Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

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Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

                          Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu
                          Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr
                          im Ruhrgebiet 2050
                          Wie weit können ambitionierte und flächenhafte Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung im Personenverkehr im
                          Ruhrgebiet dazu beitragen, die Ziele von Energiewende und Klimaschutz in der Region bis 2050 zu erreichen?
                          Diese Frage wurde mit dem „Modell Ruhrgebiet“ mittels systematischer Forecasting-Szenarien untersucht. Mit
                          den Simulationsrechnungen können die Potenziale von integrierten Maßnahmen der Siedlungsentwicklung und
                          Verkehrsplanung zur Verkehrsverlagerung vom motorisierten Individualverkehr zum Umweltverbund identifiziert
                          werden. Die Ergebnisse zeigen, dass durch eine kombinierte Push- und Pullstrategie für den Modal Shift beacht-
                          liche Potenziale zur Verkehrsverlagerung und damit zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen erschlossen
                          werden können. Besonders wirksam sind restriktive Maßnahmen gegen den MIV. Die Ergebnisse verdeutlichen
                          eine unbequeme Wahrheit: Es ginge, wenn man wollte.
                          To what extent can ambitious and area-covering modal shift measures in passenger transport in the Ruhr Metropolitan Region
                          contribute to reaching the targets of energy transition and climate protection until 2050? This question was analyzed by systematic
                          forecasting scenarios in the “Modell Ruhr Region”. The simulated calculations identify the potentials of integrated urban and trans-
                          port planning measures for shifting motorized private passenger transport to the environmentally friendly modes of transport. The
                          results demonstrate that a combined push and pull strategy has the potential to significantly shift traffic and reduce greenhouse
                          gas emissions. Restrictive measures against car use are particularly effective. The results illustrate an inconvenient truth: We could
                          do it – if we wanted to.

    1 Aufgabe:                                         1,5 °C oberhalb des vorindustriellen Niveaus
      Klimaschutz und Verkehr                          zu begrenzen (COP21 2015). Das Pariser                     ■   Verfasser
                                                       Klimaschutzabkommen ist am 4.11.2016 in                    Prof. Dr.-Ing. Oscar Reutter
    Der Verkehrssektor verursacht in Deutsch-          Kraft getreten.                                            oscar.reutter@wupperinst.org
    land ca. 28 Prozent des gesamten Endener-          Für Deutschland verfolgt die Bundesregie-                  Dipl.-Geogr. Miriam Müller, M. A.
    gieverbrauchs (AGEB 2014, Stand 2013) und          rung dafür ihren Klimaschutzplan 2050                      miriam.mueller@wupperinst.org
    ca. 20 Prozent der energiebedingten Kohlen-        (BMUB 2016). Bis 2050 sollen die deutschen                 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
    dioxidemissionen (UBA 2016, Stand 2015).           Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Pro-                   Energie gGmbH
    Dabei sind die Haupttreiber im Verkehr der         zent vermindert werden und als Zwischen-                   Döppersberg 19
    Luftverkehr, der Straßengüterverkehr und                                                                      D-42103 Wuppertal
                                                       ziel bis 2030 um 55 Prozent – jeweils im
    Wirtschaftsverkehr mit Lkw und der moto-           Vergleich zum Basisjahr 1990. Für das                      Dr.-Ing. Björn Schwarze
    risierte Individualverkehr (MIV). Der Verkehr      Zieljahr 2030 hat sich die Bundesregierung                 bs@spiekermann-wegener.de
    ist darum gefordert, ebenfalls seinen Beitrag      erstmals auf differenzierte Sektorziele ver-
    zur Energiewende, d. h. dem entschlossenen                                                                    Dr.-Ing. Klaus Spiekermann
                                                       ständigt: Im Verkehrssektor sollen die Treib-              ks@spiekermann-wegener.de
    Ausstieg Deutschlands aus dem nuklearen            hausgasemissionen Deutschlands bis 2030
    und fossilen Energiesystem, und zur Errei-                                                                    Prof. Dr.-Ing. Michael Wegener
                                                       um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 ver-
    chung der internationalen Klimaschutzziele                                                                    mw@spiekermann-wegener.de
                                                       ringert werden (Bild 1).
    zu leisten.                                                                                                   Spiekermann & Wegener
                                                       Nordrhein-Westfalen will die Treibhausgas-                 Stadt- und Regionalforschung (S&W)
    Das globale Klimaschutzabkommen von                                                                           Lindemannstraße 10
                                                       emissionen des Landes gegenüber 1990 re-
    Paris 2015 hat Deutschland unterzeichnet                                                                      D-44137 Dortmund
                                                       duzieren: bis 2020 um 25 Prozent und bis
    und ratifiziert. 195 Staaten der Welt hatten
                                                       2050 um mindestens 80 Prozent (Klima-                      Prof. Dr.-Ing. Felix Huber
    sich auf der Klimakonferenz in Paris am 12.
                                                       schutzgesetz NRW 2013, § 3 Abs. 1).                        huber@uni-wuppertal.de
    Dezember 2015 erstmals in einem völker-
    rechtlich verbindlichen Abkommen zum               Das Ruhrgebiet als größter Ballungsraum                    Dipl.-Ing. Kristine Brosch
    Klimaschutz geeinigt: Sie wollen darauf            des Landes steht damit vor der anspruchs-                  brosch2@uni-wuppertal.de
    hinarbeiten, den Anstieg der globalen              vollen Aufgabe, seinen Beitrag zu den Kli-                 Bergische Universität Wuppertal –
    Durchschnittstemperatur deutlich unterhalb         maschutzzielen der Bundesregierung und                     Umweltverträgliche Infrastrukturplanung
                                                       des Landes NRW zu leisten und die Energie-                 Stadtbauwesen (LUIS)
    von 2 °C gegenüber dem vorindustriellen                                                                       Pauluskirchstraße 7
    Level zu halten und Anstrengungen zu               wende regional und lokal umzusetzen –                      D-42285 Wuppertal
    unternehmen, den Temperaturanstieg auf             auch im Verkehrsbereich.

                                                                                                                                      Straßenverkehrstechnik 1.2018       7

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PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

           Bild 1: Entwicklung der
           Treibhausgasemissionen in
           Deutschland insgesamt und
           im Verkehrsbereich sowie
           Minderungsziele der Bun-
           desregierung (1990–2050)
           (Bild: Oscar Reutter)

           Bild 2: Wegeanteile der
           Verkehrsmittel am Verkehrs-
           aufkommen im Ruhrgebiet                                                                    Großstädten heran. Es entstand ein kleintei-
           – Ausgangssituation 2012                                                                   liges, polyzentrales Raum- und Siedlungs-
           und Zielwerte 2035                                                                         gebilde in Gemengelage mit (kapital-)kon-
           (Bild: Miriam Müller)
                                                                                                      zentrierten Standorten der Industrie- und
                                                                                                      Energieproduktion in Großtechnologie
                                                                                                      (3.200 Zechen).
                                                                                                      Wie keine andere Region steht das Ruhrge-
                                                                                                      biet für die Verwirklichung des Leitbildes der
                                                                                                      „autogerechten Stadt“. Hier werden auf-
                                                                                                      grund des starken Ausbaus des Autobahn-
                                                                                                      netzes in den 1960er-Jahren und der jahr-
                                                                                                      zehntelangen Vernachlässigung des Schie-
                                                                                                      nennetzes heute viele Wege mit dem Auto
                                                                                                      zurückgelegt. Der Wegeanteil des motori-
                                                                                                      sierten Individualverkehrs (MIV) ist mit 53
                                                                                                      Prozent (Sagolla 2012) mehr als doppelt so
                                                                                                      hoch im Vergleich zu einem in einigen Stu-
           2 Ausgangslage:                               Die Region um die Ruhr hat mit der Indus-    dien (Wuppertal Institut 2013, Regionalver-
             Siedlungsstruktur und Verkehr               trialisierung eine Sonderentwicklung ge-     band Ruhr 2014, Wuppertal Institut 2015)
             im Ruhrgebiet                               nommen (vgl. Günter 2001, S. 19). Der        aus Nachhaltigkeitsperspektive vorgeschla-
                                                         Energieträger Kohle, seine Veredelung und    genen Ziel-Modal-Split mit einem Pkw-
           Das Ruhrgebiet ist mit mehr als fünf Milli-   Nutzung in energieintensiven Industriepro-   Anteil von 25 Prozent und jeweils 25 wei-
           onen Einwohnern in 53 Kommunen (Met-          duktionen haben diese Region geprägt. Die    teren Prozenten für den Fuß- und Radver-
           ropole Ruhr 2017, Stand 2014) einer der       Orte an den Kohlezechen und um die Fab-      kehr sowie den öffentlichen Personennah-
           größten Agglomerationsräume in Europa.        riken wuchsen binnen kürzester Zeit zu       verkehr (ÖPNV) (Bild 2).

