VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...

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VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
VGB-Studie

Windenergie in Deutschland und Europa.
Status quo, Potenziale und
Herausforderungen in der
Grundversorgung mit Elektrizität
Teil 1: Entwicklungen in Deutschland
seit dem Jahr 2010
Thomas Linnemann und Guido S. Vallana

Erschienen in VGB POWERTECH 6 (2017)
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
VGB PowerTech 6 l 2017                                                                     Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1

Windenergie in Deutschland
und Europa
Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der
Grundversorgung mit Elektrizität
Teil 1: Entwicklungen in Deutschland seit dem Jahr 2010
Thomas Linnemann und Guido S. Vallana

Abstract                                            Die installierte Nennleistung sämtlicher        Länder, veröffentlicht durch die nationalen
                                                    Windenergieanlagen in Deutschland hat           und europäischen Übertragungsnetzbetrei­
Wind energy in Germany and Europe                   sich in den letzten 16 Jahren, von Anfang       ber im Internet.
Status, potentials and challenges for               2001 bis Ende 2016, auf 50.000 Megawatt         Die VGB-Windstudie 2017 besteht aus
baseload application                                (MW) verachtfacht. In 18 betrachteten eu­       zwei Teilen: Im ersten Teil geht es um lang­
Part 1: Developments in                             ropäischen Ländern, die Windenergie heu­        jährige Entwicklungen in Deutschland im
Germany since 2010                                  te nutzen, erhöhte sich die Nennleistung        Zeitraum von 2010 bis 2016. Der zweite
                                                    im gleichen Zeitraum um das Zwölf­fache         Teil behandelt die Windenergienutzung in
In Germany the installed nominal capacity of        auf mehr als 150.000 MW.
all wind turbines has increased eightfold over                                                      18 Ländern Europas im Jahr 2016 und geht
the last 16 years to 50,000 megawatts today.        Eine wesentliche physikalische Eigenschaft      der Frage nach, ob im europäischen Netz­
In the 18 most important European countries         der Windenergie ist ihre starke raumzeit­       verbund gemäß dem Motto „irgendwo
using wind energy today, the nominal capacity       liche Variation aufgrund der Fluktuationen      weht immer Wind“ ausreichende gegen­
rose by twelve times to more than 150,000           der Windgeschwindigkeit. Meteorologisch         seitige Ausgleichsmöglichkeiten bestehen.
megawatts.                                          betrachtet wird die aus Windenergieanla­
One essential physical property of wind energy      gen eingespeiste elektrische Leistung           Einleitung
is its large spatiotemporal variation due to        durch Wetterlagen mit typischen Korrelati­
wind speed fluctuations. From a meteorologi-        onslängen von mehreren hundert Kilome­          Vor dem Hintergrund internationaler Kli­
cal point of view, the electrical power output of   tern bestimmt. Im Ergebnis ist die aufsum­      maschutzverpflichtungen verfolgt die
wind turbines is determined by weather condi-       mierte eingespeiste Leistung der europa­        deutsche Bundesregierung einen als Ener­
tions with typical correlation lengths of several   weit über mehrere tausend Kilometer             giewende 1) bezeichneten ambitionierten
hundred kilometres. As a result, the total wind     sowohl in Nord-Süd- als auch Ost-West-          Umbau vor allem der Elektrizitätsversor­
fleet output of 18 European countries extend-
                                                    Richtung verteilten Windenergieanlagen          gung, der mit einem Verzicht auf jahrzehn­
ing over several thousand kilometres in north-
south and east-west direction is highly volatile    hoch volatil, gekennzeichnet durch ein          telang bewährte Kraftwerkstechnik ein­
and exhibits a strong intermittent character.       breites Leistungsspektrum.                      hergeht und auf die Bereitstellung elektri­
An intuitively expectable significant smooth-       Die intuitive Erwartung einer deutlichen        scher Energie aus regenerativen Energien
ing of this wind fleet output to an amount,         Glättung der Gesamtleistung in einem            ausgerichtet ist.
which would allow a reduction of backup pow-        Maße, das einen Verzicht auf Backup-Kraft­      Aus diesen energiepolitischen Zielvorga­
er plant capacity, however, does not occur. In
                                                    werksleistung ermöglichen würde, tritt al­      ben resultiert ein Mangel an kraftwerks­
contrast, a highly intermittent wind fleet pow-
er output showing significant peaks and mini-       lerdings nicht ein. Das Gegenteil ist der       technischen Alternativen für eine bedarfs­
ma is observed not only for a single country,       Fall, nicht nur für ein einzelnes Land, son­    gerechte Grundversorgung mit Elektrizität
but also for the whole of the 18 European           dern auch für die große Leistungsspitzen        sowie an nutzbaren Energieträgern, dem
countries. Wind energy therefore requires a         und -minima zeigende Summenzeitreihe            die momentane Konzentration auf Solar­
practically 100 % backup. As the (also com-         der Windstromproduktion 18 europäischer         energie (Photovoltaik) und Windenergie
bined) capacities of all known storage tech-        Länder. Für das Jahr 2016 weist die ent­        als Hoffnungsträger der Energiewende ge­
nologies are (and increasingly will be) insig-      sprechende Zeitreihe (Stundenwerte) ei­         schuldet ist:
nificant in comparison to the required de-          nen Mittelwert von 33.000 MW und ein
mand, backup must be provided by                                                                    Kernenergie ist hierzulande wie Braun-
                                                    Minimum von weniger als 6.500 MW auf.           und Steinkohle 2) energiepolitisch uner­
conventional power plants, with their business
                                                    Dies entspricht trotz der europaweit verteil­   wünscht.
cases fundamentally being impaired in the ab-
sence of capacity markets.                     l   ten Windparkstandorte gerade einmal 4 %
                                                    der in den betrachteten 18 Ländern insge­
                                                                                                    1   Unter dem Begriff der Energiewende ist ei­
                                                    samt installierten Nennleistung.
                                                                                                        gentlich eine Stromwende zu verstehen: Der
                                                    Windenergie trägt damit praktisch nicht             Anteil elektrischer Energie am Endenergie­
                                                    zur Versorgungssicherheit bei und erfor­            einsatz in Deutschland beträgt heute 21 %,
                                                    dert 100 % planbare Backup-Systeme nach             der Anteil der dafür in den Kraftwerken einge­
                                                    heutigem Stand der Technik.                         setzten Primärenergie am Primärenergieauf­
                                                                                                        kommen Deutschlands beträgt 31 %, so dass
                                                    Die VGB-Geschäftsstelle ist Fragen zur              Deutschland nach vollständiger Umsetzung
                                                    Windenergienutzung in Deutschland und 17            der Stromwende erst ein überschaubares Teil­
                                                    europäischen Nachbarländern nachgegan­              stück des Gesamtweges zurückgelegt haben
  Autoren                                           gen und hat im Rahmen eines Faktenchecks            wird [1, 2].
                                                                                                    2   Diese Aussage gilt mangels öffentlicher Ak­
                                                    Plausibilitätsbetrachtungen durchgeführt.
  Thomas Linnemann                                                                                      zeptanz auch für Kraftwerkstechnologien mit
  Guido S. Vallana                                  Die Betrachtungen beruhen auf frei zu­              Abscheidung von Kohlendioxid aus dem
  VGB PowerTech e.V., Essen, Deutschland            gänglichen Realdaten zur elektrischen Leis­         Rauchgas und nachgelagerter Speicherung
                                                    tungseinspeisung aus Windenergie für 18             des Kohlendioxids im Untergrund.

