Vom Ruhestand zu (Un-)Ruheständen - Ergebnisse der Studie "Transitions and Old Age Potential" (TOP) von 2013 bis 2019 - Bundesinstitut für ...
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Vom Ruhestand zu (Un-)Ruheständen Ergebnisse der Studie „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) von 2013 bis 2019 © Westend61 | getty images Andreas Mergenthaler | Laura Konzelmann | Volker Cihlar | Frank Micheel | Norbert F. Schneider
Vom Ruhestand zu (Un-)Ruheständen - Ergebnisse der Studie „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) von 2013 bis 2019 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Friedrich-Ebert-Allee 4 65185 Wiesbaden Telefon: 0611-752235 E-Mail: post@bib.bund.de De-Mail: kontakt@bib-bund.de-mail.de Internet: www.bib.bund.de Autorin und Autoren: Andreas Mergenthaler, Laura Konzelmann, Volker Cihlar, Frank Micheel, Norbert F. Schneider Layout, Satz und Redigierung: Christian Fiedler, Sybille Steinmetz, Britta Müller Erschienen im Juni 2020 © Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet urn:nbn:de:bib-var-2020-028
Vom Ruhestand zu (Un-)Ruheständen Ergebnisse der Studie „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) von 2013 bis 2019 Andreas Mergenthaler, Laura Konzelmann, Volker Cihlar, Frank Micheel, Norbert F. Schneider Wiesbaden, Juni 2020
Transitions and Old Age Potential Inhalt 1 Deutschlands alternde Bevölkerung .............................................................................................. 9 Hintergrund und Ziele der Studie TOP 2 Für Körper und Geist ........................................................................................................................... 15 Gesundheit, körperliche Aktivität, Einsamkeit und Zufriedenheit im Rentenalter 3 Im Kreise der Liebsten? ...................................................................................................................... 23 Private Lebensformen und Lebensereignisse im Ruhestand 4 Business as usual? ................................................................................................................................ 31 Erwerbstätigkeit im Rentenalter 5 Eine/r für alle, alle für eine/n? ......................................................................................................... 43 Informelle Tätigkeiten nach dem Renteneintritt 6 Mit 66 Jahren ... ..................................................................................................................................... 57 Übergänge in den Ruhestand 7 Gemeinsam oder getrennt? ............................................................................................................... 67 Ruhestandsübergänge in der Paarperspektive 8 Fazit und Handlungsimpulse ............................................................................................................ 77 5
Transitions and Old Age Potential Liebe Leserinnen und Leser, immer mehr Menschen erreichen in Deutschland das Rentenalter bei guter Gesundheit und mit dem Wunsch, weiterhin eine aktive Rolle in ihren Familien und in der Gesellschaft zu spielen. Dies ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Sie ist auch deshalb möglich, weil ältere Menschen heute im Durchschnitt einen höheren Lebens- standard und ein höheres Bildungsniveau haben als die Jahrgänge vor ihnen. Der persönliche Gestaltungsspiel- raum nimmt zu und erlaubt es vielen, auch noch im Alter ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das durch anhaltendes Engagement in verschiedenen Lebensbereichen geprägt ist. Die Studie „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) des Bundesinstituts für Bevölkerungs- forschung greift Fragen zum Übergang in den Ruhestand und zum Engagement älterer Men- schen in Deutschland auf. Dabei werden sowohl persönliche Entwicklungen, Lebensumstände und Lebensereignisse älterer Menschen zwischen den Jahren 2013 und 2019 betrachtet als auch neuartige Ergebnisse zu – zum Teil gemeinsamen – Ruhestandsübergängen von Paaren beleuchtet. Die vorliegende Broschüre fasst die Ergebnisse aller drei