Vigilance-News Edition 28 - Mai 2022 - In dieser Ausgabe: Swissmedic
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Vigilance-News Edition 28 – Mai 2022 In dieser Ausgabe: Editorial 3 Arzneimittelsicherheit und Signale: COVID-19-Impfstoffe 4 • COVID-19-Impfstoffe: Tabellarische Übersicht der Änderungen in den Fachinfor- mationen zu Warnhinweisen und unerwünschten Wirkungen 4 • Melderaten von Myokarditis und/oder Perikarditis nach Basis- und Auffrischungs- impfungen mit COVID-19-mRNA-Impfstoffen in der Schweiz 8 • Erfolgreiche Re-Exposition mit COVID-19-mRNA-Impfung in reduzierter Dosierung bei Patient mit klinischem Verdacht auf Peri-/Myokarditis nach erster COVID-19-Impfung 10 • COVID-19-Impfung von Kindern im Alter von 5–11 Jahren: geringes Risiko für schwerwiegende Impfreaktionen wie Myokarditis oder Krampfanfälle 14 • Meldungen über neu aufgetretene persistierende Kopfschmerzen (new daily persistent headache) im zeitlichen Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen 16 • mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 und thromboembolische Ereignisse 18 • Multiple Sklerose und COVID-19-Impfstoffe 23 • Signalerkennung durch Disproportionalitätsanalyse im Rahmen der Überwachung der Sicherheit von COVID-19-Impfungen in der Schweiz 28 • «Observed versus Expected Analysen» in der Post-Marketing Überwachung von COVID-19-Impfungen 30 Methotrexat 32 • Fallbericht: Unerwartete Ursache von Aphten, Durchfall und Thrombozytopenie bei einer Patientin mit COVID-19-Impfdurchbruch 32 Advanced Therapy Medicinal Products 37 Informationen auf der Webseite von Swissmedic 40 • Im Fokus 40 • Nebenwirkungen der COVID-19- Impfungen in der Schweiz 40 • Healthcare Professional Communication 41 • Allgemeine Mitteilungen 42 Kontakt Anregungen und Rückmeldungen zu dieser Ausgabe der Swissmedic Vigilance-News richten Sie bitte an: news.vigilance@swissmedic.ch. Swissmedic • Schweizerisches Heilmittelinstitut • Hallerstrasse 7 • 3012 Bern • Schweiz • www.swissmedic.ch
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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser kel zur Signalerkennung durch Disproportiona- Am Anfang der Impfkampagne mit den COVID- litätsanalyse, und ein weiterer erklärt die Ver- 19-Impfstoffen waren aufgrund der Beobach- wendung der «Observed versus Expected Analy- tungen in kontrollierten klinischen Studien ei- sen» in der Postmarketing-Überwachung der nige nicht-schwerwiegende und sehr häufige COVID-19-Impfstoffe. unerwünschte Ereignisse nach der Impfung, so- Sobald ein Signal sich bestätigt hat, werden ent- genannte AEFI (Adverse Events Following Im- sprechende risikominimierende Massnahmen munization), bereits bekannt. eingeleitet. Meist ist eine Anpassung der Heute, nach Milliarden Impfungen weltweit, Fachinformation für medizinische Fachperso- gibt es viele neue Erkenntnisse zu den uner- nen bzw. der Patienteninformation notwendig. wünschten Wirkungen der COVID-19-Impf- Auf den nächsten Seiten findet sich ein Über- stoffe. Ein international beachtetes Signal ist blick der Aktualisierungen der in der Schweiz das Auftreten von Peri-Myokarditiden nach zugelassenen COVID-19-Impfstoffe Comirnaty® Impfung mit mRNA-Impfstoffen. In dieser Aus- (Tozinameran), Spikevax® (COVID-19-mRNA- gabe der Swissmedic Vigilance-News beschäfti- Impfstoff (Nukleosid-modifiziert) und COVID- gen sich drei Artikel mit diesem Thema: Bei ei- 19 Vaccine Janssen (COVID-19-Impfstoff nem geht es um die Melderaten von Myokardi- (Ad26.COV2-S [rekombinant]). Für den seit April tis und/oder Perikarditis nach Basis- und Auffri- 2022 zugelassenen COVID-19-Impfstoff schungsimpfungen mit COVID-19-mRNA-Impf- Nuvaxovid existiert noch keine entsprechende stoffen in der Schweiz, bei einem anderen um Aufstellung. das Risiko von Myokarditis nach COVID-19-Imp- Obwohl der Fokus der Pharmakovigilanz zurzeit fung von Kindern im Alter von 5–11 Jahren. Ein bei den COVID-19-Impfstoffen liegt, werden Fallbericht handelt von einer erfolgreichen Re- selbstverständlich auch weiterhin Signale zu an- Exposition mit COVID-19-mRNA-Impfung in re- deren Wirkstoffen beobachtet. An die Proble- duzierter Dosierung bei einem Patienten mit matik der unterschiedlichen Methotrexat-Do- klinischem Verdacht auf Peri-/Myokarditis nach sierungen erinnert der Fallbericht: «Unerwar- erster COVID-19-Impfung. tete Ursache von Aphten, Durchfall und Throm- Für andere Signale finden sich in der Literatur bozytopenie bei einer Patientin mit COVID-19- nur wenige Beispiele, darum spielen spontane Impfdurchbruch». Einzelfall-Meldungen und Fallberichte eine Der Beitrag über Arzneimittel für neuartige grosse Rolle, um diese bisher unbekannten, sel- Therapien (Advanced Therapy Medicinal Pro- ten auftretenden AEFI in den Pharmacovi- ducts, ATMP), insbesondere Therapien mit CAR- gilance-Datenbanken zu erfassen und zu be- T-Zellen (chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen), werten. Dazu finden Sie Beiträge zu nach der zeigt wiederum eine andere Seite der Vigilanz. Impfung von COVID-19-Impfstoffen aufgetrete- nen persistierenden Kopfschmerzen, thrombo- Wir wünschen Ihnen, unseren Leserinnen und embolischen Ereignissen und Multipler Sklerose Lesern, eine spannende und interessante Lek- bzw. MS-Schüben. türe. Die von Swissmedic erfassten AEFI werden mit- Eva Eyal tels verschiedener Methoden analysiert und Pharmazeutin und Redaktorin Swissmedic Vigilance- evaluiert, um ein potenzielles Signal zu erken- News nen. Einblicke in diesen Prozess geben ein Arti- Abteilung Arzneimittelsicherheit, Swissmedic Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 3 | 45
Arzneimittelsicherheit und Signale: COVID-19-Impfstoffe COVID-19-Impfstoffe: Tabellarische zum Beispiel Hinweise auf sehr selten auftre- Übersicht der Änderungen in den tende Nebenwirkungen. Entzündungen des Fachinformationen zu Warnhinweisen Herzmuskels oder des Herzbeutels im Zu- und unerwünschten Wirkungen sammenhang mit den mRNA-Impfstoffen sind ein Beispiel für solche Nebenwirkungen, Zur Impfung gegen das neuartige Coronavi- die aus den Zulassungsstudien noch nicht be- rus (SARS-CoV-2) wurden in der Schweiz bis- kannt waren. Wenn sich Hinweise auf bis- lang vier Impfstoffe zugelassen: Comirnaty® lang unbekannte Risiken im Weiteren bestä- (Erstzulassung 19.12.2020), Spikevax tigen, werden die Fachinformationen (sowie (12.01.2021), COVID-19 Vaccine Janssen ggf. auch die Impfempfehlungen) entspre- (22.03.2021) und Nuvaxovid (12.04.2022). Im chend angepasst. Die nachfolgende Tabelle Rahmen der weltweiten Impfkampagne ge- gibt einen Überblick, welche Änderungen gen die COVID-19-Pandemie wurden diese der Fachinformationen bei den drei zuerst Impfstoffe