                                                                                                                                                  65
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1                                                                  VGB PowerTech 6 l 2017

Erdgas gilt vor dem Hintergrund der Kli­      fert die Photovoltaik zudem deutlich gerin­    Hierzulande können alle Pumpspeicher­
maschutzbestrebungen Deutschlands al­         gere Beiträge zur Stromversorgung als in       kraftwerke zusammengerechnet im Turbi­
lenfalls als Brückentechnologie, da auch      Sommermonaten.                                 nenbetrieb mit einem vollständigen Entla­
bei seiner Nutzung und Verbrennung so­        Windenergie ist ebenfalls allein unzurei­      dezyklus über rund sechs Stunden eine
wohl Kohlendioxid- als auch Methan-Emis­      chend, denn als dargebotsabhängige Ener­       elektrische Leistung von rund 7.000 MW
sionen entstehen, allerdings in etwas ge­     gieform ist sie unstet verfügbar. Eine we­     erbringen und rund 0,04 Terawattstunden
ringerem Umfang als bei anderen kohlen­       sentliche physikalische Eigenschaft der        (TWh) an elektrischer Energie liefern. Da­
wasserstoffbasierten Brennstoffen. Ein        Windenergie ist ihre starke raumzeitliche      nach sind die oberen Speicherbecken erst
weiterer Aspekt: Bei künftig verstärkter      Variation aufgrund der Fluktuationen der       wieder im Pumpbetrieb unter Aufnahme
Nutzung dieses heute vorwiegend für Pro­      Windgeschwindigkeit. Meteorologisch be­        elektrischer Energie aufzufüllen. Dazu ein
zesswärme- und Heizzwecke sowie als           trachtet wird die aus Windenergieanlagen       beispielhaft-perspektivischer Ausblick auf
Grundstoff in der chemischen Industrie        in das Stromnetz eingespeiste elektrische      Deutschland: Allein zur Überbrückung ei­
eingesetzten Primärenergieträgers im          Leistung durch Wetterlagen mit typischen       ner hierzulande nicht seltenen zweiwöchi­
Stromsektor würde sich Deutschlands oh­       Korrelationslängen von mehreren hundert        gen Schwachwindphase im Winterhalbjahr
nehin schon hohe Abhängigkeit von             Kilometern bestimmt.                           („Dunkelflaute“) wären rund 21 TWh zur
Import­energien weiter erhöhen. Weitere                                                      Deckung des Strombedarfes über ein Back­
Nachteile sind hohe Kosten, die für diesen    Im Ergebnis ist die aufsummierte Leistung      up-System bereitzustellen 5).
zusätzlichen Nutzungszweck fehlenden          aus Windenergieanlagen hoch volatil und
                                              durch ein breites Leistungsspektrum ge­        Sollten diese 21 TWh aus Pumpspeicher­
Erdgasspeicher und die mangelnde Akzep­                                                      kraftwerken mit einer Leistung von durch­
tanz gegenüber der für eine Erweiterung       kennzeichnet, das große Leistungsspit­
                                              zen und Leistungsminima zeigt. Für eine        schnittlich rund 200 MW 6) über einen ma­
der heimischen Erdgasförderung notwen­                                                       ximal möglichen sechsstündigen Turbi­
digen Fracking-Technik.                       gleichermaßen sichere wie zuverlässige
                                              Elektrizitätsversorgung ist die dargebots­     nenbetrieb gedeckt werden, wären 17.500
Biomasse ist nur eingeschränkt verfügbar,     abhängige Windenergie wie Photovoltaik         zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke die­
begünstigt die Entstehung und Ausweitung      auf Komplementärtechnologien angewie­          ser Größe vonnöten. Zum Vergleich: Das
von Monokulturen mit absehbaren Konse­        sen, die bei Abweichungen von prognosti­       derzeit größte Pumpspeicherkraftwerk
quenzen für die Biodiversität und steht in    zierten Leistungseinspeisungen, Schwach­       Deutschlands im thüringischen Goldisthal
Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduk­          windphasen oder Sturmabschaltungen             mit einer Nennleistung im Turbinenbe­
tion. Abseits daraus ableitbarer ethischer    kurzfristig einspringen können müssen.         trieb von 1.060 MW liefert im Anforde­
Fragen muss Biomasse aus Sicht der Wis­                                                      rungsfall über maximal acht Stunden rund
senschaft zukünftig perspektivisch eher für   Als Komplementärtechnologien für diese         0,009 TWh Energie. Vergleichbar günstige
                                              Backup-Funktion kommen heute grund­
die Versorgung Deutschlands mit Kraft-                                                       topografische Standorte sind in Deutsch­
und Treibstoffen zur Verfügung stehen.        sätzlich in Bereitschaft vorgehaltene kon­     land allerdings äußerst rar.
                                              ventionell fossil befeuerte Kraftwerke,
Wasserkraft ist hierzulande ebenfalls nur     Kernkraftwerke oder Pumpspeicherkraft­         Der mitunter propagierte mehrstufige che­
eingeschränkt verfügbar. Ihr Ausbaupoten­     werke in Frage.                                misch-verfahrenstechnische Umwand­
zial ist begrenzt und heute praktisch weit­                                                  lungsprozess einer Wasserstoff-Elektrolyse
                                              Kernkraftwerke, Braun- und Steinkohle­
gehend ausgeschöpft.                                                                         mit nachgeschalteter Methanisierung des
                                              kraftwerke sind hierzulande allerdings po­
Geothermie weist im Vergleich mit Was­                                                       Wasserstoffgases unter Zufuhr von Kohlen­
                                              litisch nicht mehr erwünscht und Erdgas­       dioxid, auch als Power-to-gas-Verfahren
serdampfkreisläufen konventioneller           kraftwerke als Brückentechnologien allen­
Kraftwerke deutlich niedrigere Tempera­                                                      bezeichnet, ist bei seriöser Bewertung
                                              falls für begrenzte Zeiträume politisch        nicht als Energiespeicherprozess zu be­
turniveaus auf und kommt allenfalls in        vertretbar, da sie weiterhin Kohlendioxid
bestimmten Regionen Deutschlands für                                                         zeichnen, sondern „Energievernichtung“:
                                              freisetzen und mit ihnen die ohnehin be­       Während bei Pumpspeicherkraftwerken
eine Stromerzeugung über andere Ar­           reits hohe Abhängigkeit von der Import­
beitsmedien als Wasser 3) sinnvoll in Be­                                                    etwa 25 % der Eingangsenergie verloren
                                              energie Erdgas weiter zunehmen würde.          gehen und somit 75 % nach der Speiche­
tracht. Ihr Ausbaupotenzial ist äußerst
begrenzt, und ihr Beitrag zur Stromver­       Ein Ausbau jahrzehntelang erprobter und        rung als Nutzenergie zur Verfügung ste­
sorgung dürfte in absehbarer Zukunft          bewährter Pumpspeicherkraftwerke, der          hen, sind beim mehrstufigen Power-to-gas-
überschaubar bleiben.                         bisher einzigen großtechnisch verfügbaren      Umwandlungsprozess von der Wasserstoff-
                                              Speichertechnologie, wäre zwar wün­            Elektrolyse über die Methanisierung und
Weitere Optionen wie Deponie-, Klär- und      schenswert, ist aufgrund der topografi­        Speicherung im Gasnetz bis zum Brenn­
Grubengas oder Hausmüll (biogener An-         schen Gegebenheiten Deutschlands jedoch        stoffeinsatz in Gaskraftwerken Verluste
teil) liefern heute einen begrenzten Bei­     sehr begrenzt möglich und stößt aufgrund
trag von etwa 5 % zur Stromversorgung         sichtbarer Umwelteingriffe bei den zu er­      3   Aufgrund des geringen zur Verfügung stehen­
Deutschlands. Ihr Ausbaupotenzial dürfte      richtenden Speicherbecken nicht selten             den Temperaturgefälles zwischen Wärme­
ebenfalls überschaubar sein.                  auf Akzeptanzprobleme, vor allem in der            quelle und -senke kommen häufig organische
Damit verbleiben unter den heutigen ener­     Lokalbevölkerung.                                  Fluide mit relativ niedrigen Siedetemperatu­
                                                                                                 ren zum Einsatz, weswegen solche Kreispro­
giepolitischen Rahmenbedingungen prak­        Ein weiterer Aspekt: Heutige Pumpspei­             zesse im englischsprachigen Raum auch Or­
tisch nur Solarenergie (Photovoltaik) und     cherkraftwerke waren seit jeher auf den            ganic Rankine Cycle (ORC) heißen.
Windenergie als weiter ausbaufähige Tech­     Bedarf von konventionellen Kraftwerken         4
nologien für die angestrebte Energiewende.                                                       Bedarfsspitzen treten jeweils etwa zur Mit­
                                              ausgerichtet und für den kurzfristigen Spit­       tagszeit und in den frühen Abendstunden auf.
Solarenergie ist allerdings allein unzurei­   zenlastausgleich über den Tagesverlauf 4)          In den späten Nachtstunden erreicht die
chend und erfordert Komplementärtech­         ausgelegt. Für einen zukünftig verstärkt           Nachfrage nach elektrischer Energie regelmä­
nologien zur Überbrückung von Tages-          notwendigen saisonalen Ausgleich wären             ßig ihr Minimum.
und Jahreszeiten, in denen Solarstrahlung     Pumpspeicherkraftwerke mit großen              5   Bei einem inländischen Gesamtstromver­
nur in geringem Umfang oder gar nicht         Speicherbecken für Arbeitsvolumina im              brauch (inklusive Netzverluste) von rund 550
verfügbar ist: Tagsüber − etwa bei dichter    ein- bis zweistelligen Terawattstundenbe­          TWh pro Jahr beträgt der zu deckende durch­
Bewölkung − kann der Beitrag der Photo­       reich erforderlich. Die entscheidende Fra­         schnittliche Tagesbedarf 1,5 TWh.
voltaik zur Stromversorgung sehr deutlich     ge lautet, ob sich für saisonale Zwischen­     6   Dies entspricht der durchschnittlichen Leis­
eingeschränkt sein, während nachts kein       speicherzwecke ausgelegte Großanlagen              tung eines deutschen Pumpspeicherkraft­
Beitrag möglich ist. In Wintermonaten lie­    überhaupt rentabel betreiben ließen.               werks im Turbinenbetrieb.

