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Vom IBM-Mainframe zum iPhone Als ich 1967 an der Universität von Kalifor- Ich hatte keine Ahnung, was er damit nien, Riverside, studierte, ermutigte mich meinte. Wie konnte ich "einen Teil des mein Studienberater, einen Computerkurs Computers" für meinen persönlichen Ge- zu belegen. Aber Informatik-Kurse waren brauch bekommen? Schließlich war dieser damals noch in den Anfangsjahren, so dass Großrechner im Keller von Watkins Hall ich in einem langweiligen Kurs landete, in eine riesige Maschine, die nur funktionierte, dem ich lernte, wie man Computerpro- wenn sie mit Lochkarten gefütterte wurde. gramme mit Fortran schreibt. Nachdem ich die Schritte festgelegt hatte, die es einem Erst 1986 ging ich in den Computerladen Mainframe-Rechner ermöglichen würden, der Universität von Maryland, um mir einen einen Datensatz zu verarbeiten, ging ich zu eigenen Computer zu kaufen--den neuen einer Lochkartenmaschine und bereitete Macintosh Plus M0001A. Zu diesem Zeit- endlos Karten mit kleinen recht-eckigen Lö- punkt war es bereits Realität geworden, ei- chern vor. Ich war gerade dabei, eine Reihe nen Teil des Computers für den persönli- solcher Karten an einer Locher-Schreibma- chen Gebrauch zu benutzen. schine vorzubereiten, als ich ein Gespräch mit einem Informatik-Studenten begann, Aber der Einsatz von Technik in den Unter- der neben mir saß: richtsstunden, die ich leitete, begann schon viel früher - noch vor dem Personal Compu- "Weißt du, in Zukunft werden wir diese Kar- ter und mit ganz anderen Medien - als ich ten nicht mehr lochen müssen. Wir werden 1982 eine Stelle als Englischlehrer an der sogar einen Teil des Computers selbst be- Deutschen Schule annahm. kommen, mit dem wir arbeiten können", sagte er so ganz nüchtern. Damals waren Plattenspieler die bedeu- tendste Audioquelle im Klassenzimmer. Im Aktenbuch der Deutschen Schule aus den 1960er Jahren wird erwähnt, dass das Leh- rerkollegium die Anschaffung eines Fernse- hers ablehnte -- obwohl dieser über "Bil- dungsprogramme" verfügte -- und stattdes- sen einen Plattenspieler anschaffte. In vie- lerlei Hinsicht bevorzugte auch ich den Plat- tenspieler, als ich zum Lehrkörper kam, weil er die Aufmerksamkeit der Schüler*innen auf das gesprochene Wort lenkte und ihre Vorstellungskraft ohne die Ablenkung durch einen Bildschirm anregte. Sogar in den 2000er Jahren sorgte ich noch für Aufruhr Studierende im Computerkurs an der Tastatur einige IBM 026 mit Drucker und Großrechner hinter dem Glasfenster (ca. 1970). Nachdruck mit Genehmigung des Arizona Me- mory Project. Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 1
haben: "Kennt denn hier niemand Rip Van Winkle?" Obwohl die Schule über Lehrfilme und Pro- jektoren verfügte, erfuhr ich bald, dass das Montgomery County School System über eine Filmbibliothek verfügte. Das war groß- artig. Ich bestellte die Filme, die ich wollte, und fuhr nach Rockville, um die Filmrollen in diesen Metalldosen abzuholen. Mit etwas Hilfe baute ich dann den Filmprojektor im Auditorium auf. Und normalerweise lief al- les gut. Einmal jedoch war der Film nicht richtig in die Aufwickelspule eingefädelt und spulte auf die Stufen des Auditoriums. Wäh- rend die Schüler zuschauten, versuchte ich eilig, den Projektor anzuhalten, wie eine Fi- gur in einem Charlie-Chaplin-Film. Und es gelang mir, den Film von Hand wieder Dank eines Förderzuschusses des Bildungsministeriums aufzuspulen und nicht nur den Film, son- von Maryland verfügte die DSW über Califone-Schallplat- dern auch meinen guten