HPV - Infektion: Virologische Aspekte

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HPV - Infektion: Virologische Aspekte
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ULRIKE WIELAND, KÖLN

HPV – Infektion: Virologische Aspekte
Humane Papillomviren sind weit verbreitet. Sie infizieren mehrschichtige Plat-                              2009). Die initialen Schritte der HPV-
tenepithelien, wobei die meisten Infektionen meist transient sind. Risikofak-                               Infektion geschehen somit an der Basal-
toren für persistierende Infektionen, die zu Karzinomen führen können, sind                                 membran, und nicht wie bei anderen
unter anderem Rauchen und Immunsuppression. Für die virologische HPV-                                       Viren an der Zell- bzw. Epithelober-
Diagnostik stehen verschiedene Testsysteme zur Verfügung, die den morpho-                                   fläche.
logischen HPV-Nachweis sinnvoll ergänzen können.                                                            Die HPV-DNA Replikation und die HPV-
                                                                                                            Protein Expression sind eng an den Dif-
Humane Papillomviren (HPV) sind un-                      Typen repräsentieren. HPV-Typen sind               ferenzierungsgrad der infizierten Kerati-
behüllte DNA-Viren mit einem Durch-                      Genotypen, wobei verschiedene Typen                nozyten gekoppelt. Nach der Primärin-
messer von 55 nm. Das zirkuläre doppel-                  sich in mindestens 10% ihrer Haupt-                fektion findet man in den Basalzellen
strängige HPV-Genom umfasst circa                        Kapsid (L1) Gensequenz unterscheiden.              (Stratum basale) nur wenige virale Ge-
8.000 Basenpaare und kodiert für sechs                                                                      nome sowie eine schwache Transkription
frühe Proteine (E1, E2, etc., E steht für                HPV-REPLIKATION UND                                der frühen Gene E1, E2 und E5. In den
early) und für zwei spät im viralen Ver-                 PATHOGENESE                                        darüber liegenden Zellen (unteres Stra-
mehrungszyklus exprimierte Proteine                      HPV infizieren mehrschichtige Platten-             tum spinosum) werden alle frühen Gene
(L1 und L2, L steht für late). Die frühen                epithelien von Haut und Schleimhaut.               exprimiert (E1, E2, E4, E5, E6, E7). Im
Proteine sind für die virale DNA-Repli-                  Phylogenetisch lassen sich HPV in fünf             oberen Stratum spinosum setzt die vege-
kation (E1, E2), für die Transkription der               Genera einteilen (alpha, beta, gamma,              tative DNA Replikation ein und man fin-
viralen Gene (E2, E4) und für die Virus-                 mu und nu), wobei alphaHPV vorwie-                 det viele virale Genome. Neben den frü-
freisetzung (E4) notwendig. L1 und L2                    gend den Anogenital-Trakt des Men-                 hen Genen werden jetzt auch die Kapsid-
sind die Haupt- bzw. Neben-Kapsid-Pro-                   schen infizieren, während die HPV-Ty-              proteine L1 und L2 synthetisiert und der
teine. E5, E6 und E7 bestimmter HPV-                     pen der restlichen vier Genera die Haut            Zusammenbau neuer Viruspartikel (As-
Typen (Tab. 1) können als Onkoproteine                   bevorzugen (kutaner Tropismus). HPV                sembly) beginnt. Im Stratum granulosum
wirken, indem sie z.B. zelluläre Tumor-                  gelangen über Mikroläsionen der Haut               liegen reife, infektiöse Virionen vor, die in
suppressor-Proteine wie p53 (E6) oder                    und Schleimhaut an die Basalmembran                der obersten Zelllage (bei der Haut Stra-
pRB (E7) inaktivieren oder die zelluläre                 des zu infizierenden mehrschichtigen               tum corneum) mit abschilfernden Zellen
DNA-Synthese und die Transkription ak-                   Plattenepithels und binden zunächst mit            freigesetzt werden (Howley&Lowy, 2007).
tivieren (Moody et al. 2010). Momentan                   ihrem L1-Kapsidprotein an die Basal-               AlphaHPV, die vorwiegend den Anoge-
kennt man 170 komplett klassifizierte                    membran. Dies führt zu einer Konforma-             nitaltrakt infizieren (genitale/mukosale
HPV-Typen (Bernard et al. 2010; www.                     tionsänderung des Kapsids und über wei-            HPV-Typen), lassen sich bezüglich ihres
ncbi.nlm.nih.gov/Taxonomy/Browser)                       tere Zwischenschritte schließlich zu einer         onkogenen Potenzials in Niedrig- (low
sowie zahlreiche partielle HPV-Sequen-                   Infektion der Basalzellen des mehr-                risk, LR) und in Hochrisiko- (high risk,
zen, die voraussichtlich weitere HPV-                    schichtigen Plattenepithels (Kines et al.          HR) Typen einteilen (ermittelt für das
                                                                                                            Zervixkarzinom-Risiko) (Munoz et al.
 Karzinogenitäts- Gruppe           Definition                              HPV-Typen                        2003). Unter den Hochrisiko-HPV-Ty-
 1                                 karzinogen für den Menschen             HPV16*, 18, 31, 33, 35,          pen (Tab. 1) spielt HPV16 eine besonde-
                                                                           39, 45, 51, 52, 56, 58, 59
                                                                                                            re Rolle, da sein Krebsrisiko etwa 1 Log-
 2A                                wahrscheinlich karzinogen               HPV68
                                                                                                            Stufe über dem der restlichen HR-HPV-
                                   für den Menschen
                                                                                                            Typen liegt, und da man HPV16 häufig
                                   möglicherweise karzinogen               HPV26, 30, 34, 53, 66, 67,
 2B
                                   für den Menschen                        69, 70, 73, 82, 85, 97           auch in HPV-assoziierten Karzinomen
* Für HPV16 ist das Krebsrisiko vermutlich 1 Log-Stufe höher als für die restlichen Hochrisiko-HPV-Typen.   jenseits des Zervixkarzinoms findet
Tab. 1 Das onkogene Potential verschiedener Hochrisiko-HPV-Typen gemäß der Klassifikation                   (Abb. 1, Tab. 2) (Bouvard et al. 2009,
der „International Agency for Research on Cancer“ (Bouvard et al. 2009; IARC, 2011).                        IARC 2011). Neben dem Zervixkarzi-

32        HIV&more 2/2013
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nom können HR-HPVs, und insbeson-
dere HPV16, auch andere anogenitale
Karzinome wie Vulva-, Vagina-, Penis-,
und Analkarzinome, sowie oropharynge-
ale Karzinome induzieren (Abb. 1, Tab.
2) (de Martel et al. 2012, Wu et al. 2012,
Schiller & Lowy 2012). Mukosale Nied-
rigrisiko-HPV-Typen, wie z.B. HPV6
oder HPV11, findet man in Genitalwar-
zen (Condylomata acuminata) oder in                                                                                               Tausende
niedrig-gradigen anogenitalen Dyspla-         Abb. 1 Weltweite jährliche Anzahl und Verteilung HPV-bedingter Karzinome (Angaben für das
sien, aber in der Regel nicht oder nur        Jahr 2008 nach de Martel et al. Lancet Oncology 13, 2012).
sehr selten in hochgradigen Dysplasien
                                               Karzinom                     Wu et al. 2012 (USA)           de Martel et al. 2012 (Global)
oder Karzinomen (Munoz et al. 2003,
Bouvard et al. 2009, IARC 2011).               Cervix                      96% (95-97%)                   100%

                                               Vagina                      64% (43-82%)                   70%
HPV-EPIDEMIOLOGIE
                                               Vulva                       51% (37-65%)                   43%
AlphaHPVs werden durch Sexualkon-
takte übertragen. Die große Mehrheit           Penis                       36% (26-47%)                   50%

