (wer, alle, niemand, jemand) ist
                                                                              allerdings in manchen Fällen, zum Beispiel bei Relativsätzen,
                                                                                           problematisch. Siehe hierzu Seite 20.

                                                                12                                                                                                                                              13
herausnehmbares Poster

Wir empfehlen - und handhaben es selbst so - bei der Wahl
der Schreibweise immer auch den Kontext und die Adres-
sat*innen zu berücksichtigen. Handelt es sich beispielswei-
se um eine Person oder Institution, die im Gleichstellungs-
bereich aktiv und mit der aktuellen Diskussion vertraut
ist? Oder treten wir mit Menschen in Kontakt, die mit der
Diskussion und Schreibweisen wie dem Genderstern noch                                                                   SICHTBARMACHUNG
nicht viele Berührungspunkte hatten? Akzeptiert mein*e
Dozent*in den Doppelpunkt nicht in Hausarbeiten oder muss
                                                                                                                        DES GESCHLECHTS
aus orthographischen Gründen als Falschschreibung be-
werten, sind geschlechtsneutrale Formulierungen eine gute
Alternative.                                                                            Publikum
                                                                                                                        BEI FRAUEN UND                                                                 ALLE
                                                                                                                        MÄNNERN                                                                        GESCHLECHTER
                                            Verkaufspersonal                     Geschäftsführung

                                                                                                                        weiblicher oder männlicher Artikel          Beidnennung &                      Genderstern
                                                     Reinigungskraft                                      Sekreteriat   → die/der Verwaltungsangestellte            → Professorinnen und Professoren   → Manager*in
                                                                                                                                                                    → die Autorin/der Autor
                                                                                 vortragende Person
                                    Studierende                                                                         weibliches oder männliches Attribut         → der/die Autor/in                 Gender-Gap
                                                                                                                        → weibliches/männliches Personal                                               → Mitarbeiter_in
                                                                   Beratung                    Beschäftigte
                                                                                                                                                                    Explizite Nennung von Frauen
                                            Teilnehmende                      Vertretung                                geschlechtsspezifische Endsilben            → die Wissenschaftlerin            Doppelpunkt
                                                                                                                        → Dekanin/Dekan                             → die Studentin                    → Doktorand:in
                                                                                          Fachpersonal
                                     eingeladene Person             Kundschaft                                          Wörter mit geschlechtstragender
                                                                                                                        Bedeutung
                                                                                         Mitarbeitende
                                                                                                                        → Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation
                                      Management
                                                                         Belegschaft

                                                              14                                                                                                                  15
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GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT
                                                                                                                        MÄNNLICH / WEIBLICH / DIVERS
IN ABBILDUNGEN

                                                                                                                        Seit 2018 können sich Menschen im Geburtenregister als männlich/weiblich/divers registrieren oder das
                                                                                                                        Geschlechtsmerkmal offen lassen. Um Personen aller Geschlechter anzusprechen, helfen die folgenden Tipps:

                                                                                     © shutterstock / 4 PM production
     Ein maßgeblicher Teil unserer Kommunikation fin-
     det nicht in der gesprochenen und geschriebenen
     Sprache, sondern in nonverbalen Bild- und Zeichen-                                                                 DATENERFASSUNG                                                                       SCHRIFTLICHE ANSPRACHE
     systemen statt. Ihr Einfluss auf unsere Vorstellungen                                                              Ist die Erfassung des Geschlechts überhaupt relevant?                                Formell:         Sehr geehrte*r Titel Vorname Name
     und Wahrnehmungen ist hoch. In der Werbung, aber                                                                   Wenn ja, dann sind alle Geschlechter zu berücksichtigen:                                              Guten Tag Name Vorname
     auch in Broschüren, in wissenschaftlichen Vorträgen
                                                                                                                                                                                                             Informell:       Hallo Vorname Name
     und Publikationen finden sich häufig stereotype bild-                   statt                                        Weiblich     Männlich      Divers     Offen (vgl. Personenstandsgesetz)            → Vorgabe der UzK, wenn
     liche Repräsentationen. Die Person, die einen Kin-
                                                                                                                                                                                                             Geschlechtseintrag „divers“
     derwagen schiebt, symbolisiert häufig eine Frau, der
     Mensch, der gerade ein Auto repariert, einen Mann.
                                                                                                                        PERSÖNLICHE ANSPRACHE
     Auch die räumliche Anordnung von Personen zuein-                                                                   Nachfragen:     „Entschuldigung, ich bin mir nicht sicher, wie möchten Sie angesprochen werden?“
     ander repräsentiert oft ein hierarchisches Verhältnis.
     Wie beim Gebrauch der Wortsprache ist es deshalb                                                                   ÜBER DRITTE SPRECHEN/SCHREIBEN
     sinnvoll, auch die Wahl der Bildsprache zu reflektie-
                                                                                                                        Im Englischen benutzen inzwischen viele Menschen, die sich nicht als männlich/weiblich identifizieren,
     ren.
                                                                                                                        die Plural-Personalpronomen „they/them“. Im Deutschen gibt es bisher keine Pronomenalternative zu er/sie,
                                                                                                                        die sich durchgesetzt hat. Eine Möglichkeit ist die Verwendung des Namens anstelle von Personalpronomen.
     Eine Anregung zum Weiterlesen findet sich auf den
     Seiten des Österreichischen Bundesministeriums für
                                                                                                                        Wir sprachen über Ola Nord. Ola erzählte, ....          statt               Wir sprachen über ihn/sie. Er/Sie erzählte,...
     Unterricht Kunst und Kultur in der Publikation „IKT,
                                                                                                                        Kim Schmitz sitzt am Tisch. Kim legt die Akte ab.                           Kim Schmitz sitzt am Tisch. Er/Sie legt die Akte ab.

