Epidemiologisches Bulletin 27 2021 - RKI

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                ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  27 Epidemiologisches
2021 Bulletin
 8. Juli 2021

                COVID-19-Zielimpfquote |
                STIKO: 8. Aktualisierung der COVID-19-
                Impfempfehlung | VRE-Jahresbericht
Epidemiologisches Bulletin           27 | 2021      8. Juli 2021                                                          2

  Inhalt

  Welche Impfquote ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren?                                                                3
  Die COVID-19-Pandemie stellt die Welt vor große Herausforderungen. Die langfristigen Folgen der Pandemie
  bzw. der notwendigen Kontrollmaßnahmen lassen sich derzeit noch nicht exakt definieren. Die in Deutschland
  zur Verfügung stehenden Impfstoffe zeigen Studien zufolge nach vollständiger Impfserie eine sehr gute Effek-
  tivität bzgl. Schutz vor jeglicher Infektion wie auch vor asymptomatischen Infektionen. Basierend auf Ergebnis-
  sen mathematischer Modellszenarien und Bevölkerungssurveys zur Impfakzeptanz wird die Frage adressiert,
  welche Impfquote in Deutschland notwendig und auch realistisch ist, um COVID-19 in den kommenden Mo-
  naten zu kontrollieren. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 5. Juli 2021.)

  Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige
  wissenschaftliche Begründung                                                                                                14
  Die STIKO empfiehlt allen Personen ab 18 Jahren die Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelas-
  senen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, COVID-19-Vaccine von Moderna) oder einem der
  beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine Janssen von
  Janssen-Cilag International). Die STIKO ändert ihre bisherige Empfehlung einer zweimaligen (d. h. homologen)
  Vaxzevria-Impfung bei ≥60-Jährigen und empfiehlt nun auch für ≥60-Jährige ein heterologes Impfschema (d. h.
  1. Impfung mit Vaxzevria gefolgt von einem mRNA-Impfstoff).

  Eigenschaften, Häufigkeit und Verbreitung von Vancomycin-resistenten Enterokokken in Deutschland
  – Update 2019/2020                                                                              32
  VRE gehören zu den in Deutschland gemäß § 23 Abs. 4 IfSG zu erfassenden Erregern und werden mittlerweile
  in vielen Kliniken häufig beobachtet. Auch am NRZ für Staphylokokken und Enterokokken waren steigende
  VRE-Einsendezahlen und ein hoher Bedarf an Typisierungen bemerkbar. Im Jahr 2020 schreibt das NRZ rück-
  läufige Einsendezahlen, vor allem ab dem 2. Quartal, dem COVID-19-pandemiebedingten Lockdown zu.

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 26. Woche 2021                                                   43

  Impressum
  Herausgeber                                                      Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                             Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                        www.rki.de/epidbull
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  Redaktion                                                        die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Dr. med. Maren Winkler (Vertretung)                              Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
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  Nadja Harendt (Redaktionsassistenz)
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  E-Mail: EpiBull@rki.de

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  Welche Impfquote ist notwendig,
  um COVID-19 zu kontrollieren?

