Visualisierung von Gewässern - Status quo der wissenschaftlichen Behandlung - Deutsche Hydrographische ...

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Visualisierung von Gewässern - Status quo der wissenschaftlichen Behandlung - Deutsche Hydrographische ...
Kartographie und Hydrographie

Visualisierung von Gewässern
Status quo der wissenschaftlichen Behandlung
Ein Beitrag von Jochen Schiewe

Eine wesentliche Aufgabe der Hydrographie besteht darin, die Gewässer darzustel­
len. Doch welchen Stellenwert hat diese kartographische Aufgabe? Wie die Gewässer­
visualisierung zurzeit wissenschaftlich behandelt wird, wurde durch eine systematische
Auswertung der Fachliteratur und durch eine Umfrage unter Hydrographie-Experten
ermittelt. Aus den Er­
gebnissen lassen sich Hydrographie | Kartographie | Gewässervisualisierung | Marine Charting | Marine Cartography
Rückschlüsse auf künf­
tige          Forschungsauf­ 1           Einleitung                                    work« vorgestellt und Empfehlungen für künftige
gaben und auf den Der Definition von Schiller (2015, S. 62) folgend, be- Aktivitäten in diesem Themenfeld gegeben (Ab-
anstehenden Entwick­ steht das Ziel der Hydrographie in der Erweiterung schnitt 5).
lungsbedarf ableiten.              des Wissens über Gewässer, um diese verantwort-
                                   lich und sicher nutzen und die Lebenswelt schüt- 2 Thematische Eingrenzung
                                   zen zu können. Eines der zugehörigen Aufgaben-
                                   felder – neben der Datenaufnahme (Vermessung) 2.1 Beteiligte Disziplinen
                                   und Datenprozessierung – ist demnach die Visuali- Die Aufnahme, Verarbeitung und Präsentation
                                   sierung der Gewässer in Karten und Informations- von hydrographischen Daten sind Gegenstand
                                   systemen zum Zweck des Informierens.                einer Reihe von Disziplinen. Eine vereinfachte
                                      Angeregt durch Gespräche mit Kollegen aus Darstellung dieser Interdisziplinarität führt zu den
                                   Hydrographie und Kartographie, in denen immer Kernfächern Geodäsie, Geoinformatik und Karto-
                                   wieder eine geringe Beachtung der Visualisie- graphie (Abb. 1). Damit wird auch deutlich, dass
                                   rungsthematik in der Hydrographie angemerkt eine isolierte Betrachtung – wie bei dem im Fol-
                                   wurde, ist es Ziel dieses Beitrages, den Status quo genden betrachteten Zusammenspiel zwischen
                                   der wissenschaftlichen Behandlung des Themas Hydrographie und Kartographie – nur schwer
                                   der Gewässervisualisierung detaillierter aufzuar- möglich ist. Gleichwohl soll nun aus Gründen der
Autor
Jochen Schiewe ist Professor       beiten und Rückschlüsse für künftige Forschun- Vereinfachung bzw. Pointierung versucht werden,
für Geoinformatik und              gen und Entwicklungen (F&E) sowie organisatori- Aspekte wie die Abhängigkeit von aktuellen tech-
Geovisualisierung an der           sche Maßnahmen aufzuzeigen.                         nischen Entwicklungen, Modellen, Datenquellen,
HCU in Hamburg, wo er das             Hierzu erfolgt nach einer thematischen Eingren- Formaten etc. zu vermeiden. Stattdessen erfolgt
Labor für Geoinformatik und
Geovisualisierung (g2lab) lei-     zung (Abschnitt 2) eine kritische Betrachtung aus der Fokus auf die Visualisierung im engeren Sinne,
tet. Er ist ferner Vizepräsident   den beiden disziplinären Richtungen – aus der das heißt, die vorverarbeitenden Schritte werden
der Deutschen Gesellschaft für     Kartographie (Abschnitt 3) sowie der Hydrogra- so weit wie möglich außer Acht gelassen.