                                                                                     © shutterstock / VoodooDot
     geschlechtergerecht: Anregungen zum geschlechter-
     sensiblen IKT-Einsatz in Unterricht, Fortbildung und
     Internetpräsenz“ (2012).                                                                                           UMGANG MIT PERSONALPRONOMEN
                                                                                                                        1. Pronomen in die eigene E-Mail-Signatur aufnehmen, um anderen bei der Ansprache zu helfen, z. B.:
                                                                                                                        „Sehr geehrte*r + Vorname, Nachname“. „Ich selbst freue mich über nicht gegenderte
                                                                             statt                                      Anreden.“ oder „Mein Pronomen ist sie/ihr. Wie darf ich Sie ansprechen?“

                                                                                                                        2. Personalpronomen als Abfragekategorie in Anwesenheitslisten, Anmeldeformulare o. ä. aufnehmen:
                                                                                                                        Nachname, Vorname, Bevorzugte Personalpronomen

                                                                                                                        3. Da die aktuellen Personalpronomen „sie“ und „er“ keine Rückschlüsse auf das Geschlecht zulassen (siehe z.B.
                                                                                                                          inter* Personen), sollte stets eine geschlechtsneutrale Anrede in Form von „Vorname Nachname“ bevorzugt werden.

                                                        16                                                                                                                                    17
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 GESCHLECHTSNEUTRALE                                                                                               GESCHLECHTERSENSIBLE SPRACHE
 FORMULIERUNGEN
                                                                                                                   FÜR FORTGESCHRITTENE
 GESCHLECHTSNEUTRALE                              GESCHLECHTSSPEZIFISCHE
 PERSONENBEZEICHNUNGEN                            PERSONENBEZEICHNUNG
 VERWENDEN                                        VERMEIDEN
                                                                                                                   ZUSAMMENGESETZTE
             die Person                                                                                            BEGRIFFE
                             die Leute            „Es ist nicht bekannt, wer das Werk verfasst hat.“
  das Mitglied     der Mensch                        statt
                                                  „Der Verfasser des Werkes ist unbekannt.“                        Zusammengesetzte Begriffe, Pronomina und frauenspezifi-         In diesen Begriffen spiegelt sich die historische Dominanz
       das Individuum                                                                                              sche Begriffe stellen eine weitere Herausforderung dar.         des männlichen Geschlechts in der Sprache wider.
                                                                                                                   Es gibt viele zusammengesetzte und abgeleitete Begriffe,        Wir möchten anregen, Angleichungen so weit wie möglich
                                                                                                                   die generische Maskulina enthalten, jedoch selber keine         vorzunehmen und ermuntern zur Kreativität.
 PARTIZIPIEN UND ADJEKTIVE                        EIGENE LÖSUNGEN ENTWICKELN                                       Personenbezeichnungen sind:

 SUBSTANTIVIEREN                                  Ableitungen auf -ung, -ium, -kraft usw.
                                                                                                                   Verbreitet                                             Empfohlen
                                                  „Wenn Sie Praxiserfahrungen haben,
          die Studierenden                                                                                         Studentenzeitung                                       Studierendenzeitung, Student*innenzeitung, Student_innenzeitung,
                                                  melden Sie sich bei uns!“
                                                                                                                                                                          Student:innenzeitung
die Promovierten    die Lehrenden                    statt
                                                                                                                   Mitarbeitergespräch                                    Mitarbeitendengespräch, Personalgespräch, Mitarbeiter*innengespräch,
                                                  „Wir suchen einen praxiserfahrenen Mitarbeiter.“
         die Promovierenden                                                                                                                                               Mitarbeiter_innengespräch, Mitarbeiter:innengespräch

    die wissenschaftlich Tätigen                  Passivbildungen                                                  Expertenrunde                                          Fachrunde, Expert*innenrunde, Expert_innenrunde, Expert:innenrunde
                                                  „Der Antrag ist vollständig auszufüllen.“
                                                     statt
 BEGRÜßUNG                                        „Die Antragsteller müssen das Formular vollständig ausfüllen.“
     Liebes Publikum
                                                  Partizipien
 Sehr geehrte Anwesende                           „herausgegeben von“
                        Guten Abend                  statt

     Liebe Interessierte                          „Herausgeber“

                                                18                                                                                                                            19
PRONOMINA                                                                                                                                     VON DER SYNTAX ZUR SEMANTIK

