Verheißt alle Musik mit ihrem ersten Ton, was anders wäre ...

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Verheißt alle Musik mit ihrem ersten Ton, was anders wäre ...
Der »musikalische« Adorno

»Verheißt alle Musik mit ihrem
ersten Ton, was anders wäre ...«
                         Adorno und die Musik:
                         In der Brüchigkeit erscheint das Bild von Versöhnung

von Markus Fahlbusch

T h e o d o r W. A d o r n o w a r P h i l o s o p h , S o z i o l o -
g e , L i t e r a t u r k r i t i k e r, M u s i k t h e o r e t i k e r,
Komponist. Alle seine Tätigkeitsbereiche
a b e r d u r c h d r i n g e n s i c h i n s e i n e m We r k s o ,
dass es kaum möglich ist, einer solchen
Aufzählung eine verbindliche Reihenfolge
zu geben, und manch andere Zuschreibung
mag hinzutreten. Einem akademischen Be-
trieb, der sich in Ressorts und Zuständig-
keiten, in eine funktionierende Arbeitstei-
lung aufgliedern ließe, entspricht Adornos
We r k n i c h t . S e i n e Tr a n s d i s z i p l i n a r i t ä t e r -
schwert bis heute seine Aneignung und lässt
immer wieder wesentliche Erkenntnisse und
Impulse seines überaus motivreichen Den-
kens entgleiten. Der Stellenwert der Musik
i m We r k A d o r n o s j e d o c h – e t w a d i e H ä l f t e
der Gesammelten Schriften betrifft die
Kunst, davon vor allem die Musik – legt die
Ve r m u t u n g n a h e , d a s s d i e M u s i k d e n g e h e i -
men Fluchtpunkt seines Denkens bildet.

B
        ereits in den 1920er Jahren entfaltet Adorno ein
        überaus reiches Schrifttum zur Musik, schreibt
        Kritiken, Rezensionen, Aufsätze, offenbar lange
bevor er mit seiner Habilitationsschrift von 1932 »Kier-
kegaard, Konstruktion des Ästhetischen« und seiner
Antrittsvorlesung philosophisch hervortritt. Die Musik
ist die exemplarische Kunst seiner Philosophie des
Ästhetischen bis hin zur späten, posthum erschienenen
und unvollendet gebliebenen »Ästhetischen Theorie«.
Musikalische und philosophische Schriften befruchten
                                                                            Adorno am Klavier, 1967: Adorno ist zeitlebens ein leidenschaftlicher Musiker ge-
sich in Adornos Werk gegenseitig. Zur Musik kehrt
                                                                            blieben. Seine pianistische Ausbildung erhält er in Wien bei Eduard Steuermann. Es
Adorno in allen Phasen seines Lebens immer wieder                           wird berichtet, dass er sogar Lieder, sich selbst am Klavier begleitend, vortrug. Sein
zurück. Mit ihr verbindet ihn ein emphatisches Verhält-                     Flügel begleitet ihn in das amerikanische Exil wie ein Stück seiner europäischen Hei-
nis, zu ihr verfasst er maßgebliche und wirkungsmäch-                       mat und steht nach seiner Rückkehr in seiner Wohnung im Kettenhofweg, in unmit-
tige Schriften.                                                             telbarer Nähe zur Universität.

Forschung Frankfurt 3– 4/2003                                                                                                                                        37
Forschung intensiv