bereits kurz nach der Einführung zugelassenen COVID-19-Impfstoffen im Hin- sehr breit angewendet. Durch diese beson- blick auf Warnhinweise und unerwünschte dere Ausgangssituation wurden rasch nach Wirkungen vorgenommen wurden. Zulassung weitere Erkenntnisse zum Sicher- heitsprofil dieser Impfstoffe gewonnen, wie Comirnaty® Häufigkeit Neu eingefügte Nebenwirkung Rubriken Nicht Parästhesie, Hypoästhesie Angstbedingte Reaktionen bekannt Erkrankungen des Nerven- systems Nicht Ausgedehnte Schwellung der geimpften Gliedmasse, An- Allgemeine Erkrankungen und bekannt schwellen des Gesichts Beschwerden am Verabrei- chungsort Bei Teilnehmenden, die in Studie 4 eine Auffrischimpfung Skelettmuskulatur-, (Boosterdosis) erhielten, wurde eine höhere Häufigkeit von Bindegewebs- und Schmerzen in den Extremitäten (1,1 % vs. 0,8 %) beobachtet, Knochenerkrankungen verglichen mit Teilnehmenden, die 2 Dosen erhielten. Gelegentlich Lymphadenopathie: Bei Teilnehmenden, welche eine Auf- Erkrankungen des Blutes und frischimpfung (dritte Dosis) erhielten, wurde eine höhere des Lymphsystems Häufigkeit von Lymphadenopathie beobachtet als bei Teil- nehmenden, die 2 Dosen erhielten (5,2 % gegenüber 0,4 %). Myokarditis und Perikarditis: Warnhinweise und Vorsichts- Sehr seltene Fälle von Myokarditis und Perikarditis wurden massnahmen nach der Impfung mit Comirnaty beobachtet. Diese Fälle tra- ten häufiger bei jüngeren Männern und nach der zweiten Dosis des Impfstoffs auf, in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung. Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass sich der Verlauf einer Myokarditis und Perikarditis nach einer Impfung nicht von dem einer Myokarditis oder Perikar- ditis im Allgemeinen unterscheidet. Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 4 | 45
Medizinische Fachkräfte sollten in Bezug auf Anzeichen und Symptome von Myokarditis und Perikarditis wachsam sein. Geimpfte Personen sollten angewiesen werden, sofort einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, wenn sie nach der Imp- fung Symptome entwickeln, die auf Myokarditis oder Peri- karditis hinweisen, wie (akute und anhaltende) Brustschmer- zen, Kurzatmigkeit oder Herzklopfen. Medizinische Fachkräfte sollten Leitlinien beachten und/oder Spezialisten/Spezialistinnen konsultieren, um diesen Zustand zu diagnostizieren und zu behandeln. Nicht Myokarditis, Perikarditis Herzerkrankungen bekannt Angstbedingte Reaktionen, einschliesslich vasovagaler Reak- Warnhinweise und Vorsichts- tionen (Synkope), Hyperventilation oder stressbedingte Reak- massnahmen tionen (z. B. Schwindelgefühl, Palpitationen, Erhöhungen der Angstbedingte Reaktionen Herzfrequenz, Blutdruckveränderungen, Gefühl des Krib- belns und Schwitzen) können in Zusammenhang mit der Imp- fung als psychogene Reaktion auf die Injektion mit einer Na- del auftretendem Impfprozess als solchem auftreten. Stress- bedingte Reaktionen sind vorübergehend und klingen von selbst ab. Personen sollten darauf hingewiesen werden, dass sie solche Symptome dem Impfanbieter zur Abklärung mitteilen soll- ten. Gelegentlich Appetit vermindert Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen Gelegentlich Lethargie Erkrankungen des Nerven- systems Gelegentlich Hyperhidrosis, nächtliche Schweissausbrüche Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes Gelegentlich Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Ausschlag, Pruritus, Erkrankungen des Immun- Urtikaria, Angioödem). systems Nicht Anaphylaxie, Überempfindlichkeit. bekannt Urtikaria und Angioödem wurden mit der Häufigkeit «sel- ten» gemeldet. Sehr Diarrhoe (15,7 %). Erkrankungen des Gastro- häufig intestinaltrakts Häufig Erbrechen Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 5 | 45
Spikevax Häufigkeit Neu eingefügte Nebenwirkung Rubriken Selten Parästhesie Erkrankungen des Nerven- systems Nicht Erythema multiforme Erkrankungen der Haut und bekannt des Unterhautgewebes Unbekannt Myokarditis Herzerkrankungen Perikarditis COVID-19 Vaccine Janssen Häufigkeit Neu eingefügte Nebenwirkung Rubriken Guillain-Barré-Syndrom und transverse Myelitis : Warnhinweise und Vorsichts- Das Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) und der massnahmen transversen Myelitis (TM) wurde sehr selten nach einer Imp- fung mit COVID-19 Vaccine Janssen berichtet. Medizinisches Fachpersonal soll auf Anzeichen und Symptome von GBS und TM achten, um eine richtige Diagnose sicherzustellen, ange- messene unterstützende Massnahmen und die Behandlung einzuleiten und andere Ursachen auszuschliessen. Nicht Transverse Myelitis Erkrankungen des Nerven- bekannt systems Vorgeschichte eines bestätigten Thrombose-mit-Thrombo- Kontraindikationen zytopenie-Syndroms (TTS) nach einer Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff Blutgerinnungsstörungen Warnhinweise und Vorsichts- massnahmen Die Kombination von Thrombosen mit Thrombozytopenie Thrombosen mit Thrombo- erfordert eine spezifische fachärztliche klinische Behandlung. zytopenie-Syndrom Medizinisches Fachpersonal sollte die geltenden Leitlinien zu Rate ziehen und/oder Spezialisten (z B. Hämatologen, Gerin- nungsspezialisten) zur Diagnose und Behandlung dieser Er- krankung hinzuziehen. Immunthrombozytopenie: Fälle von Immunthrombozytopenie (ITP) mit sehr niedrigen Thrombozytenwerten (
Kapillarlecksyndroms (Capillary-Leak-Syndrom (CLS)) berich- tet. Einige dieser Fälle hatten einen tödlichen Ausgang. Über CLS in der Anamnese wurde berichtet. CLS ist eine seltene Erkrankung, die durch akute Episoden von Ödemen, die hauptsächlich die Gliedmassen betreffen, Hypotonie, Hämo- konzentration und Hypoalbuminämie gekennzeichnet ist. Bei Patienten mit einer akuten CLS-Episode nach einer Impfung ist eine sofortige Erkennung und Behandlung erforderlich. In der Regel ist eine intensive unterstützende Therapie not- wendig. Personen mit einer bekannten CLS-Vorgeschichte sollen nicht mit diesem Impfstoff geimpft werden. Selten Schwindelgefühl Erkrankungen des Nervensys- tems Nicht Kapillarlecksyndrom (Capillary-Leak-Syndrom) Gefässerkrankungen bekannt Thrombose mit Thrombozytopenie nach Verabreichung von Warnhinweise und Vorsichts- COVID-19 Vaccine Janssen hat einen klinischen Verlauf, der massnahmen der autoimmun Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) ähnelt. Personen, bei denen bereits eine CVST mit Thrombozytope- nie oder Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) aufge- treten ist, sollten COVID-19 Vaccine Janssen nur erhalten, wenn der erwartete Nutzen die potenziellen Risiken über- wiegt. Guillain-Barré-Syndrom: Das Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) wurde sehr selten nach einer Impfung mit COVID-19 Vaccine Janssen