Kartographie (DGfK), in der er     phie (Abschnitt 4). Es werden dazu die Ergebnisse
die Kommission »Kartographie
und Forschung« leitet.             einer Recherche von ausgewählten, hauptsäch- 2.2 Arten der Gewässervisualisierung
                                   lich deutschsprachigen Fachzeitschriftenartikeln In der kartographischen Literatur gibt es keine
jochen.schiewe@                    der letzten zehn (oder mehr) Jahre präsentiert. umfassenden bzw. eindeutigen Definitionen der
     hcu-hamburg.de                Ferner wird die Auswertung einer Umfrage unter verschiedenen Kartenarten, die Gewässerinforma-
                                   Experten der Hydrographie beschrieben, die die tionen zum Inhalt haben. Auch eine klare Kompa-
                                   Alleinstellungsmerkmale sowie die offenen For- tibilität zu den Definitionen im Hydrographic Dic-
                                   schungs- und Entwicklungsfragen im Kontext der tionary (IHO 1994) ist nicht gegeben.
                                   Gewässervisualisierung zum Thema hatte. Die ge-        Generell erfolgt der heutige Daten- und Arbeits-
                                   sammelten Ergebnisse werden abschließend zu- ablauf hin zur Visualisierung von Geoinformationen
                                   sammengefasst, ein entsprechendes »F&E-Frame- in einem zweistufigen Prozess (Abb. 2): Die Be-
                                                                                       schreibung von Topographie und Thematik ge-
        Abb. 1: Interdisziplinäres
              Zusammenspiel der                                                        schieht durch ein Datenbankmodell, die Speiche-
                    Hydrographie                                                       rung in Datenbanken. Aus diesen heraus können
                                                                                       dann basierend auf kartographischen Modellen
                                                                                       (vereinfacht: »Zeichenvorschriften«) verschiede-
                                                                                       ne Arten und Typen der Visualisierung – digital
                                                                                       oder analog bzw. innerhalb oder außerhalb des
                                                                                       (Informations-)Systems – abgeleitet werden. Ein
                                                                                       Beispiel für diese Strukturierung im hydrographi-
                                                                                       schen Kontext ist das Konzept von ENC und ECDIS:
                                                                                       Die Electronic Navigational Chart (ENC) beinhaltet

6                                                                                                        Hydrographische Nachrichten
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Kartographie und Hydrographie

»nur« die reinen Daten, deren Inhalt, Struktur und
Format durch den Standard S-57 der IHO spezifi-
ziert werden (Dugge 2016a). Die eigentliche karto-
graphische Darstellung für den konkreten Fall des
Electronic Chart Display and Information System
(ECDIS) ihrerseits wird durch den Standard S-52
festgelegt (Jonas 2007).
   Beschränkt man sich auf die Beschreibung der
Gewässertopographie (das heißt der 3D-Geome-
trie) im engeren Sinne, werden aus den zugrunde
liegenden bathymetrischen Daten bathymetrische
                                                                                                                       Abb. 2: Vereinfachtes
Karten abgeleitet, in denen generell Tiefenlinien      technischen Publikationsorgan der DGfK, so findet            Schema zu den Arten der
oder -stufen verwendet werden. Weitere räumli-         man seit 2000 ganze zwei Beiträge (eines Hydro-                Gewässervisualisierung
che Sachdaten erlauben (in der Regel in Kombi-         graphen) zum Thema Gewässervisualisierung: Jo-
nation mit bathymetrischen Daten) die Ableitung        nas (2007) beschrieb die »Zukunft der Seekarten –
von thematischen Karten. Eine besondere Rolle          Seekarten der Zukunft«, derselbe Autor erläuterte
nehmen dabei nautische Karten (auch: Seekarten,        dann auch den Standard S-100 (Jonas 2010). Die
hydrographische oder marine Karten) als eine Aus-      Beiträge von Meinel u. Lange (2002) sowie Márton
prägung der Verkehrs- bzw. Navigationskarten ein.      (2006) können noch am Rande in die Thematik der
Sonstige thematische Karten können viele weitere       Gewässervisualisierung einsortiert werden.
