Wirtschaftlichkeits-analysen - ADMIN-Magazin
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Wirtschaftlichkeits- analysen Die Migration zu Linux kann nicht nur Kosten sparen, sondern auch verursachen. Wer dabei keine Überraschungen erleben möchte, für den empfiehlt sich eine sorgfältige Planung unter dem Gesichtspunkt Wirtschaftlichkeit. Wie aber ist die Wirtschaftlichkeit eines Migrationspro- jektes zu messen? Welche Kosten- und Nut- zenkategorien gilt es dabei zu berücksichtigen? Welche Methoden eignen sich für deren Bewer- tung? Auf diese Fragen gibt der vorliegende Bei- trag eine Antwort. Michael Amberg, Rostislav Markov 1 www.linuxtechnicalreview.de
Studien Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Wertschöpfung nur indirekt ableitbar, beispiels- Wirtschaftlichkeitsanalysen unterscheiden: weise über die Kalkulation eingesparter Kosten Ex-Ante-Analysen und Ex-Post-Analysen. oder durch die Bewertung der Mitarbeiterfle- Ex-Ante-Analysen finden vor der Einführung xibilität und Benutzerfreundlichkeit des neuen des analysierten Systems statt, in der Regel zur Betriebssystems. Sowohl auf Kosten- als auch Rechtfertigung des Projektvorhabens oder zur auf Nutzenseite kommt man um eine detaillierte Aushandlung besserer Vertragskonditionen. Schätzung der erwarteten Kosten und Nutzen Ex-Post-Analysen dagegen führt man nach er- nicht umhin. Der Aufwand dafür kann dabei folgter Systemeinführung durch mit dem Ziel, schnell aus dem Ruder laufen. nachträglich einen positiven Beitrag nachzu- Nicht übereinstimmende Interessengruppen: weisen oder um Kosten- und Nutzentreiber zu Die Durchführung einer Wirtschaftlichkeits- identifizieren. analyse vor oder nach einer Systemmigration Wirtschaftlichkeitsanalysen für Migrationspro- ist eine gemeinschaftliche Leistung. Trotzdem jekte sind keine leichte Aufgabe. Wie bei ande- können die Ziele, die verschiedene Interessen- ren IT-Projekten auch lassen sich nicht alle Ko- gruppen innerhalb des Unternehmens mit einer sten- und Nutzeffekte quantifizieren oder ein- solchen Analyse verknüpfen, unterschiedlich deutig zuordnen. Dies liegt unter anderem am sein. Ein positives Ergebnis kann das Investiti- Infrastrukturcharakter langfristiger Investiti- onsvorhaben rechtfertigen oder das Renommee onen. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit er- des Projektleiters verbessern. Ein negatives Er- schweren folgende Merkmale solcher Projekte: gebnis kann für Fachabteilungsleiter das bislang Konservative Schätzungen: Ernst zu neh- fehlende Argument liefern, mit dem sich nicht mende Wirtschaftlichkeitsstudien gehen häufig eingetretene Effizienzverbesserungen recht- sehr vorsichtig vor. Nicht monetäre oder strate- fertigen lassen. Manche Abteilungsleiter und gische Nutzeffekte, die sich typischerweise nicht Mitarbeiter können in Wirtschaftlichkeitsana- in Buchwerten niederschlagen, bleiben dabei oft lysen eine potenzielle Maßnahme zur Personal- außen vor. Diese unausgewogene Berücksich- kürzung sehen. In solchen Fällen können diese tigung der Kosten- und Nutzenseite führt sys Personen die Mitarbeit an der Studie verweigern tematisch zu negativen Ergebnissen der Wirt- oder Angaben manipulieren. schaftlichkeitsanalyse und einer relativen Über- Einmaligkeitscharakter der Studie: Es ist gän- bewertung der Kosten. Insbesondere bei Investi- gige Praxis, dass Ex-Ante-Wirtschaftlichkeits- tionen mit langfristiger Wirkung fällt das Ergeb- gutachten nach erfolgter