Vermehrung von Legionellen im Kaltwasser - DVGW-Forschungsvorhaben untersucht
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FORSCHUNG & ENTWICKLUNG DVGW-Forschungsvorhaben untersucht Vermehrung von Legionellen im Kaltwasser In den einschlägigen Regelwerken zur Trinkwasserversorgung ist festgehalten, dass bei der Entnahme von Trinkwasser aus dem Leitungsnetz der Temperaturwert von 25 °C maximal 30 Sekunden nach der Öffnung der Entnahmestelle nicht überschritten werden darf. Die Frage, ob diese 25 °C aus hygienischer Sicht sicher sind oder nicht, beschäftigt gleichwohl seit geraumer Zeit die Fachwelt und wird dort diskutiert. Das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser hat in diesem Zusammenhang im Rahmen eines DVGW- Forschungsvorhabens (Förder-Nr.: W 201629) mit Laborversuchen sowie Versuchsreihen mit einer Trinkwasser-Modellinstallation die Vermehrungsansprüche von Legionellen in Kaltwasser untersucht. von: Dr. Andreas Korth & Dr. Heike Petzoldt (beide: TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser, Außenstelle Dresden) In den einschlägigen Regelwerken für die ten werden darf; nach DIN EN 806-2 sollte Trinkwasser-Installationen findet sich der Hin- 30 Sekunden nach dem Öffnen einer Entnah- weis, dass diese Installationen bestimmungs- mestelle die Wassertemperatur für Kaltwasser- gemäß zu betreiben sind: So ist z. B nach stellen den Wert von 25 °C nicht übersteigen. DIN EN 806-5 und DIN 1988-200 eine über einen längeren Zeitraum (> 7 Tage) nicht ge- Der eindeutige Nachweis, dass die Definitio- nutzte Trinkwasser-Installation als nicht mehr nen für einen bestimmungsgemäßen Betrieb bestimmungsgemäß betrieben, und nach VDI/ mit einem Wasserwechsel spätestens alle 3 bis DVGW 6023 stellt bereits eine Nichtnutzung 7 Tage mit den mikrobiologischen Prozessen der Installation von mehr als 72 Stunden eine in der Trinkwasser-Installation korrespondie- Betriebsunterbrechung dar, die es zu vermeiden ren, steht bisher aus. Weiterhin beschäftigt gilt. Darüber hinaus beinhalten die Regelwerke sich die Fachwelt seit Längerem mit der Frage, DIN 1988-200 und VDI/DVGW 6023 (04/2013) ob 25 °C aus hygienischer Sicht sicher sind die Formulierung, dass im Kaltwasser maximal oder nicht. Der Ansatz des DVGW-Forschungs- 30 Sekunden nach Öffnen der Entnahmestelle projektes „Legionellen Kaltwasser“ (Förder- der Temperaturwert von 25 °C nicht überschrit- Nr.: W 201629) bestand vor diesem Hinter- grund darin, Grundlagen zu erarbeiten, die zur Abb. 1: CAD-Zeichnung der Überprüfung der Definition des bestimmungs- im Rahmen des Forschungs- gemäßen Betriebes kaltgehender Trinkwasser- vorhabens verwendeten Trinkwasser-Modellinstallation Installationen und der maximal 25 °C Wasser- temperatur herangezogen werden können. Das Forschungsprojekt fokussierte dabei auf die Legionellen, da insbesondere für diesen mik- robiologischen Parameter der Bedarf fundier- ter Aussagen gegeben war. Literaturauswertung Legionellen wurden erstmals im Juli 1976 im Bellevue-Stratford-Hotel in Philadelphia (USA) entdeckt, wo bei einem Veteranenkongress ca. 180 Personen erkrankten und insgesamt 29 Per- Quelle: TZW sonen starben. Erst nach etwa sechs Monaten gelang es, das verursachende Bakterium, 34 energie | wasser-praxis 5/2020