                        Adorno mit Mutter und Tante, um 1918         hunderts und Ausgangspunkt für seinen Kunstbegriff.
                        vor dem Gartenpavillon des »Hotels           Das musikalische Bildungsbürgertum, das Adorno in die
                        Post« in Amorbach: Die beiden musika-        Wiege gelegt ist und seine kulturelle Sozialisation mit-
                        lisch prägenden Frauengestalten seiner
                                                                     bestimmt, schließt neben dem häuslich geborgenen Kla-
                        Jugend nannte Adorno einmal seine
                        »zwei Mütter«: Maria Wiesengrund (links),
                                                                     vierspiel freilich auch Konzertwesen, Oper, Kunstlied,
                        seine Mutter, und Agathe Calvelli-           Kammermusik sowie die Werke ein, die er bei seinem
                        Adorno, seine Tante. In dieser von Musik     Violin- und Klavierunterricht studiert.
                        geprägten Welt spielte Adornos Vater,           Die frühen musikalischen Eindrücke führen bei
                        der Weinhändler Oscar Alexander Wie-         Adorno nicht nur zu einem Primat der Musik, sie sind
                        sengrund, offensichtlich keine Rolle. Die    auch verbunden mit einem Primat der Kindheit, wenn
                        fürsorgliche Geborgenheit seines Eltern-
                                                                     es um das philosophische Motiv von Glücksverspre-
                        hauses fördert die kritische Haltung des
                        hochbegabten Schülers gegenüber allen
                                                                     chen, Erlösung und Wahrheit geht: So heißt es von sei-
                        Kollektiven der »Außenwelt«, führt aber      nem zeitlebens verehrten Kompositionslehrer Alban
                        auch zu einem unerschütterlichen             Berg, dem er 1968 seine letzte größere musiktheoreti-
                        Selbstbewusstsein und zu äußersten An-       sche Arbeit widmet: »Unter den Exponenten der neuen
                        sprüchen an sich selbst.                     Musik hat er die ästhetische Kindheit, das goldene Buch
                                                                     der Musik, am wenigsten verdrängt.« /3/ Noch in der
                                                                     »Negativen Dialektik« werden im Schlussabschnitt
       Intime Erinnerung als                                         »Meditationen zur Metaphysik« die Namen von Dör-
                                                                     fern im Odenwald (siehe Beitrag »Ein Sohn aus gutem
       geschichtliche Erfahrung                                      Hause« Seite 44) zu Chiffren transzendenten Glücksver-
     Hartmut Scheible lässt seine intellektuelle Biografie           sprechens und zu Belegen für die »Möglichkeit meta-
     Adornos mit der 1933 geschriebenen Skizze »Vierhän-             physischer Erfahrung«. Nicht zuletzt diese Kindheitser-
     dig, noch einmal« /1/ beginnen, in der Adorno davon             lebnisse sind Hintergrund für Adornos Vorstellung, dass
     berichtet, wie seine Mutter und Tante sich beim häusli-         in jedem Kunstwerk eine »promesse du bonheur« ver-
     chen Musizieren die symphonische Literatur des 19. Jahr-        körpert sei.
     hunderts auf dem Klavier aneignen – während das des                Adorno begegnet in den 1920er Jahren der »neuen
     Lesens noch nicht mächtige Kind die Seiten umblättert.          Musik«, vermittelt unter anderem von Hermann Scher-
     Das Vierhändigspielen wird Adorno in späteren Jahren            chen, der ab 1922 Leiter der Frankfurter Museumskon-
     zu einer »Geste der Erinnerung« /2/ – dies aber nicht nur       zerte ist und das Frankfurter Musikleben fortschrittli-
     im persönlich-biografischen Sinne, sondern im Sinne             chen Tendenzen öffnet. 1924 wohnt Adorno der Auf-
     der Erinnerung der Moderne an das Vergangene, dessen            führung von Teilen der Oper »Wozzeck« Alban Bergs
     Verlust ebenso sehr schmerzt, wie das Neue mit ihm be-          bei und lernt den Komponisten bei dieser Gelegenheit
     wusst bricht. Adorno deutet hier eine private, fast inti-       auch persönlich kennen. Die neue Musik ist nach dem
     me Erinnerung als eine geschichtliche Erfahrung, als in-        Ersten Weltkrieg bereits in ihre zweite Entwicklungs-
     trospektiv gefundenes Zeichen für objektive geistige            phase eingetreten. Besonders an ihr entfalten sich seine
     Vorgänge.                                                       musikkritischen und musikphilosophischen Interessen.
        Die Erfahrungen der Kindheit sind auch später noch           Sein Denken geht immer von der künstlerischen Ge-
     Quelle für sein vorrangiges Interesse an der Musik des          genwart aus und sucht so den Begriff der Kunst zu ent-
     18. und 19. Jahrhunderts. Sie bilden den Hintergrund            wickeln. Bis in die späte »Ästhetische Theorie« hinein
     für die geschichtsphilosophische Reflexion des 20. Jahr-        lässt sich Adorno von dem erkenntnistheoretischen und
                                                                     methodischen Prinzip leiten, dass nur von den jüngsten
                                                                     Phänomenen her Licht auf das Frühere falle.
                        Der Dirigent Hermann Scherchen (1891 –
                        1966) wirkt in Frankfurt am Main von           Die neue Musik und die
                        1922 bis 1924 als Leiter der Sinfonie-
                        konzerte der Museums-Gesellschaft, er
                                                                       »Tendenz des Materials«
                        gründet den »A-capella-Chor 1923« und
                        leitet im selben Jahr die Frankfurter        Das bedeutendste Zeugnis für seine geschichtsphiloso-
                        Kammermusikwoche »Neue Musik«. Be-           phisch orientierte Betrachtung der Musik ist die 1949
                        sonders setzt er sich für die musikalische   erschienene »Philosophie der neuen Musik«. Sie ist ge-
                        Avantgarde ein: Er führt unter anderem       dacht als Exkurs zur »Dialektik der Aufklärung«, die ih-
                        Hindemith, Strawinsky, Schönberg, Berg       rerseits zum zentralen Text der späteren Kritischen
                        und Krenek auf und tritt auch publizis-      Theorie geworden ist. Die von Marx und Hegel beein-
                        tisch in der von ihm begründeten Halb-
                                                                     flusste »Philosophie der neuen Musik» weist Arnold
                        monatsschrift »Melos«, den »Musikblät-
                        tern des Anbruch« und im Frankfurter         Schönberg und seine Schule dem musikalischen Fort-
                        Sender hervor. Als Dirigent des Musik-       schritt, Igor Strawinsky der musikalischen Restauration
                        kollegiums Winterthur, ab 1923, zeich-       zu. Durch die eigentümliche Konzeption einer »Ten-
                        net er für zahlreiche Uraufführungen         denz des Materials« sucht Adorno diese Zuordnung zu
                        verantwortlich und wirkt an den Musik-       begründen. Er baut dabei auf Schönbergs Formel von
                        festen der Internationalen Gesellschaft      der »Emanzipation der Dissonanz« auf, die die Spreng-
                        für Neue Musik in Donaueschingen mit.
                                                                     kraft der modernen Harmonik bezeichnen und legiti-
                        Beim 54. Tonkünstlerfest des Allgemei-
                        nen Deutschen Musikvereins 1924 in           mieren sollte. Unter dem »Material« versteht Adorno
                        Frankfurt leitet er die Aufführung der       den Inbegriff der historisch überlieferten Mittel und
                        »Drei Bruchstücke aus Wozzeck« von Al-       Formen, denen ein Komponist objektiv gegenübersteht
                        ban Berg, der auch Adorno beiwohnt.          und denen er sich daher nicht entziehen kann. Alle spe-

