HPV - Infektion: Virologische Aspekte
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FORTBILDUNG ULRIKE WIELAND, KÖLN HPV – Infektion: Virologische Aspekte Humane Papillomviren sind weit verbreitet. Sie infizieren mehrschichtige Plat- 2009). Die initialen Schritte der HPV- tenepithelien, wobei die meisten Infektionen meist transient sind. Risikofak- Infektion geschehen somit an der Basal- toren für persistierende Infektionen, die zu Karzinomen führen können, sind membran, und nicht wie bei anderen unter anderem Rauchen und Immunsuppression. Für die virologische HPV- Viren an der Zell- bzw. Epithelober- Diagnostik stehen verschiedene Testsysteme zur Verfügung, die den morpho- fläche. logischen HPV-Nachweis sinnvoll ergänzen können. Die HPV-DNA Replikation und die HPV- Protein Expression sind eng an den Dif- Humane Papillomviren (HPV) sind un- Typen repräsentieren. HPV-Typen sind ferenzierungsgrad der infizierten Kerati- behüllte DNA-Viren mit einem Durch- Genotypen, wobei verschiedene Typen nozyten gekoppelt. Nach der Primärin- messer von 55 nm. Das zirkuläre doppel- sich in mindestens 10% ihrer Haupt- fektion findet man in den Basalzellen strängige HPV-Genom umfasst circa Kapsid (L1) Gensequenz unterscheiden. (Stratum basale) nur wenige virale Ge- 8.000 Basenpaare und kodiert für sechs nome sowie eine schwache Transkription frühe Proteine (E1, E2, etc., E steht für HPV-REPLIKATION UND der frühen Gene E1, E2 und E5. In den early) und für zwei spät im viralen Ver- PATHOGENESE darüber liegenden Zellen (unteres Stra- mehrungszyklus exprimierte Proteine HPV infizieren mehrschichtige Platten- tum spinosum) werden alle frühen Gene (L1 und L2, L steht für late). Die frühen epithelien von Haut und Schleimhaut. exprimiert (E1, E2, E4, E5, E6, E7). Im Proteine sind für die virale DNA-Repli- Phylogenetisch lassen sich HPV in fünf oberen Stratum spinosum setzt die vege- kation (E1, E2), für die Transkription der Genera einteilen (alpha, beta, gamma, tative DNA Replikation ein und man fin- viralen Gene (E2, E4) und für die Virus- mu und nu), wobei alphaHPV vorwie- det viele virale Genome. Neben den frü- freisetzung (E4) notwendig. L1 und L2 gend den Anogenital-Trakt des Men- hen Genen werden jetzt auch die Kapsid- sind die Haupt- bzw. Neben-Kapsid-Pro- schen infizieren, während die HPV-Ty- proteine L1 und L2 synthetisiert und der teine. E5, E6 und E7 bestimmter HPV- pen der restlichen vier Genera die Haut Zusammenbau neuer Viruspartikel (As- Typen (Tab. 1) können als Onkoproteine bevorzugen (kutaner Tropismus). HPV sembly) beginnt. Im Stratum granulosum wirken, indem sie z.B. zelluläre Tumor- gelangen über Mikroläsionen der Haut liegen reife, infektiöse Virionen vor, die in suppressor-Proteine wie p53 (E6) oder und Schleimhaut an die Basalmembran der obersten Zelllage (bei der Haut Stra- pRB (E7) inaktivieren oder die zelluläre des zu infizierenden mehrschichtigen tum corneum) mit abschilfernden Zellen DNA-Synthese und die Transkription ak- Plattenepithels und binden zunächst mit freigesetzt werden (Howley&Lowy, 2007). tivieren (Moody et al. 2010). Momentan ihrem L1-Kapsidprotein an die Basal- AlphaHPV, die vorwiegend den Anoge- kennt man 170 komplett klassifizierte membran. Dies führt zu einer Konforma- nitaltrakt infizieren (genitale/mukosale HPV-Typen (Bernard et al. 2010; www. tionsänderung des Kapsids und über wei- HPV-Typen), lassen sich bezüglich ihres ncbi.nlm.nih.gov/Taxonomy/Browser) tere Zwischenschritte schließlich zu einer onkogenen Potenzials in Niedrig- (low sowie zahlreiche partielle HPV-Sequen- Infektion der Basalzellen des mehr- risk, LR) und in Hochrisiko- (high risk, zen, die voraussichtlich weitere HPV- schichtigen Plattenepithels (Kines et al. HR) Typen einteilen (ermittelt für das Zervixkarzinom-Risiko) (Munoz et al. Karzinogenitäts- Gruppe Definition HPV-Typen 2003). Unter den Hochrisiko-HPV-Ty- 1 karzinogen für den Menschen HPV16*, 18, 31, 33, 35, pen (Tab. 1) spielt HPV16 eine besonde- 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59 re Rolle, da sein Krebsrisiko etwa 1 Log- 2A wahrscheinlich karzinogen HPV68 Stufe über dem der restlichen HR-HPV- für den Menschen Typen liegt, und da man HPV16 häufig möglicherweise karzinogen HPV26, 30, 34, 53, 66, 67, 2B für den Menschen 69, 70, 73, 82, 85, 97 auch in HPV-assoziierten Karzinomen * Für HPV16 ist das Krebsrisiko vermutlich 1 Log-Stufe höher als für die restlichen Hochrisiko-HPV-Typen. jenseits des Zervixkarzinoms findet Tab. 1 Das onkogene Potential verschiedener Hochrisiko-HPV-Typen gemäß der Klassifikation (Abb. 1, Tab. 2) (Bouvard et al. 2009, der „International Agency for Research on Cancer“ (Bouvard et al. 2009; IARC, 2011). IARC 2011). Neben dem Zervixkarzi- 32 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG nom können HR-HPVs, und insbeson- dere HPV16, auch andere anogenitale Karzinome wie Vulva-, Vagina-, Penis-, und Analkarzinome, sowie oropharynge- ale Karzinome induzieren (Abb. 1, Tab. 2) (de Martel et al. 2012, Wu et al. 2012, Schiller & Lowy 2012). Mukosale Nied- rigrisiko-HPV-Typen, wie z.B. HPV6 oder HPV11, findet man in Genitalwar- zen (Condylomata acuminata) oder in Tausende niedrig-gradigen anogenitalen Dyspla- Abb. 1 Weltweite jährliche Anzahl und Verteilung HPV-bedingter Karzinome (Angaben für das sien, aber in der Regel nicht oder nur Jahr 2008 nach de Martel et al. Lancet Oncology 13, 2012). sehr selten in hochgradigen Dysplasien Karzinom Wu et al. 2012 (USA) de Martel et al. 2012 (Global) oder Karzinomen (Munoz et al. 2003, Bouvard et al. 2009, IARC 2011). Cervix 96% (95-97%) 100% Vagina 64% (43-82%) 70% HPV-EPIDEMIOLOGIE Vulva 51% (37-65%) 43% AlphaHPVs werden durch Sexualkon- takte übertragen. Die große Mehrheit Penis 36% (26-47%) 50% (>80%, in manchen Studien bis 100%) Anal 93% (86-97%) 88% sexuell aktiver Menschen infiziert sich Oropharnyx* 63% (50-75%) 25,6% (13-56%) im Laufe des Lebens mit zahlreichen * inklusive Tonsillen und Zungenbasis HPV-Typen, aber die meisten Infekti- Tab. 2 HPV-Prävalenz in verschiedenen Karzinomen in zwei aktuellen Studien. onen sind transient (und asymptoma- tisch bzw. folgenlos) und nach 6-18 Mo- in 4-7%, wobei bei 1,3-3,7% HR-HPV- tenten erst nach einer langen präkanze- naten nicht mehr nachweisbar (Schiff- DNA nachgewiesen wurde, mit HPV16 rösen Phase von mehreren Jahren man et al. 2007, Stanley et al. 2010; als dem häufigsten Typ (0,6-1%). Risiko- (Schiffman et al. 2007). Weaver et al. 2011). Bei jungen Frauen faktoren für orale HPV-Infektionen sind liegt die zervikale HPV-Prävalenz in ver- Rauchen und Sexualkontakte (Kreimer et HPV-ASSOZIIERTE KARZINOME schiedenen Studien und in verschie- al. 2011, Gillison et al. 2012). Circa 5% aller menschlichen Karzinome denen geographischen Regionen zwi- Circa 10-15% der genital HPV-infi- sind HPV-bedingt (Schiller & Lowy schen 10 und 52% und nimmt mit