Informationen im Zusammenhang mit Gewässern               Nur unwesentlich umfangreicher ist die Be-
darstellen (für mögliche Themen siehe z. B. Schiller   handlung in internationalen Zeitschriften. Betrach-
                                                                                                             Literatur
2015, S. 62).                                          tet man stellvertretend hierfür The Cartographic      Altić, Mirela Slukan (2015): The British
   Mit der dargestellten Bandbreite von topogra-       Journal (ebenfalls seit 2000), findet man auch dort       Contribution to the Charting of the
phischen und/oder thematischen Inhalten wird           nur fünf Beiträge, die sich hauptsächlich mit nau-        Adriatic Sea; The Cartographic Journal,
auch deutlich, dass die folgende Betrachtung des       tischen Karten (Lovrinčević 2017; Yan et al. 2015),       Vol. 52, No. 4, S. 305–317
                                                                                                             Bärlocher, Markus (2012): OpenSeaMap
Forschungs- und Entwicklungsstandes bzw. des           historischen Aspekten (Morato-Moreno 2017; Altić          – die freie Seekarte; Hydrographische
Bedarfes nicht pauschal, sondern immer wieder          2015) sowie Datumsfragen (Burke 2003) befassen.           Nachrichten, Nr. 91 (2/2012), S. 10–13
auch in Abhängigkeit einzelner Kartenarten erfol-         Die durchgeführte Literaturrecherche erhebt        Burke, Michael (2003): Transfer of
gen muss.                                              natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.            Admiralty Charts of the British Isles
                                                                                                                 to a WGS84 Compatible Datum; The
                                                       Gleichwohl lässt sich der qualitative Trend recht         Cartographic Journal, Vol. 40, No. 1,
3    F&E-Aktivitäten in der Kartographie               zuverlässig belegen, nach dem das Thema der               S. 89–93
                                                       Gewässervisualisierung seitens der (wissenschaftli-   Dodt, Jürgen (2011): Sechzig Jahre
3.1 Institutionelle Berücksichtigung                   chen) Kartographie fast vollständig vernachlässigt        Deutsche Gesellschaft für Kartographie
                                                                                                                 – ein Rückblick; Kartographische
Innerhalb der International Cartographic Associa-      wurde.                                                    Nachrichten, Vol. 61, Nr. 5, S- 231–240
tion (ICA) wurden Themen der Gewässervisualisie-                                                             Dufek, Tanja; Johannes Kröger; Brendon
rung zwischen 1980 und 1984 in der Kommission          4    F&E-Aktivitäten in der Hydrographie                  Duncan; Jochen Schiewe (2016): A
»Marine Charting« sowie zwischen 1995 und 2011                                                                   new view on the Elbe – Dynamic
                                                                                                                 and interactive 3D views for public
unter der Bezeichnung »Marine Cartography« be-         4.1 Literaturrecherche                                    participation purposes in news media;
handelt. Danach wurde die Kommission geschlos-         Stellvertretend für die Behandlung in der hydro-          Hydrographische Nachrichten, Nr. 105
sen. Im Jahr 2015 hat sie immerhin wieder den          graphischen Fachliteratur wurden die Ausgaben             (11/2016); S. 56–58
Status einer Arbeitsgruppe erhalten. Neben dem         (seit 2008) der Hydrographischen Nachrichten nach     Dugge, Peter (2016a): Kartographie
                                                                                                                 für Marine-Führungssysteme;
strategischen Ziel, ab 2019 wieder den Status einer    Beiträgen mit einem klaren Fokus auf die Visuali-         Hydrographische Nachrichten, Nr. 103
Kommission zu haben, und der wissenschaftlich-         sierung durchsucht. Auch wenn eine klare Tren-            (3/2016), S. 6–10
technischen Behandlung relevanter Themen, sieht        nung zu den Bereichen der Datenerfassung und          Dugge, Peter (2016b): ENC and ECDIS;
die Gruppe ihre Aufgabe in der Kooperation mit         -prozessierung nicht immer einfach zu ziehen ist,         Hydrographische Nachrichten, Nr. 105