  1. Zusammenfassung                                        2. Hintergrund
  Basierend auf Ergebnissen mathematischer Modell­          Die COVID-19-Pandemie stellt die Welt vor große
  szenarien und Bevölkerungssurveys zur Impfak-             medizinische, aber auch gesellschaftliche und wirt-
  zeptanz wird die Frage adressiert, welche Impfquo-        schaftliche Herausforderungen. Die langfristigen
  te in Deutschland notwendig und auch realistisch          direkten und indirekten Folgen der Pandemie bzw.
  ist, um Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in            der notwendigen Kontrollmaßnahmen lassen sich
  den kommenden Monaten zu kontrollieren. In den            derzeit noch nicht exakt definieren. Bislang wurden
  Modell­szenarien wird der Einfluss der Impfquote          alleine in Deutschland mehr als 3,7 Millionen Severe
  auf die COVID-19-Inzidenz und Intensivbettenbe-           Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS-
  legung bis Frühjahr 2022 simuliert und in                 CoV-2-)Meldefälle und mehr als 90.000 COVID-19-
  Sensitivitäts­analysen der Einfluss verschiedener         bedingte Todesfälle registriert.1
  Faktoren auf den Effekt der Impfquoten geprüft.
  Diese Szenarien sind keine exakten Prognosen,             In nicht einmal 12 Monaten gelang es, gleich meh-
  sondern eine Abschätzung des Einflusses der Maß-          rere sichere und auch hochwirksame Impfstoffe
  nahmen auf das Infektionsgeschehen. Die Ergeb-            zum Schutz vor COVID-19 zu entwickeln. Seit Ende
  nisse zeigen, dass unter den getroffenen Annah-           2020 bzw. Anfang 2021 stehen in Deutschland zwei
  men, insb. einer zunehmenden Dominanz der Del-            mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer,
  ta-Variante, die Impfkampagne mit hoher Intensi-          Spikevax von Moderna) zur Verfügung, die in Zulas-
  tät weitergeführt werden sollte, bis mindestens           sungsstudien nach zwei Impfstoffdosen eine Wirk-
  85 % der 12 – 59-Jährigen bzw. 90 % der ≥ 60-Jähri-       samkeit von 95 % bzgl. Schutz vor symptomatischer
  gen vollständig gegen COVID-19 geimpft sind. Im           SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen.2,3 Die Effektivität
  Bevölkerungs­survey waren im Erhebungszeitraum            der beiden später zugelassenen Vektor-basierten
  (Mitte Mai/Anfang Juni 2021) bereits 84 % der             Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19
  ≥ 60-Jährigen mit mindestens einer Impfstoff­dosis        Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International)
  geimpft, und es bestand eine Impfbereitschaft, die        betrug bzgl. Schutz vor COVID-19-Erkrankung nach
  die im Modell identifizierten Zielimpfquoten er-          zwei bzw. einer Impfstoffdosis etwa 70 %.4,5 Im Rah-
  reichbar erscheinen lassen. Unter Annahme dieser          men der breiten Anwendung konnte ein ähnlich gu-
  Impfquoten und in Kombination mit Basishygiene-           ter Effekt (> 80 %) von Comirnaty und Vaxzevria in
  maßnahmen und einer geringfügigen Reduktion               Bezug auf die Verhinderung hospitalisierungs­
  des Kontaktverhaltens sollte es im Herbst/Winter          bedürftiger COVID-19-Erkrankungen nach bereits
  nicht mehr zu einem starken Anstieg der COVID-19-         einer Impfstoffdosis nachgewiesen werden.6,7 Hin-
  bedingten Intensivbettenbelegung kommen. Auf-             sichtlich der bislang neu aufgetretenen besorgnis­
  grund der sich schnell ausbreitenden Delta-Variante       erregenden Virusvarianten (inkl. der Delta-Variante)
  ist es jedoch entscheidend, dass (i) die noch un-         scheint der Schutz der Impfstoffe vor milder Erkran-
  geimpfte Bevölkerung motiviert wird, das Impfan-          kung etwas reduziert zu sein, jedoch schützen zwei
  gebot noch im Sommer wahrzunehmen, um die                 Dosen von sowohl Comirnaty als auch Vaxzevria
  notwendigen Impfquoten möglichst bald zu errei-           ­weiterhin sehr gut vor schweren Krankheitsver­
  chen, (ii) ausreichend Kapazitäten zur Verabrei-           läufen.8 – 10
  chung der in Aussicht gestellten Impfstoffmengen
  bestehen und (iii) die Bevölkerung weiterhin die          Initial war unklar, ob die verfügbaren COVID-19-
  Basishygiene­maßnahmen umsetzt.                           Impfstoffe nur vor einer Erkrankung oder auch vor
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  asymptomatischen Infektionen bzw. Virusübertra-           zieren.13 Dieses Phänomen kann beobachtet werden,
  gungen schützen. Mittlerweile liegen mehr als             wenn Impfstoffe nicht nur das Auftreten der vom
  15  Studien vor, in denen nach vollständiger Impf­        Erreger verursachten Erkrankung verhindern, son-
  serie die Effektivität der COVID-19-Impfung bzgl.         dern auch die Infektion mit dem Erreger bzw. seine
  Schutz vor jeglicher Infektion wie auch vor asymp-        Übertragung. Der Gemeinschaftsschutz setzt jedoch
  tomatischen Infektionen im Beobachtungszeitraum           nicht abrupt ab einem gewissen Schwellenwert ein,
  üblicherweise zwischen 80 und 90 % lag.11 Bei Per-        sondern steigt mit steigenden Impfquoten in der In-
  sonen, die trotz Impfung PCR-positiv getestet wur-        tensität. Bei den COVID-19-Impfstoffen ist dieses
  den, konnte darüber hinaus eine signifikant gerin-        Potenzial der Verhinderung von Infektionen – wie
  gere Viruslast und auch eine verkürzte Dauer der          oben berichtet – in mehreren Studien nachgewiesen
  Virusausscheidung nachgewiesen werden.11 Aus              worden, und auch Beobachtungen auf Bevölke-
  diesen Daten kann abgeleitet werden, dass die             rungsebene bestätigen die Reduzierung der Trans-
  COVID-19-Impfung eine Virustransmission in er-            mission und damit das Zustandekommen eines Ge-
  heblichem Maße reduziert und dass vollständig             meinschaftsschutzes: In Israel konnte eine Reduzie-
  geimpfte Personen in Bezug auf die Epidemiologie          rung der SARS-CoV-2-Infektionen unter ungeimpf-
  der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spie-         ten Kindern beobachtet werden, die sich mit jedem
  len. Die in der o. g. systematischen Übersichts­          Anstieg der Impfquote um 20 % in der Erwachsenen­
  arbeit identifizierten Studien berücksichtigten je-       bevölkerung verdoppelte.14
  doch vor allem die Alpha-Variante;11 für die Delta-
  Variante stehen bislang nur eingeschränkt Daten           Oftmals wird der Begriff Gemeinschaftsschutz oder
  zur Verfügung.                                            Herdenimmunität auch im Kontext eines Schwel-
                                                            lenwerts an Bevölkerungsimmunität oder Impfquo-
  Mit vereinten Kräften der Impfzentren, Kranken-           te gebraucht, ab dem die Transmission so reduziert
  häuser, mobilen Teams, Arztpraxen und Betrieben           wird, dass die effektive Reproduktionszahl < 1 und
  waren zum 30. Juni 2021 in Deutschland bereits            damit eine Erkrankung in der Bevölkerung elimi-
  mehr als 73 Millionen COVID-19-Impfstoffdosen             niert werden kann (z. B. die 95 % Impfquote für die
  verabreicht und 54 % der gesamten Bevölkerung             Masernelimination), wobei in Bezug auf die Elimi-
  mit mindestens einer Impfstoffdosis geimpft.12 So-        nation eines Erregers noch weitere Voraussetzun-
  wohl die Politik als auch die Bevölkerung stellen         gen erfüllt sein müssen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob
  sich zunehmend die Frage, welche Impfquote er-            eine solche Schwelle für COVID-19 realistisch ist.
  reicht sein muss, um COVID-19 zu kontrollieren            Das Konzept des Gemeinschaftsschutzes ist kom-
  und die Pandemie zu einem Ende zu bringen. In             plex, da nicht nur die Basisreproduktionsrate R0
  dem hier vorliegenden Bericht begründet das Ro-           eine wichtige Rolle spielt, sondern auch die Wirk-
  bert Koch-Institut (RKI), warum es notwendig, aber        samkeit der Impfung, die Dauer des Impfschutzes
  auch als Ziel erreichbar ist, die Impfkampagne mit        sowie die Heterogenität der Kontakte in der Bevöl-
  hoher Intensität weiterzuführen, bis mindestens           kerung und die Heterogenität der Durchimpfung in
  85% der 12 – 59-Jährigen bzw. 90% der ≥ 60-Jähri-         der Bevölkerung.13 Bei einem hohen R0 und einer
  gen vollständig gegen COVID-19 geimpft sind.              nur moderaten oder abnehmenden Wirksamkeit
                                                            der Impfung in Bezug auf eine Verhinderung der
                                                            Erregertransmission könnte es daher selbst bei ei-
  3. Gemeinschaftsschutz und                                ner 100 %igen Impfquote nicht gelingen, den Erre-
  Zielimpfquote                                             ger zu eliminieren.13 In Bezug auf COVID-19 ist ak-
  Der Begriff Gemeinschaftsschutz (synonym: Her-            tuell noch unklar, wie lange die Immunität sowohl
  denschutz oder Herdenimmunität) bezeichnet im             nach der Impfung als auch nach natürlicher Infek-
  herkömmlichen Sinne den indirekten Effekt einer           tion anhält und ob bzw. wann Auffrischimpfungen
  Impfung, der auftritt, wenn ein gewisser Anteil der       notwendig sind. Ebenso ist unklar, ob weitere Virus-
  Bevölkerung geimpft ist und dadurch die Transmis-         varianten mit höherem R0 folgen, wie es jetzt bereits
  sion des Erregers so reduziert wird, dass auch Un-        mit der Delta-Variante der Fall ist, oder Virusvarian-
  geimpfte ein niedrigeres Risiko haben sich zu infi-       ten, gegen die die Impfung weniger gut wirkt, auf-
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  treten werden. Für eine Elimination wäre es darüber         mit Dominanz der Alpha-Variante angepasst wurde,
  hinaus erforderlich, dass die Impfaktivitäten auch          kann bei einer COVID-19-Impfquote von 50 % (voll-
  global ein Erfolg sind, damit nicht kontinuier­lich         ständige Impfung) eine substanzielle Anzahl von
  Virus importiert und sich je nach Impfquote erneut          Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfällen
  ausbreitet oder zu lokalen Ausbrüchen führt. Eben-          verhindert werden, mit der höchsten Anzahl an ver-
  so wäre die Entwicklung eines permanenten Tier­             hinderten Todesfällen unter den ≥ 60-Jährigen und
  reservoirs ein Hindernis für die Elimination.               der höchsten Zahl an verhinderten Infektionen in
                                                              jüngeren Altersgruppen. Durch die Steigerung der
  Mit anderen Worten: Das Auftreten eines Gemein-             Impfquote von 50 % auf 80 % könnten nochmals
  schaftsschutzes ist bei COVID-19 realistisch und            zusätzlich 11 % der Todesfälle bis Ende 2022 verhin-
  wurde bereits beobachtet. Je höher die Impfquote,           dert werden. Das WHO Regionalbüro empfiehlt da-
  desto ausgeprägter ist das Phänomen. Ob jedoch              her, dass Länder eine Impfquote von mindestens
  eine Schwelle realistisch ist, ab der SARS-CoV-2 eli-       80 % in der Erwachsenenbevölkerung so früh wie
  miniert werden kann, ist zweifelhaft. Das Ziel, eine        möglich erreichen sollten und dass dafür Evidenz-
  breite Grundimmunität in der Bevölkerung zu er-             basierte zielgerichtete Strategien zur Steigerung der
  reichen, durch die auf individueller Ebene das Auf-         Impfakzeptanz und -inanspruchnahme implemen-
  treten schwerer Erkrankungsfälle deutlich reduziert         tiert werden sollten.15 Die o. g. Ergebnisse und die
  und auf der Populationsebene die Viruszirkulation           Höhe der Zielimpfquote können jedoch von Land
  erheblich verringert wird, ist jedoch realistisch.          zu Land variieren, z. B. aufgrund unterschiedlicher
  Gleichwohl sind schwere Erkrankungsfälle und lo-            Bevölkerungsstrukturen. Ebenso ist eine Anpas-
  kale Ausbruchsgeschehen auch dann weiter mög-               sung an neue, leichter übertragbare Virusvarianten
  lich. Aus Public-Health-Sicht ist das Erreichen eines       sinnvoll.
  Gemeinschaftsschutzes ein willkommener Effekt,
  da hierdurch in einem gewissen Maße indirekt auch
  Personen geschützt werden, die selbst nicht geimpft         5. Mathematische Modellszenarien
  werden können. Andererseits würden in einer Be-             für Deutschland
  völkerung, in der man nach Erreichen eines be-              Um die mögliche Entwicklung der Fallzahlen bzw.
  stimmten Impfquoten-Wertes die Impfaktivitäten              der 7-Tage-Inzidenz und der Personen in intensiv-
  reduziert, immer noch empfängliche Personen exis-           medizinischer Behandlung im kommenden Herbst
  tieren. Daher sollte aus Public-Health-Sicht die            für unterschiedliche Impfquoten abschätzen zu
  Impfquote so hoch wie möglich sein, um ein Maxi-            können, wurde ein erweitertes SEIR-Modell genutzt
  mum an Erkrankungen zu verhindern, wohlwis-                 (Susceptible (S)  Exposed (E)  Infectious (I) 
  send, dass sich in einer Bevölkerung niemals 100 %          Recovered (R)), um Szenarien unter Berücksichti-
  der Menschen impfen lassen. Aus programmati-                gung verschiedener Impfquoten und Kontaktinten-
  scher Sicht ist die Definition einer Zielimpfquote          sität zu erstellen. Die genauen Details des Modells
  hilfreich, um die Beschaffung ausreichender Impf-           wurden im April 2021 veröffentlicht.16 Es handelt
  stoffmengen zu planen und auch Kommunikations-              sich um ein SEIR-Modell, dessen Modellbevölke-
  kampagnen entsprechend darauf auszurichten.                 rung in 16  Altersgruppen mit je drei Vorerkran-
                                                              kungsstatus (mit keinem, moderat oder stark erhöh-
                                                              tem Risiko für schwere COVID-19-Krankheitsver-
  4. Empfehlung der WHO zur Festlegung                        läufe) unterteilt ist. Dabei wird nach Meldefällen
  einer Zielimpfquote                                         und unerkannten bzw. nicht gemeldeten Infektio-
  Das Weltgesundheitsorganisation (WHO) Regional-             nen (Untererfassung) unterschieden.
  büro für Europa empfiehlt Mitgliedstaaten die Defi-
  nition und Festsetzung einer Zielimpfquote zur bes-         Im Modell werden die verfügbaren mRNA-Impf-
  seren Planung und Entwicklung einer Nationalen              stoffe, wie auch getrennt die Vektor-basierten Impf-
  Impfstrategie.15 Entsprechend den Ergebnissen ei-           stoffe des Herstellers AstraZeneca und der des Her-
  ner mathematischen Modellierung, die zum dama-              stellers Janssen-Cilag International, berücksichtigt.
  ligen Zeitpunkt an die epidemiologische Situation           Bis auf den Impfstoff von Janssen-Cilag Internatio-
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  nal wird bei allen Impfstoffen ein Zweidosen-Impf-            Die Wahrscheinlichkeit der Übertragung pro Kon-
  schema mit unterschiedlichen Wirksamkeiten der                takt wird beeinflusst von der aktuellen Virusvarian-
  1. und 2. Impfstoffdosis umgesetzt. Die Wirksam-              te, der Saisonalität sowie individuellen Schutzmaß-
  keit setzt jeweils 14 Tage nach Erhalt einer Dosis ein.       nahmen (z. B. Tragen von Mund-Nasen-Schutz).
  Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren              ­Virusvarianten werden im Modell durch eine Anhe-
  erhalten gemäß der aktuellen Zulassung nur                     bung der Transmissionswahrscheinlichkeit je
  mRNA-Impfstoffe des Herstellers BioNTech/Pfizer.               Kontakt von 35 % für die Alpha-Variante (B.1.1.7) im
  Die Vektor-basierten Impfstoffe der Hersteller                 Vergleich zum initialen Wildtyp und 40 % für die
  Janssen-Cilag International und AstraZeneca wer-               Delta-Variante (B.1.617.2) im Vergleich zur Alpha-­
  den entsprechend der Empfehlung der Ständigen                  Variante abgebildet. Für die Delta-Variante wird an-
  Impfkommission (STIKO) nur Personen ≥ 60 Jahre                 genommen, dass diese sich zwischen dem 15.06.
  verabreicht. Die Aufhebung der von der STIKO ent-              und dem 30.09.21 in Deutschland ausbreitet und
  wickelten Impfpriorisierung nach der vierten Stufe             bis Ende September zur dominanten Variante mit
  wurde ebenfalls berücksichtigt.17 Die Liefermengen             einem Anteil von 100 % wird. Der Effekt der Saisona­
  entsprechen den derzeitigen Prognosen des Bun-                 lität wird über einen Rückgang der Infektiosität um
  desministeriums für Gesundheit. Dabei wird eine                42 % während der Sommermonate im Modell abge-
  maximale Kapazität von 1,5 Mio. Impfstoffdosen im              bildet.19 Der Effekt der Sommermonate wird im
  dritten und 1,1 Mio. Impfstoffdosen im vierten Quar-           Herbst wieder zurückgenommen, sodass die Infek-
  tal angenommen, die täglich über die aktuell                   tiosität wieder auf das Ausgangsniveau ansteigt.
  etablier­ten Strukturen verimpft werden können.
                                                                Zur Abschätzung des Effekts unterschiedlicher
  Das Infektionsgeschehen hängt zum einen von der               Impfquoten wurde die Impfquote der 12 – 59-Jähri-
  Anzahl der Kontakte und zum anderen von der                   gen variiert, von 65 % über 75 % und 85 % bis zu
  Wahrscheinlichkeit der Übertragung je Kontakt ab.             95 %. Da bei den Personen im Alter ≥ 60 Jahre be-
  Hinsichtlich der Kontakte wird vor dem 15.03.21 aus           reits jetzt eine Impfquote von 85 % erreicht wurde,
  der Modellkalibrierung (d. h. der Anpassung des               ging diese mit 90 % konstant in die verschiedenen
  Modells an die tatsächlichen Melde- und Todesfälle)           Szenarien des Modells ein. Im Rahmen von Sensi-
  von 3,9 Kontakten pro Person und Tag ausgegan-                tivitätsanalysen wurden die folgenden oben be-
  gen. Anschließend wird von einer zweistufigen Zu-             schriebenen Modellparameter variiert:
  nahme der Anzahl der Kontakte ab dem 15.03.21 um
  1 Kontakt und ab dem 01.08.21 um weitere 6,5 Kon-             (i) keine Verhaltensänderung der Bevölkerung bei
  takte ausgegangen. Ab dem 01.08.21 werden im Mo-                    steigender ITS-Auslastung (Basisszenario:
  dell also 11,4 Kontakte pro Person und Tag angenom-                 Verhaltensveränderung bei steigender ITS-
  men. 15,5 Kontakte pro Person und Tag entsprächen                   Auslastung),
  laut den Daten der POLYMOD-Studie einem prä-                  (ii) Kontaktverhalten entsprechend prä-pandemi-
  pandemischen Niveau.18 Da ein unkontrolliertes, ex-                 schen Niveaus, d. h. Zunahme der Kontakte auf
  ponentielles Wachstum der Infektionen ohne eine                     15,5 Kontakte (Basisszenario: Kontaktzuname
  Gegenreaktion unrealistisch erscheint, wird im Mo-                  auf 11,4 Kontakte), mit Anpassung des Verhal-
  dell davon ausgegangen, dass bei steigender 7-Tage-                 tens bei steigender ITS-Auslastung,
  Inzidenz und Auslastung der Intensivstationen                 (iii) Dominanz der Alpha-Variante (Basisszenario:
  (ITS) Anfang Oktober eine 10 %ige Reduktion der                     Delta-Variante),
  Kontakte stattfindet. Zusätzlich wird angenommen,             (iv) eine erhöhte Impfbereitschaft von 95 % bei Per-
  dass durch die zu erwartenden höheren ITS-Auslas-                   sonen ≥ 60 Jahren (Basisszenario: 90 %),
  tungen bei dominanter Delta-Variante eine weitere             (v) eine maximale Impfkapazität von 1,1 Mio. Imp-
  20 %ige Reduktion der Kontakte Anfang November                      fungen pro Tag im 3. Quartal 2021 (Basissze­
  stattfindet. Diese Verhaltensänderung kann durch                    nario: 1,5 Mio. Impfstoffdosen pro Tag).
  Maßnahmen der Politik oder durch die Risiko­
  wahrnehmung der Bevölkerung und eine nachfol-                 Die Szenarien sind nicht als exakte Prognosen zu
  gende Verhaltensänderung begründet sein.                      verstehen, sondern als Abschätzung, wie groß der
Epidemiologisches Bulletin                   27 | 2021           8. Juli 2021                                                                         7