Befragungswellen der Studie zusammen. Die Studienergebnisse liefern wichtige Impulse zur erfolgreichen Umsetzung der Demografie- strategie der Bundesregierung „Jedes Alter zählt – Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“. Sie machen nicht nur die Vielfalt von Lebenslagen und Lebensentwür- fen älterer Menschen in Deutschland deutlich, sondern zeigen auch die herausragende Rolle, die diese Menschen für den Zusammenhalt der Generationen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt in einer alternden Gesellschaft spielen – ihre Erfahrung und ihr Engagement zählen, für jedes Alter. Dr. Markus Kerber Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 6
Transitions and Old Age Potential Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Jahr erreicht der erste Jahrgang der geburten- starken Kohorten 1955-1968 das Rentenalter. Hierdurch wird die Alterung der deutschen Bevölkerung, die schon seit Jahren zu beobachten ist, in den kommenden Jahren deutlich beschleunigt. Zudem wird dem Übergang in den Ruhestand in der Öffentlichkeit und in der Politik eine noch größere Beachtung geschenkt werden. Aber beginnt mit dem Übergang in den Ruhestand auch das „Altsein“? Oder haben sich die Lebensumstände älterer Menschen im Vergleich zu früheren Jahrgängen so sehr gewandelt, dass man den Übergang in den Ruhe- stand und die ersten Jahre des Rentenalters mit anderen Augen betrachten muss? Vieles deutet darauf hin. So sind heute in Deutschland erheblich mehr Menschen nach dem 65. Lebensjahr erwerbstätig als noch vor wenigen Jahren. Darüber hinaus engagieren sich viele Menschen im Rentenalter ehrenamtlich oder in der Familie. Diese Menschen sind in so vielfältiger Weise aktiv, dass sie das Bild eines durch sozialen Rückzug geprägten Ruhestands herausfordern. Schließlich erreichen immer mehr ältere Menschen in Zweiverdiener-Haushalten das Rentenalter. Der Ruhe- stand wird durch die steigende Beschäftigungsquote bei älteren Frauen zunehmend zu einem Übergang, der beide Partner betrifft und innerhalb des Paares abgestimmt werden muss. Auch dieser Trend trägt erheblich zu einem Wandel des Ruhestandsübergangs bei. Wir haben uns am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) die Aufgabe gestellt, den Übergang in den Ruhestand und das Leben im Rentenalter mit sozialwissenschaftlichen Metho- den detailliert zu untersuchen. Im Fokus unserer Studien stehen Fragen des Wandels von Ru- hestandsübergängen und damit verbundenen Belastungen und Gestaltungsmöglichkeiten. Da immer mehr Männer und Frauen im siebten Lebensjahrzehnt erwerbstätig sind, interessiert uns, wie Paare gemeinschaftlich ihre Ruhestandsübergänge planen und gestalten. Zudem widmen wir uns den Fragen, wer im Rentenalter einer bezahlten Tätigkeit nachgeht und welche Faktoren dies beeinflussen. Neben der Erwerbsarbeit und dem Übergang in den Ruhestand adressieren unsere Studien auch den zeitlichen Umfang, in dem ältere Menschen freiwillig engagiert sind und die Häufigkeit von Sorgearbeiten innerhalb der Familie, wie z. B. Pflege oder Enkelbetreu- ung, und ob bzw. wie sich diese Tätigkeiten im Rentenalter miteinander vereinbaren lassen. Die vorliegende Veröffentlichung ist die dritte Broschüre, die das BiB zu den Ergebnissen der Stu- die „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) präsentiert. Es handelt sich um eine Darstellung der Ergebnisse aus drei Befragungswellen in den Jahren 2013, 2016 und 2019. Die dritte Welle wurde um eine Befragung der Partnerinnen und Partner der Personen, die bereits in den ersten beiden Wellen an TOP teilgenommen hatten, ergänzt. Hierdurch sind wir in der Lage, neue Er- kenntnisse über gemeinsame Ruhestandsübergänge von Paaren darzustellen. Das Projekt TOP endet nach sechs Jahren mit dem Abschluss der dritten Welle. Die vorliegende Broschüre nimmt dies zum Anlass, einen breiten thematischen Überblick über die Ergebnisse sowohl der Wieder- holungs- als auch der Paarbefragung zu geben. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Prof. Dr. Norbert F. Schneider Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung 7
