Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar
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44 Die Orchidee 72(3), 2021 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar (I.B.) 1 Prof. Dr. Stefan Porembski, Brigitte Ramandimbisoa; Marina N. Rabarimanarivo; Sylvie Andriambololo- Universität Rostock, Institut Beiträge zu den Studien Die außergewöhnliche nera; für Biowissenschaften, Allge- über die Orchidaceae botanische Vielfalt der Missouri Botanical Gar- meine und Spezielle Botanik, von Madagaskar Inselberge in Madagaskar den, P.O. Box 3391, Wismarsche Str. 8, Antananarivo 101, Ma- 18051 Rostock; dagascar Direktor des Botanischen Gartens der Universität Rostock; Arbeitsschwerpunk- te: Biodiversitätsforschung, Systematik, Morphologie und Anatomie der Höheren Pflanzen, Tropenbotanik und -ökologie. Key words: Angraecum, Cynorkis, Habenaria, Naturschutz, Felsformation, Endemismus Abstract: Malagasy rock outcrops (e. g. inselbergs) are colonized by a large number of specialized species such as succu- lent plants. Moreover, on the central highland they harbour numerous endemic orchids with certain genera being particularly typical: Angraecum, Cynorkis, Habenaria and Jumellea. Many species have an ornamental value and are illegally collected in the wild. Klima und Vegetation spot der Biodiversität. Von den hier Von Nord nach Süd erstreckt sich die Die im Indischen Ozean gelegene Insel wachsenden ca. 11 300 Pflanzenarten Insel über eine Distanz von ca. 1 500 km Madagaskar bildet einen globalen Hot- kommen 85 % nur auf Madagaskar vor. bei einer maximalen Breite von 800 km.
Die Orchidee 72(3), 2021 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar 175 Die höchste Erhebung ist der Maromo- kotro, der eine Höhe von über 2 800 m erreicht. Vom afrikanischen Kontinent, von dem sich die Insel vor rund 160 Mio. Jahren getrennt hat, ist sie durch die ca. 400 km breite Straße von Mo- sambik getrennt. Klimatisch weist Madagaskar eine Un- terteilung in verschiedene Regionen auf. Die Ostküste ist tropisch warm mit ganzjährigen Niederschlägen, während der Westen, insbesondere der Süd- westen, durch unterschiedlich lange Trockenzeiten charakterisiert ist. Auf dem Hochland (über 1 000 m) herrscht 2 ein kühleres Klima vor als an der Küste. Zu den wichtigsten Vegetationstypen zählen die Regenwälder im Osten, immergrüne, saisonal feuchte Wälder auf dem Hochland, die laubwerfen- den Trockenwälder (u. a. mit den Af- fenbrotbäumen, Adansonia spp.) im Westen und die Dornbuschformatio- nen im Südwesten der Insel. In den meisten Teilen Madagaskars dauert die Regenzeit von November bis Ap- 3 ril. Vor allem die Dornbuschvegetation im Südwesten bildet ein "Paradies für Sukkulenten“ (RAUH 1973, 1995), wo- bei u. a. die Gattungen Aloe, Euphor- bia, Kalanchoe und Pachypodium mit spektakulären Arten vertreten sind. Be- merkenswert ist auch die Tierwelt. Hier sei nur auf die Lemuren und die vielen endemischen Amphibien und Reptilien verwiesen. Bedingt durch menschliche 4 5 Eingriffe, z. B. Bergbau, Beweidung, Feuer, wurden die meisten pflanzlichen die Sandsteinfelsen des Isalo-Gebirges Lebensräume Madagaskars bereits und die bizarren Kalksteinformationen, weitgehend und teilweise unwieder- die lokal »Tsingy« genannt werden. bringlich zerstört. Die Landschaft des zentralen Hoch- Inselberge lands von Madagaskar ist durch das Orchideen treten in allen Lebensräumen Auftreten zahlreicher Inselberge ge- Madagaskars auf. Die meisten Arten kommen in den Regenwäldern im Os- 1. Der Zazafotsy-Inselberg befindet ten vor, meist epiphytisch oder auf sai- sich im südlichen Teil des Zentral- sonal feuchten, felsigen Standorten. plateaus der Insel. 