66
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
VGB PowerTech 6 l 2017                                                                Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1

von mindestens vier Fünfteln der elektri­     lich mitzutragen, wenn deren Ausmaß              aufzubauen wäre 11). Etwa ein Viertel dieser
schen Eingangsenergie zu erwarten, wenn       sichtbar wird und sich im alltäglichen Le­       Liefermenge würde mindestens als Über­
intermittierende Betriebsweise sowie Her­     bensumfeld der Bürger auswirkt.                  schussenergie anfallen. Zusätzlich wären
kunft und Energieaufwand des Kohlendi­        Weitere als Alternative zum Aufbau der be­       von einem Jahr auf das andere Jahr wetter­
oxids für den Methanisierungsschritt seri­    nötigten Backup-Systeme diskutierte              bedingte Schwankungen dieser Liefermen­
ös einkalkuliert werden [3]. Die Kosten der   Optionen sind die Absenkung (Effizienzstei­      ge von etwa ±15 % einzukalkulieren.
elektrischen Ausgangsenergie müssten in       gerungen) und Steuerung des Endenergie­          Zur Gewährleistung der Versorgungssi­
diesen Fällen um mindestens das Fünffa­       verbrauches (Lastmanagement). Angesichts         cherheit und im Sinne einer zusammenfas­
che höher sein als die Kosten der elektri­    der Entwicklungen beim Bruttoinlands­            senden Betrachtung wären außerdem
schen Eingangsenergie.                        stromverbrauch in Deutschland in den letz­       Backup-Leistungen von etwa 89 % der Jah­
Dazu ein Beispiel: Für jede EEG-geförder­     ten 16 Jahren, der bei beträchtlichen Effizi­    reshöchstlast in Deutschland vorzuhalten.
te 7) elektrische Kilowattstunde aus Wind­    enzanstrengungen um durchschnittlich             Weitere Analysen [1] zur Speicherung der
energie war im zurückliegenden Jahr 2016      0,2 % pro Jahr gestiegen ist, und gleichzeiti­   volatilen elektrischen Leistungsabgabe aus
eine Vergütung von durchschnittlich           ger Zukunftsstrategien, die zum Beispiel für     Windenergie- und Photovoltaikanlagen in
9 €Ct/kWh fällig. Der Markterlös betrug       einen Ausbau der Elektromobilität oder           Deutschland geben zusätzliche Hinweise,
2 €Ct/kWh, so dass nicht-privilegierte        elektrisch betriebener Wärmepumpen plä­          wie groß diese Herausforderungen sind.
Endverbraucher in Deutschland Mehrkos­        dieren, mit denen die Nachfrage nach Elekt­
                                              rizität weiter ansteigen würde, scheint mehr     Die hierzulande geübte Praxis eines Kapa­
ten von 7 €Ct/kWh zu tragen hatten [4].
                                              Realismus angeraten, insbesondere hin­           zitätsmarktes „im stillen Kämmerlein“, bei
Eine Kilowattstunde (kWh) elektrischer                                                         dem die Bundesnetzagentur zur Abschal­
Ausgangsenergie aus einer Power-to-gas-       sichtlich der Bereitschaft der Bevölkerung
                                              für ein auf Suffizienz ausgerichtetes Grund­     tung angemeldete konventionelle Kraft­
Anlage würde heute bei wirtschaftlicher                                                        werke aus Sicht der Stromnetzstabilität als
Betriebsweise mit Windstrom als elektri­      verhalten.
                                                                                               systemrelevant einstuft und Vorhaltkosten
scher Eingangsenergie demnach mindes­         Andere öffentlich und medial diskutierte         für diese Kraftwerke über Netzentgelte auf
tens 45 €Ct/kWh kosten müssen. Darin sind     Speicheroptionen wie Batterien, Elektro­         alle Endverbraucher umlegt, erscheint als
weder notwendige Gewinne des Power-to-        mobilität, Betonkugeln am Meeresboden            sehr fragwürdiger Ansatz. Hier wäre an­
gas-Anlagenbetreibers, noch die Netzent­      oder Ringwallspeicher verkennen gemein­          stelle staatlicher Eingriffe und im Verbrau­
gelte, Steuern und weitere staatliche Abga­   hin die Dimension künftig ein- und auszu­        cherinteresse eine Rückbesinnung auf
ben (ohne EEG-Umlage) enthalten, für die      speichernder Energiemengen sowie tech­           Wettbewerb und Kosteneffizienz ange­
allein ein Durchschnittshaushalt mit einem    nischer Herausforderungen und werden             zeigt, zum Beispiel über einen wettbewerb­
Jahresbedarf von 3.500 kWh im zurücklie­      absehbar weder im erforderlichen Umfang          lich ausgerichteten (kompetitiven) Kapazi­
genden Jahr knapp 57 % des Endkunden­         noch zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten       tätsmarkt.
strompreises zu zahlen hatte [4].             verfügbar sein, so dass der konventionelle
                                              Kraftwerkspark die benötigte Backup-             Hinzu kommt, dass das deutsche Stromver­
Für das Power-to-gas-Verfahren sprechen       Funktion weiterhin übernehmen muss.              sorgungssystem bereits heute nur noch
die im deutschen Gasnetz speicherbare                                                          durch einen dargebotsabhängigen, vorü­
Energie von mehr als 200 TWh und viel-        Durch den gesetzlichen Einspeisevorrang          bergehenden Export erheblicher Über­
fältige sektorielle Einsatzmöglichkeiten.     der regenerativen Energien und die mit ih­       schussleistungen, wie zum Beispiel am 26.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die      rem Ausbau verbundene zunehmend gerin­           Dezember 2016 mit 15 GW, zu immer häu­
bestehende Infrastruktur mit Leitungen        gere Ausnutzung der benötigten Backup-           figer negativen Strompreisen stabil zu be­
und Untertage-Gasspeichern auf Belange        Systeme (zurzeit: konventionelle Kraftwer­       treiben ist. Sobald direkte Nachbarländer
heutiger Gasverbraucher ausgelegt ist, so     ke) ist deren Wirtschaftlichkeit hierzulande     Deutschlands einen ähnlichen Ausbaugrad
dass bei erweiterter Nutzung dieser Infra­    vielfach heute schon in Frage gestellt. Oder     der Windenergienutzung erreicht haben
struktur als Backup-System für den Aus­       anders ausgedrückt: Die „Stromwende“ in          werden, wird diese Option entfallen.
gleich von Windenergie und Photovoltaik       Deutschland nach dem heutigen Stand der          Bei allen Betrachtungen zur Stromversor­
ein deutlicher Ausbau unabdingbar wäre.       Technik ist durch eine Doppelstruktur ge­        gung Deutschlands muss die Versorgungs­
                                              prägt. Diese besteht aus einem wachsenden        sicherheit im Blickpunkt des Interesses ste­
Ohne Berücksichtigung der beträchtlichen      regenerativen Kraftwerkspark, der einen
Umwandlungsverluste und damit verbunde­                                                        hen 12), denn Produktion und Verbrauch
                                              Ausbau der Stromnetze in allen Span­             von Elektrizität sind jederzeit in einem
ner ökonomischer Auswirkungen könnten         nungsebenen erfordert, und einem konven­
die zum Ausgleich intermittierender regene­                                                    strengen Gleichgewicht zu halten, um
                                              tionellen Backup-Kraftwerkspark von etwa         Netzausfälle zu vermeiden.
rativer Energiesysteme (iRES) wie Wind­       gleicher Leistungsgröße wie der heutige
energie und Photovoltaik benötigten Ener­     konventionelle Kraftwerkspark 10) zur Ge­        7
giemengen über chemische Speicherung in                                                           EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz
                                              währleistung der Versorgungssicherheit,          8
Kohlenwasserstoffen aus technischer Pers­                                                         Die Vernetzung der drei Sektoren der Ener­
                                              allerdings bei sinkender Auslastung.                giewirtschaft – Elektrizität, Wärmeversor­
pektive möglich sein: Bei Ausweitung des
                                              Im Jahr 2016 haben Windenergie und Pho­             gung und Verkehr – wird als Sektorkopplung
Betrachtungshorizontes auf andere Sekto­                                                          bezeichnet.
ren wie Verkehr (Kraftstoffe), Haushalte,     tovoltaik mit rund 116 TWh oder 21 % zum
                                                                                               9 Beispiele für mögliche Konsequenzen sind:
Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleis­    inländischen Gesamtstrombedarf von 550
                                              TWh (inklusive Netzverluste) beigetragen.           dargebotsabhängige Nutzung der elektri­
tungen (Heiz- und Prozesswärme) wäre syn­                                                         schen Energie, noch höhere Strompreise für
thetisiertes Methan oder Methanol (Kraft­     Zur Umsetzung der „Stromwende“ nach                 Privathaushalte als heute (In Europa belegt
stoff) auch an vielen anderen Stellen sinn­   heutigem Stand der Technik liegt der Fo­            Deutschland heute den zweiten Rang. Nur in
voll einsetzbar. Das könnte den zuletzt zu    kus auf den intermittierenden regenerati­           Dänemark ist der Strompreis höher.).
                                                                                               10 Inklusive notwendiger Reserve zur Gewähr­
beobachtenden bundesministerialen und         ven Energiesystemen (iRES) Windenergie
öffentlich-medialen „Hype“ um das Thema       und Photovoltaik.                                   leistung des vorgegebenen Versorgungs­
Sektorkopplung 8) erklären helfen.                                                                sicherheitsniveaus.
                                              Analysen zur Stromversorgung Deutsch­            11 Zum Vergleich: Am Jahresende 2016 war in
Die entscheidende Frage lautet, ob die        lands mit einem postulierten iRES-Anteil            Deutschland eine iRES-Nennleistung von
deutsche Bevölkerung willens und in der       von 100 % auf Basis einer definierten Jah­          rund 90.000 MW installiert.
Lage ist, die mit einer Sektorkopplung ver­   resliefermenge von 500 TWh zeigen [5 bis         12 Weitere energiewirtschaftliche Zielkriterien
bundenen zusätzlichen wirtschaftlichen        8], dass dafür eine installierte iRES-Nenn­         sind Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglich­
und persönlichen Konsequenzen 9) tatsäch­     leistung von durchschnittlich 330.000 MW            keit und Akzeptanz.