egionella pneumophila, aus einem Ver- L 1.000.000 storbenen zu isolieren. Zurzeit sind etwa 59 Arten der Legionellen und 70 Sero- 100.000 gruppen bekannt [1]. Die für Erkran- 10.000 kungen des Menschen bedeutsamste Art ist Legionella pneumophila. 1.000 Legionellen pro 100 ml Legionella pneumophila ist aufgrund der 100 hygienischen Relevanz die am inten- 10 sivsten untersuchte Spezies der Legio- nellen. Bei dieser Spezies handelt es 1 sich stoffwechselseitig um ein limitier- tes Bakterium. Verschiedene Studien 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 zeigen, dass es im Trinkwasser nur bei Versuchsdauer in Tagen Anwesenheit bestimmter Amöben zu Quelle: TZW Cys(100)+Ser(20) mit MB Cys(100)+Ser(20) ohne MB MB + Amöben einer Vermehrung von Legionellen Cys(100)+Ser(20)+Fe(10) mit MB Cys(100)+Ser(20)+Fe(10) ohne MB kommt. Amöben stellen dementspre- chend einen wichtigen Vektor für das Abb. 2: Ergebnisse von Batchversuchen zur Vermehrung von Legionellen bei unterschiedlichen Bedingungen Überleben und Wachstum von Legio- (Cys: Cystein, Ser: Serin, Fe: Eisen, MB: Mischbiozönose, Inkubationstemperatur: 30 °C) nellen in der Umwelt dar. Am häufigs- ten werden in diesem Zusammenhang gungen in einer Trinkwasser-Installa- einem Gebäude mit einer vorhande- in der Literatur die Amöben Hartman- tion wurde eine Modellinstallation nen Legionellenbelastung im Kaltwas- nella vermiformis und Acanthamoeba entwickelt (Abb. 1). Die Systeme bein- ser installiert. castellanii genannt [2]. halteten u. a. Edelstahlleitungen, re- präsentativ für eine übliche Material- Zur Verifizierung der Erkenntnisse aus In den Amöben findet die Vermehrung situation, und einen nicht für den Ein- den Laborversuchen und den Untersu- der Legionellen in den intrazellulären satz im Trinkwasserbereich geeigneten chungen mit den Trinkwasser-Modell Phagosomen – einer Organelle, in der Gummischlauch zur Untersuchung installationen wurden Untersuchungen die aufgenommenen Bakterien norma- des Effektes einer stärkeren Biofilmbil- in Gebäuden durchgeführt. Zur Aufnah- lerweise enzymatisch abgebaut werden dung. Die Trinkwasser-Modellinstalla- me von Temperatur- und Entnahmepro- – statt. Bei einer Vermehrung der Legi- tionen wurden jeweils in einen Kühl- filen installierte man an Eckventilen in onellen werden die Stoffwechselprozes- brutschrank installiert, um eine kons- Bädern und Küchen Ultraschallwasser- se in der Amöbe durch das Bakterium tante Temperierung zu ermöglichen. zähler und Temperatursonden und er- dahingehend verändert, dass im Phago- Für die Untersuchungen wurden die fasste die Daten mit einer speicherpro- som eine Lyse unterbunden wird und Trinkwasser-Modellinstallationen in grammierbaren Steuerung (SPS). eine Nährstoffversorgung der Bakterien gegeben ist [3]. Sobald die Legionellen von Amöben aufgenommen werden, 1.000.000 wird der weitere Prozess durch die Tem- perarturbedingungen beeinflusst. Zur 100.000 Definition dieser Temperaturbedingun- gen wurde im Rahmen des DVGW-For- 10.000 Legionellen pro 100 ml schungsprojektes auf einen Bereich von 25 bis 30 °C fokussiert. 1.000 Untersuchungsansatz 100 Das Untersuchungsprogramm bestand 10 aus Laborversuchen, Versuchsreihen mit einer Trinkwasser-Modellinstalla- 1 tion sowie Untersuchungen in Ob 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Versuchsdauer in Tagen jekten. Die grundsätzlichen Ver Quelle: TZW mehrungsansprüche der Legionellen 15 °C 25 °C 30 °C wurden im Labor in Batchansätzen untersucht. Zur Untersuchung der Ver- Abb. 3: Ergebnisse von Batchversuchen zum Einfluss der Inkubationstemperatur auf die Vermehrung von mehrung von Legionellen unter Bedin- Legionellen energie | wasser-praxis 5/2020 35