                                                                                                                 (11/2016), S. 30–33
diversen Fachgesellschaften wie der IHO, der Fé-       lassen sich doch zwei Aussagen ableiten:              Freytag, Anette; Friedhelm Moggert-
dération Internationale des Géomètres (FIG), dem          Im Hinblick auf die thematische Ausrichtung lag        Kägeler (2008): Herstellung
CoastGIS Scientific Committee oder der IGU Com-        der Schwerpunkt der Beiträge in den Bereichen             maßgeschneiderter elektronischer
mission on Coastal Systems.                            ENC/ECDIS (Dugge 2016b; Hecht 2009), Produk-              Seekarten für die hochpräzise
                                                                                                                 Navigation; Hydrographische
   In Deutschland gab es seit Gründung der Deut-       tionsverfahren (Moggert-Kägeler 2014; Freytag u.          Nachrichten, Nr. 82 (10/2008), S. 21–25
schen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) keine       Moggert-Kägeler 2008), neue Produkte bzw. Pro-        Hecht, Horst (2009): Die Entwicklung
Kommissionen zu Themen der Gewässervisuali-            duktlinien (Dugge 2016b; Tauber 2013; Bärlocher           der Elektronischen Seekarte;
sierung (Dodt 2011). Diese Tatsache lässt sich auch    2012) oder Technik (Schenke u. Lemenkova 2008).           Hydrographische Nachrichten, Nr. 84
                                                                                                                 (6/2009), S. 17–19
bei anderen bedeutenden nationalen kartogra-           Methodische oder algorithmische Aspekte sowie         IHO (1994): Hydrographic Dictionary – Part
phischen Fachgesellschaften feststellen – wie z. B.    Fragen der kartographischen Gestaltung wie bei            I, Volume I, Special Publication No. 32,
der British Cartographic Society (BCS) oder der Ca-    Dufek et al. (2016) wurden dagegen so gut wie gar         5th edition; Monaco 1994
nadian Cartographic Association (CCA).                 nicht angerissen.                                     …
                                                          Grundsätzlich gilt wie im Fall der kartographi-
3.2 Literaturrecherche                                 schen Literatur, dass die absolute Anzahl an Ver-
Betrachtet man Veröffentlichungen in den Karto-        öffentlichungen im Kontext der Gewässervisuali-
graphischen Nachrichten, dem wissenschaftlich-         sierung insgesamt als sehr niedrig einzustufen ist.

HN 108 — 10/2017                                                                                                                                       7
Visualisierung von Gewässern - Status quo der wissenschaftlichen Behandlung - Deutsche Hydrographische ...
Kartographie und Hydrographie

                                                4.2 Umfrage                                           (2) Software-Einsatz für
                                                Um die tatsächliche Rolle von Visualisierun-          Visualisierungszwecke
                                                gen sowie die Bedarfe hinsichtlich künftiger          Es zeigte sich eine große Heterogenität an einge-
…
Jonas, Mathias (2007): Zukunft der              Forschungs- und Entwicklungsthemen näher              setzten Software-Produkten, die sich sowohl der
   Seekarten – Seekarten der Zukunft;           beschreiben zu können, wurde im Juni 2017             Spezial-Hydrographie- als auch der GIS- oder rei-
   Kartographische Nachrichten, Vol. 57,        eine Umfrage unter Hydrographie-Experten im           nen Grafik-Software zuordnen lassen. Man kann
   Nr. 1, S. 30–35; auch: Hydrographische       deutschsprachigen Raum durchgeführt. Per E-           aus den Mehrfachnennungen einzelner Teilneh-
   Nachrichten, Nr. 81 (6/2008), S. 22–26
Jonas, Mathias (2010): S-100 – das              Mail wurde ein Fragebogen an 27 Experten ver-         mer sowie der Breite insgesamt ablesen, dass spe-
   universelle hydrographische                  sendet. Acht Fragebögen wurden retourniert            zifische Aufgaben oder Kartenarten auch spezifi-
   Datenmodell der IHO und seine                – gut verteilt auf Personen von amtlichen Insti-      sche Hilfsmittel bedingen. Gleichzeitig erahnt man
   Bedeutung für die digitale                   tutionen (3 von 11), privaten Unternehmen (2 von      aus dieser Vielfalt auch Schnittstellenprobleme.