  Einfluss der untersuchten Maßnahmen auf das In-                                  schreitet nicht mehr die Marke von 1.000  ITS-
  fektionsgeschehen sein könnte.                                                   Betten. Der zusätzliche Effekt der Steigerung der
                                                                                   Impfquote von 85 % auf 95 % ist nicht so stark aus-
  Im Basisszenario (Kontaktzunahme auf 11,4 Kontak-                                geprägt wie bei einer Steigerung von 65 % auf 75 %
  te, Dominanz der Delta-Variante, 90 % Impfquote                                  oder 75 % auf 85 %. Bei einer steigenden Impfquote
  bei den ≥ 60-Jährigen, Verhaltensänderung bei stei-                              unter den 12 – 59-Jährigen ist der Haupteffekt so-
  gender ITS-Auslastung, Impfkapazität von 1,5 Mio.                                wohl in Bezug auf die Reduzierung der Meldefälle
  Dosen pro Tag) ist mit einer Impfquote von 65 %                                  als auch ITS-Belegung direkt in dieser Altersgrup-
  bei den 12 – 59-Jährigen noch mit einem sehr star-                               pe zu sehen. Bei einer Impfquote von 85 % machen
  ken Anstieg der 7-Tage-Inzidenz von bis zu 400  Fäl-                             die 18 – 59-Jährigen und Kinder < 12 Jahre den Groß-
  len pro 100.000 Einwohner und einer ITS-Auslas-                                  teil der Meldefälle aus (s. Abb. 1), während bei der
  tung von ca. 6.000 Betten zu rechnen (s. Abb. 1 und                              ITS-Belegung die 18 – 59-Jährigen und auch die
  Abb. 2).                                                                         ≥ 60-Jährigen dominieren (s. Abb. 2).