Systemeinführung nis einer Wirtschaftlichkeitsanalyse tendenziell keinen Einsatz im Unternehmen mehr finden. negativ aus. In der Realität können konservative Dies liegt häufig daran, dass der Auftragge- Schätzungen dazu führen, dass strategisch wich- ber kurzfristige Ziele verfolgt. Dabei sollte die tige Projekte deswegen unterbleiben. [1] Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanaly- Vielzahl an Bewertungsmethoden: Für die sen im Idealfall einen regelmäßigen Prozess Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von IT-Vor- fortlaufender Verbesserung darstellen. Kosten- haben existiert eine ganze Reihe von Methoden. und Nutzentreiber ließen sich so überwachen, Diese haben häufig einen klaren Fokus auf Kos Abweichungen von den geplanten Kosten und ten- oder Nutzenerfassung, weshalb eine Kom- Nutzen identifizieren und Maßnahmen zur ge- bination mehrerer Methoden notwendig ist. zielten Steuerung des wirtschaftlichen Ergeb- Dafür aber mangelt es an einer standardisierten nisses ergreifen. Vorgehensweise. Deshalb stehen Unternehmen oft vor der Frage, wie sie geeignete Methoden Wirtschaftliche Kriterien auswählen und richtig einsetzen sollen. Manch Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer ein Manager würde seine Entscheidung vor die- Linux-Migration erfordert die Berücksichtigung sem Hintergrund auch viel lieber aus dem Bauch quantitativer und qualitativer Kriterien. Zu die- heraus fällen, anstatt sich die Mühe zu machen, sen gehören neben wirtschaftlichen auch tech- anerkannte Methoden anzuwenden. nische sowie qualitativ-strategische Kriterien. Aufwendige Vorgehensweise: Der Wechsel Unter die wirtschaftlichen Vergleichsmerkmale des Betriebssystems wirkt sich auf die gesamte fallen: bisherige IT-Landschaft aus. Gleichzeitig sind Software-Kosten: Die Software-Aufwendungen Nutzeffekte bedingt durch den Abstand zur für das Betriebssystem und für notwendige www.linuxtechnicalreview.de 2
Studien Anwendungs-Software. Sie berechnen sich je ment-Tools zur Verfügung, die eine Zeiteinspa- nach Einsatzszenario, wobei eine Rolle spielt, rung bewirken. ob das Unternehmen Modifikationen am Betriebssystem benötigt, auf die regelmäßige Technische Kriterien Versorgung mit Bugfixes für sicherheitskritische Zu den technischen Kriterien rechnet man: Fehler Wert legt oder der Nutzung sogenann- Hardware-Abhängigkeit: Die Hardware-Ab- ter Copyleft-Lizenzen wie GNU GPL nicht zu- hängigkeit beschreibt, inwieweit sich die vor- stimmt. Insgesamt fallen die Kostenvorteile ge- handenen Hardware-Ressourcen für eine Mi- genüber proprietären Betriebssystemen umso gration auf Linux eignen. höher aus, je mehr Clients beziehungsweise Pro- Software-Abhängigkeit: Die Software-Abhän- zessoren es gibt. gigkeit bezeichnet den Grad der Integrationsfä- Hardware-Kosten: Zu den Hardware-Kosten higkeit der vorhandenen Software-Ressourcen. gehören Aufwendungen zur Erweiterung der Insbesondere bei heterogenen Systemstrukturen Hardware oder zur Neuanschaffung von Kom- ist sicherzustellen, dass die eingesetzten Systeme ponenten. Zum Beispiel kann die Anschaffung kompatibel zueinander sind und Schnittstellen preiswerter Standard-Hardware mit Linux zur anbieten. Das geschieht beispielsweise durch Kosteneinsparung beitragen, wenn sie teure entsprechende Import-/Export-Funktionalität Hochleistungsserver ablöst. oder Advanced Programming Interfaces (API). Mitarbeiterschulung: Die Migration auf Linux Identity Management: Hierzu gehören Auf- impliziert in der Regel einen Know-how-Wech- wendungen für die Definition technischer und sel bei den betroffenen Mitarbeitern. Einspa- betrieblicher Prozesse der Benutzerrollenver- rungen in dieser Kategorie, etwa durch die Frei- waltung (etwa die Festlegung von Zugriffs- stellung nicht länger benötigten Fachpersonals, rechten oder die Implementierung von Single- sind ebenfalls zu erfassen. Sign-On-Konzepten). Aufgrund der Sensibilität Migrationsplanung: Migrationsprojekte stellen der entsprechenden Benutzerdaten kann dem häufig einen größeren Eingriff in die bestehende damit verbundenen Aufwand ein beträchtlicher IT-Architektur dar. Dies bedingt einen entspre- Stellenwert für das Unternehmen zukommen. chend hohen Planungs- und Koordinationsauf- Systemstabilität: Die Systemstabilität bezeich- wand, etwa für das Projektmanagement oder die net die Systemverfügbarkeit, ‑korrektheit und Planung von Prozessverbesserungen. ‑fehlertoleranz. Gerade im Kundenkontakt sind Systemeinführung: Bei der Systemeinführung die Systemstabilität und damit verbundene Aus- fallen Aufwendungen für die Installation und fallzeiten von Bedeutung. Mangelnde Stabilität die Anpassung des neuen Betriebssystems an. führt zwangsläufig zu Produktivitätsverlusten. Besonders sicherheitskritische Branchen stellen Systemperformance: Die Leistungsfähigkeit oft grundsätzliche und nicht diskutable Forde- definieren viele Kriterien, darunter Start-, Lade- rungen an das Zielsystem. und Reaktionszeiten. Support: Hierunter fallen alle Aufwendungen Sicherheit: Ein weiterer Nutzen kann sich durch für die Unterstützung bei der Integration, für den Einsatz von Systemen ergeben, die weniger den Endnutzer-Support sowie für die Pflege und Angriffspunkte für Viren, Würmer oder Troja- Weiterentwicklung der Software. ner bieten. Die Ursache dafür kann die gerin- Administration: Zu diesem Kriterium gehören gere Verbreitung sein, die solche Systeme für Aufwendungen für Datensicherung, Benutzer- die Programmierer von Schadsoftware weniger administration, Systemwartung sowie außer- lukrativ erscheinen lässt. Auch ein wirksamerer planmäßige Aufwendungen für die Behebung Schutz durch das Betriebssystem kann hier eine von Systemausfällen. Insbesondere im Falle ei- Rolle spielen. ner weichen Migration mit zeitweiligem Paral- Benutzerfreundlichkeit: Die Benutzerfreund- lelbetrieb alter und neuer Systeme kann der Ad- lichkeit bezieht sich sowohl auf Benutzungs- als ministrationsaufwand beträchtlich sein. Positive auch auf Administrationsergonomie. Eng damit Effekte auf die Wirtschaftlichkeit sind ebenfalls verbunden sind Schulungskosten. Wer Anwen- zu berücksichtigen. So können die neuen Sys dungs-Software für Windows – etwa via Wine teme langfristig einen geringeren administra- oder Virtualisierung oder Terminalserver – in tiven Aufwand verursachen oder es stehen be- eine Linux-Umgebung integriert, muss mit sin- sondere Administrations- und Systemmanage- kender Benutzerfreundlichkeit rechnen. 3 www.linuxtechnicalreview.de