                                                                                                                                          67
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1                                                                    VGB PowerTech 6 l 2017

Vor diesem Hintergrund kündigte das                                                          ­Datenpunkten. Im Rahmen der Überprü­
Bundeswirtschaftsministerium (BMWi)              VGB-Windstudie 2017                         fung der Vollständigkeit der Zeitreihen wa­
im Juni 2015 eine Zeitenwende bei der            Eine ausführliche Darstellung zu Er­        ren folgende Fälle zu beachten:
Versorgungssicherheit an und teilte öffent­      gebnissen der VGB-Studie zum Sta­            –– Datenpunkte mit niedrigen Leistungen
lich mit [9], in Zukunft werde Deutsch­          tus quo der Windenergie in Deutsch­             im Bereich von 0 MW, die unverändert
land bei der Stromversorgung noch enger          land und Europa sowie zu Potenzia­              blieben, wenn direkt benachbarte Daten­
mit seinen europäischen Nachbarn zusam­          len und Herausforderungen in der                punkte ebenfalls niedrige Werte aufwie­
menarbeiten. So trage der Stromaustausch         Grundversorgung mit Elektrizität ist            sen (Kriterium: hohe Plausibilität für
über Ländergrenzen hinweg dazu bei, die          in Folienform über die VGB-Home­                eine Schwachwindphase oder Flaute).
sichere und kosteneffiziente Versorgung          page abrufbar:                               –– Fehlende Datenpunkte mit direkten
bei Verbrauchsspitzen und Flauten bei der                                                        Nachbardatenpunkten, die Leistungs­
Einspeisung zu gewährleisten, zum Bei­           Teil 1: Entwicklungen in Deutsch­
                                                         land seit dem Jahr 2010                 werte deutlich oberhalb einiger hundert
spiel, weil der Wind nicht weht oder die                                                         bis tausend Megawatt aufwiesen. Solche
Sonne nicht scheint. Wie die Erfahrung           Teil 2: Europäische Situation im                Fehlstellen traten bei 0,1 % aller Daten­
zeige, trete die höchste Nachfrage nach                  Jahr 2016                               punkte auf. In diesen Fällen erfolgte eine
Strom in den Ländern nicht gleichzeitig                                                          Korrektur der Nullwerte durch den arith­
auf und auch der Wind wehe fast immer                                                            metischen Mittelwert der benachbarten
irgendwo in Europa. Es gehe um reale Sy­       Methodik                                          Datenpunkte (Kriterium: hohe Plausibi­
nergien: Im regionalen Verbund werde                                                             lität für fehlerhaften Wert).
weniger gesicherte Leistung benötigt. Der      Ausgangspunkt der VGB-Auswertungen             –– Zusammenhängende Lücken von Daten­
Verbund ermögliche erhebliche Kosten­          bildeten im Internet zugängliche Transpa­         punkten über mehrere Viertelstunden,
einsparungen.                                  renzdaten des Verbandes europäischer              Stunden oder Tage. Solche Fehlstellen
Ein Artikel in der Zeitschrift „Energiewirt­   Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E 14)             traten bei 0,01 % aller Datenpunkte auf.
schaftliche Tagesfragen“ im Dezember           und der deutschen Übertragungsnetzbe­             Eine Korrektur erfolgte wahlweise über
2015 [10] stellte hingegen öffentlich und      treiber 50 Hertz Transmission, Amprion,           lineare Interpolation (kleine Lücken)
medial häufig formulierte Aussagen in          Tennet TSO und Transnet BW sowie der              oder anhand von Daten vergleichbarer
Frage, der weitere Ausbau der Windener­        Leipziger Börse EEX 15) [11 bis 16].              Wochentage in direkt benachbarten Wo­
gie führe zur Glättung der eingespeisten       Über diese Transparenzplattformen sind            chen.
elektrischen Leistung und ermögliche das       Zeitreihen zur eingespeisten elektrischen      Diesem ersten Schritt schloss sich ein
Abschalten konventioneller Kraftwerks­         Leistung unterschiedlicher Kraftwerksar­       zweiter Überprüfungs- und Plausibilisie­
leistung. Die Leistungsspitzen des deut­       ten, darunter Photovoltaikanlagen, Wind­      rungsschritt an. Dieser umfasste einen
schen Windparks 13) seien durch den Aus­       energieanlagen an Land (onshore) und          Vergleich der aus den einzelnen Zeitreihen
bau seit dem Jahr 2010 stetig angestiegen,     auf dem Meer (offshore), sowie zur Nach­      errechneten Jahresarbeit mit den für
während die jährlichen Leistungsminima         frage der Verbraucher (Last) in viertel­      Deutschland verfügbaren energiewirt­
trotz eines Nennleistungszuwachses um          stündlicher bis stündlicher Auflösung ab­     schaftlichen Statistikdaten der Arbeitsge­
40 % von 2010 bis 2014 unverändert in ei­      rufbar.                                       meinschaft Energiebilanzen (AGEB) [2],
nem Bereich von etwa 100 MW lägen. Auf­        Der Verband europäischer Übertragungs­        des Bundesministeriums für Wirtschaft
grund der Korrelation der Einspeisungen        netzbetreiber ENTSO-E hatte seine Trans­      und Energie (BMWi) [17, 18], des Bundes­
aus den deutschlandweit verteilten Wind­       parenzplattform zum Jahresanfang 2015          verbandes der Energie- und Wasserwirt­
energieanlagen sei keine Glättung erkenn­      neu aufgebaut und alle Transparenzdaten       schaft (BDEW) [4] und des Bundesverban­
bar, und beim Ausbau der Windenergie           zeitlich synchronisiert, ein wichtiger Fak­   des Windenergie (BWE) [19].
seien weiter wachsende Fluktuationen zu        tor, wenn Zeitreihen einzelner Ländern        Für die Analysen zur Windenergienutzung
erwarten.                                      zeitlich korrekt zu überlagern und Analy­     in Europa im Jahr 2016 fiel die Auswahl für
Die VGB-Geschäftsstelle nahm diese Veröf­      sen zum jeweils momentanen Leistungs­          den Datenabruf von der ENTSO-E-Transpa­
fentlichungen zum Anlass, diesen und wei­      gleichgewicht zwischen Verbrauch (Last)       renzplattform auf die Rangfolge der wich­
teren Aussagen zur Windenergienutzung          und Erzeugung durchzuführen sind.             tigsten 18 Länder nach Nennleistung mit
in Deutschland und 17 europäischen Nach­                                                     weitgehend intakten Zeitreihen, hier in al­
                                               Mit der neu strukturierten ENTSO-E-Trans­
barländern nachzugehen und im Zuge ei­                                                       phabetischer Reihenfolge: Belgien, Däne­
                                               parenzplattform war somit ein einheitli­
nes Faktenchecks Plausibilitätsbetrachtun­                                                   mark, Deutschland, Finnland, Frankreich,
                                               cher Abruf der Datenpunkte dort erfasster
gen durchzuführen. Die Betrachtungen                                                         Griechenland, Großbritannien, Irland, Ita­
                                               Länder gemäß der koordinierten Weltzeit
beruhen auf frei zugänglichen Realdaten                                                      lien, Niederlande, Norwegen, Österreich,
                                               UTC 16) möglich.
zu den Leistungseinspeisungen aus Wind­                                                      Polen, Portugal, Rumänien, Schweden,
energie, die nationale und europäische         Da Zeitreihen einzelner Länder dort nicht
                                                                                             Spanien und Tschechien.
Übertragungsnetzbetreiber im Internet          für mehrere Jahre verfügbar waren, erfolg­
                                               ten die Auswertungen zur Windenergie­         Bei der anschließenden Datenauswertung
veröffentlichen.
                                               nutzung in Deutschland von 2010 bis 2016      waren wegen des im Vergleich zu Deutsch­
Die VGB-Windstudie 2017 besteht aus zwei                                                     land kurzen Zeitraums von einem Jahr le­
                                               anhand von Daten der deutschen Übertra­
Teilen: Im ersten Teil geht es um langjähri­                                                 diglich rund 1,2 Millionen Datenpunkte zu
                                               gungsnetzbetreiber (ÜNB) und der EEX-
ge Entwicklungen in Deutschland im Zeit­                                                     überprüfen und zu plausibilisieren.
                                               Transparenzplattform.
raum von 2010 bis 2016. Der zweite Teil
behandelt die Windenergienutzung in            Die dort abgerufenen Datenpunkte (Vier­
18 Ländern Europas im Jahr 2016 und            telstundenwerte) für die elektrischen         13   Unter dem Begriff „deutscher Windpark“ oder
geht der Frage nach, ob im europäi­            Leistung aus inländischen Onshore- und
                                                                                                  „Windpark“ ist in diesem Artikel durchweg die
schen Netzverbund gemäß dem Motto „ir­         Offshore-Windenergieanlagen repräsen­              Summe aller Windenergieanlagen in Deutsch­
gendwo weht immer Wind“ ausreichende           tieren Hochrechnungen auf Basis einer              land zu verstehen.
gegenseitige Ausgleichsmöglichkeiten be­       begrenzten Anzahl gemessener Referenz­        14   ENTSO-E: European Network of Transmission
stehen.                                        standorte [13].
                                                                                                  System Operators
                                               Insgesamt basierte die Auswertung zur         15   EEX: European Energy Exchange
                                               mehrjährigen Windenergienutzung in
                                               Deutschland auf rund fünf Millionen           16   UTC: Coordinated Universal Time

