Epidemiologisches Bulletin 27 2021 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 27 Epidemiologisches 2021 Bulletin 8. Juli 2021 COVID-19-Zielimpfquote | STIKO: 8. Aktualisierung der COVID-19- Impfempfehlung | VRE-Jahresbericht
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 2 Inhalt Welche Impfquote ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren? 3 Die COVID-19-Pandemie stellt die Welt vor große Herausforderungen. Die langfristigen Folgen der Pandemie bzw. der notwendigen Kontrollmaßnahmen lassen sich derzeit noch nicht exakt definieren. Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffe zeigen Studien zufolge nach vollständiger Impfserie eine sehr gute Effek- tivität bzgl. Schutz vor jeglicher Infektion wie auch vor asymptomatischen Infektionen. Basierend auf Ergebnis- sen mathematischer Modellszenarien und Bevölkerungssurveys zur Impfakzeptanz wird die Frage adressiert, welche Impfquote in Deutschland notwendig und auch realistisch ist, um COVID-19 in den kommenden Mo- naten zu kontrollieren. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 5. Juli 2021.) Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung 14 Die STIKO empfiehlt allen Personen ab 18 Jahren die Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelas- senen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, COVID-19-Vaccine von Moderna) oder einem der beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International). Die STIKO ändert ihre bisherige Empfehlung einer zweimaligen (d. h. homologen) Vaxzevria-Impfung bei ≥60-Jährigen und empfiehlt nun auch für ≥60-Jährige ein heterologes Impfschema (d. h. 1. Impfung mit Vaxzevria gefolgt von einem mRNA-Impfstoff). Eigenschaften, Häufigkeit und Verbreitung von Vancomycin-resistenten Enterokokken in Deutschland – Update 2019/2020 32 VRE gehören zu den in Deutschland gemäß § 23 Abs. 4 IfSG zu erfassenden Erregern und werden mittlerweile in vielen Kliniken häufig beobachtet. Auch am NRZ für Staphylokokken und Enterokokken waren steigende VRE-Einsendezahlen und ein hoher Bedarf an Typisierungen bemerkbar. Im Jahr 2020 schreibt das NRZ rück- läufige Einsendezahlen, vor allem ab dem 2. Quartal, dem COVID-19-pandemiebedingten Lockdown zu. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 26. Woche 2021 43 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz. E-Mail: SeedatJ@rki.de Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 3 Welche Impfquote ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren? 1. Zusammenfassung 2. Hintergrund Basierend auf Ergebnissen mathematischer Modell Die COVID-19-Pandemie stellt die Welt vor große szenarien und Bevölkerungssurveys zur Impfak- medizinische, aber auch gesellschaftliche und wirt- zeptanz wird die Frage adressiert, welche Impfquo- schaftliche Herausforderungen. Die langfristigen te in Deutschland notwendig und auch realistisch direkten und indirekten Folgen der Pandemie bzw. ist, um Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in der notwendigen Kontrollmaßnahmen lassen sich den kommenden Monaten zu kontrollieren. In den derzeit noch nicht exakt definieren. Bislang wurden Modellszenarien wird der Einfluss der Impfquote alleine in Deutschland mehr als 3,7 Millionen Severe auf die COVID-19-Inzidenz und Intensivbettenbe- Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS- legung bis Frühjahr 2022 simuliert und in CoV-2-)Meldefälle und mehr als 90.000 COVID-19- Sensitivitätsanalysen der Einfluss verschiedener bedingte Todesfälle registriert.1 Faktoren auf den Effekt der Impfquoten geprüft. Diese Szenarien sind keine exakten Prognosen, In nicht einmal 12 Monaten gelang es, gleich meh- sondern eine Abschätzung des Einflusses der Maß- rere sichere und auch hochwirksame Impfstoffe nahmen auf das Infektionsgeschehen. Die Ergeb- zum Schutz vor COVID-19 zu entwickeln. Seit Ende nisse zeigen, dass unter den getroffenen Annah- 2020 bzw. Anfang 2021 stehen in Deutschland zwei men, insb. einer zunehmenden Dominanz der Del- mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, ta-Variante, die Impfkampagne mit hoher Intensi- Spikevax von Moderna) zur Verfügung, die in Zulas- tät weitergeführt werden sollte, bis mindestens sungsstudien nach zwei Impfstoffdosen eine Wirk- 85 % der 12 – 59-Jährigen bzw. 90 % der ≥ 60-Jähri- samkeit von 95 % bzgl. Schutz vor symptomatischer gen vollständig gegen COVID-19 geimpft sind. Im SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen.2,3 Die Effektivität Bevölkerungssurvey waren im Erhebungszeitraum der beiden später zugelassenen Vektor-basierten (Mitte Mai/Anfang Juni 2021) bereits 84 % der Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19 ≥ 60-Jährigen mit mindestens einer Impfstoffdosis Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International) geimpft, und es bestand eine Impfbereitschaft, die betrug bzgl. Schutz vor COVID-19-Erkrankung nach die im Modell identifizierten Zielimpfquoten er- zwei bzw. einer Impfstoffdosis etwa 70 %.4,5 Im Rah- reichbar erscheinen lassen. Unter Annahme dieser men der breiten Anwendung konnte ein ähnlich gu- Impfquoten und in Kombination mit Basishygiene- ter Effekt (> 80 %) von Comirnaty und Vaxzevria in maßnahmen und einer geringfügigen Reduktion Bezug auf die Verhinderung hospitalisierungs des Kontaktverhaltens sollte es im Herbst/Winter bedürftiger COVID-19-Erkrankungen nach bereits nicht mehr zu einem starken Anstieg der COVID-19- einer Impfstoffdosis nachgewiesen werden.6,7 Hin- bedingten Intensivbettenbelegung kommen. Auf- sichtlich der bislang neu aufgetretenen besorgnis grund der sich schnell ausbreitenden Delta-Variante erregenden Virusvarianten (inkl. der Delta-Variante) ist es jedoch entscheidend, dass (i) die noch un- scheint der Schutz der Impfstoffe vor milder Erkran- geimpfte Bevölkerung motiviert wird, das Impfan- kung etwas reduziert zu sein, jedoch schützen zwei gebot noch im Sommer wahrzunehmen, um die Dosen von sowohl Comirnaty als auch Vaxzevria notwendigen Impfquoten möglichst bald zu errei- weiterhin sehr gut vor schweren Krankheitsver chen, (ii) ausreichend Kapazitäten zur Verabrei- läufen.8 – 10 chung der in Aussicht gestellten Impfstoffmengen bestehen und (iii) die Bevölkerung weiterhin die Initial war unklar, ob die verfügbaren COVID-19- Basishygienemaßnahmen umsetzt. Impfstoffe nur vor einer Erkrankung oder auch vor