(>80%, in manchen Studien bis 100%)            Anal                        93% (86-97%)                   88%
sexuell aktiver Menschen infiziert sich
                                               Oropharnyx*                 63% (50-75%)                   25,6% (13-56%)
im Laufe des Lebens mit zahlreichen
                                              * inklusive Tonsillen und Zungenbasis
HPV-Typen, aber die meisten Infekti-
                                              Tab. 2 HPV-Prävalenz in verschiedenen Karzinomen in zwei aktuellen Studien.
onen sind transient (und asymptoma-
tisch bzw. folgenlos) und nach 6-18 Mo-       in 4-7%, wobei bei 1,3-3,7% HR-HPV-                  tenten erst nach einer langen präkanze-
naten nicht mehr nachweisbar (Schiff-         DNA nachgewiesen wurde, mit HPV16                    rösen Phase von mehreren Jahren
man et al. 2007, Stanley et al. 2010;         als dem häufigsten Typ (0,6-1%). Risiko-             (Schiffman et al. 2007).
Weaver et al. 2011). Bei jungen Frauen        faktoren für orale HPV-Infektionen sind
liegt die zervikale HPV-Prävalenz in ver-     Rauchen und Sexualkontakte (Kreimer et               HPV-ASSOZIIERTE KARZINOME
schiedenen Studien und in verschie-           al. 2011, Gillison et al. 2012).                     Circa 5% aller menschlichen Karzinome
denen geographischen Regionen zwi-            Circa 10-15% der genital HPV-infi-                   sind HPV-bedingt (Schiller & Lowy
schen 10 und 52% und nimmt mit zu-            zierten Frauen bauen keine erfolgreiche              2012). Für die USA rechnet man mo-
nehmenden Alter für HR-HPV auf unter          (zelluläre) Immunität gegen HPV auf                  mentan mit fast 35.000 HPV-bedingten
10% ab (Cuzick et al. 2006, Stanley et al.    und eliminieren die Viren nicht. Per-                Karzinomen pro Jahr (13.446 bei Män-
2010, Wheeler et al. 2013). Im Gegensatz      sonen mit persistierenden HR-HPV-In-                 nern und 21.342 bei Frauen) (Jemal et al.
zu Frauen, ist bei Männern aller Alters-      fektionen haben ein erhöhtes Risiko für              2013). So gut wie alle Zervixkarzinome,
stufen die genitale HPV-Prävalenz in den      die Entwicklung anogenitaler Karzinome               circa 90% der Analkarzinome, 60-70%
meisten Studien über 30% (-50%) und           und deren Vorstufen, den hochgradigen                der Vaginal-Karzinome, 40-50% der
nimmt mit zunehmendem Alter kaum              Dysplasien, wie CIN Grad 2 und Grad 3                Vulva- und der Penis-Karzinome, sowie
ab. Anogenitale HPV-Infektionen sind          oder AIN2 und AIN3 (CIN bzw. AIN                     13 bis über 50% der Oropharynx-Karzi-
demgemäß bei gesunden, sexuell aktiven        steht für zervikale bzw. anale intraepithe-          nome (inklusive Tonsillen- und Zungen-
Männern sehr häufig und die meisten In-       liale Neoplasie) (Schiffman et al. 2007,             basis-Karzinome) sind HR-HPV-bedingt
fektionen sind transient. Die hohe Präva-     Stanley et al. 2010). Persistierende HR-             (Wu et al. 2012, de Martel et al. 2012,
lenz wird mit häufigen Reinfektionen          HPV-Infektionen können zum Teil in-                  Schiller & Lowy, 2012) (Abb. 1, Tab. 2).
erklärt (Smith et al. 2011, Giuliano et al.   nerhalb weniger Monate zu Dysplasien                 Das Zervixkarzinom ist das häufigste
2011). Orale HPV-Infektionen findet           führen, aber die Karzinom-Entstehung                 HPV-bedingte Karzinom und weltweit
man bei gesunden Frauen und Männern           (Invasion) erfolgt bei Immunkompe-                   gesehen mit 450.000-530.000 Neuer-

                                                                                                                      HIV&more 2/2013       33
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

krankungen pro Jahr die zweithäufigste       100.000 pro Jahr (Palefsky et al. 2005,         pharyngealen Karzinomen dominiert
(nach Brustkrebs) Krebsart bei Frauen        Kreuter et al. 2010, Silverberg et al.          HPV16 (Klussmann et al. 2009, Chatur-
(Abb. 1) (Forouzanfar et al. 2011, de Mar-   2012). Im Gegensatz zu anderen erreger-         vedi et al., 2011).
tel et al. 2012). In Deutschland gibt es     bedingten Neoplasien HIV-infizierter
trotz eines von den Krankenkassen fi-        Patienten, wie z.B. dem Kaposi-Sarkom           CONDYLOMATA ACUMINATA
nanzierten Screening-Angebots (Pap-          (Humanes Herpesvirus 8), hat die (er-           Die häufigsten HPV-bedingten Läsionen
Screening) 4.600-4.900 neu diagnosti-        folgreiche) antiretrovirale Therapie kei-       sind Condylomata acuminata (Feigwar-
zierte Zervixkarzinome und über 1.500        nen relevanten Einfluss auf die hohen           zen, Genitalwarzen). Circa 1% aller sexu-
Sterbefälle (infolge Zervixkarzinom) pro     Analkarzinom-Inzidenzraten HIV-posi-            ell aktiven Erwachsenen hat zu einem
Jahr (Robert Koch-Institut, 2012). Die       tiver Patienten (Shiels et al. 2011, Silver-    bestimmten Zeitpunkt Condylome. In
Zervixkarzinom-Inzidenzrate liegt in         berg et al. 2012).                              Deutschland rechnet man mit über
Deutschland bei 11,6 pro 100.000 Frauen                                                      100.000 (bis 500.000) Diagnosen pro Jahr.
pro Jahr und damit im europaweiten Ver-                                                      Die Inzidenzrate für Condylome liegt in
gleich in der oberen (schlechteren) Hälf-                                                    Deutschland bei 170 pro 100.000 pro Jahr
te (Robert Koch-Institut, 2012). Im Ver-                                                     und bei jungen Menschen (unter 30 Jah-
gleich zum Zervixkarzinom sind andere                                                        ren) in Großstädten bei 700-900 pro
HPV-bedingte Karzinome seltener (Abb.                                                        100.000 pro Jahr. Das geschätzte Lebens-
1). Für das Analkarzinom beispielsweise                                                      zeitrisiko für Genitalwarzen wird (für
liegt die Inzidenz in der Allgemeinbevöl-                                                    HIV-negative Personen) auf 10% ge-
kerung bei 1-2 Neuerkrankungen pro                                                           schätzt, für HIV-positive Patienten ist es
100.000 pro Jahr (Clark et al. 2004).                                                        wesentlich höher. Bei 54% von 640 HIV-
                                                                                             positiven Männern wurden innerhalb von
RISIKOFAKTOREN                                                                               8 Jahren Condylome diagnostiziert, vor-
Wichtige Risikofaktoren für persistieren-    Abb. 2 HPV16-Genom. Die HPV-Oncogene            wiegend anale Condylome (bei 51%), ge-
                                             E5, E6 und E7 sind rot dargestellt. L1 und L2
de HPV-Infektionen, für HPV-bedingte                                                         folgt von penilen (bei 9%) und oralen (bei
                                             (blau) sind die Haupt- und Nebenkapsidpro-
Dysplasien und für HPV-assoziierte Kar-      tein-Gene. NCR, nicht codierende Region.        3%) Läsionen. Rezidive sind bei HIV-po-
zinome sind Rauchen und Immunsup-                                                            sitiven Patienten wesentlich häufiger als
pression (Tota et al. 2011). So haben Rau-   HPV-TYP UND KARZINOMRISIKO                      bei Immunkompetenten. Mehr als 90%
cher, im Vergleich zu Nichtrauchern, ein     In allen HPV-bedingten Karzinomen ist           der Condylomata acuminata sind HPV6
über zweifach erhöhtes Risiko für die        HPV16 der am häufigsten vorkommende             oder HPV11-bedingt, aber man findet in
Entwicklung eines Zervix- oder eines         HPV-Typ, gefolgt von HPV18. So findet           Condylomen auch andere LR-HPV-Ty-
Analkarzinoms (Plummer et al. 2003,          man weltweit gesehen in 71% (Europa             pen wie z.B. HPV40, 41, 42, 44 und 61.
Nordenvall et al. 2011). Bei HIV-infi-       73%) aller Zervixkarzinome HPV16                Dies gilt insbesondere für HIV-infizierte
zierten Männern und Frauen sind geni-        (61%) oder HPV18 (10%). In Adenokar-            Patienten (Kraut et al. 2010, Wieland &
tale und anale HPV-Infektionen, oft mit      zinomen der Zervix ist der Anteil von           Kreuter 2011, Hartwig et al. 2012).
multiplen Typen, sehr häufig (>50% bis       HPV18 (32%) und HPV45 (12%) größer
>90%) und dementsprechend findet man         als in Plattenepithelkarzinomen der Zer-        HPV-DIAGNOSTIK
bei diesen Patienten anogenitale Dyspla-     vix (8% und 5%), und der von HPV16              Anogenitale HPV-Infektionen lassen sich
sien und Karzinome wesentlich häufiger       kleiner (50% vs 62%) (de Sanjose et al.         klinisch (Inspektion, Kolposkopie, Anos-
als in der Allgemeinbevölkerung (Kreuter     2010). In HPV-positiven Vulva-, Vagina-,        kopie), morphologisch (Zytologie, Histo-
& Wieland, 2009, Shiels et al. 2011, Sil-    Penis- und Analkarzinomen dominiert             logie) oder durch direkten und indirekten
verberg et al. 2012). 35-52% HIV-posi-       ebenfalls HPV16 (Gross & Pfister 2004,          Nachweis von HPV (Nachweis viraler
tiver Männer mit gleichgeschlechtlichen      de Vuyst et al. 2009), wobei man in Anal-       Nukleinsäuren, Immunhistochemie, Im-
Kontakten haben hochgradige anale            karzinomen HIV-positiver Patienten re-          munzytochemie) diagnostizieren. Da nur
Dysplasien (AIN2/3) und die Analkarzi-       gelmäßig auch andere HR-HPV-Typen               ein geringer Anteil (
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