  Bereits ab einer Impfquote von 75 % zeigt das Mo-                                In den Sensitivitätsanalysen (s. Abb. 3) zeigt sich,
  dell jedoch deutlich niedrigere 7-Tage-Inzidenzen                                dass der Einfluss der Impfquote stark von den Rah-
  von unter 150 Fällen pro 100.000 und eine ITS-Aus-                               menbedingungen verschiedener Faktoren abhängt.
  lastung von ca. 2.000 Betten. Sowohl bei einer 85 %                              Hierzu zählen der Grad der Rückkehr zum prä-
  als auch 95 %igen Impfquote der 12 – 59-Jährigen                                 pandemischen Kontaktverhalten, die Reaktion der
  steigt die 7-Tage-Inzidenz nicht mehr über 100 bzw.                              Bevölkerung auf steigende Infektionszahlen bzw.
  50 Fälle pro 100.000 und die ITS-Auslastung über-                                einer steigenden ITS-Belegung, die zirkulierende

  7-Tage-Inzidenz (Fälle je 100.000)

                                Impfquote: 65 Prozent                                                         Impfquote: 75 Prozent
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                                Impfquote: 85 Prozent                                                     Impfquote: 95 Prozent
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                                           Altersgruppe:        Unter 12        12 bis 17     18 bis 59          60 und älter

  Abb. 1 | Schätzung der COVID-19-Inzidenz über die Zeit (Juli 2021 bis April 2022) und nach Altersgruppen, in Abhängigkeit der
  erreichten Impfquote bei 12 – 59-Jährigen (siehe Angabe im blauen Balken), bei 11,4 Kontakten pro Person/Tag und dominanter
  Delta-Variante
Epidemiologisches Bulletin               27 | 2021             8. Juli 2021                                                                          8

  Personen in intensivmedizinischer Behandlung

                               Impfquote: 65 Prozent                                                        Impfquote: 75 Prozent
  6.000

  4.000

  2.000

      0

                               Impfquote: 85 Prozent                                                        Impfquote: 95 Prozent
  6.000

  4.000

  2.000

      0
      1

            21

                   21

                            1

                                    1

                                             1

                                                     22

                                                           22

                                                                    2

                                                                               1

                                                                                          21

                                                                                                21

                                                                                                           1

                                                                                                                   1

                                                                                                                            1

                                                                                                                                 22

                                                                                                                                       22

                                                                                                                                                2
    l-2

                          -2

                                    -2

                                          -2

                                                                              l-2

                                                                                                       -2

                                                                                                                   -2

                                                                                                                        -2
                                                                    -2

                                                                                                                                                -2
           g-

                  p-

                                                                                      g-

                                                                                               p-
                                                 n-

                                                          b-

                                                                                                                                n-

                                                                                                                                      b-
                        kt

                                ov

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                                                                                                      kt

                                                                                                               ov

                                                                                                                        ez
                                                                  rz

                                                                                                                                            rz
   Ju

                                                                          Ju
          Au

                                                                                     Au
                 Se

                                                                                               Se
                                                          Fe

                                                                                                                                      Fe
                                                 Ja

                                                                                                                                Ja
                        O

                                                                                                     O
                                                                M

                                                                                                                                            M
                                         D

                                                                                                                        D
                                N

                                     Altersgruppe:         Unter 12           12 bis 17        18 bis 59       N
                                                                                                               60 und älter

  Abb. 2 | Schätzung der COVID-19-bedingten Intensivbetten-Belegung über die Zeit (Juli 2021 bis April 2022) und nach Alters-
  gruppen, in Abhängigkeit der erreichten Impfquote bei 12 – 59-Jährigen (siehe Angabe im blauen Balken), bei 11,4 Kontakten pro
  Person/Tag und Delta-Variante

  Virusvariante, die Impfquote der Altersgruppe ab                                  oder 95 %igen Impfquote. Vor allem in einem Sze-
  60 Jahren sowie der maximalen Kapazität der Impf-                                 nario ohne Veränderung des Kontaktverhaltens
  stellen. Dabei zeigen sich in den Szenarien mit                                   trotz steigender ITS-Auslastung ist ein merklicher
  ­Alpha-Variante und einer Impfquote von 95 % bei                                  Zusatznutzen einer Impfquote von 95 % im Ver-
   den Personen ab 60 Jahren in der Tendenz niedri-                                 gleich zu 85 % zu verzeichnen. In diesem Szenario
   gere ITS-Auslastungen als im Basisszenario. Höhe-                                ist auch die höchste prognostizierte Zahl an Perso-
   re ITS-Auslastungen sind zu erwarten, wenn keine                                 nen auf ITS (ca. 12.500) zu finden, was ungefähr
   Verhaltensänderung der Bevölkerung bei steigen-                                  dem 2,5-fachen des bisherigen Maximums entsprä-
   den ITS-Auslastungen eintritt oder generell die                                  che. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass bei
   Rückkehr zum prä-pandemischen Kontaktverhalten                                   einem starkem Anstieg der Infektionszahlen und
   stärker ausfällt. Bei einer reduzierten Impfkapazität                            steigender ITS-Auslastung das Infektionsgeschehen
   ist zu beobachten, dass im Vergleich zum Basis­                                  ungebremst durch weitere Maßnahmen weiterläuft.
   szenario die Höhe der Impfquote deutlich an Ein-                                 Eine Steigerung der Impfquote unter den ≥ 60-Jäh-
   fluss verliert. Dies ist durch das in Bezug auf die                              rigen (von 90 auf 95 %) resultiert nur in einem re-
   Verhinderung einer 4. Welle erst spätem Erreichen                                levanten Unterschied bei der ITS-­Belegung, wenn
   der hohen Impfquoten zu erklären, d. h. Personen                                 die Impfquote bei den 12 – 59-Jährigen bei 65 % oder
   können durch einen Impfrückstau erst im                                          niedriger liegt.
   Spätherbst und Winter während und nicht vor der
   4. Welle geimpft werden.
                                                                                    6. Impfakzeptanz
  In fast allen Szenarien gibt es nur geringe sichtbare                             Im vom Bundesministerium für Gesundheit geför-
  Unterschiede in Bezug auf das Erreichen einer 85 %                                derten Projekt „COVIMO“ (COVID-19 Impfquoten-
Epidemiologisches Bulletin                   27 | 2021          8. Juli 2021                                                                  9

  Personen in intensivmedizinischer Behandlung

                            Basis-Szenario                         Keine Verhaltensänderung                    15,5 Kontakte pro Person/Tag
  12.500

  10.000

   7.500

   5.000

   2.500

       0

                            Alpha-Variante                            95 Prozent 60 plus                            1,1 Mio. Kapazität
  12.500

  10.000

   7.500

   5.000

   2.500

       0
   Au 21
          21

   O 1
   N 1

   D 1
            1
         22

   M 22
           2

                                                      Au 21
                                                             21

                                                      O 1
                                                      N 1

                                                      D 1
                                                               1

                                                      Fe 2
                                                      M 22
                                                              2

                                                                                                   Au 21
                                                                                                          21

                                                                                                   O 1
                                                                                                   N 1

                                                                                                   D 1
                                                                                                            1
                                                                                                         22

                                                                                                   M 22
                                                                                                           2
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                                                      Ja

                                                                                                   Ja
                            Impfquote 12 – 59-Jährige:          65 Prozent        75 Prozent      85 Prozent       95 Prozent

  Abb. 3 | Sensitivitätsanalysen zur Abschätzung des Einflusses verschiedener Annahmen* auf die Zielimpfquote.
  Im Basisszenario werden 11,4 Kontakte pro Person/Tag, die Dominanz der Delta-Variante und eine Impfquote von 90 %
  bei den ≥ 60-Jährigen angenommen
  * Die Annahmen betreffen: „Keine Verhaltensänderung“ der Menschen bei erneut ansteigenden Inzidenzen, eine Rückkehr zu
  einem prä-pandemischen Kontaktverhalten (15,5 Kontakte pro Person/Tag) unter Berücksichtigung einer Verhaltensänderung,
  die Dominanz der Alpha-Variante, eine Impfquote von 95 % unter Menschen im Alter ≥ 60 Jahre (anstatt ≥ 90 %) sowie eine
  limitierte Kapazität im System zur Verimpfung einer maximalen Anzahl an Impfstoffdosen.