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 4 asymptomatischen Infektionen bzw. Virusübertra- zieren.13 Dieses Phänomen kann beobachtet werden, gungen schützen. Mittlerweile liegen mehr als wenn Impfstoffe nicht nur das Auftreten der vom 15 Studien vor, in denen nach vollständiger Impf Erreger verursachten Erkrankung verhindern, son- serie die Effektivität der COVID-19-Impfung bzgl. dern auch die Infektion mit dem Erreger bzw. seine Schutz vor jeglicher Infektion wie auch vor asymp- Übertragung. Der Gemeinschaftsschutz setzt jedoch tomatischen Infektionen im Beobachtungszeitraum nicht abrupt ab einem gewissen Schwellenwert ein, üblicherweise zwischen 80 und 90 % lag.11 Bei Per- sondern steigt mit steigenden Impfquoten in der In- sonen, die trotz Impfung PCR-positiv getestet wur- tensität. Bei den COVID-19-Impfstoffen ist dieses den, konnte darüber hinaus eine signifikant gerin- Potenzial der Verhinderung von Infektionen – wie gere Viruslast und auch eine verkürzte Dauer der oben berichtet – in mehreren Studien nachgewiesen Virusausscheidung nachgewiesen werden.11 Aus worden, und auch Beobachtungen auf Bevölke- diesen Daten kann abgeleitet werden, dass die rungsebene bestätigen die Reduzierung der Trans- COVID-19-Impfung eine Virustransmission in er- mission und damit das Zustandekommen eines Ge- heblichem Maße reduziert und dass vollständig meinschaftsschutzes: In Israel konnte eine Reduzie- geimpfte Personen in Bezug auf die Epidemiologie rung der SARS-CoV-2-Infektionen unter ungeimpf- der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spie- ten Kindern beobachtet werden, die sich mit jedem len. Die in der o. g. systematischen Übersichts Anstieg der Impfquote um 20 % in der Erwachsenen arbeit identifizierten Studien berücksichtigten je- bevölkerung verdoppelte.14 doch vor allem die Alpha-Variante;11 für die Delta- Variante stehen bislang nur eingeschränkt Daten Oftmals wird der Begriff Gemeinschaftsschutz oder zur Verfügung. Herdenimmunität auch im Kontext eines Schwel- lenwerts an Bevölkerungsimmunität oder Impfquo- Mit vereinten Kräften der Impfzentren, Kranken- te gebraucht, ab dem die Transmission so reduziert häuser, mobilen Teams, Arztpraxen und Betrieben wird, dass die effektive Reproduktionszahl < 1 und waren zum 30. Juni 2021 in Deutschland bereits damit eine Erkrankung in der Bevölkerung elimi- mehr als 73 Millionen COVID-19-Impfstoffdosen niert werden kann (z. B. die 95 % Impfquote für die verabreicht und 54 % der gesamten Bevölkerung Masernelimination), wobei in Bezug auf die Elimi- mit mindestens einer Impfstoffdosis geimpft.12 So- nation eines Erregers noch weitere Voraussetzun- wohl die Politik als auch die Bevölkerung stellen gen erfüllt sein müssen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich zunehmend die Frage, welche Impfquote er- eine solche Schwelle für COVID-19 realistisch ist. reicht sein muss, um COVID-19 zu kontrollieren Das Konzept des Gemeinschaftsschutzes ist kom- und die Pandemie zu einem Ende zu bringen. In plex, da nicht nur die Basisreproduktionsrate R0 dem hier vorliegenden Bericht begründet das Ro- eine wichtige Rolle spielt, sondern auch die Wirk- bert Koch-Institut (RKI), warum es notwendig, aber samkeit der Impfung, die Dauer des Impfschutzes auch als Ziel erreichbar ist, die Impfkampagne mit sowie die Heterogenität der Kontakte in der Bevöl- hoher Intensität weiterzuführen, bis mindestens kerung und die Heterogenität der Durchimpfung in 85% der 12 – 59-Jährigen bzw. 90% der ≥ 60-Jähri- der Bevölkerung.13 Bei einem hohen R0 und einer gen vollständig gegen COVID-19 geimpft sind. nur moderaten oder abnehmenden Wirksamkeit der Impfung in Bezug auf eine Verhinderung der Erregertransmission könnte es daher selbst bei ei- 3. Gemeinschaftsschutz und ner 100 %igen Impfquote nicht gelingen, den Erre- Zielimpfquote ger zu eliminieren.13 In Bezug auf COVID-19 ist ak- Der Begriff Gemeinschaftsschutz (synonym: Her- tuell noch unklar, wie lange die Immunität sowohl denschutz oder Herdenimmunität) bezeichnet im nach der Impfung als auch nach natürlicher Infek- herkömmlichen Sinne den indirekten Effekt einer tion anhält und ob bzw. wann Auffrischimpfungen Impfung, der auftritt, wenn ein gewisser Anteil der notwendig sind. Ebenso ist unklar, ob weitere Virus- Bevölkerung geimpft ist und dadurch die Transmis- varianten mit höherem R0 folgen, wie es jetzt bereits sion des Erregers so reduziert wird, dass auch Un- mit der Delta-Variante der Fall ist, oder Virusvarian- geimpfte ein niedrigeres Risiko haben sich zu infi- ten, gegen die die Impfung weniger gut wirkt, auf-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 5 treten werden. Für eine Elimination wäre es darüber mit Dominanz der Alpha-Variante angepasst wurde, hinaus erforderlich, dass die Impfaktivitäten auch kann bei einer COVID-19-Impfquote von 50 % (voll- global ein Erfolg sind, damit nicht kontinuierlich ständige Impfung) eine substanzielle Anzahl von Virus importiert und sich je nach Impfquote erneut Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfällen ausbreitet oder zu lokalen Ausbrüchen führt. Eben- verhindert werden, mit der höchsten Anzahl an ver- so wäre die Entwicklung eines permanenten Tier hinderten Todesfällen unter den ≥ 60-Jährigen und reservoirs ein Hindernis für die Elimination. der höchsten Zahl an verhinderten Infektionen in jüngeren Altersgruppen. Durch die Steigerung der Mit anderen Worten: Das Auftreten eines Gemein- Impfquote von 50 % auf 80 % könnten nochmals schaftsschutzes ist bei COVID-19 realistisch und zusätzlich 11 % der Todesfälle bis Ende 2022 verhin- wurde bereits beobachtet. Je höher die Impfquote, dert werden. Das WHO Regionalbüro empfiehlt da- desto ausgeprägter ist das Phänomen. Ob jedoch her, dass Länder eine Impfquote von mindestens eine Schwelle realistisch ist, ab der SARS-CoV-2 eli- 80 % in der Erwachsenenbevölkerung so früh wie miniert werden kann, ist zweifelhaft. Das Ziel, eine möglich erreichen sollten und dass dafür Evidenz- breite Grundimmunität in der Bevölkerung zu er- basierte zielgerichtete Strategien zur Steigerung der reichen, durch die auf individueller Ebene das Auf- Impfakzeptanz und -inanspruchnahme implemen- treten schwerer Erkrankungsfälle deutlich reduziert tiert werden sollten.15 Die o. g. Ergebnisse und die und auf der Populationsebene die Viruszirkulation Höhe der Zielimpfquote können jedoch von Land erheblich verringert wird, ist jedoch realistisch. zu Land variieren, z. B. aufgrund unterschiedlicher Gleichwohl sind schwere Erkrankungsfälle und lo- Bevölkerungsstrukturen. Ebenso ist eine Anpas- kale Ausbruchsgeschehen auch dann weiter mög- sung an neue, leichter übertragbare Virusvarianten lich. Aus Public-Health-Sicht ist das Erreichen eines sinnvoll. Gemeinschaftsschutzes ein willkommener Effekt, da hierdurch in einem gewissen Maße indirekt auch Personen geschützt