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG 1,0E+08 Ergebnisse der Laborversuche 1,0E+07 Die Laboruntersuchungen zu den grundsätzlichen Vermehrungsansprü- 1,0E+06 chen von Legionellen fokussierten auf 1,0E+05 den Einfluss unterschiedlicher Nähr- Bakterien pro cm² stoffkomponenten, die Anwesenheit 1,0E+04 der natürlichen Bakterienmischbiozö- 1,0E+03 nose sowie Amöben. Repräsentative Er- gebnisse der umfangreichen Versuchs- 1,0E+02 reihen sind in Abbildung 2 dargestellt. 1,0E+01 Beim dargestellten Beispiel wurde der Effekt der Aminosäuren Cystein und 1,0E+00 Serin sowie Eisen und zusätzlich die An- Quelle: TZW Biofilm Edelstahlrohr Biofilm Gummischlauch wesenheit der natürlichen Mischbiozö- W KBE 36 °C W KBE 22 °C W Gesamtzellzahl nose und Amöben untersucht. Die Ver- Abb. 4: Biofilmbildung für das Edelstahlrohr und für den Gummischlauch suche wurden bei einer Inkubations- temperatur von 30 °C durchgeführt, um eine temperaturbedingte Wachstums- 10.000.000 limitierung zu vermeiden. 1.000.000 Bei den Ansätzen ohne Anwesenheit 100.000 von Amöben kam es in keinem Fall zu 10.000 einer Zunahme von Legionellen. Dem- Legionellen pro 100 ml entsprechend führten spezifische 1.000 Nährstoffe in unterschiedlicher Kon- 100 zentration zu keiner Vermehrung. Eine Zunahme der Legionellen zeigte sich 10 ausschließlich in Ansätzen mit Amö- 1 ben, wobei keine Zugabe von Nährstof- fen erforderlich war. 0 0 5 10 15 20 25 Stagnationsdauer in Tagen Basierend auf diesen Erkenntnissen Quelle: TZW Edelstahl 25 °C Gummischlauch 25 °C Edelstahl 27 °C wurden Untersuchungen zum Einfluss Gummischlauch 27 °C Edelstahl 30 °C Gummischlauch 30 °C der Wassertemperatur durchgeführt. Repräsentative Ergebnisse dieser Ver- Abb. 5: Ergebnisse des Temperatureinflusses (25, 27 und 30 °C) und des Materials bzw. Biofilms auf die Legionellenentwicklung bei Stagnation suchsreihen sind in Abbildung 3 dar- gestellt, wobei das Wasser vom Ver- suchsstandort mit einer vorhandenen 10.000.000 Legionellenbelastung bei unterschied- 1.000.000 lichen Temperaturen inkubiert wurde. Eine Zunahme von Legionellen war 100.000 beim untersuchten Temperaturspekt- 10.000 rum ausschließlich bei einer Inkubati- Legionellen pro 100 ml onstemperatur von 30 °C zu verzeich- 1.000 nen. Beim dargestellten Beispiel kam es 100 nach einer Inkubationsdauer von sechs Tagen zu einem sukzessiven Anstieg der 10 Legionellenzahl, wobei bei der Beendi- 1 gung des Versuchs nach 37 Tagen die Konzentration im Bereich von 105 pro 0 0 5 10 15 20 25 100 ml lag. Bei den Inkubationstempe- Stagnationsdauer in Tagen raturen von 15 und 25 °C zeigte sich in Quelle: TZW Edelstahl durchgehend 30 °C Gummischlauch durchgehend 30 °C keinem Fall eine relevante Veränderung Edelstahl Erhöhung 25 °C auf 30 °C Gummischlauch Erhöhung 25 °C auf 30 °C der Legionellenkonzentration. Aus den Abb. 6: Effekt der Erhöhung der Temperatur von 25 °C auf 30 °C im Vergleich zu Dauerbetrieb bei 30 °C Laborversuchen war insgesamt abzulei- 36 energie | wasser-praxis 5/2020
ten, dass eine Vermehrung von Legionellen im Die Werte lagen durchgehend in einem Bereich Trinkwasser nur bei einer Anwesenheit von von 0 bis 10 Legionellen pro 100 ml, wobei zwi- Amöben stattfindet und bei Untersuchungen im schen den Edelstahlleitungen und dem Gum- Batch eine Wassertemperatur im Bereich von mischlauch kein Unterschied festzustellen war. 30 °C erforderlich ist. Bei einer Temperatur von 27 °C zeigte sich für die Edelstahlstrecken eine geringe Zunahme der Legionellen, mit Maxima in einem Bereich von Ergebnisse der Untersuchungen ca. 100 Legionellen pro 100 ml. Für den Gum- in den Modellinstallationen mischlauch lag bei der dargestellten Versuchs- Basierend