zu- zierten Frauen bauen keine erfolgreiche 2012). Für die USA rechnet man mo- nehmenden Alter für HR-HPV auf unter (zelluläre) Immunität gegen HPV auf mentan mit fast 35.000 HPV-bedingten 10% ab (Cuzick et al. 2006, Stanley et al. und eliminieren die Viren nicht. Per- Karzinomen pro Jahr (13.446 bei Män- 2010, Wheeler et al. 2013). Im Gegensatz sonen mit persistierenden HR-HPV-In- nern und 21.342 bei Frauen) (Jemal et al. zu Frauen, ist bei Männern aller Alters- fektionen haben ein erhöhtes Risiko für 2013). So gut wie alle Zervixkarzinome, stufen die genitale HPV-Prävalenz in den die Entwicklung anogenitaler Karzinome circa 90% der Analkarzinome, 60-70% meisten Studien über 30% (-50%) und und deren Vorstufen, den hochgradigen der Vaginal-Karzinome, 40-50% der nimmt mit zunehmendem Alter kaum Dysplasien, wie CIN Grad 2 und Grad 3 Vulva- und der Penis-Karzinome, sowie ab. Anogenitale HPV-Infektionen sind oder AIN2 und AIN3 (CIN bzw. AIN 13 bis über 50% der Oropharynx-Karzi- demgemäß bei gesunden, sexuell aktiven steht für zervikale bzw. anale intraepithe- nome (inklusive Tonsillen- und Zungen- Männern sehr häufig und die meisten In- liale Neoplasie) (Schiffman et al. 2007, basis-Karzinome) sind HR-HPV-bedingt fektionen sind transient. Die hohe Präva- Stanley et al. 2010). Persistierende HR- (Wu et al. 2012, de Martel et al. 2012, lenz wird mit häufigen Reinfektionen HPV-Infektionen können zum Teil in- Schiller & Lowy, 2012) (Abb. 1, Tab. 2). erklärt (Smith et al. 2011, Giuliano et al. nerhalb weniger Monate zu Dysplasien Das Zervixkarzinom ist das häufigste 2011). Orale HPV-Infektionen findet führen, aber die Karzinom-Entstehung HPV-bedingte Karzinom und weltweit man bei gesunden Frauen und Männern (Invasion) erfolgt bei Immunkompe- gesehen mit 450.000-530.000 Neuer- HIV&more 2/2013 33
FORTBILDUNG krankungen pro Jahr die zweithäufigste 100.000 pro Jahr (Palefsky et al. 2005, pharyngealen Karzinomen dominiert (nach Brustkrebs) Krebsart bei Frauen Kreuter et al. 2010, Silverberg et al. HPV16 (Klussmann et al. 2009, Chatur- (Abb. 1) (Forouzanfar et al. 2011, de Mar- 2012). Im Gegensatz zu anderen erreger- vedi et al., 2011). tel et al. 2012). In Deutschland gibt es bedingten Neoplasien HIV-infizierter trotz eines von den Krankenkassen fi- Patienten, wie z.B. dem Kaposi-Sarkom CONDYLOMATA ACUMINATA nanzierten Screening-Angebots (Pap- (Humanes Herpesvirus 8), hat die (er- Die häufigsten HPV-bedingten Läsionen Screening) 4.600-4.900 neu diagnosti- folgreiche) antiretrovirale Therapie kei- sind Condylomata acuminata (Feigwar- zierte Zervixkarzinome und über 1.500 nen relevanten Einfluss auf die hohen zen, Genitalwarzen). Circa 1% aller sexu- Sterbefälle (infolge Zervixkarzinom) pro Analkarzinom-Inzidenzraten HIV-posi- ell aktiven Erwachsenen hat zu einem Jahr (Robert Koch-Institut, 2012). Die tiver Patienten (Shiels et al. 2011, Silver- bestimmten Zeitpunkt Condylome. In Zervixkarzinom-Inzidenzrate liegt in berg et al. 2012). Deutschland rechnet man mit über Deutschland bei 11,6 pro 100.000 Frauen 100.000 (bis 500.000) Diagnosen pro Jahr. pro Jahr und damit im europaweiten Ver- Die Inzidenzrate für Condylome liegt in gleich in der oberen (schlechteren) Hälf- Deutschland bei 170 pro 100.000 pro Jahr te (Robert Koch-Institut, 2012). Im Ver- und bei jungen Menschen (unter 30 Jah- gleich zum Zervixkarzinom sind andere ren) in Großstädten bei 700-900 pro HPV-bedingte Karzinome seltener (Abb. 100.000 pro Jahr. Das geschätzte Lebens- 1). Für das Analkarzinom beispielsweise zeitrisiko für Genitalwarzen wird (für liegt die Inzidenz in der Allgemeinbevöl- HIV-negative Personen) auf 10% ge- kerung bei 1-2 Neuerkrankungen pro schätzt, für HIV-positive Patienten ist es 100.000 pro Jahr (Clark et al. 2004). wesentlich höher. Bei 54% von 640 HIV- positiven Männern wurden innerhalb von RISIKOFAKTOREN 8 Jahren Condylome diagnostiziert, vor- Wichtige Risikofaktoren für persistieren- Abb. 2 HPV16-Genom. Die HPV-Oncogene wiegend anale Condylome (bei 51%), ge- E5, E6 und E7 sind rot dargestellt. L1 und L2 de HPV-Infektionen, für HPV-bedingte folgt von penilen (bei 9%) und oralen (bei (blau) sind die Haupt- und Nebenkapsidpro- Dysplasien und für HPV-assoziierte Kar- tein-Gene. NCR, nicht codierende Region. 3%) Läsionen. Rezidive sind bei HIV-po- zinome sind Rauchen und Immunsup- sitiven Patienten wesentlich häufiger als pression (Tota et al. 2011). So haben Rau- HPV-TYP UND KARZINOMRISIKO bei Immunkompetenten. Mehr als 90% cher, im Vergleich zu Nichtrauchern, ein In allen HPV-bedingten Karzinomen ist der Condylomata acuminata sind HPV6 über zweifach erhöhtes Risiko für die HPV16 der am häufigsten vorkommende oder HPV11-bedingt, aber man findet in Entwicklung eines Zervix- oder eines HPV-Typ, gefolgt von HPV18. So findet Condylomen auch andere LR-HPV-Ty- Analkarzinoms (Plummer et al. 2003, man weltweit gesehen in 71% (Europa pen wie z.B. HPV40, 41, 42, 44 und 61. Nordenvall et al. 2011). Bei HIV-infi- 73%) aller Zervixkarzinome HPV16 Dies gilt insbesondere für HIV-infizierte zierten Männern und Frauen sind geni- (61%) oder HPV18 (10%). In Adenokar- Patienten (Kraut et al. 2010, Wieland & tale und anale HPV-Infektionen, oft mit zinomen der Zervix ist der Anteil von Kreuter 2011, Hartwig et al. 2012). multiplen Typen, sehr häufig (>50% bis HPV18 (32%) und HPV45 (12%) größer >90%) und dementsprechend findet man als in Plattenepithelkarzinomen der Zer- HPV-DIAGNOSTIK bei diesen Patienten anogenitale Dyspla- vix (8% und 5%), und der von HPV16 Anogenitale HPV-Infektionen lassen sich sien und Karzinome wesentlich häufiger kleiner (50% vs 62%) (de Sanjose et al. klinisch (Inspektion, Kolposkopie, Anos- als in der Allgemeinbevölkerung (Kreuter 2010). In HPV-positiven Vulva-, Vagina-, kopie), morphologisch (Zytologie, Histo- & Wieland, 2009, Shiels et al. 2011, Sil- Penis- und Analkarzinomen dominiert logie) oder durch direkten und indirekten verberg et al. 2012). 35-52% HIV-posi- ebenfalls HPV16 (Gross & Pfister 2004, Nachweis von HPV (Nachweis viraler tiver Männer mit gleichgeschlechtlichen de Vuyst et al. 2009), wobei man in Anal- Nukleinsäuren, Immunhistochemie, Im- Kontakten haben hochgradige anale karzinomen HIV-positiver Patienten re- munzytochemie) diagnostizieren. Da nur Dysplasien (AIN2/3) und die Analkarzi- gelmäßig auch andere HR-HPV-Typen ein geringer Anteil (