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Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

        Karte 1: Das polyzentrische Ruhrgebiet: Einwohnerdichte (Bild: S&W:         Karte 2: Das polyzentrische Ruhrgebiet: Verkehrsnetz (Bild: S&W:
        Björn Schwarze, Klaus Spiekermann, Michael Wegener; Quelle: 15, S. 6)       Björn Schwarze, Klaus Spiekermann, Michael Wegener; Quelle: 15, S. 6)

    Andererseits hat die polyzentrische Stadtre-             rungen der Energiewende und des Klima-           – Integriertes Modell Ruhrgebiet und Regi-
    gion Ruhrgebiet (Karte 1) mit seinem eng-                wandels entsprechendes Stadtentwicklungs-        onaler Modal Shift“ (Schwarze et al. 2017)
    maschigen Verkehrsnetz (Karte 2) das Po-                 und Verkehrskonzept.                             in dem von der Stiftung Mercator geförder-
    tenzial für eine innere Reorganisation, die                                                               ten „Rahmenprogramm zur Umsetzung der
    zu kürzeren Wegen zwischen den Daseins-                                                                   Energiewende in den Kommunen des Ruhr-
    grundfunktionen führt.                                   3 Untersuchungsziel:                             gebiets“ (ausführlich: www.energiewende-
    Siedlungsstruktur und Verkehrsnetz des                     Szenarioanalysen zum Modal Shift               ruhr.de) durchgeführt. Darin wurde die
    Ruhrgebiets bieten damit prinzipiell gute                                                                 Frage untersucht: Wie können die Klima-
    Voraussetzungen für eine klimafreundliche                Vor diesem Hintergrund wurde in den Jah-         schutzziele im Ruhrgebiet erreicht werden?
    Mobilität im Umweltverbund. Bislang fehlt                ren 2013 bis 2016 das Forschungsprojekt          Dazu wurden mit szenarienbasierten ex-
    allerdings ein integriertes und den Anforde-             „Städte und Klimawandel: Ruhrgebiet 2050         ante-Wirkungsanalysen die Klimaschutzpo-

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                                                                                                                                       Straßenverkehrstechnik 1.2018       9

07-18_SVT_1-2018.indd 9                                                                                                                                            16.01.18 14:48
Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

           Foto 1: Dortmund                                                                      tenziale flächenhafter und ambitionierter
           – Die Stadtzufahrt-                                                                   Maßnahmen einer integrierten Stadt- und
           West der A 40 –
           vormals B 1                                                                           Verkehrsplanung im Ruhrgebiet abgeschätzt.
           (Urheber: Dmitrij                                                                     Ziel des Teilprojektes „Regionaler Modal
           Rodionov, DR
           (2012) – Eigenes                                                                      Shift“ war es, die Verlagerungspotenziale
           Werk, CC BY-SA 3.0,                                                                   (Modal Shift) von Wegeanteilen mit dem
           https://commons.                                                                      motorisierten Individualverkehr (MIV) hin
           wikimedia.org/w/
           index.php?curid=                                                                      zum Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV, Car-
           19820101)                                                                             sharing) im regionalen Personenverkehr des
                                                                                                 Ruhrgebiets und die damit erschließbaren
                                                                                                 CO2-Einsparpotenziale zu analysieren. Hier-
                                                                                                 zu wurden vom Wuppertal Institut in enger
                                                                                                 Zusammenarbeit mit Spiekermann & Wege-
                                                                                                 ner Stadt- und Regionalforschung (S&W)
           Foto 2: Duisburg:
           Tiger and Turtle am                                                                   und mit LUIS Umweltverträgliche Infra-
           Magic Mountain                                                                        strukturplanung, Stadtbauwesen der Bergi-
           auf der Heinrich-                                                                     schen Universität Wuppertal Maßnahmen
           Hildebrand-Höhe
           im Angerpark – Das                                                                    für Push- und Pullstrategien zur Verkehrs-
           Ruhrgebiet im Gro-                                                                    verlagerung im Personenverkehr erarbeitet.
           ßen und im Kleinen                                                                    Durch Abbildung der Maßnahmen im „Mo-
           (Urheberin: Kristine
           Brosch 2014)                                                                          dell Ruhrgebiet“ von S&W wurden die
                                                                                                 Verkehrsverlagerungspotenziale dieser Maß-
                                                                                                 nahmen und ihre erzielbaren Einspareffekte
                                                                                                 in Bezug auf Energieverbrauch und Kohlen-
                                                                                                 dioxidemissionen für den Zeitraum 1990 bis
                                                                                                 2050 abgeschätzt.

                                                                                                 4 Methode:
           Foto 3: Bottrop:                                                                        Simulationsmodell Ruhrgebiet
           Ein Blick vom Tetra-
           eder – Das Ruhrge-
           biet zwischen Grau                                                                    Die Methode bestand in der Entwicklung
           und Grün
           (Urheberin: Kristine                                                                  und Anwendung eines integrierten Modell-
           Brosch 2014)                                                                          systems, dem „Modell Ruhrgebiet“, mit dem
                                                                                                 die Auswirkungen von Handlungsansätzen
                                                                                                 zur Reduzierung des Energieverbrauchs und
                                                                                                 von Treibhausgasemissionen in Stadtregio-
                                                                                                 nen bis zum Jahr 2050 abgeschätzt und
                                                                                                 bewertet werden können.
                                                                                                 Das „Modell Ruhrgebiet“ ist ein Simulati-
                                                                                                 onsmodell intraregionaler Standortwahl-
                                                                                                 und Mobilitätsentscheidungen in einer
                                                                                                 Stadtregion (für eine detaillierte Beschrei-
                                                                                                 bung siehe Wegener 2011). Der Prozess der
           Foto 4: Oberhau-                                                                      Siedlungsentwicklung wird als ein Teilpro-
           sen-Eisenheim: Eine
           klassische Ruhrge-                                                                    zess der gesellschaftlichen Entwicklung
           bietssiedlung                                                                         verstanden, in dem öffentliche und private
           (Urheber: Rainer                                                                      Akteure in Verfolgung ihrer jeweils unter-
           Halama – Eigenes
           Werk (2010), CC                                                                       schiedlichen Ziele zusammenwirken. Mit
           BY-SA 3.0, https://                                                                   Annahmen über das Verhalten der privaten
           commons.wikime
           dia.org/w/index.
                                                                                                 Akteure auf Grundlage handlungstheoreti-
           php?curid=9800269)                                                                    scher und sozialpsychologischer Theoriean-
                                                                                                 sätze werden die für die räumliche Stadtent-
                                                                                                 wicklung relevanten Standortwahl- und
                                                                                                 Mobilitätsentscheidungen im Modell abge-
                                                                                                 bildet. Die modellierten Wirkungszusam-
                                                                                                 menhänge folgen dem Regelkreis „Sied-
                                                                                                 lungsentwicklung und Verkehr“ (land-use