Ruf zu retten. Ich tenspieler (Drehteller) mit drei Geschwindigkeiten (33 ½, habe es immer genossen, meinen Neunt- 45, 78 U/min), abnehmbaren Stereolautsprechern und Reglern zur Einstellung der Toneigenschaften. klässlern die Schwarz-Weiß-Fassung von Great Expectations (1946) unter der Regie im Klassenzimmer, als ich den großen Plat- von David Lean zu zeigen. Und wenn wir et- tenspieler mit den abnehmbaren Lautspre- was mehr Zeit hatten, bestand die Klasse chern hereinbrachte. Die Schüler waren im- darauf, dass ich das Ende des Films mer bereit, mir beim Aufstellen der Laut- sprecher zu helfen, und einige staunten über die 33 ½ Langspielplatten und sagten: "Das ist die größte CD, die wir je gesehen haben." So hörten wir dann zu und folgten im gedruckten Text, als Hurd Hatfield, ein meisterhafter Geschichtenerzähler, Washington Irvings "Rip van Winkle" zu le- sen begann: "Wer eine Reise den Hudson hinauf gemacht hat, muss sich an die Kaats- kill-Berge erinnern . . . ". Ein Schild im Auditorium der GISW anlässlich des 200. Der Darsteller modulierte seine Stimme, um Geburtstages von Charles Dickens. Solche blauen Tafeln jeder Spielfigur eine eigene Persönlichkeit sind im Großbritannien weit verbreitet und markieren zu verleihen, und rief verzweifelt aus, als die Verbindung zwischen einem Ort und einer berühm- ten Person, einem Ereignis oder einem Bauwerk. Rip befürchtete, seine Identität verloren zu Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 2
untereinander und mit Frau Sieg oder mit Herrn Thommes, den Verwaltern der Wa- gen in der Bibliothek, ab, wer welchen Wa- gen bekommen würde. Später gab es eine meiner Lieblingsergän- zungen beim Anschauen von Filmen--der DVD-Player, der mit einem Leinwandprojek- tor verbunden war. Oft habe ich den Sechst- und Siebtklässler/innen im Hörsaal Filme gezeigt. Diese Vorführungen liefen gut, wenn ich den DVD-Player dazu bringen konnte, mit dem Projektor an der Decke zu kommunizieren. Und die jüngeren Schüler hatten Spaß daran, den unbeholfenen Ju- gendlichen in dem Film Frogs, gespielt von Shelley Duvall und Scott Grimes, zu folgen. Ein echtes Kinoerlebnis war es jedoch, als wir Filme im Auditorium projizieren konn- ten und Shakespeares Macbeth und Wil- Gabriele Sieg, DSW-Bibliothekarin von 1976 bis 2001, mit einem der TV-Trolleys. Foto: 1990. der's Our Town auf die große Leinwand brachten. rückwärts abspielte, um der Handlung eine völlig neue Wendung zu geben: Pip ist nicht Bereits 1988 erhielt die Bibliothek der DSW mit Estella zusammengekommen, sondern dank eines Zuschusses der Montgomery hat sich von ihr entfernt. Er öffnete nicht die Vorhänge, um Sonnenstrahlen in das Zimmer von Miss Havisham zu bringen, sondern schließt sie und bringt Dunkelheit zu ihrem Leben. In gewisser Weise war dies eine interessante Lehre für die Entwicklung der Handlung und fügte den ursprünglichen zwei Enden von Dickens ein zusätzliches drittes hinzu. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Technologie der Schule weiter, von Filmen zu Fernsehern mit Kassettenspielern. Die Lehrerinnen und Lehrer meldeten sich für einen Trolley mit einem Fernsehgerät und einem Videoplayer (entweder die europäi- DSW-Lehrerinnen und -Lehrer arbeiten während sche PAL- oder die amerikanische NTSC-Ver- einer Fortbildung im Computerraum (2000). sion) an, den sie in die Klassenzimmer roll- ten. Oft sprachen sich die Lehrer Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 3