2. Cynorkis uniflora, in periodischer Der Osten und das Zentrum der Insel Schwemmvegetation bestehen aus präkambrischen Gestei- 3. Cynorkis cinnabarina nen wie Graniten, Gneisen, Quarziten, 4. Cynorkis elephantina, in der Nähe während im Westen jüngere Sediment- von Antsihabe gesteine vorherrschen. Generell treten 5. Cynorkis gibbosa, in einer Felsspal- in vielen Teilen Madagaskars Gebirge te des Inselberges und andere Felsformationen auf. Be- 6. Habenaria ambositrana, an der kannt sind das Andringitra-Gebirge, Straße nach Ivato 6
176 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar Die Orchidee 72(3), 2021 kennzeichnet, die oft Hunderte Me- ter über ihre Umgebung emporragen (Abb. 1). Inselberge sind isolierte, viel- fach domförmige Berge, die meist aus Graniten oder Gneisen bestehen und die vor allem durch offene, teilweise steile Felsflächen charakterisiert sind. Es handelt sich um Millionen Jahre alte Lebensräume, die in den Tropen recht häufig sind (POREMBSKI & BARTH- LOTT 2000). Die Lebensbedingungen auf Inselbergen sind extrem, wobei den Pflanzen insbesondere der Mangel an Wasser und die hohen Temperatu- ren zu schaffen machen. Demzufolge finden sich auf diesen Felsstandorten zum Teil hochspezialisierte Pflanzen, z. B. viele Sukkulenten, die in der wei- teren Umgebung der Berge nicht mehr vorkommen. Im Rahmen eines seit 2010 durchge- führten gemeinsamen Forschungs- projekts erfassen Botaniker aus Ma- dagaskar (Missouri Botanical Garden, Antananarivo) und Deutschland (Uni- 7 versität Rostock) die Pflanzenarten und Lebensgemeinschaften auf madagassi- schen Inselbergen. In den letzten Jah- ren wurden mehr als 700 Pflanzenarten gefunden, unter ihnen auch neue Arten (RABARIMANARIVO et al. 2019). Zu den wichtigsten Lebensgemein- schaften an diesen Standorten zählen teppichartige Matten auf dem nackten Fels, Sickerfluren, in denen sich in der Regenzeit zahlreiche feuchteliebende Arten entwickeln, und flache erdgefüllte Senken. In der Regenzeit sind die stei- len Felsen extrem rutschig, sodass beim Begehen große Vorsicht geboten ist. In Madagaskar bilden die Orchideen die größte Familie mit über 1 000 Arten (CRIBB & HERMANS 2009). Vor allem 8 in den Regenwäldern im Osten treten viele epiphytische Vertreter auf, z. B. Mit Madagaskar verbindet man den 7. Disa incarnata, an einer feuchten zahlreiche Bulbophyllum-Arten. Einige Anbau von Vanilla planifolia, der Vanil- Stelle an der Straße nach Ivato Orchideen Madagaskars sind einem brei- le. Die Plantagen liegen vor allem im 8. Satyrium amoenum, bei Andrano- teren Publikum bekannt, wie Angraecum schwer zugänglichen Nordosten der velona sesquipedale, dessen Blüten von lang- Insel, in der Umgebung von Sambava. 9. Liparis spec. bei Fianarantsoa rüsseligen Nachfaltern bestäubt werden, Die aus dieser Region stammenden 10. Benthamia spec., südlich von was bereits von Charles Darwin vorher- Vanilleschoten werden für ihre Qualität Ambositra gesagt wurde. Er hatte Madagaskar nie hochgeschätzt und sind dementspre- 11. Tylostigma spec. besucht, aber in London die Blüten von chend teuer. Der Anbau von Vanille 12. Aerangis cf. ellisii, südlich von Angcm. sesquipedale gesehen und kam in Madagaskar begann Ende des 19. Fianarantsoa daraufhin zu dieser Aus- bzw. Vorhersage. Jahrhunderts (AIMAR 2010).