Serologie für die Diagnostik von HPV-           vierung des Tumorsuppressorproteins            Frauen wäre die HPV-Prävalenz zu hoch)
Infektionen keine Rolle. Das Ziel der           pRB führt. Dadurch entfällt die negative       zu ersetzten (IQWiG, 2011). Dies würde
HPV-Diagnostik im klinischen Alltag             Feedback-Kontrolle von pRB auf die             bedeuten, dass zunächst ein HPV-DNA
sollte nicht der Nachweis jeglicher HPV-        p16-Expression und das p16-Protein             Test durchgeführt wird, und ein nachfol-
Mengen sein, sondern der Nachweis von           wird überexprimiert. Mit ansteigendem          gender Zytologie-Test nur, wenn bei der
klinisch relevanten HPV-Mengen, die mit         Dysplasiegrad nimmt die p16-Expressi-          Patientin HR-HPV-DNA nachweisbar ist.
(therapiebedürftigen) Läsionen, wie z.B.        on zu und umfasst bei hochgradigen             Vorteile des HPV-Testes gegenüber der
CIN2/3+ assoziiert sind (Meijer et al.          Dysplasien/Carcinoma in situ die ge-           Zytologie sind eine deutlich höhere Sen-
2009, Kinney et al. 2010).                      samte Epithel-höhe (Klaes et al. 2001).        sitivität für die Erkennung hochgradiger
HPV-DNA lässt sich aus Genitalabstri-           Die p16-Immun-histochemie ist auch             Dysplasien (95-100% vs 43-58%), ein sehr
chen mittels Polymerase-Kettenreaktion          zur Diagnostik nicht-zervikaler Dyspla-        hoher negativer prädiktiver Wert (fast
(PCR, DNA-Amplifikation) oder mittels           sien, wie z.B. peniler intraepithelialer Ne-   100%), eine bessere Reproduzierbarkeit,
Hybrid Capture Test (Signal-Amplifikati-        oplasien (PIN) geeignet (Kreuter et al.        eine geringere Subjektivität bei der Aus-
on) nachweisen. Vorteile des Hybrid Cap-        2008). Eine Weiterentwicklung des p16-         wertung sowie eine geringere Abhängig-
ture Tests im Vergleich zur PCR sind die        Nachweises ist die p16/Ki-67 Doppelfär-        keit von der Qualität des Probenmateri-
leichtere, standardisierte Durchführbar-        bung. Ki-67 ist ein zellulärer Proliferati-    als. Nachteile des HPV-Tests im Vergleich
keit, die Robustheit des Tests, die etwas       onsmarker. Die Doppelfärbung erlaubt           zur Zytologie sind die geringere Spezifität
höhere klinische Spezifität (wegen hö-          unter anderem die Beurteilung/Triage           für die Erkennung hochgradiger Dyspla-
herer analytischer Nachweisgrenze) und          nicht eindeutiger oder verdächtiger Hi-        sien, der niedrigere positive prädiktive
die niedrigeren Testkosten. Vorteile der        stologien oder Zytologien. In dyspla-          Wert (12% vs 91%), eine mögliche Über-
PCR sind die mögliche sehr hohe analy-          stischen Zellen sind beide Marker positiv      diagnostik regredierender CIN2-Läsi-
tische Sensitivität (bei niedrigerer kli-       und man sieht rot angefärbte Zellkerne         onen bei jüngeren Frauen, sowie eine
nischer Spezifität), die damit einherge-        (Ki-67) und braunes Zytoplasma (p16).          mögliche Verunsicherung der Patien-
hende bessere Nachweisbarkeit von HPV-          Bei HR-HPV-DNA-positiven Frauen mit            tinnen durch den Nachweis onkogener
Persistenz, und die Möglichkeit einer           normalem Zytologie-Befund lässt sich           Viren (Cuzick et al. 2006, Mayrand et al.
umfassenden HPV-Typisierung. Tests              durch die Doppel-Färbung ausschließen,         2007, Lazcano-Ponce et al. 2011, de Kok
zum Nachweis von HR-HPV-Onkogen                 dass dysplastische Zellen vorliegen (Petry     et al. 2012, Rijkaart et al. 2012, Arbyn et
(E6/E7) mRNA haben im Vergleich zu              et al. 2011, Reuschenbach et al. 2012).        al. 2012). In den Niederlanden wurde ein
HPV-DNA-Testen eine höhere Spezifität                                                          organisiertes primäres HPV-Screening
(für die Erkennung von CIN2+/CIN3+),            INDIKATIONEN ZUR DIAGNOSTIK                    mit Zytologie-Triage bei positivem HR-
bei etwas geringerer Sensitivität (Szarews-     Anerkannte Indikationen für die genitale       HPV Nachweis für Frauen zwischen 30
ki et al. 2008, Burger et al. 2011).            HPV-Diagnostik bei Frauen sind Kon-            und 60 Jahren im Jahr 2011 eingeführt,
Mittels Immunhistochemie oder Im-               trolluntersuchungen (zusammen mit Zy-          wobei für Frauen mit negativen HR-HPV-
munzytologie ist der Nachweis von HPV-          tologie/Histologie) 6 und 12 Monate nach       Befunden nur 5 Screening-Untersu-
Proteinen oder der Nachweis von zellu-          CIN- oder Zervixkarzinom-Therapie, die         chungen mit 30, 35, 40, 50 und 60 Jahren
lären Proteinen, deren Expression durch         Entscheidungshilfe (Triage) bei unklaren       notwendig sind (HPV Today, 2011).
die HPV-Infektion verändert wird, mög-          zytologischen Befunden sowie die Risiko-       Nicht sinnvoll ist ein HPV-Test bei (asym-
lich. Ein weit verbreiteter Test für letztere   abschätzung/Triage bei niedrig-gradigen        ptomatischen) Männern, bei jungen
Option ist der Nachweis des p16-Proteins        Dysplasien (Chan et al. 2009, Arbyn et al.     Frauen (
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

STEFAN ESSER, ESSEN, FÜR DIE LEITLINIENGRUPPE

Anale Dysplasien und Analkarzinome bei HIV-
Infizierten – Prävention, Diagnostik und Therapie*
Erstmalig wird von der Deutschen AIDS Gesellschaft (DAIG) eine Leitlinie zur             Auch wenn für das Analkarzinom noch
Prävention, Diagnostik und Therapie von analen Dysplasien und Analkarzino-               keine ausreichende Evidenz für die Effek-
men bei HIV-Infizierten unter aktiver Beteiligung verschiedener anderer Fach-            tivität der Vorsorgeuntersuchungen vor-
gesellschaften entwickelt, die bei der Mitgliederversammlung während des                 liegt, erscheint ein Analogieschluss zwi-
Deutsch-österreichischen AIDS-Kongresses abgestimmt werden soll. Somit                   schen Anal- und Zervixkarzinom ge-
wird es hierzu für Menschen mit HIV-Infektion nur eine gemeinsame Leitlinie              rechtfertigt. Deshalb hat sich die DAIG
geben und nicht verschiedene von unterschiedlichen Fachgesellschaften.                   für die Entwicklung einer geeigneten
                                                                                         Leitlinie für HIV-Infizierte unter Einbe-
HINTERGRUND                                 in einigen Kohorten wird noch immer          ziehung relevanter Fachgesellschaften
Hintergrund ist die hohe Inzidenz und       ein weiterer Anstieg beschrieben. Das        entschieden.
Prävalenz von persistierenden genitoa-      Analkarzinom gehört bei HIV-Infi-
nalen Infektionen mit verschiedenen Hu-     zierten inzwischen zu den häufigsten         DIAGNOSTIK
manen Papilloma Viren (HPV)-Typen           nicht AIDS-definierenden Neoplasien          Ein Algorithmus zur Prävention, Diag-
bei HIV-Infizierten. HPV wird von HIV-                                                   nostik und Therapie von Condylomata
Infizierten seltener eradiziert und kon-    BEDEUTUNG DER                                acuminata, analen intraepithelialen Dys/
trolliert. Sowohl low-risk (LR) HPV-Ty-     FRÜHERKENNUNG                                Neoplasien und Analkarzinomen bei
pen, die Feigwarzen (Condylomata acu-       Da zwischen der Entwicklung eines            HIV-Infizierten wird derzeit entwickelt.
minata) verursachen, als auch high-risk     Analkarzinoms und dem Auftreten von          Der aktuelle Zwischenstand wird in die-
(HR) HPV-Typen, die mit einer malig-        Feigwarzen und analen intraepithelialen      sem Artikel präsentiert.
nen Transformation und der Entwick-         Neoplasien einige Zeit vergehen kann,        HIV-infizierte Männer, vor allem MSM,
lung von intraepithelialen Neoplasien bis   kommt der Früherkennung HPV-assozi-          sollten analog zu HIV-infizierten Frauen
hin zum infiltrierend wachsenden Karzi-     ierter Läsionen besondere Bedeutung zu.      proktologisch überwacht werden. Alle
nom einhergehen können, werden bei          Die gynäkologischen Vorsorgeuntersu-         HIV-Infizierten mit genitoanalen oder
HIV-Infizierten gehäuft nachgewiesen.       chungen von Frauen haben zu einem            oralen Feigwarzen, intraepithelialen Dys/
Condylomata acuminata, intraepitheliale     deutlichen Rückgang von Zervixkarzino-       Neoplasien oder Karzinomen in der Vor-
Neoplasien und Analkarzinome finden         men geführt. Vor deren Einführung gab        geschichte sind Hochrisiko-Patienten für
sich bei HIV-Infizierten deutlich häu-      es wenig Evidenz für die heute unstrittige   die Entwicklung eines Analkarzinoms.
figer als in der Allgemeinbevölkerung.      Effektivität der Vorsorgeuntersuchungen      Sorgfältige genitoanale Inspektionen und
Die Übergänge von pesistierenden HPV-       zur Vermeidung von Zervixkarzinomen.         regelmäßige proktologische Untersu-
Infektionen über intraepitheliale Neopla-   Zwischen Zervixkarzinomen und Anal-          chungen mittels (High Resolution) Ano-
sien hin zu Analkarzinomen können sich      karzinomen bestehen zahlreiche Ähn-          skop/Kolposkop mit zytologischen Abstri-
bei HIV-Infizierten rascher vollziehen.     lichkeiten: HPV-Assoziation, Entwick-        chen und rechtzeitiger gezielter Probeent-
Ein schlechter Immunstatus begünstigt       lung in der Transformationszone, Risiko-     nahme können fatalem Tumor-
die Persistenz von HPV-Infektionen, das     faktoren wie Promiskuität, Immun-            wachstum vorbeugen und verstüm-
Auftreten assoziierter klinischer Läsi-     suppression und Rauchen. In der              melnde Operationen (Rektumamputa-
onen und die maligne Transformation.        Literatur finden sich zahlreiche Hinwei-     tion, Anus praeter) vermeiden. Rektales
Dennoch haben der breite Einsatz der        se, dass genitoanale Vorsorgeuntersu-        Palpieren und äußerliche Inspektionen
antiretroviralen Therapie und die damit     chungen bei HIV-Infizierten zur Früher-      der Anogenitalregion sind als Vorsorge für
meist verbundene Immunrekonstitution        kennung von Vorläuferläsionen beitra-        HIV-Infizierte alleine nicht ausreichend.
zu keiner Abnahme der Inzidenz von          gen und damit die Inzidenz von               Wenn ein Analkarzinom tastbar wird, ist
Analkarzinomen geführt. Im Gegenteil,       Analkarzinomen reduzieren könnten.           es meist bereits schon weit fortgeschritten.
                                                                                                                       *Stand Mai 2013