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Der »musikalische« Adorno

zifischen Züge des Materials sind »Male des geschichtli-
chen Prozesses«/4/. Daher setzt sich der Komponist zu-
gleich immer auch mit der Gesellschaft auseinander:
»Desselben Ursprungs wie der gesellschaftliche Prozess
und stets wieder von dessen Spuren durchsetzt, ver-
läuft, was bloße Selbstbewegung des Materials dünkt,
im gleichen Sinne wie die reale Gesellschaft, noch wo
beide nichts mehr voneinander wissen und sich gegen-
seitig befehden. Daher ist die Auseinandersetzung des
Komponisten mit dem Material die mit der Gesellschaft,
gerade soweit diese ins Werk eingewandert ist und nicht
als bloß Äußerliches, Heteronomes, als Konsument oder
Opponent der Produktion gegenübersteht.« /5/
    Der Begriff des Materials ist zu einem zentralen Be-
griff in der Musikgeschichtsschreibung des 20. Jahrhun-
derts geworden. Er kann seine gleichsam materialisti-
sche Funktion nur dadurch einnehmen, dass Adorno
ihn gegen Ontologie einerseits und gegen eine subjek-
tiv-instrumentelle Auffassung künstlerischer Technik
andererseits abgrenzt. Das Ideal kompositorischer Sub-
jektivität ist es zu verwirklichen, was das Material von
sich aus will, dem »Triebleben der Klänge« nachzu-
spüren, statt verfügend über sie disponieren zu wollen.
Der Komponist verwirklicht nur auf diese Weise eine
Freiheit zum Objekt, die die Rationalität von Naturherr-
schung abgelegt hat.

   Rätselcharakter und Entfremdung
Zugleich aber bezeichnet Adorno die Entfremdung, in
die die Werke des 20. Jahrhunderts geraten. Ihr Gehalt
ist verschlüsselt. Sie enthalten eine Botschaft, die ihre
eigene Zeit niemals ganz entschleiern kann, für die die
Werke vielmehr einen unaufhebbaren »Rätselcharak-
ter« behalten. Adorno weist der neuen Musik dabei
eine unverhohlen religiöse Mission zu. »Die Schocks
des Unverständlichen, welche die künstlerische Technik
im Zeitalter ihrer Unverständlichkeit austeilt, schlagen
um. Sie erhellen die sinnlose Welt. Dem opfert sich die
neue Musik. Alle Dunkelheit und Schuld der Welt hat
sie auf sich genommen.«/6/ Diese Musik scheut es nicht,
unverstanden zu bleiben; sie scheut es nicht, ihrem ei-
gentlichen Gehalt nach eine »ungehörte Musik« zu
sein. Sie wendet sich insgeheim nicht mehr an die eige-
ne Zeit, sondern an eine unbestimmte, ferne Zukunft.
»Sie ist die wahre Flaschenpost.» /6/ Letzten Sinnes ist
ihre Entfremdung, ihre »Entstelltheit und Bedürftig-
keit« nur von einem Standpunkt aus zu verstehen, der
der geschichtlichen Zeit enthoben ist: dem »Standpunkt
der Erlösung«, von dem auch der berühmte Schluss-
aphorismus der »Minima moralia« spricht. /7/
    Die Beschäftigung mit Musik nimmt nicht nur in
Adornos frühem Werk den breitesten Raum ein. Sie
durchzieht sein gesamtes Werk: die grundlegenden
Beiträge für die Zeitschrift für Sozialforschung, die Zu-
sammenarbeit mit Hanns Eisler über Filmmusik, sein be-

Faksimile einer Partiturseite aus den sechs kurzen Orchester-
stücken, opus 4: Die zwischen 1925 und 1929 entstandenen
Orchesterstücke opus 4 stehen in der Tradition der luziden und
exakten Instrumentation der Wiener Schule. Wie sehr Adorno
auch sehr frühen eigenen Konzeptionen vertraut, beweist die
Tatsache, dass der erste Entwurf des sechsten Stückes sogar
auf das Jahr 1920 datiert. Die Stücke stellen eine Brücke dar
zwischen Frankfurt, wo Adorno bei Bernhard Sekles studiert,
und der Wiener Zeit bei Alban Berg.