68
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
VGB PowerTech 6 l 2017                                                                                   Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1

Das Vorgehen bei der Überprüfung der Da­                    Bis zum Jahresende 2016 kamen auf dem               Im Jahr 2016 trat das Minimum PMin von
ten entsprach dem Vorgehen für Deutsch­                     Land rund 19.000 MW Nennleistung hinzu              135 MW (Stundenwert) bzw. von 141 MW
land. Die energiewirtschaftlichen Statistik­                und auf dem Meer rund 4.000 MW Nenn­                (Viertelstundenwert) am 24. Juli 2016 auf.
daten des BP Statistical Review of World                    leistung, so dass der Windpark über eine            An diesem Sommertag lieferte der Wind­
Energy 2017 bildeten die Grundlage für die                  installierte Nennleistung von insgesamt             park in sieben der 24 Stunden durchge­
Überprüfung und Plausibilisierung der                       rund 50.000 MW verfügte. Etwa 92 % da­              hend weniger als 500 MW, also weniger als
Zeitreihen [20].                                            von entfielen auf Onshore-Windenergie               1 % der am Jahresanfang bereits installier­
                                                            und die verbleibenden 8 % auf Offshore-             ten Nennleistung. Ähnlich niedrige Werte
                                                            Windenergie.                                        über jeweils mehrere aufeinanderfolgende
Ergebnisse
                                                            Die Zeitreihe der im Jahr 2016 stündlich            Stunden traten auch im Januar, Mai, Juni,
Nachfolgend sind Ergebnisse der Auswer­                     eingespeisten elektrischen Leistung des             August, September, Oktober und Dezem­
tungen zur Windstromproduktion in                           deutschen Windparks und die auf Onshore-            ber 2016 auf.
Deutschland im Zeitraum von 2010 bis                        Windenergie sowie Offshore-Windenergie              Entgegen anderslautender Aussagen, Off­
2016 dargestellt. Die Ergebnisse zur Wind­                  entfallenden Leistungsbeiträge sind im              shore-Windenergie sei prinzipiell grund­
stromproduktion in 18 Ländern Europas                       B i l d 1 dargestellt.                              lastfähig und könne konventionelle Kraft­
im Jahr 2016 werden Gegenstand eines                        Die Leistung des Windparks zeigt über den           werksleistung ersetzen, fiel die Leistung
Folgeartikels sein [21].                                    gesamten Jahresverlauf große Fluktuatio­            des Offshore-Windparks im Jahr 2016 in
Am Jahresende 2010 verfügte der deutsche                    nen, die in vielen Stunden bei Onshore-             256 der 8.784 Stunden auf 1 % seiner
Windpark über eine kumulierte installierte                  und Offshore-Windenergie simultan auf­              Nennleistung oder weniger ab (2015: 290
Nennleistung PN von knapp 27.000 MW                         treten. Darüber hinaus sind ausgeprägte             Stunden). Solche Schwachwindphasen
[18]. Davon entfielen 99,7 % auf Wind­                      Schwachwindphasen erkennbar, in denen               traten im letzten Jahr somit durchschnitt­
energieanlagen an Land (onshore) und                        der Leistungsoutput des Windparks rapide            lich fünfmal pro Woche auf, ein für den
0,3 % auf Windenergieanlagen auf dem                        bis auf wenige Prozent der installierten            Ausbau der Offshore-Windenergie wichti­
Meer (offshore).                                            Nennleistung zurückfällt.                           ger Umstand, denn ansonsten wären die
                                                                                                                Windturbinen kaum auf See zu errichten.
                                                                                                                Bei ausgeprägten Flauten im Juni und De­
                                                                                                                zember 2016 sank die Leistung des Off­
                                                                                               Stundenwerte
                  35.000                                                                                        shore-Windparks zeitweise sogar bis auf
                                       Windenergie an Land (onshore) und auf See (offshore)                     0 MW ab. Im Jahr 2015 hatte es ähnliche
                                                                                                                Flauten im Januar und August gegeben.
                  30.000
                                                                                                                Das belegt, dass Schwachwindphasen
                                                                                                                ganzjährig auftreten können, sowohl an
                  25.000                                                                                        Land als auch auf dem Meer.
                                                                                                                Die permanent verfügbare Offshore-Leis­
                  20.000                                                                                        tung lag somit in den letzten zwei Jahren
 Leistung in MW

                                                                                                                jeweils bei 0 MW. Offshore-Windenergie
                                                                                                                lieferte keinen Beitrag zur gesicherten
                  15.000                                                                                        Leistung und benötigte praktisch ein
                                                                                                                100 %-Backup durch konventionelle Kraft­
                  10.000                                                                                        werke.
                                                                                                                In den Wintermonaten sind erfahrungsge­
                   5.000                                                                                        mäß die höchsten Leistungswerte zu beob­
                                                                                                                achten. Das Leistungsmaximum PMax des
                                                                                                                gesamten deutschen Windparks von
                      0                                                                                         33.834 MW trat im Februar 2016 auf und
                           Jan   Feb   Mrz   Apr    Mai      Jun      Jul   Aug   Sep   Okt   Nov    Dez
                  35.000                                                                                        erreichte umgerechnet knapp 75 % der
                                                        Onshore-Windenergie                                     zum Jahresanfang installierten Nennleis­
                                                        Offshore-Windenergie
                                                                                                                tung. Ähnlich hohe Leistungswerte über
                  30.000
                                                                                                                mehrere aufeinanderfolgende Stunden
                                                                                                                waren auch im November und Dezember
                  25.000                                                                                        2016 zu verzeichnen.
                                                                                                                Aus der im B i l d 1 dargestellten Zeitreihe
                  20.000                                                                                        der stündlichen Leistungswerte des deut­
 Leistung in MW