   Seekartographie; Kartographische
   Nachrichten, Vol. 60, Nr. 3, S. 123–129      11), Hochschulen (2 von 4) sowie mit sonstigem
Kember, I.D. (1971): Some Distinctive           Hintergrund (1 von 1).                                (3) Rolle der Papierkarten
   Feature of Marine Cartography; The             Der absolute und relative Rücklauf mag auf den      Jonas (2007) diskutierte bereits Vor- und Nachtei-
   Cartographic Journal, Vol. 8, Nr. 1,         ersten Blick sehr gering erscheinen – es war aber     le von Papierkarten und stellte den rückläufigen
   S. 13–20
Lovrinčević, Dejan (2017): Quality              von Anfang an nicht die Absicht, repräsentative       Gebrauch bzw. Verkauf fest. Einige Teilnehmer der
   Assessment of an Automatic Sounding          Aussagen mit statistischer Signifikanz zu erzielen.   aktuellen Umfrage unterstrichen den Fortgang
   Selection Process for Navigational           Auch Rankings sollten aufgrund der oben erwähn-       dieses Trends mit expliziten Äußerungen. Insge-
   Charts; The Cartographic Journal,            ten Vielfalt von Kartenarten vermieden werden.        samt wurde die Bedeutung der Papierkarten aber
   Vol. 54, Nr. 2, S. 139–146
Márton, Mátyás (2006): Die                      Vielmehr sollte eine Kollektion qualitativer Aussa-   immerhin noch als »durchschnittlich« bezeichnet.
   kartographische Darstellung der              gen (mit eventuell auffälligen Häufungen) heraus-
   Ozeane in der geänderten Projektion          gearbeitet werden.                                    (4) Rolle von Open Data bzw. von
   IV. von Baranyi; Kartographische               Der Fragebogen enthielt diverse Fragen mit          Open-Source-Software
   Nachrichten, Vol. 56, Nr. 3; S. 145–148
Meinel, Gotthard; Anja Lange (2002):            Single-Choice-Antwortmöglichkeiten sowie Frei-        Je nach Herkunft bzw. Aufgabenbereich variierten
   GIS-basierte Visualisierung eines            textfeldern. Bei den Ankreuzfragen wurden einige      die Antworten zur Nutzung von offenen Daten
   Gewässerentwicklungsplanes;                  Aspekte vorgegeben und es wurde eine Einord-          bzw. Open-Source-Software im Tagesgeschäft.
   Kartographische Nachrichten, Vol. 52,        nung in eine fünfstufige Skala von »sehr wichtig«     Der Modalwert der Antworten lag jeweils bei ei-
   Nr. 2, S. 55–59
Moggert-Kägeler, Friedhelm (2014):              über »wichtig«, »durchschnittlich«, »unwichtig« bis   ner »durchschnittlichen« Bedeutung. Gegenüber
   Produktion von maßgeschneiderten             »sehr unwichtig« erbeten.                             topographischen Anwendungen ist der Einsatz
   elektronischen Seekarten für die               Im Folgenden werden die Ergebnisse der fünf         damit noch als eher zurückhaltend einzustufen,
   deutschen Lotsen; Hydrographische            thematischen Blöcke der Umfrage summarisch            aus einigen Äußerungen lässt sich aber je nach
   Nachrichten, Nr. 98 (6/2014); S. 24–25
Morato-Moreno, Manuel (2017): Map of            dargestellt.                                          Anwendungsszenario auch durchaus ein künftiger
   Tlacotapa by Francisco Gali, 1580: An                                                              Bedeutungszuwachs antizipieren.