County Public Schools Instructional Re- sources zwei Computer für die Katalogisie- rung der Bibliotheksbestände. Dann Anfang der 1990er Jahre verfügte die Schule über zahlreiche "MacIntosh-PCs" in der Biblio- thek und in einem Computerraum, in dem die Schüler Textverarbeitung, Tabellenkal- kulation und Datenbanken erlernten, und zwar "auf dem besten derzeit verfügbaren PC". Im Jahr 2000 waren die Computer viel aus- GISW-Schüler verwenden einen Laptop, um ihre Aufgaben gereifter geworden, und die Schüler/innen zu erledigen. konnten mehr als nur Tabellenkalkulationen Texten, die sie mit Zusatzinformationen, Le- erstellen oder Textverarbeitung betreiben. sungen des Gedichts, Fotos und Videoclips Tatsächlich arbeiteten Uwe Hinxlage (ein Bi- verknüpften. Die Schüler/innen erstellten ologielehrer), Jochen Mäusle (ein Compu- auch Links zwischen Wörtern in ihren Ge- ter- und Mathematiklehrer), und ich mit un- dichten oder Eindrücken und anderen rele- seren Zehntklässler/innen daran, Multime- vanten Informationen. So verknüpfte eine dia-Projekte zu erstellen, die eine Brücke Schülerin beispielsweise das Wort bat (Fle- zwischen den Geisteswissenschaften und dermaus) mit einer anderen elektronischen den Naturwissenschaften bildeten: Nach ei- Seite, die sie über die Bekanntheit von Bat- nem Besuch im National Zoo sollten unsere man und die Rolle dieses Helden in der Pop- Schüler/innen einen Erlebnisbericht und ein kultur erstellt hatte. Ein anderes Projekt be- Gedicht schreiben, die sich mit einem tiefer- gann mit einem Bild des Aquariums, in dem greifenden Thema befassten: Sind sich die Amphibien lebten. Das begleitende Gedicht Tiere zum Beispiel ihrer Gefangenschaft be- beschrieb Schildkröten, die an einer Glas- wusst? Sind Zoos überflüssig? Warum ha- wand ihres Beckens aufwärts schwammen: ben bestimmte Tiere einen "schlechten ". . . mit ihren Schwimmhautfüßen,/ ihrem Ruf"? Einzelne Schülerinnen und Schüler er- gepanzerten Rücken, / ihren Glotzaugen, / stellten eine Hauptseite oder einen Knoten- die danach streben, irgendetwas zu errin- punkt mit deutschen und englischen gen: / Ein ewiger Kampf, um zu entfliehen." Ich habe auch ein Gedicht über das Nashorn Chitwan geschrieben und es mit Berichten und Bildern über die Wilderei und das Ab- schlachten von Nashörnern in freier Natur verknüpft. Diese Projekte stellten wir später bei einer Fortbildung für die Lehrkräfte mit dem Titel "Student-Constructed Hyper-Me- dia" vor. Und es hat mich besonders ge- freut, dass mein Bericht über dieses Projekt in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde Peter Dreher und Winfried Barthen während der Fort- ("Electronic Poetry: Student-Constructed bildung "Computer im Klassenzimmer" im Jahr 2000. Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 4
Hypermedia", English Journal 90:2, Novem- Seit meiner Pensionierung vor 5 Jahren be- ber 2000). schäftige ich mich intensiv mit dem frühen Alpinismus und der Rolle der Schweizer Der Einsatz von Computern als Lernmittel Bergführer, ein eher esoterisches For- an der DSW hatte eindeutig enorme Fort- schungsgebiet. Aber ich bin erstaunt, wie schritte gemacht. viele Informationen man über das Internet finden kann. Angeregt durch Tim O'Briens Anti-Kriegsro- man The Things They Carried (1990) gab ich Die Pandemie hat die Möglichkeit, Biblio- 2008 meinen Elftklässler/innen den Auftrag, theken und Archive zu besuchen, einge- über die Dinge zu schreiben, die sie bei sich schränkt, aber der Computer erlaubt es mir, tragen. Einer meiner Schüler beschrieb, wie in Fachzeitschriften, alten Zeitungen und wichtig sein nagelneues iPhone für ihn war - seltenen Büchern zu stöbern, vielleicht so- etwas, das er ständig