FORTBILDUNG Serologie für die Diagnostik von HPV- vierung des Tumorsuppressorproteins Frauen wäre die HPV-Prävalenz zu hoch) Infektionen keine Rolle. Das Ziel der pRB führt. Dadurch entfällt die negative zu ersetzten (IQWiG, 2011). Dies würde HPV-Diagnostik im klinischen Alltag Feedback-Kontrolle von pRB auf die bedeuten, dass zunächst ein HPV-DNA sollte nicht der Nachweis jeglicher HPV- p16-Expression und das p16-Protein Test durchgeführt wird, und ein nachfol- Mengen sein, sondern der Nachweis von wird überexprimiert. Mit ansteigendem gender Zytologie-Test nur, wenn bei der klinisch relevanten HPV-Mengen, die mit Dysplasiegrad nimmt die p16-Expressi- Patientin HR-HPV-DNA nachweisbar ist. (therapiebedürftigen) Läsionen, wie z.B. on zu und umfasst bei hochgradigen Vorteile des HPV-Testes gegenüber der CIN2/3+ assoziiert sind (Meijer et al. Dysplasien/Carcinoma in situ die ge- Zytologie sind eine deutlich höhere Sen- 2009, Kinney et al. 2010). samte Epithel-höhe (Klaes et al. 2001). sitivität für die Erkennung hochgradiger HPV-DNA lässt sich aus Genitalabstri- Die p16-Immun-histochemie ist auch Dysplasien (95-100% vs 43-58%), ein sehr chen mittels Polymerase-Kettenreaktion zur Diagnostik nicht-zervikaler Dyspla- hoher negativer prädiktiver Wert (fast (PCR, DNA-Amplifikation) oder mittels sien, wie z.B. peniler intraepithelialer Ne- 100%), eine bessere Reproduzierbarkeit, Hybrid Capture Test (Signal-Amplifikati- oplasien (PIN) geeignet (Kreuter et al. eine geringere Subjektivität bei der Aus- on) nachweisen. Vorteile des Hybrid Cap- 2008). Eine Weiterentwicklung des p16- wertung sowie eine geringere Abhängig- ture Tests im Vergleich zur PCR sind die Nachweises ist die p16/Ki-67 Doppelfär- keit von der Qualität des Probenmateri- leichtere, standardisierte Durchführbar- bung. Ki-67 ist ein zellulärer Proliferati- als. Nachteile des HPV-Tests im Vergleich keit, die Robustheit des Tests, die etwas onsmarker. Die Doppelfärbung erlaubt zur Zytologie sind die geringere Spezifität höhere klinische Spezifität (wegen hö- unter anderem die Beurteilung/Triage für die Erkennung hochgradiger Dyspla- herer analytischer Nachweisgrenze) und nicht eindeutiger oder verdächtiger Hi- sien, der niedrigere positive prädiktive die niedrigeren Testkosten. Vorteile der stologien oder Zytologien. In dyspla- Wert (12% vs 91%), eine mögliche Über- PCR sind die mögliche sehr hohe analy- stischen Zellen sind beide Marker positiv diagnostik regredierender CIN2-Läsi- tische Sensitivität (bei niedrigerer kli- und man sieht rot angefärbte Zellkerne onen bei jüngeren Frauen, sowie eine nischer Spezifität), die damit einherge- (Ki-67) und braunes Zytoplasma (p16). mögliche Verunsicherung der Patien- hende bessere Nachweisbarkeit von HPV- Bei HR-HPV-DNA-positiven Frauen mit tinnen durch den Nachweis onkogener Persistenz, und die Möglichkeit einer normalem Zytologie-Befund lässt sich Viren (Cuzick et al. 2006, Mayrand et al. umfassenden HPV-Typisierung. Tests durch die Doppel-Färbung ausschließen, 2007, Lazcano-Ponce et al. 2011, de Kok zum Nachweis von HR-HPV-Onkogen dass dysplastische Zellen vorliegen (Petry et al. 2012, Rijkaart et al. 2012, Arbyn et (E6/E7) mRNA haben im Vergleich zu et al. 2011, Reuschenbach et al. 2012). al. 2012). In den Niederlanden wurde ein HPV-DNA-Testen eine höhere Spezifität organisiertes primäres HPV-Screening (für die Erkennung von CIN2+/CIN3+), INDIKATIONEN ZUR DIAGNOSTIK mit Zytologie-Triage bei positivem HR- bei etwas geringerer Sensitivität (Szarews- Anerkannte Indikationen für die genitale HPV Nachweis für Frauen zwischen 30 ki et al. 2008, Burger et al. 2011). HPV-Diagnostik bei Frauen sind Kon- und 60 Jahren im Jahr 2011 eingeführt, Mittels Immunhistochemie oder Im- trolluntersuchungen (zusammen mit Zy- wobei für Frauen mit negativen HR-HPV- munzytologie ist der Nachweis von HPV- tologie/Histologie) 6 und 12 Monate nach Befunden nur 5 Screening-Untersu- Proteinen oder der Nachweis von zellu- CIN- oder Zervixkarzinom-Therapie, die chungen mit 30, 35, 40, 50 und 60 Jahren lären Proteinen, deren Expression durch Entscheidungshilfe (Triage) bei unklaren notwendig sind (HPV Today, 2011). die HPV-Infektion verändert wird, mög- zytologischen Befunden sowie die Risiko- Nicht sinnvoll ist ein HPV-Test bei (asym- lich. Ein weit verbreiteter Test für letztere abschätzung/Triage bei niedrig-gradigen ptomatischen) Männern, bei jungen Option ist der Nachweis des p16-Proteins Dysplasien (Chan et al. 2009, Arbyn et al. Frauen (
FORTBILDUNG STEFAN ESSER, ESSEN, FÜR DIE LEITLINIENGRUPPE Anale Dysplasien und Analkarzinome bei HIV- Infizierten – Prävention, Diagnostik und Therapie* Erstmalig wird von der Deutschen AIDS Gesellschaft (DAIG) eine Leitlinie zur Auch wenn für das Analkarzinom noch Prävention, Diagnostik und Therapie von analen Dysplasien und Analkarzino- keine ausreichende Evidenz für die Effek- men bei HIV-Infizierten unter aktiver Beteiligung verschiedener anderer Fach- tivität der Vorsorgeuntersuchungen vor- gesellschaften entwickelt, die bei der Mitgliederversammlung während des liegt, erscheint ein Analogieschluss zwi- Deutsch-österreichischen AIDS-Kongresses abgestimmt werden soll. Somit schen Anal- und Zervixkarzinom ge- wird es hierzu für Menschen mit HIV-Infektion nur eine gemeinsame Leitlinie rechtfertigt. Deshalb hat sich die DAIG geben und nicht verschiedene von unterschiedlichen Fachgesellschaften. für die Entwicklung einer geeigneten Leitlinie für HIV-Infizierte unter Einbe- HINTERGRUND in einigen Kohorten wird noch immer ziehung relevanter Fachgesellschaften Hintergrund ist die hohe Inzidenz und ein weiterer Anstieg beschrieben. Das entschieden. Prävalenz von persistierenden genitoa- Analkarzinom gehört bei HIV-Infi- nalen Infektionen mit verschiedenen Hu- zierten inzwischen zu den häufigsten DIAGNOSTIK manen Papilloma Viren (HPV)-Typen nicht AIDS-definierenden Neoplasien Ein Algorithmus zur Prävention, Diag- bei HIV-Infizierten. HPV wird von HIV- nostik und Therapie von Condylomata Infizierten seltener eradiziert und kon- BEDEUTUNG DER acuminata, analen intraepithelialen Dys/ trolliert. Sowohl low-risk (LR) HPV-Ty- FRÜHERKENNUNG Neoplasien und Analkarzinomen bei pen, die Feigwarzen (Condylomata acu- Da zwischen der Entwicklung eines HIV-Infizierten wird derzeit entwickelt. minata) verursachen, als auch high-risk Analkarzinoms und dem Auftreten von Der aktuelle Zwischenstand wird in die- (HR) HPV-Typen, die mit einer malig- Feigwarzen und analen intraepithelialen sem Artikel präsentiert. nen Transformation und der Entwick- Neoplasien einige Zeit vergehen kann, HIV-infizierte Männer, vor allem MSM, lung von intraepithelialen Neoplasien bis kommt der Früherkennung HPV-assozi- sollten analog zu HIV-infizierten Frauen hin zum infiltrierend wachsenden Karzi- ierter Läsionen besondere Bedeutung zu. proktologisch überwacht werden. Alle nom einhergehen können, werden bei Die gynäkologischen Vorsorgeuntersu- HIV-Infizierten mit genitoanalen oder HIV-Infizierten gehäuft nachgewiesen. chungen von Frauen haben zu einem oralen Feigwarzen, intraepithelialen Dys/ Condylomata acuminata, intraepitheliale deutlichen Rückgang von Zervixkarzino- Neoplasien oder Karzinomen in der Vor- Neoplasien und Analkarzinome finden men geführt. Vor deren Einführung gab geschichte sind Hochrisiko-Patienten für sich bei HIV-Infizierten deutlich häu- es wenig