   Early Example of Local Coastal Chart         (1) Alleinstellungsmerkmale von
   in Spanish America; The Cartographic         Gewässervisualisierung                                (5) Künftige und wichtige Forschungs-
   Journal, Online publication: http://
   dx.doi.org/10.1080/00087041.2017.            Bezüglich der Alleinstellungsmerkmale gegenüber       und Entwicklungsthemen
   1323152                                      anderen kartographischen Darstellungen (siehe         In die Kategorie »sehr wichtig« bis »wichtig« wur-
Schenke, Hans Werner; Polina Lemenkova          hierzu auch Kember 1971) wurde die Bedeutung          den mehrheitlich folgende, vorgegebene Themen
   (2008): Zur Frage der Meeresboden-           der folgenden, vorgegebenen Aspekte durchge-          eingeordnet:
   Kartographie; Hydrographische
   Nachrichten, Nr. 81 (6/2008), S. 16–21       hend zwischen »sehr wichtig« und »wichtig« an-           • gemeinsame Darstellung hydrographischer
Schiewe, Jochen (2013): Geovisualization        gesehen (wie im Folgenden ohne Ranking):                    und topographischer Daten,
   and Geovisual Analytics – The                    • die darzustellenden Objekte (Meeres-, Fluss-       • Anpassung des Kartenausschnittes an das
   Interdisciplinary Perspective on                   topographie etc.),                                    aktuelle (Um-)Blickfeld des Nutzers.
   Cartography; Kartographische
   Nachrichten, Special Issue 2013,                 • hoher Anspruch an thematischer Genauig-         In die Kategorie »wichtig« fielen die folgenden As-
   S. 122–126                                         keit (Korrektheit der Attribute),               pekte:
Schiller, Lars (2015): What exactly is              • hoher Anspruch an geometrischer Genauig-           • empirische Untersuchung der Gebrauchs-
   hydrography?; Hydrographische                      keit (Lage, Tiefe),                                   tauglichkeit von Karten unter Einsatzbedin-
   Nachrichten, Nr. 100 (2/2015), S. 59–62
Tauber, Franz (2013): Neue Reliefkarten der         • hoher Grad der Standardisierung zur Ge-               gungen,
   deutschen Ostsee; Hydrographische                  währleistung des internationalen Gebrauchs.        • empirische Untersuchungen zur Gebrauchs-
   Nachrichten, Nr. 95 (6/2013), S. 6–9         Vorwiegend in die Kategorie »wichtig« wurden                tauglichkeit von Farben und Symbolen,
Yan, Jingya; Eric Guilbert; Eric Saux (2015):   eingeordnet:                                             • Visualisierung von Unsicherheiten (Lagefeh-
   An Ontology of the Submarine Relief
   for Analysis and Representation on               • Gebrauchstauglichkeit unter schwierigen               ler etc.),
   Nautical Charts; The Cartographic                  Einsatzbedingungen,                                • Weiterentwicklung kartographischer Stan-
   Journal, Vol. 52, Nr. 1, S. 58–66                • Notwendigkeit der Einbindung in Systeme               dards,
                                                      und Hardware an Bord.                              • Entwicklung von Software-Tools zur Karten-
                                                Neben den vorgegebenen Merkmalen konnten                    gestaltung.
                                                auch eigene Nennungen erfolgen. Hierzu gehör-         Die Bedeutung »durchschnittlich« wurde folgen-
                                                ten unter anderem:                                    den Themen zugewiesen:
                                                    • Aktualität (unter Umständen in Echtzeit) und       • Untersuchung des Mehrwertes von perspek-
                                                      Zuverlässigkeit,                                      tivischen (3D-)Darstellungen,
                                                    • Skalierbarkeit der Daten und Informationen,        • Berücksichtigung von Farbsehschwächen
                                                    • Generalisierung »zur sicheren Seite«.                 bei der Farbgestaltung,

8                                                                                                                       Hydrographische Nachrichten
Kartographie und Hydrographie

  • Entwicklung von Software -Tools für Karten-          • Neben den üblichen Aufgaben zur Präsen-
     projektionen.                                         tation von Informationen (z. B. zu nautischen
Darüber hinaus erfolgten auch eigene Nennun-               Zwecken) sind aber in der Zukunft explizit
gen. Hierzu gehörten unter anderem:                        und mit größerem Gewicht auch solche
  • Zusammenführung aller bekannten Gewäs-                 Visualisierungen zu beachten, die quasi als
     sereigenschaften in einer Karte,                      Werkzeug zur Exploration in großen und he-
  • Printing-on-Demand,                                    terogenen Datensätzen (z. B. zur Analyse von
  • sachgerechte Darstellung bei sich verän-               Lebensräumen) dienen können (Schiewe
     dernden Maßstäben,                                    2013). Dieser Aspekt geht über die Aufgabe
  • Überdenken der grundsätzlichen Notwen-                 der reinen Informationsübermittlung – und
     digkeit visueller Darstellungen in bestimm-           damit über die Definition von Schiller (2015,
     ten Anwendungsfällen,                                 S. 62) – hinaus.