Neben dem generischen Maskulinum gibt es weitere gram-
matikalische Bereiche, die eine historisch begründete männ-         Eine Umschreibung solcher Sätze ist häufig möglich, nicht selten jedoch                     Tagesmutter                      Hintermann
                                                                                                                                                                                                                           Männerbund
liche Dominanz widerspiegeln. Ein Beispiel hierfür sind die              aufwändig. Eine gänzliche Vermeidung raten wir daher nicht an.
                                                                                                                                                                    Otto Normalverbraucher               dämlich
                                                                    • Keine*r darf wegen ihres*seines Geschlechtes benachteiligt werden.                                                                        weltmännisch
Pronomina „wer“, „niemand“, „jemand“ und „man“.
                                                                    • Hat gestern eine*r seine*ihre Bücher in der Bibliothek vergessen?         Zimmermädchen             Blaumann
                                                                                                                                                                                                herrlich
                                                                                                                                                                                      Rabenmutter       Medizinmann     Meisterschaft
→ Wenn sich auf diese Pronomina ein weiteres Pronomen                                                                                           jedermann
                                                                                                                                                                Hausfrau
                                                                                                                                                                          Seemann          Putzfrau        Jungfrau Vaterland
bezieht, so steht dies immer in der männlichen Form:                                                                                                            Weiberheld        Mädchenträume
                                                                                                                                                  Muttersprache            Beherrschung         Manneskraft          Kindermädchen
» Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
» Niemand darf wegen seines Geschlechts bevorzugt                 → Durch Verwenden von „ich“, „du“, „wir“, „Sie“, „mensch“:                             Junggeselle Herrgott Muttersöhnchen bemuttern
  oder benachteiligt werden.                                                                                                                                             Jungenstreich            Milchmädchenrechnung            Mädchenschwarm
                                                                                                                                                                                                                               Zimmermann
» Hat gestern jemand seine Tasche im Labor vergessen?             Verbreitet                           Richtig                                                                     Blödmann
                                                                                                                                                                                                      mutterseelenallein
» Seine Gefühle hat man nicht immer unter Kontrolle.               Man hat seine Gefühle nicht          Wir haben unsere Gefühle nicht
                                                                                                                                                                  Mannschaft                                         staatsmännisch
                                                                   immer im Griff.                      immer im Griff.
Eine Sonderrolle unter den Pronomina nimmt das Wort
„man“ ein. Es weicht zwar im Schriftbild vom „Mann“
ab, ist im Lautbild aber mit ihm identisch. Das „man“              „Man sollte sich bemühen, möglichst viel Strom zu                          Was haben die Zicke, die Schlampe, die Krankenschwester,
wird gebraucht, um allgemeingültig alle Menschen                   sparen.“, bedeutet: „Alle Menschen sollten sich bemü-                      die Sekretärin, die Rabenmutter oder die Nazibraut gemein-
oder zumindest größere, auch Frauen einschließende                 hen, möglichst viel Strom zu sparen.“                                      sam?
Personenkreise zu bezeichnen.
                                                                                                                                              Ihnen fehlt, zumindest auf der sprachlichen Ebene, ein
→ Das unbestimmte Pronomen „man“:                                  → Durch Verwenden von Passivkonstruktionen:                                männliches Gegenüber. Es gibt keinen Krankenbruder, kei-
» Wie kann man sich als Frau am besten auf eine Karriere                                                                                     nen Rabenvater, keinen Nazibräutigam, keinen Schlampe-
  als Wissenschaftlerin vorbereiten?                               Verbreitet                           Richtig                               rich, auch keinen Zickerich und der Sekretär ist zunächst
» Wie kann man sich als Frau am besten vor                        Man muss nur darauf achten,          Es muss darauf geachtet               einmal ein Ministerialbeamter, ein Tier oder ein Tisch.
  Übergriffen in der U-Bahn schützen?                              dass …                               werden, dass ...                      Eine sprachliche Ungleichbehandlung der Geschlechter gibt                  Wir sind nun endgültig in dem Bereich
Auch hier können wir keine allgemein verbindlichen Emp-                                                                                       es also nicht nur auf der grammatikalischen Ebene, sondern                 angekommen, in dem keine Vorgaben mehr
                                                                                                                                                                                                                                  gemacht werden können.
fehlungen geben. Häufig lässt sich das „man“ ohne großen                                                                                      auch im Bereich der Wortbedeutung. Auch hier spiegeln sich
                                                                                                                                                                                                                         Wir möchten dazu anregen, über Sprache
Aufwand ersetzen.                                                                                                                             die traditionellen Rollenbilder in vielfältiger Weise wider. Im            nachzudenken und sie bewusst zu gebrauchen.
                                                                                                                                              Sinne einer geschlechtergerechten Sprache sollte es ver-
                                                                                                                                              mieden werden, Stereotype zu reproduzieren.

                                                              20                                                                                                                                                21
KONKRETE ANWENDUNGSBEREICHE IM

UNIVERSITÄREN ALLTAG
                                                                                                    AKADEMISCHE GRADE/TITEL                                                              WISSENSCHAFTLICHE TEXTE
                                                                                                    Bei der Abkürzung akademischer Grade oder Titel kann das                             In Literaturverzeichnissen, wissenschaftlichen Sachtexten

WISSENSCHAFT, ERFASSUNGSSYSTEME
                                                                                                    weibliche Geschlecht folgendermaßen sichtbar gemacht                                 etc. sollten Personennamen vollständig, also unter Nen-
                                                                                                    werden.                                                                              nung des Vornamens angegeben werden. Dies dient der

UND KORRESPONDENZ                                                                                   Prof.in
                                                                                                                                                                                         Sichtbarmachung.

                                                                                                    Dr.in                                                                                Verbreitet                   Empfohlen
ANREDEFORMEN, NAMEN, TITEL                                                                                                                                                               Müller, H.                   Müller, Henriette
                                                                                                    Dipl.-Päd.in
Bei dem Gebrauch von Anreden, Namen oder Titeln ist auf Symmetrie zu achten.                                                                                                                                          Müller, Heinz
                                                                                                    Dipl.-Ing.in

Verbreitet                                   Richtig                                                Prof.’ (Prof*in, Prof_in, Prof:in)

Müller, Mitglied                             Müller, Oberverwaltungsrat bzw. Oberverwaltungsrätin   Dr.’ (Dr*in, Dr_in, Dr:in)                                                           AMTS-, BERUFS- UND
                                             Herr Müller, Oberverwaltungsrat bzw.                                                                                                        FUNKTIONSBEZEICHNUNGEN
                                             Frau Müller, Oberverwaltungsrätin                      Dipl.-Päd.’ (Dipl.-Päd*in, Dipl.-Päd_in, Dipl.-Päd:in)
                                                                                                                                                                                         Die weibliche Berufsbezeichnung ist zu verwenden, wenn es
Sehr geehrte Frau Professor Yılmaz           Sehr geehrte Frau Professorin Yılmaz                   Dipl.-Ing.’ (Dipl.-Ing*in, Dipl.-Ing_in, Dipl.-Ing:in)                               sich bei den Benannten um Frauen handelt.