                                                                                                                schen Windparks ergibt sich eine aufsum­
                                                                                                                mierte Jahresproduktion von 76,9 TWh.
                  15.000
                                                                                                                Im Vergleich dazu weist die Arbeitsgemein­
                                                                                                                schaft Energiebilanzen für die deutsche
                  10.000                                                                                        Stromerzeugung aus Windenergie einen
                                                                                                                Jahreswert von 77,4 TWh aus [2]. Die Jah­
                                                                                                                reswerte weichen nur um 0,6 % voneinan­
                   5.000
                                                                                                                der ab und sind somit plausibel.
                                                                                                                Im B i l d 2 sind relevante Kennzahlen für
                      0
                           Jan   Feb   Mrz   Apr    Mai      Jun      Jul   Aug   Sep   Okt   Nov    Dez        die Entwicklung der Windenergie in
                                                                                                                Deutschland im Zeitraum von 2010 bis
                                                          Jahr 2016                           Quelle: ENTSO-E   2016 dargestellt.
                                                                                                                Demnach hat sich die kumulierte instal­
Bild 1. Z
         eitreihen der Stromproduktion 2016 aus Windenergie in Deutschland (oben) sowie der                    lierte Nennleistung des deutschen Wind­
        auf Windenergie an Land und auf dem Meer entfallenen Leistungsbeiträge (unten).                         parks von 26.903 MW am Jahresende 2010

                                                                                                                                                         69
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1                                                                                                     VGB PowerTech 6 l 2017

bis zum Jahresende 2016 fast verdoppelt.
                                                                                          Anlagenzahl zum Jahresende (gerundet)                                    Viertelstundenwerte
Die Anzahl der Windenergieanlagen, je­                                   60.000
                                                                                    21.600 WEA 22.300 WEA 23.000 WEA 23.800 WEA 25.100 WEA                26.800 WEA 28.200 WEA
weils zum Jahresende und gerundet, er­
                                                                         55.000
höhte sich zeitgleich von 21.600 auf 28.200
Aggregate.                                                               50.000

Die durchschnittliche Nennleistung jeder                                 45.000
neu zugebauten Onshore-Windenergiean­                                                                              Nennleistung PN
                                                                         40.000
lage lag im Jahr 2010 bei 2,0 MW. Bis zum
Jahr 2016 erhöhte sich dieser Durch­                                     35.000

                                                       Leistung in MW
schnittswert auf 2,8 MW (Offshore-Wind­                                  30.000
                                                                                                                                                                Maximum PMax
energie: 5,2 MW pro Anlage).
                                                                         25.000
Neben der kumulierten installierten Nenn­
leistung des deutschen Windparks sind im                                 20.000
B i l d 2 jährliche Maxima PMax, Minima                                  15.000
PMin und arithmetische Mittelwerte Pµ der                                                                                          Mittelwert Pµ
                                                                         10.000
Zeitreihen der elektrischen Leistung des
                                                                                                                                                                Minimum PMin
deutschen Windparks (Viertelstunden­                                      5.000
werte) ausgewiesen.                                                             0
Zunächst fällt auf, dass die aufsummierte                                            2010         2011           2012          2013          2014           2015          2016
Leistung der Windenergieanlagen in                        WEA: Windenergieanlagen                                           Jahr                               Quellen: BMWi, BWE, ÜNB
Deutschland in den letzten sieben Jahren
durchweg jährliche Maxima unterhalb der               Bild 2. Kennzahlen zur Windenergienutzung in Deutschland von 2010 bis 2016.
Anlagenauslegung im Bereich von knapp
68 bis 81 % der kumulierten Nennleistung              über dem Vorjahreswert auf 8.852 MW zu                               Bei den vorherigen Betrachtungen sind
erreichte.                                            verzeichnen. Der sprunghafte Anstieg ist                             zwei Einflussfaktoren gemeinsam berück­
Die Differenz zwischen Nennleistung und               auf das sehr gute Windjahr mit einem über­                           sichtigt: Das Winddargebot und der Net­
jährlichem Maximalwert hat offenkundig                durchschnittlichen Winddargebot zurück­                              tozubau von Windenergieanlagen über
mit dem Ausbau zugenommen. Die Ursa­                  zuführen [4]: Im November und Dezember                               den Jahresverlauf. Die Frage, ob der
chen für diesen Zusammenhang sind uns                 erreichte die monatliche Stromproduktion                             sprunghafte Anstieg des Mittelwertes im
nicht bekannt. Möglicherweise sinkt mit zu­           jeweils neue Allzeithochs jenseits der zu­                           Jahr 2015 plausibel ist, lässt sich bei Nor­
nehmender Anzahl deutschlandweit verteil­             vor noch nie überschrittenen Marke von                               mierung auf eine repräsentative Nenn­
ter Anlagenstandorte die Wahrscheinlich­              10 TWh. Darüber hinaus war die Strompro­                             leistung des betreffenden Jahres klären.
keit, dass Höchstwerte zeitgleich deutsch­            duktion in elf der zwölf Monate des Jahres                           Das resultierende Verhältnis aus mittlerer
landweit auftreten. Ein weiterer beitragen­           2015 höher als im Vorjahr.                                           Leistung zu potenzieller Leistung (Nenn­
der Faktor könnte sein, dass Standorte mit            Der Mittelwert des Folgejahres 2016 lag mit                          leistung) wird auch als Ausnutzung ηA
guten Windhöffigkeiten 17) frühzeitig zum             8.769 MW zwar auf vergleichbar hohem Ni­                             bezeichnet. Die Ausnutzung ist dimensi­
Zuge kamen und somit nicht mehr für den               veau. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass                           onslos und als Maß für die Anzahl der
weiteren Ausbau zur Verfügung stehen, so              in diesem Jahr aufgrund des kontinuierli­                            Jahresstunden zu verstehen, in denen der
dass mehr und mehr auf weniger windhöffi­             chen Ausbaus des deutschen Windparks                                 Windpark umgerechnet seine Nennleis­
ge Standorte zurückzugreifen ist.                     knapp ein Drittel mehr Nennleistung als im                           tung erbrachte. Multipliziert mit der An­
                                                      Jahr 2014 zur Verfügung stand, so dass eher                          zahl der Jahresstunden 18) ergeben sich
Der arithmetische Mittelwert ist ein Maß
                                                      von einem durchschnittlichen Windjahr zu                             die Volllaststunden 19) des Windparks im
für die jährlich bereitgestellte Energie und
                                                      sprechen ist. Die 10-TWh-Marke der monat­                            betreffenden Jahr.
spiegelt die konstante Leistung wider, die
ein Kraftwerk für diese Energie bei kons­             lichen Windstromproduktion wurde im                                  Ein Vergleich langjähriger Daten zur Aus­
tanter Fahrweise über ein Jahr erbringen              Jahr 2016 trotz des Nennleistungszuwach­                             nutzung des deutschen Windparks seit
müsste. Definitionsgemäß müssen im Be­                ses nicht wieder erreicht.                                           dem Jahr 1990 (B i l d 3 ) bestätigt, dass im
trachtungszeitraum alle Leistungsanteile
oberhalb des Mittelwertes (Überschüsse)
                                                                         23                                                                                            2.000
aufintegriert dieselbe Energie ergeben wie
die aufintegrierten Leistungsanteile unter­                              22                                                                                            1.900
halb des Mittelwertes (Unterdeckung).                                    21
                                                                                                                                                                       1.800
Die Mittelwerte der Zeitreihen stiegen im                                20
                                                                                                                                                                       1.700
Zeitraum von 2010 bis 2014 mit durch­                                    19
schnittlich 11 % pro Jahr auf 5.840 MW an.                                                                                                                             1.600
                                                                         18
Für das Jahr 2015 ist dagegen ein nahezu                                                                                                                               1.500
                                                                                                                                                                                Ausnutzung in h/a

                                                                         17
                                                       Ausnutzung in %

fünffach höherer Anstieg von 52 % gegen­
                                                                         16                                                                                            1.400
                                                                         15                                                                                            1.300
                                                                         14
                                                                                                                                                                       1.200
17                                                                       13
     Eignung von Windstandorten für eine hohe                                                                                                                          1.100
     Energieausbeute.                                                    12
                                                                                         Langjähriger Mittelwert: 16,9 % oder 1.482 Volllaststunden pro Jahr           1.000
18                                                                       11
     In einem Normaljahr sind es 8.760 Stunden,
                                                                         10                                                                                            900
     in einem Schaltjahr 8.784 Stunden.
19                                                                       9                                                                                           800
     Darunter ist die Anzahl der Stunden in einem                        1990          1995         2000           2005            2010            2015           2020
     Jahr zu verstehen, in denen eine Windener­
     gieanlage mit ihrer installierten Nennleistung                                                               Jahr                                                  Quelle: BMWi
     laufen müsste, um die tatsächlich gelieferte
     Jahresenergie exakt zu erbringen.                Bild 3. Ausnutzung des deutschen Windparks von 1990 bis 2016.