  Monitoring in Deutschland) führt das RKI seit Be-                               finden.20 Die aktuellste Erhebung wurde vom
  ginn der Impfkampagne alle vier Wochen Telefon-                                 17.05.2021 – 09.06.2021 mit einem Fokus auf das
  surveys zur COVID-19-Impfinanspruchnahme,                                       Impfverhalten durchgeführt und schloss 3.004 Er-
  Impfintention und Impfakzeptanz durch. Befragt                                  wachsene ein.
  werden Personen ab 18  Jahren mit deutschen
  Sprachkenntnissen, die Ergebnisse der Surveys sind                              Tabelle 1 zeigt den Anteil der Befragten, die zum
  für diese Bevölkerungsgruppe repräsentativ. Details                             Zeitpunkt der Befragung bereits geimpft waren
  zur Erhebungsmethodik und einzelne Ergebnis­                                    (mindestens einmal sowie vollständig) und gibt zu-
  berichte sind auf den Internetseiten des RKI zu                                 sätzlich an, wie groß der Anteil der ungeimpften Be-

                                                         Impfquote [%]                          Impfintention der              Gesamt
           Altersgruppe
                                    Mindestens 1 Dosis           Vollständig geimpft           noch Ungeimpften*           Impfakzeptanz**
   18 – 59 Jahre (n = 1.958)                 51,1 %                      19,3 %                      66,9 %                       83,9 %
   ≥ 60 Jahre (n = 1.043)                    84,3 %                      42,5 %                      66,9 %                       94,8 %

  Tab. 1 | Impfquote und Impfintention unter Survey-Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Zeitraum 17.05. – 09.06.2021
  * Anteil der Befragten, die angaben, sich „auf jeden Fall impfen“ bzw. „eher impfen“ lassen zu wollen
  ** Kombination aus bereits mindestens einmal Geimpften und Impfintention der noch Ungeimpften
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  fragten ist, der sich auf jeden Fall oder eher gegen        keit, bereits mindestens einmal geimpft zu sein, zu
  COVID-19 impfen lassen würde (erfasst auf einer             überprüfen.
  fünfstufigen Likert-Skala von „auf keinen Fall imp-
  fen“ (1) bis „auf jeden Fall impfen“ (5)). Die letzte       Die Ergebnisse der Regression zeigen, dass das Ver-
  Spalte zeigt die zu erwartende gesamte Impfakzep-           trauen in die Sicherheit der Impfung, das Vertrauen
  tanz, die sich aus dem Anteil bereits mindestens            in deren Effektivität (Confidence) sowie die Wahr-
  einmal Geimpfter sowie der (eher) impfbereiten Be-          nehmung struktureller Barrieren (Constraints) zur
  fragten zusammensetzt.                                      Vorhersage des Impfverhaltens beitragen. Das Alter,
                                                              die Zugehörigkeit zum medizinischen Personal und
  In dieser Darstellung unberücksichtigt bleiben jene         die Indikation als Kontaktperson (z. B. einer schwan-
  Befragten, die sich in ihrer Entscheidung noch un-          geren oder pflegebedürftigen Person) sagen das
  sicher sind. Diese Gruppe ist mit 17,1 % in der Al-         Impfverhalten ebenfalls statistisch relevant vorher,
  tersgruppe der unter 60-Jährigen vertreten und da-          wohingegen der Schulabschluss der Befragten nicht
  mit bedeutend größer als in der Altersgruppe der            zur Vorhersage des Impfverhaltens beiträgt. Mit zu-
  ≥ 60-Jährigen (11,7 %). Von denjenigen, die bereits         nehmendem Vertrauen in die Impfung und gerin-
  einmal (n = 1.881) gegen COVID-19 geimpft sind, ga-         geren strukturellen Barrieren steigt also die Wahr-
  ben 98,3 % an, sich auf jeden Fall die 2. Impfstoff-        scheinlichkeit, bereits mindestens eine Impfung er-
  dosis verabreichen lassen zu wollen. Die Daten las-         halten zu haben.
  sen also nicht erkennen, dass das empfohlene Impf-
  schema nicht vervollständigt wird.
                                                              7. Limitationen und Fazit
  Vergleicht man die aktuellsten Daten aus COVIMO             In das Modell fließen verschiedene Parameter und
  mit den Daten der ersten Erhebung (Zeitraum der             auch Annahmen ein, die gewissen Unsicherheiten
  Erhebung: 18.01. – 13.02.2021, n = 1.006), zeigt sich       und Dynamiken unterliegen. Daher eignen sich Sze-
  eine gute Übereinstimmung der damaligen Impfbe-             narien auf Grundlage derartiger Modelle zwar gut
  reitschaft mit den jetzigen Impfquoten in der Alters-       zum Vergleich verschiedener Interventionen bzw.
  gruppe ≥ 60 Jahre. Bis Mitte Februar 2021 waren             Impfstrategien (in diesem Fall Effekte unterschiedli-
  4,5 % der Befragten ab 60 Jahre bereits mindestens          cher Impfquoten im Vergleich), die konkrete Höhe
  einmal geimpft, weitere 87,3 % der ungeimpften Be-          der Inzidenzen oder ITS-Belegungen ist jedoch mit
  fragten gaben an, sich auf jeden Fall oder eher imp-        Vorsicht zu interpretieren.
  fen lassen zu wollen. Diese Werte legten eine zu er-
  wartende gesamte Impfbereitschaft von etwa 88 %             Es ist nicht sicher vorhersehbar, ab wann die Delta-
  nahe, die jetzt sowohl als Impfquote im Survey              Variante in Deutschland den Anteil der zirkulieren-
  (84,3 %, s. Tab. 1) als auch im digitalen Impfquo-          den SARS-CoV-2-Viren vollständig dominieren
  ten-Monitoring (DIM) beobachtet werden konnte               wird und ob weitere Virusvarianten (gegen die die
  (80 % mit Stand 14.06.2021).17                              Impfstoffe ggf. auch weniger gut wirken) zum Tra-
                                                              gen kommen. Unklar ist darüber hinaus aktuell
  Es gilt dennoch zu berücksichtigen, dass eine hohe          auch, welche Schutzdauer die verfügbaren Impf-
  Impfbereitschaft nicht zwangsläufig in Impfverhal-          stoffe haben und ob ggf. bereits zum Ende des Jah-
  ten resultiert. Für Impfverhalten spielen verschiede-       res die Immunität bei einem Teil der Bevölkerung
  ne Determinanten eine Rolle, von denen einige mit           nachlässt und eine Auffrischimpfung notwendig
  Hilfe des 5C-Modells in der Erhebungswelle vom              machen wird.
  21.04. – 07.05.21 erhoben wurden.21 Hierfür wurde
  eine logistische Regression durchgeführt, um die            Derzeit ist ein COVID-19-Impfstoff für die Impfung
  Effekte des 5C-Modells sowie der Kontrollvariablen          von 12 – 17-jährigen Kindern bzw. Jugendlichen zu-
  Alter, Geschlecht, Bildung, Region, Zugehörigkeit           gelassen. Die STIKO empfiehlt die Impfung in die-
  zur Berufsgruppe des medizinischen Personals,               ser Altersgruppe aktuell nur bei Vorliegen von
  Vorliegen einer/mehrerer Risikofaktoren und der             Vorerkrankungen oder wenn sich im Umfeld der
  Indikation Kontaktperson auf die Wahrscheinlich-            Kinder und Jugendlichen Angehörige oder andere
Epidemiologisches Bulletin     27 | 2021      8. Juli 2021                                                    11

  Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen             die Kapazität zur Verimpfung der verfügbaren
  schweren COVID-19-Verlauf befinden.22 Der Einsatz          Impfstoffdosen ausreichend hoch ist und es (z. B.
  des Impfstoffs bei Kindern und Jugendlichen im Al-         aufgrund der Sommerferien) nicht zu einer Verzö-
  ter von 12 – 17 Jahren ohne Vorerkrankungen ist aber       gerung beim Erreichen dieser Zielimpfquote
  nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem           kommt.
  Wunsch und Risikoakzeptanz möglich. Bei zuneh-
  mender Impfstoffverfügbarkeit, mehr Daten und              Mit Stand Mitte Juni 2021 haben sich in Deutsch-
  Erfahrungen zur Jugendlichen-Impfung insb. aus             land bereits ca. 85 % der ≥ 60-Jährigen mindestens
  den USA und anderen Ländern mit allgemeiner                einmal gegen COVID-19 impfen lassen. Mit einer
  Jugendlichen-Impfempfehlung sowie bei Zunahme              zunehmenden Dominanz der Delta-Variante ist in
  der Infektionszahlen unter Kindern aufgrund einer          den kommenden Wochen zu rechnen. Diese wird
  erhöhten Übertragbarkeit der Delta-Variante wird           sich auf die ITS-Belegung vor allem dann auswir-
  die STIKO das Thema der Jugendlichen-Impfung               ken, wenn die Impfquoten bei den 12 – 59-Jährigen
  voraussichtlich nochmals beraten bzw. wird die             bei 75 % oder gar 65 % stagnieren und gleichzeitg
  Impfung auch ohne explizite STIKO-Empfehlung               eine komplette Öffnung stattfindet. Je niedriger im
  in dieser Altersgruppe vermutlich mehr zur Anwen-          Herbst die erreichten Impfquoten sind, desto weni-
  dung kommen. Daher wurden in der hier vorliegen-           ger sind bei Dominanz der Delta-Variante die Basis-
  den Modellierung Impfungen in allen Altersgrup-            hygienemaßnahmen ausreichend und weitere kon-
  pen, für die gegenwärtig ein Impfstoff zugelassen          taktreduzierende Maßnahmen wären notwendig.
  ist, angenommen. Alternativ müsste die Impfquote           Der Sommer sollte daher dringend genutzt werden,
  bei den 18 – 59-Jährigen weiter gesteigert werden,         um eine Impfquote von 85 % (vollständige Imp-
  wobei sich niedrige Impfquoten unter Kindern und           fung) bei den 12 – 59-Jährigen und 90 % bei den
  Jugendlichen aufgrund der üblicherweise milden             ≥ 60-Jährigen möglichst schnell zu erreichen.
  Krankheitsverläufe in dieser Altersgruppe insbe-
  sondere auf die Meldeinzidenz und weniger auf die          Um die Zielimpfquote zu erreichen, muss insbe-
  ITS-Belegung auswirken. Entsprechende Szenarien            sondere unter den jungen Erwachsenen weiter über
  lagen – basierend auf Berechnungen mit dem hier            die Impfung aufgeklärt werden. Gerade in dieser Al-
  vorgestellten mathematischen Modell der STIKO              tersgruppe befindet sich noch ein größerer Anteil
  zur Entscheidung vor und wurden auch in der wis-           (17,1 %), der aktuell unentschlossen ist hinsichtlich
  senschaftlichen Begründung zur Empfehlung der              der Impfung. Information und Aufklärung zur
  COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche                ­Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung sind wei-
  von 12–17 Jahre publiziert.22                               terhin relevant. Um die Bereitschaft für eine Imp-
                                                              fung zu erhöhen, sollte auch die Adressierung der
                                                              Collective Responsibility als Kommunikationsstrategie
  8. Fazit                                                    berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten
  Auf Basis der hier präsentierten mathematischen             strukturelle Barrieren lokal aufgedeckt und beho-
  Modellierungen und der Resultate aus den Surveys            ben werden (z. B. durch aufsuchendes Impfen oder
  zur Impfakzeptanz halten wir eine Zielimpfquote             niederschwellige Impfangebote am Arbeitsplatz).
  (Impfschutz durch vollständige Impfung) von 85 %
  für die 12 – 59-Jährigen sowie von 90 % für Perso-
  nen ab dem Alter von 60 Jahren für notwendig und
  auch erreichbar. Bei rechtzeitigem Erreichen dieser
  Impfquote scheint eine ausgeprägte 4. Welle im
  kommenden Herbst/Winter unwahrscheinlich, so-
  fern sich die Bevölkerung zusätzlich zur Impfung
  weiter an die Basishygienemaßnahmen hält und bei
  möglicherweise wieder ansteigenden Infektions-
  zahlen Kontakte zu einem gewissen Grad reduziert.
  Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass
Epidemiologisches Bulletin         27 | 2021       8. Juli 2021                                                     12

                                                                  10 Jamie Lopez Bernal, Nick Andrews, Charlotte
  Literatur
                                                                    Gower, et al. Effectiveness of COVID-19 vaccines
  1   Robert Koch-Institut. Täglicher Lagebericht des RKI
                                                                    against the B.1.617.2 variant. PrePrint.
      zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19).
                                                                    Online verfügbar unter:
      01.07.2021 – AKTUALISIERTER STAND FÜR
                                                                    https://doi.org/10.1101/2021.05.22.21257658
      DEUTSCHLAND. Online verfügbar unter: www.rki.
      de/covid-19-situationsbericht                               11 Harder T, Koch J, Vygen-Bonnet S, Scholz S, Pilic A,
                                                                    Reda S, Wichmann O: Wie gut schützt die
  2 Polack FP, Thomas SJ, Kitchin N, Absalon J,
                                                                    COVID-19-Impfung vor SARS-CoV-2-Infektionen
      Gurt-man A, Lockhart S, et al. Safety and Efficacy of
                                                                    und SARS-CoV-2-Transmission? – Systematischer
      the BNT162b2 mRNA COVID-19 Vaccine. N Engl J
                                                                    Review und Evidenzsynthese Epid Bull 2021;19:13
      Med. 2020.
                                                                    -23. DOI 10.25646/844
  3 Baden LR, El Sahly HM, Essink B, Kotloff K, Frey S,
                                                                  12 Bundesministerium für Gesundheit. Impfdash-
      Novak R, et al. Efficacy and Safety of the mRNA-
                                                                    board. Online verfügbar unter: https://impfdash-
      1273 SARS-CoV-2 Vaccine. N Engl J Med. 2020
                                                                    board.de/ [Zugriff am 29.06.2021]
  4 Voysey M, Clemens SAC, Madhi SA, Weckx LY,
                                                                  13 Fine P, Eames K, Heymann DL. „Herd Immunity“:
      Folegatti PM, Aley PK, et al. Single dose administra
                                                                    A Rough Guide. Clinical Infectious Diseases
      tion, and the influence of the timing of the booster
                                                                    2011;52(7):911–916.
      dose on immunogenicity and efficacy of ChAdOx1
      nCoV-19 (AZD1222) vaccine. Lancet 2021 Jan                  14 Milman O, Yelin I, Aharony N, et al. Community-
      9;397(10269):99-111.                                          level evidence for SARS-CoV-2 vaccine protection
                                                                    of unvaccinated individuals. Nat Med. 2021 Jun 10.
  5 European Medicines Agency. Assessment report –
                                                                    doi: 10.1038/s41591-021-01407-5. Online ahead of
      COVID-19 Vaccine Janssen. Online verfügbar unter:
                                                                    print.
      https://www.ema.europa.eu/en/medicines/
      human/EPAR/covid-19-vaccine-janssen                         15 Ad-hoc meeting of the European Technical Advisory
                                                                    Group of Experts on Immunization (ETAGE):
  6 Lopez Bernal J, Andrews N, Gower C et al. Effective-
                                                                    virtual meeting, hosted in Copenhagen, Denmark,
      ness of the Pfizer-BioNTech and Oxford-Astra-
                                                                    28 April 2021. Copenhagen: WHO Regional Office
      Zeneca vaccines on covid-19 related symptoms,
                                                                    for Europe; 2021. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
      hospital admissions, and mortality in older adults
      in England: test negative case-control study. BMJ           16 Scholz S, Waize M, Weidemann F, Treskova-
      2021 May 13;373:n1088. doi: 10.1136/bmj.n1088.                Schwarzbach M, Haas L, Harder T, Karch A, Lange
                                                                    B, Kuhlmann A, Jäger V, Wichmann O: Einfluss von
  7 Vasileiou E, Simpson CR, Shi T et al. Interim
                                                                    Impfungen und Kontaktreduktionen auf die dritte
      findings from first-dose mass COVID-19 vaccina­
                                                                    Welle der SARS-CoV-2-Pandemie und perspektivi-
      tion roll-out and COVID-19 hospital admissions in
                                                                    sche Rückkehr zu prä-pandemischem Kontaktver-
      Scotland: a national prospective cohort study.
                                                                    halten. Epid Bull 2021;13:3-22
      Lancet. 2021 May 1;397(10285):1646-1657
                                                                  17 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, et al.: Beschluss
  8 Abu-Raddad LJ , Chemaitelly H, Butt AA, National
                                                                    der STIKO zur 7. Aktualisierung der COVID-19-
      Study Group for COVID-19 Vaccination. Effective-
                                                                    Impfempfehlung und die dazugehörige wissen-
      ness of the BNT162b2 Covid-19 Vaccine against the
                                                                    schaftliche Begründung. Epid Bull 2021;25:3 -13
      B.1.1.7 and B.1.351 Variants. N Engl J Med 2021
      May 5; NEJMc2104974.doi: 10.1056/NEJMc2104974.              18 Mossong J, Hens N, Jit M, Beutels P, Auranen K,
      Online ahead of print.                                        Mikolajczyk R, et al.: Social Contacts and Mixing
                                                                    Patterns Relevant to the Spread of Infectious
  9 Stowe J, Andrews N, Gower C. Effectiveness of
                                                                    Diseases. PLOS Medicine. 2008;5(3):e74
      COVID-19 vaccines against hospital admission with
      the Delta (B.1.617.2) variant. Preprint. Online ver-        19 Tomáš Gavenčiak, Joshua Teperowski Monrad,
      fügbar unter: https://khub.net/documents/                     Gavin Leech, Mrinank Sharma, Sören Mindermann,
      135939561/479607266/Effectiveness+of+COVID-19+                Jan Marcus Brauner, Samir Bhatt, Jan Kulveit:
      vaccines+against+hospital+admission+with+the+-                Seasonal variation in SARS-CoV-2 transmission in
      Delta+%28B.1.617.2 %29+variant.pdf/1c213463-                  temperate climates medRxiv 2021.06.10.21258647;
      3997-ed16-2a6f-14e5deb0b997?t=1623689315431                   doi: https://doi.org/10.1101/2021.06.10.21258647
Epidemiologisches Bulletin          27 | 2021        8. Juli 2021   13