werden, die selbst nicht geimpft 5. Mathematische Modellszenarien werden können. Andererseits würden in einer Be- für Deutschland völkerung, in der man nach Erreichen eines be- Um die mögliche Entwicklung der Fallzahlen bzw. stimmten Impfquoten-Wertes die Impfaktivitäten der 7-Tage-Inzidenz und der Personen in intensiv- reduziert, immer noch empfängliche Personen exis- medizinischer Behandlung im kommenden Herbst tieren. Daher sollte aus Public-Health-Sicht die für unterschiedliche Impfquoten abschätzen zu Impfquote so hoch wie möglich sein, um ein Maxi- können, wurde ein erweitertes SEIR-Modell genutzt mum an Erkrankungen zu verhindern, wohlwis- (Susceptible (S) Exposed (E) Infectious (I) send, dass sich in einer Bevölkerung niemals 100 % Recovered (R)), um Szenarien unter Berücksichti- der Menschen impfen lassen. Aus programmati- gung verschiedener Impfquoten und Kontaktinten- scher Sicht ist die Definition einer Zielimpfquote sität zu erstellen. Die genauen Details des Modells hilfreich, um die Beschaffung ausreichender Impf- wurden im April 2021 veröffentlicht.16 Es handelt stoffmengen zu planen und auch Kommunikations- sich um ein SEIR-Modell, dessen Modellbevölke- kampagnen entsprechend darauf auszurichten. rung in 16 Altersgruppen mit je drei Vorerkran- kungsstatus (mit keinem, moderat oder stark erhöh- tem Risiko für schwere COVID-19-Krankheitsver- 4. Empfehlung der WHO zur Festlegung läufe) unterteilt ist. Dabei wird nach Meldefällen einer Zielimpfquote und unerkannten bzw. nicht gemeldeten Infektio- Das Weltgesundheitsorganisation (WHO) Regional- nen (Untererfassung) unterschieden. büro für Europa empfiehlt Mitgliedstaaten die Defi- nition und Festsetzung einer Zielimpfquote zur bes- Im Modell werden die verfügbaren mRNA-Impf- seren Planung und Entwicklung einer Nationalen stoffe, wie auch getrennt die Vektor-basierten Impf- Impfstrategie.15 Entsprechend den Ergebnissen ei- stoffe des Herstellers AstraZeneca und der des Her- ner mathematischen Modellierung, die zum dama- stellers Janssen-Cilag International, berücksichtigt. ligen Zeitpunkt an die epidemiologische Situation Bis auf den Impfstoff von Janssen-Cilag Internatio-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 6 nal wird bei allen Impfstoffen ein Zweidosen-Impf- Die Wahrscheinlichkeit der Übertragung pro Kon- schema mit unterschiedlichen Wirksamkeiten der takt wird beeinflusst von der aktuellen Virusvarian- 1. und 2. Impfstoffdosis umgesetzt. Die Wirksam- te, der Saisonalität sowie individuellen Schutzmaß- keit setzt jeweils 14 Tage nach Erhalt einer Dosis ein. nahmen (z. B. Tragen von Mund-Nasen-Schutz). Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren Virusvarianten werden im Modell durch eine Anhe- erhalten gemäß der aktuellen Zulassung nur bung der Transmissionswahrscheinlichkeit je mRNA-Impfstoffe des Herstellers BioNTech/Pfizer. Kontakt von 35 % für die Alpha-Variante (B.1.1.7) im Die Vektor-basierten Impfstoffe der Hersteller Vergleich zum initialen Wildtyp und 40 % für die Janssen-Cilag International und AstraZeneca wer- Delta-Variante (B.1.617.2) im Vergleich zur Alpha- den entsprechend der Empfehlung der Ständigen Variante abgebildet. Für die Delta-Variante wird an- Impfkommission (STIKO) nur Personen ≥ 60 Jahre genommen, dass diese sich zwischen dem 15.06. verabreicht. Die Aufhebung der von der STIKO ent- und dem 30.09.21 in Deutschland ausbreitet und wickelten Impfpriorisierung nach der vierten Stufe bis Ende September zur dominanten Variante mit wurde ebenfalls berücksichtigt.17 Die Liefermengen einem Anteil von 100 % wird. Der Effekt der Saisona entsprechen den derzeitigen Prognosen des Bun- lität wird über einen Rückgang der Infektiosität um desministeriums für Gesundheit. Dabei wird eine 42 % während der Sommermonate im Modell abge- maximale Kapazität von 1,5 Mio. Impfstoffdosen im bildet.19 Der Effekt der Sommermonate wird im dritten und 1,1 Mio. Impfstoffdosen im vierten Quar- Herbst wieder zurückgenommen, sodass die Infek- tal angenommen, die täglich über die aktuell tiosität wieder auf das Ausgangsniveau ansteigt. etablierten Strukturen verimpft werden können. Zur Abschätzung des Effekts unterschiedlicher Das Infektionsgeschehen hängt zum einen von der Impfquoten wurde die Impfquote der 12 – 59-Jähri- Anzahl der Kontakte und zum anderen von der gen variiert, von 65 % über 75 % und 85 % bis zu Wahrscheinlichkeit der Übertragung je Kontakt ab. 95 %. Da bei den Personen im Alter ≥ 60 Jahre be- Hinsichtlich der Kontakte wird vor dem 15.03.21 aus reits jetzt eine Impfquote von 85 % erreicht wurde, der Modellkalibrierung (d. h. der Anpassung des ging diese mit 90 % konstant in die verschiedenen Modells an die tatsächlichen Melde- und Todesfälle) Szenarien des Modells ein. Im Rahmen von Sensi- von 3,9 Kontakten pro Person und Tag ausgegan- tivitätsanalysen wurden die folgenden oben be- gen. Anschließend wird von einer zweistufigen Zu- schriebenen Modellparameter variiert: nahme der Anzahl der Kontakte ab dem 15.03.21 um 1 Kontakt und ab dem 01.08.21 um weitere 6,5 Kon- (i) keine Verhaltensänderung der Bevölkerung bei takte ausgegangen. Ab dem 01.08.21 werden im Mo- steigender ITS-Auslastung (Basisszenario: dell also 11,4 Kontakte pro Person und Tag angenom- Verhaltensveränderung bei steigender ITS- men. 15,5 Kontakte pro Person und Tag entsprächen Auslastung), laut den Daten der POLYMOD-Studie einem prä- (ii) Kontaktverhalten entsprechend prä-pandemi- pandemischen Niveau.18 Da ein unkontrolliertes, ex- schen Niveaus, d. h. Zunahme der Kontakte auf ponentielles Wachstum der Infektionen ohne eine 15,5 Kontakte (Basisszenario: Kontaktzuname Gegenreaktion unrealistisch erscheint, wird im Mo- auf 11,4 Kontakte), mit Anpassung des Verhal- dell davon ausgegangen, dass bei steigender 7-Tage- tens bei steigender ITS-Auslastung, Inzidenz und Auslastung der Intensivstationen (iii) Dominanz der Alpha-Variante (Basisszenario: (ITS) Anfang Oktober eine 10 %ige Reduktion der Delta-Variante), Kontakte stattfindet. Zusätzlich wird angenommen, (iv) eine erhöhte Impfbereitschaft von 95 % bei Per- dass durch die zu erwartenden höheren ITS-Auslas- sonen ≥ 60 Jahren (Basisszenario: 90 %), tungen bei dominanter Delta-Variante eine weitere (v) eine maximale Impfkapazität von 1,1 Mio. Imp- 20 %ige Reduktion der Kontakte Anfang November fungen pro Tag im 3. Quartal 2021 (Basissze stattfindet. Diese Verhaltensänderung kann durch nario: 1,5 Mio. Impfstoffdosen pro Tag). Maßnahmen der Politik oder durch die Risiko wahrnehmung der Bevölkerung und eine nachfol- Die Szenarien sind nicht als exakte Prognosen zu gende Verhaltensänderung begründet sein. verstehen, sondern als Abschätzung, wie groß der