berichtet. Medizinisches Fachpersonal soll auf Anzeichen und Symptome von GBS achten, um eine richtige Diagnose sicherzustellen, angemessene unterstützende Massnahmen und die Behandlung einzuleiten und andere Ursachen auszu- schliessen. Sehr Lymphadenopathie Erkrankungen des Blutes und selten des Lymphsystems Sehr Parästhesie, Hypoästhesie, Guillain-Barré Syndrom Erkrankungen des Nerven- selten systems Sehr Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenie Gefässerkrankungen selten (Schwere und sehr seltene Fälle von Thrombosen in Kombi- nation mit Thrombozytopenie sind nach Markteinführung berichtet worden. Diese schlossen venöse Thrombosen wie zerebrale Sinusvenenthrombosen, Splanchnikus-Venen- thrombosen sowie arterielle Thrombosen ein). Sehr Tinnitus Erkrankungen des Ohrs und selten des Labyrinths Sehr Diarrhoe, Erbrechen Erkrankungen des Gastro- selten intestinaltrakts Vorgeschichte eines Kapillarlecksyndroms (Capillary-Leak- Kontraindikationen Syndroms (CLS)) Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 7 | 45
Melderaten von Myokarditis und/oder (3). Von diesen 377 Fällen traten 338 Fälle im Perikarditis nach Basis- und Auf- Zusammenhang mit den rund 12 Millionen frischungsimpfungen mit COVID-19- Basisimpfungen (1./2. Dosis) auf, was einer mRNA-Impfstoffen in der Schweiz Gesamtmelderate von 28,2 Fällen pro Mil- lion Basisimpfungen entspricht. Die derzeit festgestellte Melderate von Myokarditis/Pe- Dr. med. Valeriu Toma rikarditis nach Auffrischungsimpfungen (ca. Abteilung Arzneimittelsicherheit, Swissmedic 9,4 Fälle pro Million) ist damit dreimal nied- riger als die Melderate nach Basisimpfungen In diesem Artikel präsentieren wir eine Zwi- (28,2 Fälle pro Million). schenauswertung der lokalen Meldungen Zu den wichtigsten mRNA-Impfstoffen, die von Myokarditis- und/oder Perikarditis-Fäl- gegenwärtig in der Schweiz im Einsatz sind, len, die bei Swissmedic nach einer Auffri- lassen sich aufgrund der vorliegenden Daten schungsimpfung (Booster: 3. Dosis) mit folgende Trends erkennen: mRNA-Impfstoffen eingegangen sind. Ob- wohl das COVID-19-Impfprogramm noch Für Spikevax wurden bis zum 8. März 2022 läuft, hat sich die Zahl der verabreichten nach 7,65 Millionen verabreichten Basisimp- Impfungen in den letzten Wochen auf nati- fungen (1./2. Dosis) 266 Fälle von Myokardi- onaler Ebene deutlich stabilisiert, so dass tis/Perikarditis gemeldet, was einer Melde- sich die derzeitigen Schätzungen bis zum rate von 34,8 Fällen pro Million Dosen von Ende der Impfkampagne wahrscheinlich Spikevax für Basisimpfungen entspricht. nicht wesentlich ändern werden. Diese Melderate war mehr als viermal so hoch wie die derzeit beobachtete Melderate Bis zum 12. März 2022 sind bei Swissmedic 34 von 8,4 Fällen für Spikevax-Auffrischungs- Meldungen von Myokarditis oder Perikardi- impfungen (siehe oben). tis im Zusammenhang mit einer Auffri- schungsimpfung gegen COVID-19 eingegan- Von allen bis zum 8. März 2022 erfassten Fäl- gen. Gemäss den vom BAG zur Verfügung len wurden 71 im Zusammenhang mit den gestellten Impfzahlen (1) wurden in der 4,31 Millionen Comirnaty-Dosen für Ba- Schweiz bisher ca. 3,61 Millionen Auffri- sisimpfungen (1./2. Dosis) gemeldet, was ei- schungsimpfungen verabreicht, was eine ner Melderate von rund 16,5 Fällen pro Mil- Melderate von 9,4 Myokarditis-/Perikarditis- lion Dosen entspricht. Die Melderate von Fällen pro Million mRNA-Impfstoffdosen für Myokarditis/Perikarditis bei Auffrischungs- Auffrischungsimpfungen ergibt. Von diesen impfungen mit Comirnaty-Impfdosen lag bei 34 Fällen standen 18 im Zusammenhang mit 10,8 Meldungen pro Million Dosen (siehe Spikevax® (2,13 Millionen verabreichte Auf- oben) und war damit niedriger als bei den frischungsimpfungen) und 16 mit Comir- Basisimpfungen. naty® (1,48 Millionen Auffrischungsimpfun- Die Verteilung nach Geschlecht (Tabelle 1) gen). Aus diesen Zahlen ergeben sich Melde- zeigt höhere Melderaten bei Männern, ins- raten von 8,4 Fällen von Myokarditis/Perikar- besondere nach den Basisimpfungen (1./2. ditis pro Million Auffrischungsimpfungen Dosis), was mit Daten aus früheren pharma- mit Spikevax und von 10,8 Fällen pro Million koepidemiologischen Studien überein- Auffrischungsimpfungen mit Comirnaty. stimmt (z. B. Ref. 2). Bei der Spikevax-Auffri- Bis zum 8. März 2022 wurden in der Schweiz schungsimpfung sind die Melderaten für 377 Fälle von Myokarditis und/oder Perikar- Myokarditis/Perikarditis sowohl bei Män- ditis gemeldet, bei denen ein Zusammen- nern als auch bei Frauen niedriger. hang mit mRNA-Impfungen vermutet wurde Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 8 | 45
Tabelle 1: Geschätzte Melderaten nach unter 30 Jahren empfohlen. Obwohl die mRNA-COVID-19-Impfung, nach Impfdosis Meldezahlen in bestimmten Altersgruppen und Geschlecht für eine abschliessende Bewertung noch recht niedrig sind, wurde bei Personen unter Vaccine dose Reporting rate estimates 30 Jahren nach der Spikevax-Auffrischungs- myocarditis/pericarditis impfung nur eine sehr geringe Zahl von per 1,000,000 doses Myokarditis/Perikarditis-Fällen festgestellt. Ausserdem könnte die allgemeine Bereit- Female Male schaft, Fälle von Myokarditis/Perikarditis zu Cormirnaty 9.8 21.4 melden, in der Schweiz während der Auffri- 1st/2nd schungsimpfkampagne abgenommen ha- Comirnaty 9.5 12.2 ben. booster Obwohl Vergleiche der Spontanmelderaten Spikevax 14.7 53.9 1st/2nd für verschiedene Impfstoffdosen zu unter- schiedlichen Zeitpunkten während der Impf- Spikevax 3.7 13.1 kampagne nur mit Vorbehalten möglich booster sind, gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass Myokarditis/Perikarditis nach Auffri- Die aktuellen Melderaten für Myokardi- schungsimpfungen häufiger auftritt. Unsere tis/Perikarditis pro Million Dosen nach einer Daten deuten darauf hin, dass sie seltener Auffrischungsimpfung sind bei Spikevax (8,4 als nach den ersten beiden Impfdosen auf- Fälle) und Comirnaty (10,8 Fälle) ähnlich. Der treten könnten. Rückgang der Melderaten nach Auffri- schungsimpfungen im Vergleich zu den Ba- Literatur sisimpfungen (1./2. Dosis) ist bei Spikevax (1) COVID-19 Schweiz, Informationen zur aktuellen stärker ausgeprägt (> 4-mal tiefere Rate). Es Lage: https://www.covid19.admin.ch/de/vaccina- sind verschiedene Gründe für diese Beobach- tion/doses tung möglich. (2) Oster ME et al. Myocarditis Cases Reported After Erstens enthält die Dosis für die Auffri- mRNA-Based COVID-19 Vaccination in the US from December 2020 to August 2021. JAMA. schungsimpfung von Spikevax nur die Hälfte 2022 Jan 25;327(4):331-340. der Impfstoffmenge, d. h. 50 µg mRNA, was (3) Verdachtsmeldungen unerwünschter Wirkungen mit einer geringeren Inzidenz verschiedener der Covid-19 Impfungen in der Schweiz – 23. Up- date. Swissmedic, 11.03.2022. unerwünschter Reaktionen, einschliesslich Myokarditis/Perikarditis, einhergehen kön- (4) Impfempfehlungen Covid-19 nte. Ausserdem haben nationale und internatio- nale Sicherheitsdaten gezeigt, dass Entzün- dungen des Herzmuskels und des Herzbeu- tels bei Personen unter 30 Jahren häufiger nach Impfungen mit Spikevax als mit Comir- naty beobachtet wurden (3). Die Eidgenössi- sche Kommission für Impffragen (EKIF) hat daraufhin die nationale Impfempfehlung für mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 über- prüft (4), und derzeit wird nur der Impfstoff Comirnaty für die Anwendung bei Personen Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 9 | 45