Evidenz für die heute unstrittige die Entwicklung eines Analkarzinoms. figer als in der Allgemeinbevölkerung. Effektivität der Vorsorgeuntersuchungen Sorgfältige genitoanale Inspektionen und Die Übergänge von pesistierenden HPV- zur Vermeidung von Zervixkarzinomen. regelmäßige proktologische Untersu- Infektionen über intraepitheliale Neopla- Zwischen Zervixkarzinomen und Anal- chungen mittels (High Resolution) Ano- sien hin zu Analkarzinomen können sich karzinomen bestehen zahlreiche Ähn- skop/Kolposkop mit zytologischen Abstri- bei HIV-Infizierten rascher vollziehen. lichkeiten: HPV-Assoziation, Entwick- chen und rechtzeitiger gezielter Probeent- Ein schlechter Immunstatus begünstigt lung in der Transformationszone, Risiko- nahme können fatalem Tumor- die Persistenz von HPV-Infektionen, das faktoren wie Promiskuität, Immun- wachstum vorbeugen und verstüm- Auftreten assoziierter klinischer Läsi- suppression und Rauchen. In der melnde Operationen (Rektumamputa- onen und die maligne Transformation. Literatur finden sich zahlreiche Hinwei- tion, Anus praeter) vermeiden. Rektales Dennoch haben der breite Einsatz der se, dass genitoanale Vorsorgeuntersu- Palpieren und äußerliche Inspektionen antiretroviralen Therapie und die damit chungen bei HIV-Infizierten zur Früher- der Anogenitalregion sind als Vorsorge für meist verbundene Immunrekonstitution kennung von Vorläuferläsionen beitra- HIV-Infizierte alleine nicht ausreichend. zu keiner Abnahme der Inzidenz von gen und damit die Inzidenz von Wenn ein Analkarzinom tastbar wird, ist Analkarzinomen geführt. Im Gegenteil, Analkarzinomen reduzieren könnten. es meist bereits schon weit fortgeschritten. *Stand Mai 2013 36 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG Abb. 1 Algorithmus zur Prävention Diagnostik und Therapie von Condylomata acumi- nata-analen intraepithelialen DysNeoplasien und Analkarzinomen bei HIV-Infizierten HIV&more 2/2013 37
FORTBILDUNG SCREENING AIN III einem analen Carcinoma in situ. THERAPIE Für welche HIV-infizierten Patienten wie Daneben kann auch der HPV-Subtyp be- Alle Behandlungen sind bisher unbefrie- oft zytologische, kolposkopische und stimmt werden, um zwischen High-risk/ digend und gehen mit einer hohen Rezi- proktoskopische Untersuchungen zusätz- Low-risk-Typen zu unterscheiden. Dies divrate einher. HPV-Impfungen und lich zu den routinemäßig durchgeführten ist derzeit in der Gynäkologie bei un- Immun-stimulierende oder modulieren- genitoanalen Palpationen und Inspekti- klaren zytologischen Befunden hilfreich. de Therapien sind bei CD4-Zellzahlen onen notwendig sind, wird im neu ent- Die Subtypenbestimmung ist sonst noch von unter 350 Zellen/µl fragwürdig. Die wickelten Algorithmus der deutsch-ös- keine Routinediagnostik und spielt bei Verhältnismäßigkeit operativer Maßnah- terreichischen Leitlinie empfohlen. Therapieentscheidungen eine unterge- men sollte kritisch abgewogen werden, Allen HIV-Infizierten sollten im Rahmen ordnete Rolle. da die persistierende HPV-Infektion der jährlichen Inspektion und Palpation damit meistens nicht geheilt wird. Ein hi- Analabstriche für zytologische Untersu- ZYTOLOGIE stologisch und klinisch eindeutig dia- chungen angeboten werden. Hochrisiko- Darüber hinaus stehen zytologische Ab- gnostiziertes intraanales Carcinoma in Patienten für die Entwicklung eines Anal- strichuntersuchungen als weitere Scree- situ muss weder zwingend großflächig karzinoms wird zusätzlich eine Anosko- ningmethode für Zervix- und Analkarzi- exzidiert noch zeitnah mit einer Radio- pie mit geeigneten Gewebefärbungen nome und deren Vorstufen zur Verfü- chemotherapie behandelt werden. Abla- (Essigsäure, Lugol`sche Lösung) und ggf. gung. Während die Zytologieergebnisse tive Verfahren wie elektrokaustische Ab- mit gezielter Probebiopsie empfohlen. der Zervixabstriche nach Papanicolaou tragungen von analen intraepithelialen Grundsätzlich sollten alle klinisch auffäl- eingeteilt werden, folgt die Klassifikation Neoplasien waren in einer Vergleichsstu- ligen HPV-assoziierten Befunde umge- bei Analabstrichen meist dem Bethesda die an HIV-positiven MSM einer lokalen hend behandelt werden. Die Art der The- System. Dieses unterscheidet zwischen Chemotherapie mit Fluorouracil und rapie unterscheidet sich nicht von den normalen Befunden, Inflammation und einer Behandlung mit Imiquimod über- Methoden bei HIV-negativen Patienten. verschiedenen Atypien: Atypical squa- legen. Da sich die Übergänge von einer persis- mous cells (ASC: -US (undetermined si- Je früher ein Analkarzinom diagnosti- tierenden HPV-Infektion über intraepi- gnificance), -H (cannot exclude HSIL), ziert wird, desto erfolgreicher ist eine Ra- theliale Neoplasien hin zu einem Anal- atypical glandular cells (ACG), low-grade diochemotherapie. Die Radiochemothe- karzinom bei HIV-Infizierten rascher oder high-grade squamous intraepitheli- rapie sollte den Immunstatus des HIV- vollziehen können, sollten die erforderli- al lesion (LSIL oder HSIL). Sensitivität Infizierten und Interaktionen mit der chen Maßnahmen zeitnah eingeleitet werden. und Spezifität der Analabstriche sind mit antiretroviralen Therapie (ART) berück- der Zervixzytologie vergleichbar. Jeder sichtigen. Ggf. muss die ART umgesetzt HISTOLOGIE wiederholt auffällige oder höhergradige oder pausiert werden. Die Diagnose Feigwarzen oder Analkar- (HSIL) zytologische Befund sollte zeit- Wir hoffen, dass die Empfehlungen der zinom kann oft klinisch gestellt werden, nah eine Kolposkopie oder eine Proto- Leitlinie auf breite Akzeptanz stoßen und während der Grad einer intraepithelialen skopie nach sich ziehen. deren Umsetzung in den klinischen All- Neoplasie histologisch bestätigt werden tag die Versorgung und Früherkennung muss. Probebiopsien zum Ausschluss ANOSKOPIE HPV-assoziierter Erkrankungen bei von Malignität sind vor Therapiebeginn Die „High Resolution Anoscopy/Colpo- Menschen mit HIV-Infektion verbessern. zu empfehlen. Bei Therapieresistenz, scopy“ als Goldstandard für die Früher- Dr. med. Stefan Esser Universitätsklinikum Essen Frührezidiven sowie raschem oder ver- kennung HPV-assoziierter Läsionen Hufelandstrasse 55 · 45122 Essen mutetem infiltrierendem Wachstum sind wird in spezialisierten Zentren angebo- E-Mail: stefan.esser@uk-essen.de sie dringend indiziert. ten und verbessert die Treffsicherheit bei Leitliniengruppe: N. Brockmeyer (DDG), O. Degen (DGI), G. Elderling Histologisch werden Condylomata acu- der genitalen, peri- und intraanalen In- (DAIG), St. Esser (DSTIG), minata, intraepitheliale Neoplasien nach spektion für notwendige Probebiopsien, A. Gingelmaier (DGGG), A. Jessen (DAGNÄ), H. Knechten (NAGNÄ), A. Kreuter (DAIG), Schweregrad I-III (IN) und invasiv wach- besonders nach Applikation von Essig- F. A. Mosthaf (DGHO), M. Oette (DGVS), N. Postel (Vir+), M.-L. Sautter (DAIG), sende Karzinome voneinander unter- säure (3-prozentig Schleimhäute, 5-pro- A. Schafberger (DAH), H. Schalk (ÖAIG), H.