Forschung Frankfurt 3– 4/2003                                                                39
Forschung intensiv

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                                                                    an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil, die nach
                                                                    dem Krieg sehr rasch zu einem Zentrum der europäischen
                                                                    Avantgarde in der Musik werden. 1946 von Wolfgang Steinecke
                                                                    (links) inauguriert, bieten sie den exponiertesten Komponisten
                                                                    und Interpreten aus aller Welt ein Forum. Sie sind verbunden
                                                                    mit Namen wie Boulez, Stockhausen, Varèse, Messiaen, Leibo-
                                                                    witz, Cage und vielen anderen. Ebenso wie Rudolf Kolisch
                                                                    (Mitte), der als Primus des Kolisch-Quartetts maßgeblich für
                                                                    die Aufführungsideale der Wiener Schule eintritt und zahlrei-
                                                                    che Werke Schönbergs, Bergs und Weberns zur Uraufführung
                                                                    bringt, ist Adorno ein wichtiger Mittler zwischen der Wiener
                                                                    Moderne und der neuen Musik nach dem Krieg. »Die Philoso-
                                                                    phie der neuen Musik« wurde auch von Musikern stark rezi-
                                                                    piert. Adorno nimmt zu den Entwicklungen der 1950er und
                                                                    1960er Jahre teils kritisch Stellung, teils veranlassen sie ihn
                                                                    zu philosophischen Aufsätzen, die sich unter neuen Bedingun-
                                                                    gen der Aufgabe einer »orientation ésthetique« stellen.

     ratender Einfluss auf Thomas Manns »Doktor Faustus«,           des gegenwärtigen Zeitalters beiträgt. Er enthält das ent-
     seine kritischen und strittigen Stellungnahmen, etwa zu        scheidende Motiv von Adornos zugleich soziologischer,
     Hindemith oder dem Jazz, die Teilnahme an den Darm-            philosophischer und musikologischer Betrachtung von
     städter Ferienkursen für neue Musik und die daraus             Musik: Musik ist nicht bloß immanent, kompositions-
     entstandenen Arbeiten, insbesondere die vielbeachtete          technisch zu behandeln und so der historischen Musik-
     Idee einer »musique informelle«, die Auseinanderset-           wissenschaft und Musiktheorie zu überlassen, sondern
     zung mit der Wiener Moderne und der Schule Arnold              in der musikalischen Struktur selbst sind gesellschaftli-
     Schönbergs, die Monographien über Wagner, Mahler               che und philosophische Fragen aufzunehmen. Musik,
     und Berg und das Fragment gebliebene Beethoven-                wie jede andere Kunst, ist selbst Philosophie, eine Philo-
     Buch, die Vorlesungen zur Musiksoziologie, die zahlrei-        sophie, die mit theoretischen Mitteln zu Bewusstsein
     chen Sammlungen, die unter musikalischen Titeln wie            gebracht werden will. Jedes Kunstwerk ist eine »ge-
     »Dissonanzen«, »Moments musicaux«, »Impromtus«,                schichtsphilosophische Sonnenuhr« /9/ und Ausdruck
     »Der getreue Korrepetitor« erscheinen.                         eines geschichtlich sich verändernden philosophischen
                                                                    Selbstbewusstseins. »Kunstwerke sind die bewusstlose
        Musik ist Philosophie                                       Geschichtsschreibung des geschichtlichen Wesens und
                                                                    Unwesens. Ihre Sprache verstehen und sie als solche
     Bereits im ersten Heft der Zeitschrift für Sozialforschung     Geschichtsschreibung lesen, ist das Gleiche. Der Weg
     schreibt Adorno den richtungsweisenden Aufsatz »Zur            dazu aber ist vorgezeichnet von der künstlerischen
     gesellschaftlichen Lage der Musik« /8/, durch den er zu        Technik, der Logik des Gebildes, seinem Gelingen oder
     Horkheimers Progamm einer umfassenden Erkenntnis               seiner Brüchigkeit.« /10/ In allen seinen Schriften zur

                         Adorno ist beratender Mitarbeiter Tho-
                         mas Manns bei der Abfassung seines
                         Künstlerromans »Doktor Faustus«. Die
                         Beethoven-Vorträge Wendell Kretschmars,
                         die Entwürfe für Leverkühns Spätwerk
                         und anderes, die Mann seinem Roman
                         inkorporierte, gehen aus den Gesprächen
                         mit Adorno hervor, der hierbei die glei-
                         chen Erwägungen anstellt, die er »als
                         Komponist angestellt hätte«. In der
                         berühmten Teufelsszene ist eine der Ver-
                         wandlungen als Porträt Adornos lesbar,
                         den Thomas Mann in seiner intellektuel-
                         len Schärfe, seinem kulturellen Pessi-
                         mismus, seinen Visionen zu einer poeti-
                         schen Figur transformiert.

                                                                    Thomas Manns Widmung in Adornos »Doktor Faustus«: »Dem
                                                                    Wirklichen Geheimen Rat in dankbarer Verbundenheit«. Mit
                                                                    dieser Titulierung bedankt sich Thomas Mann bei Adorno für
                                                                    seine Mitarbeit an dem Musikerroman. Mann, der bekennt,
                                                                    dass ihm im Bereich der musikalischen Technik die notwendige
                                                                    »Studiertheit« abgehe, bittet Adorno um »charakterisierende,
                                                                    realisierende Exaktheiten, die dem Leser ein plausibles, ja
                                                                    überzeugendes Bild geben«. Die Detailkenntnisse der musikali-
                                                                    schen »Geheimwissenschaft«, die ihm Adorno reichhaltig liefert,
                                                                    werden in den poetischen Kontext übertragen und verwandelt.