Studien Qualitativ-strategische Kriterien Hinzu kommt der öffentliche Wissensaustausch Unabhängigkeit von proprietären Software- etwa in Form von Mailing-Listen oder Support Anbietern: Die Abhängigkeit von einem Anbie- Communities, der beim Aufbau von unterneh- ter und dessen Lizenzmodellen kann nachteilig mensinternem Know-how helfen kann. sein. Dies ist insbesondere dann so, wenn der Marktpräsenz des Systems: Die Präsenz des Sys Hersteller ein Update erzwingt, indem er den tems in einem bestimmten Anwendungsbereich Support für ältere Versionen einstellt und sich gilt als wichtiges Kriterium zur Beurteilung der dafür auch kein anderer Anbieter mehr findet. Einsatztauglichkeit. In Fachkreisen gilt häufig Längerfristige Verbesserungspotenziale in die- noch die These, dass Linux als Server-Betriebs ser Kategorie sind durch den Einsatz von Linux system besser geeignet sei und daher dort häu- jedoch nicht selbstverständlich. Zum einen sind figer Anwendung fände als im Desktop-Bereich. Enterprise-Distributionen von Linux, die man Mitarbeiterflexibilität und ‑kompetenz: Häu- womöglich einsetzen will oder muss, ebenfalls fig erhoffen sich Unternehmen, durch den Um- herstellerabhängig. Zum anderen werden diese stieg auf ein neues Betriebssystem, die Flexibi- Distributionen ähnlich wie Windows nur eine- lität und IT-Kompetenz ihrer Mitarbeiter zu beschränkte Zeit supported und schließlich kön- erhöhen. Die Migration auf Linux kann jedoch nen auch die Entwickler von Software-Anwen- auch mit Produktivitätseinbußen verbunden dungen unter Linux nicht jede auf dem Markt sein, nämlich dann, wenn die neue Software erhältliche Distribution unterstützen. Deshalb aufgrund fehlender IT-Kompetenz nicht schnell variiert der Grad der hinzugewonnenen Her- angenommen wird. Unabhängig davon können stellerunabhängigkeit je nach Einsatzszenario. Produktivitätseinbußen immer dann auftreten, Quellcodeverfügbarkeit: Die Zugänglichkeit wenn Mitarbeiter sich weigern, das neue System des Quellcodes ist Voraussetzung dafür, dass in vollem Umfang zu nutzen. Dies kann etwa sich Betriebssystem und Applikationen an ei- vorkommen, wenn die IT-Abteilung potenzielle gene Bedürfnisse anpassen lassen. Aber auch Nutzer des neuen Systems im Vorfeld nicht ein- die Transparenz hinsichtlich der enthaltenen bezieht oder keine Anreize zur Nutzung des Funktionen kann ein qualitativ-strategisches neuen Systems schafft. Entscheidungskriterium sein. Supportverfügbarkeit: Für den Einsatz in Un- Wirtschaftlichkeit beurteilen ternehmen ist die Verfügbarkeit von Support In ihrer Grundform stellt die Wirtschaftlich- und Wartung essenziell. Neben Endbenutzer- keitsanalyse von Investitionsprojekten eine Support zählt hierzu auch die Unterstützung Kosten-Nutzen-Analyse dar. Das Ergebnis ei- bei der Integration und Pflege des Systems. Bei ner solchen Analyse ist positiv und die Inves proprietärer Software sind diese Leistungen häu- tition damit wirtschaftlich, wenn die Summe fig nur von dem jeweiligen Hersteller und des- aller Nutzeffekte die Kosten übersteigt bezie- sen Partnern zu beziehen. Im Gegensatz hierzu hungsweise gerade noch deckt. Auch wenn steht bei Linux eine breiter werdende Basis an manche Autoren die Kosten-Nutzen-Analyse unabhängigen Dienstleistern zur Verfügung. als eigenständige Methode begreifen, handelt Linux TCO-Tools Für die Berechnung der TCO lassen sich diverse Enterprise Server: [https://roianalyst.alinean. Online-Rechner benutzen, beispielsweise: com/calculators/novell/ROI_Calculator.html] Online TCO Calculator von Ecognize LLC für Online TCO Calculator von Alinean, Inc., für die Migration von Windows auf eine Red Hat die Migration einer Oracle-Datenbank von Enterprise Desktop-Umgebung: [http://www. Sun Solaris auf HP Linux Server: [http://h10018. compariv.com/redhat/tcoCalculator.jsp] www1.hp.com/wwsolutions/linux/download/ Online TCO