Transitions and Old Age Potential 1. Deutschlands alternde Bevölkerung Hintergrund und Ziele der Studie TOP 9
Transitions and Old Age Potential Die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und Motive für eine Erwerbstätigkeit über die Regelal- 1960er Jahre, die sogenannten Babyboomer, werden tersgrenze hinaus? In welchem Umfang sind ältere in den kommenden Jahren ins Rentenalter eintreten. Menschen in der Pflege oder der Enkelbetreuung Konkret bedeutet dies, dass im Zeitraum zwischen innerhalb der eigenen Familie tätig? Und wie lassen den Jahren 2020 bis 2035 jedes Jahr zwischen 1,0 sich Familienarbeit und freiwillige Tätigkeiten in der und 1,4 Millionen Menschen in den Ruhestand ge- Öffentlichkeit mit einer fortgeführten Erwerbsarbeit hen werden1. In Folge dessen kommt es zu einer vereinbaren? Verschiebung des Altersaufbaus der Bevölkerung in Deutschland: Die Anzahl der Menschen im erwerbs- Zudem stellt sich die Frage, wie sich der Übergang fähigen Alter geht – auch im Falle einer in naher Zu- in den Ruhestand als bedeutende Passage in der kunft moderat steigenden Geburtenrate und dauer- zweiten Lebenshälfte gewandelt hat. Der Eintritt in haft hohen Zuwanderung – zurück und die Zahl der den Altersruhestand als klare Grenze zwischen dem Menschen im Rentenalter steigt. Die aktuelle Bevöl- Erwerbsleben und der Lebensphase Alter betraf in kerungsvorausberechnung des Statistischen Bundes- der Vergangenheit vor allem Männer. Dies hat sich amtes geht davon aus, dass der Altenquotient, also in den letzten Jahren durch einen massiven Anstieg das Verhältnis der Personen im Rentenalter zu den der Erwerbsbeteiligung älterer Frauen in Deutsch- Personen im Erwerbsalter, bis zum Ende der 2030er land gewandelt. So stieg der Anteil von Zweiverdie- Jahre im Vergleich zu 2018 stark ansteigen wird. ner-Haushalten der amtlichen Statistik zufolge seit Rund zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter wer- Mitte der 1990er Jahre unter den 50- bis 64-Jähri- den dann auf eine Person im Rentenalter kommen2. gen von 29 Prozent auf 66 Prozent im Jahre 20173. Insgesamt hat dieser Trend eine beschleunigte Al- Somit wird der Ruhestandseintritt zu einem Über- terung der Bevölkerung zur Folge. Das hieraus ent- gang, der in vielen Fällen im Rahmen einer Partner- stehende Ungleichgewicht zwischen Jung und Alt schaft stattfindet und der unter Umständen eine könnte – ceteris paribus – die sozialen Sicherungs- Abstimmung innerhalb des Paares erfordert. Dabei systeme, allen voran die nach dem Umlageverfahren stehen vor allem die Frage nach gemeinsamen Ruhe- unmittelbar aus den laufenden Beitragseinnahmen standsübergängen von Paaren im Vordergrund und finanzierte gesetzliche Rentenversicherung, vor He- die Bedingungen, unter denen ein solcher Übergang rausforderungen stellen, da im Laufe der nächsten gelingen kann. zwei Jahrzehnte immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen Die bisherigen Erläuterungen verdeutlichen, dass es müssen. sich beim Ruhestand um einen ausgesprochen viel- fältigen Lebensabschnitt handelt, der sich gerade in Gleichzeitig haben eine steigende Lebenserwartung, den letzten Jahren deutlich verändert hat. Er birgt die vielfach mit einem Zugewinn an Lebenszeit in bemerkenswerte Potenziale sowohl für die selbst- Gesundheit verbunden ist, ein durchschnittlich hö- bestimmte Lebensführung des Einzelnen als auch heres Bildungsniveau und ein Wandel des Alters- im Hinblick auf die Beiträge, die ältere Menschen für bildes dazu beigetragen, dass das Alter, in dem ge- die Gesellschaft leisten. Die Potenziale Älterer zei- sundheitliche Einschränkungen und Gebrechlichkeit gen sich unter anderem in den Fähigkeiten und der vermehrt auftreten, für viele Menschen auf einen Bereitschaft, sich weiterhin aktiv am Arbeitsmarkt, in deutlich späteren Zeitpunkt im Lebenslauf hinaus- der Zivilgesellschaft und der Familie zu engagieren. geschoben wird. Hieraus ergeben sich in Bezug auf Sie sind zudem in einem Altersbild sichtbar, das die die Gestaltung der gewonnenen Lebenszeit nach