Liebe Kollegen                               Liebe Kolleginnen und Kollegen
                                                                                                                                                                                         Verbreitet                   Richtig
                                                                                                    ABFRAGE DER GESCHLECHTS-                                                             Sandra Neumann ist           Sandra Neumann ist
                                                                                                    ZUGEHÖRIGKEIT IN STATISTISCHEN                                                       Dolmetscher und Kaufmann.    Dolmetscherin und Kauffrau.
                                                                                                    ERHEBUNGEN/FORMULAREN                                                                Prof. Sandra Neumann ist     Prof.’ Sandra Neumann ist
Bei anderer, offener oder unbekannter Geschlechtszugehörigkeit:                                     Durch die Änderung des Personenstandsgesetzes wird                                   Historiker.                  Historikerin.
                                                                                                    auch eine Änderung der Kategorien bei der Abfrage der Ge-
Verbreitet                                   Richtig                                                schlechtszugehörigkeit in Formularen und Fragebögen not-
Sehr geehrte Frau Kim Muster                 Sehr geehrte*r/geehrte_r/geehrte:r Kim Muster          wendig.
                                             Hallo Kim Muster                                       Ist die Erfassung des Geschlechts überhaupt relevant?
                                             Guten Tag Kim Muster                                   Wenn ja, dann läuft die Abfrage der Geschlechtszugehörig-
Liebe Kollegen                               Liebe Kolleg*innen/Kolleg_innen/Kolleg:innen           keit über
                                             Liebes Team
                                             Hallo zusammen                                            Weiblich        Männlich          Divers       Offen
                                                                                                                                                      (vgl. Personenstandsgesetz)

                                                             22                                                                                                                     23
(w/m/d)                                   ENGLISCHE BEGRIFFE
STELLENAUSSCHREIBUNGEN
                                                                                                                                                      UND TEXTE
BERUFSBEZEICHNUNGEN                                                                 Stellenausschreibungen juristisch und sprachlich ge-
In Stellenausschreibungen müssen geschlechtersensible                               schlechtergerecht optimal zu verfassen, ist schwierig
Formulierungen verwendet werden. Ist eine neutrale Stel-                            und komplex. Forschungsergebnisse belegen, dass Frau-             Englische Substantive haben im Gegensatz zu deutschen                Bei Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich
lenbezeichnung nicht möglich, muss nach LGG NRW die                                 en durch bestimmte Begrifflichkeiten in Ausschreibungen           kein grammatisches Geschlecht. Es gibt nur „the manager“,            identifizieren, hat sich im Englischen inzwischen mit „they/
weibliche und männliche Form verwendet werden. Um die                               davon abgehalten werden, sich zu bewerben. Dies liegt da-         „the consultant“, „the coach“. Eine binäre Aufspaltung in            them“ die Verwendung der Pluralpersonalpronomen durch-
dritte Geschlechtsoption in diese gesetzlichen Vorgaben zu                          ran, dass stereotype Annahmen, wie Männer und Frauen              eine Entsprechung von „der Manager“ und „die Managerin“              gesetzt.
integrieren, hat sich die nachgestellte Klammer (w/m/d),                            sind bzw. zu sein haben, Teil von Selbstzuschreibungen            gibt es nicht. Damit stellt sich die Frage, wie wir gramma-
die aufgelöst „weiblich/männlich/divers“ bedeutet, und der                          werden können. Hentschel et al. 8 zeigen, dass sich die Teil-     tikalisch mit solchen Begriffen umgehen, wenn sie in unse-           Verbreitet                                Richtig
Genderstern durchgesetzt. An der Universität zu Köln ist                            nehmerinnen der Studie tendenziell eher von sogenannten           rer Sprache auftauchen. Bleiben wir der Ausgangssprache,             Dear Sirs                                 To Whom It May Concern
die Klammer durch einen Rektoratsbeschluss bei Stellen-                             „weiblich-assoziierten“, gemeinschaftliche Arbeitsprozesse        dem Englischen, auch auf der grammatikalischen Ebene
                                                                                                                                                                                                                           A student must bring his                  A student must bring his or her
ausschreibungen vorgegeben. Als englische Entsprechung                              evozierenden Formulierungen angesprochen fühlen. Bei-             treu, dann dürfen wir kein weibliches Suffix an das Wort an-
                                                                                                                                                                                                                           textbook to class.                        textbook to class.
wird (f/m/d) genutzt.                                                               spiele für solche Termini sind: engagiert, verantwortungs-        hängen. Oder „integrieren“ wir den englischen Begriff, deut-                                                   A student must bring her/his
                                                                                    voll, begabt, förderlich, kontaktfreudig oder vertrauensvoll.     schen ihn ein und geben ihm eine weibliche Endung? Als                                                         text book to class.
Verbreitet                                   Richtig                                „Männlich-assoziierte“ Worte, wie zielstrebig, selbstständig,     Orientierung gilt: Je „deutscher“ der Begriff ist, desto eher                                                  A student must bring a
Controller                                   Controllerin*Controller (w/m/d)        erfolgsversprechend oder analytisch hielten hingegen von          muss er auch dekliniert werden. Ein Blick in den Duden kann                                                    textbook to class.
                                                                                    der Bewerbung ab.Die TU München hat dafür den FührMINT            hier zur Klärung beitragen. In einigen Fällen, zum Beispiel                                                    A student must bring their
                                                                                                                                                                                                                                                                     textbook to class.
                                                                                    Gender Decoder9 entworfen. Der Gender Decoder hilft dabei         bei „der Fan“ oder „der Coach“ werden eindeutige Regelun-
                                                                                                                                                                                                                                                                     Students must bring their
                                                                                    zu überprüfen, ob Stellenanzeigen gender-fair formuliert          gen getroffen. Auch Damen haben hier grammatikalisch das
                                                                                                                                                                                                                                                                     textbook to class.
                                                                                    sind.                                                             männliche Geschlecht.
                                                                                                                                                      Wenn ein Begriff im Duden nicht genannt ist, kann die eng-           chairman                                  chair, chair person*