-J. Stell- brink (DAIG), J. Swoboda (DGZ), schieden. Vorab wird die anatomische Lo- zentig Haut) und zusätzlicher Färbung Jan Thoden (KAAD), U. Wieland (GfV), Beratendes Mitglied (ohne Mitgliederbeschluss nachnominiert): kalisation angegeben. Somit entspricht ein mit Lugol`scher Lösung. J. Jongen (DGK) 38 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG ARNE B. JESSEN UND HEIKO JESSEN, BERLIN benötigt wesentlich mehr Zeit. Das Auf- treten von Analkarzinom bei MSM ist HPV-Impfung bei Männern über 30mal häufiger als bei heterosexu- ellen Männern. Somit kann das Auftreten HPV-Infektionen und HPV-assoziierte Erkrankungen sind insbesondere bei von Analkarzinomen unter den MSM Männern, die Sex mit Männern haben, häufig. Die Impfung gegen HPV, die ähnlich hoch eingeschätzt werden wie nachweislich auch bei Männern entsprechende Infektionen verhindert, könnte das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs auch einen präventiven Effekt beim Analkarzinom haben. bei Frauen vor der Einführung des Scree- ning-Programms zur Gebärmutterhals- Die meisten HPV-Infektionen sind so- weniger als einem Prozent der Fälle zum krebsvorsorge. wohl bei Frauen als auch bei Männern Peniskarzinom entwickelt. Die Subtypen Nicht-kanzerogene HPV-bedingte Läsi- vorübergehend und asymptomatisch. Als HPV-16 und HPV-18 sind für rund 90% onen, wie zum Beispiel Genitalwarzen, wichtigster Risikofaktor für eine externe aller HPV-bedingten Krebsarten bei kommen wesentlich häufiger vor als genitale HPV-Infektion erweist sich die Männern verantwortlich (Abb. 1). HPV-assoziierte Krebserkrankungen Zahl der Sexualpartner. Die Mehrzahl und treten bei Männern ähnlich häufig der HPV-Infektionen treten bei jungen HPV-ASSOZIIERTE KRANKHEITEN auf wie bei den Frauen (Abb. 2). Die ge- Frauen unter 25 auf. Im Vergleich dazu Obwohl die allgemeine Inzidenz von kommen die HPV-Infektionen bei Män- HPV-assoziierten Krebserkrankungen nern gleichwertig in allen Altersgruppen bei Männern relativ gering ist, erweist vor und das Risiko einer neuen Infektion sich die durchschnittliche jährliche Zu- bleibt über die Zeit stabil. nahme der Inzidenz des Analkarzinoms Nur ein kleiner Anteil von HPV-Infekti- als fast doppelt so hoch wie bei Frauen. onen persistiert über längere Zeit und Die Inzidenz von HPV-bedingten Oro- kann sich dabei zu nicht-kanzerösen pharynx-Karzinomen ist bei Männern oder kanzerösen Läsionen entwickeln. ebenfalls erhöht und steigt weiter an, Das HPV-bedingte Analkarzinom, das während sie bei Frauen stabil bleibt. Oropharynx-Karzinom sowie gutartige Bei Männern, die Sex mit Männern Läsionen, wie Genitalwarzen und rezidi- haben (MSM), besteht ein besonders vierende respiratorische Papillomatosen hohes Risiko für eine HPV-Infektion und können bei beiden Geschlechtern auftre- HPV-bedingte Krankheiten. Die Infekti- Abb. 2 Typische anale Condylome ten. Penile intraepitheliale Neoplasie on verläuft bei dieser Personengruppe oft (PIN) ist die einzige Männer-spezifische mit mehreren HPV-Genotypen gleich- schätzte Inzidenz von Anogenitalwarzen HPV-bedingte Erkrankung, die sich in zeitig und eine potenzielle Eradikation bei MSM ist jedoch fast zehnmal so hoch wie in der allgemeinen Bevölkerung. Die HPV-Typen 6 und 11 sind für mehr als 90% der Genitalwarzen verantwortlich. STUDIENLAGE Die Effektivität der Impfung gegen das Humane Papilloma Virus (HPV) bei Männern wurde nur für den tetrava- lenten Impfstoff (gegen Typen 6, 11, 16 und 18; Gardasil®) im Rahmen einer in- ternationalen Studie untersucht, an der sich neben unserer Praxis in Berlin auch Stefan Esser, Essen, und Knud Schewe, Abb. 1 Verlauf der HPV-Infektion bei Männern Hamburg, beteiligten. Hierbei erhielten HIV&more 2/2013 39
FORTBILDUNG Abb. 3 Effektivität der HPV-Vakzine bei Männern im Alter 16-26 4065 Jungen und Männer im Alter von zinome einschließt, ist weiterhin offen. wirkung des Impfstoffes gegen anale In- 16-26 Jahren jeweils drei Dosen des Dieser Ansatz wurde auch bei der Ent- traepitheliale Neoplasien (AIN) unter den Impfstoffes/Placebos und wurden drei wicklung des Impfprogramms für Frauen MSM-Studienteilnehmern erwartet, da Jahre lang beobachtet. Im Hinblick auf angewendet, nachdem eine präventive eine hocheffektive Prävention gegen per- die Entwicklung von extragenitalen Läsi- Wirkung gegen hochgradige intraepithe- sistierende Infektionen mit Hochrisiko- onen (genitale Warzen, penile Intraepi- liale Neoplasien der Zervix, die durch HPV-Typen im analen Epithel erreicht theliale Neoplasie (PIN) oder Peniskarzi- eine Progression zu Gebärmutterhals- wurde (95% Senkung der Infektionsrate). nom) zeigte sich der Impfstoff als hoch- krebs führen können, beobachtet wurde. Eine ebenso gute Wirksamkeit wurde effektiv. 90% der verhinderten extra- Die Zuverlässigkeit solcher Schlüsse beim Schutz gegen persistierende externe genitalen Läsionen waren dabei Geni- könnte bei Männern weniger sicher sein, genitale Infektionen an Penis, Hoden, pe- talwarzen (Abb. 3). da der Verlauf der HPV-assoziierten Er- rinealen oder perianalen Bereichen in der Auch in einer weiteren Substudie mit 602 krankungen bei Männern zum aktuellen gesamten Studienkohorte gesehen (86%). MSM, in der die Effektivität des Impf- Zeitpunkt noch nicht ausreichend er- Somit wäre eine anschließende Redukti- stoffes gegen anale intraepitheliale Neo- forscht ist. Wir konnten in unserer Studie on in PIN und Peniskarzinom in unserer plasien (AIN) und Analkarzinom beur- eine tendenzielle Reduzierung von PIN Follow-up Studie zu erwarten. teilt wurde, war die Erfolgsrate sehr hoch. bei den Impfstoffempfängern beobach- Die Wirksamkeit einer HPV-Impfung Zu beachten ist jedoch, dass keine Fälle ten, was jedoch aufgrund der geringen gegen die HPV-bedingten Läsionen im von Penis-, Perineal-, Perianal- oder Anal- absoluten Fallzahl statistisch nicht belegt Oropharynx-Bereich wurde bisher in kli- karzinom beobachtet wurden, was im werden konnte. nischen Studien noch nicht untersucht. Einklang mit der geringen Inzidenz dieser Sollte die HPV-Infektion im oropharyn- Krebsarten, deren Entwicklungszeiten PRÄVENTIVER EFFEKT gealen Epithel ähnlich wie in den anoge- und der vergleichsweise kurzen Beobach- Wie bei Gebärmutterhalskrebs ist eine nitalen Regionen verlaufen, könnte eine tungszeit steht. Ob die Effektivität des persistierende HPV-Infektion wahr- HPV-Impfung auch gegen diese Läsi- Impfstoffes gegen persistierende Infekti- scheinlich ein notwendiger Vorläufer für onen schützen. Auf der Populationsebene onen und präkanzeröse Läsionen auch die Entwicklung einer invasiven Erkran- würde die Reduktion von HPV-Reser- deren Effektivität gegen anogenitale Kar- kung bei Männern. Es wird eine Schutz- voirs im Genitalbereich durch eine be- 40 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG völkerungsweite