Erfolgreiche Re-Exposition mit Patienten sind ein Asthma bronchiale, Heu- COVID-19-mRNA-Impfung in reduzierter schnupfen sowie Allergien auf diverse Le- Dosierung bei Patient mit klinischem bensmittel und Latex vorbekannt. In diesem Verdacht auf Peri-/Myokarditis nach Rahmen bestand beim Patienten eine Be- erster COVID-19-Impfung darfsmedikation mit Formoterol / Budesonid sowie Cetirizin. Nach der Impfung (mit einer Sarah Banholzer, eidg. dipl. Apothekerin1, Latenzzeit von ca. 5 Stunden) zeigte sich Prof. Dr. med. Arthur Helbling2, eine Schwellung an der Injektionsstelle. Am Prof. Dr. med. Manuel Haschke1 Folgetag litt der Patient an Fieber, worauf er 1 Regionales Pharmacovigilance-Zentrum Bern, Paracetamol einnahm und sich kurze Zeit Klinische Pharmakologie und Toxikologie, später mit Herzrasen und einem Ruhepuls Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, In- bis 140/Minute auf einer Notfallstation vor- selspital Bern, Schweiz stellte, von der er aber bei einem unauffälli- 2 Allergologie und klinische Immunologie, Universi- gen EKG noch am selben Tag wieder nach tätsklinik für Pneumologie und Allergologie, Hause entlassen wurde. Am zweiten Tag Inselspital Bern, Schweiz nach der Impfung zeigte sich ein aggravier- tes Beschwerdebild mit Atemnot und belas- Einleitung tungs-, lage- und atemabhängigen Thorax- Nach der Zulassung von COVID-19-mRNA schmerzen, was zu einer erneuten Hospitali- Impfstoffen wurden Peri-/Myokarditiden als sation führte. Laboranalytisch zeigten sich sehr seltene unerwünschte Arzneimittelwir- erhöhte Entzündungsparameter (CRP maxi- kungen (UAW) beschrieben. Sie traten insbe- mal 63 mg/L), ein Troponin mit Dynamik sondere bei jüngeren männlichen Personen (Peak 28 ng/L) sowie unauffällige D-Dimere sowie häufiger nach der zweiten Impfdosis (259 µg/L, Referenzwert < 500 µg/L). Das auf. Aktuell sind kaum Daten über den Ver- Elektrokardiogramm registrierte einen lauf nach einer Re-Exposition mit einer wei- normokarden Sinusrhythmus ohne Re-/De- teren Dosis einer COVID-19-mRNA Impfung polarisierungsstörung mit lateralen PQ-Sen- nach einer durchgemachten Peri-/Myokardi- kungen (V5/V6). Bei typischen Beschwerden tis im Zusammenhang mit einer COVID-19 und minimem Anstieg der Herzenzyme in mRNA Impfung verfügbar und entsprechend der Verlaufsmessung wurde von einer Peri-/ fehlen auch konkrete Handlungsempfehlun- Myokarditis im Rahmen der COVID-19- gen. Hier berichten wir über die Re-Exposi- mRNA Impfung oder differentialdiagnos- tion mit einer COVID-19-mRNA Impfung (To- tisch bei viraler Genese (jedoch keine Symp- zinameran, Comirnaty®) in reduzierter Do- tome eines viralen Infektes vor der Impfung) sierung (10 µg) bei einem Patienten mit kli- ausgegangen. Es wurde eine Therapie mit nischem Verdacht auf eine durchgemachte Colchicin und Ibuprofen gestartet. Innert Peri-/Myokarditis im Zusammenhang mit der weniger Tage zeigte sich ein erfreulicher ersten Dosis (Elasomeran, Spikevax®). Verlauf, so dass der Patient in gebessertem Allgemeinzustand aus dem Spital nach Case Narrative Hause austreten konnte. Anschliessend ge- staltete sich die weitere Genesung des Pati- Ein zu Beginn der vermuteten UAW 24-jäh- enten jedoch langsam und er war für riger Mann wurde im Frühling 2021 erstma- ca. 8 Wochen zu 100 % arbeitsunfähig. Im lig mit Elasomeran (Spikevax®, COVID-19- Juni 2021 fielen die abgenommenen anti- mRNA-Impfstoff von Moderna) aktiv gegen Nucleocapsid-IgG negativ aus, was gegen die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene CO- eine zeitlich mit der Impfung überlappend VID-19 Erkrankung immunisiert. Beim Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 10 | 45
durchgemachten COVID-Infektion als Auslö- nach der Impfung auf und häufiger nach der ser spricht. 2. Dosis und bei jüngeren Männern (5). Die schweizerischen Fachinformationen von Auf Wunsch des Patienten und nach aus- Spikevax® (Moderna) und Comirnaty® (Pfi- führlicher Besprechung des Risikos einer er- zer) wurden darauf entsprechend ange- neuten Peri-/Myokarditis bei Re-Exposition passt. Zudem wurden Brustschmerzen, Kurz- mit einer weiteren COVID-19 mRNA Impfung atmigkeit oder Herzklopfen in der Rubrik wurde dem Patienten anfangs 2022 eine re- «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen» duzierte Dosis (10 µg statt 30 µg) des COVID- als Symptome aufgeführt, welche auf eine 19 mRNA Impfstoffes Tozinameran (Comirn- Peri-/Myokarditis hinweisen können (6). aty®) verabreicht. Diese Dosis wurde vom Pa- tienten gut toleriert, er berichtete nur über Beim beschriebenen Fall handelt es sich um Schmerzen an der Impfstelle sowie Müdig- einen Patienten mit einer klinisch möglichen keit, sonst traten aber keinen weiteren un- Peri-/Myokarditis (7) und nicht um eine erwünschten Wirkungen und kein Fieber wahrscheinliche oder bestätigte Myokardi- mehr auf. Ein Monat nach der Applikation tis-Diagnose gemäss den CDC Kriterien, wel- von 10 µg Tozinameran zeigte sich ein sehr che in der Tabelle 1 aufgeführt sind (8). hoher SARS-CoV2-IgG Anti-Spikeproteintiter (> 400 AU/ml, bzw > 1040 BAU/ml), weshalb Tabelle 1: Classification of the probability of aktuell keine weitere Applikation einer re- myocarditis diagnosis according to CDC cri- duzierten Dosierung geplant ist. teria (8) Im Frühling 2022 erlitt der Patient eine COVID-19 Infektion mit moderatem, aber Myocarditis Myocarditis diagnosis probable diagnosis confirmed selbstlimitiertem Verlauf ohne Hospitalisa- tion (drei Tage Fieber über 39°C mit starkem 1. Symptoms 1. Symptoms Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Husten, • Chest pain/pres- • Chest pain/pres- Halsschmerzen sowie Müdigkeit und Er- sure/discomfort sure/discomfort • Dyspnea/shortness of • Dyspnea/shortness schöpfung). breath of breath • Palpitations • Palpitations Diskussion 2. Abnormal testing 2. Abnormal testing Peri-/Myokarditis war zu Beginn der grossen • Elevated troponin • Biopsy Impfkampagnen (Start in der Schweiz