Die Orchidee 72(3), 2021 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar 177 Auf den Inselbergen bilden die Orchi- deen mit Abstand die artenreichste Familie mit fast 90 Arten. Die meisten Orchideen wachsen in den saisonal feuchten und nährstoffarmen Sickerflu- ren. Diese Lebensgemeinschaft kommt meist auf schwach geneigten Hängen vor, über die nach einem Regenguss für längere Zeit Wasser rinnt. Typisch sind kleinbleibende krautige Pflan- zen, wobei auch karnivore Arten, z. B. Drosera madagascariensis und viele Utricularia-Arten sowie Enziangewäch- se (Exacum spp.) auftreten. Unter den hier wachsenden Orchideen kommt den Gattungen Benthamia, Cynorkis, Disa, Habenaria, Liparis, Satyrium und Tylostigma eine wichtige Rolle zu. Die meisten Arten dieser Gattungen blühen während des Höhepunktes der Regen- zeit, ein Zeitraum, in dem Madagaskar fast in jedem Jahr von Zyklonen getrof- fen wird. 9 10 11 12
178 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar Die Orchidee 72(3), 2021 13 14 Am artenreichsten ist die Gattung Cyn- ckenzeit überdauert sie mit in der Erde orkis vertreten, die insgesamt auf Ma- verborgenen Knollen. Nach Einsetzen dagaskar mit fast 100 Arten zu finden der ersten Regenfälle entwickeln sich 13. Angraecum sororium, Kalanchoe ist. Eine der schönsten und charakte- die bis 20 cm langen Laubblätter, die spec., Aloe spec., Coleochloa ristischsten Arten ist Cynorkis uniflora bräunliche bis rötliche Flecke aufwei- setifera, Styppeiochloa spec. (Abb. 2). Soweit bekannt, kommt diese sen. An den niedrig bleibenden Pflan- 14. Angraecum spec. Art fast ausschließlich auf den Insel- zen werden meist nur 1 – 2 Blüten gebil- bergen des Hochlandes vor. Die Tro- det. Diese sind groß und weisen einen
Die Orchidee 72(3), 2021 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar 179 Durchmesser von 3 – 4 cm auf. Auffäl- lig ist die meist rosa bis violett gefärbte Lippe, die von markant gefleckten wei- teren Blütenblättern umgeben ist. Durch weißliche langgespornte Blüten ist Cyn. elephantina (Abb. 4) ausge- zeichnet. Diese Art wurde erst kürzlich auf Inselbergen im Norden Madagas- kars entdeckt (HERMANS et al. 2017). Sie besitzt Blüten mit einem Durch- messer von ca. 5 cm und die Länge ihres Sporns erreicht mehr als 10 cm. In Sickerfluren ebenfalls weit verbreitet ist Cyn. cinnabarina (Abb. 3), eine Art, die durch gelbliche bis rötliche Blüten gekennzeichnet ist. Eine weitere schön blühende Art ist Cyn. gibbosa, die al- lerdings eher in Felsspalten wächst und eine Höhe von fast 40 cm erreicht. Die auffälligen rötlichen Blüten weisen auf dem Labellum mehrere violette Fle- cke auf (Abb. 5). Die nahezu weltweit verbreitete Gat- tung Habenaria ist auf Madagaskar mit etwa 30 Arten vertreten und kommt mit verschiedenen endemischen Arten in 15 Sickerfluren auf den Inselbergen vor. Ein Lokalendemit ist Hab. ambositra- na, deren Laubblätter grasartig schmal sind. Die grünlichen bis weißlichen Blüten weisen einen bis 5 cm langen Sporn auf (Abb. 6). Oft wächst diese Art gemeinsam mit Disa incarnata (Abb. 7) und Satyrium amoenum (Abb. 8). Hier ist auch die Gattung Liparis mit meh- reren Arten zu finden (Abb. 9). In den Sickerfluren häufig anzutreffen sind auch Arten der Gattungen Benthamia (Abb. 10) und Tylostigma (Abb. 11), de- ren Blüten relativ klein sind. Nach BOS- SER & LECOUFLE (2011) zählen die Sickerfluren des zentralen Hochlands zu denjenigen Lebensräumen, in de- nen weltweit die meisten terrestrischen Orchideen vorkommen. An weniger feuchten Stellen trifft man auf Vertreter 16 der Gattungen Eulophia und Oeceocla- des. Auf den Inselbergen Madagaskars sind inzwischen viele Sickerfluren in Trockene und bedingt durch die landwirtschaftliche Nutzflächen zum Sonneneinstrahlung heiße Felsflächen 15. Jumellea spec. Reisanbau umgewandelt worden bzw. (> 60 °C) werden meist nur von Cy- 16. Zerstörter Inselberg mit Stein- dienen sie als Viehweiden, mit entspre- anobakterien und Flechten besiedelt. bruch auf dem Weg nach chend negativen Folgen für viele Orchi- Nur stellenweise finden sich auf of- Angavokely deen. fenen Felsflächen und in Grasmatten u. a. Arten der Gattungen Aerangis,