                                                                                                                                                      lische Grammatik immer beibehalten werden: Der Manager               policeman                                 police officer
Verbreitet                                                                      Richtig                                                               wird zur Managerin, „Consultant“ und „Service Learner“               businessman                               business manager,
Wir suchen eine zielstrebige und selbstständige Persönlichkeit                  Wir suchen eine engagierte und verantwortungsvolle, kontaktfreudige   hingegen können ihre Ursprungsform beibehalten und müs-                                                        business person
mit offensivem Verhalten und einem analytischen Arbeitsstil.                    Führungspersönlichkeit mit einem gewissenhaften Arbeitsstil.          sen nicht zur „Consultantin“ oder „Service Learnerin“ um-
                                                                                                                                                                                                                           Miss, Mrs.                                Ms.
                                                                                                                                                      gestaltet werden.
Wir suchen eine/n erfahrene/n und teamfähigen Mitarbeiter/in.                   Sie sind teamfähig und bringen Erfahrungen mit. oder
                                                                                Wenn Sie teamfähig sind und Praxiserfahrungen haben, melden           In der englischen Sprache selbst stellt sich die Herausforde-                                                         Zum Weiterlesen: NCTE Statement
                                                                                                                                                                                                                                                                                on Gender and Language vom
                                                                                Sie sich bei uns.                                                     rung geschlechtergerechter und inklusiver Formulierungen,                                                          25.10.2018 auf der Webseite des Nati-
                                                                                                                                                                                                                                                                          onal Council of Teachers of English.
Die Leiterin/der Leiter, Die Rektorin/der Rektor                                Die Leitung, Das Rektorat                                             da auch die englische Sprache historisch gewachsene pat-
                                                                                                                                                      riarchale Strukturen widerspiegelt. Dies wird im Gebrauch
Bewerbungen von Frauen sind erwünscht.                                          Wir sind bestrebt, den Anteil von Frauen im wissenschaftlichen
                                                                                Bereich, insbesondere in Leitungsfunktionen, zu erhöhen.              männlich geprägter Substantive wie „Kingdom“ oder „Man-              *Bei Berufsbezeichnungen in Stellenanzeigen wird an der Universität zu Köln die
                                                                                Bewerbungen von Frauen werden besonders begrüßt.                      kind“ deutlich.                                                      Verwendung von (f/m/d) hinter der Stellenbezeichnung empfohlen. Damit soll
                                                                                                                                                                                                                           gewährleistet werden, dass die englische Stellenanzeige mit der deutschen Version
                                                                                                                                                                                                                           (w/m/d) übereinstimmt.
Beispiele nach: Susanne Rytina (2014): Sie ansprechen, Ihn nicht
verprellen, in: duz - deutsche Universitätszeitung. 02/2014, S. 44f.
                                                                               24                                                                                                                                     25
JENSEITS DES
GESCHRIEBENEN TEXTES                                                                                                                    „Frauen haben immer noch Schwierigkeiten,                     Andere Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass diese
                                                                                                                                        in der Öffentlichkeit laut, klar und deutlich                 Feststellungen nicht mehr haltbar sind. Hier wird gesagt,
                                                                                                                                               und vor allem direkt zu sagen,                         dass die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ zu grob
„WIE SPRECHE ICH DAS RICHTIG?“                                     GESCHLECHTERUNTERSCHIEDE BEI                                                       was sie fordern.“   11
                                                                                                                                                                                                      seien, um spezifische Kommunikationsmuster zu beschrei-
Die von uns vorgeschlagenen Schreibweisen lassen sich,             ALGORITHMEN                                                                                                                        ben. Es seien vielmehr Faktoren wie z.B. Bildungsstand,
bis auf die Beidnennung, nicht eins zu eins in die gespro-         Algorithmen nehmen inzwischen entscheidenden Einfluss                                                                              Schicht, berufliches Umfeld, soziales Milieu oder auch die
chene Sprache umsetzen. Spreche ich zum Beispiel die               auf unseren Alltag. Sie entscheiden darüber, welche Wer-                                                                           Gesprächspartner*innen ausschlaggebend dafür, wie eine
„Bibliothekar*innen“, die „Tierpfleger_innen“ oder die             bung wem online angezeigt wird. Bei Suchmaschinen wird                                                                             Person spreche. Außerdem würden die Geschlechtsunter-
„Glasbläser:innen“ laut aus, dann klingt es, als wären aus-        das Ergebnis davon beeinflusst, was über Nutzende bekannt      GESCHLECHTSSPEZIFISCHE                                              schiede in der Sprache nicht nur durch die Sprechenden,
schließlich Frauen gemeint.                                        ist. Diese Sammlung von Daten und Auswertung anhand            KOMMUNIKATION                                                       sondern vor allem auch durch die Zuhörenden erzeugt: Wir
                                                                   von Rückschlüssen über die Zuordnung zu bestimmten Per-        Kommt Ihnen das bekannt vor? Sind es nicht häufig Män-              erwarten von Männern ein anderes Kommunikationsverhal-
Hier gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten:                            sonen- oder Altersgruppen, ethnischer Zugehörigkeit oder       ner, die laut poltern und sich wiederholend in den Vorder-          ten und nehmen ein solches dann auch wahr. Selbst wenn
1. Die genannten Formen können aufgelöst und als vollstän-         dem Wohnort kann beeinflussen, welche Stellenanzeigen          grund drängen, während die Frauen, obwohl sie zum The-              der tatsächliche Unterschied gar nicht oder zumindest in
dige Paarform ausgesprochen werden: Bibliothekarinnen              wir angezeigt bekommen, welchen Kreditrahmen wir ange-         ma gleichviel beizutragen haben, höflich im Hintergrund             wesentlich geringerem Umfang vorhanden ist.14
und Bibliothekare. Diese Version adressiert jedoch nicht           boten bekommen oder ob ein Onlineversandhandel uns be-         bleiben? Studien12 über die Unterschiede von männlichem
alle Geschlechter, die vom Genderstern mit eingeschlossen          liefert. Auch an Universitäten werden Algorithmen genutzt,     und weiblichem Gesprächsverhalten belegen: Frauen kom-
sind. In Grußworten wird inzwischen oft auf Dreiklänge zu-         um Bewerbungen auf Studienplätze auszuwerten. Sortiert         munizieren kooperativer. Sie äußern sich höflicher und in-
rückgegriffen: „Liebe Damen und Herren, liebe Anwesende“.          ein Algorithmus beispielsweise die Bewerber*innen nur          direkter, benutzen abschwächende Formulierungen, hören
Eine perfekte Lösung zur Auflösung der Formen unter Be-            nach der vergangenen Zeit seit dem letzten Abschluss, be-      länger zu und stellen mehr Fragen. Männer dagegen sind                  Welche Anregung kann ein Leitfaden an dieser Stelle geben?
                                                                                                                                                                                                          Wir empfehlen wie schon oben: Selbstbewusstsein, Indivi-
rücksichtigung aller Geschlechter gibt es in der gesproche-        rücksichtigt dabei aber keine Erziehungs- oder Pflegezeiten,   dominanter und kompetitiver. Sie sprechen direkter, wählen
                                                                                                                                                                                                          dualität und Kreativität. Stellen Sie Gesprächssituationen her,
nen Sprache jedoch bisher nicht.                                   kommt es zu Benachteiligungen. Hier kommen also viele          öfter die Befehlsform, ergreifen häufiger das Wort und re-              in denen Sie sich wohlfühlen.
                                                                   Diskriminierungsfaktoren zusammen, die von Betroffenen         den dann länger - dies nicht selten, nachdem sie vorher eine            Nehmen Sie es ernst, wenn Sie sich nicht wohlfühlen.
                                                                                                                                                                                                          Falls Sie sich immer sehr wohlfühlen, reflektieren Sie doch
2. Vor dem Genderstern, dem Gap oder dem Doppelpunkt               wie von Programmierer*innen der Algorithmen selbst oft         Frau unterbrochen haben. Zur Erklärung dieser Unterschie-               einmal Ihr Gesprächsverhalten und fragen Sie auch Ihre
kann ein sogenannter „glottaler Stopp“ ausgeführt werden.          nicht erkannt werden.                                          de wird das Konzept des „doing gender“13 herangezogen:                  Gesprächspartner*innen, wie sie dieses wahrnehmen.