im Ja- • Electrocardiogram • Elevated Troponin nuar 2021, gemäss nationaler Impfstrategie (ECG or EKG) findings AND MRI findings beginnend mit den definierten Risikogrup- • Decreased function consistent with on echo or MRI myocarditis pen (1)) nicht als unerwünschte Arzneimit- telwirkung (UAW) von COVID-19-mRNA- • MRI findings con- sistent with myocar- Impfstoffen bekannt. Im Verlauf wurden ditis Fälle von Peri-/Myokarditis in zeitlichem Zu- 3. No other identified 3. No other identified sammenhang mit COVID-19-mRNA-Impfun- cause cause gen beobachtet (2–4). Nach einer Evaluation der damals verfügbaren Daten informierte Swissmedic im August 2021 über einen mög- Der genaue Mechanismus, wie es nach einer lichen Zusammenhang zwischen einer COVID-19 mRNA-Impfung zu einer Peri-/My- mRNA-COVID-19-Impfung und dem Auftre- okarditis kommen kann, ist nicht bekannt ten einer Peri-/Myokarditis (5). Die Fälle tra- (9). Es werden aktuell verschiedene Hypo- ten vorwiegend innerhalb von 14 Tagen Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 11 | 45
thesen wie Hyperimmunität/Entzündungsre- längerem Intervall zwischen den Impfungen aktion, Autoimmunität, verzögerte Über- abnimmt (14). empfindlichkeit und weitere diskutiert (9). Personen, die nach einer mRNA-COVID-19 Schlussfolgerung Impfung eine Peri-/Myokarditis entwickel- Meldungen zu UAW in der Postmarketing- ten, sollen gemäss Einschätzung von Exper- phase sind von grosser Wichtigkeit für die ten keine weitere Dosis eines COVID-19 Arzneimittelsicherheit. Gut dokumentierte Impfstoffes erhalten, bis zusätzliche Sicher- Verläufe nach Re-Expositionen wären für die heitsdaten vorliegen (10). Falls nach einer Ri- klinische Entscheidungsfindung bezüglich sikobewertung die Entscheidung getroffen erneuter Applikation einer Impfung oder ei- wird, eine weitere COVID-19-Impfstoffdosis nes Arzneimittels nach einer vorangegan- zu verabreichen, sollte mindestens so lange gen unerwünschten Reaktion des Patienten abgewartet werden, bis die Peri-/Myokardi- eine enorme Hilfe. Solche Daten werden tis-Episode vollständig abgeklungen ist (10). aber leider nicht systematisch erhoben. Um Für Männer ab 18 Jahren, die sich für eine die Sicherheit einer Re-Exposition mit einer weitere COVID-19-Impfung entscheiden, COVID-19-mRNA-Impfung nach vorange- empfehlen einige Experten die Verwendung hendem Auftreten einer Peri-/Myokarditis des COVID-19-Impfstoffs von Janssen an- besser beurteilen zu können, sind dringend stelle der COVID-19-mRNA Impfstoffe, dabei weitere, möglichst systematisch gesammelte muss jedoch das erhöhte Risiko eines Daten notwendig. Dabei interessieren vor al- «Thrombose mit Thrombozytopenie-Syn- lem der zeitliche Abstand der Re-Exposition droms» berücksichtigt werden (10). Es findet zur vorangehenden Impfung bzw. uner- sich auch die Empfehlung, dass nach einer wünschten Reaktion, sowie der gewählte bestätigten Peri-/Myokarditis Personen nach Impfstoff und dessen Dosierung bei der Re- Aufklärung über die Risiken eine zweite Do- Exposition. Eine Gegenüberstellung von Fäl- sis des COVID-19-mRNA Impfstoffes von Pfi- len mit positivem sowie negativem Rechal- zer (Comirnaty®) erhalten können, da hier- lenge nach Re-Exposition mit einer COVID- unter die Rate der gemeldeten Peri-/Myokar- 19-mRNA-Impfung würde die Risikoabschät- ditis-Fälle etwas geringer ist als im Zusam- zung einer Re-Exposition bei einem individu- menhang mit der COVID-19-mRNA-Impfung ellen Patienten erleichtern. von Moderna (Spikevax®) (11). Bis weitere Sicherheitsdaten vorliegen, sollte In der Literatur finden sich nur wenige Da- bei Personen, welche im Zusammenhang mit ten zu Re-Expositionen mit einer COVID-19- einer COVID-19 Impfung eine Peri-/Myokar- mRNA-Impfung nach einer durchgemachten ditis entwickelten, vor einer weiteren CO- Peri-/Myokarditis in zeitlichen Zusammen- VID-19 Impfung eine individuelle Risikoab- hang mit einer früheren COVID-19-Impfung. wägung erfolgen. Dies ist wegen der fehlen- Es sind einzelne Patienten beschrieben, wel- den Daten jedoch nur eingeschränkt mög- che nach einer zweiten Impfung erneut mit lich. Falls z. B. wegen hohem persönlichen einer Peri-/Myokarditis reagierten (12) sowie Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf zwei Patienten, welche eine zweite Impfung der Entscheid für eine weitere Impfdosis ge- nach Auftreten einer Myokarditis erhielten, fällt wird, sollten oben geschilderte Überle- ohne dass es zu einer erneuten Symptomatik gungen berücksichtigt werden. Obwohl bei kam (13). In einer Analyse aus Kanada (noch vielen unerwünschten Wirkungen keine nicht peer-reviewte/publizierte Arbeit, klare Dosisabhängigkeit gegeben ist, wurde Public Health Ontario) zeigten sich Hinweise, im beschriebenen Fall vorsichtshalber eine dass das Risiko einer Peri-/Myokarditis bei reduzierte Dosierung (10 µg) mit einem Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 12 | 45
grösseren zeitlichen Abstand (8 statt 6 Mo- (6) Arzneimittelinformation-Publikationssystem (AIPS), (electronic version). Swissmedic, Bern, nate) verabreicht und vom Patienten ohne Switzerland. Available from: erneute Symptomatik toleriert. Ob in diesen http://www.swissmedicinfo.ch/. Situationen für Folge-Impfungen eine redu- (7) Tejtel, S.K.S., et al., Myocarditis and pericarditis: zierte Impfdosis generell Vorteile bringt, case definition and guidelines for data collection, kann aufgrund der Einzelfallbeobachtung analysis, and presentation of immunization safety data. Vaccine, 2022. nicht gesagt werden. Falls eine reduzierte (8) Oster, M. Overview of Myocarditis and Impfdosis verwendet wird, empfiehlt es sich, Pericarditis, ACIP COVID-19 Vaccines Work Group, die Immunantwort im Verlauf mittels Be- June 23, 2021. 2021; Available from: stimmung der Antikörpertiter zu kontrollie- https://www.cdc.gov/vaccines/acip/meetings/dow nloads/slides-2021-06/02-COVID-Oster-508.pdf As ren. accessed 2022-04-14. (9) Pillay, J., et al., Myocarditis and Pericarditis Meldung unerwünschter Wirkungen following COVID-19 Vaccination: Evidence Syntheses on Incidence, Risk Factors, Natural Zum Melden unerwünschter Arzneimittel- History, and Hypothesized Mechanisms. medRxiv, wirkungen (UAW) empfiehlt Swissmedic, das 2022. eigens dazu entwickelte Meldeportal zu be- (10) Interim Clinical Considerations for Use of COVID- nutzen (Electronic Vigilance System, ElViS). 19 Vaccines Currently Approved or Authorized in the United States, last updated February 22, 2022, Alle erforderlichen Informationen dazu sind CDC Centers for Disease Control and Prevention. unter www.swissmedic.ch zu finden. 