Calculator von Omni Technology tco/oracle/HPLinuxOracleTCOCalculator.html] Solutions, Inc., für die Migration von Windows MS Excel-basierter TCO Calculator von User- auf Multi-station Linux Desktops: [http://www. ful für die Migration von Windows auf Linux omni‑ts.com/linux‑desktop/tco‑calculator.html] im Desktop-Bereich: [www.conectividad.org/ Online TCO Calculator von Alinean, Inc., für a rchivo/e studios/t co/c alc/TCO_Desktop_ die Migration von Solaris auf Novell SUSE Linux calculator.xls] www.linuxtechnicalreview.de 4
Studien es sich hierbei um kein Instrument, sondern Zu den gängigen Methoden der Nutzenanalyse vielmehr um ein grundlegendes Vorgehen, das gehören etwa die Prozesskostenrechnung, die mehrere Methoden für die Erhebung der Kosten Nutzwertanalyse oder die Balanced Scorecard. respektive des Nutzens verwendet. Zu den Me- Die Prozesskostenrechnung eignet sich immer thoden der Kostenanalyse gehört insbesondere dann, wenn durch die Migration quantitative das Verfahren zur Ermittlung der Total Cost of Auswirkungen auf die betrieblichen Prozesse Ownership (TCO). Die TCO-Methode hat sich zu erwarten sind. Ähnlich wie bei der TCO- gerade im Bereich der Informationstechnologie Methode erfasst sie nur die Nutzeffekte, die sich als De-facto-Standard zur Berechnung der Kos durch Kosteneinsparungen realisieren. Qualita- ten einer IT-Investition durchgesetzt. Im Er- tiv-strategische Kriterien finden dabei keinerlei gebnis liefert die Anwendung der Methode eine Berücksichtigung. monetäre Kennzahl, die die Gesamtkosten der Migration pro Arbeitsplatz (über eine im Vor- Qualitative Bewertung feld festgelegte Laufzeit) wiedergibt. Die relative Wirtschaftlichkeit von Linux lässt sich ausge- Diese sind jedoch Gegenstand der Nutzwert hend von dem Vergleich des TCO-Wertes der analyse beziehungsweise der Balanced Score- Linux-Lösung mit dem des Alt-Systems beurtei- card. Nutzwertanalysen erlauben subjektive Ein- len (siehe Kasten Linux TCO-Tools). schätzungen hinsichtlich der nicht wirtschaft- Zur Bewertung der TCO verschiedener Systeme lichen Nutzenkategorien einer Migration. Trotz liegen bereits Erfahrungswerte vor, unter ande- der höheren Gefahr einer Datenmanipulation rem vom IT-Analysten und Erfinder der TCO, hat die Methode Akzeptanz im Unternehmens- der Gartner Group. Allerdings ist hierbei Vor- kontext gefunden, nicht zuletzt, weil sie eine Ge- sicht geboten. Häufig sind zugrunde liegenden wichtung verschiedener Nutzwerte aus der Sicht Annahmen nicht offengelegt, weshalb die Über- des eigenen Unternehmens vornimmt. tragbarkeit der Werte auf das eigene Unterneh- Die Balanced Scorecard als ein kennzahlenba- men nicht überprüfbar ist. siertes System erweitert diese Sichtweise um Tabelle 1: Kostenvergleich Client-Umstellung in München XP/XP XP/OSS Kostenart hw. n.hw. hw. n.hw. Software-Kosten 2 260 626 47 395 860 208 47 395 Hardware-Kosten 548 992 34 416 548 992 34 416 Mitarbeiterschulung 3 585 610 13 499 846 4 783 564 18 132 203 und Einarbeitung Migrationsplanung 878 910 817 500 1 019 525 981 870 Systemeinführung 2 761 081 990 471 6 076 559 2 283 045 Administration und Support 6 064 123 2 693 185 2 284 667 2 693 185 Summe 16 099 343 18 082 813 15 573 516 24 172 115 Gesamtkosten 34 182 156 39 745 631 Die Tabelle stellt einen Kostenvergleich über verschiedene Wege der Client-Migration bei der Lan- deshauptstadt München dar. (Quelle: Unilog Management 2003) Die Kalkulation der Kosten für An- wendungssoftware