40                                                                                        Forschung Frankfurt 3– 4/2003
Der »musikalische« Adorno

                                                                                        Arnold Schönberg (1874 – 1951) ist einer der wichtigsten Ex-
                                                                                        ponenten der musikalischen Moderne vor dem Ersten Welt-
                                                                                        krieg. Vom Expressionismus dieser Zeit bleibt er auch später
                                                                                        geprägt. Anfang der 1920er Jahre entwickelt er die »Komposi-
                                                                                        tion mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen«, die die Mu-
                                                                                        sik des zwanzigsten Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst.
                                                                                        Adorno begegnet in ihm der führenden charismatischen Per-
                                                                                        sönlichkeit der Wiener Schule, zu der er mit seiner Übersied-
                                                                                        lung nach Wien 1925 hinzustößt. Schönberg wacht misstrau-
                                                                                        isch über die Originalität seiner Ideen, kompositorisch beson-
                                                                                        ders gegenüber Webern, in der Deutungshoheit unter anderem
                                                                                        gegenüber Adorno. Von seinem Berliner Lehrstuhl vertrieben,
                                                                                        emigriert Schönberg 1933 über Paris, wo er ein Bekenntnis
                                                                                        zum Judentum ablegt, in die USA, um als Sechzigjähriger ein
                                                                                        neues Leben zu beginnen. Nach Deutschland wird er bis zu
                                                                                        seinem Tode 1951 nicht mehr zurückkehren.

Der Komponist Alban Berg (1885 –            Auch mit Igor Strawinsky (1882 – 1971)
1935), um 1930 (oben): Adorno studier-      – hier 1931 als Dirigent des Orchesters
te, nach dem Abschluss seiner Disserta-     der Berliner Funkstunde – befasst sich
tion, ab 1925 bei Berg Komposition. Er      Adorno in einem speziellen Teil seiner
bleibt ihm kompositorisch stark ver-        »Philosophie der neuen Musik«. Er insis-
pflichtet. Bereits 1937, zwei Jahre nach    tiert darauf, dass dieser ebenso sorgfäl-
Bergs Tod, beteiligt er sich mit Werkana-   tig gelesen werde wie der über Schön-
lysen an der Berg-Monographie Willi         berg. Die Analyse der Musik Strawinskys
Reichs. Von der Kritik an der Zwölfton-     ist ein wichtiges Zeugnis der Rezeption
technik und ihren technischen Aporien       Sigmund Freuds, dessen Theorien Ador-
nimmt er Berg bis zu einem gewissen         no bis hin zu einer »Psychose in der
Grade aus, als habe er Scheu, den Leh-      Kunst« fruchtbar zu machen sucht. Von
rer einem zu scharfen intellektuellen Zu-   seiner Kritik nimmt er unter anderem die
griff auszusetzen.                          »Histoire du soldat« aus, ein Werk, mit
                                            dem sich Adorno bereits in den 1920er
                                            Jahren beschäftigt.

 Briefwechsel rund um »Doktor Faustus«
 Thomas Mann und Adorno nehmen in der Ent-                       Die Ausgabe ist informativ annotiert sowie mit einem
 stehungsphase des Musikerromans »Doktor Faustus«                Nachwort der Herausgeber und einem Register verse-
 einen intensiven Briefwechsel auf. Mann hatte Ador-             hen. Christoph Gödde vom Theodor W Adorno-Archiv
 nos Abhandlung »Schönberg und der Fortschritt« im               in Frankfurt edierte zusammen mit Henri Lonitz die
 Manuskript gelesen und wendet sich im Dezember                  Briefe Walter Benjamins, den Briefwechsel Adornos
 1945 an den in Kalifornien in unmittelbarer Nähe le-            mit Horkheimer
 benden Adorno mit der Bitte, ihn in Fragen der musi-            und mit Alfred
 kalisch-technischen Details zu beraten. Das Span-               Sohn-Rethel und
 nungsfeld von Moderne und Tradition, in dem Ador-               erhält zusammen
 nos Musikphilosophie steht, kommt Manns Intentio-               mit Henri Lonitz
 nen entgegen. Er nimmt von Adorno den »Begriff von              für seine archiva-
 modernster Musik« auf, dessen er für die Darstellung            rische Arbeit
 der »Situation der Kunst« bedarf. Er stellt ihm seine           2003 den Karl
                                                                                                                                    Theodor
 Arbeitsweise der »Montage« vor, die es ihm erlaubt,             Jaspers Förder-                                                    W. Adorno /
 Adornos schriftliche Entwürfe und gesprächsweise                preis der Stiftung                                                 Thomas Mann,
 Mitgeteiltes ihrer Substanz nach fast unverändert zu            Niedersachsen.                                                     Briefwechsel
 übernehmen.                                                     Thomas Sprecher                                                    1943 – 1955, her-
 Der Briefwechsel, der bis zu Manns Tod 1955 reicht, ist         ist Mitarbeiter                                                    ausgegeben von
 geprägt von Anteilnahme und Interesse an den Arbei-             am Thomas                                                          Christoph Gödde
                                                                                                                                    und Thomas Spre-
 ten des jeweils anderen und von großem persönlichen             Mann-Archiv in
                                                                                                                                    cher, Fischer
 Respekt. Beide berichten von dem Fortgang der eige-             Zürich und                                                         Taschenbuch Ver-
 nen Arbeiten, ihren Plänen, treten in die Diskussion            durch Heraus-                                                      lag, Frankfurt,
 von Fragen der Kunst und der politischen Entwicklun-            gebertätigkeit zu                                                  2003, ISBN
 gen ein – bis hin zur Frage der Rückkehr aus der Emi-           Thomas Mann                                                        3-596-15839-7,
 gration. Auch die persönlichen Verhältnisse kommen              und Karl Schmid                                                    192 Seiten,
 immer wieder vertrauensvoll zur Sprache.                        hervorgetreten.                                                    9,90 Euro.