auf den Ergebnissen der Laborversu- reihe zu Versuchsbeginn ein Niveau von ca. 250 che wurde mit den Trinkwasser-Modellinstalla- Legionellen pro 100 ml vor, wobei nachfolgend tionen der Einfluss der Wassertemperatur und keine relevante Veränderung auftrat. Bei einer der Betriebsbedingungen im Detail untersucht. Temperatur von 30 °C zeigte sich eine deutliche Nahrungsgrundlage für die Amöben ist der Bio- Zunahme der Legionellen mit Maxima im Be- film auf den Leitungsoberflächen. Zur Charak- reich von ca. 1.000 pro 100 ml für die Edelstahl- terisierung der Oberflächenbesiedlung wurde strecken. Für den Gummischlauch ergaben sich der Biofilm der Edelstahlleitung und des Gum- deutlich höhere Maxima, im dargestellten Fall mischlauchs untersucht (Abb. 4). Der Biofilm wurden > 106 Legionellen pro 100 ml bestimmt. des Edelstahlrohrs wies niedrige Koloniezahlen Insgesamt zeigte sich bei langer Stagnation eine im Bereich von 100 pro cm² und eine Gesamt- geringe Zunahme der Legionellen ab 27 °C und zellzahl im Bereich von 5 x 105 pro cm² auf. Im eine deutliche Vermehrung bei 30 °C mit höhe- Vergleich dazu lagen die Werte für den Gummi- ren Werten in der Strecke mit einer stärkeren schlauch um über eine Zehnerpotenz höher, was Biofilmbildung. durch die Nährstoffabgabe durch das Material bedingt war. Aufgrund der stärkeren Besied- Neben der Stagnation bei durchgehend kons- lungsdichte mit Bakterien war für den Gummi- tanten Temperaturbedingungen wurde der Ef- schlauch auch eine höhere Besiedlung mit Amö- fekt einer kurzfristigen Temperaturerhöhung ben und hierdurch ein höheres Vermehrungs- untersucht. Hierzu hob man die Temperatur der potenzial für Legionellen anzunehmen. Trinkwasser-Modellinstallation, die zuvor dau- erhaft mit 25 °C betrieben wurde, während der Die Untersuchungen mit der Modellinstallation Stagnation auf 30 °C an. Die Ergebnisse sind in zum Einfluss der Temperatur wurden bei mehr- Abbildung 6 dargestellt, wobei zum Vergleich wöchiger Stagnation durchgeführt (Abb. 5). Kor- ein Stagnationsversuch der Anlage, die dauer- relierend mit den Laborversuchen zeigte sich bei haft bei 30 °C betrieben wurde, mit dargestellt 25 °C keine relevante Zunahme der Legionellen. ist. Die Erhöhung der Temperatur führte bei der Ihre Vorteile: keine Erzeugung unerwünschter Nebenprodukte vielfache Regenerierung des Filtermaterials keine besondere Technik bzw. techn. Aufwand notwendig bei Festbettbetrieb schnelle Adsorptionskinetik bedingt durch kleine Partikel energie | wasser-praxis 5/2020 37
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG zuleiten, dass eine kurzfristige Tempe- 10.000 raturerhöhung nicht unmittelbar zur deutlichen Vermehrung von Legionel- 1.000 len führt, sondern mikrobiologische Prozesse sich sukzessive an veränderte Legionellen pro 100 ml Randbedingungen anpassen. 100 Untersuchungen zum Einfluss kurzer 10 Stagnationszeiten wurden bei einer Temperatur von 30 °C durchgeführt. Als 1 Betriebsregime wurde ein Wasseraus- tausch nach 24 und 72 Stunden gewählt. Die Probenahmen fanden über einen 0 0 5 10 15 20 25 30 35 Zeitraum von 30 Tagen, jeweils unmit- Betriebsdauer in Tagen telbar vor dem jeweiligen Wasseraus- Quelle: TZW Edelstahl Wasseraustausch 24 h Gummischlauch Wasseraustausch 24 h Edelstahl Wasseraustausch 72 h Gummischlauch Wasseraustausch 72 h tausch statt. Bei beiden Betriebsszenari- en stellte sich für die Edelstahlstrecken Abb. 7: Entwicklung der Legionellenkonzentration bei regelmäßigem Wasseraustausch nach 24 und 72 Stunden mit Versuchsbeginn bzw. bis zum sechs- ten