 10        Straßenverkehrstechnik 1.2018

07-18_SVT_1-2018.indd 10                                                                                                               16.01.18 14:48
Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

    transport feedback cycle) (Wegener 1999,                                                                                  Bild 3: Regelkreis
    Bild 3).                                                                                                                  Siedlungsentwick-
                                                                                                                              lung und Verkehr
    Für die Abbildung von täglichen Mobilitäts-                                                                               (Quelle: Michael
    entscheidungen wird auf Basis der Raum-                                                                                   Wegener 1999)
    Zeit-Geografie angenommen, dass Men-
    schen ihr Leben in ihrem jeweiligen Akti-
    onsraum räumlich organisieren (Hägerstrand
    1970). Der Aktionsraum eines Individuums
    ist die Menge der ihm infolge seines Alters,
    seines Einkommens, seines Wohnorts und
    anderer Bestimmungsgrößen zur Verfügung
    stehenden räumlichen Gelegenheiten. Der
    Aktionsraum wird durch verschiedene Arten
    von Restriktionen eingeschränkt: Bei den
    täglichen Mobilitätsentscheidungen sind
    Geld- und Zeitbudgets die wichtigsten Res-
    triktionen.
                                                                                                                              Foto 5: Dortmund:
    Das Modell erhält seine räumliche Dimensi-                                                                                Autoorientierte
    on durch die Einteilung der Untersuchungs-                                                                                Verkehrswelt im
    region in Zonen, die untereinander durch                                                                                  Ruhrgebiet (1)
                                                                                                                              (Urheber: Kampag-
    Verkehrsnetze verbunden sind. Die Ver-                                                                                    ne „Kopf an. Motor
    kehrsnetze enthalten die wichtigsten Verbin-                                                                              aus.“ 2009)
    dungen des öffentlichen Nahverkehrs und
    des Straßennetzes in Form eines integrierten
    multimodalen Netzes einschließlich von
    Fußwege- und Radfahrverbindungen und
    aller Netzänderungen der Vergangenheit
    und Zukunft. Das Modell erhält seine zeitli-
    che Dimension dadurch, dass die Zeit in
    Perioden von einem oder mehreren Jahren
    eingeteilt wird.
    Das ursprünglich am Institut für Raumpla-                                                                                 Foto 6: Dortmund:
    nung der Universität Dortmund entwickelte                                                                                 Autoorientierte
    Modell (IRPUD-Modell) wurde bisher in                                                                                     Verkehrswelt im
                                                                                                                              Ruhrgebiet (2)
    mehreren Projekten für die Stadtregion                                                                                    (Urheber: Kampag-
    Dortmund angewendet (Lautso u. a. 2004;                                                                                   ne „Kopf an. Motor
    Spiekermann und Wegener 2005; Beckmann                                                                                    aus.“ 2009)
    u. a. 2007; Fiorello u. a. 2007). In dem die-
    sem Fachbeitrag zugrunde liegenden Projekt
    zur Energiewende Ruhr wurde es räumlich,
    zeitlich und inhaltlich zum „Modell Ruhr-
    gebiet“ erweitert. Dies umfasst die Ausdeh-
    nung des Untersuchungsgebiets auf das
    gesamte Gebiet des Regionalverbands Ruhr,
    eingeteilt in 687 Zonen (Karte 3) sowie zu-
    sätzlich 134 externen Zonen (Karte 4), die
    Erweiterung des Betrachtungszeitraums auf
    den Zeitraum 1990 bis 2050, und die Ent-
    wicklung neuer Teilmodelle zur Gebäude-         − die aus ihnen resultierenden Wanderun-       teme und der Wechselwirkungen zwischen
    energie im Flächennutzungsteil und zum            gen und Verkehrsströme,                      ihnen und den wichtigsten Planungsmaß-
    Radverkehr und zur Elektromobilität im                                                         nahmen, deren Wirkungen mit dem Modell
                                                    − die Entwicklung der Bautätigkeit und
    Verkehrsteil des Modells.                                                                      untersucht werden können.
                                                      Flächennutzung und die
    Das Modell Ruhrgebiet prognostiziert für                                                       Die vier Quadrate in den Ecken des Dia-
    jede Simulationsperiode zwischen 1990 und       − Wirkung öffentlicher Planungseingriffe in
                                                                                                   gramms zeigen die hauptsächlichen Be-
    2050:                                             den Bereichen Wirtschaftsförderung,
                                                                                                   standsgrößen des Modells: Bevölkerung,
    − intraregionale Standortentscheidungen           Wohnen, Infrastruktur und Verkehr.           Arbeitsplätze, Wohnungen und Nichtwohn-
      von Unternehmen, Wohnungsbauinves-            Bild 4 ist eine schematische Darstellung der   gebäude (Industrie- und Gewerbegebäude
      toren und Haushalten,                         wichtigsten im Modell abgebildeten Teilsys-    und öffentliche Einrichtungen). Die roten

                                                                                                                      Straßenverkehrstechnik 1.2018       11

07-18_SVT_1-2018.indd 11                                                                                                                           16.01.18 14:48
Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

           Karte 3: Die 687 internen Zonen des Modells Ruhrgebiet (Bild: S&W:             Karte 4: Die 134 externen Zonen (Gemeinden) des Modells Ruhrgebiet (Bild: S&W:
           Björn Schwarze, Klaus Spiekermann, Michael Wegener; Quelle: 15, S. 17)         Björn Schwarze, Klaus Spiekermann, Michael Wegener; Quelle: 15, S.17)

           Ellipsen zeigen die wichtigsten Quellen von              − dem Wohnungsmarkt (Zuwanderung,                  Teilmodelle Verkehr, Altern, Öffentliche
           Energieverbrauch und CO2-Emissionen.                        Abwanderung, Einzüge und Umzüge),               Maßnahmen, Private Bautätigkeit, Arbeits-
           Die Akteure, die diesen Bestandsgrößen                   − dem Bau- und Bodenmarkt (Neubau,                 platzwechsel und Wohnungsmarkt.
           entsprechen, sind Individuen, Haushalte,                    Modernisierung und Abriss) und                  Mit dem Modell wurden verschiedene Sze-
           Beschäftigte, Unternehmen und Bauinves-                  − dem Verkehrsmarkt (Ortsveränderungen             narien der Entwicklung des Ruhrgebiets bis
           toren. Diese Akteure interagieren auf fünf                  und ihre Folgen, d. h. Erreichbarkeit,          zum Jahr 2050 bei unterschiedlichen An-
           Teilmärkten der Stadtentwicklung:                           Staus, Unfälle, Lärm, Energieverbrauch          nahmen über die Entwicklung der äußeren
                                                                       und Kohlendioxidemissionen).                    Rahmenbedingungen und möglicher Pla-
           − dem Arbeitsmarkt (Einstellungen und                                                                       nungsmaßnahmen in einem Forecasting-
                                                                    Das Modell Ruhrgebiet hat eine modulare
             Entlassungen),                                                                                            Szenario-Ansatz (Leitfrage: Was wäre
                                                                    Struktur und besteht aus sechs eng mitein-
           − dem Markt für Nichtwohngebäude (Be-                    ander verknüpften Teilmodellen, die in zyk-        wenn?) analysiert. Szenarien sind keine
             triebsansiedlungen, Betriebsverlagerun-                lischer Abfolge auf eine gemeinsame raum-          Prognosen, sondern Darstellungen mögli-
             gen und Betriebsschließungen),                         zeitliche Datenbasis einwirken. Dies sind die      cher Zukünfte unter der Annahme unter-
                                                                                                                       schiedlicher Rahmenbedingungen und po-
                                                                                                                       litischer Maßnahmen. Szenarien dienen der
           Bild 4: Das inte-                                                                                           systematischen Erkundung künftiger Ent-
           grierte Modell                                                                                              wicklungsmöglichkeiten, um in deren
           Ruhrgebiet
           (Bild: S&W: Björn                                                                                           Kenntnis in der Praxis politisch-planerische
           Schwarze, Klaus                                                                                             Entscheidungen über die zu ergreifenden
           Spiekermann, Mi-                                                                                            Maßnahmen treffen zu können. Szenarien
           chael Wegener;
           Quelle: 15, S. 13)                                                                                          müssen nicht realistisch im Sinne prakti-
                                                                                                                       scher Durchführbarkeit sein. Auch visionäre
                                                                                                                       Szenarien können zur Anregung der Diskus-
                                                                                                                       sion nützlich sein.
                                                                                                                       In allen Anwendungen ist der erste Simula-
                                                                                                                       tionslauf das sogenannte Basis- oder Refe-
                                                                                                                       renzszenario. Das Basisszenario dient als
                                                                                                                       Vergleichsbasis für alle simulierten Szenari-
                                                                                                                       en. Es ist definiert als die wahrscheinlichste
                                                                                                                       Entwicklung der Region, die eintreten wür-
                                                                                                                       de, wenn alle heutigen Trends während des
                                                                                                                       gesamten Prognosezeitraums gleich bleiben
                                                                                                                       würden (Business-as-usual-Szenario). Das
                                                                                                                       bedeutet nicht, dass im Basisszenario keine
                                                                                                                       Planungsmaßnahmen durchgeführt werden;
                                                                                                                       vielmehr umfasst es alle Maßnahmen, die
                                                                                                                       sich bereits in der Ausführung befinden oder
                                                                                                                       bereits beschlossen sind.
                                                                                                                       Maßnahmenszenarien sind Simulationsläu-
                                                                                                                       fe, in denen die Auswirkungen von Politik-
                                                                                                                       oder Planungsmaßnahmen untersucht wer-
                                                                                                                       den.