70
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
VGB PowerTech 6 l 2017                                                                                              Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1

Jahr 2015 tatsächlich gute Windbedingun­
                                                                                                   Europäische Länder: AT, BE, DE, DK, ES, FI, FR, GR, IE, IT, NL, NO, PL, PT, SE, UK
gen herrschten und im Jahr 2016 durch­                             3.500
schnittliche [18].
Im langjährigen Mittel verzeichnet der                             3.000
deutsche Windpark eine Ausnutzung von
16,9 %. Der bisherige Höchstwert von                               2.500
21,0 % ist für das Jahr 1993 zu verzeich­
nen, gefolgt von 20,5 % im Jahr 2007 und
                                                                   2.000

                                               Ausnutzung in h/a
20,3 % im Jahr 2008. Die im Jahr 2015 er­
reichte Ausnutzung von 19,7 % entspricht
dem viertbesten Wert seit 1990.                                    1.500
Von 2010 bis 2016 erreichte die Ausnutzung
einen Durchschnittswert von rund 18 %. Die                         1.000
Jahresstromproduktion aus dem deutschen                                                                                               Bandbreite europäischer Länder
Windpark erhöhte sich zeitgleich von                                                                                                  Deutschland
                                                                    500
38 TWh auf mehr als 77 TWh [2].
In der statistischen Gesamtschau der Ar­
                                                                      0
beitsgemeinschaft         Energiebilanzen

                                                                                                                                                                                              2016
                                                                                                                                                                                       2015
                                                                                                                                                                               2014
                                                                                                                                                                        2013
                                                                                                                                                                 2012
                                                                                                                                                         2011
                                                                                                                                                 2010
                                                                                                                                          2009
                                                                                                                                   2008
                                                                                                                            2007
                                                                                                                     2006
                                                                                                              2005
                                                                                                       2004
                                                                                                2003
                                                                                         2002
                                                                                  2001
                                                                           2000
(AGEB) zur Bruttostromerzeugung in
Deutschland finden sich für das Jahr 2010
                                                                                                                     Jahr                               Quelle: BP Statistical Review of World Energy
lediglich Beiträge aus Windenergieanlagen
an Land (onshore). Sichtbare Beiträge aus
                                              Bild 4. E
                                                       ffizienz der Windstromproduktion in Europa von 2000 bis 2016: Bandbreite der
Windenergieanlagen auf dem Meer (off­                 Ausnutzung in Europa und in Deutschland in Volllaststunden pro Jahr.
shore) sind dort erstmals für das Jahr 2013
mit 0,9 TWh ausgewiesen [2].                  Weitere Länder Europas wie Finnland                                             liche Veränderungen voranzutreiben, teil­
Im zurückliegenden Jahr 2016 lieferte Off­    (+25 %), Schweden (+23 %), Niederlande                                          weise unter Vernachlässigung anerkannter
shore-Windenergie hierzulande bereits         (+21 %) und Polen (+17 %) sowie Öster­                                          Kriterien des Arten-, Umwelt- und Natur­
mehr als 12 TWh Strom, bei einer Ausnut­      reich (+16 %) und Belgien (+10 %) errei­                                        schutzes und unter Berufung auf eine zu­
zung von 33 %. Dies entsprach knapp 2 %       chen im Durchschnitt ebenfalls eine höhe­                                       stimmende Mehrheit der Bevölkerung zur
der Bruttostromerzeugung in Deutschland       re Ausnutzung ihrer Windparks als                                               Umsetzung der Energiewende [23].
von 648 TWh.                                  Deutschland, während die mittlere Aus­
                                                                                                                              Auf dem Meer (Nord- und Ostsee) sind
                                              nutzung des französischen Windparks
Bei der Beantwortung der Frage, welche                                                                                        Winddargebot und Ausnutzung insgesamt
                                              (+4 %) und die des italienischen Wind­
Rolle die Windenergie hierzulande künftig                                                                                     besser und Standorte für einen Weiteraus­
                                              parks (+2 %) mit der Ausnutzung des
in der Grundversorgung mit elektrischer                                                                                       bau vorhanden. Im Gegensatz zu Deutsch­
                                              deutschen Windparks vergleichbar sind.
Energie spielen könnte, lohnt auch ein                                                                                        land erreichen viele andere europäische
Blick auf Europa und die in dieser Studie     Im Vorgriff auf den zweiten Teil der VGB-                                       Länder mit ihren Windparks eine deutlich
untersuchten 18 Länder: Dort hat sich die     Windstudie 2017 [21] ist erwähnenswert,                                         höhere Ausnutzung. Bei sachlicher Abwä­
installierte Nennleistung von insge­          dass die aus den Zeitreihen für die aufsum­                                     gung eines europäischen Windenergieaus­
samt rund 83.000 MW am Jahresende             mierte elektrische Leistung aus Windener­                                       baus und aus Gründen der Kosteneffizienz
2010 bis zum Jahresende 2016 auf rund         gie in den obigen europäischen Ländern                                          wären solche europäischen Standorte
152.000 MW ebenfalls nahezu verdoppelt,       für das Jahr 2016 abgeleiteten Minimal­                                         deutschen eigentlich vorzuziehen.
während sich die jährliche Stromprodukti­     werte (stündlich) und somit die perma­                                          Da in den letzten Jahren in Deutschland
on aus Windenergie ausgehend von rund         nent verfügbaren Leistungen gleichzeitig                                        verstärkt Offshore-Windenergieanlagen
148 TWh bis auf 297 TWh mehr als verdop­      allesamt kleiner als 1,1 % der in diesen Län­                                   mit einer Ausnutzung von typischerweise
pelte. Zum Vergleich: Die jährliche Strom­    dern jeweils installierten Nennleistung wa­                                     mehr als 30 % ihren Betrieb aufgenommen
erzeugung in diesen europäischen Ländern      ren. Demnach besteht aus Sicht der Versor­                                      haben, könnte sich der langjährige Mittel­
liegt heute auf einem Niveau von rund         gungssicherheit praktisch kein Unterschied                                      wert der Ausnutzung des deutschen Wind­
3.200 TWh [20, 22]. Die Windenergie er­       zu Deutschland.                                                                 parks beim weiteren Ausbau des Offshore-
reicht damit einen Anteil von rund 10 % an    Hinsichtlich einer effizienten Nutzung des                                      Windparks trotz der großen Hebelwirkung
der Stromproduktion dieser Länder.            Winddargebotes in Europa ist Deutschland                                        der bereits vorhandenen Onshore-Wind­
Im B i l d 4 ist die jeweilige Ausnutzung     somit als Windstandort (onshore) nicht                                          energieanlagen künftig erhöhen.
der Windparks ausgewählter europäischer       prädestiniert. Da in den letzten Jahrzehn­                                      Hinsichtlich des Beitrags der Windenergie
Länder als Bandbreite mit überlagerter        ten bereits viele windhöffige Standorte an                                      zur Versorgungssicherheit gibt insbesonde­
Ausnutzung des deutschen Windparks dar­       Land für die Windenergie genutzt wurden,                                        re die Entwicklung der jährlichen Minima
gestellt [20].                                stehen in Deutschland heute weniger                                             der Leistungszeitreihen gemäß B i l d 2
Es fällt auf, dass die Ausnutzung des Wind­   windhöffige Standorte für den weiteren                                          Aufschluss: Diese Werte liegen seit 2010 er­
dargebotes in vielen anderen europäischen     Ausbau der Windenergie zur Verfügung.                                           staunlicherweise auf unverändert niedri­
Ländern signifikant höher ist als in          Die Nennleistung des deutschen Wind­                                            gem Niveau von durchschnittlich 100 MW,
Deutschland: Die Ausnutzung des deut­         parks ist indes noch um ein Mehrfaches zu                                       obwohl sich die Nennleistung des deutschen
schen Windparks beträgt im Zeitraum von       steigern, wenn das Ziel einer weitgehend                                        Windparks zeitgleich fast verdoppelt hat.
2000 bis 2016 durchschnittlich 1.526 Voll­    auf regenerativen Energien basierenden                                          Offenbar hat sich die intuitive Erwartung,
laststunden im Jahr.                          Versorgung Deutschlands mit elektrischer                                        dass der Minimalwert bei einem Ausbau
Der irische Windpark erreicht mit 2.262 h/a   Energie erreichbar bleiben soll. Dies könn­                                     deutschlandweit verteilter Windenergie­
eine um rund 48 % höhere Ausnutzung als       te aktuelle Bestrebungen einiger Bundes­                                        anlagenstandorte nach dem Motto „irgend­
der deutsche Windpark, gefolgt von Groß­      länder erklären, den Bau von Windenergie­                                       wo weht immer Wind“ ansteigt und der
britannien, Norwegen und Dänemark             anlagen zunehmend sogar in Wäldern,                                             Ausbau der Windenergienutzung in zuneh­
(+45 %), Griechenland (+41 %), Spanien        Naherholungs- und Naturschutzgebieten                                           mendem Maße eine Substitution konventi­
(+35 %) und Portugal (+33 %).                 in Betracht zu ziehen und durch baurecht­                                       oneller Kraftwerksleistung ermöglicht,