Impfung wahrschein- Nach der weltweiten Markteinführung gang beobachtet werden. lich die HPV-Infektionsrate im Oropha- des tetravalenten Impfstoffes für Frauen Ob eine Routine-Impfung von Jungen zu rynx senken. wurden mehr als 65 Millionen Menschen weiteren Vorteilen auf der Populationse- geimpft. Dabei konnten keine Sicher- bene führen würde, wird derzeit intensiv IMMUNOGENITÄT heitsprobleme festgestellt werden. Aus diskutiert. Man schätzt, dass in Australi- Die Wirksamkeit von HPV-Impfstoffen diesem Grund ist zu erwarten, dass die en die Abdeckung mit dem Impfpro- wurde bislang nicht bei Knaben und ganz Impfung der Männer ein ähnlich gutes gramm bei Mädchen im Alter von 12-13 jungen Männern getestet, die die Ziel- Sicherheits-Profil aufweist. Jahren im Jahr 2011 bei 73% liegt. Mittels gruppe für ein prophylaktisches HPV- mathematischer Modelle konnte ermit- Impfprogramm darstellen. Deshalb ist IMPFPROGRAMME telt werden, dass die Einführung eines nur eine Schätzung durch die Messung Eine Einführung des Impfprogramms für Männer-Impfprogramms mit einer ähn- der Immunogenität (Antikörpertiter Männer sollte durch den Effekt der Her- lichen Impfquote bis 2050 zusätzlich 24% nach der Impfung) möglich, was zuvor denimmunität neben einem direkten der neuen HPV-Infektionen verhindern auch für junge Frauen akzeptiert wurde. Vorteil für die männlichen Empfänger könnte (Abb. 4). Dieses Modell berück- Man kam zu dem Ergebnis, dass die Im- auch zu Vorteilen bei den ungeimpften sichtigt jedoch nicht die HPV-Übertra- munogenität des tetravalenten Impfstoffs Angehörigen beider Geschlechter füh- gung unter den MSM, was mit einer bei sexuell naiven Jungen im Alter von ren. Nach der Einführung der Populati- Überschätzung der Reduktion der 9-15 Jahren ähnlich hoch ist wie bei ons-basierten HPV-Impfung bei Mäd- männlichen Krebserkrankungen durch gleichaltrigen Mädchen oder bei Män- chen und jungen Frauen war eine solche ein exklusives Frauen-Programm resul- nern im Alter 16-26 Jahre. Entwicklung der Herdenimmunität zu tieren könnte. beobachten. Als deren Folge kam es z.B. SICHERHEIT in Australien zwischen 2004 und 2009 zu KOSTEN In den klinischen Studien für männliche einer Reduktion von 59% bei den Neudi- Um die Kosten-Effektivität von verschie- Teilnehmer im Alter von 9-26 Jahren war agnosen von Genitalwarzen bei Frauen denen männlichen und weiblichen HPV- ein ähnliches Sicherheits-Profil für den bzw. zu einer Reduktion von 39% unter Impf-Szenarien zu beurteilen, kamen tetravalenten Impfstoff zu beobachten den gleichaltrigen heterosexuellen Män- verschiedene mathematische Modelle zur wie bei Mädchen und jungen Frauen. nern. Bei den MSM konnte kein Rück- Anwendung. In vielen Länder verwende- te man dabei einen Grenzwert von 50.000 US$ (oder Äquivalent in der Landeswäh- HPV16 incidence, relative to 2006 levels rung) pro qualitätskorrigiertem Lebens- jahr (eine Kennzahl für die Bewertung eines Lebensjahres in Relation zur Ge- sundheit). Die wichtigsten Faktoren, die sich auf die Kosten-Effektivität auswir- ken, sind die Impfquote, die Effektivität der Impfung und die Dauer der indu- zierten Immunität bei Frauen. Andere wichtige Faktoren beinhalten Kosten des Impfstoffes und der Implementierung des Impfprogramms. Mehrere ältere Modelle für die Kosten-Effektivität des Impfpro- gramms für Männer, die sich nur auf die Reduktion der Zervixkarzinom-Rate be- Abb. 4 Anstieg der Herdenimmunität nach dem Einführen des Frauen-Impfprogramms in zogen, haben sich als nicht kosteneffektiv Australien. 59% Reduktion der Neudiagnosen von Kondylomen bei Frauen (2007-2007) und erwiesen. Erst die neueren Modelle be- 39% Reduktion der Neudiagnosen von Kondylomen bei Männern (2007-2009). Bei ähnlicher Abdeckungsrate bei Männer-Impfprogramm bis 2050 kann man eine weitere Reduktion um 24% rücksichtigen die direkten Vorteile für erwarten. MSM nicht berücksichtigt Männer. Eine solche Analyse ging erfolg- HIV&more 2/2013 41
FORTBILDUNG reich dem australischen nationalen Impf- einer sexuellen Gesundheitsklinik zeigte HPV-Impfprogramme programm für Jungen voraus. sich, dass die Mehrzahl der Probanden für Jungen und Männer Ohne allgemein finanzierte Impfpro- zwar offen für den Erhalt der HPV Imp- Seit Februar 2013 wird in Australien als gramme für Jungen bleibt die Frage offen, fung wären, über ihre sexuelle Orientie- erstem Land weltweit ein kostenloser wer geimpft werden sollte. Auf der indi- rung würden sie allerdings erst offen HPV-Impfstoff durch Schul-basierte viduellen Ebene könnte man davon aus- sprechen, wenn sie älter als 20 Jahre sind. Programme sowohl für Mädchen als gehen, dass bisher sexuell inaktive Jungen In diesem Alter wurde aber bei den MSM auch für Jungen im Alter von 12-13 Jah- zu impfen wären. Eine ähnliche Empfeh- bereits ein Median von 15 Sexualpartner ren verabreicht. In mehreren anderen lung wird in den aktuellen Leitlinien un- beobachtet. Ländern, darunter auch in den europä- terschiedlicher Arbeitsgruppen immer Der Erfolg einer HPV-Impfung bei Män- ischen Staaten, ist der Impfstoff eben- mehr gefordert. Allerdings sollte man in nern (entweder einer gezielten oder be- falls für Jungen zugelassen. Als erstes diesem Rahmen keine signifikanten völkerungsbreiten) wird weitgehend Bundesland in Deutschland empfiehlt Populations-basierte Vorteile erwarten. durch den Grad des Wissens über HPV- Sachsen seit Januar 2013 über die bun- desweit geltenden Impfempfehlungen bedingte Krankheiten und das Vorhan- hinaus die Impfung für junge Männer IMPFUNG FÜR MSM? densein einer Impfung bei den heran- im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Um- Die Impfung scheint besonders zwin- wachsenden Jungen, Eltern und den Lei- setzung orientiert sich an der europä- gend für MSM, die auch am wenigsten stungserbringern im Gesundheitswesen ischen Zulassung des Impfstoffes. von den Impfprogrammen für Frauen bestimmt. Im Vergleich zu Frauen haben profitieren und dem erhöhten Risiko Jungen und Männer in der Regel schlech- lich zeigt eine HPV-Impfung bei MSM einer HPV-Infektion und Erkrankung tere Kenntnis über HPV. Interessanter- eine höhere Akzeptanz. Da diese Ziel- ausgesetzt sind. Solch ein gezieltes Vor- weise ist der Zusammenhang zwischen gruppe jedoch, wie bereits erwähnt, gehen wurde in den USA im Sinne der HPV und Gebärmutterhalskrebs bei den schwer zu erreichen ist, sind weitere Prävention von Genitalwarzen und Anal- Befragten bekannter als seine Verbin- Kommunikations- und Bildungsmaß- krebs als kosteneffektiv beurteilt. Aller- dung mit Genitalwarzen. Deshalb wären nahmen erforderlich. Strategien in diese dings könnte die Umsetzung einer sol- zwingend Maßnahmen erforderlich, die Richtung müssen dabei auch soziale chen Strategie sehr komplex werden. Bei- über das gesamte komplexe Bild von Überlegungen berücksichtigen, um er- spielsweise könnte das Erreichen der HPV informieren. folgreich zu sein. MSM vor oder in einem frühen Stadium Das Bewusstsein über HPV und die ver- Dr. med. Arne B. Jessen Dr. med. Heiko Jessen der sexuellen Aktivität problematisch fügbaren Impfstoffe ist bei MSM höher Praxis Jessen2 + Kollegen Motzstraße 19 · 10777 Berlin sein. Bei einer Befragung von MSM an als bei heterosexuellen Männern. Folg- E-Mail: mail@praxis-jessen.de Eigene Veröffentlichungen der Praxis Jessen Neue Veröffentlichungen 1 Immunogenicity of the quadrivalent human papillo- 4 Efficacy of quadrivalent HPV vaccine against HPV 1 Incidence of potentially human papillomavirus-rela- ted neoplasms in the United States, 1978 to 2007. mavirus (type 6/11/16/18) vaccine in males 16 to Infection and disease in males. Giuliano AR, Pa- Kurdgelashvili G, Dores GM, Srour SA, Chaturvedi 26 years old. Hillman RJ, Giuliano AR, Palefsky JM, lefsky JM, Goldstone S, Moreira ED Jr, Penny ME, AK, Huycke MM, Devesa SS. Cancer. 