bei sich trug. Obwohl gar effizienter, als ich es mit den Büchern Mobiltelefone bereits weit verbreitet wa- selbst tun könnte. Ich war überrascht und ren, machte es das teure iPhone möglich, erfreut, dass ich sogar Zugang zu den Ur- einen kleinen Computer in der Tasche und kunden Schweizer Dörfer bis zurück ins Jahr in der Schultasche zu haben. Und die Benut- 1500 hatte. zung von Handys im Klassenzimmer zu re- geln, war noch kein Problem, stattdessen Allerdings ist nicht alles im Internet verfüg- bewunderten wir alle diese neue Erfindung. bar, und die Interaktion mit Menschen von Angesicht zu Angesicht gewinnt Bedeutung, Der nächste Schritt nach vorn war die Ein- sobald diese Beziehung wegfällt. Hin und führung von Labtops. Und mit dem Aufkom- wieder brauchen ich eine Pause von der vir- men des Hochgeschwindigkeits-Internetzu- tuellen Welt. Kein Wunder also, dass ich es gangs wurde der Computer zu einem we- vermisse, in Archiven wie dem Whyte Mu- sentlichen Bestandteil des Lernens im Klas- seum of the Canadian Rockies in Banff oder senzimmer. Nach einer Übergangszeit, in dem J. Monroe Thorington Fonds in den der Lehrkräfte und Verwaltungsangestellte Special Collections der Princeton University sich fragten, inwieweit Computer, Handys zu stöbern. Von meinem Lehnstuhl aus und ipads im Klassenzimmer erlaubt sein kann ich mich nur gern daran erinnern, sollten, wurde an der GISW eine vernünf- tige Richtlinie für moderne Medien im Klas- senzimmer eingeführt. Gerade habe ich im Mittwochs-Newsletter der GISW gelesen, dass die Schülerinnen und Schüler das neue Schuljahr wieder mit einer BYOD-Richtlinie (Bring Your Own De- vice) beginnen werden, die bereits seit eini- gen Jahren gilt und ab Klasse 7 obligatorisch ist. Alle Schüler ab der 7. Klasse sollten ih- Die ausklappbaren deutschen Tafeln an der GISW funk- tionieren auch bei Stromausfall. ren eigenen Laptop mit in den Unterricht bringen. Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 5
wie ich einmal eingeladen wurde, auf den Ich glaube, das war mein Unterrichtsstil: Mit Estrich eines alten Hotels im Dorf meiner der Klasse habe ich an der Tafel vorgezeigt, Großmutter hochzusteigen, um einen ge- wie man einen schlüssigen Aufsatz verfasst, bundenen Zeitungenband aus den späten in dem ich mit ihnen die Bildung von Wort- 1890er Jahren zu beschaffen. Kurz gesagt, gruppen, Ausdrücken, Nebensätzen, und es ist großartig, "ein Stück des Computers Sätzen fleißig geübt habe. für sich selbst zu haben," aber es ist immer noch spannend, Bücher selber in Regalen zu Dr. Peter Dreher finden, Menschen zu befragen, die sich an Englischlehrer und Fachleiter, im Ruhestand die Vergangenheit erinnern, und historische 60. Website und digitale Festschrift, Ausschussleiter Orte zu besuchen und ferne Berge zu be- Deutsche Internationale Schule Washington DC steigen. (DSW / GISW 1981-2016) Aus demselben Grund erinnere ich mich im- mer noch an diese großartigen deutschen Schultafeln -- die eigentlich grün waren -- mit ihren dreiteiligen triptychon-artigen Flügeln. In vielen Unterrichtsstunden habe ich mit meinen Schüler/innen Ideen gesam- melt, indem ich Wörter mit Kreide auf diese Tafeln schrieb, die Wörter in Thesen um- wandelte, die zu Paragraphen mit Themen- sätzen ausbaute, und "Aha"-Schlussfolge- rungen formulierte -- alles ohne Computer oder Overhead-Projektor. Peter Dreher forscht auf traditionelle Weise im Archiv des Schwei- zerischen Alpinen Museums, Bern. Sechzig Jahre Deutsche Internationale Schule Washington DC 6
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