36      HIV&more 2/2013
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

Abb. 1 Algorithmus zur Prävention Diagnostik und Therapie von Condylomata acumi-
nata-analen intraepithelialen DysNeoplasien und Analkarzinomen bei HIV-Infizierten

                                                                                           HIV&more 2/2013   37
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

SCREENING                                     AIN III einem analen Carcinoma in situ.       THERAPIE
Für welche HIV-infizierten Patienten wie      Daneben kann auch der HPV-Subtyp be-          Alle Behandlungen sind bisher unbefrie-
oft zytologische, kolposkopische und          stimmt werden, um zwischen High-risk/         digend und gehen mit einer hohen Rezi-
proktoskopische Untersuchungen zusätz-        Low-risk-Typen zu unterscheiden. Dies         divrate einher. HPV-Impfungen und
lich zu den routinemäßig durchgeführten       ist derzeit in der Gynäkologie bei un-        Immun-stimulierende oder modulieren-
genitoanalen Palpationen und Inspekti-        klaren zytologischen Befunden hilfreich.      de Therapien sind bei CD4-Zellzahlen
onen notwendig sind, wird im neu ent-         Die Subtypenbestimmung ist sonst noch         von unter 350 Zellen/µl fragwürdig. Die
wickelten Algorithmus der deutsch-ös-         keine Routinediagnostik und spielt bei        Verhältnismäßigkeit operativer Maßnah-
terreichischen Leitlinie empfohlen.           Therapieentscheidungen eine unterge-          men sollte kritisch abgewogen werden,
Allen HIV-Infizierten sollten im Rahmen       ordnete Rolle.                                da die persistierende HPV-Infektion
der jährlichen Inspektion und Palpation                                                     damit meistens nicht geheilt wird. Ein hi-
Analabstriche für zytologische Untersu-       ZYTOLOGIE                                     stologisch und klinisch eindeutig dia-
chungen angeboten werden. Hochrisiko-         Darüber hinaus stehen zytologische Ab-        gnostiziertes intraanales Carcinoma in
Patienten für die Entwicklung eines Anal-     strichuntersuchungen als weitere Scree-       situ muss weder zwingend großflächig
karzinoms wird zusätzlich eine Anosko-        ningmethode für Zervix- und Analkarzi-        exzidiert noch zeitnah mit einer Radio-
pie mit geeigneten Gewebefärbungen            nome und deren Vorstufen zur Verfü-           chemotherapie behandelt werden. Abla-
(Essigsäure, Lugol`sche Lösung) und ggf.      gung. Während die Zytologieergebnisse         tive Verfahren wie elektrokaustische Ab-
mit gezielter Probebiopsie empfohlen.         der Zervixabstriche nach Papanicolaou         tragungen von analen intraepithelialen
Grundsätzlich sollten alle klinisch auffäl-   eingeteilt werden, folgt die Klassifikation   Neoplasien waren in einer Vergleichsstu-
ligen HPV-assoziierten Befunde umge-          bei Analabstrichen meist dem Bethesda         die an HIV-positiven MSM einer lokalen
hend behandelt werden. Die Art der The-       System. Dieses unterscheidet zwischen         Chemotherapie mit Fluorouracil und
rapie unterscheidet sich nicht von den        normalen Befunden, Inflammation und           einer Behandlung mit Imiquimod über-
Methoden bei HIV-negativen Patienten.         verschiedenen Atypien: Atypical squa-         legen.
Da sich die Übergänge von einer persis-       mous cells (ASC: -US (undetermined si-        Je früher ein Analkarzinom diagnosti-
tierenden HPV-Infektion über intraepi-        gnificance), -H (cannot exclude HSIL),        ziert wird, desto erfolgreicher ist eine Ra-
theliale Neoplasien hin zu einem Anal-        atypical glandular cells (ACG), low-grade     diochemotherapie. Die Radiochemothe-
karzinom bei HIV-Infizierten rascher          oder high-grade squamous intraepitheli-       rapie sollte den Immunstatus des HIV-
vollziehen können, sollten die erforderli-    al lesion (LSIL oder HSIL). Sensitivität      Infizierten und Interaktionen mit der
chen Maßnahmen zeitnah eingeleitet werden.    und Spezifität der Analabstriche sind mit     antiretroviralen Therapie (ART) berück-
                                              der Zervixzytologie vergleichbar. Jeder       sichtigen. Ggf. muss die ART umgesetzt
HISTOLOGIE                                    wiederholt auffällige oder höhergradige       oder pausiert werden.
Die Diagnose Feigwarzen oder Analkar-         (HSIL) zytologische Befund sollte zeit-       Wir hoffen, dass die Empfehlungen der
zinom kann oft klinisch gestellt werden,      nah eine Kolposkopie oder eine Proto-         Leitlinie auf breite Akzeptanz stoßen und
während der Grad einer intraepithelialen      skopie nach sich ziehen.                      deren Umsetzung in den klinischen All-
Neoplasie histologisch bestätigt werden                                                     tag die Versorgung und Früherkennung
muss. Probebiopsien zum Ausschluss            ANOSKOPIE                                     HPV-assoziierter Erkrankungen bei
von Malignität sind vor Therapiebeginn        Die „High Resolution Anoscopy/Colpo-          Menschen mit HIV-Infektion verbessern.
zu empfehlen. Bei Therapieresistenz,          scopy“ als Goldstandard für die Früher-                                 Dr. med. Stefan Esser
                                                                                                                  Universitätsklinikum Essen
Frührezidiven sowie raschem oder ver-         kennung HPV-assoziierter Läsionen
                                                                                                         Hufelandstrasse 55 · 45122 Essen
mutetem infiltrierendem Wachstum sind         wird in spezialisierten Zentren angebo-                  E-Mail: stefan.esser@uk-essen.de
sie dringend indiziert.                       ten und verbessert die Treffsicherheit bei    Leitliniengruppe:
                                                                                            N. Brockmeyer (DDG), O. Degen (DGI), G. Elderling
Histologisch werden Condylomata acu-          der genitalen, peri- und intraanalen In-      (DAIG), St. Esser (DSTIG),
minata, intraepitheliale Neoplasien nach      spektion für notwendige Probebiopsien,        A. Gingelmaier (DGGG), A. Jessen (DAGNÄ),
                                                                                            H. Knechten (NAGNÄ), A. Kreuter (DAIG),
Schweregrad I-III (IN) und invasiv wach-      besonders nach Applikation von Essig-         F. A. Mosthaf (DGHO), M. Oette (DGVS), N. Postel
                                                                                            (Vir+), M.-L. Sautter (DAIG),
sende Karzinome voneinander unter-            säure (3-prozentig Schleimhäute, 5-pro-       A. Schafberger (DAH), H. Schalk (ÖAIG), H.-J. Stell-
                                                                                            brink (DAIG), J. Swoboda (DGZ),
schieden. Vorab wird die anatomische Lo-      zentig Haut) und zusätzlicher Färbung         Jan Thoden (KAAD), U. Wieland (GfV), Beratendes
                                                                                            Mitglied (ohne Mitgliederbeschluss nachnominiert):
kalisation angegeben. Somit entspricht ein    mit Lugol`scher Lösung.                       J. Jongen (DGK)