2013 Apr 11. Goldstone S, Moreira ED Jr, Vardas E, Aranda C, Aranda C, Vardas E, Moi H, Jessen H, Hillman R, 2 Practising high-resolution anoscopy. Palefsky JM. Jessen H, Ferris DG, Coutlee F, Marshall JB, Vuo- Chang YH, Ferris D, Rouleau D, Bryan J, Marshall Sex Health. 2012 Dec;9(6):580-6. colo S, Haupt RM, Guris D, Garner EI. Clin Vaccine JB, Vuocolo S, Barr E, Radley D, Haupt RM, Guris 3 The epidemiology and natural history of anal Immunol. 2012 Feb;19(2):261-7. D. N Engl J Med. 2011 Feb 3;364(5):401-11. human papillomavirus infection in men who have 2 HPV vaccine against anal HPV infection and anal 5 Prevalence of and risk factors for human papilloma- sex with men. Machalek DA, Grulich AE, Jin F, Templeton DJ, Poynten IM. Sex Health. 2012 intraepithelial neoplasia. Palefsky JM, Giuliano AR, virus (HPV) infection among HIV-seronegative men Dec;9(6):527-37. Goldstone S, Moreira ED Jr, Aranda C, Jessen H, who have sex with men. Goldstone S, Palefsky JM, 4 Why a special issue on anal cancer and what is in Hillman R, Ferris D, Coutlee F, Stoler MH, Marshall Giuliano AR, Moreira ED Jr, Aranda C, Jessen H, it? Fairley CK, Brotherton JM, Hillman R, Grulich JB, Radley D, Vuocolo S, Haupt RM, Guris D, Gar- Hillman RJ, Ferris DG, Coutlee F, Liaw KL, Marshall AE. Sex Health. 2012 Dec;9(6):501-3. ner EI. N Engl J Med. 2011 Oct 27;365(17):1576-85. JB, Zhang X, Vuocolo S, Barr E, Haupt RM, Guris 5 Population-wide vaccination against human papil- 3 Safety and reactogenicity of a quadrivalent human D, Garner EI. J Infect Dis. 2011 Jan 1;203(1):66-74. lomavirus in adolescent boys: Australia as a case papillomavirus (types 6, 11, 16, 18) L1 viral-like- 6 External genital human papillomavirus prevalence study. Georgousakis M, Jayasinghe S, Brotherton and associated factors among heterosexual men on J, Gilroy N, Chiu C, Macartney K. Lancet Infect Dis. particle vaccine in older adolescents and young 2012 Aug;12(8):627-34. adults. Moreira ED Jr, Palefsky JM, Giuliano AR, 5 continents. Vardas E, Giuliano AR, Goldstone S, 6 Human papillomavirus oncogene mRNA testing for Goldstone S, Aranda C, Jessen H, Hillman RJ, Palefsky JM, Moreira ED Jr, Penny ME, Aranda C, the detection of anal dysplasia in HIV-positive men Ferris D, Coutlee F, Vardas E, Marshall JB, Vuocolo Jessen H, Moi H, Ferris DG, Liaw KL, Marshall JB, who have sex with men. Silling S, Kreuter A, Hell- S, Haupt RM, Guris D, Garner EI. Hum Vaccin. Vuocolo S, Barr E, Haupt RM, Garner EI, Guris D. J mich M, Swoboda J, Pfister H, Wieland U. J Clin 2011 Jul;7(7):768-75. Infect Dis. 2011 Jan 1;203(1):58-65. Virol. 2012 Apr; 53(4):325-31. 42 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG ARNE B. JESSEN UND HEIKO JESSEN, BERLIN HPV-Diagnostik und Screening in der Praxis HPV-Erkrankungen im anogentialen Bereich sind bei MSM häufig. Die meis- derem folgende Schritte: anale Zytologie, ten davon kann man in der Praxis diagnostizieren und behandeln. Mit dem weitere Untersuchung der Patienten mit Analkarzinom-Screening kommt eine neue Aufgabe hinzu. abnormalen Ergebnissen mittels einer hochauflösenden Anoskopie (high reso- Im Allgemeinen werden anogenitale lution anoscopy, HRA) und darauffol- HPV-Infektion eingeteilt in: Latente gende Behandlung der mittels Biopsie (asymptomatische), klinische oder subkli- nachgewiesenen analen intraepithelialen nische Infektionen. Die meisten Fälle von Neoplasien (AIN) (Abb. 5 und 6). HPV-Infektionen sind latent und vorü- Die Sensitivität der analen Zytologie im bergehend. Diese können nur mittels Vergleich zu den Biopsie-Befunden liegt eines PCR-Tests der viralen DNA nachge- bei 69-93%, deren Spezifität bei 32-59%. wiesen werden. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit Klinische Läsionen, welche am häufigsten Abb. 5 Hochauflösende Anoskopie in der den Ergebnissen der Zervixzytologie und Praxis durch die HPV-Typen 6 und 11 verur- Zervixbiopsie für die Prävention von sacht werden, sind visuell erkennbar und für den Nachweis der HPV-DNA bei Zervixkarzinomen. präsentieren sich meist als anogenitale Frauen erhältlich, allerdings erfolgte bis- Komparative methodische Untersu- Kondylome (Condylomata acuminata). her keine offizielle Zulassung für deren chungen an HIV-positiven MSM zeigten, Diese werden je nach Größe und Vertei- Gebrauch bei Männern. dass eine HPV-Genotypisierung keine lung lokal mit Kryotherapie, Imiquimod, Vorteile gegenüber einem zytologischen Trichloressigsäure oder Grünteeblätter- ANALKARZINOM-SCREENING Screening aufweist. Eine anale zytolo- extrakt behandelt. Bei massivem Befall Aufgrund der vorhandenen Ergebnisse gische Untersuchung war auch ohne wei- wird chirurgisch per Laser/Elektrokauter wird angenommen, dass ein Analkarzi- tere HPV-Typisierung zur Erkennung abgetragen oder Koagualtionstherapie an- nom-Screeningprogramm, ähnlich auf- einer Zellatypie ausreichend. gewandt. gebaut wie das Zervixkarzinom-Scree- Die subklinischen Läsionen, einschließ- ning-Programm, die Entstehung eines NEUE LEITLINIEN lich der onkogenen HPV-Typen 16 und Analkarzinoms verhindern könnte. Ein Die neuen Leitlinien zum Analkarzinom- 18, werden durch das Aufbringen von solches Programm beinhaltet unter an- Screening empfehlen für alle HIV-posi- Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV‐PaLenten in der Praxis Jessen2 Essigsäure-Lösung (3-5%) leichter visu- alisiert. Dieses Verfahren wird als Aceto- SCREENING MODEL ALLE FÜR AIN/ANALKARZINOM HIV+ (Prävalenz von HPV fast 100%) BEI HIV Whitening bezeichnet. SCREENING (PAP, InspekLon, PalpaLon und proktologische Untersuchung) einmal pro Jahr PENISLÄSIONEN Bei heterosexuellen Männern sind anoge- Normale Zytologie Abnormale Zytologie nitale HPV-Infektionen am häufigsten am HRA Penisschaft nachweisbar. Um eine optimale Probenentnahme gewährleisten zu können, wurden bisher verschiedene Methoden er- Keine AIN AIN1 AIN2+3 probt. Für das Sammeln der Zellen erwie- 12‐monaLge Topische Therapie und/oder operaLve EnYernung sen sich dabei ein Abstrich mit Nagelpfeile Kontrolle (emery board) an multiplen Hautstellen 3‐6‐monaLge Verlaufskontrolle sowie ein feuchter Dacron-Abstrich als die diagnostisch sensitivsten Methoden. Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV-Patienten in Zurzeit sind mehrere kommerzielle Kits der Praxis Jessen2 HIV&more 2/2013 43