  20 Robert Koch-Institut. COVIMO – COVID-19 Impf-
         quoten-Monitoring in Deutschland. Online verfüg-
         bar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfA-
         Z/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/covi-
         mo_studie_Ergebnisse.html
  21 Betsch C, Schmid P, Korn L, Steinmeyer L, Heine-
         meier D, Eitze S, Küpke NK, Böhm R. Impfverhal-
         ten psychologisch erklären, messen und verändern.
         Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung
         Gesundheitsschutz 2019; 62(4): 400-409.
  22 Vygen-Bonnet S, Koch J, Berner R, et al. Beschluss
         der STIKO zur 6. Aktualisierung der COVID-19-Impf­
         empfehlung und die dazugehörige wissenschaftli-
         che Begründung. Epid Bull 2021;23:3-32.

  Autorinnen und Autoren
  a)
     PD Dr. Ole Wichmann | a) Stefan Scholz |
  a)
     Maria Waize | a) Nora Schmid-Küpke |
  b)
     Dr. Osamah Hamouda | c) Prof. Dr. Lothar H. Wieler |
  d)
     Prof. Dr. Lars Schaade
  a) 
     RKI, FG 33 Impfprävention
  b) 
      RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie
  c) 
     RKI, MF Methodenentwicklung und Forschungs­
     infrastruktur
  d) 
      RKI, ZBS Zentrum für Biologische Gefahren und
      Spezielle Pathogene

  Korrespondenz: WichmannO@rki.de

  Vorgeschlagene Zitierweise
  Wichmann O, Scholz S, Waize M, Schmid-Küpke N,
  Hamouda O, Wieler LH, Schaade L: Welche Impfquote
  ist notwendig, um COVID-19 zu kontrollieren?

  Epid Bull 2021;27:3- 13 | DOI 10.25646/8742

  (Dieser Artikel ist online vorab am 5. Juli 2021
  erschienen.)

  Interessenkonflikt
  Alle Autorinnen und Autoren geben an, dass kein
  Interessenkonflikt besteht.
Epidemiologisches Bulletin      27 | 2021      8. Juli 2021                                                  14

  Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut
  Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der
  COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige
  wissenschaftliche Begründung

  STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung
  Aktualisierung vom 8. Juli 2021

  Bei der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-)Impf­           werden. Bei keinem dieser Impfstoffe handelt es
  empfehlung handelt es sich um eine Indikations-             sich um einen Lebendimpfstoff. Die Impfstoffe wer-
  impfempfehlung im Rahmen einer Pandemie. Ob es              den hinsichtlich des Individualschutzes und der Be-
  in Zukunft eine Standardimpfempfehlung oder                 kämpfung der Pandemie nach derzeitigem Wissen
  eine Indikationsimpfempfehlung geben wird, kann             als geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstudien
  zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden.         zwischen den verschiedenen Impfstoffen sind nur
                                                              begrenzt verfügbar. Die beiden mRNA-Impfstoffe
  Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in              können in allen Alters- und Indikationsgruppen
  der Europäischen Union (EU) vier Impfstoffe zuge-           eingesetzt werden, für die sie zugelassen sind.
  lassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impf-
  stoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und             Aufgrund der beobachteten thromboembolischen Er-
  Spikevax der Firma Moderna) sowie zwei Vektor-ba-           eignisse werden die beiden Vektor-basierten Impf-
  sierte Impfstoffe (Vaxzevria der Firma AstraZeneca          stoffe (Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen)
  und COVID-19 Vaccine Janssen der Firma Janssen              nur für Personen im Alter ≥ 60 Jahren empfohlen.
  Cilag International). Für eine vollständige Impfserie       Die STIKO ändert jedoch ihre bisherige Empfeh-
  sind bei den beiden mRNA-Impfstoffen und beim               lung einer zweimaligen (d. h. homologen) Vaxzevria-­
  Impfstoff Vaxzevria jeweils zwei Impfstoffdosen not-        Impfung bei ≥60-Jährigen. Wie bei den
Epidemiologisches Bulletin           27 | 2021        8. Juli 2021                                                 15

  Hintergrund für diese Empfehlung ist zum einen                     Verlauf der COVID-19-Erkrankung bei Kindern und
  die in mehreren unabhängigen Studien gemachte                      Jugendlichen mit Vorerkrankungen (siehe Tabelle 2)
  Beobachtung, dass die Antikörper-basierte und –                    empfiehlt die STIKO dieser Gruppe eine Impfung
  ­sofern untersucht – auch die T-Zell-basierte Immu-                mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty. Es sollen zwei
   nantwort nach diesem heterologem Impfschema si-                   Impfstoffdosen im Abstand von 3–6 Wochen gege-
   gnifikant höher war als nach zweimaliger Vaxzevria-­              ben werden.
   Impfung. Auch wenn in diesen Arbeiten nicht un-
   tersucht wurde, ob eine heterologe Impfung einer                  Zusätzlich wird die Impfung Kindern und Jugend-
   homologen Vaxzevria-Impfung hinsichtlich des                      lichen ab 12 Jahren empfohlen, in deren Umfeld
   Schutzes vor COVID-19 überlegen ist, lässt die er-                sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit
   höhte Immunogenität nach Auffassung der STIKO                     hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19-­
   eine verbesserte Schutzwirkung erwarten. Zum an-                  Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden
   deren hat das genannte heterologe Impfschema den                  können oder bei denen der begründete Verdacht auf
   Vorteil, dass eine vollständige Immunisierung in                  einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung
   ­einem kürzeren Zeitrahmen erreicht werden kann                   besteht (z. B. Menschen unter relevanter immun­
    (≥ 4 Wochen vs. 9 – 12 Wochen).                                  suppres­siver Therapie).