Forschung Frankfurt 3– 4/2003                                                                                                                            41
Forschung intensiv

     Die »Philosophie                                                                ist. Hier sucht er ihrem Weltgehalt auf die Spur zu kom-
     der neuen Musik«                                                                men; das heißt den Momenten von gesellschaftlicher
     ist zu einem klas-                                                              Realität, der die Kunstwerke den Spiegel vorhalten.
     sischen Text der
                                                                                     Hier sucht er aber auch ihres Wahrheitsgehalts inne zu
     Musikästhetik und
     Musikgeschichts-
                                                                                     werden: die Kunstwerke im Lichte von Erlösung zu be-
     schreibung des                                                                  trachten, indem er sie als »Spiegelschrift ihres Gegen-
     zwanzigsten Jahr-                                                               teils« /7/ liest.
     hunderts gewor-
     den. Sie erscheint                                                                 »Dechiffrierung« nur im Dialog
     1949 in Tübingen
     und erreicht bis zu
                                                                                        der Disziplinen
     Adornos Tod zwei
     weitere Auflagen.
                                                                                     Für die Musikwissenschaft stellen diese Ansätze bis
     Neben dem Buch                                                                  heute eine Herausforderung und teilweise auch eine
     über Mahler von                                                                 Überforderung dar. Die Rezeption Adornos wurde nicht
     1960, das in die                                                                nur durch seinen essayistischen und aphoristischen Stil
     musikwissen-                                                                    und die außerordentliche Sprachkunst seiner Texte er-
     schaftliche Würdi-                                                              schwert sowie durch die Schwierigkeit, einen bündig re-
     gung Mahlers
                                                                                     ferierbaren Lehrgehalt aufzunehmen, sondern auch
     stark eingreift und
     die Wiederauf-
                                                                                     durch die Einbeziehung von Soziologie und philosophi-
     führungen seiner                                                                scher Logik, die die Musikwissenschaft gern den ent-
     Sinfonien mit her-                                                              sprechenden Nachbardisziplinen überlassen hätte. Die
     vorruft, zählt es zu                                                            Übersetzungsleistung, die »Dechiffrierung«, die eine
     den bedeutends-        Kunst, zu einzelnen Werken, Werkgruppen und dem          Philosophie der Musik konkret erbringen soll, kann
     ten Texten Ador-       Œuvre einzelner Komponisten hat Adorno diesen An-        aber nur gelingen, wenn es zu den Bereichen, die jen-
     nos zur Musik.
                            satz in konkreten Deutungen zu verwirklichen gesucht.    seits der Werke liegen und auf die sie sich beziehen,
                               Gerade in einem Bereich, in dem man meinen könn-      einen zweiten, theoretischen Zugang gibt und die daher
                            te, das Kunstwerk für sich selbst zu betrachten: der     von Anbeginn auf soziologische und philosophische
                            Technik, in den Begriffen seiner fachwissenschaftlich    Perspektiven nicht verzichten kann.
                            gefassten Analyse, gewahrt Adorno seine konstitutiven       In seinem Ansatz einer Musikphilosophie, die ihre
                            Beziehungen zu dem, was nicht mehr seinerseits Kunst     geschichtlichen und metaphysischen Deutungen aus
                                                                                     der kompositorischen Technik gewinnen will, geht
                                                                                     Adorno von dem musikgeschichtlich erreichten Stand
      »Musikalische Analyse und Kritische Theorie« –                                 der autonomen Musik aus, die sich von funktionalen
      Beitrag des Musikwissenschaftlichen Instituts                                  Zwecken in Kirche und Gesellschaft und von der Vokal-
      zur Internationalen Adorno-Konferenz                                           musik, deren Texte die Bedeutungsstruktur ihrer Verto-
                                                                                     nung entscheidend bestimmen, gelöst hat. Die so ge-
      In Zusammenarbeit mit dem Insti-        möglichst breit angelegte Vergegen-    nannte »absolute« Musik des 19. Jahrhunderts, ihre
      tut für Sozialforschung, der Stadt      wärtigung der Mittel sein, die Ador-   Symphonik und Kammermusik, bildete das Paradigma
      Frankfurt am Main und der Bürger-       no anwendet, um die Phänomena-         von Adornos Verständnis musikalischer Struktur. Er
      stiftung Frankfurt veranstaltet das     lität von Kunstwerken methodisch       greift daher die musikalische Formenlehre und Form-
      Musikwissenschaftliche Institut         einsichtig zu erschließen, ästheti-    theorie kritisch auf, die bereits das 19. Jahrhundert ent-
      zum 100. Geburtstag Theodor W.          sche Kategorien aus technischen        wickelte und in der es mit der Vorstellung vom Kunst-
      Adornos vom 28. bis 30. September       hervorgehen zu lassen, philosophi-     werk als einer in sich abgeschlossenen und keines
      im Frankfurter Holzhausen-Schlöss-      sche und soziologische Perspekti-      Äußeren bedürftigen Welt werkanalytisch ernst machte,
      chen eine Konferenz, zu der nam-        ven und Motive in der Sache selbst     und transformiert gerade diesen »Formalismus« zu
      hafte Wissenschaftler aus dem In-       zu verankern. Vorgesehen sind da-      einem Auskunftsmittel für das, was über die Werke und
      und Ausland gewonnen werden             her zwei sich ergänzende Herange-      über »das, was in ihnen der Fall ist«, hinausweist. Die-
      konnten. Sie trägt den Titel »Musi-     hensweisen: Zum einen die Frage        ser Ansatz wirkt auch in den Typus der Materialanalyse
      kalische Analyse und Kritische          des Verhältnisses von musikalischer    hinein, den insbesondere die »Philosophie der neuen
      Theorie«. Mit der Frage nach dem        Analyse und philosophischem Be-        Musik« repräsentiert, und in Adornos Wahrnehmung
      Stellenwert der musikalischen Ana-      griff, zum anderen Genese und Ge-      und Deutung von Phänomenen des musikalischen Aus-
      lyse in der Musikästhetik Adornos       schichte von Adornos analytischen      drucks, wie er sie unter anderem in der Monographie
      ist ein zentraler Aspekt ihrer Inter-   Verfahren, die sein musikästheti-      »Mahler – Eine musikalische Physiognomik« entfaltet.
      pretation in den Mittelpunkt der        sches Werk durchziehen.                   Der Formbegriff ist es insbesondere, durch den Ador-
      dreitägigen Konferenz gestellt. Da          Die Konferenz wird in Zusam-       no den Bogen vom musikalischen Denken zum philoso-
      die enge Beziehung von musikali-        menarbeit mit der Stadt Frankfurt      phischen Denken schlägt. Er vergleicht das autonome
      scher Erfahrung und philosophi-         ergänzt durch ein Rahmenpro-           Werk seiner formalen Struktur nach mit dem philosophi-
      schem sowie soziologischem Den-         gramm »Der Komponist Adorno«           schen System. Die Parallelisierung von Beethoven und
      ken bei Adorno etablierte Fach-         mit Konzerten am 26., 28. und          Hegel, die sich bei Adorno an vielen Stellen findet, ist
      grenzen in Frage stellt, ist das Sym-   29. September, jeweils 20 Uhr, im      von diesem Gedanken geleitet. Adorno fragt daher auch
      posion interdisziplinär angelegt und    Frankfurter Goethe-Museum,             in der Musik nach der Grenze der Immanenz des Den-
      bezieht Philosophie, Soziologie und     Großer Hirschgraben 23–25.             kens, nach Möglichkeit und Scheitern eines in sich ge-
      Musikwissenschaft mit ein.              Weitere Informationen:                 schlossenen Denkzusammenhangs, nach dem Charakter
      Aufgabe der Konferenz soll eine         www.uni-frankfurt.de/fb09/muwi/        identifizierenden Denkens. Indem Adorno in der Kunst
                                                                                     ein Bild des Nichtseienden erblickt und sucht, die Zei-