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Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

    5 Annahmen: Maßnahmenszenarien
                                                    Handlungs-           Maßnahmen und Annahmen der Maßnahmen
                                                    felder
    In dem Forschungsprojekt wurden Maßnah-
    men in den Handlungsfeldern Siedlungsent-       0 Basis-
                                                                         Alle gegenwärtigen Maßnahmen werden fortgeführt.
    wicklung und Verkehrsplanung entwickelt           szenario
    und im Szenariomodell simuliert.                1 Flächen-           11 Verdichtung an Siedlungsschwerpunkten
                                                      nutzung            12 Verdichtung an Haltepunkten des SPNV: neue Bebauung nur in Zonen in
    Bei den Maßnahmen zur Siedlungsentwick-
                                                                            fußläufiger Entfernung zu einem Bahnhof oder einer Stadtbahn-Haltestelle
    lung wurden drei verschiedene Möglichkei-                            13 Verdichtung an Bahnhöfen: neue Bebauung nur in Zonen mit Bahnhof
    ten szenarioanalytisch untersucht, mit de-                           14 Verdichtung in Oberzentren: neue Bebauung nur in den Innenstädten mit
    nen das Verkehrsaufkommen, der Verkehrs-                                einem 10-km-Umkreis von Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen und Hagen
    aufwand und der damit verbundene Ener-          2 Woh-               23 Wohnungsbau an Bahnhöfen: Bau von jährlich 13.000 Wohnungen des
    gieverbrauch und die Kohlendioxidemissio-         nungsbau              sozialen Wohnungsbaus in Zonen mit S-Bahnstationen
    nen im Ruhrgebiet beeinflusst werden
                                                    3 Energie-           31 Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden: Erhöhung der
    können:
                                                      effizienz             Subventionen für energetische Gebäudesanierungen ab 2020 von 10 auf 50
    1) Rückkehr zu verdichteten, durchmischten                              Prozent der Baukosten
       Siedlungsformen durch Beschränkung                                32 Förderung der Elektromobilität: Erhöhung der Subventionen für den Kauf
       einer weiteren Zersiedlung des Umlands,                              von Elektro-Pkw (nur „battery electric vehicle“, BEV) ab 2020 auf
                                                                            33 Prozent des Kaufpreises. Öffentliche Finanzierung des Baus von
    2) Anreize für eine Annäherung von Wohn-
                                                                            Schnellladestationen in innerstädtischen Zonen ab 2020
       und Arbeitsplatzstandorten,
                                                                         33 Flächenhaftes Carsharing: Erhöhung des Carsharing-Pkw-Angebotes auf 2
    3) Anreize für energetische Modernisierun-                              Fahrzeuge je 1.000 Einwohner im Jahr 2020, 3 Pkw/1.000 Einwohner im
       gen.                                                                 Jahr 2030 und 4 Pkw/1.000 Einwohner im Jahr 2040
    Bei den Maßnahmen zur Verkehrsverlage-                               34 Reduzierung des Treibstoffverbrauchs: Reduzierung des mittleren
                                                                            Pkw-Treibstoffverbrauchs bis 2050 von 8,0 Liter je 100 km 2020 auf
    rung wurden sowohl Pull- als auch Push-
                                                                            3,0 Liter je 100 km (anstatt 6,7 Liter je 100 km wie im Basisszenario)
    Maßnahmen entwickelt und modelliert:
                                                    4 Pkw-               41 Regionale Maut Ruhrgebiet: Erhöhung der monatlichen Haltungskosten
    1) Pull-Maßnahmen zielen darauf ab, die           Verkehr               aller Pkw im Ruhrgebiet um 75 Euro im Jahr 2020 und Steigerung auf
       umweltfreundliche Mobilität mit dem            (Push)                138 Euro im Jahr 2050
       Umweltverbund und Carsharing attrakti-                            42 Umverteilung von Straßenraum auf Hauptverkehrsstraßen:
       ver zu machen, z. B. durch Verbesserung                              Ab 2020 werden alle sechsspurigen Straßen auf vier Fahrspuren und alle
       des Angebots, günstigere Fahrpreise im                               vierspurigen Straßen auf zwei Fahrspuren reduziert. Im Jahr 2030 werden
       ÖPNV oder den Ausbau des Rad- und                                    alle verbliebenen vierspurigen Straßen auf zwei Fahrspuren reduziert.
       Fußwegenetzes.                                                    43 Flächenhafte Tempolimits: Ab 2020 werden die Höchstgeschwindigkeiten
    2) Push-Maßnahmen wirken restriktiv gegen                               aller Straßen wie folgt abgesenkt:
                                                                            Autobahnen 80 km/h, Schnellstraßen: 60 km/h, sonstige Straßen: 30 km/h
       den Autoverkehr, z. B. durch höhere Kos-
                                                                         44 Erhöhung der Parkgebühren: Schrittweise Erhöhung der innerstädtischen
       ten, geringere Geschwindigkeiten oder
                                                                            Parkgebühren ab 2020, sodass sie im Jahr 2050 viermal so hoch sind
       Parkraumbeschränkungen.
                                                    5 ÖPNV               51 Ausbau des ÖPNV: Ergänzung des Stadtbahnnetzes um neue Straßenbah-
    Bei den entwickelten Modal-Shift-Maßnah-          (Pull)                nen, orientiert an der Ausdehnung der historischen Straßenbahnnetze in
    men handelt es sich bewusst um grundsätz-                               den 1950er- und 1960er-Jahren
    lich bekannte Strategien der Verkehrspla-                            52 Taktverdichtung im ÖPNV: Schrittweise Erhöhung der Frequenzen aller
    nung, wie z. B. Tempolimits, Taktverdich-                               Nahverkehrszüge, S-Bahnen, U-Bahnen und Busse ab 2020, sodass sie im
    tung im ÖPNV und eine umfassende Förde-                                 Jahr 2050 viermal so hoch sind
    rung des Fuß- und Radverkehrs. Aber auch                             53 Einführung eines Bürgertickets: Umlage je Haushalt von 75 Euro im
    innovative Maßnahmen sind Teil des Maß-                                 Jahr 2020 und Steigerung auf 138 Euro im Jahr 2050. Dafür ist die
    nahmenportfolios, wie z. B. die Einführung                              Benutzung des ÖPNV ab 2020 fahrtkostenfrei
    einer regionalen Maut Ruhrgebiet und eines      6 Radver-            61 Systembeschleunigung Radverkehr: Alle Streckengeschwindigkeiten im
    regionalen Bürgertickets für das Ruhrgebiet.      kehr (Pull)           gesamten Radverkehrsnetz werden ab 2020 schrittweise erhöht, sodass sie
    Darüber hinaus wurden Maßnahmen zur                                     im Jahr 2050 um 30 Prozent schneller sind als 2020
    Steigerung der Energieeffizienz entwickelt                           62 Radschnellwegenetz: Aufbau eines Radschnellwegenetzes Ruhr mit 20
    und modelliert.                                                         km/h auf insgesamt vier Ost-West-Strecken und acht Nord-Süd-Strecken

    Tabelle 1 gibt einen Überblick über die ent-    7 Fußverkehr 71 Systembeschleunigung Fußverkehr: Alle Fußwege werden ab 2020 durch
                                                      (Pull)        verbesserte Direktverbindungen schrittweise so verkürzt, dass sie im Jahr
    wickelten Maßnahmen und die zugrunde
                                                                    2050 im Durchschnitt 20 Prozent kürzer sind als im Jahr 2020
    liegenden Annahmen. Grundlegend für die
    im Projekt entwickelten und modellierten        8 Integrierte
                                                                         Unterschiedliche Kombinationen der Maßnahmen
    Maßnahmen ist, dass diese im Handlungs-           Strategien
    bereich regionaler Akteure liegen und am-      Tabelle 1: Analysierte Szenarien: Handlungsfelder, Maßnahmen und Annahmen der Maßnahmen
    bitioniert und flächenhaft im gesamten         (Quelle: 15, S. 19)
    Ruhrgebiet umgesetzt werden.