                                                                                                                                                                                                     71
VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
Windenergie in Deutschland und Europa − Teil 1                                                                                                                                VGB PowerTech 6 l 2017

                                                                                     Nennwindgeschwindigkeit          Ausschaltgeschwindigkeit
                                                                                                                                                         trizität geeignet und immer auf Komple­
                                                                                                                                                         mentärtechnologien angewiesen, die im
                                     2,5
                                                          Nennleistung                                                                                   Bedarfsfall kurzfristig als Backup ein­
                                                                                                                                                         springen können müssen („Feuerwehr­
                                                                                                                                                         funktion“).
                                     2,0                                                                                                                 Eine technische Ursache für das seit Jahren
                                                                                                                                                         unverändert niedrige Niveau der Minimal­
      Elektrische Leistung P in MW

                                                                                                                                                         werte der elektrischen Leistungsabgabe
                                     1,5
                                                                                                                                                         könnte die Schwachlastfähigkeit heutiger
                                                                                                                                                         auf maximale Energieausbeute ausgelegter
                                                                                                                                                         Windenergieanlagen sein (B i l d 5 ): De­
                                                                 P~v
                                                                         3                                         Volllast
                                                                                                                                                         ren Rotoren nehmen erst bei Windge­
                                     1,0                                                                                                                 schwindigkeiten von ca. 2 bis 4 m/s Fahrt
                                                                                    Teillast
                                                                                                                                                         auf (Einschaltgeschwindigkeit).
                                                                                                                                                         Die Leistungsabgabe bei kleinen Windge­
                                     0,5                                                                                                                 schwindigkeiten ist außerdem nicht pro­
                                                                                                                                                         portional zur installierten Nennleistung.
                                                                                                                                                         Im Teillastbereich steigt die Leistungsabga­
                                     0,0                                                                                                                 be einer modernen Windenergieanlage an­
                                                                                                                                                         nähernd proportional zur dritten Potenz
                                               0                 5                  10             15              20                  25
                                                                                                                                                         der Windgeschwindigkeit an. Bei verdop­
                                     Einschaltgeschwindigkeit                       Windgeschwindigkeit v in m/s                                         pelter Windgeschwindigkeit verachtfacht
                                                                                                                                                         sich die Leistung und bei halbierter Wind­
Bild 5. Typische Kennlinie einer modernen Windenergieanlage.
                                                                                                                                                         geschwindigkeit fällt sie auf ein Achtel des
                                                                                                                                                         vorherigen Wertes zurück.
nicht erfüllt: Der Ausbau in den letzten sie­                                                  höchstlast in Deutschland für den deut­
ben Jahren hat konventionelle Kraftwerks­                                                      schen Windpark trotz des deutlichen Zu­                   Mit dem Erreichen und Überschreiten der
leistung von etwa 100 MW ersetzt. Zum                                                          baus von einer Nichtverfügbarkeit von un­                 Nennwindgeschwindigkeit liefert die Anla­
Vergleich: Im Jahr 2015 trat die Jahres­                                                       verändert 99 % ausgehen [24].                             ge dann solange ihre installierte Nennleis­
höchstlast am 24. November um 17:30 Uhr                                                                                                                  tung auf konstantem Niveau, bis die Aus­
                                                                                               Darüber hinaus finden sich im Leistungsbi­
auf und betrug 78.200 MW [24].                                                                                                                           schaltgeschwindigkeit erreicht wird.
                                                                                               lanzbericht 2015 ergänzende Aussagen,
Die permanent verfügbare (gesicherte)                                                          dass für die Nachfrage (Last) in den Län­                 Neben dieser technischen Ursache für das
Leistung des deutschen Windparks lag da­                                                       dern Europas aufgrund der Gleichzeitig­                   niedrige Niveau der Minimalwerte dürften
mit immer deutlich unter einem Prozent                                                         keit ein positiver länderübergreifender                   auch Aspekte der Energiemeteorologie
seiner Nennleistung oder anders ausge­                                                         Ausgleichseffekt zum kritischsten Zeit­                   eine Rolle spielen. Die Energiemeteorolo­
drückt: Im jedem Jahr gab es immer min­                                                        punkt des Jahres nachweislich nicht sicher                gie widmet sich unter anderem der Be­
destens eine Viertelstunde, in der mehr als                                                    gegeben sei. Die übertragbare Leistung                    schreibung und Modellierung der raum­
99 % der Nennleistung des deutschen                                                            zwischen einzelnen Ländern sei nicht be­                  zeitlichen Charakteristik und statistischen
Windparks nicht verfügbar waren und                                                            liebig hoch und sinke an manchen Grenzen                  Verteilung von Windfeldern. Vor diesem
praktisch ein Bedarf an 100 % planbarer                                                        mit steigender Last oder hoher Wind­                      Hintergrund kommen auch statistische Be­
Backup-Leistung herrschte. Dies findet                                                         stromeinspeisung.                                         trachtungen für eine Erklärung der Mini­
sich durchgängig auch in den Berichten                                                         Vor dem Hintergrund des heute schon er­                   malwerte in Frage: Ein Blick auf die Häu­
der deutschen Übertragungsnetzbetreiber                                                        reichten hohen Ausbauniveaus ist Wind­                    figkeitsverteilung bzw. Wahrscheinlich­
                                                                                               energie allein nicht für eine zuverlässige                keitsdichte 20) der Leistung des deutschen
zu den Leistungsbilanzen von 2012 bis
                                                                                               Grundversorgung Deutschlands mit Elek-                    Windparks im Jahr 2016 (B i l d 6 ) belegt,
2016 wieder, die zum Zeitpunkt der Jahres­
                                                                                                                                                         dass keine Normalverteilung vorliegt und
                                                                                                                                                         geringe Leistungen offensichtlich wesent­
                                                   μ-σ               μ                   μ+σ                                  Viertelstundenwerte
                                                                                                                                                         lich häufiger auftreten als hohe Leistungen.
                                     10
                                                           σ                    σ                                                                        Bei der statistischen Bewertung von Zu­
                                      9                                                                                  Realdaten 2016                  fallsvariablen (hier: viertelstündliche Leis­
                                                                                                                              μ = 8.769 MW               tungswerte) spielen der arithmetische Mit­
                                      8                                                                                       σ = 6.854 MW               telwert µ (Erwartungswert) und die Stan­
                                                                                                                                                         dardabweichung σ als Maß für die Breite
                                      7
                                                                                                                                                         der Häufigkeitsverteilung der betrachteten
 Relative Häufigkeit in % (PDF)

                                      6                                                                                                                  Zufallszahlen eine Rolle.
                                                                                                                                                         Aus der Leistungszeitreihe des deutschen
                                      5
                                                                                                                                                         Windparks im Jahr 2016 (Viertelstunden­
                                      4                                                                                                                  werte) ergeben sich ein arithmetischer
                                                                                                                                                         Mittelwert von 8.769 MW und eine Stan­
                                      3                                                                                                                  dardabweichung von 6.854 MW. Aus der
                                      2
                                                                                                                                                         Häufigkeitsverteilung der elektrischen
                                                                                                                                                         Leistung des deutschen Windparks für das
                                      1                                                                                                                  Jahr 2016 (B i l d 6 ) lassen sich kumulierte
                                                                                                                                                         Eintrittswahrscheinlichkeiten von 60 % für
                                      0
                                                                                                                                                         Leistungen unterhalb des Mittelwertes ab­
                                           0             5.000       10.000          15.000      20.000     25.000            30.000        35.000
                                                                                                                                                         leiten und von 40 % für Leistungen ober­
     PDF: Probability density function                                       Leistung in MW                                            Quelle: ENTSO-E   halb des Mittelwertes. Darüber hinaus be­

                                                                                                                                                         20   Probability density function
Bild 6. Häufigkeitsverteilung der Leistung des deutschen Windparks im Jahr 2016.

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VGB-Studie Windenergie in Deutschland und Europa. Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: ...
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