Tag ein stabiles Niveau zwischen Edelstahlstrecke nur zu einem geringen der dauerhaft bei 30 °C betriebenen 10 und 100 Legionellen pro 100 ml ein Anstieg der Legionellen auf maximal Trinkwasser-Modellinstallation traten (Abb. 7). Ein relevanter Unterschied ca. 50 pro 100 ml, für den Gummi- somit sowohl für die Edelstahlstrecken zwischen den beiden Betriebsvarianten schlauch ergaben sich Werte im Bereich als auch für den Gummischlauch deut- zeigte sich nicht. Für den Gummi- von ca. 150 pro 100 ml. Im Vergleich zu lich geringere Werte auf. Hieraus ist ab- schlauch ergab sich ebenso ein stabiles Niveau, wobei eine höhere Legio nellenkonzentration von ca. 1.000 Tabelle 1: Charakteristika der Gebäude und Messpunkte sowie Ergebnisse Legionellen pro 100 ml vorlag. Ein Ef- für die Wassertemperatur und die Legionellen (MFH: Mehrfamilienhaus, APE: Alten- und Pflegeeinrichtung, KW: Kaltwasser, WW: Warmwasser) fekt der unterschiedlichen Betriebsre- gime zeigte sich auch für den Gummi- Gebäude MFH MFH Büro MFH APE 1a APE 1B Hotel schlauch nicht. Insgesamt war somit Messstelle Bad Bad Küche Bad Bad Bad Küche abzuleiten, dass sich beim regelmäßigen Wassertemperaturen in °C Wasseraustausch ein relativ stabiles Ni- KW - TMax 23,9 23,0 38,9 25,4 26,6 25,3 28,2 veau an Legionellen einstellt, welches durch das Material bzw. die Biofilmbe- KW - TMin 11,9 7,9 19,6 15,6 9,2 10,2 8,0 schaffenheit beeinflusst wird. Ein rele- KW - TMedian 22,0 21,8 31,3 23,1 23,9 22,0 21,6 vanter Effekt der untersuchten Stagna- Legionellen pro 100 ml, Beprobung nach 1 l Ablauf Quelle: TZW tionszeiten war nicht erkennbar. KW 0 0 62 0 0 1 1.400 Tabelle 2: Ergebnisse der Wassertemperaturmessungen in der Hotelküche Ergebnisse der Untersuchungen bei unterschiedlichen Beprobungsvolumina in Objekten Zur Überprüfung der Ergebnisse der La- Volumen in l Temperatur borversuche sowie der Untersuchungen 0,1 28,8 mit den Modellinstallationen wurden 0,2 27,3 zusätzlich Praxisuntersuchungen reali- 0,3 24,9 siert. Hierzu wurden in Mehrfamilien- häusern (MFH), einem Bürogebäude, 0,4 24,0 einer Alten- und Pflegeeinrichtung 0,5 23,3 (APE, zwei Messpunkte) und einem Ho- 0,6 22,7 tel über mehrere Wochen Wassertempe- 0,7 22,1 ratur- und Verbrauchsprofile aufgenom- 0,8 21,8 men sowie für das Kaltwasser die Legio- 0,9 21,5 nellenbelastung bestimmt (Tab. 1). 1 21,3 Quelle: TZW Die maximalen Wassertemperaturen 3 15,5 lagen im Kaltwasser in einem Bereich 38 energie | wasser-praxis 5/2020
von 23 bis ca. 38,9 °C. Für die Minima wurden Schlussfolgerungen Werte von ca. 8 bis 14 °C bestimmt. Der Medi- an bewegte sich, mit Ausnahme des Büroge- Aus den umfangreichen Untersuchungen wur- bäudes, in einem Bereich von ca. 22 bis 24 °C, den die folgenden Erkenntnisse zur Vermeh- was der Umgebungstemperatur entspricht. Für rung von Legionellen im Trinkwassersystem das Bürogebäude ergab sich ein Median von abgeleitet, wobei den Verfassern bewusst ist, ca. 31 °C. dass sich einige Prozesse im Detail komplexer darstellen: Bei den Objekten mit einer mittleren Wasser- temperatur für das Kaltwasser von < 25 °C wur- • Eine Vermehrung der Legionellen findet in den, mit Ausnahme des Hotels, keine Legio- Trinkwasser-Installationssystemen aus- nellen bzw. für eine Messstelle in der Alten- schließlich in Anwesenheit von Amöben und Pflegeeinrichtung nur eine geringe Kon- statt. zentration von 1 pro 100 ml detektiert. Hierbei • Die Vermehrung der Legionellen in den ist zu berücksichtigen, dass zum Teil kurzzeitig Amöben ist temperaturabhängig und erst bei Temperaturen von über 