beschränkt sich in allen Alternativen auf eine Standard Office Suite für Büroan- wendungen. Untersucht wurden folgende Alternativen: n XP/XP: fortführende Migration auf Windows XP mit MS Office XP n XP/OSS: fortführende Migration auf Windows XP und Open Office n LX/OSS: ablösende, harte Migration mit Open Office n LX/OSS/VM: ablösende, weiche Migration mit Open Office und Zugriff auf Windows-Anwen- dungen in einer virtuellen Umgebung n LX/OSS/TS: ablösende, weiche Migration mit Open Office und Zugriff auf Windows-Anwen- dungen über einen Windows-Terminalserver. 5 www.linuxtechnicalreview.de
Studien wirtschaftliche Kriterien. Sie eignet sich beson- Dokumentationen, Bedienungsanleitungen, ders dann, wenn die Wirtschaftlichkeitsanalyse Kriterienkataloge und Entscheidungsregeln ver- nicht nur einmalig durchzuführen ist, sondern fügbar sind. als Steuerungsinstrument Anwendung finden soll. Im öffentlichen Sektor hat sich mit WiBe Entscheidungsfindung ein Verfahren zur Beurteilung der Wirtschaft- Ein endgültiges Urteil hinsichtlich der Wirt- lichkeit von IT-Vorhaben etabliert, welches die schaftlichkeit einer Linux-Migration zu fällen Vorteile verschiedener Methoden vereint und ist keine leichte Aufgabe. Selbst wer alle Kosten- einen Einblick in die Gesamtwirtschaftlichkeit und Nutzenkategorien angemessen bewertet ermöglicht. hat, steht immer noch vor der Frage, wie die Er- Mit WiBe sind Aussagen hinsichtlich der mo- gebnisse zu priorisieren und zusammenzufassen netären Wirtschaftlichkeit genauso möglich wie sind. Wie die Ergebnisse der monetären und er- solche hinsichtlich der erweiterten Wirtschaft- weiterten Wirtschaftlichkeit im Sinne des WiBe lichkeit [2]. Die monetäre Wirtschaftlichkeit zu einer Entscheidung zu verdichten sind, hängt (Rentabilität) lässt sich mittels einer quantita- ganz von dem jeweiligen Unternehmen ab. Ei- tiven Kosten-Nutzen-Analyse einschätzen. Die nige Anhaltspunkte für die Entscheidungsfin- Beurteilung der erweiterten Wirtschaftlichkeit dung liefern folgende Fragestellungen: erfolgt hingegen mithilfe einer Nutzwertana- n Skalierbarkeit der Migration („Wie stark lyse durch Bewertung der Dringlichkeit des hängt die Wirtschaftlichkeit von der Anzahl Vorhabens, dessen qualitativ-strategischen Be- der Lizenzen ab?“): Grundsätzlich fallen die deutung sowie eventueller externer Effekte. Für Kostenvorteile umso höher aus, je größer die die deutsche Bundesverwaltung stellt WiBe ein Anzahl der Client-Installationen beziehungs- verpflichtendes Instrument zur Wirtschaftlich- weise der Prozessoren ist. Gleichwohl ist bei keitsbeurteilung von IT-Vorhaben dar. Die Me- steigender Benutzeranzahl auch mit höherem thode eignet sich jedoch auch für den Einsatz in Initialaufwand für die Planung und Durch- Unternehmen, nicht zuletzt, weil ausführliche führung der Migration zu rechnen. Der Grad LX/OSS LX/OSS/VM LX/OSS/TS hw. n.hw. hw. n.hw. hw. n.hw. 1 560 259 233 889 2 126 676 23 698 3 769 092 23 698 875 498 83 392 875 498 83 392 11 287 111 603 973 5 459 585 20 597 4871 5 459 585 20 597 487 5 459 585 20 597 487 1 305 158 1 184 220 1 019 525 981 870 1 305 158 1 184 220 10 886 162 3 869 972 2 088 437 967 166 2 088 437 967 166 ‑690 996 404 400 1 276 697 444 840 1 104 903 1 617 600 19 395 667 26 373 360 12 846 419 23 098 453 25 014 287 24 994 144 45 769 027 35 944 872 50 008 431 n hw /n. hw: »hw« bedeutet „haushaltswirksam“, »n. hw.