38       HIV&more 2/2013
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

ARNE B. JESSEN UND HEIKO JESSEN, BERLIN                                                    benötigt wesentlich mehr Zeit. Das Auf-
                                                                                           treten von Analkarzinom bei MSM ist
HPV-Impfung bei Männern                                                                    über 30mal häufiger als bei heterosexu-
                                                                                           ellen Männern. Somit kann das Auftreten
HPV-Infektionen und HPV-assoziierte Erkrankungen sind insbesondere bei                     von Analkarzinomen unter den MSM
Männern, die Sex mit Männern haben, häufig. Die Impfung gegen HPV, die                     ähnlich hoch eingeschätzt werden wie
nachweislich auch bei Männern entsprechende Infektionen verhindert, könnte                 das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs
auch einen präventiven Effekt beim Analkarzinom haben.                                     bei Frauen vor der Einführung des Scree-
                                                                                           ning-Programms zur Gebärmutterhals-
Die meisten HPV-Infektionen sind so-           weniger als einem Prozent der Fälle zum     krebsvorsorge.
wohl bei Frauen als auch bei Männern           Peniskarzinom entwickelt. Die Subtypen      Nicht-kanzerogene HPV-bedingte Läsi-
vorübergehend und asymptomatisch. Als          HPV-16 und HPV-18 sind für rund 90%         onen, wie zum Beispiel Genitalwarzen,
wichtigster Risikofaktor für eine externe      aller HPV-bedingten Krebsarten bei          kommen wesentlich häufiger vor als
genitale HPV-Infektion erweist sich die        Männern verantwortlich (Abb. 1).            HPV-assoziierte Krebserkrankungen
Zahl der Sexualpartner. Die Mehrzahl                                                       und treten bei Männern ähnlich häufig
der HPV-Infektionen treten bei jungen          HPV-ASSOZIIERTE KRANKHEITEN                 auf wie bei den Frauen (Abb. 2). Die ge-
Frauen unter 25 auf. Im Vergleich dazu         Obwohl die allgemeine Inzidenz von
kommen die HPV-Infektionen bei Män-            HPV-assoziierten Krebserkrankungen
nern gleichwertig in allen Altersgruppen       bei Männern relativ gering ist, erweist
vor und das Risiko einer neuen Infektion       sich die durchschnittliche jährliche Zu-
bleibt über die Zeit stabil.                   nahme der Inzidenz des Analkarzinoms
Nur ein kleiner Anteil von HPV-Infekti-        als fast doppelt so hoch wie bei Frauen.
onen persistiert über längere Zeit und         Die Inzidenz von HPV-bedingten Oro-
kann sich dabei zu nicht-kanzerösen            pharynx-Karzinomen ist bei Männern
oder kanzerösen Läsionen entwickeln.           ebenfalls erhöht und steigt weiter an,
Das HPV-bedingte Analkarzinom, das             während sie bei Frauen stabil bleibt.
Oropharynx-Karzinom sowie gutartige            Bei Männern, die Sex mit Männern
Läsionen, wie Genitalwarzen und rezidi-        haben (MSM), besteht ein besonders
vierende respiratorische Papillomatosen        hohes Risiko für eine HPV-Infektion und
können bei beiden Geschlechtern auftre-        HPV-bedingte Krankheiten. Die Infekti-
                                                                                           Abb. 2 Typische anale Condylome
ten. Penile intraepitheliale Neoplasie         on verläuft bei dieser Personengruppe oft
(PIN) ist die einzige Männer-spezifische       mit mehreren HPV-Genotypen gleich-          schätzte Inzidenz von Anogenitalwarzen
HPV-bedingte Erkrankung, die sich in           zeitig und eine potenzielle Eradikation     bei MSM ist jedoch fast zehnmal so hoch
                                                                                           wie in der allgemeinen Bevölkerung. Die
                                                                                           HPV-Typen 6 und 11 sind für mehr als
                                                                                           90% der Genitalwarzen verantwortlich.

                                                                                           STUDIENLAGE
                                                                                           Die Effektivität der Impfung gegen das
                                                                                           Humane Papilloma Virus (HPV) bei
                                                                                           Männern wurde nur für den tetrava-
                                                                                           lenten Impfstoff (gegen Typen 6, 11, 16
                                                                                           und 18; Gardasil®) im Rahmen einer in-
                                                                                           ternationalen Studie untersucht, an der
                                                                                           sich neben unserer Praxis in Berlin auch
                                                                                           Stefan Esser, Essen, und Knud Schewe,
Abb. 1 Verlauf der HPV-Infektion bei Männern                                               Hamburg, beteiligten. Hierbei erhielten

                                                                                                             HIV&more 2/2013    39
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

     Abb. 3 Effektivität der HPV-Vakzine bei Männern im Alter 16-26

4065 Jungen und Männer im Alter von               zinome einschließt, ist weiterhin offen.      wirkung des Impfstoffes gegen anale In-
16-26 Jahren jeweils drei Dosen des               Dieser Ansatz wurde auch bei der Ent-         traepitheliale Neoplasien (AIN) unter den
Impfstoffes/Placebos und wurden drei              wicklung des Impfprogramms für Frauen         MSM-Studienteilnehmern erwartet, da
Jahre lang beobachtet. Im Hinblick auf            angewendet, nachdem eine präventive           eine hocheffektive Prävention gegen per-
die Entwicklung von extragenitalen Läsi-          Wirkung gegen hochgradige intraepithe-        sistierende Infektionen mit Hochrisiko-
onen (genitale Warzen, penile Intraepi-           liale Neoplasien der Zervix, die durch        HPV-Typen im analen Epithel erreicht
theliale Neoplasie (PIN) oder Peniskarzi-         eine Progression zu Gebärmutterhals-          wurde (95% Senkung der Infektionsrate).
nom) zeigte sich der Impfstoff als hoch-          krebs führen können, beobachtet wurde.        Eine ebenso gute Wirksamkeit wurde
effektiv. 90% der verhinderten extra-             Die Zuverlässigkeit solcher Schlüsse          beim Schutz gegen persistierende externe
genitalen Läsionen waren dabei Geni-              könnte bei Männern weniger sicher sein,       genitale Infektionen an Penis, Hoden, pe-
talwarzen (Abb. 3).                               da der Verlauf der HPV-assoziierten Er-       rinealen oder perianalen Bereichen in der
Auch in einer weiteren Substudie mit 602          krankungen bei Männern zum aktuellen          gesamten Studienkohorte gesehen (86%).
MSM, in der die Effektivität des Impf-            Zeitpunkt noch nicht ausreichend er-          Somit wäre eine anschließende Redukti-
stoffes gegen anale intraepitheliale Neo-         forscht ist. Wir konnten in unserer Studie    on in PIN und Peniskarzinom in unserer
plasien (AIN) und Analkarzinom beur-              eine tendenzielle Reduzierung von PIN         Follow-up Studie zu erwarten.
teilt wurde, war die Erfolgsrate sehr hoch.       bei den Impfstoffempfängern beobach-          Die Wirksamkeit einer HPV-Impfung
Zu beachten ist jedoch, dass keine Fälle          ten, was jedoch aufgrund der geringen         gegen die HPV-bedingten Läsionen im
von Penis-, Perineal-, Perianal- oder Anal-       absoluten Fallzahl statistisch nicht belegt   Oropharynx-Bereich wurde bisher in kli-
karzinom beobachtet wurden, was im                werden konnte.                                nischen Studien noch nicht untersucht.
Einklang mit der geringen Inzidenz dieser                                                       Sollte die HPV-Infektion im oropharyn-
Krebsarten, deren Entwicklungszeiten              PRÄVENTIVER EFFEKT                            gealen Epithel ähnlich wie in den anoge-
und der vergleichsweise kurzen Beobach-           Wie bei Gebärmutterhalskrebs ist eine         nitalen Regionen verlaufen, könnte eine
tungszeit steht. Ob die Effektivität des          persistierende HPV-Infektion wahr-            HPV-Impfung auch gegen diese Läsi-
Impfstoffes gegen persistierende Infekti-         scheinlich ein notwendiger Vorläufer für      onen schützen. Auf der Populationsebene
onen und präkanzeröse Läsionen auch               die Entwicklung einer invasiven Erkran-       würde die Reduktion von HPV-Reser-
deren Effektivität gegen anogenitale Kar-         kung bei Männern. Es wird eine Schutz-        voirs im Genitalbereich durch eine be-