                                                                                                                              Straßenverkehrstechnik 1.2018      13

07-18_SVT_1-2018.indd 13                                                                                                                                  16.01.18 14:48
Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

                                                                                                            Alle Maßnahmen wurden mit zwei verschie-
            Kombinationsszenarien Maßnahmen                                                                 denen Annahmen über die Entwicklung der
            Siedlungsentwicklung           13 Verdichtung an Bahnhöfen                                      Treibstoffpreissteigerungen modelliert (A-
                                           23 Wohnungsbau an Bahnhöfen                                      Szenarien: + 1 Prozent pro Jahr; B-Szena-
                                                                                                            rien: + 4 Prozent pro Jahr).
            Energieeffizienz               31 Gebäudeenergie              33 Carsharing                     Die getroffenen Annahmen der Maßnahmen
                                           32 Elektromobilität            34 Treibstoffverbrauch            basieren auf bestehenden Daten und Studien-
                                                                                                            ergebnissen (ausführlich: Schwarze et al.
            Pkw-Verkehr (Push)             41 Regionale Maut              43 Tempolimits                    2017). So orientiert sich beispielsweise die
                                           42 Hauptverkehrsstraßen        44 Erhöhung Parkgebühren          Annahme zum Carsharing-Angebot im Jahr
                                                                                                            2020 von 2 Pkw je 1.000 Einwohnern an der
            ÖPNV/Rad/Fuß (Pull)            51 Ausbau ÖPNV                 61 Systembeschleunigung Rad       „Carsharing-Hauptstadt“ Karlsruhe, wo es
                                           52 Taktverdichtung ÖPNV        62 Radschnellwegenetz             2015 bereits 2,15 Pkw je 1.000 Einwohnern
                                           53 Bürgerticket                71 Systembeschleunigung Fußwege   gibt (BCS 2015). Und die Annahmen zum
                                                                                                            Bürgerticket basieren auf der Modellrech-
            Alle Maßnahmen                 Alle Maßnahmen                                                   nung einer aktuellen Dissertation, bei der
                                                                                                            ein Bürgerticket in Wuppertal, je nach kon-
            Auswahl Maßnahmen              Alle Maßnahmen außer 23 und 52                                   kreter Ausgestaltung, monatlich zwischen
                                                                                                            42 und 82 Euro je Haushalt kosten würde
           Tabelle 2: Maßnahmenkombinationen der sechs integrierten Strategien (Quelle: 15, S. 26)          (Waluga 2017, 197).
           Bild 5: Wirkungen der                                                                            Zusätzlich zu den Einzelmaßnahmen wur-
           Energieeffizienz-Maßnahmen                                                                       den integrierte Strategien entwickelt, bei
           im Ruhrgebiet im Jahr 2050
           (Quelle: 15, S. 37)
                                                                                                            denen verschiedene Kombinationen mehre-
                                                                                                            rer Maßnahmen modelliert wurden (Tabelle
                                                                                                            2).

                                                                                                            6 Ergebnisse: Szenarioanalysen

                                                                                                            Die Bilder 5 bis 10 verdeutlichen die quan-
                                                                                                            titativen Simulationsergebnisse für die un-
                                                                                                            terschiedlichen Szenarien. Die Bilder 5 bis 9
                                                                                                            veranschaulichen den Zusammenhang zwi-
                                                                                                            schen Modal Shift (dargestellt ist der jewei-
                                                                                                            lige prozentuale Anteil der Pkw-Fahrten an
                                                                                                            allen Wegen) und die daraus resultierenden
                                                                                                            Kohlendioxidemissionen des Verkehrs (dar-
                                                                                                            gestellt sind die emittierten Tonnen CO2 pro
                                                                                                            Einwohner pro Jahr) für die unterschiedli-
           Bild 6: Wirkungen der
           Pkw-Maßnahmen (Push) im                                                                          chen Maßnahmenszenarien im Jahr 2050.
           Ruhrgebiet im Jahr 2050                                                                          Dargestellt sind sowohl die Simulationser-
           (Quelle: 15, S. 40)                                                                              gebnisse für die Szenarien unter der Annah-
                                                                                                            me von niedrigen Treibstoffpreissteigerun-
                                                                                                            gen von + 1 Prozent pro Jahr (A-Szenarien)
                                                                                                            als auch die höheren Treibstoffpreissteige-
                                                                                                            rungen von + 4 Prozent pro Jahr (B-Szena-
                                                                                                            rien). Um die Veränderungen im Jahr 2050
                                                                                                            zu zeigen, sind als Bezugspunkte sowohl die
                                                                                                            Ausgangswerte für 1990 als auch für 2015
                                                                                                            dargestellt. Der Wegeanteil der Pkw-Fahrten
                                                                                                            und die daraus resultierenden CO2-Emissio-
                                                                                                            nen des Verkehrs von 1990 bis heute (Be-
                                                                                                            zugsjahr 2015) haben stark zugenommen.
                                                                                                            Als Business-as-usual-Szenarien bis zum
                                                                                                            Jahr 2050 sind in den Bildern gleichermaßen
                                                                                                            die beiden Szenarien A00 und B00 ausge-
                                                                                                            wiesen. Diese Darstellung erlaubt Differenz-
                                                                                                            analysen zwischen der Ausgangssituation

 14        Straßenverkehrstechnik 1.2018

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Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

    (1990 bzw. 2015), der Business-as-usual-                                                                        Bild 7: Wirkungen der
    Entwicklung 2050 und den einzelnen Maß-                                                                         ÖPNV-Maßnahmen (Pull)
                                                                                                                    Im Ruhrgebiet im Jahr 2050
    nahmenszenarien jeweils für niedrige und                                                                        (Quelle: 15, S. 42)
    für hohe Treibstoffpreise.
    Die grundsätzliche Unterscheidung der Sze-
    nariowelten zwischen niedrigen Treibstoff-
    preisen (A-Szenarien) und hohen Treibstoff-
    preisen (B-Szenarien) verdeutlicht auch das
    erhebliche Potenzial einer klimaschutzori-
    entierten Kraftstoffverteuerungspolitik (Öko-
    steuer) der rahmensetzenden Bundespolitik
    für eine Verringerung der Kohlendioxid-
    emissionen des Personenverkehrs. Lokale
    und regionale Strategien zur Verkehrsverla-
    gerung von Verkehrsmittelanteilen vom
    motorisierten Individualverkehr zum Um-
    weltverbund können damit wirksam ver-
    stärkt werden, wie die Differenzanalysen in
    den Bildern 5 bis 9 verdeutlichen.

    6.1 Einzelmaßnahmen                             machen (A43/B43), die größte Wirkung zur       Unter den Pull-Maßnahmen zur Attraktivie-
                                                    Reduzierung der CO2-Emissionen. Für die        rung des ÖPNV (Bild 7) reduziert die Takt-
    Die Wirkungen der Einzelmaßnahmen in            Verlagerung von Pkw-Verkehr auf den Um-        verdichtung im ÖPNV (A52/B52) zwar den
    den Handlungsfeldern Energieeffizienz,          weltverbund erreicht hingegen die Einfüh-      Pkw-Wegeanteil am stärksten, gleichzeitig
    Pkw-Verkehr (Push), ÖPNV (Pull) und Rad-        rung einer regionalen Maut Ruhrgebiet          erhöhen sich aber durch die Maßnahmen die
    und Fußverkehr (Pull) werden in den Bildern     (A41/B41) die größte Wirkung.                  CO2-Emissionen. Das liegt daran, dass durch
    5 bis 8 dargestellt.
    Unter den Energieeffizienz-Maßnahmen
    (Bild 5) zeigt sich, dass die Maßnahme „Re-     Werbeanzeige in gedruckter Ausgabe verfügbar
    duzierung des Treibstoffverbrauchs“ (A34/
    B34) die CO2-Emissionen des Verkehrs deut-
    lich reduziert – um fast 50 Prozent gegen-
    über dem A00-Basisszenario bzw. um rund
    30 Prozent gegenüber dem B00-Basisszena-
    rio. Eine Verringerung des Pkw-technischen
    Treibstoffverbrauchs könnte durch klimapo-
    litisch begründete Entscheidungen der Eu-
    ropäischen Union und der Bundesebene
    angereizt werden. Vorstellbar wären dafür
    beispielsweise erheblich verschärfte Emissi-
    onsgrenzwerte bei der Pkw-Zulassung (Flot-
    tenverbrauchslimits) oder/und eine erhöhte
    CO2-basierte Besteuerung der Treibstoffe
    (Ökosteuer). Allerdings bewirkt die Reduzie-
    rung des Treibstoffverbrauchs als Rebound-
    effekt gleichzeitig auch eine Zunahme des
    Pkw-Wegeanteils, da Autofahren durch den
    geringeren Treibstoffverbrauch deutlich
    günstiger wird. Demgegenüber wird der
    Pkw-Anteil an allen Wegen durch die Maß-
    nahme „Carsharing“ (A33/B33) um ca. 2
    Prozentpunkte verringert, bei etwa gleich
    bleibenden CO2-Emissionen. Durch die För-
    derung der Elektromobilität (A32/B32) ge-
    hen zwar die CO2-Emissionen zurück, der
    Pkw-Wegeanteil sinkt aber nicht.
    Unter den restriktiv gegen den Autoverkehr
    wirkenden Maßnahmen (Bild 6) erzielen
    Maßnahmen, die das Autofahren langsamer

