Verschwimmende Grenzen, verschobener Äquator - KI - Kälte ...
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Veranstaltungen ebm-papst Innovationsforum Neue Anforderungen an innovative Kältetechnik: Verschwimmende Grenzen, verschobener Äquator Vielfältige Marktanforderungen, klima- und umweltpolitische Initiativen, regulatorische Restriktionen und ein zunehmender Bedarf an kundenindividuellen Lösungen setzen die Entwickler kältetechnischer Anlagen unter anhaltenden Handlungsdruck. Mit Marktentwicklungen, Trends und neuen technischen Ansätzen beschäftigte sich auch das Innovationsforum, das der Ventilatoren- und Motorenhersteller ebm-papst am Unternehmenssitz Mulfingen veranstaltete. Bild: Redaktion Dr. Bruno Lindl, Geschäftsführer Nina Masson, Bild: Redaktion Forschung und Chief Strategy Entwicklung, Advisor/Spe- ebm-papst cial Projects, Gruppe Shecco I m 20. Jahrhundert hat sich die Klimaziele setzen Kältetechnik sind, je nach Entwicklungsstand, bis Menschheit mehr als vervierfacht, unter Handlungsdruck 2047 angelegt. Das Thema bietet also inzwischen leben mehr als sieben Dass die gewaltigen ingenieurtechni- Herausforderungen und Chancen für Milliarden Menschen auf dem Plane- schen Aufgaben, vor der die Kältetech- die nächsten 30 Jahre. ten, rund die Hälfte davon in städti- nik steht, auch unter der starken Res- Vor allem die Vorgabe, das durch- schen Ballungsräumen. Bis 2050 soll triktion umwelt- und klimapolitischer schnittliche Treibhauspotenzial der dieser Anteil auf 70 % steigen. Aus Ziele steht, verdeutlichte im Rahmen F-Gase von derzeit rund 2.000 auf 400 dieser „unglaublichen Bevölkerungs- des Mulfinger Innovationsforums Nina bis 2030 über alle Sektoren hinweg zu dichte“ erwachsen enorme Anforde- Masson, Chief Strategy Advisor/Special senken, sorgt für zunehmenden Hand- rungen an die Nahrungsmittelkette, Projects, beim internationalen Markt- lungsbedarf bei Herstellern und An- aber auch an Kältebedarf und Klimati- wendern. Besonders die Be- sierung. Daraus leitet Dr. Bruno Lindl, reiche der gewerblichen Käl- Geschäftsführer Forschung und Ent- In Bereichen, in denen Grenzwerte teanlagen sowie Zentralanla- wicklung der ebm-papst Gruppe, einen festgelegt wurden, geht die gen, die bis zum Jahr 2022 starken Handlungsdruck für die Her- ein GWP von 150 erreichen steller ab, mit entsprechenden innovati- Innovation wesentlich schneller müssen, sind stark betroffen. ven Lösungen für effiziente und sichere Bei beweglichen Raumkli- Industrie- und Gewerbeprozesse, aber forschungsunternehmen Shecco, mit maanlagen gilt dieser Grenzwert bereits auch für die Versorgung der privaten einem aktuellen Blick auf den Status ab 2020. Inzwischen ist, so Masson, Haushalte zu sorgen. Der Umgang mit quo der natürlichen Kältemittel. Aus auch „bereits viel passiert“. So sei es der dafür erforderlichen elektrischen den Vereinbarungen des Pariser Klima- „erstaunlich“, dass laut Shecco-Umfra- Energie, aber auch mit der bei kälte- abkommens sowie des Kigali Amend- ge unter 230 europäischen Industrieun- technischen Anwendungen bewegten ments leitet Masson die klare Botschaft ternehmen schon 73 % Maßnahmen Luft müsse allerdings möglichst effizi- ab, das FKW keine langfristige Option bereits vor dem Inkrafttreten getroffen ent, bedarfsgerecht und geräuscharm weltweit mehr sind. Die Einzelziele haben. Dies gelte sowohl für Systeman- sein. müssen ab 2019 erreicht werden und bieter wie Endnutzer. Dabei zeige sich 26 KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 08-09 2017 www.ki-portal.de