40         HIV&more 2/2013
HPV - Infektion: Virologische Aspekte
FORTBILDUNG

völkerungsweite Impfung wahrschein-          Nach der weltweiten Markteinführung         gang beobachtet werden.
lich die HPV-Infektionsrate im Oropha-       des tetravalenten Impfstoffes für Frauen    Ob eine Routine-Impfung von Jungen zu
rynx senken.                                 wurden mehr als 65 Millionen Menschen       weiteren Vorteilen auf der Populationse-
                                             geimpft. Dabei konnten keine Sicher-        bene führen würde, wird derzeit intensiv
IMMUNOGENITÄT                                heitsprobleme festgestellt werden. Aus      diskutiert. Man schätzt, dass in Australi-
Die Wirksamkeit von HPV-Impfstoffen          diesem Grund ist zu erwarten, dass die      en die Abdeckung mit dem Impfpro-
wurde bislang nicht bei Knaben und ganz      Impfung der Männer ein ähnlich gutes        gramm bei Mädchen im Alter von 12-13
jungen Männern getestet, die die Ziel-       Sicherheits-Profil aufweist.                Jahren im Jahr 2011 bei 73% liegt. Mittels
gruppe für ein prophylaktisches HPV-                                                     mathematischer Modelle konnte ermit-
Impfprogramm darstellen. Deshalb ist         IMPFPROGRAMME                               telt werden, dass die Einführung eines
nur eine Schätzung durch die Messung         Eine Einführung des Impfprogramms für       Männer-Impfprogramms mit einer ähn-
der Immunogenität (Antikörpertiter           Männer sollte durch den Effekt der Her-     lichen Impfquote bis 2050 zusätzlich 24%
nach der Impfung) möglich, was zuvor         denimmunität neben einem direkten           der neuen HPV-Infektionen verhindern
auch für junge Frauen akzeptiert wurde.      Vorteil für die männlichen Empfänger        könnte (Abb. 4). Dieses Modell berück-
Man kam zu dem Ergebnis, dass die Im-        auch zu Vorteilen bei den ungeimpften       sichtigt jedoch nicht die HPV-Übertra-
munogenität des tetravalenten Impfstoffs     Angehörigen beider Geschlechter füh-        gung unter den MSM, was mit einer
bei sexuell naiven Jungen im Alter von       ren. Nach der Einführung der Populati-      Überschätzung der Reduktion der
9-15 Jahren ähnlich hoch ist wie bei         ons-basierten HPV-Impfung bei Mäd-          männlichen Krebserkrankungen durch
gleichaltrigen Mädchen oder bei Män-         chen und jungen Frauen war eine solche      ein exklusives Frauen-Programm resul-
nern im Alter 16-26 Jahre.                   Entwicklung der Herdenimmunität zu          tieren könnte.
                                             beobachten. Als deren Folge kam es z.B.
SICHERHEIT                                   in Australien zwischen 2004 und 2009 zu     KOSTEN
In den klinischen Studien für männliche      einer Reduktion von 59% bei den Neudi-      Um die Kosten-Effektivität von verschie-
Teilnehmer im Alter von 9-26 Jahren war      agnosen von Genitalwarzen bei Frauen        denen männlichen und weiblichen HPV-
ein ähnliches Sicherheits-Profil für den     bzw. zu einer Reduktion von 39% unter       Impf-Szenarien zu beurteilen, kamen
tetravalenten Impfstoff zu beobachten        den gleichaltrigen heterosexuellen Män-     verschiedene mathematische Modelle zur
wie bei Mädchen und jungen Frauen.           nern. Bei den MSM konnte kein Rück-         Anwendung. In vielen Länder verwende-
                                                                                         te man dabei einen Grenzwert von 50.000
                                                                                         US$ (oder Äquivalent in der Landeswäh-
 HPV16 incidence, relative to 2006 levels

                                                                                         rung) pro qualitätskorrigiertem Lebens-
                                                                                         jahr (eine Kennzahl für die Bewertung
                                                                                         eines Lebensjahres in Relation zur Ge-
                                                                                         sundheit). Die wichtigsten Faktoren, die
                                                                                         sich auf die Kosten-Effektivität auswir-
                                                                                         ken, sind die Impfquote, die Effektivität
                                                                                         der Impfung und die Dauer der indu-
                                                                                         zierten Immunität bei Frauen. Andere
                                                                                         wichtige Faktoren beinhalten Kosten des
                                                                                         Impfstoffes und der Implementierung des
                                                                                         Impfprogramms. Mehrere ältere Modelle
                                                                                         für die Kosten-Effektivität des Impfpro-
                                                                                         gramms für Männer, die sich nur auf die
                                                                                         Reduktion der Zervixkarzinom-Rate be-
Abb. 4 Anstieg der Herdenimmunität nach dem Einführen des Frauen-Impfprogramms in        zogen, haben sich als nicht kosteneffektiv
Australien. 59% Reduktion der Neudiagnosen von Kondylomen bei Frauen (2007-2007) und
                                                                                         erwiesen. Erst die neueren Modelle be-
39% Reduktion der Neudiagnosen von Kondylomen bei Männern (2007-2009). Bei ähnlicher
Abdeckungsrate bei Männer-Impfprogramm bis 2050 kann man eine weitere Reduktion um 24%   rücksichtigen die direkten Vorteile für
erwarten. MSM nicht berücksichtigt                                                       Männer. Eine solche Analyse ging erfolg-

                                                                                                            HIV&more 2/2013     41
FORTBILDUNG

reich dem australischen nationalen Impf-                   einer sexuellen Gesundheitsklinik zeigte                       HPV-Impfprogramme
programm für Jungen voraus.                                sich, dass die Mehrzahl der Probanden                          für Jungen und Männer
Ohne allgemein finanzierte Impfpro-                        zwar offen für den Erhalt der HPV Imp-                         Seit Februar 2013 wird in Australien als
gramme für Jungen bleibt die Frage offen,                  fung wären, über ihre sexuelle Orientie-                       erstem Land weltweit ein kostenloser
wer geimpft werden sollte. Auf der indi-                   rung würden sie allerdings erst offen                          HPV-Impfstoff durch Schul-basierte
viduellen Ebene könnte man davon aus-                      sprechen, wenn sie älter als 20 Jahre sind.                    Programme sowohl für Mädchen als
gehen, dass bisher sexuell inaktive Jungen                 In diesem Alter wurde aber bei den MSM                         auch für Jungen im Alter von 12-13 Jah-
zu impfen wären. Eine ähnliche Empfeh-                     bereits ein Median von 15 Sexualpartner                        ren verabreicht. In mehreren anderen
lung wird in den aktuellen Leitlinien un-                  beobachtet.                                                    Ländern, darunter auch in den europä-
terschiedlicher Arbeitsgruppen immer                       Der Erfolg einer HPV-Impfung bei Män-                          ischen Staaten, ist der Impfstoff eben-
mehr gefordert. Allerdings sollte man in                   nern (entweder einer gezielten oder be-                        falls für Jungen zugelassen. Als erstes
diesem Rahmen keine signifikanten                          völkerungsbreiten) wird weitgehend                             Bundesland in Deutschland empfiehlt
Populations-basierte Vorteile erwarten.                    durch den Grad des Wissens über HPV-                           Sachsen seit Januar 2013 über die bun-
                                                                                                                          desweit geltenden Impfempfehlungen
                                                           bedingte Krankheiten und das Vorhan-
                                                                                                                          hinaus die Impfung für junge Männer
IMPFUNG FÜR MSM?                                           densein einer Impfung bei den heran-
                                                                                                                          im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Um-
Die Impfung scheint besonders zwin-                        wachsenden Jungen, Eltern und den Lei-
                                                                                                                          setzung orientiert sich an der europä-
gend für MSM, die auch am wenigsten                        stungserbringern im Gesundheitswesen
                                                                                                                          ischen Zulassung des Impfstoffes.
von den Impfprogrammen für Frauen                          bestimmt. Im Vergleich zu Frauen haben
profitieren und dem erhöhten Risiko                        Jungen und Männer in der Regel schlech-                    lich zeigt eine HPV-Impfung bei MSM
einer HPV-Infektion und Erkrankung                         tere Kenntnis über HPV. Interessanter-                     eine höhere Akzeptanz. Da diese Ziel-
ausgesetzt sind. Solch ein gezieltes Vor-                  weise ist der Zusammenhang zwischen                        gruppe jedoch, wie bereits erwähnt,
gehen wurde in den USA im Sinne der                        HPV und Gebärmutterhalskrebs bei den                       schwer zu erreichen ist, sind weitere
Prävention von Genitalwarzen und Anal-                     Befragten bekannter als seine Verbin-                      Kommunikations- und Bildungsmaß-
krebs als kosteneffektiv beurteilt. Aller-                 dung mit Genitalwarzen. Deshalb wären                      nahmen erforderlich. Strategien in diese
dings könnte die Umsetzung einer sol-                      zwingend Maßnahmen erforderlich, die                       Richtung müssen dabei auch soziale
chen Strategie sehr komplex werden. Bei-                   über das gesamte komplexe Bild von                         Überlegungen berücksichtigen, um er-
spielsweise könnte das Erreichen der                       HPV informieren.                                           folgreich zu sein.
MSM vor oder in einem frühen Stadium                       Das Bewusstsein über HPV und die ver-                                                Dr. med. Arne B. Jessen
                                                                                                                                                  Dr. med. Heiko Jessen
der sexuellen Aktivität problematisch                      fügbaren Impfstoffe ist bei MSM höher                                             Praxis Jessen2 + Kollegen
                                                                                                                                           Motzstraße 19 · 10777 Berlin
sein. Bei einer Befragung von MSM an                       als bei heterosexuellen Männern. Folg-                                        E-Mail: mail@praxis-jessen.de