2022; Available from: https://www.cdc.gov/vaccines/covid-19/clinical- considerations/interim-considerations- Literatur us.html#safety-mRNA As accessed 2022-03-26. (1) Covid-19-Impfstrategie (Stand 22.06.2021), (11) Myocarditis and Pericarditis after COVID-19 Bundesamt für Gesundheit (BAG) und mRNA Vaccines, Public Health Ontario, March Eidgenössische Kommission für Impffragen 2022. 2022; Available from: (EKIF). 2021; Available from: https://www.publichealthontario.ca/- https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokume /media/documents/ncov/vaccines/2021/11/myocar nte/mt/k-und-i/aktuelle-ausbrueche- ditis-pericarditis-mrna-vaccines.pdf?sc_lang=en pandemien/2019-nCoV/impfstrategie-bag- As accessed 2022-03-27. ekif.pdf.download.pdf/Covid-19- Impfstrategie%20BAG%20EKIF.pdf. As accessed (12) Tano, E., et al., Perimyocarditis in adolescents 2022-03-26. after Pfizer-BioNTech COVID-19 vaccine. Journal of the Pediatric Infectious Diseases Society, 2021. (2) Deb, A., et al., Acute Myocardial Injury Following 10(10): p. 962-966. COVID-19 Vaccination: A Case Report and Review of Current Evidence from Vaccine Adverse Events (13) Diaz, G.A., et al., Myocarditis and pericarditis Reporting System Database. Journal of primary after vaccination for COVID-19. Jama, 2021. care & community health, 2021. 12: p. 326(12): p. 1210-1212. 21501327211029230-21501327211029230. (14) Buchan, S.A., et al., Epidemiology of myocarditis (3) Nevet, A., Acute myocarditis associated with anti- and pericarditis following mRNA vaccines in COVID-19 vaccination. Clin Exp Vaccine Res, 2021. Ontario, Canada: by vaccine product, schedule 10(2): p. 196-197. and interval. medRxiv, 2021. (4) Abu Mouch, S., et al., Myocarditis following COVID-19 mRNA vaccination. Vaccine, 2021. 39(29): p. 3790-3793. (5) Swissmedic. DHPC – mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 (COVID-19 Vaccine Moderna und Comirnaty) - Risiko für Myokarditis und Perikarditis. 2021; Available from: https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/ humanarzneimittel/marktueberwachung/health- professional-communication--hpc-/dhpc-mrna- impfstoffe-gegen-covid-19.html. Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 13 | 45
COVID-19-Impfung von Kindern im Alter Unter den 10 schwerwiegenden Berichten von 5–11 Jahren: geringes Risiko für über Krampfanfälle hatten zwei Kinder ei- schwerwiegende Impfreaktionen wie nen Fieberkrampf, ein Kind hatte eine Vor- Myokarditis oder Krampfanfälle geschichte von Krampfanfällen, zwei Kinder hatten eine sich möglicherweise entwi- Dr. med. Thomas Schwartz ckelnde Anfallserkrankung und fünf Kinder Abteilung Arzneimittelsicherheit, Swissmedic hatten neu auftretende Anfälle. VAERS erhielt während des Analysezeit- Am 29. Oktober 2021 hat die Food and Drug raums zwei Meldungen über Todesfälle. Sie Administration (FDA) die Notfallzulassung betrafen zwei weibliche Kinder im Alter von für den Pfizer-BioNTech COVID-19 5 und 6 Jahren, die beide eine komplizierte (BNT162b2)-mRNA-Impfstoff auf Kinder im medizinische Vorgeschichte hatten und sich Alter von 5–11 Jahren erweitert. vor der Impfung bereits in einem kritischen Gesundheitszustand befanden. Die bekann- Ungefähr 8,7 Millionen Dosen des Impfstoffs ten Daten deuten nach Aussage der Autoren COVID-19 von Pfizer-BioNTech wurden zwi- nicht auf einen ursächlichen Zusammenhang schen dem 3. November bis 19. Dezember zwischen Tod und Impfung hin. 2021 in den USA Kindern im Alter von 5–11 Jahren verabreicht. Andere Impfstoffe wa- Diese Ergebnisse bestätigen die gute Ver- ren in diesem Zeitraum für die Altersgruppe träglichkeit des Pfizer-BioNTech COVID-19 nicht zugelassen. (BNT162b2)-mRNA-Impfstoffs bei Kindern im Alter von 5–11 Jahren, die sich bereits in Das US-Datenbanksystem VAERS (Vaccine der zulassungsrelevanten Studie bzw. einer Adverse Event Reporting System), das von früheren Auswertung der US-Datenbank der Food and Drug Administration (FDA) VAERS zeigte (3, 4). und dem Centers for Disease Control and Prevention (CDC) betrieben wird, erhielt in In der Schweiz ist Comirnaty® seit 10.12.2021 diesem Zeitraum 4’249 Berichte über uner- befristet für die Impfung bei Kindern im Al- wünschte Ereignisse nach der Impfung in ter von 5–11 Jahren zugelassen. Swissmedic dieser Altersgruppe, die von CDC-Mitarbei- hat bei etwa 83’000 verimpften Dosen von tern ausgewertet wurden (1). Insgesamt be- Comirnaty® in dieser Altersgruppe bisher 12 trafen 4’149 (97,6 %) VAERS-Meldungen Meldungen über unerwünschte Ereignisse nicht schwerwiegende und 100 (2,4 %) erhalten (Stand: 24.03.2022). 8 Meldungen schwerwiegende Ereignisse. Die am häufigs- waren nicht-schwerwiegend und 4 Meldun- ten berichteten Erkrankungen und diagnos- gen waren schwerwiegend. Bei den letzte- tischen Befunde unter den 100 Berichten ren wurden folgende Impfreaktionen ge- über schwerwiegende Ereignisse waren Fie- meldet: Bauchschmerzen, Durchfall, Erbre- ber (29; 29,0 %), Erbrechen (21; 21,0 %) und chen, Fieber, Bewusstseinsverlust, Fieber- erhöhte Troponinwerte (15; 15,0 %). krampf, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Letzteres ist ein Hinweis auf eine Myokardi- tis, die nach einer COVID-19-Impfung am Literatur häufigsten bei männlichen Impflingen im Al- (1) Anne M. Hause, James Baggs, Paige Marquez et ter von 12–29 Jahren auftritt (2). Von den 11 al., COVID-19 Vaccine Safety in Children Aged 5– bestätigten Myokarditis-Fällen in der Alters- 11 Years — United States, November 3–December 19, 2021; Morbidity and Mortality Weekly Report gruppe 5–11 Jahre erholten sich sieben Kin- (MMWR): Vol. 70, No. 51-52: 1755-1760 der und vier befanden sich zum Zeitpunkt der Meldung in der Genesungsphase. Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 14 | 45
(2) Matthew E. Oster, David K. Shay, John R. Su et al., (4) Su JR. Adverse events among children ages 5–11 Myocarditis Cases Reported After mRNA-Based years after COVID-19 vaccination: updates from v- COVID-19 Vaccination in the US From December safe and the Vaccine Adverse Event Reporting 2020 to August 2021; JAMA 2022; 327(4):331-340 System (VAERS). Atlanta, GA: US Department of Health and Human Services, CDC; 2021. (3) Walter EB, Talaat KR, Sabharwal C, et al.; https://www.cdc.gov/vaccines/acip/meetings/dow C4591007 Clinical Trial Group. Evaluation of the nloads/slides-2021-12-16/05-COVID-Su-508.pdf BNT162b2 Covid-19 vaccine in children 5 to 11 years of age, N Engl J Med 2022 Jan 6; 386(1):35- 46 Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 15 | 45