  Der Einsatz von Vaxzevria als zweimalige Impfung                   Eine berufliche Indikation aufgrund eines arbeits-
  und der COVID-19 Vaccine Janssen ist bei < 60-Jäh-                 bedingt erhöhten Expositionsrisikos oder eines ar-
  rigen zulassungskonform und nach ärztlicher Auf-                   beitsbedingt engen Kontaktes zu vulnerablen Perso-
  klärung und bei individueller Risikoakzeptanz                      nengruppen besteht für Jugendliche entsprechend
  durch die impfwillige Person unverändert möglich.                  den beruflichen Impfindikationsgruppen (siehe
                                                                     ­Tabelle 2).
  Die jeweils empfohlenen Impfabstände sind in
  ­Tabelle 1 aufgeführt.                                             Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugend­
                                                                     lichen im Alter von 12–17 Jahren ohne Vorerkran-
   Impfstoff                     Impfabstand                         kungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist
   Comirnaty (BioNTech/Pfizer)   3 – 6 Wochen                        aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuel-
   Spikevax (Moderna)            4  – 6 Wochen
                                                                     lem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder
   Vaxzevria (AstraZeneca)       9 – 12 Wochen
                                                                     Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich.
   Heterologes Impfschema
   (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff)    ab 4 Wochen
                                                                     Um Viruseinträge in Gemeinschaftseinrichtungen
  Tabelle 1 | Impfabstände zur Grundimmunisierung gegen              (Schulen und andere Einrichtungen für Kinder und
  COVID-19 (Stand: 1.7.2021)*                                        Jugendlichen) zu minimieren und den Betrieb die-
  * Sollte der empfohlene maximale Abstand zwischen der              ser Einrichtungen so lange wie möglich aufrecht zu
  1. und 2. Impfstoffdosis überschritten worden sein, kann die       erhalten, sollten Eltern, Betreuungspersonen von
  Impfserie dennoch fortgesetzt werden und muss nicht neu
  begonnen werden.                                                   Kindern und Jugendlichen, LehrerInnen und Erzie-
                                                                     herInnen das Impfangebot dringend wahrnehmen.
                                                                     Zur Eindämmung der Pandemie kommt es maß-
                                                                     geblich darauf an, in der Bevölkerung rasch hohe
  Empfehlung für Kinder und Jugendliche                              Impfquoten zu erreichen.
  im Alter von 12–17 Jahren

  Die STIKO spricht nach der Zulassung für Comir-                    Empfehlung zur Priorisierung
  naty für 12–15-Jährige eine gemeinsame Empfehlung                  Die Impfung gegen COVID-19 soll allen Personen
  für die Altersgruppe der 12–17-jährigen Kinder und                 ab dem Alter von 18 Jahren angeboten werden.
  Jugendlichen aus. Bereits begonnene Impfserien bei
  16 – 17-Jährigen sollen vervollständigt werden. Auf-               Aufgrund des Fortschritts der Impfkampagne und
  grund eines erhöhten Risikos für einen schweren                    zunehmender Verfügbarkeit von COVID-19-Impf-
Epidemiologisches Bulletin                 27 | 2021            8. Juli 2021                                                   16

   A) Personen im Alter ≥60 Jahren                                             stoffen ist ein stufenweises Vorgehen (Priorisierungs­
   B) Personen im Alter ab 18 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein            empfehlung) auf nationaler Ebene nicht mehr not-
   erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, z. B.                  wendig. Während die Priorisierung zu einer Redu-
   ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Immun­

      suppression, inkl. HIV-Infektion, Z. n. Organtransplantation             zierung schwerer COVID-19-Erkrankungen in der
   ▶▶ Autoimmunerkrankungen, inkl. rheumatologische Erkrankungen

   ▶▶ Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen
                                                                               ersten Phase der Impfkampagne beigetragen hat,
   ▶▶ Chronische Krankheiten der Atmungsorgane                                 lassen aktuelle Modellierungen keinen zusätzlichen
   ▶▶ Chronische Lebererkrankungen, inkl. Leberzirrhose

   ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen
                                                                               Nutzen durch Beibehaltung der Priorisierung er-
   ▶▶ Chronisch entzündliche Darmerkrankungen                                  warten.
   ▶▶ Chronische neurologische Erkrankungen

   ▶▶ Demenz oder geistige Behinderung

   ▶▶ Psychiatrische Erkrankungen
                                                                               Trotz Wegfalls der stufenweisen Priorisierungs­
   ▶▶ Stoffwechselerkrankungen, inkl. Adipositas mit BMI >30kg/m2

      und Diabetes mellitus                                                    empfehlung ist die impfende Ärzteschaft aufgerufen,
   ▶▶ Trisomie 21
                                                                               bislang nicht geimpfte Erwachsene, die ein erhöhtes
   ▶▶ Krebserkrankungen, inkl. maligne hämatologische Erkrankungen

                                                                               Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben oder
   C) Kinder und Jugendliche im Alter von 12–17 Jahren mit
   Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere                      die arbeitsbedingt besonders exponiert sind oder die
   COVID-19-Verläufe haben
   ▶▶ Adipositas (> 97. Perzentile des BMI)
                                                                               engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen ha-
   ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante                  ben, weiterhin bei der Vergabe von Impfterminen
      Immunsuppression
   ▶▶ Angeborene zyanotische Herzfehler (O -Ruhe-Sättigung < 80 %)
                                                                               bevorzugt zu berücksichtigen (siehe Tabelle 2).
                                               2
   ▶▶ Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden

      Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile,
      definiert als z-Score-Wert < –1,64 für die forcierte Einsekundenka-
      pazität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC). (Ein gut eingestelltes         Hinweise zur praktischen Umsetzung
      Asthma bronchiale ist hier nicht gemeint).
   ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen                                            ▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die
   ▶▶ Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen
                                                                                  Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten
   ▶▶ Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit HbA1c-

      Wert > 9,0 %                                                                Stellen verantwortlich.
   ▶▶ Schwere Herzinsuffizienz

   ▶▶ Schwere pulmonale Hypertonie
                                                                               ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige
   ▶▶ Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung                       Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des
   ▶▶ Trisomie 21

   ▶▶ Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen
                                                                                  Vorsorgebevollmächtigten oder Sorgeberechtig-
   D) BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen sowie                  ten voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Kapi-
   BewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften (unabhängig vom                     tel 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/2021
   Alter)
                                                                                  (Epid Bull 34/2020).
   E) Enge Kontaktpersonen von Schwangeren oder Personen mit
   einem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe (unabhängig vom                  ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshin­weise
   Alter)                                                                         in den Fachinformationen zum jewei­ligen Impf-
   F) Personen, die arbeitsbedingt besonders exponiert sind, engen                stoff sowie die veröffentlichten „Rote-Hand“-­
   Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, oder Personen in
   Schlüsselpositionen (unabhängig vom Alter), z. B.                              Briefe zu beachten.
   ▶▶ Personal mit erhöhtem Expositionsrisiko in medizinischen

      Einrichtungen
                                                                               ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen
   ▶▶ Personal mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen in                        mit progredienten Krankheiten, die sich in ei-
      medizinischen Einrichtungen
   ▶▶ Pflegepersonal und andere Tätige in der ambulanten und
                                                                                  nem schlechten Allgemeinzustand befinden,
      stationären Altenpflege oder Versorgung von Personen mit                    muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die-
      Demenz oder geistiger Behinderung
   ▶▶ Tätige in Gemeinschaftsunterkünften                                         sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob
   ▶▶ Medizinisches Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)
                                                                                  ihnen die Impfung empfohlen werden kann.
   ▶▶ LehrerInnen und ErzieherInnen

   ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel                                             ▶▶ Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in
   ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit

   ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen
                                                                                  der Schwangerschaft liegen aktuell limitierte
   ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur                                  Daten vor. Die STIKO empfiehlt die generelle
                                                                                  Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht.
  Tabelle 2 | Personen mit besonderer Indikation für eine                         Eine akzidentelle Impfung in der Schwanger-
  COVID-19-Impfung (Die Gruppen und Vorerkrankungen
  sind nicht nach Relevanz geordnet)
                                                                                  schaft ist jedoch keine Indikation für einen
                                                                                  Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren mit
                                                                                  Vorerkrankungen und einem daraus resultie-
                                                                                  renden hohen Risiko für eine schwere COVID-­19-­
                                                                                  Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositi-
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