Der glottale Stopp ist eine kurze Pause, die beim Sprechen                                                                        Indem Männer und Frauen auf verschiedene Art und Weise
                                                                                                                                                                                                          Es gibt ein paar Grundsätze, deren Beachtung – unabhängig
des Wortes z.B. an der Stelle des Gendersterns eingelegt           In der Studie „Diskriminierungsrisiken durch Verwendung        kommunizieren, bestätigen sie die Unterschiede zwischen                 von der geschlechtlichen Identität der sprechenden Person –
wird. Gerade für Menschen, denen es wichtig ist, alle Ge-          von Algorithmen“10 für die Antidiskriminierungsstelle des      den Geschlechtern immer wieder aufs Neue.                               eine gute Kommunikation begünstigt: Gesprächspartner*innen
                                                                                                                                                                                                          ohne Vorurteile begegnen, diese ausreden lassen,
schlechter zu benennen, ist dies eine gute Möglichkeit.            Bundes von Dr. Carsten Orwat sind viele weitere spannende                                                                              Vermeiden von Unterbrechungen durch Kommentare, Beleh-
                                                                   Beispiele zu finden.                                                                                                                   rung, ausufernde Länge von Redebeiträgen, Vermeidung non-
                                                                                                                                                                                                          verbaler negativer Signale, wie Augenverdrehen, Grinsen und
                                                                                                                                                                                                          offensichtlichem Abwenden (z. B. der Griff zu mobilen
                                                                                                                                                                                                          Geräten).

                                                              26                                                                                                                                 27
„ABER DAS BRAUCHT                                                                                                                                                                                     Ein Werk von Goethe wäre beispielsweise in der Original-
                                                                                                                                                                        „Geschlechtersensible Sprache fassung für uns heute kaum noch lesbar. Nicht wenige