Fähigkeiten älterer Menschen in verschiedenen Le- dem Eintritt in den Ruhestand verschiedene Fragen: bensbereichen betont. Ältere leisten einen enormen Genießen ältere Menschen ihre Freizeit im Kreise der Beitrag zum Wohlstand und zum gesellschaftlichen Familie oder gehen sie ehrenamtlichen Tätigkeiten Zusammenhalt, auf den es gerade in Zeiten des be- nach? Verlängern sie sogar ihre Erwerbstätigkeit und schleunigten Wandels besonders ankommt. Damit wenn ja, unter welchen Bedingungen? Was sind die dieser Wandel erkannt und gestaltet werden kann, ist es zunächst Aufgabe der Wissenschaft, die Poten- 1 Statistisches Bundesamt 2020, Bevölkerungsstand zum Stich- ziale des Alterns umfassend zu erforschen. So können tag 31.12.2018 auf der Grundlage des Zensus 2011, online unter https://www-genesis.destatis.de. 2 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statisti- 3 Als erwerbstätig gelten Personen, die mindestens eine Stunde schen Bundesamtes, online unter: https://www.destatis.de. pro Woche einer bezahlten Arbeit nachgehen. 10
Transitions and Old Age Potential der Politik Ansatzpunkte aufgezeigt werden, um die • Bestimmung individueller Lebenslagen sowie be- Kompetenzen älterer Menschen zu fördern. trieblicher oder familialer Rahmenbedingungen, welche die Aufnahme, die Weiterführung oder den Dabei ist stets zu beachten, dass die Lebenssitua- Umfang von Tätigkeiten sowie die Pfade des Über- tion von Menschen im Rentenalter das Resultat ei- gangs in den Ruhestand beeinflussen. ner jahrzehntelangen Biografie ist. Politik für ältere Menschen zeichnet sich somit gerade auch in Zeiten Für die Interviews kam ein Fragebogen als Erhebungs- des demografischen Wandels durch eine lebenslauf instrument zum Einsatz, der vom BiB in Zusammenar- orientierte Strategie aus, die frühzeitig die Weichen beit mit mehreren Partnerinnen und Partnern von Uni- für ein aktives Leben im Alter stellt. Dabei ist das Ziel, versitäten und Hochschulen aus dem In- und Ausland die Chancen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter erarbeitet wurde (Leuphana Universität Lüneburg, Ja- zu eröffnen oder zu fördern, ohne die Produktivität cobs University Bremen, SRH Hochschule Berlin sowie älterer Menschen einzufordern bzw. ohne die indi- Columbia University New York). Der Fragebogen der viduellen Lebensverläufe, -situationen und -pläne zu ersten Welle bestand aus thematischen Modulen zu vernachlässigen. den Bereichen Altersbilder, Soziodemografie, Erwerbs- tätigkeit und Ruhestandsübergang, informelle Tätig- Die Studie „Transitions and Old Age Potential” (TOP) keiten (z. B. Nachbarschaftshilfe, Pflege eines Ange- hörigen oder Betreuung eines Enkels), Gesundheit und Bei der Studie „Transitions and Old Age Potential: Lebenszufriedenheit sowie Persönlichkeit. Übergänge und Alternspotenziale“ (TOP) handelt es sich um ein über mehrere Jahre angelegtes wissen- Die erste Befragung fand zwischen Januar und März schaftliches Projekt des Bundesinstituts für Bevöl- 2013 statt. Die hieraus entstandenen Veröffentlichun- kerungsforschung (BiB). Zu Beginn des Jahres 2013 gen stießen sowohl in der Wissenschaft als auch in der wurden 5.002 Personen der Jahrgänge 1942 bis 1958 Politik auf großes Interesse. So wurden die Ergebnisse erstmals befragt, die zum Zeitpunkt des Interviews der ersten Welle TOP in einem Sammelband4 veröf- zwischen 55 und 70 Jahre alt waren. Es handelt sich fentlicht, der im Herbst 2014 zusammen mit dem da- bei dieser ersten Welle um eine repräsentative Stich- maligen Bundesinnenminister Herrn Dr. de Maizière probe der deutschsprachigen Wohnbevölkerung, die auf der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde. vom Umfragezentrum Bonn (uzbonn) im Auftrag des BiB rekrutiert und telefonisch interviewt wurde. 