Meldungen über neu aufgetretene direkt gemeldet, drei Fälle wurde von medi- persistierende Kopfschmerzen (new zinischen Fachpersonen berichtet. Bei allen daily persistent headache) im zeitlichen 16 Patientinnen und Patienten waren die Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen Kopfschmerzen zum Zeitpunkt der Meldung noch bestehend. Zur Abklärung der Be- Dr. med. Beat Damke schwerden wurden bei 10 Patienten MRIs Abteilung Arzneimittelsicherheit, Swissmedic des Kopfes und in vier Fällen zusätzlich eine Lumbalpunktion durchgeführt, welche alle- Kopfschmerzen (Headache) ist in der Fachin- samt keinen wegweisenden Befund zeigten. formation der Pandemieimpfstoffe sowohl Als Schmerzmittel wurden entweder Noval- von Comirnaty® wie Spikevax® als «häufige» gin, Dafalgan, Tramal, Ibuprofen, Voltaren Nebenwirkung aufgeführt (Auftreten bei 1 und Tramal eingesetzt, die in den meisten bis 10 bei 100 Geimpften). Die Einheit Phar- Fällen zu nur leichter Schmerzlinderung macovigilance der Abteilung AMS hat in Zu- führten. In zwei Fällen Behandlung der per- sammenhang mit Comirnaty und Spikevax sistierenden Kopfschmerzen durch Morphin- Meldungen von Patientinnen und Patienten präparate. erhalten, bei denen es nach COVID-19-Imp- Untenstehend finden sich stellvertretend fung mit einem mRNA-Impfstoff auch zu zwei Beispiele mit Schilderungen von Patien- länger anhaltenden Kopfschmerzen, teil- tinnen. weise täglich auftretend, gekommen ist. Diese waren in einigen Fällen auch nach mehreren Wochen nicht abgeklungen und 1. Fallbericht sprachen insgesamt nur schlecht auf eine Frau mittleren Alters, 2. Impfung mit analgetische Medikation an. Die durchge- Spikevax: führten neurologischen Abklärungen erga- ben in der Regel keinen Befund, welcher als «Am Tag nach der Impfung hatte ich starke Ursache eine Erklärung geben konnte. dumpfe, drückende Kopfschmerzen vorne an der Stirn und auf der Seite, die konstant In einigen Fällen traten diese persistieren- bleiben, bei denen keine Schmerzmittel wir- den Kopfschmerzen bei Patientinnen und ken. Beim Arzttermin nach zwei Wochen Patienten auf, die vorher praktisch noch nie konnte nichts festgestellt werden. Danach im Leben unter Kopfschmerzen litten. Verschlechterung: Blitze im Kopf – ich fühlte Mit Stand 09.11.2021 wurden 16 Fälle von mich wie elektrifiziert und konnte mehrere persistierenden Kopfschmerzen identifiziert, Nächte nicht schlafen. Einige Tage später in denen die Beschwerden mindestens 4 Wo- Abklärungen auf der Neurologie eines Kan- chen anhielten und neurologische Abklärun- tonsspitals. Es konnte nichts festgestellt wer- gen keinen klaren Befund zeigten. In 13 Fäl- den. Verschreibung eines Schmerzmittel- len wurden die Patientinnen und Patienten cocktails über zwei Tage. Kopfschmerzen mit Spikevax geimpft, in 3 Fällen mit Comir- sind nicht verschwunden, z. T. brennender naty. 5 Fälle traten nach der ersten Impfung Kopfschmerz auf Kopfhaut noch dazu, der auf und 11 Fälle nach der zweiten Impfung. ist aber nicht konstant. Der dumpfe, drü- Betroffen waren 11 Frauen im Alter von 26 ckende Schmerz dauert nun schon seit 4 Wo- bis 63 Jahren und 5 Männer im Alter von 17 chen an. Der Kopfschmerz ist anders, als ich bis 54 Jahren. Das Durchschnittsalter in allen ihn bisher kenne und permanent da. Hatte 16 Fällen betrug 41,5 Jahre. Die Mehrzahl bisher keine Probleme mit Migräne oder der Fälle (n=13) wurde von den Betroffenen ähnlichem. Mein Arzt kann sich den Schmerz Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 16 | 45
nicht erklären. Meine Lebensqualität ist erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqua- stark beeinträchtigt und ich hatte vorher lität dar. Ob tatsächlich ein ursächlicher Zu- keinerlei gesundheitliche Probleme.» sammenhang mit den verabreichten Imp- fungen besteht und wie ein solcher Zusam- 2. Fallbericht menhang pathophysiologisch erklärt wer- den könnte, ist zum gegenwärtigen Zeit- Jüngere Frau, 2. Impfung mit Comirnaty: punkt nicht abschliessend geklärt. Die ge- «Beginn 3 h nach der zweiten Impfung: Na- schilderten Beobachtungen aus den Spon- senbluten, Kopfschmerzen, Schwindel. Die tanmeldungen sind bislang nicht durch Kopfschmerzen blieben von da an bestehen publizierte Untersuchungen bestätigt wor- (6 Wochen) und wurden von Woche zu Wo- den. Das Neuauftreten von länger andau- che intensiver (zuletzt eine 9 auf der ernden Kopfschmerzen wird im Rahmen der Schmerzskala). In der Folge zu 100 % ar- Überwachung des Sicherheitsprofils der beitsunfähig. Normale Analgetika (Kombi- Impfstoffe gegen COVID-19 weiterhin eng- nation von Irfen, Dafalgan und Novalgin) maschig überwacht. linderten den Schmerz nicht bzw. nur ge- ringfügig. Erst unter Tramadol plus obenge- Literatur nannten Schmerzmitteln konnte eine (1) Castaldo et al. The Journal of Headache and Pain Schmerzlinderung erreicht werden. Zuneh- (2022) 23:41 https://doi.org/10.1186/s10194-022- mende Licht- und Geräuschempfindlichkeit. 01400-4 Schädel-MRT und Lumbalpunktion waren unauffällig.» Schlussfolgerung Einzelfallberichte im Rahmen des Spontan- meldesystems geben Hinweise darauf, dass die bekannte und häufige Nebenwirkung «Kopfschmerz» in Einzelfällen über längere Zeit persistieren kann und dann eine weitere diagnostische Abklärung und Therapie er- fordert. Eine aktuelle Metaanalyse zu Kopfschmer- zen nach Impfung gegen COVID-19 ergibt, dass Kopfschmerzen die dritthäufigste Ne- benwirkung darstellen, die bei 22 % bzw. 29 % Prozent der Geimpften nach erster bzw. zweiter Impfung auftreten, allerdings auch bei 10 bis 12 % der mit Placebo Ge- impften (1). Hinweise auf Fälle mit persistie- renden Kopfschmerzen finden sich in der Metaanalyse sowie in der uns bislang vorlie- genden Literatur jedoch nicht. Neu aufgetretene, persistierende Kopf- schmerzen stellen für die Betroffenen eine Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 17 | 45
mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 und (RPVZ) Genf gemeldet wurden, und analy- thromboembolische Ereignisse sierten die wissenschaftliche Literatur zu die- sem Thema. Dr. pharm. Maja Ratajczak-Enselme1; Dr. pharm. Kuntheavy-Roseline Ing Lorenzini1,2; Prof. med. Jules Desmeules1, 2 Ergebnisse 1 2021 gingen beim RPVZ Genf insgesamt 300 Regionales Pharmacovigilance-Zentrum, Abteilung Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universi- Meldungen über unerwünschte Wirkungen tätsspital Genf, Schweiz nach COVID-19-Impfungen ein, darunter 22 2 Meldungen über thromboembolische Ereig- Medizinische Fakultät, Universität Genf, Schweiz nisse. Die Mehrzahl der Fälle betraf Frauen (n=14, 64 %), das Durchschnittsalter lag bei Einleitung 76 Jahren. Die Männer waren mit einem Seit Beginn der Impfung gegen COVID-19 Durchschnittsalter von 48 Jahren jünger. Die wurden mehrere Fallberichte über Lungen- am häufigsten gemeldeten thromboemboli- embolie, Myokardinfarkt oder zerebrovas- schen Ereignisse waren Lungenembolie kulären Ereignissen veröffentlicht, bei wel- (8 Fälle) und tiefe Venenthrombose (5 Fälle). chen ein zeitlicher Zusammenhang mit der Die Zeit bis zum Auftreten dieser Ereignisse Impfung bestand. Bei Adenovirus-Vektor- betrug im Durchschnitt 13 Tage (zwischen impfstoffen wurde ein leicht erhöhtes Risiko 1 und 44 Tagen), wobei die Mehrheit der Er- für thromboembolische Ereignisse (1–4) be- eignisse (n=17, 77 %) innerhalb von 3 Wo- stätigt, bei mRNA-Impfstoffen wurde aber chen nach der Impfung auftrat. Von den 22 bisher kein kausaler Zusammenhang nach- Fällen mit thromboembolischen Ereignissen gewiesen. nach Verabreichung eines mRNA-Impfstoffs bestand bei 19 Fällen mindestens ein Risiko- faktor. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der in Methoden der Schweiz für den gleichen Zeitraum ein- Wir analysierten die Fälle von thromboem- gereichten Berichte über thromboemboli- bolischen Ereignissen, die im Jahr 2021 dem sche Ereignisse betrug total 392. regionalen Zentrum für Pharmacovigilance Tabelle 1: Patientendaten aus 22 Meldungen, die vom RPVZ Genf im Jahr 2021 bearbeitet wurden: Number (RPVC Number in Switzer- Geneva) land (as extracted from VigiLyze) Age (years) ≥ 80 6 70-79 6 60-69 1 50-59 5 40-49 2 0-39 2 Sex Female 14 Male 8 Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 18 | 45
Adverse event pre- Pulmonary embolism 8 178 ferred term (PT)* Deep vein thrombosis 5 95 Haemorrhagic stroke 1 3 Ischaemic stroke 1 47 Cerebral thrombosis 2 5 Cerebrovascular accident 1 27 Thrombophlebitis 1 8 Intestinal ischaemia 1 1 Myocardial infarction acute 1 23 Acute coronary syndrome 1 4 Urticarial vasculitis 1 1 Delay between 1-21 days 17 vaccination and AE occurrence (days) 22-44 days 5 Suspected COVID- Comirnaty ® 9 19 vaccine Spikevax® 12 Unknown 1 Dose After first dose 10 After second dose 12 Outcome Fatal 2 Resolving 2 Resolved with sequelae 1 Resolved 14 Unknown 3 Risk factors ** At least 3 1 At least 2 3 At least 1 9 Not known risk factors 6 Unknown 3 * Bei einem Patienten kann mehr als eine UAW auftreten ** Zu den gemeldeten Risikofaktoren für venöse Thromboembolie gehören: Krankengeschichte mit Lungenembolie, oberflächlicher Venenthrombose, maligner Erkrankung, Karotisstenose, ischämischer Kardiomyopathie, Fraktur (Hüfte oder Bein), längerer Immobilisierung (mehr als 3 Tage) sowie Adipositas (5). Einige Arzneimittelbehörden wie die fran- den Impfstoffen Comirnaty und Spikevax so- zösische ANSM (Agence nationale de sé- wie Fälle systemischer ANCA-assoziierter Va- curité des médicaments), Swissmedic oder skulitis beim Impfstoff Spikevax (6). Dem HSA Singapur überwachen derzeit thrombo- RPVZ Genf wurden im Jahr 2021 zwei Fälle embolische Ereignisse, insbesondere Fälle von zerebraler Venenthrombose gemeldet: von zerebraler Sinusvenenthrombose bei Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 19 | 45
Fall Nr. 1: Eine 52-jährige Frau wurde wegen ergab sehr häufige und starke Kopfschmer- eines Bandscheibenvorfalls mit Lumboischi- zen seit 2 Wochen und eine Zunahme der algie seit 12 Tagen mit Dexamethason be- Anzahl epileptischer Anfälle. Es bestand handelt. Achtzehn Tage nach der ersten Do- keine persönliche oder familiäre Vorge- sis des Comirnaty®-Impfstoffs litt sie unter schichte von venösen Thromboembolien. Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit und Der Patient wurde wegen des Verdachts auf rechtsseitigen Nackenschmerzen, weshalb eine paraneoplastische Gerinnungsstörung sie die Notaufnahme aufsuchte. Die Ergeb- auf eine Langzeit-Antikoagulationstherapie nisse des Hirnscans wurden als normal inter- eingestellt. Klinisch verlief die Entwicklung pretiert und die Patientin kehrte nach Hause günstig mit einer Normalisierung des neuro- zurück. Drei Tage später traten eine sensible logischen Befunds und einer deutlichen Bes- Ataxie der rechten oberen Extremität, eine serung der Kopfschmerzen. Apraxie und eine optische Ataxie auf. In der Notaufnahme hatte sie zwei generalisierte Diskussion tonisch-klonische Krampfanfälle. Die zereb- Seit der Markteinführung der mRNA-Impf- rale Angiographie zeigte eine zerebrale Si- stoffe gegen COVID-19 (7–11) wurden meh- nusvenenthrombose vom rechten Sinus rere Fallberichte über thromboembolische sagittalis superior bis zur rechten Vena ju- Ereignisse veröffentlicht, ohne dass ein kau- gularis interna mit links parietalem intrapa- saler Zusammenhang mit der Impfung her- renchymalem Hämatom, links parietalen in- gestellt werden konnte. Mehrere For- ferioren hämorrhagischen Transformatio- schungsgruppen führten Fall-Kontroll-Stu- nen und Zeichen einer venösen Stase. Wäh- dien durch, um diesen möglichen Zusam- rend des Spitalaufenthalts wurden hormo- menhang zu untersuchen. So wurden aktuell nelle, entzündliche, infektiöse oder neoplas- bei 6,2 Millionen Personen in den USA tische Ursachen ausgeschlossen. Der Throm- (Durchschnittsalter 49 Jahre, 54 % Frauen), bophilie-Test war negativ, die Familienan- die mit einem mRNA-Impfstoff gegen CO- amnese zeigte jedoch eine Lungenembolie VID-19 geimpft worden waren, das Auftre- mit tödlichem Verlauf beim Vater der Pati- ten unerwünschter Ereignisse wie zerebrale entin. Die Patientin wurde auf eine Antikoa- Sinusvenenthrombose, Myokardinfarkt, gulationstherapie für mindestens drei Mo- Fazialisparese, Guillain-Barré-Syndrom, My- nate eingestellt. Die Symptome besserten okarditis/Perikarditis, Lungenembolie, sich im Laufe des Spitalaufenthalts. Schlaganfall und Thrombose-mit-Throm- Fall Nr. 2: Ein 50-jähriger Mann mit bekann- bozytopenie-Syndrom (TTS) untersucht. Die tem anaplastischem Astrozytom (Grad III, Inzidenz dieser Ereignisse im Zeitraum bis links frontal-parietal), das mit Strahlen- und zum 21. Tag nach der Impfung (der als Risi- Chemotherapie behandelt worden war, und kozeitraum gilt) war nicht signifikant höher mit einer behandelten sekundären Epilepsie. als die Inzidenz im Zeitraum von 22 bis 44 Am Tag nach der zweiten Dosis des Impf- Tagen nach der Impfung (Kontrollzeitraum) stoffs Spikevax® zeigte er eine diskrete (12). Fazialisparese in der unteren rechten Ge- In einer landesweiten Studie in Frankreich sichtshälfte, eine leichte Aphasie und eine bei Personen ab 75 Jahren, die mit dem mässige Dysarthrie. Das zerebrale MRI zeigte mRNA-Impfstoff BNT162b2 geimpft worden eine subakute Venenthrombose des linken waren, wurde das relative Risiko für die fol- Sinus transversus und Sinus sigmoideus, die genden Ereignisse bewertet: Myokardin- sich bis zum Ursprung der linken Vena ju- farkt, hämorrhagischer oder ischämischer gularis interna erstreckte. Die Anamnese Schlaganfall und Lungenembolie. Es wurde Swissmedic Vigilance-News | Edition 28 – Mai 2022 20 | 45
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