25 °C auftraten. Auf- Wassertemperaturen von > 25 °C möglich. fällig war die sehr hohe Belastung von 1.400 Somit werden Legionellen bei ≤ 25°C durch Legionellen pro 100 ml im Hotel. Für das Bü- Amöben phagozytiert. rogebäude (mit einer mittleren Wassertempe- • Bei 27 °C zeigte sich für die Trinkwasser-Mo- ratur im Bereich von ca. 30 °C) wurde eine dellinstallationen eine geringe Zunahme der Belastung von 60 Legionellen pro 100 ml ge- Legionellen. Hieraus ist abzuleiten, dass Legi- messen. onellen größtenteils phagozytiert werden und eine Vermehrung nur in einem kleinen Teil Aufgrund der hohen Legionellenbelastung für der Amöben stattfindet. das Hotel wurden weitergehende Untersuchun- • Bei 30 °C Wassertemperatur zeigte sich bei gen durchgeführt. Im Rahmen einer Ortsbege- allen Untersuchungen eine Vermehrung der hung erfolgten detaillierte Temperaturmessun- Legionellen. Demensprechend werden die gen. Ber der vor Ort vorgefundenen Armatur Legionellen von den Amöben nicht phago- handelte es sich um eine Zweihandmischarma- zytiert, sondern können sich in diesen Orga- tur. Die Temperaturmessungen auf den Ober- nismen vermehren. flächen zeigten im Bereich zwischen Kaltwas- • Die Vermehrungsgeschwindigkeit der Legi- serventil und Auslaufrohr eine Temperatur von onellen steht in Zusammenhang mit der Bio- 30 °C. Auf der Zulaufseite des Kaltwasserventils filmbeschaffenheit, da hierüber das Nähr- wurde eine Temperatur von 22 °C gemessen. stoffangebot und die Vermehrungsgeschwin- Für die Zulaufseite des Warmwassers wurden digkeit von Amöben beeinflusst werden. 55 °C bestimmt. Die hohe Temperatur im Be- • Die Legionellenkonzentration während ei- reich des Kaltwasserventils wurden durch Was- ner langen Stagnation erreicht ein Maxi- serproben bestätigt (Tab. 2). Die erste Probe mit mum, das mit der Zahl infizierbarer Amöben einem Volumen von 100 ml wies eine Wasser- im System in Zusammenhang steht. Bei einer temperatur von 28,3 °C und die zweite Probe langen Stagnation kommt es zu einer Anrei- eine Temperatur von 27,3 °C auf. Die weiteren cherung von aus den Amöben freigesetzten Proben zeigten eine sukzessive Verringerung Legionellen im Wasserkörper. Da die Anzahl der Wassertemperatur – das bedeutet, dass der Legionellen deutlich schneller zunimmt durch die Heißwasserentnahme der Kaltwas- als die Zahl der Amöben (Freisetzung > 100 serbereich bis zum Kaltwasserventil auf ein Legionellen pro Amöbe), sind nach einer ge- Niveau erwärmt wird, das ein Wachstum von wissen Zeit die Amöben weitgehend infiziert. Legionellen ermöglicht. Der hohe Wert für die Nach dem „Verbrauch“ der Amöben kann es Legionellen deutet auf eine erhebliche Biofilm- dementsprechend zu keiner weiteren Zunah- bildung im Kaltwasserventil hin, was mit den me der Legionellen kommen. Materialien im Ventil in Zusammenhang ste- • Für eine in Betrieb befindliche Trinkwas- hen könnte. ser-Installation stellt sich ein spezifisches Legionellenniveau ein. Wird in einer Insgesamt wurde durch die Praxisuntersuchun- Trinkwasser-Installation mehrmals pro Tag gen bestätigt, dass es im Trinkwasserbereich bei das Wasser ausgetauscht, ergibt sich in Ab- Wassertemperaturen von ≤ 25 °C zu keiner Ver- hängigkeit von der Versorgung des Biofilms mehrung von Legionellen kommt. mit Nährstoffen und Bakterien (Anlagerung energie | wasser-praxis 5/2020 39