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 7 Einfluss der untersuchten Maßnahmen auf das In- schreitet nicht mehr die Marke von 1.000 ITS- fektionsgeschehen sein könnte. Betten. Der zusätzliche Effekt der Steigerung der Impfquote von 85 % auf 95 % ist nicht so stark aus- Im Basisszenario (Kontaktzunahme auf 11,4 Kontak- geprägt wie bei einer Steigerung von 65 % auf 75 % te, Dominanz der Delta-Variante, 90 % Impfquote oder 75 % auf 85 %. Bei einer steigenden Impfquote bei den ≥ 60-Jährigen, Verhaltensänderung bei stei- unter den 12 – 59-Jährigen ist der Haupteffekt so- gender ITS-Auslastung, Impfkapazität von 1,5 Mio. wohl in Bezug auf die Reduzierung der Meldefälle Dosen pro Tag) ist mit einer Impfquote von 65 % als auch ITS-Belegung direkt in dieser Altersgrup- bei den 12 – 59-Jährigen noch mit einem sehr star- pe zu sehen. Bei einer Impfquote von 85 % machen ken Anstieg der 7-Tage-Inzidenz von bis zu 400 Fäl- die 18 – 59-Jährigen und Kinder < 12 Jahre den Groß- len pro 100.000 Einwohner und einer ITS-Auslas- teil der Meldefälle aus (s. Abb. 1), während bei der tung von ca. 6.000 Betten zu rechnen (s. Abb. 1 und ITS-Belegung die 18 – 59-Jährigen und auch die Abb. 2). ≥ 60-Jährigen dominieren (s. Abb. 2). Bereits ab einer Impfquote von 75 % zeigt das Mo- In den Sensitivitätsanalysen (s. Abb. 3) zeigt sich, dell jedoch deutlich niedrigere 7-Tage-Inzidenzen dass der Einfluss der Impfquote stark von den Rah- von unter 150 Fällen pro 100.000 und eine ITS-Aus- menbedingungen verschiedener Faktoren abhängt. lastung von ca. 2.000 Betten. Sowohl bei einer 85 % Hierzu zählen der Grad der Rückkehr zum prä- als auch 95 %igen Impfquote der 12 – 59-Jährigen pandemischen Kontaktverhalten, die Reaktion der steigt die 7-Tage-Inzidenz nicht mehr über 100 bzw. Bevölkerung auf steigende Infektionszahlen bzw. 50 Fälle pro 100.000 und die ITS-Auslastung über- einer steigenden ITS-Belegung, die zirkulierende 7-Tage-Inzidenz (Fälle je 100.000) Impfquote: 65 Prozent Impfquote: 75 Prozent 400 300 200 100 0 Impfquote: 85 Prozent Impfquote: 95 Prozent 400 300 200 100 0 1 21 21 1 1 1 2 22 22 1 21 21 1 1 1 22 22 2 l-2 -2 -2 -2 l-2 -2 -2 -2 -2 -2 g- p- g- p- b- - n- b- kt ov ez kt ov ez n rz rz Ju Ju Au Au Se Se Fe Fe Ja Ja O O M M D D N N Altersgruppe: Unter 12 12 bis 17 18 bis 59 60 und älter Abb. 1 | Schätzung der COVID-19-Inzidenz über die Zeit (Juli 2021 bis April 2022) und nach Altersgruppen, in Abhängigkeit der erreichten Impfquote bei 12 – 59-Jährigen (siehe Angabe im blauen Balken), bei 11,4 Kontakten pro Person/Tag und dominanter Delta-Variante
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 8 Personen in intensivmedizinischer Behandlung Impfquote: 65 Prozent Impfquote: 75 Prozent 6.000 4.000 2.000 0 Impfquote: 85 Prozent Impfquote: 95 Prozent 6.000 4.000 2.000 0 1 21 21 1 1 1 22 22 2 1 21 21 1 1 1 22 22 2 l-2 -2 -2 -2 l-2 -2 -2 -2 -2 -2 g- p- g- p- n- b- n- b- kt ov ez kt ov ez rz rz Ju Ju Au Au Se Se Fe Fe Ja Ja O O M M D D N Altersgruppe: Unter 12 12 bis 17 18 bis 59 N 60 und älter Abb. 2 | Schätzung der COVID-19-bedingten Intensivbetten-Belegung über die Zeit (Juli 2021 bis April 2022) und nach Alters- gruppen, in Abhängigkeit der erreichten Impfquote bei 12 – 59-Jährigen (siehe Angabe im blauen Balken), bei 11,4 Kontakten pro Person/Tag und Delta-Variante Virusvariante, die Impfquote der Altersgruppe ab oder 95 %igen Impfquote. Vor allem in einem Sze- 60 Jahren sowie der maximalen Kapazität der Impf- nario ohne Veränderung des Kontaktverhaltens stellen. Dabei zeigen sich in den Szenarien mit trotz steigender ITS-Auslastung ist ein merklicher Alpha-Variante und einer Impfquote von 95 % bei Zusatznutzen einer Impfquote von 95 % im Ver- den Personen ab 60 Jahren in der Tendenz niedri- gleich zu 85 % zu verzeichnen. In diesem Szenario gere ITS-Auslastungen als im Basisszenario. Höhe- ist auch die höchste prognostizierte Zahl an Perso- re ITS-Auslastungen sind zu erwarten, wenn keine nen auf ITS (ca. 12.500) zu finden, was ungefähr Verhaltensänderung der Bevölkerung bei steigen- dem 2,5-fachen des bisherigen Maximums entsprä- den ITS-Auslastungen eintritt oder generell die che. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass bei Rückkehr zum prä-pandemischen Kontaktverhalten einem starkem Anstieg der Infektionszahlen und stärker ausfällt. Bei einer reduzierten Impfkapazität steigender ITS-Auslastung das Infektionsgeschehen ist zu beobachten, dass im Vergleich zum Basis ungebremst durch weitere Maßnahmen weiterläuft. szenario die Höhe der Impfquote deutlich an Ein- Eine Steigerung der Impfquote unter den ≥ 60-Jäh- fluss verliert. Dies ist durch das in Bezug auf die rigen (von 90 auf 95 %) resultiert nur in einem re- Verhinderung einer 4. Welle erst spätem Erreichen levanten Unterschied bei der ITS-Belegung, wenn der hohen Impfquoten zu erklären, d. h. Personen die Impfquote bei den 12 – 59-Jährigen bei 65 % oder können durch einen Impfrückstau erst im niedriger liegt. Spätherbst und Winter während und nicht vor der 4. Welle geimpft werden. 6. Impfakzeptanz In fast allen Szenarien gibt es nur geringe sichtbare Im vom Bundesministerium für Gesundheit geför- Unterschiede in Bezug auf das Erreichen einer 85 % derten Projekt „COVIMO“ (COVID-19 Impfquoten-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 9 Personen in intensivmedizinischer Behandlung Basis-Szenario Keine Verhaltensänderung 15,5 Kontakte pro Person/Tag 12.500 10.000 7.500 5.000 2.500 0 Alpha-Variante 95 Prozent 60 plus 1,1 Mio. Kapazität 12.500 10.000 7.500 5.000 2.500 0 Au 21 21 O 1 N 1 D 1 1 22 M 22 2 Au 21 21 O 1 N 1 D 1 1 Fe 2 M 22 2 Au 21 21 O 1 N 1 D 1 1 22 M 22 2 2 -2 -2 -2 2 -2 -2 -2 2 -2 -2 -2 -2 2 -2 -2 l- g- p- l- g- p- l- g- p- n- b- n- b- n- b- kt ov ez kt ov ez kt ov ez rz rz rz Ju Ju Ju Se Se Se Fe Fe Ja Ja Ja Impfquote 12 – 59-Jährige: 65 Prozent 75 Prozent 85 Prozent 95 Prozent Abb. 3 | Sensitivitätsanalysen zur Abschätzung des Einflusses verschiedener Annahmen* auf die Zielimpfquote. Im Basisszenario werden 11,4 Kontakte pro Person/Tag, die Dominanz der Delta-Variante und eine Impfquote von 90 % bei den ≥ 60-Jährigen angenommen * Die Annahmen betreffen: „Keine Verhaltensänderung“ der Menschen bei erneut ansteigenden Inzidenzen, eine Rückkehr zu einem prä-pandemischen Kontaktverhalten (15,5 Kontakte pro Person/Tag) unter Berücksichtigung einer Verhaltensänderung, die Dominanz der Alpha-Variante, eine Impfquote von 95 % unter Menschen im Alter ≥ 60 Jahre (anstatt ≥ 90 %) sowie eine limitierte Kapazität im System zur Verimpfung einer maximalen