« entsprechend „nicht haushaltswirksam“. Unter der harten Migration der Variante LX/OSS verstanden die Analysten den schlagartigen, kom- pletten Verzicht auf Windows-Anwendungen. Die Alternativen LX/OSS/VM und LX/OSS/TS unterstüt- zen dagegen übergangsweise den Zugriff auf Windows-Anwendungen, bis sie schließlich dasselbe Ergebnis wie LX/OSS erreichen. Als unter rein monetären Gesichtspunkten wirtschaftlichste Alternative erweist sich die fortführende Migration auf Windows XP und MS Office XP. Beschränkt man die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung je- doch auf haushaltswirksame Effekte, überwiegen die Kostenvorteile der Alternative LX/OSS/VM auf- grund niedrigerer Personalkosten für Administration und Support gegenüber der Alternative XP/XP. www.linuxtechnicalreview.de 6
Strategie der Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit von in Kauf, um sich die Option eines Rückzugs der Anzahl der Lizenzen kann insbesondere zeitweilig zu behalten. Harte Migrationen bei größeren Unternehmen eine Migrations- hingegen lösen das bisherige System mit der entscheidung rechtfertigen. Installation des neuen Systems vollständig ab. n Haushaltswirksamkeit der Migration („Sind Dadurch fällt der aufwendige Parallelbetrieb monetäre Kriterien wichtiger als qualitativ- der Systeme weg; Integrationsprobleme und strategische?“): Viele Kosten- und Nutzef- Projektfehlentscheidungen etwa aufgrund fekte haben keinen haushaltswirksamen Cha- der frühzeitigen Fixierung auf ein bestimmtes rakter und damit vorerst keine Auswirkung System können jedoch zu schwerwiegenden auf die Bilanz. Beschränkt man sich auf haus- Produktivitätsverlusten führen. haltswirksame Effekte, kann das Ergebnis der n Teilbarkeit der Migration („Kann die Mi- Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ganz anders gration in mehreren Teilmigrationen erfol- aussehen. gen?“): Bei klar abgrenzbaren Migrationsob- n Dringlichkeit der Migration („Wie dringlich jekten lässt sich ein Migrationsvorhaben auch erscheint die Migration zu Linux?“): Dring- in mehreren Teilmigrationen umsetzen. Die lichkeitskriterien können dazu führen, dass Meldung erster Erfolge aus Teilmigrationen man sich für ein Migrationsprojekt trotz nicht kann die Unterstützung des Vorhabens durch ausreichend nachgewiesener Wirtschaftlich- die Unternehmensführung bekräftigen und keit entscheidet. unter Umständen für die Gewährung zusätz- n Strategische Bedeutung der Migration („Wel- licher finanzieller oder personeller Ressour- chen strategischen Stellenwert nimmt die Mi- cen sorgen. gration im Unternehmen ein?“): Strategisch wichtige Vorhaben können ebenfalls trotz Fazit nicht nachgewiesener Wirtschaftlichkeit eine Wirtschaftliche Aspekte sind bei Migrations- Migration rechtfertigen, wenn das Unterneh- projekten oft nicht alleine entscheidend, son- men sich hieraus etwa Wettbewerbsvorteile dern erst in Kombination mit technischen und erhofft. qualitativ-strategischen Aspekten. Letztere wa- n Art der Migration („Erfolgt die Migration ren etwa auch bei der Entscheidung der Lan- bei zeitweiligem Nebeneinanderbetrieb alter deshauptstadt München für eine Migration auf und neuer Systeme?