  • Kartenproduktion und -aktualisierung in              • Unabdingbar – gerade für die reinen Präsen-
     Echtzeit,                                             tations- bzw. Informationszwecke – ist eine
  • Erzeugung eines klaren Kartenbildes (z. B.             obligatorische und systematische Evaluation
     kein Cluttering etc. beim Herauszoomen),              der Visualisierungen, um die tatsächliche
  • Systemschnittstelle zu standardisierten und            Aufgabenerfüllung auch nachweisen zu
     qualitätskontrollierten topographischen               können. Solche Usability-Studien sind im
     Informationen.                                        Themenfeld Gewässervisualisierung bisher
                                                           so gut wie gar nicht anzutreffen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden,
dass sowohl genügend Alleinstellungsmerkmale           Zur Bearbeitung der zahlreichen Forschungs- und
(vgl. Abschnitt 4.1) als auch zahlreiche Forschungs-   Entwicklungsthemen ist sicherlich auch die Ini-
und Entwicklungsbedarfe aufgezeigt wurden, die         tiierung einer Reihe von organisatorischen Maß-
eine vertiefte und eigenständige Behandlung in         nahmen sinnvoll, um stärkere interdisziplinäre
der Zukunft begründen.                                 Kooperationen – speziell zwischen Hydrographie
                                                       und Kartographie – zu ermöglichen. Ein Start-
5    Zusammenfassung und                               punkt könnte ein »Round Table« mit Experten aus
     Empfehlungen                                      beiden Disziplinen sein, der auch die Einrichtung
Ziel dieses Beitrags war es, den Status quo der        einer gesellschaftsübergreifenden Arbeitsgruppe
wissenschaftlichen Behandlung des Themas der           bestehend aus Mitgliedern von DHyG und DGfK
Gewässervisualisierung aufzuarbeiten und Rück-         nach sich ziehen könnte. Vergleichbare Aktivitäten
schlüsse für künftige Arbeiten aufzuzeigen. So-        sind in den Bereichen Recht, Standards oder 3D-
wohl die Literaturrecherchen in den Disziplinen        Stadtmodelle schon erfolgreich praktiziert wor-
Kartographie und Hydrographie und die Betrach-         den. Auch die stärkere Propagierung des Themen-
tung der institutionellen Einbindung des Themas        feldes in den internationalen Organisationen (IHO          Abb. 3: F&E-Framework
in Fachgesellschaften, als auch eine Umfrage unter     bzw. ICA) sollte in diesem Zusammenhang auf der            zum Themengebiet der
Hydrographie-Experten haben hierzu ein klares          Agenda stehen. “                                     Visualisierung von Gewässern
Bild erzeugt:
   • Das Thema der Gewässervisualisierung
      besitzt einige Alleinstellungsmerkmale
      gegenüber anderen Anwendungsgebieten
      und rechtfertigt damit auch eine teilweise
      gesonderte Behandlung – speziell im Um-
      feld der Kartographie.
   • Es gibt eine Reihe von Forschungs- und Ent-
      wicklungsbedarfen, die der bisherigen, kaum
      vorhandenen Behandlung in der (kartogra-
      phischen) Literatur diametral gegenüberste-
      hen.

Fasst man die relevanten Themen in einer grup-
pierten und strukturierten Weise zusammen,
erhält man ein Framework für Forschungs- und
Entwicklungsthemen im Themenbereich Visua-
lisierung von Gewässern (Abb. 3). Dieses Modell
zeigt nicht nur die gegenseitigen Abhängigkeiten
der Schwerpunkte, sondern auch weitere Aspekte:
    • Ausgangspunkt jeder Visualisierung ist im-
      mer der Nutzer – besser noch: die konkrete
      Aufgabe, die mit einer Visualisierung erfüllt
      werden soll (Aufgabenorientierung).

HN 108 — 10/2017                                                                                                                      9
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