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Veranstaltungen ebm-papst Innovationsforum deutlich, dass „in Bereichen wie Ge- CO2 und HFKW vergleichbar oder ma- zung von Anfang 2017 von mehr als werbekälte, in denen diese Grenzwerte ximal 5-10 % höher. Dieser Trend soll 1.500.000 Systemen weltweit aus. Al- festgelegt wurden, die Innovation auch anhalten, mit zunehmender Serienfer- lein AHT als Marktführer bei R290- wesentlich schneller vor sich geht“. An- tigung und mehr Anwendungsberei- Systemen produziert mehr als 300.000 dere Sektoren wie Wärmepumpen und chen. Systeme pro Jahr. Zudem sind Plug-in Klimaanlagen, die keinen spezifischen Die Anzahl der CO2-Supermärkte in R290-Systeme in Europa und zuneh- Grenzwerten unterliegen, weisen einen der EU, in Norwegen sowie in der mend in den USA eine Realität, finden wesentlich geringeren Anstieg an na- Schweiz hat sich in den letzten drei Jah- aber auch weltweit immer mehr Ver- türlichen Kältemitteln auf. ren verdreifacht und überschreitet in breitung. Aktuell hat sich die belgische Laut Shecco arbeiten inzwischen eu- diesem Jahr die 9.000. Der Marktanteil LEH-Kette Colruyt entschieden, zu ropaweit etwa 650 Unternehmen mit im LEH liegt bei 8 %. Einzelne Handels- 100 % auf Kohlenwasserstoffe zu set- natürlichen Kältemitteln, deutlich vor- ketten rollen diese CO2-Anwendungen zen. ne liegen dabei Deutschland, UK sowie zunehmend auch international aus. Als dritten technologischen Trend Italien. Vor allem in Südeuropa gibt es Bei den Kohlenwasserstoffen gehen nannte Masson eine verschwimmende WITT-Partner-JP-iA-142x200-2017_PRINT.qxp 09.08.17 eine neue Dynamik in diese Richtung. die Forscher nach einer Marktschät- Grenze zwischen kommerzieller und Global betrachtet zeichnen sich sehr unterschiedliche Entwick- lungen ab. Während die USA mit ihrem Ausstieg aus dem Pariser Abkommen sich klimapolitisch auf dem Niveau von Nicaragua und Syrien befinden, haben Chi- na und Japan den Zug der Zeit erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Auch einzelne US-Bundesstaaten ver- folgen bereits eine eigene Strate- gie: So verbietet Kalifornien ab 2020 den Verkauf von Kältemit- teln mit hohem GWP (>2500) und ab 2021 Kältemittel mit ei- nem GWP über 150 in neuen stationären Kälteanlagen sowie über 750 in Klimaanlagen. Natürliche Kältemittel in gewerblichen Anwendungen Als Haupttechnologietrends im Bereich der Gewerbekälte identi- fiziert Shecco Ejektoren, Parallel- verdichtung und Waterloop Sys- teme. Im europäischen Lebens- mitteleinzelhandel (LEH) geht der Trend bei den CO2-Lösungen hin zu kleineren, standardisier- ten Systemen (auch condensing units), auch für kleine Ladenfor- mate. Zudem werden CO2-Anla- gen zunehmend auch in Südeu- ropa eingesetzt, das den Fokus stärker auf die Energieeffizienz legt. Der europäische „Effizienz- Äquator“, so Masson, verschiebt sich also in Richtung Süden. Dabei sinken die Preise von CO2 Transkritischen Anlagen. Die Kosten nähern sich denen von HFKW-Anlagen konstant an, be- sonders dort, wo der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbie- tern wächst. In der kommerziel- len Kälte sind Preise zwischen www.ki-portal.de KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 08-09 2017 27
Veranstaltungen ebm-papst Innovationsforum Bild: Redaktion Christoph Jahnke, Sean Chapman, Vertriebsleiter, Bild: Redaktion Director Engi- Hafner-Muschler neering, Carrier Kälte- und Klima- Commercial technik GmbH & Refrigeration Co. KG industrieller Kälte. Die Kombination mehr kleine Formate in den Stadtzent- der Carrier-Experte. Entsprechend aus CO2 und Ammoniak findet auch im ren entstehen. müsse ein Kältetechnik-Anbieter künf- LEH immer mehr Anklang. So nutzt Hinzu kommt ein weiterer Trend: tig sehr viele unterschiedliche Formate bereits die US-Kette Piggly Wiggly NH3/ Neben dem anhaltenden Konsum von bedienen können. CO2-Systeme und sparte mit dieser Convenience-Food tritt eine zuneh- Kombination 33 % der Energiekosten mende Rückbesinnung auf Frischware. Keine pauschalen Kältelösungen ein, insgesamt rund 75.000 US-Dollar. Daher ist in vielen Märkten ein sehr für Tiefkühllager starker Ausbau dieses zudem margen- Wie individuell Kältelösungen je nach Flexible Kältesysteme stärkeren Geschäfts – mit einem ent- Kundenanforderung