Eigene Veröffentlichungen der Praxis Jessen                                                                           Neue Veröffentlichungen
1
    Immunogenicity of the quadrivalent human papillo-      4
                                                               Efficacy of quadrivalent HPV vaccine against HPV
                                                                                                                      1
                                                                                                                          Incidence of potentially human papillomavirus-rela-
                                                                                                                          ted neoplasms in the United States, 1978 to 2007.
    mavirus (type 6/11/16/18) vaccine in males 16 to           Infection and disease in males. Giuliano AR, Pa-
                                                                                                                          Kurdgelashvili G, Dores GM, Srour SA, Chaturvedi
    26 years old. Hillman RJ, Giuliano AR, Palefsky JM,        lefsky JM, Goldstone S, Moreira ED Jr, Penny ME,
                                                                                                                          AK, Huycke MM, Devesa SS. Cancer. 2013 Apr 11.
    Goldstone S, Moreira ED Jr, Vardas E, Aranda C,            Aranda C, Vardas E, Moi H, Jessen H, Hillman R,        2
                                                                                                                          Practising high-resolution anoscopy. Palefsky JM.
    Jessen H, Ferris DG, Coutlee F, Marshall JB, Vuo-          Chang YH, Ferris D, Rouleau D, Bryan J, Marshall           Sex Health. 2012 Dec;9(6):580-6.
    colo S, Haupt RM, Guris D, Garner EI. Clin Vaccine         JB, Vuocolo S, Barr E, Radley D, Haupt RM, Guris       3
                                                                                                                          The epidemiology and natural history of anal
    Immunol. 2012 Feb;19(2):261-7.                             D. N Engl J Med. 2011 Feb 3;364(5):401-11.                 human papillomavirus infection in men who have
2
    HPV vaccine against anal HPV infection and anal        5
                                                               Prevalence of and risk factors for human papilloma-        sex with men. Machalek DA, Grulich AE, Jin F,
                                                                                                                          Templeton DJ, Poynten IM. Sex Health. 2012
    intraepithelial neoplasia. Palefsky JM, Giuliano AR,       virus (HPV) infection among HIV-seronegative men
                                                                                                                          Dec;9(6):527-37.
    Goldstone S, Moreira ED Jr, Aranda C, Jessen H,            who have sex with men. Goldstone S, Palefsky JM,       4
                                                                                                                          Why a special issue on anal cancer and what is in
    Hillman R, Ferris D, Coutlee F, Stoler MH, Marshall        Giuliano AR, Moreira ED Jr, Aranda C, Jessen H,
                                                                                                                          it? Fairley CK, Brotherton JM, Hillman R, Grulich
    JB, Radley D, Vuocolo S, Haupt RM, Guris D, Gar-           Hillman RJ, Ferris DG, Coutlee F, Liaw KL, Marshall        AE. Sex Health. 2012 Dec;9(6):501-3.
    ner EI. N Engl J Med. 2011 Oct 27;365(17):1576-85.         JB, Zhang X, Vuocolo S, Barr E, Haupt RM, Guris        5
                                                                                                                          Population-wide vaccination against human papil-
3
    Safety and reactogenicity of a quadrivalent human          D, Garner EI. J Infect Dis. 2011 Jan 1;203(1):66-74.       lomavirus in adolescent boys: Australia as a case
    papillomavirus (types 6, 11, 16, 18) L1 viral-like-    6
                                                               External genital human papillomavirus prevalence           study. Georgousakis M, Jayasinghe S, Brotherton
                                                               and associated factors among heterosexual men on           J, Gilroy N, Chiu C, Macartney K. Lancet Infect Dis.
    particle vaccine in older adolescents and young
                                                                                                                          2012 Aug;12(8):627-34.
    adults. Moreira ED Jr, Palefsky JM, Giuliano AR,           5 continents. Vardas E, Giuliano AR, Goldstone S,      6
                                                                                                                          Human papillomavirus oncogene mRNA testing for
    Goldstone S, Aranda C, Jessen H, Hillman RJ,               Palefsky JM, Moreira ED Jr, Penny ME, Aranda C,
                                                                                                                          the detection of anal dysplasia in HIV-positive men
    Ferris D, Coutlee F, Vardas E, Marshall JB, Vuocolo        Jessen H, Moi H, Ferris DG, Liaw KL, Marshall JB,          who have sex with men. Silling S, Kreuter A, Hell-
    S, Haupt RM, Guris D, Garner EI. Hum Vaccin.               Vuocolo S, Barr E, Haupt RM, Garner EI, Guris D. J         mich M, Swoboda J, Pfister H, Wieland U. J Clin
    2011 Jul;7(7):768-75.                                      Infect Dis. 2011 Jan 1;203(1):58-65.                       Virol. 2012 Apr; 53(4):325-31.

42           HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG

ARNE B. JESSEN UND HEIKO JESSEN, BERLIN

HPV-Diagnostik und Screening in der Praxis
HPV-Erkrankungen im anogentialen Bereich sind bei MSM häufig. Die meis-                               derem folgende Schritte: anale Zytologie,
ten davon kann man in der Praxis diagnostizieren und behandeln. Mit dem                               weitere Untersuchung der Patienten mit
Analkarzinom-Screening kommt eine neue Aufgabe hinzu.                                                 abnormalen Ergebnissen mittels einer
                                                                                                      hochauflösenden Anoskopie (high reso-
Im Allgemeinen werden anogenitale                                                                     lution anoscopy, HRA) und darauffol-
HPV-Infektion eingeteilt in: Latente                                                                  gende Behandlung der mittels Biopsie
(asymptomatische), klinische oder subkli-                                                             nachgewiesenen analen intraepithelialen
nische Infektionen. Die meisten Fälle von                                                             Neoplasien (AIN) (Abb. 5 und 6).
HPV-Infektionen sind latent und vorü-                                                                 Die Sensitivität der analen Zytologie im
bergehend. Diese können nur mittels                                                                   Vergleich zu den Biopsie-Befunden liegt
eines PCR-Tests der viralen DNA nachge-                                                               bei 69-93%, deren Spezifität bei 32-59%.
wiesen werden.                                                                                        Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit
Klinische Läsionen, welche am häufigsten      Abb. 5 Hochauflösende Anoskopie in der                  den Ergebnissen der Zervixzytologie und
                                              Praxis
durch die HPV-Typen 6 und 11 verur-                                                                   Zervixbiopsie für die Prävention von
sacht werden, sind visuell erkennbar und      für den Nachweis der HPV-DNA bei                        Zervixkarzinomen.
präsentieren sich meist als anogenitale       Frauen erhältlich, allerdings erfolgte bis-             Komparative methodische Untersu-
Kondylome (Condylomata acuminata).            her keine offizielle Zulassung für deren                chungen an HIV-positiven MSM zeigten,
Diese werden je nach Größe und Vertei-        Gebrauch bei Männern.                                   dass eine HPV-Genotypisierung keine
lung lokal mit Kryotherapie, Imiquimod,                                                               Vorteile gegenüber einem zytologischen
Trichloressigsäure oder Grünteeblätter-       ANALKARZINOM-SCREENING                                  Screening aufweist. Eine anale zytolo-
extrakt behandelt. Bei massivem Befall        Aufgrund der vorhandenen Ergebnisse                     gische Untersuchung war auch ohne wei-
wird chirurgisch per Laser/Elektrokauter      wird angenommen, dass ein Analkarzi-                    tere HPV-Typisierung zur Erkennung
abgetragen oder Koagualtionstherapie an-      nom-Screeningprogramm, ähnlich auf-                     einer Zellatypie ausreichend.
gewandt.                                      gebaut wie das Zervixkarzinom-Scree-
Die subklinischen Läsionen, einschließ-       ning-Programm, die Entstehung eines NEUE LEITLINIEN
lich der onkogenen HPV-Typen 16 und           Analkarzinoms verhindern könnte. Ein Die neuen Leitlinien zum Analkarzinom-
18, werden durch das Aufbringen von           solches  Programm beinhaltet unter an- Screening empfehlen für alle HIV-posi-
                                                 Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV‐PaLenten in der Praxis Jessen2
Essigsäure-Lösung (3-5%) leichter visu-
alisiert. Dieses Verfahren wird als Aceto-                             SCREENING  MODEL
                                                                               ALLE        FÜR AIN/ANALKARZINOM
                                                                                    HIV+ (Prävalenz von HPV fast 100%) BEI HIV
Whitening bezeichnet.
                                                          SCREENING (PAP, InspekLon, PalpaLon und proktologische Untersuchung) einmal pro Jahr
PENISLÄSIONEN
Bei heterosexuellen Männern sind anoge-               Normale Zytologie                                     Abnormale Zytologie
nitale HPV-Infektionen am häufigsten am
                                                                                                                    HRA
Penisschaft nachweisbar. Um eine optimale
Probenentnahme gewährleisten zu können,
wurden bisher verschiedene Methoden er-                    Keine AIN                              AIN1                                   AIN2+3

probt. Für das Sammeln der Zellen erwie-
                                                         12‐monaLge                                  Topische Therapie und/oder operaLve EnYernung
sen sich dabei ein Abstrich mit Nagelpfeile               Kontrolle
(emery board) an multiplen Hautstellen
                                                                                                         3‐6‐monaLge Verlaufskontrolle
sowie ein feuchter Dacron-Abstrich als
die diagnostisch sensitivsten Methoden.       Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV-Patienten in
Zurzeit sind mehrere kommerzielle Kits        der Praxis Jessen2