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG aus der freien Wasserphase) eine bestimmte Bei Einhaltung der Vorgaben in den Regelwer- Biofilmbeschaffenheit und eine dement- ken DIN 1988-200 und VDI/DVGW 6023 sprechende Vermehrungsgeschwindigkeit (04/2013) (d. h. im Kaltwasser wird maximal der Amöben. 30 Sekunden nach Öffnen der Entnahmestel- • Eine Erhöhung der Wassertemperatur mit le eine Temperatur von 25 °C nicht überschrit- > 25 °C führt kurzfristig nicht zu dem glei- ten) wird eine Vermehrung von Legionellen chen Niveau an Legionellen wie ein Dauer- sicher vermieden. betrieb des Systems bei > 25°C. Wird ein System bei einer Wassertemperatur ≤ 25 °C Zeitweise Überschreitungen der Temperatur betrieben, ist keine Vermehrung von Legi- führen nicht zwangsläufig zu einer relevanten onellen gegeben. Eine kurzfristige Tempe- Belastung mit Legionellen, da sich mikrobiolo- raturerhöhung kann zu keiner hohen Legi- gische Prozesse sukzessive auf neue Randbedin- onellenbelastung führen, da keine oder nur gungen einstellen. Kurzzeitige Überschreitun- eine geringe Anzahl mit Legionellen infi- gen der Wassertemperatur um einige Kelvin sind zierter Amöben vorhanden sind. Diese Situ- deshalb unkritisch. ation ist somit als unkritisch einzuschätzen. Werden in dieses System bei durchgehend Welche Überschreitungen der Temperatur über erhöhter Wassertemperatur Legionellen ein- welchen Zeitraum im Hinblick auf die Vermeh- getragen, so nähert sich das Legionellenni- rung von Legionellen akzeptabel sind, ist bisher veau sukzessive dem spezifischen Gleichge- nicht definiert. Hierzu ist weitergehende For- wichtszustand. schung erforderlich. W • Treten in Trinkwassersystemen mit Wasser- temperaturen von < 25 °C bei der Beprobung Literatur [1] Lesnik, R., Brettar, I., Höfle, M.G. (2016): Legionella species Legionellen auf, ist von zeitweise höheren diversity and dynamics from surface reservoir to tap water: from Systemtemperaturen oder punktuellen Wär- cold adaptation to thermophily. The ISME Journal 10. [2] Valster, Rinske M.; Wullings, Bart A.; van der Berg, Riemsdijk; mebrücken auszugehen. Kooij, Dick van der (2011): Relationships between free-Living Protozoa, Cultivable Legionella spp., and Water Quality Characteristics in Three Drinking Water Supplies in the Caribbean. In: Applied And Environmental Microbiology 77 (20), Fazit S. 7321–7328. [3] Isberg, Ralph R.; O‘Connor Tamara J.; Heidtman, Matthew (2009): Aus den Untersuchungen leiten sich im Hin- The Legionella pneumophila replication vacuole: making a cosy blick auf die Definition eines bestimmungsge- niche inside host cells. In: Nature Reviews Microbiology 7, S. 13–24. mäßen Betriebs kaltgehender Trinkwasser- Installationen die folgenden Schlussfolgerun- gen ab: Bei Wassertemperaturen von ≤ 25 °C ist die Stagnationsdauer in Bezug auf Legionellen Die Autoren nicht relevant, da eine Vermehrung von Legi- onellen nicht stattfindet. Bei Wassertempera- Dr. Andreas Korth ist Leiter der Arbeitsgruppe turen von > 25 °C ist die Geschwindigkeit der Wasserverteilung am TZW: DVGW-Technologie- Vermehrung von Legionellen und auch das zentrum Wasser, Außenstelle Dresden. Maximum von den Systembedingungen ab- hängig. Soll für ein System ein spezifischer Dr. Heike Petzoldt ist wissenschaftliche Wert nicht überschritten werden, ist für die Mitarbeiterin am TZW: DVGW-Technologiezentrum Definition eines Betriebsregimes ein spezifi- Wasser, Außenstelle Dresden. sches Untersuchungsprogramm erforderlich. Kontakt: Es sind nur für den Trinkwasserbereich geeig- Dr. Andreas Korth nete Materialien einzusetzen, die die Vermeh- TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser rung von Mikroorganismen nicht durch Außenstelle Dresden Nährstoffabgabe fördern. Dadurch wird eine Wasserwerksstr. 2 Biofilmbildung – und damit die Legionellen- 01326 Dresden vermehrung – begrenzt. Die Materialien müs- Tel.: 0351 85211-0 sen eine Prüfung nach dem DVGW-Arbeits- E-Mail: andreas.korth@tzw.de blatt W 270 bzw. der DIN EN 16421 erfolgreich Internet: www.tzw.de bestanden haben. 40 energie | wasser-praxis 5/2020