DOCH KEINE*R!“
– ARGUMENTE UND GEGENARGUMENTE
                                                                                                                                                                                ist kompliziert,
                                                                                                                                                                          umständlich, unnatürlich
                                                                                                                                                                           und missverständlich.“
                                                                                                                                                                                                      Menschen denken, der Faust sei genauso verfasst, wie er
                                                                                                                                                                                                      sich ihnen in ihrem Reclam-Heft darbietet. Weit gefehlt. Ein
                                                                                                                                                                                                      sehr aktuelles Beispiel für Wandlungen in unserer Spra-
                                                                                                                                                                                                      che sind die vielen Anglizismen, die seit einigen Jahren im
                                                                                                                                                                                                      Deutschen auftauchen. Teile dieser Veränderungsprozesse
                                                                                                                                    Geschlechtersensible Sprache kann in der Tat kompliziert          sind uns weniger, manche mehr bewusst. Im Bereich der
Dieser Leitfaden zeigt, dass es viele gute Gründe gibt, ge-                                                                         sein, wenn sie kompliziert angewendet wird.                       geschlechtergerechten Sprache handelt es sich um eine be-
schlechtersensibel zu kommunizieren. Aber nicht alle                                                                                Der Satz „Der/die Student/in, der/die sich zur Prüfung an-        wusste Umgestaltung.
Menschen stehen diesem Thema offen gegenüber und Dis-                                                                               meldet, ...“ ist wirklich nicht eingängig. Aber was ist mit „Die
kussionen um geschlechtersensible Sprache sind häufig                                     „Frauen sind doch                         Studierenden, die sich zur Prüfung anmelden“ oder „Die            Missverständlich ist geschlechtersensible Sprache in kei-
emotional aufgeladen. Sie haben sich bis zum Ende des Leit-                                 mitgemeint!“                            Student*innen, die sich zur Prüfung anmelden“? Durch die          nem Fall. Es verhält sich im Gegenteil so, dass eher das ge-
fadens durchgearbeitet, was Interesse und Offenheit signa-                                                                          Wahl geeigneter Formen bleibt der Lesefluss ungestört. Et-        nerische Maskulinum zu Missverständnissen führen kann.
lisiert, ein guter Schritt in die Richtung zu mehr (sprachli-        Kontern Sie doch einfach mit einem Zitat der Sprachwis-        was Arbeit und Eingewöhnung erfordert das schon. Wäre             Zeigen Sie den Skeptiker*innen doch das Beispiel des „Arz-
cher) Gleichberechtigung. Abschließend möchten wir Ihnen             senschaftlerin Luise F. Pusch: „Ein Akt des Meinens ist, so-   alles ganz unkompliziert, bräuchten wir diesen Leitfaden          tes“ vom Beginn des Leitfadens.
deshalb noch ein paar Argumente gegen die gängigsten                 fern er auf Personen zielt, ganz offenbar dann misslungen,     nicht. Allerdings gilt, dass viele gute Sachen aufwändig sind
Vorurteile in Bezug auf geschlechtersensible Sprache an die          wenn diese Personen sich trotz aller guten Absichten der/      und Fortschritt in der Regel auch mit Arbeit verbunden ist.
Hand geben. Keine dieser Aussagen ist erfunden, sie stam-            des Meinenden nicht gemeint fühlen und dafür handfeste         Dem Einwand der Unnatürlichkeit lässt sich folgender-
men aus Wissenschaft und Presse oder wurden uns selbst               Gründe (Ambiguität, Kontext, Erfahrungswerte) angeben          maßen begegnen: Grundsätzlich können wir fragen, ob es
schon entgegengehalten.                                              können.“15 Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch      überhaupt eine „Natur“ der Sprache gibt. Oder ist Sprache
                                                                                                                                                                                                             „Es gibt auch viele
                                                                     sagt: „Frauen müssen nicht mitgedacht, sondern gleichwer-      genau wie Geschlecht etwas, das wir selber herstellen, ge-
                                                                                                                                                                                                               Frauen, die die
                                                                     tig gedacht werden.“16                                         stalten und verändern? Sprache lässt sich als Phänomen
                                                                                                                                                                                                           geschlechtersensible
                                                                                                                                    beobachten und beschreiben, welches einem ständigen, von
                                                                                                                                                                                                            Sprache ablehnen.“
        „Frauen werden auch                                          Oder sie kontern mit wissenschaftlichen Argumenten:            den Sprechenden und Schreibenden erzeugten Wandlungs-
         in Ländern schlecht                                         Eine Studie belegt, dass schon Kinder im Grundschulalter       prozess unterliegt.
       behandelt, in denen die                                       das generische Maskulinum nicht verstehen. Das heißt, sie                                                                          Das ist allerdings (leider) wahr, aber kein Argument. Natür-
      Sprache kein generisches                                       stellen sich, wenn ein generisches Maskulinum verwendet                                                                            lich gibt es auch Frauen, die patriarchale Strukturen (auch
         Maskulinum kennt.“                                          wird, nur männliche Vertreter der bezeichneten Gruppe                                                                              solche in der Sprache) bejahen und sie damit replizieren.
                                                                     vor.17
Die Tatsachenfeststellung ist richtig, die Schlussfolgerung                                                                         Geschlechtersensible Sprache lässt sich nicht nur schrei-
aber falsch. Zum einen ist das generische Maskulinum, wie                                                                           ben, sondern auch sprechen. Vorschläge dazu finden Sie auf
wir am Beispiel der Nazibraut gezeigt haben, nicht die ein-                                                                         Seite 26.
zige Form sprachlicher Ungleichbehandlung.                                                                                                  „Das kann man
Zum anderen ist Sprache nicht das einzige Mittel, um Men-                                                                                   überhaupt nicht
schen zu diskriminieren und nicht alle Sprachen folgen ei-                                                                                    sprechen.“
nem Genussystem wie das Deutsche.

                                                                28                                                                                                                                29
Literaturverzeichnis