                                                                                                                              HIV&more 2/2013          43
FORTBILDUNG

tiven Männer eine jährliche anale Zyto-     Insgesamt kennen nur wenige Patienten/      kanal achten.
logie für alle HIV-positiven Patienten.     Klienten im Vorfeld diese Möglichkeiten     Im Unterschied zum analen Screening
Bei über 20% der getesteten HIV-posi-       – große Öffentlichkeitsarbeit ist not-      wird das penile HPV-Screening vor allem
tiven Männer mit HPV-Läsionen können        wendig.                                     wegen einer hohen Prävalenz der penilen
Dysplasien histologisch gesichert wer-      Die anale Zytologie erfordert keine be-     HPV-Infektion und einer im allgemein
den. Unter den HIV-positiven MSM liegt      sondere Vorbereitung des Patienten. Der     begrenzten Dauer der Infektion bei im-
der prädiktive Wert einer abnormalen        Patient sollte jedoch mindestens 24 Stun-   munkompetenten Männern nicht emp-
analen Zytologie für die Vorhersage einer   den vor der Untersuchung auf rezeptiven     fohlen. Zudem gibt es, anders als bei AIN
analen Dysplasie bei ca. 95%. Ziel einer    Analverkehr sowie auf Darmspülungen         und Analkarzinomen, nur wenig Daten
analen Zytologie ist die Identifizierung    verzichten.                                 über den Verlauf von penilen HPV-In-
der Patienten, die zelluläre Verände-       Die beste Methode für den zytologischen     fektionen und die Entwicklung von PIN
rungen in den Epithelzellen des Anal-       Analabstrich besteht im Einführen eines     oder Peniskarzinomen bei MSM oder
kanals aufweisen. Alle Patienten mit        mit Wasser befeuchteten Dacron-Watte-       HIV-Positiven. Im Gegensatz zu AIN
einer Zellatypie sollten anschließend mit   trägers in den Analkanal bis zur Über-      kann die PIN nicht sicher zytologisch di-
einer hochauflösenden Anoskopie unter-      gangszone von Platten- zu Zylinderepi-      agnostiziert werden. Deshalb bedarf jede
sucht werden.                               thel (3-4 cm). Um die Zellen zu sammeln     verdächtige penile Läsion einer Biopsie.
                                            wird der Watteträger mit leichtem Druck
                                                                                                            Dr. med. Arne B. Jessen
PRAKTISCHES VORGEHEN                        drehend nach distal geführt. Erst                                 Dr. med. Heiko Jessen
In unserer Praxis werden die Patienten      anschließend wird der Patient digital mit                    Praxis Jessen2 + Kollegen
von den Ärzten oder Mitarbeiter auf         Gleitmittel untersucht. Dabei sollte man                   Motzstraße 19 · 10777 Berlin
diese Vorsorge aufmerksam gemacht.          insbesondere auf Verhärtungen im Anal-                   E-Mail: mail@praxis-jessen.de

                                                                                                                              Anzeige

44      HIV&more 2/2013
FORTBILDUNG

SILKE TRIBIUS, HAMBURG UND MARKUS HOFFMANN, KIEL

Humane Papillomviren – ein Risikofaktor
für Oropharynxkarzinome
Der kausale Zusammenhang zwischen Plattenepitelkarzinomen der Zervix                      tet, da sich die Karzinome HPV-abhän-
uteri und humanen Papillomviren (HPV) ist hinreichend belegt und anerkannt.               gig bestimmten Eigenschaften zuordnen
Zunehmend wird ein Zusammenhang zwischen HPV und Plattenepithelkarzi-                     lassen: Im Gegensatz zu Patienten mit
nomen im Kopf-Hals-Bereich berichtet.                                                     klassischen OPK präsentieren sich Pati-
                                                                                          enten mit HPV-positiven Karzinomen
HPV-Infektionen des Anogenitaltraktes          Ländern sinkt, lassen viele epidemiolo-    bei Diagnosestellung typischerweise mit
gelten als sexuell übertragene Erkran-         gischen Studien vermuten, dass die an-     großen, in der Bildgebung oft zystischen
kungen. Im Gegensatz dazu ist ein Zu-          steigende Häufigkeit der OPK zuneh-        Halslymphknotenmetastasen bei den-
sammenhang zwischen Sexualverhalten            mend eine Assoziation mit einer HPV-       noch relativ kleinen Primarien. In der
und HPV-Infektionen im Kopf-Hals-Be-           Infektion widerspiegelt bei gleichzeitig   Regel handelt es sich aufgrund des Hals-
reich nicht hinreichend untermauert.           abnehmendem Nikotinkonsum.                 lymphknotenstatus insgesamt um lokal
Neuerdings wird jedoch insbesondere            Der geschätzte Anteil der HPV-assoziier-   fortgeschrittene Tumorstadien (UICC
ein Zusammenhang zwischen HPV und              ten OPK wird für Deutschland mit 30-       Stadium III/IV). Patienten mit HPV-po-
Plattenepithelkarzinomen der Tonsillen         40% angegeben. In den USA wurde ein        sitiven OPK sind in der Regel jünger, was
des Gaumens und des Zungengrundes              Anstieg der Inzidenz der HPV-DNA-po-       unter anderem auf ein risikobereiteres
diskutiert, welche beide in der anato-         sitiven OPK zwischen 1984 und 2004 mit     Sexualverhalten (steigende Anzahl oraler
mischen Region des Oropharynx loka-            225% mit einem aktuellen Anteil von bis    wie vaginaler Geschlechtspartner in
lisiert sind (im Folgenden Oropharynx-         zu 70% der neu diagnostizierten OPK be-    einem jüngeren Alter)2 zurückgeführt
karzinome, OPK).                               obachtet.1 Im gleichen Zeitraum sank die   wird, sind meist männlich und kauka-
Mehr als 90% der Kopf-Hals-Karzinome           Inzidenz der HPV-DNA-negativen OPK         sischer Abstammung, wobei die Gründe
sind Plattenepithelkarzinome. Sie stehen       um 50%. Die Autoren gehen davon aus,       hierfür unklar sind. Die Risikofaktoren
an sechster Stelle der häufigsten Tumor-       dass die Inzidenz der HPV-positiven        für HPV-assoziierte OPK im Gegensatz
erkrankungen weltweit. Für Deutschland         OPK bis zum Jahr 2020 die der Zervix-      zu HPV-negativen OPK sind in Tabelle 1
wurde die Inzidenz für 2008 mit 15.583         uteri-Karzinome der Frauen überschrei-     zusammengefasst.
Neuerkrankungen und 6.100 Todesfällen          tet und betonen die gesundheitspoli-
geschätzt. Die karzinogene Wirkung des         tische sowie sozioökonomische Bedeu-       MSM KEIN ADDITIVER
Tabakrauches und des Alkohols ist ein          tung dieser Infektion.                     RISIKOFAKTOR
bekannter Risikofaktor und spielt bei                                                     Es ist bekannt, dass insbesondere Män-
circa 75% der Patienten eine kausale           EIGENE ENTITÄT                             ner, die gleichgeschlechtliche Sexualpart-
Rolle. Während die Inzidenz der klas-          HPV-assoziierte OPK werden zuneh-          ner haben („men having sex with men“,
sischen, also nikotin- und alkoholassozi-      mend als eigene Entität neben den HPV-     MSM), stärker von durch HPV verur-
ierten Kopf-Hals-Karzinome in vielen           negativen Kopf-Hals-Karzinomen gewer-      sachten Erkrankungen des Anogenital-
                                                                                          bereiches betroffen3, 4 sind. So treten gut-
 HPV-positive Oropharynxkarzinome                    HPV-negative Oropharynxkarzinome     artige Penis- oder Analkondylome und
 Anzahl der oralen Sexualpartner                     Nikotinkonsum                        insbesondere auch Penis- und Analkarzi-
 Anzahl der vaginalen Sexualpartner (Lebenszeit)     Alkoholkonsum
                                                                                          nome überwiegend bei MSM auf, die
                                                                                          regelmäßig ungeschützten Geschlechts-
 Jüngeres Alter bei erstem Sexualkontakt             Höheres Alter
                                                                                          verkehr mit wechselnden Männern
 Anogenitale Warzen                                  Schlechte orale Hygiene
                                                                                          haben.
 Marihuana-Konsum
                                                                                          Tatsächlich sind hier wiederum überwie-
Tab. 1 Risikofaktoren für HPV-positive und HPV-negative Oropharynxkarzinome               gend HIV-positive Personen betroffen,

                                                                                                             HIV&more 2/2013       45
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