bereits heute sein für neue Handelsformate sprechend zunehmenden Kühlbedarf – müssen, zeigte Christoph Jahnke, Ver- Sean Chapman, Director Engineering, festzustellen. Dies gilt auch für die be- triebsleiter, Hafner-Muschler Kälte- Carrier Commercial Refrigeration, stell- sonders in Deutschland starken Dis- und Klimatechnik GmbH & Co. KG, am te die Zukunft des Supermarktes, wie counter. Neue Produkte wie Smoothies Beispiel von Tiefkälte in Logistiklagern wir ihn spätestens seit den 1970er-Jah- sorgen für zusätzliche Nachfrage nach auf. Hier existieren unterschiedlichste ren kennen, in Frage: „Alles wird an- effizienten Kühllösungen. Und: Libera- Lagertypen, die sich nicht nur nach Flä- ders, die bisherigen Vorsätze gelten lisierte Ladenöffnungszeiten und flexib- che, Höhe, Hallengeometrie, Regalsys- nicht mehr“. Das Kernproblem bestehe lere Arbeitszeiten verändern, verschie- temen, Umschlagzahlen und Platzbe- im Fehlen einer integrierten Lösung für ben und individualisieren die Einkaufs- darf unterscheiden, sondern auch nach die gesamte Kühlkette: „Jeder sieht zeiten. Eine Folge ist der zunehmende Temperatur, Inneren Lasten, Kälteleis- heute nur einen Teil des Problems“. Um Einsatz gekühlter Schließfächer. Die tungen, Umweltauflagen oder Betrei- die gewaltige Müllmenge ungenutzter Konsequenz: „Wir werden viele kleine berpersonal. Hinzu kommen mieterin- und verdorbener Lebensmittel zu besei- unterschiedliche Lösungen haben mit dividuelle Anforderungen an die Flexi- tigen, dürften in Zukunft vielfältige viel mehr Flexibilität“, prognostiziert bilität. Anforderungen von Seiten des Handels, Anhand eines Planungs- aber auch der Konsumenten auf die beispiels für ein Tiefkühlla- Anbieter kältetechnischer Lösungen zu- ger mit einer Kälteleistung kommen. Die verschärften gesetzlichen von 350 kW bei einer Ver- Anforderungen werden, so Chapman, dichter-Betriebszeit von 16 in den nächsten Jahren „zu einem rich- Stunden zeigte Jahnke auf, tigen Schub in der Kältetechnik“ füh- welche Faktoren bei drei un- ren. Dazu werde auch der Online-Han- terschiedlichen Anlagenty- del beitragen, der bisher im Lebensmit- pen mit dem Vorrang natür- telbereich noch hinter den Erwartun- licher Kältemittel besonders gen zurückbleibt, künftig aber stark hervorstechen: eine zweistu- wachsen soll. Während in Deutschland fige Ammoniak-Anlage, eine die relativ hohe Supermarkt-Dichte Propan-CO2-Kaskade sowie diesen Trend bremse, habe Online- eine CO2-Booster-Anlage im Shopping von Lebensmitteln in UK be- transkritischen Betrieb. reits einen Marktanteil von 6-8 %. Vor drei Jahren lag dieser Anteil noch bei Bild: Redaktion 2 %. Zudem werde der demografische Ralf Möller, Effektivplan GbR Wandel dazu führen, dass anstelle gro- Ingenieurbüro für Verfahrens- ßer Märkte an den Rändern immer und Anlagentechnik 28 KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 08-09 2017 www.ki-portal.de
Veranstaltungen ebm-papst Innovationsforum In der Kälteerzeugung ergab sich gegenüber der als Benchmark gewähl- ten NH3-Anlage im Fall der Propan- CO2-Kaskade ein Energiemehrbedarf von knapp 5 %, im Fall des CO2-Boos- ters von gut 6 %. Thermodynamisch erweist sich NH3 als das beste Kältemit- tel. Unter Einbeziehung aller Hilfsag- gregate sind die Lösungen Propan/CO2 um gut 11 % bzw. CO2-Booster um knapp 10 % sparsamer gegenüber NH3. Fazit: Im mittelgroßen Leistungsbereich erweist sich die Propan/CO2-Kaskade als Lösung mit der höchsten Gesamtan- lageneffizienz. Allerdings müssen wei- tere Faktoren berücksichtigt werden, da der Einsatz von CO2 im Tiefkühlbereich beispielsweise die Stahlbaukosten für Trassen und Bühnen verringert. Bild: ebm-papst Eine Reduzierung der inneren Las- ten lässt sich beispielhaft auch durch den Einsatz von EC-Lüftern erreichen. Die Kosten hierfür amortisieren sich Innovative Ansätze in der Kältetechnik beschäftigten das ebm-papst Innovationsforum. Dazu nach etwa