Anzahl an Impfstoffdosen. Monitoring in Deutschland) führt das RKI seit Be- finden.20 Die aktuellste Erhebung wurde vom ginn der Impfkampagne alle vier Wochen Telefon- 17.05.2021 – 09.06.2021 mit einem Fokus auf das surveys zur COVID-19-Impfinanspruchnahme, Impfverhalten durchgeführt und schloss 3.004 Er- Impfintention und Impfakzeptanz durch. Befragt wachsene ein. werden Personen ab 18 Jahren mit deutschen Sprachkenntnissen, die Ergebnisse der Surveys sind Tabelle 1 zeigt den Anteil der Befragten, die zum für diese Bevölkerungsgruppe repräsentativ. Details Zeitpunkt der Befragung bereits geimpft waren zur Erhebungsmethodik und einzelne Ergebnis (mindestens einmal sowie vollständig) und gibt zu- berichte sind auf den Internetseiten des RKI zu sätzlich an, wie groß der Anteil der ungeimpften Be- Impfquote [%] Impfintention der Gesamt Altersgruppe Mindestens 1 Dosis Vollständig geimpft noch Ungeimpften* Impfakzeptanz** 18 – 59 Jahre (n = 1.958) 51,1 % 19,3 % 66,9 % 83,9 % ≥ 60 Jahre (n = 1.043) 84,3 % 42,5 % 66,9 % 94,8 % Tab. 1 | Impfquote und Impfintention unter Survey-Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Zeitraum 17.05. – 09.06.2021 * Anteil der Befragten, die angaben, sich „auf jeden Fall impfen“ bzw. „eher impfen“ lassen zu wollen ** Kombination aus bereits mindestens einmal Geimpften und Impfintention der noch Ungeimpften
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 10 fragten ist, der sich auf jeden Fall oder eher gegen keit, bereits mindestens einmal geimpft zu sein, zu COVID-19 impfen lassen würde (erfasst auf einer überprüfen. fünfstufigen Likert-Skala von „auf keinen Fall imp- fen“ (1) bis „auf jeden Fall impfen“ (5)). Die letzte Die Ergebnisse der Regression zeigen, dass das Ver- Spalte zeigt die zu erwartende gesamte Impfakzep- trauen in die Sicherheit der Impfung, das Vertrauen tanz, die sich aus dem Anteil bereits mindestens in deren Effektivität (Confidence) sowie die Wahr- einmal Geimpfter sowie der (eher) impfbereiten Be- nehmung struktureller Barrieren (Constraints) zur fragten zusammensetzt. Vorhersage des Impfverhaltens beitragen. Das Alter, die Zugehörigkeit zum medizinischen Personal und In dieser Darstellung unberücksichtigt bleiben jene die Indikation als Kontaktperson (z. B. einer schwan- Befragten, die sich in ihrer Entscheidung noch un- geren oder pflegebedürftigen Person) sagen das sicher sind. Diese Gruppe ist mit 17,1 % in der Al- Impfverhalten ebenfalls statistisch relevant vorher, tersgruppe der unter 60-Jährigen vertreten und da- wohingegen der Schulabschluss der Befragten nicht mit bedeutend größer als in der Altersgruppe der zur Vorhersage des Impfverhaltens beiträgt. Mit zu- ≥ 60-Jährigen (11,7 %). Von denjenigen, die bereits nehmendem Vertrauen in die Impfung und gerin- einmal (n = 1.881) gegen COVID-19 geimpft sind, ga- geren strukturellen Barrieren steigt also die Wahr- ben 98,3 % an, sich auf jeden Fall die 2. Impfstoff- scheinlichkeit, bereits mindestens eine Impfung er- dosis verabreichen lassen zu wollen. Die Daten las- halten zu haben. sen also nicht erkennen, dass das empfohlene Impf- schema nicht vervollständigt wird. 7. Limitationen und Fazit Vergleicht man die aktuellsten Daten aus COVIMO In das Modell fließen verschiedene Parameter und mit den Daten der ersten Erhebung (Zeitraum der auch Annahmen ein, die gewissen Unsicherheiten Erhebung: 18.01. – 13.02.2021, n = 1.006), zeigt sich und Dynamiken unterliegen. Daher eignen sich Sze- eine gute Übereinstimmung der damaligen Impfbe- narien auf Grundlage derartiger Modelle zwar gut reitschaft mit den jetzigen Impfquoten in der Alters- zum Vergleich verschiedener Interventionen bzw. gruppe ≥ 60 Jahre. Bis Mitte Februar 2021 waren Impfstrategien (in diesem Fall Effekte unterschiedli- 4,5 % der Befragten ab 60 Jahre bereits mindestens cher Impfquoten im Vergleich), die konkrete Höhe einmal geimpft, weitere 87,3 % der ungeimpften Be- der Inzidenzen oder ITS-Belegungen ist jedoch mit fragten gaben an, sich auf jeden Fall oder eher imp- Vorsicht zu interpretieren. fen lassen zu wollen. Diese Werte legten eine zu er- wartende gesamte Impfbereitschaft von etwa 88 % Es ist nicht sicher vorhersehbar, ab wann die Delta- nahe, die jetzt sowohl als Impfquote im Survey Variante in Deutschland den Anteil der zirkulieren- (84,3 %, s. Tab. 1) als auch im digitalen Impfquo- den SARS-CoV-2-Viren vollständig dominieren ten-Monitoring (DIM) beobachtet werden konnte wird und ob weitere Virusvarianten (gegen die die (80 % mit Stand 14.06.2021).17 Impfstoffe ggf. auch weniger gut wirken) zum Tra- gen kommen. Unklar ist darüber hinaus aktuell Es gilt dennoch zu berücksichtigen, dass eine hohe auch, welche Schutzdauer die verfügbaren Impf- Impfbereitschaft nicht zwangsläufig in Impfverhal- stoffe haben und ob ggf. bereits zum Ende des Jah- ten resultiert. Für Impfverhalten spielen verschiede- res die Immunität bei einem Teil der Bevölkerung ne Determinanten eine Rolle, von denen einige mit nachlässt und eine Auffrischimpfung notwendig Hilfe des 5C-Modells in der Erhebungswelle vom machen wird. 21.04. – 07.05.21 erhoben wurden.21 Hierfür wurde eine logistische Regression durchgeführt, um die Derzeit ist ein COVID-19-Impfstoff für die Impfung Effekte des 5C-Modells sowie der Kontrollvariablen von 12 – 17-jährigen Kindern bzw. Jugendlichen zu- Alter, Geschlecht, Bildung, Region, Zugehörigkeit gelassen. Die STIKO empfiehlt die Impfung in die- zur Berufsgruppe des medizinischen Personals, ser Altersgruppe aktuell nur bei Vorliegen von Vorliegen einer/mehrerer Risikofaktoren und der Vorerkrankungen oder wenn sich im Umfeld der Indikation Kontaktperson auf die Wahrscheinlich- Kinder und Jugendlichen Angehörige oder andere