180 Vielfalt der Orchideen auf Inselbergen in Madagaskar Die Orchidee 72(3), 2021 Angraecum, Bulbophyllum, Jumellea lichen Verlusten (Abb. 15). Daneben POREMBSKI, S.; BARTHLOTT, W. und Sobennikoffia, die alle sukkulent werden vor allem attraktiv blühende (2000): Inselbergs – Biotic diversity sind. Pflanzen, die direkt auf offenen Orchideen in großen Mengen gesam- of isolated rock outcrops in tropical Felsflächen siedeln, werden als Li- melt und sind deshalb lokal sehr selten and temperate regions; Ecol. Stud. thophyten bezeichnet. Innerhalb der geworden oder bereits verschwunden. 146 hier genannten Gattungen finden sich POREMBSKI, S.; SILVEIRA, F. A. auch epiphytische Vertreter. In Anpas- Dank O.; FIEDLER, P. L.; WATVE, A.; sung an den Wassermangel auf den Für die vielfältige Unterstützung dan- RABARIMANARIVO, M.; KOUAME, Felsen bzw. in den Baumkronen ver- ken wir der Arthur Mellon Foundation F.; HOPPER, S. D. (2016): Worldwide fügen viele dieser Arten über sukku- und der Akademie der Wissenschaften destruction of inselbergs and related lente Laubblätter oder Pseudobulben. und der Literatur Mainz. rock outcrops threatens a unique Verbreitet treten Orchideen mit langge- ecosystem; Biodiv. Conserv. 25: spornten Blüten wie Aerangis cf. ellisii 2827 – 2830 (Abb. 12) und Angraecum (Abb. 13) auf, RABARIMANARIVO, M. N.; RAMAN- die von Nachtfaltern bestäubt werden DIMBISOA, B.; RAKOTOARIVELO, (WASSERTHAL 2015). Dazu zählen Literatur: N. H.; PHILLIPSON, P. B.; ANDRIAM- auch Jumellea- und Sobennikoffia- AIMAR, P. (2010): Vanille, La route BOLONONERA, S.; CALLMANDER, Arten, die meist weißliche oder grüne Bourbon; Édition Bourbon, Monaco M. W.; POREMBSKI, S. (2019): The Blüten besitzen (Abb. 14). Von den BOSSER, J.; LECOUFLE, M. (2011): extraordinary botanical diversity Bulbophyllum-Arten sei Bulb. baronii Les Orchidées de Madagascar; of inselbergs in Madagascar; erwähnt, das sowohl epilithisch wie Collection Parthénope, Mèze Candollea 74: 65 – 83 epiphytisch wächst. CRIBB, P.; HERMANS, J. (2009): Field RAUH, W. (1973): Über die Zonierung guide to the orchids of Madagascar; und Differenzierung der Vegetation Pflanzengeografische Beziehungen Royal Botanic Gardens, Kew Madagaskars; Trop. Subtrop. Die nächsten Verwandten der Orchide- HERMANS, J.; ANDRIANTIANA, J. Pflanzenwelt 1: 1 – 146 en auf den Inselbergen Madagaskars L.; SIEDER, A.; KIEHN, M.; CRIBB, RAUH, W. (1995): Succulents and kommen in Ost- und Südafrika vor. Auch P.; RAJAVELONA, L.; GARDINER, xerophytic plants of Madagascar, zu einigen anderen Inseln im Indischen L. M. (2017): New species and Vol. 1, Strawberry Press, Mill Valley Ozean bestehen Verbindungen. Diese nomenclatural changes in Cynorkis WASSERTHAL, L. T. (2015): Angrae- engen floristischen Beziehungen zeigen (Orchidaceae: Orchidoideae) from cum-Orchideen und langrüsslige sich in vielen Gattungen, wie z. B. bei Madagascar and the Mascarenes; Schwärmer, Bestäubung und Aerangis, Angraecum, Benthamia, Cy- Kew Bull. 72: 38; https://doi. Evolution; Die Orchidee 66: 175 – norkis und Jumellea, die mit zahlreichen org/10.1007/s12225-017-9715-4 181 Arten auf beiden Seiten des Kanals von Mozambik vertreten sind. Innerhalb die- ser Gattungen gibt es jedoch fast keine Arten, die auf Inselbergen Madagaskars und Afrikas gemeinsam vorkommen. Eine Ausnahme bildet Satyrium triner- ve, das in Ostafrika und Madagaskar zu finden ist. Ausschließlich auf Madagas- kar finden sich die 8 Arten der Gattung Tylostigma, die meist in Sickerfluren wachsen und drei Sobennikoffia-Arten, die sowohl litho- wie auch epiphytisch wachsen. Schutz Inselberge sind uralte Lebensräume, die von zahlreichen seltenen Pflanzen und Tieren besiedelt werden. In Ma- dagaskar, wie auch in anderen Teilen der Welt, erleiden diese oftmals kaum untersuchten Felsformationen dramati- sche Zerstörungen (POREMBSKI et al. 17 2016). Vor allem in der Umgebung der Hauptstadt Antananarivo führen Berg- 17. Bisher wenig erforschte Restwälder in tief eingeschnittenen Schluchten im bau, Feuer und Beweidung zu erheb- Norden Madagaskars
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