                                                         1-22038.indd 1                                                Straßenverkehrstechnik
                                                                                                                            13.12.17 12:48    1.2018      15

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Verkehr verlagern! Szenarioanalysen zu Modal-Shift-Potenzialen im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050
PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

           Bild 8: Wirkungen der Rad-                                                                   Prozent gegenüber A00 bzw. um bis zu 40
           und Fußverkehrs-Maßnahmen                                                                    Prozent gegenüber B00 reduziert.
           (Pull) im Ruhrgebiet im Jahr
           2050 Rad- und Fußverkehr im                                                                  Das Handlungsfeld mit der größten Wirkung
           Jahr 2050 (Quelle: 15, S. 44)
                                                                                                        zur Verringerung des Pkw-Anteils und der
                                                                                                        CO2-Emissionen sind die Push-Maßnahmen
                                                                                                        gegen den Pkw-Verkehr (Szenario 83). Die
                                                                                                        Energieeffizienz-Maßnahmen (Szenario 82)
                                                                                                        bewirken zwar ebenfalls eine deutliche CO2-
                                                                                                        Reduktion, aber als Reboundeffekt zugleich
                                                                                                        auch eine leichte Zunahme des Pkw-Anteils,
                                                                                                        aufgrund der dadurch geringeren Treibstoff-
                                                                                                        kosten für die Pkw-Fahrer. Pull-Maßnahmen
                                                                                                        zur Förderung des Umweltverbundes aus
                                                                                                        ÖPNV, Rad- und Fußverkehr verringern den
                                                                                                        Pkw-Anteil, erhöhen aber aufgrund der
                                                                                                        Angebotserweiterungen im ÖPNV die CO2-
                                                                                                        Emissionen.
                                                                                                        In Szenario 86 wurden als theoretische
                                                                                                        Maximalanalyse nur diejenigen Maßnah-
           Bild 9: Wirkungen der                                                                        men modelliert, die die CO2-Emissionen
           integrierten Strategien                                                                      reduzieren und nicht erhöhen (also ohne
           im Ruhrgebiet im Jahr 2050
           (Quelle: 15, S. 46)                                                                          Maßnahmen 23 und 52). Dadurch würden
                                                                                                        sich die höchsten CO2-Reduktionen erge-
                                                                                                        ben: bis zu minus 77 Prozent gegenüber
                                                                                                        A00 bzw. minus 65 Prozent gegenüber B00.
                                                                                                        Das abschließende Bild 10 liefert eine zu-
                                                                                                        sammenfassende Darstellung der verschie-
                                                                                                        denen Einzelergebnisse im Zeitverlauf von
                                                                                                        früher (1990) bis heute (2015) in die län-
                                                                                                        gerfristige Zukunft (2050) bei niedrigen
                                                                                                        Treibstoffpreisen. Insgesamt zeigen die
                                                                                                        Modellierungsergebnisse den erheblichen
                                                                                                        Beitrag, den ambitioniert und flächenhaft
                                                                                                        im Ruhrgebiet umgesetzte Maßnahmen der
                                                                                                        Siedlungsentwicklung und Verkehrspla-
                                                                                                        nung leisten können, um die Ziele der
                                                                                                        Energiewende und des Klimaschutzes im
                                                                                                        Verkehrssektor zu erreichen (Bild 10). Al-
                                                                                                        lerdings wird auch deutlich, dass mit den
                                                                                                        modellierten Maßnahmenszenarien bei den
           das ausgebaute ÖPNV-Angebot mehr Ener-       Die Maßnahmen zur Flächennutzung (Sze-          CO2-Emissionen im Jahr 2050 weiterhin ein
           gie verbraucht wird, als durch einen Modal   narien A11/B11-A14/B14) und zum öffent-         deutlicher Abstand zum Reduktionsziel von
           Shift vom Pkw zum vergleichsweise effizi-    lichen Wohnungsbau (A23/B23) haben auf          - 80 bis - 95 Prozent bis zum Jahr 2050
           enteren ÖPNV eingespart werden kann. Die     den Pkw-Anteil und die CO2-Emissionen im        gegenüber dem Basisjahr 2050 verbleibt.
           Einführung eines Bürgertickets (A53/B53)     Verkehr bis zum Jahr 2050 kaum Wirkung          Ein solcher Abstand besteht auch zu einem
           zeigt eine leichte Wirkung zur Reduzierung   gegenüber den Basisszenarien (A00/B00).         Ziel-Modal-Split mit einem Pkw-Anteil
           des Pkw-Anteils und der CO2-Emissionen.                                                      von 25 Prozent und jeweils 25 weiteren
           Unter den Pull-Maßnahmen zur Förderung       6.2 Kombinationsszenarien                       Prozenten für den Fuß- und Radverkehr
           des Fuß- und Radverkehrs durch Systembe-                                                     sowie den ÖPNV (WI 2013; WI 2015; RVR
           schleunigung (Bild 8) trägt keine der drei   Bei den integrierten Strategien (Bild 9) wird   2014).
           Maßnahmen mit einer relevanten Größen-       die größte Wirkung zur Verkehrsverlage-         Demnach sind noch weitere ambitionierte-
           ordnung zu einem Modal Shift oder zu einer   rung vom Pkw auf den Umweltverbund              re und flächenhaft im Ruhrgebiet umzuset-
           Reduzierung der CO2-Emissionen bei. Die      erreicht, wenn alle Maßnahmen gemeinsam         zende Maßnahmen erforderlich, um das
           Maßnahmen sind zwar durchaus erfolgreich,    umgesetzt werden (Szenario 85): Der Pkw-        noch verbleibende Delta zur Energiewende
           weil sie zusätzliche Radfahrer und Fußgän-   Anteil kann so um ca. 23 Prozentpunkte          und zum Klimaschutz zu schließen. Hierzu
           ger anziehen, jedoch werden nur wenige       gegenüber A00 und um ca. 19 Prozent-            könnte die europäische und bundespoliti-
           Autofahrer dazu bewegt, vom Auto zum Rad     punkte gegenüber B00 reduziert werden.          sche Klima- und Verkehrspolitik einen
           oder zum Zufußgehen zu wechseln.             Die CO2-Emissionen werden um ca. 55             wichtigen Beitrag leisten: vor allem deut-

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Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050 | Verkehrspolitik | PEER-REVIEWED ARTICLES

    lich verschärfte technische Zulassungsvor-
    schriften für neue Pkw (Flottenverbrauchs-
    limits) und gleichzeitig fiskalisch gezielt
    verteuerte Treibstoffpreise (Ökosteuer)
    könnten hier weitergehende Potenziale
    erschließen. Je ambitionierter die realisier-
    ten kommunalen und regionalen Maßnah-
    men zur Verkehrsverlagerung sind, desto
    stärker dürfte vermutlich auch der Hand-
    lungsdruck auf die Europäische Union und
    die Bundespolitik werden, die Anstrengun-
    gen der lokalen und regionalen Ebene auch
    mit entsprechend ambitionierten Maßnah-
    men dieser übergeordneten politischen
    Ebenen zu unterstützen.