                                                                                                                                      1 Samel, Ingrid (2000): Einführung in die feministische Sprachwissen-           13 Ebd., S. 20.
                                                                     Das kann tatsächlich passieren. Vielleicht hilft in diesem
                                                                                                                                         schaft. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
                                „Das kann man                        Fall ein Rückgriff auf etablierte Formen, wie z. B. das Split-                                                                                    14 Gottburgsen, Anja (2004): Kleiner Unterschied, große Wirkung: Die
                                                                                                                                      2 Pusch, Luise F. (1984): Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und              Wahrnehmung von weiblichem und männlichem Kommunikations-
                              nicht gut lesen und                    ting oder neutrale Formulierungen – eventuell verbunden
                                                                                                                                       Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt am Main: Surkamp.                  verhalten. In: Adam, Eva und die Sprache. Karin M. Eichhoff-Cyrus.
                                  auch nicht                         mit einem freundlichen Hinweis auf § 4 LGG NRW. Legen Sie
                                                                                                                                                                                                                           Mannheim, Leipzig u. a.: Dudenverlag, S. 27.
                                                                                                                                      3 Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2019): Mann – Frau – Divers:
                                gut verstehen.“                      sich ein dickes Fell zu – Sprache wandelt sich beständig und
                                                                                                                                         Die „Dritte Option“ und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. URL:          15 Pusch, Luise F. (1984): Das Deutsche als Männersprache: Aufsät-
                                                                     geschlechtersensible Sprache wird immer gängiger. Tragen
                                                                                                                                         https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/                 ze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt am Main:
Das stimmt nicht. Es gibt Studien, die klar das Gegenteil            Sie zum Wandlungsprozess bei.
                                                                                                                                         Geschlecht/Dritte_Option/Dritte_Option_node.html (Letzter Zugriff                Suhrkamp, S. 30.
beweisen, z. B. Braun et al. (2007).18 In dieser Studie wur-                                                                             05.05.2021).
                                                                                   „Ich werde nicht                                                                                                                    16 Parbey, Celia (2019): Anatol Stefanowitsch: „Frauen müssen nicht
den drei verschiedenen Gruppen (zusammengesetzt aus
                                                                                                                                      4 Gap = Engl.: Lücke, Abstand, Zwischenraum.                                        mitgedacht, sondern gleichwertig gedacht werden“. In: Edition F. URL:
Männern und Frauen) drei sprachliche Versionen von Pa-                             ernst genommen,
                                                                                                                                                                                                                           https://editionf.com/anatol-stefanowitsch-eine-frage-der-moral-po-
ckungsbeilagen eines Medikaments zu lesen gegeben. Ein-                              wenn ich mit                                     5 Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (2021): Gendern.
                                                                                                                                                                                                                           litsch-korrekte-gendergerechte-sprache/ (Letzter Zugriff: 06.05.2021).
                                                                                                                                         URL: https://www.dbsv.org/gendern.html (Letzter Zugrff 05.05.2021).
mal wurde das generische Maskulinum verwendet, einmal                              dem Genderstern
                                                                                                                                                                                                                       17 Switzer, Jo Young (1990): The Impact of Generic Word Choices: An
die Beidnennung und einmal das Binnen-I. Im Anschluss                                 ankomme.“                                       6 Herrmann, Steffen (2003): Performing the Gap – Queere Gestalten und
                                                                                                                                                                                                                           Empirical Investigation of Age- and Sex-Related Differences. In: Sex
wurde getestet, wie gut sich die jeweiligen Gruppen an das                                                                               geschlechtliche Aneignung. In: Arranca! (28), S. 22–26.
                                                                                                                                                                                                                           Roles 22 (1/2), S. 69–82.
Gelesene erinnerten. Im Ergebnis waren die Erinnerungs-                                                                               7 Heise, Elke (2000): Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Unter-
                                                                                                                                                                                                                       18 Braun, Friederike/Oelkers, Susanne et al. (2007): ‚Aus Gründen der
leistungen gleich gut, woraus zu schließen ist, dass auch das                                                                            suchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner
                                                                                                                                                                                                                           Verständlichkeit ...’ Der Einfluss generisch maskuliner und alter-
                                                                                                                                         Alternativen. In: Sprache und Kognition – Zeitschrift für Sprach- und
Verständnis gleich gut gewesen sein muss.                                                                                                                                                                                  nativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von
                                                                                                                                         Kognitionspsychologie und ihre Grenzgebiete 19 (1/2), S. 3–13.
                                                                     Das grammatische Genus, also das grammatische Ge-                                                                                                     Texten. In: Psychologische Rundschau 58 (3), S. 183–189.
                                                                     schlecht, ist häufig unabhängig vom Sexus, dem biologi-          S
                                                                                                                                         tahlberg, Dagmar/Sczesny, Sabine (2001): Effekte des generischen
                                                                                                                                        Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen
                                                                     schen Geschlecht. Aber wir assoziieren mit dem gramma-
                                                                                                                                        Einbezug von Frauen. In: Psychologische Rundschau 52 (3), S.
                                                                     tikalischen Geschlecht nicht unbedingt das biologische
                                                                                                                                        131–140.
                                                                     – beim Begriff „das Mädchen“ stellen sich die Wenigsten
                                                                                                                                      8 Hentschel, Tanja/Braun, Susanne/Peus, Claudia/Frey, Dieter (2014):
                                                                     eine geschlechtsneutrale Person vor. Auch beim Terminus             Wording of advertisements influences women‘s intention to apply for
                                                                     „die Fußballmannschaft“ denken viele von Ihnen wahr-                career opportunities. Präsentiert auf dem 74. jährlichen Meeting der
                               „Die deutsche Sprache
                                                                     scheinlich nicht an eine Gruppe Frauen, oder? Spitzfindige          Academy of Management, Philadelphia, USA.
                             ist genauso ungerecht zu                                                                                                                                                                     Impressum
                                                                     Zeitgenoss*innen wenden jetzt vielleicht ein: „Warum wird        9 FührMINT Gender Decoder der TU München. URL: https://genderdeco-
                        Männern: Ganz häufig wird etwas                                                                                                                                                                   Herausgeberin
                                                                     das generische Maskulinum kritisiert, aber das grammati-            der.wi.tum.de/ (Letzter Zugriff 06.05.2021).                                     Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln
                        mit „die“ bezeichnet (zum Beispiel                                                                                                                                                                V.i.S.d.P. Annelene Gäckle
                                                                     sche Genus nicht?“ Die Antwort lautet: Beim grammatischen        10 Orwat, Carsten (2019): Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von
                           „die“ Fußballmannschaft),
                                                                     Genus haben wir, wie auch beim generischen Maskulinum,               Algorithmen. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.). Berlin.             Redaktion
                         auch wenn es sich um eine rein                                                                                                                                                                   Annelene Gäckle, Sabrina Schumacher, Marlene Thomas
                                                                     eine Abweichung von grammatikalischem und biologischen           11 Grässel, Ulrike (2004): Weibliche Kommunikationsfähigkeit: Chance
                          männliche Gruppe handelt.“                                                                                                                                                                      Gestaltung und inhaltliche Beratung
                                                                     Geschlecht, z. B. „die Person“ (auch die männliche) oder „der        oder Risiko für Frauen an der Spitze. In: Adam, Eva und die Sprache.            Nadine Klöver / Grafik- und Advertisingdesignerin
                                                                                                                                                                                                                          www.nadinekloever.de
                                                                     Hausdrachen“ (in der Regel ist eine Frau gemeint). Der ent-          Karin M. Eichhoff-Cyrus. Mannheim, Leipzig u.a.: Dudenverlag, S. 56.
                                                                     scheidende Unterschied liegt darin, dass das grammatikali-       12 Braun, Friederike (2004): Reden Frauen anders? Entwicklungen und
                                                                                                                                                                                                                          Stand
                                                                                                                                                                                                                          Juni 2021
                                                                     sche Genus keine Verallgemeinerung, kein grundsätzliches             Positionen in der linguistischen Geschlechterforschung. In: Adam, Eva           7. überarbeitete und erweiterte Auflage

                                                                     „Mitmeinen“ beinhaltet und in beide Richtungen (gramma-              und die Sprache. Karin M. Eichhoff-Cyrus. Mannheim, Leipzig u. a.:              Dieser Leitfaden beruht auf der 1. Auflage (2009) „Geschlechtergerechte Sprache“
                                                                                                                                          Dudenverlag, S. 15.                                                             (Red. Renate Hillebrand).
                                                                     tikalisch männlich → biologisch weiblich bzw. grammatika-                                                                                            Layout, Redaktion, Illustrationen & Texte der 4., 5. und 6. Auflage (2015 - 2020): A-K.
                                                                     lisch weiblich → biologisch männlich) funktioniert.                                                                                                  Book, M. Hellmig, J. Ungänz, M. Schoop, S. Schumacher, O. Yardaş

                                                                30                                                                                                                                                31
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