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Der »musikalische« Adorno

Adorno in seinem Musikzimmer in der
Yale Street, Santa Monica, im Frühjahr
1949: Die Jahre in Kalifornien sind im
Leben Adornos besonders fruchtbar.
Hier entstehen die »Dialektik der Auf-
klärung« (zusammen mit Max Horkhei-
mer), die »Philosophie der neuen Mu-
sik« und die »Minima moralia«, Werke,
die nach Adornos Rückkehr aus dem Exil
sein Ansehen begründen. Es schärft sich
die Vorstellung von künstlerischer Praxis
als Widerstand gegen Kulturindustrie.
Immer mehr gewinnt der Begriff der Mi-
mesis an Bedeutung, dessen Erfah-
rungsquellen bei Adorno in der Kunst
und im Musizieren liegen.

chen ihrer Zerrüttung, ihr Scheitern, ihre Wunde freilegt,           ihrem Leid und ihrer Brüchigkeit das Bild von Versöh-       Anmerkungen
wird ihm die Kunst zum Anwalt des Nichtidentischen.                  nung festzuhalten.                                          /1/ Hartmut
»Dadurch dass die Kunst ihrer eigenen Identität mit sich                 Die Frage nach Adornos Verhältnis zur Musik, kann,      Scheible: Theodor
folgt, macht sie dem Nichtidentischen sich gleich: das ist           wie es hier fragmentarisch versucht wird, nicht erörtert    W. Adorno. Mit
die gegenwärtige Stufe ihres mimetischen Wesens.« /11/               werden, ohne sich auf grundlegende kunsttheoretische        Selbstzeugnissen
   Die Ausdrucksqualitäten von Kunst und gerade auch                 Motive zu beziehen. Dem Denken Adornos wird nicht           und Bilddokumen-
                                                                                                                                 ten. Reinbek bei
der Musik gehen einerseits hervor aus der Abbildung                  gerecht, wer seine musikalischen Schriften bloß einzel-
                                                                                                                                 Hamburg, 1989,
einer als schmerzlich und unversöhnt erfahrenen gesell-              wissenschaftlich liest und ihn nur als Musikwissen-         S. 8. Vgl. Gesam-
schaftlichen Realität, sie sind »Bewusstsein von Nöten«.             schaftler rezipiert, obgleich ihm gerade auch auf diesem    melte Schriften 17,
Gleichzeitig aber liegt in der Kunst die Sehnsucht nach              Feld wesentliche Einsichten zu verdanken sind. Ador-        S. 303 ff.
der Aufhebung dieser »Nöte«, die in der Kunst nur zum                nos Schriften zeugen davon, wie außerordentlich inten-      /2/ Gesammelte
Ausdruck gebracht, nicht aber beseitigt werden können.               siv er sich lesend und musizierend mit Partituren aus-      Schriften 17, S. 305.
Selbst gesellschaftlich ohnmächtig, drückt Kunst daher               einandersetzt. Diese Intensität lässt ihn auch ganz un-     /3/ Gesammelte
auch die Sehnsucht nach der Aufhebung von Kunst                      scheinbare Einzelheiten und Momente entdecken, an
                                                                                                                                 Schriften 13, S. 334.
aus: die Sehnsucht danach, nicht mehr nötig zu sein.                 denen sich die Deutung entzündet.
                                                                                                                                 /4/ Gesammelte
Kunstwerke bescheiden sich nicht in bloßer Wiederga-                     Seine Monographie über Alban Berg beispielsweise
be, als hätten sie darin ihren Frieden, sondern suchen in            enthält ein Konzept, um nicht zu sagen eine Vision von      Schriften 12, S. 38.
                                                                     musikalischer Analyse, hinter deren Anspruch ihre zahl-     /5/ Gesammelte