    7 Schlussfolgerungen:
      Anfangen
                                                      Bild 10: Wirkungen der integrierten Strategien im Ruhrgebiet bis zum Jahr 2050 (A-Szenarien)
    Die Ergebnisse der Maßnahmensimulationen          (Quelle: 15, S. 48)
    verdeutlichen, dass – neben technischen und
    fiskalischen Maßnahmen zur Reduzierung
    des klimaschädlichen Treibstoffverbrauchs       Rad sowie ÖPNV und Carsharing) zu schaffen                Förderprioritäten grundlegend zu ändern
    der Pkw – auch beachtliche Potenziale zur       und dadurch ein verändertes Mobilitätsver-                und bestehende Förderkulissen an die
    Verkehrsverlagerung und zur Reduktion der       halten zu ermöglichen. Solche positiven                   vorliegenden Erkenntnisse anzupassen.
    Kohlendioxidemissionen bestehen, wenn in        Anreize sind außerdem wichtig, um politische              Konkret heißt das insbesondere: Aufstel-
    der Verkehrsplanung kombinierte Push- und       Überzeugungskraft und Akzeptanz bei der                   lung eines regionalen Verkehrsentwick-
    Pull-Maßnahmen ambitioniert und flächen-        Bevölkerung zu gewinnen.                                  lungsplanes für das Ruhrgebiet, die Ver-
    haft im gesamten Ruhrgebiet umgesetzt           Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse eine               abschiedung von Städtekontrakten zwi-
    werden. Einzelne kommunale oder regiona-        unbequeme Wahrheit: „Es ginge, wenn man                   schen allen Gemeinden und Kreisen unter
    le Maßnahmen, die zweifellos auch dazu          wollte.“                                                  Federführung des Regionalverbands Ruhr
    beitragen, die lokale Lebensqualität zu                                                                   und die Verbesserung der Zusammenar-
                                                    Damit sind die politischen Entscheidungs-
    steigern, sind weit weniger wirksam zur                                                                   beit zwischen den Verkehrsunternehmen
                                                    träger und die Akteursgruppen in der Zivil-
    CO2-Minderung als integrierte Strategien.                                                                 des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr.
                                                    gesellschaft zum Handeln aufgefordert:
    Um die CO2-Minderungspotenziale zu er-          Unverzüglich, schnell und konsequent – und             2. Beispielhafte Maßnahme sollten gefördert
    schließen, bedarf es eines schnellen und        flächendeckend im gesamten Ruhrgebiet.                    werden und aktive engagierte Akteurs-
    konsequenten Vorgehens seitens der Kom-                                                                   gruppen der Zivilgesellschaft sollten iden-
                                                    Auch wenn bis zum Jahr 2050 noch eine
    munen des Ruhrgebiets, des Regionalver-                                                                   tifiziert, befähigt und unterstützt werden,
                                                    ganze Generation Zeit zu verbleiben scheint,
    bands Ruhr als Regionalplanungsbehörde                                                                    sodass sie in die Breite der Bevölkerung
                                                    zeigen die Modellergebnisse angesichts der
    und der Landes- und Bundesregierung an-                                                                   wirken und die gesellschaftliche Unter-
                                                    Versäumnisse der Vergangenheit und der
    stelle zögerlicher und vereinzelter Ansätze.                                                              stützung für die notwendigen Verände-
                                                    Dimension der Aufgabe von Klimaschutz und
    Viele Maßnahmen, mit denen hohe Verlage-                                                                  rungen gewinnen können.
                                                    Energiewende, dass uns keine Zeit mehr für
    rungspotenziale erzielt werden können, sind     Zögerlichkeiten und Halbherzigkeiten bleibt.           3. Der Regionalverband Ruhr als Regional-
    grundsätzlich bekannt: z. B. Tempolimits, die                                                             planungsbehörde sollte in einen umfas-
                                                    Denn: Die Szenarioanalysen zeigen auch,
    Umverteilung von Straßenraum auf Haupt-                                                                   senden regionalen Diskurs mit Akteuren
                                                    dass selbst mit den hier angenommenen
    verkehrsstraßen, die Systembeschleunigung                                                                 und Entscheidungsträgern über die ein-
                                                    ambitionierten und politisch nicht leicht
    des Rad- und Fußverkehrs oder die Taktver-                                                                zelnen und die integrierten Maßnahmen
                                                    umzusetzenden Maßnahmen die Ziele der
    dichtung von Bussen und Bahnen. Sie wer-                                                                  zur Dekarbonisierung eintreten und eine
                                                    Energiewende und des Klimaschutzes noch
    den allerdings bisher noch nicht entschieden                                                              entsprechende integrierte Rahmenpla-
                                                    nicht vollständig erreicht werden können.
    genug umgesetzt – dies trifft insbesondere                                                                nung für die Siedlungs- und Verkehrsent-
    auf restriktive Maßnahmen gegen den Auto-       Womit soll man beginnen? Es ist ja nicht so,              wicklung erarbeiten. Gute Beispiele im
    verkehr zu. Wichtig ist daher die kombinier-    als ob noch keine Entwicklungen zur Dekar-                Ruhrgebiet, auf die die Region mit Recht
    te Umsetzung sowohl von Pull- als auch von      bonisierung des Verkehrs stattfinden wür-                 stolz sein kann, wie auch andernorts,
    Push-Maßnahmen: Durch restriktive Maß-          den. Aber es muss schneller, entschlossener               können dafür als konkrete, lebendige und
    nahmen können größere Verlagerungseffek-        und breitenwirksamer gehandelt werden –                   anschauliche Vorbilder wirken und zur
    te erzielt werden. Anreizmaßnahmen bedarf       ab sofort. Die ersten Schritte sind dafür klar:           Nachahmung anregen. Sie zeigen als
    es gleichermaßen, um attraktive Mobili-         1. Die Politik ist aufgerufen, Entscheidungen             Highlights im Heute, was schon morgen
    tätsangebote im Umweltverbund (Fuß und             und gesetzliche Grundlagen umzusteuern,                Standard sein sollte.

                                                                                                                                    Straßenverkehrstechnik 1.2018      17

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PEER-REVIEWED ARTICLES | Verkehrspolitik | Modal-Shift-Potenziale im Personenverkehr im Ruhrgebiet 2050