“): Weiche Migrationen Linux ausschlaggebend (Tabelle 2). Hierzu ge- nehmen höhere anfängliche Aufwendungen hörten die IT-Sicherheit sowie die Hersteller- für den Parallelbetrieb der beiden Systeme abhängigkeit von Microsoft, dessen zukünftige Tabelle 2: Qualitativ-strategische Betrachtung von alternativen Clients Max. XP/XP XP/OSS LX/OSS LX/OSS/ LX/OSS/ Punktzahl VM TS Auswirkungen auf die Einhaltung von 1 400 476 462 756 770 798 Gesetzen und Vorschriften Auswirkungen auf die IT-Sicherheit 2 900 2 407 2 465 2 697 2 378 2 291 Auswirkungen auf die Mitarbeiter 1 900 823 505 125 380 443 Auswirkungen auf die IT-Organisation 900 181 166 601 465 315 Auswirkungen auf externe Adressaten 500 134 66 66 83 83 Erfüllung weiterer strategischer Punkte 2 400 1 272 1 409 1 973 1 884 1 850 Summe der Punkte 10 000 5 293 5 073 6 218 5 960 5 780 Neben den rein monetären wurden auch strategische und dieser Auswertung ebenso eine Rolle wie viele weitere stra- qualitative Faktoren ermittelt und verglichen. Dabei ging es tegische Fragen, etwa die Einhaltung offener Standards, die unter anderem darum, wie die jeweilige Variante der Client- Herstellerunabhängigkeit, die Flexibilität des IT-Einsatzes und Umstellung die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften, der Schutz bereits getätigter Investitionen. Im Ergebnis der aber auch interner Regeln und Vorgaben oder die Anforde- qualitativ-strategischen Betrachtung schnitten alle drei Migra- rungen an den Datenschutz erfüllen hilft. Die Auswirkungen tionsalternativen mit Linux und Open Office besser ab als die auf die Attraktivität der Arbeitsbedingungen spielten bei Windows XP-Alternativen. 7 Linux Technical Review, Ausgabe 12
Strategie Produktpolitik die Landeshauptstadt München Dieser Beitrag liefert IT-Entscheidern das nö- nehmensberatung GmbH, Münc aus damaliger Sicht zu einem unerwünschten tige Werkzeug für eine Auseinandersetzung mit Betriebssystemwechsel ihrer Clients gezwungen der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung einer Linux- hätte [3]. Migration. Er ersetzt jedoch nicht die Entschei- Aber auch die bewusste Priorisierung haushalts- dung, ob und inwieweit Linux wirtschaftlich ist. wirksamer Aspekte gegenüber den nicht haus- Das jeder für sein Unternehmen selbst ermitteln haltswirksamen Effekten lieferte in München muss. (jcb) nnn damals ein weiteres Argument für die Migration zu Linux. Aus diesem Grund wurde die Ausstat- Infos tungsalternative Linux mit Open Source Office [1] Silvius, G.: For What IT’s worth: Insights into the Suite und PC-Emulation aufgrund niedrigerer True Business Value of IT. Proceedings of the haushaltswirksamer Kosten der insgesamt mo- International Conference of the Information netär wirtschaftlichsten Alternative einer fort- Ressources Management Association, Khosrow- führenden Migration auf der Grundlage von- Pour, M. (Ed.), New Orleans, Louisiana, USA, Windows XP-vorgezogen. 319-323. [2] Röthig, P.: WiBe 4 1. Empfehlung zur Durchfüh- Die Autoren rung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in Prof. Dr. Michael Amberg ist Inhaber des Lehrstuhls der Bundesverwaltung, insbesondere beim Ein- für Betriebswirtschaftslehre und Sprecher des Fach- satz der IT. Version 4 1 – 2007. Schriftenreihe der bereichs Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich- KBSt, Band 92, Januar 2007. Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. [3] Unilog Management (2003): Projekt Client Stu- Rotislav Markov promoviert am Lehrstuhl von Prof. die der Landeshauptstadt München. Kurzfas- Amberg. Mit Wirtschaftlichkeitsanalysen beschäftigt sung des Abschlussberichts inklusive Nachtrag. er sich seit mehreren Jahren. V.1 3.2 (Stand 02 07.2003), Unilog Integrata Unter- Anzeige
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