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 11 Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen die Kapazität zur Verimpfung der verfügbaren schweren COVID-19-Verlauf befinden.22 Der Einsatz Impfstoffdosen ausreichend hoch ist und es (z. B. des Impfstoffs bei Kindern und Jugendlichen im Al- aufgrund der Sommerferien) nicht zu einer Verzö- ter von 12 – 17 Jahren ohne Vorerkrankungen ist aber gerung beim Erreichen dieser Zielimpfquote nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem kommt. Wunsch und Risikoakzeptanz möglich. Bei zuneh- mender Impfstoffverfügbarkeit, mehr Daten und Mit Stand Mitte Juni 2021 haben sich in Deutsch- Erfahrungen zur Jugendlichen-Impfung insb. aus land bereits ca. 85 % der ≥ 60-Jährigen mindestens den USA und anderen Ländern mit allgemeiner einmal gegen COVID-19 impfen lassen. Mit einer Jugendlichen-Impfempfehlung sowie bei Zunahme zunehmenden Dominanz der Delta-Variante ist in der Infektionszahlen unter Kindern aufgrund einer den kommenden Wochen zu rechnen. Diese wird erhöhten Übertragbarkeit der Delta-Variante wird sich auf die ITS-Belegung vor allem dann auswir- die STIKO das Thema der Jugendlichen-Impfung ken, wenn die Impfquoten bei den 12 – 59-Jährigen voraussichtlich nochmals beraten bzw. wird die bei 75 % oder gar 65 % stagnieren und gleichzeitg Impfung auch ohne explizite STIKO-Empfehlung eine komplette Öffnung stattfindet. Je niedriger im in dieser Altersgruppe vermutlich mehr zur Anwen- Herbst die erreichten Impfquoten sind, desto weni- dung kommen. Daher wurden in der hier vorliegen- ger sind bei Dominanz der Delta-Variante die Basis- den Modellierung Impfungen in allen Altersgrup- hygienemaßnahmen ausreichend und weitere kon- pen, für die gegenwärtig ein Impfstoff zugelassen taktreduzierende Maßnahmen wären notwendig. ist, angenommen. Alternativ müsste die Impfquote Der Sommer sollte daher dringend genutzt werden, bei den 18 – 59-Jährigen weiter gesteigert werden, um eine Impfquote von 85 % (vollständige Imp- wobei sich niedrige Impfquoten unter Kindern und fung) bei den 12 – 59-Jährigen und 90 % bei den Jugendlichen aufgrund der üblicherweise milden ≥ 60-Jährigen möglichst schnell zu erreichen. Krankheitsverläufe in dieser Altersgruppe insbe- sondere auf die Meldeinzidenz und weniger auf die Um die Zielimpfquote zu erreichen, muss insbe- ITS-Belegung auswirken. Entsprechende Szenarien sondere unter den jungen Erwachsenen weiter über lagen – basierend auf Berechnungen mit dem hier die Impfung aufgeklärt werden. Gerade in dieser Al- vorgestellten mathematischen Modell der STIKO tersgruppe befindet sich noch ein größerer Anteil zur Entscheidung vor und wurden auch in der wis- (17,1 %), der aktuell unentschlossen ist hinsichtlich senschaftlichen Begründung zur Empfehlung der der Impfung. Information und Aufklärung zur COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung sind wei- von 12–17 Jahre publiziert.22 terhin relevant. Um die Bereitschaft für eine Imp- fung zu erhöhen, sollte auch die Adressierung der Collective Responsibility als Kommunikationsstrategie 8. Fazit berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten Auf Basis der hier präsentierten mathematischen strukturelle Barrieren lokal aufgedeckt und beho- Modellierungen und der Resultate aus den Surveys ben werden (z. B. durch aufsuchendes Impfen oder zur Impfakzeptanz halten wir eine Zielimpfquote niederschwellige Impfangebote am Arbeitsplatz). (Impfschutz durch vollständige Impfung) von 85 % für die 12 – 59-Jährigen sowie von 90 % für Perso- nen ab dem Alter von 60 Jahren für notwendig und auch erreichbar. Bei rechtzeitigem Erreichen dieser Impfquote scheint eine ausgeprägte 4. Welle im kommenden Herbst/Winter unwahrscheinlich, so- fern sich die Bevölkerung zusätzlich zur Impfung weiter an die Basishygienemaßnahmen hält und bei möglicherweise wieder ansteigenden Infektions- zahlen Kontakte zu einem gewissen Grad reduziert. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 12 10 Jamie Lopez Bernal, Nick Andrews, Charlotte Literatur Gower, et al. Effectiveness of COVID-19 vaccines 1 Robert Koch-Institut. Täglicher Lagebericht des RKI against the B.1.617.2 variant. PrePrint. zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). Online verfügbar unter: 01.07.2021 – AKTUALISIERTER STAND FÜR https://doi.org/10.1101/2021.05.22.21257658 DEUTSCHLAND. Online verfügbar unter: www.rki. de/covid-19-situationsbericht 11 Harder T, Koch J, Vygen-Bonnet S, Scholz S, Pilic A, Reda S, Wichmann O: Wie gut schützt die 2 Polack FP, Thomas SJ, Kitchin N, Absalon J, COVID-19-Impfung vor SARS-CoV-2-Infektionen Gurt-man A, Lockhart S, et al. Safety and Efficacy of und SARS-CoV-2-Transmission? – Systematischer the BNT162b2 mRNA COVID-19 Vaccine. N Engl J Review und Evidenzsynthese Epid Bull 2021;19:13 Med. 2020. -23. DOI 10.25646/844 3 Baden LR, El Sahly HM, Essink B, Kotloff K, Frey S, 12 Bundesministerium für Gesundheit. Impfdash- Novak R, et al. Efficacy and Safety of the mRNA- board. Online verfügbar unter: https://impfdash- 1273 SARS-CoV-2 Vaccine. N Engl J Med. 2020 board.de/ [Zugriff am 29.06.2021] 4 Voysey M, Clemens SAC, Madhi SA, Weckx LY, 13 Fine P, Eames K, Heymann DL. „Herd Immunity“: Folegatti PM, Aley PK, et al. Single dose administra A Rough Guide. Clinical Infectious Diseases tion, and the influence of the timing of the booster 2011;52(7):911–916. dose on immunogenicity and efficacy of ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) vaccine. Lancet 2021 Jan 14 Milman O, Yelin I, Aharony N, et al. Community- 9;397(10269):99-111. level evidence for SARS-CoV-2 vaccine protection of unvaccinated individuals. Nat Med. 2021 Jun 10. 5 European Medicines Agency. Assessment report – doi: 10.1038/s41591-021-01407-5. Online ahead of COVID-19 Vaccine Janssen. Online verfügbar unter: print. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/ human/EPAR/covid-19-vaccine-janssen 15 Ad-hoc meeting of the European Technical Advisory Group of Experts on Immunization (ETAGE): 6 Lopez Bernal J, Andrews N, Gower C et al. Effective- virtual meeting, hosted in Copenhagen, Denmark, ness of the Pfizer-BioNTech and Oxford-Astra- 28 April 2021. Copenhagen: WHO Regional Office Zeneca vaccines on covid-19 related symptoms, for Europe; 2021. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. hospital admissions, and mortality in older adults in England: test negative case-control study. BMJ 16 Scholz S, Waize M, Weidemann F, Treskova- 2021 May 13;373:n1088. doi: 10.1136/bmj.n1088. Schwarzbach M, Haas L, Harder T, Karch A, Lange B, Kuhlmann A, Jäger V, Wichmann O: Einfluss von 7 Vasileiou E, Simpson CR, Shi T et al. Interim Impfungen und Kontaktreduktionen auf die dritte findings from first-dose mass COVID-19 vaccina Welle der SARS-CoV-2-Pandemie und perspektivi- tion roll-out and COVID-19 hospital admissions in sche Rückkehr zu prä-pandemischem Kontaktver- Scotland: a national prospective cohort study. halten. Epid Bull 2021;13:3-22 Lancet. 2021 May 1;397(10285):1646-1657 17 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, et al.: Beschluss 8 Abu-Raddad LJ , Chemaitelly H, Butt AA, National der STIKO zur 7. Aktualisierung der COVID-19- Study Group for COVID-19 Vaccination. Effective- Impfempfehlung und die dazugehörige wissen- ness of the BNT162b2 Covid-19 Vaccine against the schaftliche Begründung. Epid Bull 2021;25:3 -13 B.1.1.7 and B.1.351 Variants. N Engl J Med 2021 May 5; NEJMc2104974.doi: 10.1056/NEJMc2104974. 18 Mossong J, Hens N, Jit M, Beutels P, Auranen K, Online ahead of print. Mikolajczyk R, et al.: Social Contacts and Mixing Patterns Relevant to the Spread of Infectious 9 Stowe J, Andrews N, Gower C. Effectiveness of Diseases. PLOS Medicine. 2008;5(3):e74 COVID-19 vaccines against hospital admission with the Delta (B.1.617.2) variant. Preprint. Online ver- 19 Tomáš Gavenčiak, Joshua Teperowski Monrad, fügbar unter: https://khub.net/documents/ Gavin Leech, Mrinank Sharma, Sören Mindermann, 135939561/479607266/Effectiveness+of+COVID-19+ Jan Marcus Brauner, Samir Bhatt, Jan Kulveit: vaccines+against+hospital+admission+with+the+- Seasonal variation in SARS-CoV-2 transmission in Delta+%28B.1.617.2 %29+variant.pdf/1c213463- temperate climates medRxiv 2021.06.10.21258647; 3997-ed16-2a6f-14e5deb0b997?t=1623689315431 doi: https://doi.org/10.1101/2021.06.10.21258647