           Erfolg versprechende Kombinationen von          ropäische Union, auf, komplementär das in                              n e r , M.; S h e p p a r d , I.; S t e a d m a n , P.;
                                                                                                                                  M a r t i n o , A.; D o m i n g o , R.; G a y d a , S.
           Push- und Pull-Maßnahmen sollten in einem       ihrer Regelungsverantwortung Liegende zu                               (2004): PROPOLIS: Planning and Research of
           ruhrgebietsweiten partizipativen Prozess, der   tun, damit auch der Verkehrssektor künftig                             Policies for Land Use and Transport for Increas-
           die unterschiedlichen Akteure in Politik und    einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz                                ing Urban Sustainability. PROPOLIS Final Re-
                                                                                                                                  port. Helsinki: LT Consultants. http://www.
           Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft,   in Deutschland leistet. Im politischen Mehr-                           spiekermann-wegener.de/pro/pdf/PROPOLIS_
           Medien und Wissenschaft einschließt, entwi-     ebenensystem ist es ebenso erforderlich wie                            Final_ Report.pdf
           ckelt und von kommunikativen Maßnahmen          möglich, den Klimaschutz auf allen demo-                          [12] Metropole Ruhr 2017: Metropole Ruhr – das
           zur Akzeptanzgewinnung begleitet werden.        kratischen Ebenen voranzubringen – auch                                neue Ruhrgebiet. Differenzierte Bevölkerungs-
           Zur Festlegung von Umsetzungsprioritäten        im Verkehrssektor.                                                     struktur. http://www.metropoleruhr.de/land
                                                                                                                                  leute/daten-fakten/bevoelkerung.html
           und zur Entwicklung erster Maßnahmenkom-        Für die Umsetzung gilt es, sofort anzufan-                        [13] Regionalverband Ruhr (2014): Perspektiven für
           binationen sollten Kriterien wie Wirksamkeit,   gen. Genau jetzt!                                                      die räumliche Entwicklung der Metropole Ruhr.
           Kosten, Akzeptanz und zusätzliche Vorteile                                                                             Essen. http://www.metropoleruhr.de/fileadmin/
           wie höhere Umweltqualität, insbesondere                                                                                user_upload/metropoleruhr.de/01_PDFs/Regio
                                                           Literaturverzeichnis                                                   nalverband/Regionaler_Diskurs/RF_Zukunft_
           weniger Lärm- und Luftschadstoffbelastung,                                                                             Perspekt/2014_05_14_Perspektiven.pdf
           größere Verkehrssicherheit und bessere Auf-     Alle Internetquellen mit Zugriff am 1.1.2017
                                                                                                                             [14] S a g o l l a , W. (2012): Nahverkehr – Lokales
           enthaltsqualitäten als alltäglich spürbare      [1] AGEB – Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen                         Verkehrswesen. In: Kratzsch, Ernst; Raskob,
           Gewinne für die Menschen, die Umweltqua-            e. V.: Auswertungstabellen zur Energiebilanz                       Simone; Lürwer, Martin; Carow, Ulrich (Hrsg.):
                                                               Deutschland. Stand: September 2014. Berlin/                        Memorandum zur Bewerbung der Metropole
           lität und die Städte und Gemeinden berück-          Köln. (Tabelle 2.2)                                                Ruhr als „Grüne Hauptstadt Europas“. Bochum/
           sichtigt werden.                                                                                                       Essen/Dortmund
                                                           [2] BCS – Bundesverband Carsharing e. V. (2015).
           Viele der notwendigen Maßnahmen, insbe-             CarSharing-Städteranking 2015. Pressemittei-                  [15] S c h w a r z e , B.; S p i e k e r m a n n , K.;
                                                               lung vom 10.6.2015, Berlin                                         W e g e n e r , M.; H u b e r , F.; B r o s c h , K.;
           sondere die Push-Maßnahmen, werden
                                                           [3] B e c k m a n n , K. J.; B r ü g g e m a n n , U.;                 R e u t t e r , O.; M ü l l e r , M. (2017): Städte und
           voraussichtlich von vielen zunächst als             G r ä f e , J.; H u b e r , F. X.; M e i n e r s , H.;             Klimawandel: Ruhrgebiet 2050. Integriertes
           Beeinträchtigung ihrer Mobilität und Le-            M i e t h , P.; M o e c k e l , R.; M ü h l h a n s , H.;          Modell Ruhrgebiet und Regionaler Modal Shift.
                                                               R i n d s f ü s e r , G.; S c h a u b , H.; S c h r a -            Dortmund/Wuppertal. Veröffentlicht zum
           bensqualität empfunden werden. Es ist
                                                               d e r , R.; S c h ü r m a n n , C.; S c h w a r z e , B.;          Download unter www.energiewende-ruhr.de
           deshalb notwendig darzulegen, dass diese            S p i e k e r m a n n , K.; S t r a u c h , D.;                    und unter www.spiekermann-wegener.com. Die
           „unbequemen Wahrheiten“ auch erhebliche             S p a h n , M. L.; W a g n e r , P.; W e g e n e r , M.            hier dargestellten Ergebnisse entstanden im
           Zusatzvorteile mit sich bringen können.             (2007): ILUMASS: Integrated Land-Use Model-                        Rahmenprogramm zur Förderung der Energie-
                                                               ling and Transport System Simulation. Endbe-                       wende in den Kommunen des Ruhrgebietes,
           Bei der Umsetzung der notwendigen Maß-              richt. Berlin: Deutsches Zentrum für Luft- und                     gefördert durch die Stiftung Mercator
           nahmen sollten die Möglichkeiten integrier-         Raumfahrt (DLR) http://www.spiekermann-                       [16] S p i e k e r m a n n , K.; W e g e n e r , M. (2005):
                                                               wegener.de/pro/pdf/ILUMASS_Endbericht.pdf                          Räumliche Szenarien für das östliche Ruhrge-
           ter Strategien mehr als bisher genutzt wer-                                                                            biet. Schlussbericht. Dortmund: Institut für
                                                           [4] BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Na-
           den. Schmerzhafte Einschnitte an einer              turschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB);                       Landes- und Stadtentwicklungsforschung und
           Stelle können durch Verbesserungen an               Stand 9.4.2014: Klimaschutzpolitik in Deutsch-                     Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS
                                                               land. http://www.bmub.bund.de/themen/klima                         NRW). http://www.spiekermann-wegener.de/
           anderer Stelle kompensiert werden. So ist es                                                                           pro/ pdf/ILS_Raumszenarien.pdf
                                                               energie/klimaschutz/nationale-klimapolitik
           z. B. überzeugender, überhöhte Subventio-
                                                           [5] BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Na-                      [17] UBA – Umweltbundesamt (2016): Nationale
           nen langer Pendlerfahrten zu kürzen, wenn           turschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Klima-                       Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung
           die daraus erzielten Einnahmen dann öffent-         schutzplan 2050 – Klimapolitische Grundsätze                       atmosphärischer Emissionen 1990–2014 (Ar-
           lich sichtbar und nachvollziehbar zur Ver-          und Ziele der Bundesregierung. Kurzfassung                         beitsstand: 25.11.2015), online unter: http://
                                                               und Langfassung http://www.bmub.bund.de/                           www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/
           besserung umweltverträglicher Nahmobilität          fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klima                             medien/376/dokumente/nationale_trendtabel
           eingesetzt werden. Gerade weite Pendler-            schutz/klimaschutzplan_2050_kurzf_bf.pdf                           len_fuer_die_deutsche_berichterstattung_at
           fahrten mit dem Pkw, oft bei einem sehr         [6] COP21: Conference of the Parties 21st session,                     mosphaerischer_emissionen_1990-2014.xlsx
           niedrigen Pkw-Besetzungsgrad von nur 1              Paris, 30 November to 12 December 2015,                       [18] W a l u g a , G. (2017): Das Bürgerticket für den
                                                               Adoption of the Paris Agreement http://unfccc.                     öffentlichen Personennahverkehr. Nutzen –
           Person pro Pkw, insbesondere zwischen               int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09.pdf                           Kosten – Klimaschutz, Wuppertaler Schriften
           Arbeitsstätte und Wohnung, sind unter           [7] F i o r e l l o , D.; H u i s m a n s , G.; L ó p e z , E.;        zur Forschung für eine nachhaltige Entwick-
           Klimagesichtspunkten kritisch. Denn hier            M a r q u e s , C.; S t e e n b e r g h e n , T.;                  lung, Band 9, München 2017
           werden pro Weg besonders viele Fahrzeug-            W e g e n e r , M.; Z o g r a f o s , K. G. (2006):           [19] W e g e n e r , M. (1999): Die Stadt der kurzen
                                                               Transport Strategies under the Scarcity of                         Wege: müssen wir unsere Städte umbauen?
           kilometer gefahren und dadurch besonders            Energy Supply. STEPs Final Report, hrsg. von                       Berichte aus dem Institut für Raumplanung 43.
           viele Kohlendioxidemissionen verursacht.            A. Monzon und A. Nuijten. Den Haag: Buck                           Dortmund: Institut für Raumplanung, Univer-
                                                               Consultants International. http://www.spieker                      sität Dortmund. http://www.raumplanung.tu-
           Für die Verkehrswende im Ruhrgebiet sind            mann-wegener.de/pro/pdf/STEPs_Final_Report.                        dortmund.de/irpud/fileadmin/irpud/content/
           integrierte Strategien erforderlich, die Maß-       pdf                                                                documents/ publications/ber43.pdf
           nahmen zur Siedlungsstruktur, Verkehrsin-       [8] G ü n t e r , R: Besichtigung unseres Zeitalters              [20] W e g e n e r , M. (2011): The IRPUD Model.
           frastruktur und fiskalische Maßnahmen zur           – Industriekultur in Nordrhein-Westfalen, Es-                      Arbeitspapier 11/01. Dortmund: Spiekermann
                                                               sen, 2001                                                          & Wegener Stadt- und Regionalforschung
           Beeinflussung des Verkehrsverhaltens um-
                                                           [9] H ä g e r s t r a n d , T. (1970): What about peop-           [21] Wuppertal Institut (2013): Metropole Ruhr –
           fassen, die sich gegenseitig ergänzen und           le in regional science? Papers of the Regional                     Grüne Hauptstadt Europas. Wuppertal. http://
           verstärken.                                         Science Association 24, 7–21                                       wupperinst.org/uploads/tx_wupperinst/Metro
                                                           [10] KLIMASCHUTZGESETZ NRW 2013 https://                               pole_Ruhr_Endbericht.pdf
           Lokale und regionale Konzepte und Maß-
                                                                recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_                 [22] Wuppertal Institut (2015): Nachhaltiges Nord-
           nahmen zum Klimaschutz fordern auch                  n r = 6 & v d _ i d = 1 3 71 8 & v d _                            rhein-Westfalen 2030 – Das Leitbild. Wuppertal.
           authentisch die übergeordneten politischen           back=N33&sg=0&menu=1                                              http://wupperinst.org/uploads/tx_wupperinst/
           Ebenen, die Länder, den Bund und die Eu-        [11] L a u t s o , K.; S p i e k e r m a n n , K.; W e g e -           NHS_NRW_AP8-1_Leitbild.pdf

 18        Straßenverkehrstechnik 1.2018

07-18_SVT_1-2018.indd 18                                                                                                                                                        16.01.18 14:48
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