FORTBILDUNG tiven Männer eine jährliche anale Zyto- Insgesamt kennen nur wenige Patienten/ kanal achten. logie für alle HIV-positiven Patienten. Klienten im Vorfeld diese Möglichkeiten Im Unterschied zum analen Screening Bei über 20% der getesteten HIV-posi- – große Öffentlichkeitsarbeit ist not- wird das penile HPV-Screening vor allem tiven Männer mit HPV-Läsionen können wendig. wegen einer hohen Prävalenz der penilen Dysplasien histologisch gesichert wer- Die anale Zytologie erfordert keine be- HPV-Infektion und einer im allgemein den. Unter den HIV-positiven MSM liegt sondere Vorbereitung des Patienten. Der begrenzten Dauer der Infektion bei im- der prädiktive Wert einer abnormalen Patient sollte jedoch mindestens 24 Stun- munkompetenten Männern nicht emp- analen Zytologie für die Vorhersage einer den vor der Untersuchung auf rezeptiven fohlen. Zudem gibt es, anders als bei AIN analen Dysplasie bei ca. 95%. Ziel einer Analverkehr sowie auf Darmspülungen und Analkarzinomen, nur wenig Daten analen Zytologie ist die Identifizierung verzichten. über den Verlauf von penilen HPV-In- der Patienten, die zelluläre Verände- Die beste Methode für den zytologischen fektionen und die Entwicklung von PIN rungen in den Epithelzellen des Anal- Analabstrich besteht im Einführen eines oder Peniskarzinomen bei MSM oder kanals aufweisen. Alle Patienten mit mit Wasser befeuchteten Dacron-Watte- HIV-Positiven. Im Gegensatz zu AIN einer Zellatypie sollten anschließend mit trägers in den Analkanal bis zur Über- kann die PIN nicht sicher zytologisch di- einer hochauflösenden Anoskopie unter- gangszone von Platten- zu Zylinderepi- agnostiziert werden. Deshalb bedarf jede sucht werden. thel (3-4 cm). Um die Zellen zu sammeln verdächtige penile Läsion einer Biopsie. wird der Watteträger mit leichtem Druck Dr. med. Arne B. Jessen PRAKTISCHES VORGEHEN drehend nach distal geführt. Erst Dr. med. Heiko Jessen In unserer Praxis werden die Patienten anschließend wird der Patient digital mit Praxis Jessen2 + Kollegen von den Ärzten oder Mitarbeiter auf Gleitmittel untersucht. Dabei sollte man Motzstraße 19 · 10777 Berlin diese Vorsorge aufmerksam gemacht. insbesondere auf Verhärtungen im Anal- E-Mail: mail@praxis-jessen.de Anzeige 44 HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG SILKE TRIBIUS, HAMBURG UND MARKUS HOFFMANN, KIEL Humane Papillomviren – ein Risikofaktor für Oropharynxkarzinome Der kausale Zusammenhang zwischen Plattenepitelkarzinomen der Zervix tet, da sich die Karzinome HPV-abhän- uteri und humanen Papillomviren (HPV) ist hinreichend belegt und anerkannt. gig bestimmten Eigenschaften zuordnen Zunehmend wird ein Zusammenhang zwischen HPV und Plattenepithelkarzi- lassen: Im Gegensatz zu Patienten mit nomen im Kopf-Hals-Bereich berichtet. klassischen OPK präsentieren sich Pati- enten mit HPV-positiven Karzinomen HPV-Infektionen des Anogenitaltraktes Ländern sinkt, lassen viele epidemiolo- bei Diagnosestellung typischerweise mit gelten als sexuell übertragene Erkran- gischen Studien vermuten, dass die an- großen, in der Bildgebung oft zystischen kungen. Im Gegensatz dazu ist ein Zu- steigende Häufigkeit der OPK zuneh- Halslymphknotenmetastasen bei den- sammenhang zwischen Sexualverhalten mend eine Assoziation mit einer HPV- noch relativ kleinen Primarien. In der und HPV-Infektionen im Kopf-Hals-Be- Infektion widerspiegelt bei gleichzeitig Regel handelt es sich aufgrund des Hals- reich nicht hinreichend untermauert. abnehmendem Nikotinkonsum. lymphknotenstatus insgesamt um lokal Neuerdings wird jedoch insbesondere Der geschätzte Anteil der HPV-assoziier- fortgeschrittene Tumorstadien (UICC ein Zusammenhang zwischen HPV und ten OPK wird für Deutschland mit 30- Stadium III/IV). Patienten mit HPV-po- Plattenepithelkarzinomen der Tonsillen 40% angegeben. In den USA wurde ein sitiven OPK sind in der Regel jünger, was des Gaumens und des Zungengrundes Anstieg der Inzidenz der HPV-DNA-po- unter anderem auf ein risikobereiteres diskutiert, welche beide in der anato- sitiven OPK zwischen 1984 und 2004 mit Sexualverhalten (steigende Anzahl oraler mischen Region des Oropharynx loka- 225% mit einem aktuellen Anteil von bis wie vaginaler Geschlechtspartner in lisiert sind (im Folgenden Oropharynx- zu 70% der neu diagnostizierten OPK be- einem jüngeren Alter)2 zurückgeführt karzinome, OPK). obachtet.1 Im gleichen Zeitraum sank die wird, sind meist männlich und kauka- Mehr als 90% der Kopf-Hals-Karzinome Inzidenz der HPV-DNA-negativen OPK sischer Abstammung, wobei die Gründe sind Plattenepithelkarzinome. Sie stehen um 50%. Die Autoren gehen davon aus, hierfür unklar sind. Die Risikofaktoren an sechster Stelle der häufigsten Tumor- dass die Inzidenz der HPV-positiven für HPV-assoziierte OPK im Gegensatz erkrankungen weltweit. Für Deutschland OPK bis zum Jahr 2020 die der Zervix- zu HPV-negativen OPK sind in Tabelle 1 wurde die Inzidenz für 2008 mit 15.583 uteri-Karzinome der Frauen überschrei- zusammengefasst. Neuerkrankungen und 6.100 Todesfällen tet und betonen die gesundheitspoli- geschätzt. Die karzinogene Wirkung des tische sowie sozioökonomische Bedeu- MSM KEIN ADDITIVER Tabakrauches und des Alkohols ist ein tung dieser Infektion. RISIKOFAKTOR bekannter Risikofaktor und spielt bei Es ist bekannt, dass insbesondere Män- circa 75% der Patienten eine kausale EIGENE ENTITÄT ner, die gleichgeschlechtliche Sexualpart- Rolle. Während die Inzidenz der klas- HPV-assoziierte OPK werden zuneh- ner haben („men having sex with men“, sischen, also nikotin- und alkoholassozi- mend als eigene Entität neben den HPV- MSM), stärker von durch HPV verur- ierten Kopf-Hals-Karzinome in vielen negativen Kopf-Hals-Karzinomen gewer- sachten Erkrankungen des Anogenital- bereiches betroffen3, 4 sind. So treten gut- HPV-positive Oropharynxkarzinome HPV-negative Oropharynxkarzinome artige Penis- oder Analkondylome und Anzahl der oralen Sexualpartner Nikotinkonsum insbesondere auch Penis- und Analkarzi- Anzahl der vaginalen Sexualpartner (Lebenszeit) Alkoholkonsum nome überwiegend bei MSM auf, die regelmäßig ungeschützten Geschlechts- Jüngeres Alter bei erstem Sexualkontakt Höheres Alter verkehr mit wechselnden Männern Anogenitale Warzen Schlechte orale Hygiene haben. Marihuana-Konsum Tatsächlich sind hier wiederum überwie- Tab. 1 Risikofaktoren für HPV-positive und HPV-negative Oropharynxkarzinome gend HIV-positive Personen betroffen, HIV&more 2/2013 45
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