Kläranlage der Stadtentwässerung Dresden GmbH Quelle: Stadtentwässerung Dresden GmbH Forschungsprojekt „MikroModell“ untersucht Spurenstoff-Emissionen in der Wassergewinnung – Teil 1 Nach mehrjährigen Untersuchungen hat das Forschungsprojekt „MikroModell“ erste Ergebnisse hinsichtlich der Frage erbracht, wie sich SpurenstoffEmissionen in der Wassergewinnung vermindern oder gar vermeiden lassen. Während der vorliegende erste Teil des Fachbeitrags die Grundlagen des Forschungsvorhabens und dessen Zielsetzung thematisiert, wird der zweite Teil den Abschlussbericht vorstellen und die wesentlichen Ergebnisse des Vorhabens erläutern. von: Gunda Röstel (Stadtentwässerung Dresden GmbH/GELSENWASSER AG) & Lisa Minor (GELSENWASSER Dresden GmbH) Im Jahr 2015 ist das Forschungspro- GELSENWASSER AG. Nun wurde „Mik- der Kläranlagen auf die betrachteten jekt „Entwicklung eines Stoffflussmo- roModell“ mit konkreten Ergebnissen Gewässer. Die Verschreibungsdaten ver- dells und Leitfadens zur Emissions- abgeschlossen. schiedener Arzneimittelwirkstoffe der minderung von Mikroschadstoffen AOK-Sachsen dienten in dem For- im Hinblick auf die Gewässerqualität“ schungsvorhaben als Datenbasis, die Grundlagen des Forschungs (kurz „MikroModell“) an der TU Dres- dann mit Messungen ober- und unter- projekts den unter der Leitung von Prof. Dr. halb der Kläranlagen verglichen wur- Peter Krebs gestartet. Gemeinsam mit Den Kern des Vorhabens bildet ein den. Die Modellierung verknüpfte die den Praxispartnern, dem Zweckver- räumlich und zeitlich hochauflösendes Eingangsdaten der AOK und die Aus- band Wasser und Abwasser Vogtland Stoffflussmodell, welches eine gewäs- gangsdaten der Fließgewässermessung, mit Sitz in Plauen, der eins energie in serbezogene Belastungsbeurteilung in sodass zuverlässige Aussagen zur Fracht- sachsen GmbH & Co. KG mit Sitz in Bezug auf ausgewählte Mikroschadstof- und Konzentrationsentwicklung der Chemnitz und der Stadtentwässerung fe für den Raum Sachsen ermöglicht jeweiligen Stoffe im gesamten Flussge- Dresden GmbH, hat das Projektkon- (Abb. 1). Anhand von Pegeldaten und biet prognostiziert werden konnten. Die sortium untersucht, welche Spuren- chemischen Messungen zu unter- Konsequenzen für das Ökosystem wur- stoff-Emissionen für die jeweiligen schiedlichen Zeitpunkten und an ver- den auf Grundlage von mehreren Mo- Vorfluter von Relevanz sind und wie schiedenen Stellen in den sächsischen nitoringkampagnen und den dadurch sich diese vermeiden oder minimieren Abschnitten der Flüsse Weiße Elster, ermittelten, jeweiligen Belastungskon- lassen. Gefördert wurde das Vorhaben Chemnitz und Elbe konnten zunächst zentrationen von ökotoxikologischen durch die Deutsche Bundesstiftung Aussagen zu Belastungen und zu Eigen- und chemischen Untersuchungen der Umwelt (DBU), das Sächsische Minis- schaften der Fließgewässer am jeweili- Gewässer beschrieben. Das sächsische terium für Energie, Klimaschutz, Um- gen Messpunkt getroffen werden; eine Stoffflussmodell soll künftig auch über welt und Landwirtschaft sowie die besondere Rolle spielt dabei der Einfluss die Landesgrenzen hinaus und für wei- energie | wasser-praxis 5/2020 41
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