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 13 20 Robert Koch-Institut. COVIMO – COVID-19 Impf- quoten-Monitoring in Deutschland. Online verfüg- bar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfA- Z/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/covi- mo_studie_Ergebnisse.html 21 Betsch C, Schmid P, Korn L, Steinmeyer L, Heine- meier D, Eitze S, Küpke NK, Böhm R. Impfverhal- ten psychologisch erklären, messen und verändern. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2019; 62(4): 400-409. 22 Vygen-Bonnet S, Koch J, Berner R, et al. Beschluss der STIKO zur 6. Aktualisierung der COVID-19-Impf empfehlung und die dazugehörige wissenschaftli- che Begründung. Epid Bull 2021;23:3-32. Autorinnen und Autoren a) PD Dr. Ole Wichmann | a) Stefan Scholz | a) Maria Waize | a) Nora Schmid-Küpke | b) Dr. Osamah Hamouda | c) Prof. Dr. Lothar H. Wieler | d) Prof. Dr. Lars Schaade a) RKI, FG 33 Impfprävention b) RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie c) RKI, MF Methodenentwicklung und Forschungs infrastruktur d) RKI, ZBS Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene Korrespondenz: WichmannO@rki.de Vorgeschlagene Zitierweise Wichmann O, Scholz S, Waize M, Schmid-Küpke N, Hamouda O, Wieler LH, Schaade L: Welche Impfquote ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren? Epid Bull 2021;27:3- 13 | DOI 10.25646/8742 (Dieser Artikel ist online vorab am 5. Juli 2021 erschienen.) Interessenkonflikt Alle Autorinnen und Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 14 Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung Aktualisierung vom 8. Juli 2021 Bei der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-)Impf werden. Bei keinem dieser Impfstoffe handelt es empfehlung handelt es sich um eine Indikations- sich um einen Lebendimpfstoff. Die Impfstoffe wer- impfempfehlung im Rahmen einer Pandemie. Ob es den hinsichtlich des Individualschutzes und der Be- in Zukunft eine Standardimpfempfehlung oder kämpfung der Pandemie nach derzeitigem Wissen eine Indikationsimpfempfehlung geben wird, kann als geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstudien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. zwischen den verschiedenen Impfstoffen sind nur begrenzt verfügbar. Die beiden mRNA-Impfstoffe Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in können in allen Alters- und Indikationsgruppen der Europäischen Union (EU) vier Impfstoffe zuge- eingesetzt werden, für die sie zugelassen sind. lassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impf- stoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und Aufgrund der beobachteten thromboembolischen Er- Spikevax der Firma Moderna) sowie zwei Vektor-ba- eignisse werden die beiden Vektor-basierten Impf- sierte Impfstoffe (Vaxzevria der Firma AstraZeneca stoffe (Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen) und COVID-19 Vaccine Janssen der Firma Janssen nur für Personen im Alter ≥ 60 Jahren empfohlen. Cilag International). Für eine vollständige Impfserie Die STIKO ändert jedoch ihre bisherige Empfeh- sind bei den beiden mRNA-Impfstoffen und beim lung einer zweimaligen (d. h. homologen) Vaxzevria- Impfstoff Vaxzevria jeweils zwei Impfstoffdosen not- Impfung bei ≥60-Jährigen. Wie bei den
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 15 Hintergrund für diese Empfehlung ist zum einen Verlauf der COVID-19-Erkrankung bei Kindern und die in mehreren unabhängigen Studien gemachte Jugendlichen mit Vorerkrankungen (siehe Tabelle 2) Beobachtung, dass die Antikörper-basierte und – empfiehlt die STIKO dieser Gruppe eine Impfung sofern untersucht – auch die T-Zell-basierte Immu- mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty. Es sollen zwei nantwort nach diesem heterologem Impfschema si- Impfstoffdosen im Abstand von 3–6 Wochen gege- gnifikant höher war als nach zweimaliger Vaxzevria- ben werden. Impfung. Auch wenn in diesen Arbeiten nicht un- tersucht wurde, ob eine heterologe Impfung einer Zusätzlich wird die Impfung Kindern und Jugend- homologen Vaxzevria-Impfung hinsichtlich des lichen ab 12 Jahren empfohlen, in deren Umfeld Schutzes vor COVID-19 überlegen ist, lässt die er- sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit höhte Immunogenität nach Auffassung der STIKO hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19- eine verbesserte Schutzwirkung erwarten. Zum an- Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden deren hat das genannte heterologe Impfschema den können oder bei denen der begründete Verdacht auf Vorteil, dass eine vollständige Immunisierung in einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung einem kürzeren Zeitrahmen erreicht werden kann besteht (z. B. Menschen unter relevanter immun (≥ 4 Wochen vs. 9 – 12 Wochen). suppressiver Therapie). Der Einsatz von Vaxzevria als zweimalige Impfung Eine berufliche Indikation aufgrund eines arbeits- und der COVID-19 Vaccine Janssen ist bei < 60-Jäh- bedingt erhöhten Expositionsrisikos oder eines ar- rigen zulassungskonform und nach ärztlicher Auf- beitsbedingt engen Kontaktes zu vulnerablen Perso- klärung und bei individueller Risikoakzeptanz nengruppen besteht für Jugendliche entsprechend durch die impfwillige Person unverändert möglich. den beruflichen Impfindikationsgruppen (siehe Tabelle 2). Die jeweils empfohlenen Impfabstände sind in Tabelle 1 aufgeführt. Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugend lichen im Alter von 12–17 Jahren ohne Vorerkran- Impfstoff Impfabstand kungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist Comirnaty (BioNTech/Pfizer) 3 – 6 Wochen aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuel- Spikevax (Moderna) 4 – 6 Wochen lem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Vaxzevria (AstraZeneca) 9 – 12 Wochen Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich. Heterologes Impfschema (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff) ab 4 Wochen Um Viruseinträge in Gemeinschaftseinrichtungen Tabelle 1 | Impfabstände zur Grundimmunisierung gegen (Schulen und andere Einrichtungen für Kinder und COVID-19 (Stand: 1.7.2021)* Jugendlichen) zu minimieren und den Betrieb die- * Sollte der empfohlene maximale Abstand zwischen der ser Einrichtungen so lange wie möglich aufrecht zu 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten worden sein, kann die erhalten, sollten Eltern, Betreuungspersonen von Impfserie dennoch fortgesetzt werden und muss nicht neu begonnen werden. Kindern und Jugendlichen, LehrerInnen und Erzie- herInnen das Impfangebot dringend wahrnehmen. Zur Eindämmung der Pandemie kommt es maß- geblich darauf an, in der Bevölkerung rasch hohe Empfehlung für Kinder und Jugendliche Impfquoten zu erreichen. im Alter von 12–17 Jahren Die STIKO spricht nach der Zulassung für Comir- Empfehlung zur Priorisierung naty für 12–15-Jährige eine gemeinsame Empfehlung Die Impfung gegen COVID-19 soll allen Personen für die Altersgruppe der 12–17-jährigen Kinder und ab dem Alter von 18 Jahren angeboten werden. Jugendlichen aus. Bereits begonnene Impfserien bei 16 – 17-Jährigen sollen vervollständigt werden. Auf- Aufgrund des Fortschritts der Impfkampagne und grund eines erhöhten Risikos für einen schweren zunehmender Verfügbarkeit von COVID-19-Impf-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 16 A) Personen im Alter ≥60 Jahren stoffen ist ein stufenweises Vorgehen (Priorisierungs B) Personen im Alter ab 18 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein empfehlung) auf nationaler Ebene nicht mehr not- erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, z. B. wendig. Während die Priorisierung zu einer Redu- ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Immun suppression, inkl. HIV-Infektion, Z. n. Organtransplantation zierung schwerer COVID-19-Erkrankungen in der ▶▶ Autoimmunerkrankungen, inkl. rheumatologische Erkrankungen ▶▶ Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen ersten Phase der Impfkampagne beigetragen hat, ▶▶ Chronische Krankheiten der Atmungsorgane lassen aktuelle Modellierungen keinen zusätzlichen ▶▶ Chronische Lebererkrankungen, inkl. Leberzirrhose ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen Nutzen durch Beibehaltung der Priorisierung er- ▶▶ Chronisch entzündliche Darmerkrankungen warten. ▶▶ Chronische neurologische Erkrankungen ▶▶ Demenz oder geistige Behinderung ▶▶ Psychiatrische Erkrankungen Trotz Wegfalls der stufenweisen Priorisierungs ▶▶ Stoffwechselerkrankungen, inkl. Adipositas mit BMI >30kg/m2 und Diabetes mellitus empfehlung ist die impfende Ärzteschaft aufgerufen, ▶▶ Trisomie 21 bislang nicht geimpfte Erwachsene, die ein erhöhtes ▶▶ Krebserkrankungen, inkl. maligne hämatologische Erkrankungen Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben oder C) Kinder und Jugendliche im Alter von 12–17 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere die arbeitsbedingt besonders exponiert sind oder die COVID-19-Verläufe haben ▶▶ Adipositas (> 97. Perzentile des BMI) engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen ha- ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante ben, weiterhin bei der Vergabe von Impfterminen Immunsuppression ▶▶ Angeborene zyanotische Herzfehler (O -Ruhe-Sättigung < 80 %) bevorzugt zu berücksichtigen (siehe Tabelle 2). 2 ▶▶ Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile, definiert als z-Score-Wert < –1,64 für die forcierte Einsekundenka- pazität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC). (Ein gut eingestelltes Hinweise zur praktischen Umsetzung Asthma bronchiale ist hier nicht gemeint). ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen ▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die ▶▶ Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten ▶▶ Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit HbA1c- Wert > 9,0 % Stellen verantwortlich. ▶▶ Schwere Herzinsuffizienz ▶▶ Schwere pulmonale Hypertonie ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige ▶▶ Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des ▶▶ Trisomie 21 ▶▶ Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen Vorsorgebevollmächtigten oder Sorgeberechtig- D) BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen sowie ten voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Kapi- BewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften (unabhängig vom tel 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/2021 Alter) (Epid Bull 34/2020). E) Enge Kontaktpersonen von Schwangeren oder Personen mit einem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe (unabhängig vom ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshinweise Alter) in den Fachinformationen zum jeweiligen Impf- F) Personen, die arbeitsbedingt besonders exponiert sind, engen stoff sowie die veröffentlichten „Rote-Hand“- Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, oder Personen in Schlüsselpositionen (unabhängig vom Alter), z. B. Briefe zu beachten. ▶▶ Personal mit erhöhtem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen ▶▶ Personal mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen in mit progredienten Krankheiten, die sich in ei- medizinischen Einrichtungen ▶▶ Pflegepersonal und andere Tätige in der ambulanten und nem schlechten Allgemeinzustand befinden, stationären Altenpflege oder Versorgung von Personen mit muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die- Demenz oder geistiger Behinderung ▶▶ Tätige in Gemeinschaftsunterkünften sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob ▶▶ Medizinisches Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ihnen die Impfung empfohlen werden kann. ▶▶ LehrerInnen und ErzieherInnen ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel ▶▶ Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen der Schwangerschaft liegen aktuell limitierte ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur Daten vor. Die STIKO empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht. Tabelle 2 | Personen mit besonderer Indikation für eine Eine akzidentelle Impfung in der Schwanger- COVID-19-Impfung (Die Gruppen und Vorerkrankungen sind nicht nach Relevanz geordnet) schaft ist jedoch keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultie- renden hohen Risiko für eine schwere COVID-19- Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositi-
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