                                                                     reichen Einzelanalysen zwar, wie Adorno selbst gesteht,     Schriften 12, S. 39 f.
                                                                     teilweise zurückbleiben, die aber gerade darum einen        /6/ Gesammelte
                                                                     wertvollen Anstoß darstellt. Durch seine zahlreichen        Schriften 12, S. 126.
 Der Autor                                                           Arbeiten zur zeitgenössischen Musik begründet Adorno        /7/ Gesammelte
                                                                     das Interesse der Musikwissenschaft an der Moderne          Schriften 4, S. 283.
                            Dr. Markus Fahlbusch, 39, ist seit       entscheidend mit, während die traditionelle Disziplin       /8/ Gesammelte
                            2002 wissenschaftlicher Assis-           sich rein historisch, vergangenheitswissenschaftlich ver-
                            tent am Musikwissenschaftlichen                                                                      Schriften 18,
                                                                     standen hatte. Er trägt zur Orientierung an der Kompo-      S. 729 ff.
                            Institut der Universität Frankfurt.
                                                                     sitionsgeschichte als einer Geschichte musikalischer
                            Er erhielt eine praktisch-musikali-                                                                  /9/ Gesammelte
                            sche Ausbildung an der Hoch-             Strukturen bei und bietet ein Vorbild für die Verbindung
                                                                                                                                 Schriften 11, S. 60.
                            schule für Musik und Darstellende        von Ästhetik und Analyse. Die Kategorien einer »mate-
                                                                                                                                 /10/ Gesammelte
                            Kunst Frankfurt und studierte von        rialen Formenlehre« in seinem Buch über Mahler, wie
                            1988 bis1994 Philosophie, Sozio-         »Durchbruch«, »Suspension«, »Erfüllung«, durch die          Schriften 13, S. 506.
                                              /1/ Hartmut
                            logie und Musikwissenschaft     in       Adorno die Defizite einer an starren Modellen orientier-    /11/ Gesammelte
                                              Scheible: Theodor
                            Frankfurt. Seine Magisterarbeit          ten musikalischen Formenlehre zu überwinden sucht,          Schriften 7, S. 202.
                                              W. Adorno.
 beschäftigte sich mit der Ästhetischen Theorie            Mit
                                                    Adornos,
                                              Selbstzeugnissen       sind noch immer nicht ausgeschöpft. Seine Wagnerkri-
 seine Dissertation galt dem II. Streichquartett  Arnold
                                              und Bilddokumen-
 Schönbergs sowie dem Konzept des musikalischen          Gedan-      tik bildet ein bleibendes Paradigma der Verbindung »mi-
                                              ten. Reinbek bei
 kens und seiner Darstellung. Seine Forschungstätigkeit      be-     krologischer« Partituranalyse mit Perspektiven einer his-
 trifft die Wiener Moderne, Musikästhetik und Hamburg,
                                                  Musikge-1989,      torischen Gesellschaftstheorie. Zu wünschen ist seinem
                                              S. 8. Vgl. Gesam-
 schichte des 20. Jahrhunderts, den Zusammenhang         von         überaus umfangreichen Schrifttum zur Musik, dass es
                                              melte Schriften
 Ästhetik und Analyse, die Geschichte musikalischer      Struk-17,   in interdisziplinärer Zusammenarbeit in seinen Vernet-
 turen, das systematische Verhältnis von MusikS. 303
                                                  undff.Sprache.     zungen erneut zum Gegenstand gemacht wird und
 Er arbeitet interdisziplinär und sucht das »Aufeinander-
                                              /2/ Gesammelte
                                                                     dabei weder seine musikologische Subtilität, noch seine
 verwiesensein« von Musik und Philosophie,Schriften
                                               für die das
                                                         17,Werk
                                                             S.
 Adornos in besonderem Maße einsteht, weiterzuverfolgen.             philosophische und soziologische Theoriebildung ge-
                                                                     scheut werden.                                         ◆

Forschung Frankfurt 3– 4/2003                                                                                                                             43
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