einem Jahr. Weitere Vorteile gehört mit „AxiCool“ auch ein Ventilator-Konzept des Veranstalters. durch den Einsatz der EC-Technologie und der direkten Ansteuerung der Komponenten abhängt, die gesamte auf alle Bereiche aus. Wir haben einen Drehzahl liegen in deren Anpassung in Energieeffizienz also auf einem durch- Riesenvorteil und können richtig Geld Abhängigkeit von der Raumtemperatur dachten Konzept für den jeweiligen sparen“, so Möller. sowie in der Möglichkeit, in bestimm- Anwendungsfall basiert, verdeutlichte Die richtige Regelung der Verdichter ten Bereichen wie der Kommissionie- Ralf Möller vom Ingenieurbüro für Ver- führt ebenfalls zu einer Betriebskosten- rung die Drehzahl auch reduzieren zu fahrens- und Anlagentechnik Effektiv- ersparnis: So liegt das Wirkungsgrad- können. plan GbR: „Sie können so viele Kompo- maximum der Kolbenverdichter bei mi- Neue Optionen schaffen Container- nenten einsetzen, wie Sie wollen, mit nimaler Drehzahl, bei Schraubenver- lösungen, die als fertiger Maschinen- dem falschen Konzept machen Sie den dichtern bei maximaler Drehzahl. Mit raum u.a. mit Kälteanlage, Heizung und kompletten Wirkungsgrad kaputt“. Zu- abnehmender Verflüssigungstempera- Schaltschrank kurze Montagezeiten auf dem sei eben nicht die Wirkungsgrad- tur wirkt sich das Wirkungsgradmaxi- der Baustelle er- verbesserung mum der Kolbenverdichter stärker aus. möglichen. Gera- an einem Punkt Weitere Einflussfaktoren auf den Ener- de für Renovie- Anlagenplaner sollten dem der Anlage, giebedarf der Kälteanlage kommen hin- rungen und Er- Kunden genau zuhören und sondern der Ge- zu, etwa mangels Wartung verkalkte weiterungen er- samtanlage ent- Verflüssiger. weist sich diese hinterfragen, was der Kunde scheidend – und Gerade bei der Nutzung einer Zent- Lösung als zweck- wirklich erreichen will zwar über die ralkälteanlage spielt ein sinnvolles La- mäßig. Zudem gesamte Le- gerkonzept eine entscheidende Rolle, kann der Energie- bensdauer. Am um das Energieeinsparpotenzial zu he- verbrauch bei mehreren Hallen klar zu- Beispiel eines Tiefkühllagers zeigte Möl- ben. Denn wenn ein besonderes Lager- geordnet werden. Last not least kann ler, inwiefern die richtige Dimensionie- gut in einem Lagerbereich eine niedri- der Betreiber die Anlage bei einem rung der Lüftkühler den Energiever- gere Lagertemperatur benötigt, muss Standortwechsel mitnehmen und bis zu brauch der Anlage positiv beeinflussen die Verdampfungstemperatur der Ge- 75 % seiner Investitionen erhalten. kann. Dabei spielen gerade in Frischela- samtanlage reduziert werden. Auch wenn einzelne Faktoren dieser gern mit heterogenem Produktspekt- Abschließend empfahl Möller den Beispielannahmen sehr selektiv und im rum Faktoren eine entscheidende Rol- Anlagenplanern, dem Kunden genau Detail nur unter Einschränkungen ver- le, die bereits in der Konzepterstellung zuzuhören und zu hinterfragen, was gleichbar sind, so dürfte doch die Quint- berücksichtigt werden müssen. So be- der Kunde wirklich erreichen will: essenz der Individualität jeder Anlage stimmt häufig der kleinste Bereich (z. B. „Häufig ist das, was der Kunde sagt, klar belegt sein. Kühlung von Fleisch) über die Tempe- nicht das, was er wirklich will. Die Lö- ratur der gesamten Anlage. Im Beispiel sung, die er präsentiert, muss wirklich Mit dem passenden Konzept kann die Kälteerzeugung bei einer um geprüft werden. Erst dann kann das richtig Geld sparen 4 °C niedrigeren Verdampfungstempe- richtige Konzept mit den passenden In welchem Maß die Wirtschaftlichkeit ratur erfolgen. Der Energiebedarf am Komponenten ausgewählt werden.“ n einer Kälteanlage von einer wirtschaft- Verdichter sinkt im Jahresmittel um ca. lichen Betriebsweise und optimierten 15 %. „Diese Ersparnis wirkt sich aber www.ebmpapst.com www.ki-portal.de KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 08-09 2017 29
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