4 Schneider, Norbert F.; Mergenthaler, Andreas; Staudinger, Ursula M.; Sackreuther, Ines (Hrsg.) (2015): Mittendrin? Lebens- pläne und Potenziale älterer Menschen beim Übergang in den Im Zusammenhang mit dem Übergang vom Erwerbs- Ruhestand. Beiträge zur Bevölkerungswissenschaft 47. Opladen, leben in den Ruhestand und den vielfältigen Potenzi- Berlin, Toronto: Barbara Budrich. alen, die ältere Menschen in dieser Lebensphase auf- weisen, verfolgt die Studie TOP die folgenden Ziele: Informelle Tätigkeiten • Untersuchung von Ruhestandsübergängen im Zeit- verlauf, insbesondere den Zeitpunkt und die Art des Informelle Tätigkeiten werden im Unterschied zu Übergangs (z. B. freiwillig versus unfreiwillig, direkt formellen Arbeiten bzw. Erwerbstätigkeit nicht versus indirekt) sowie die Zufriedenheit der Befrag- durch einen Arbeitsvertrag festgelegt. Sie be- ten mit dem Übergang; zeichnen somit Tätigkeiten, die zwar Güter oder Dienstleistungen für Dritte bereitstellen, aber • Untersuchung der Partizipation älterer Menschen nicht durch den Arbeitsmarkt vermittelt werden und in Bereichen wie z. B. Nachbarschaft, Familie am Arbeitsmarkt, in der Zivilgesellschaft und in der oder Vereinen ausgeübt werden. Sie werden ohne Familie. Dabei geht es im Zeitverlauf u. a. um die Lohn ausgeübt und sind daher auch nicht sozial- Frage, ob Erwerbsabsichten oder Neigungen zur versicherungspflichtig. Aufnahme oder Ausweitung eines freiwilligen En- gagements zu einem späteren Zeitpunkt verwirk- Quelle: Hank, Karsten; Erlinghagen, Marcel (2008): Produkti- licht werden konnten. Zudem sind die Bedingun- ves Arbeiten und informelle Arbeit. Stand der Forschung und Perspektiven. In: Erlinghagen, Marcel; Hank, Karsten (Hrsg.): gen für die Beendigung einer Erwerbstätigkeit oder Produktives Altern und informelle Arbeit in modernen Gesell- eines Engagements von Interesse; schaften. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 9-24. 11
Transitions and Old Age Potential Da die Studie von Beginn an als Wiederholungsbe- fragung (sogenanntes „Panel“) geplant war, fanden Ruhestand weitere Interviews in regelmäßigen Abständen von drei Jahren statt. In der ersten Wiederholungsbefra- In der Studie TOP wird der Ruhestand in Anlehnung an die Fachliteratur in dreifacher Weise bestimmt, gung (zweite Welle), die von Dezember 2015 bis Feb- um der Vielfältigkeit des Übergangs gerecht zu wer- ruar 2016 ebenfalls von uzbonn durchgeführt wurde, den: wurden 2.501 Personen erneut befragt. Durch diese a) Durch den Bezug einer Altersrente oder -pension zweite Welle konnten die Ergebnisse der Erstbefra- aufgrund eigener Erwerbstätigkeit ab dem Min- gung um Aussagen zu individuellen Entwicklungen destalter von 60 Jahren im Zeitverlauf ergänzt werden. So gingen z. B. mehr als b) Durch den altersbedingten Ausstieg aus dem Er- 400 Befragte zwischen 2013 und dem Zeitpunkt der werbsleben ersten Wiederholungsbefragung in den Ruhestand, c) Durch subjektive Einschätzung, z. B. von älteren so dass Informationen zu diesen Übergängen neu er- Menschen, die längere Zeit nicht erwerbstätig hoben werden konnten. Zudem wurde in der zweiten waren ohne formell eine Altersrente zu beziehen Welle ein theoretisches Modell zur Arbeitsmarktbe- und die nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurück- teiligung älterer Menschen nach dem Eintritt in den kehren wollen. Ruhestand erstmals empirisch getestet. Die Ergeb- Quellen: Ekerdt, David J.; DeViney, Stanley (1990): On De- nisse hierzu wurden im Rahmen einer Monografie fining Persons as Retired. In: Journal of Aging Studies 4, 3, S. 211-229. veröffentlicht, die neue Perspektiven auf dieses für Denton, Frank T.; Spencer, Byron G. (2009): What is Retire- Deutschland noch recht junge Phänomen eröffnete5. ment? A Review and Assessment of Alternative Concepts and Measures. In: Canadian Journal of Aging/Revue Canadienne du Vieillissement 28, 1, S. 63-76. Angesichts einer deutlichen Zunahme des Anteils von älteren Zweiverdienerpaaren und des damit ein- hergehenden Wandels des Ruhestandsübergangs hin zu einem stärker paarbezogenen Prozess wurde 2019 bzw. den Partner der bisherigen Studienteilneh- in der zweiten Wiederholungsbefragung (dritte Wel- merinnen und -teilnehmer zu interviewen. Auf diese le) von TOP eine sogenannte dyadische Erweiterung Weise kann der Ruhestandsübergang in der Pers- der Befragung vorgenommen. Dies bedeutet, dass es pektive von (Ehe-)Paaren abgebildet und damit der in der dritten Welle das Ziel war, auch die Partnerin Frage nachgegangen werden, wie häufig ein gemein- samer Eintritt in den Ruhestand gewünscht ist bzw. 5 Cihlar, Volker; Micheel, Frank; Konzelmann, Laura; Mer- unter welchen Bedingungen dieser realisiert wird. genthaler, Andreas; Schneider, Norbert F. (2019): Grenzgänge zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand. Prozesse der Arbeits- marktbeteiligung älterer Menschen. Beiträge zur Bevölkerungs- Zudem gibt die dyadische Befragung Aufschluss über wissenschaft 53. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich. die Umstände von partnerschaftlichen Ruhestands- Abb. 1: Meilensteine der Studie TOP, 2013-2019 Sammelband Monografie zur ersten zur zweiten Welle Welle Broschüre Bundes- Broschüre Symposium zur ersten presse- zur zweiten DGGG- Welle konferenz Welle Jahrestagung Erste Zweite Feldphase Feldphase Feldphase Adress- und Adress- und erste Welle zweite Welle dritte Welle Panelpflege Panelpflege 01/2013- 01/2014 03/2014- 11/2014 01/2015 11/2015- 03/2017 11/2017- 09/2018 06/2019 07/2019- 04/2013 04/2014 02/2016 01/2018 10/2019 12
Transitions and Old Age Potential übergängen und liefert Hinweise darauf, wie diese ter Merkmale wie Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Zeit von beiden Partnern erlebt wird. Um dieses Ziel körperliche Aktivität, private Lebensformen sowie zu erreichen, wurde ein Fragebogen für die Partne- Erwerbstätigkeit und informelle Arbeiten dar. In den rinnen und Partner entwickelt und das bestehende letzten beiden Abschnitten wird zudem für ausge- Erhebungsinstrument angepasst, ohne jedoch die wählte Kombinationen von „produktiven“ Tätigkei- Möglichkeit der Panelanalyse zu beeinträchtigen. Die ten (z. B. Erwerbstätigkeit und Pflege) untersucht, ob dritte Welle von TOP fand zwischen Juli und Oktober diese für ältere Menschen vereinbar sind oder eher in 2019 statt. Es konnten 1.561 Zielpersonen erneut be- zeitlicher Konkurrenz zueinander stehen. fragt werden. Dyadische Daten liegen von insgesamt 576 Paaren vor. Der Bezug einer Altersrente oder -pension aus eige- ner Erwerbstätigkeit spielt in TOP als Merkmal zur Ziele und Aufbau der Broschüre Bestimmung der Lebensphase Ruhestand eine we- sentliche Rolle. Da es in Deutschland zudem nur in Erste Ergebnisse zu den drei Befragungswellen der Ausnahmefällen möglich ist, eine Altersrente oder Studie TOP sowie zur dyadischen Befragung werden -pension vor dem 61. Lebensjahr zu beziehen, wurde in der vorliegenden Broschüre dargestellt. Befunde diese Altersgrenze als zusätzliches Ruhestandskri- aus der amtlichen Statistik und aus anderen Daten- terium herangezogen. In den Kapiteln zwei bis fünf quellen der empirischen Sozialforschung dienen in geht es um die Lebenssituation derjenigen Befrag- den folgenden Abschnitten an ausgewählten Stellen ten, die zu allen drei Befragungszeitpunkten an- als Ergänzung der Ergebnisse der Studie TOP. Die gaben, eine Altersrente oder -pension zu beziehen Ersterhebung von TOP ist für die Jahrgänge 1942 und die zu Beginn des Rentenbezugs mindestens 60 bis 1958 der deutschsprachigen Wohnbevölkerung Jahre alt waren. Die Regelungen der gesetzlichen (Grundgesamtheit) repräsentativ. Selektive Ausfälle Rentenversicherung gelten vor allem für abhängig von Befragten in Welle zwei und drei, die für Panel- Beschäftigte, d. h. Arbeiter, Angestellte oder Beamte. befragungen dieser Art den Normalfall darstellen, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige wurden jeweils durch eine Gewichtung korrigiert6. wurden ebenfalls berücksichtigt, sofern die beiden Diese Gewichtung liegt sämtlichen Ergebnissen der oben genannten Kriterien auf sie zutrafen. Die so Kapitel zwei bis sechs zugrunde. Die Ergebnisse kön- definierte Gruppe, die im Folgenden als Altersrent- nen somit näherungsweise für die Grundgesamtheit nerinnen und -rentner bezeichnet wird, umfasst 648 der ersten Welle verallgemeinert werden. Lediglich Personen. Für alle diese Personen liegen Informa- die Ergebnisse auf Paarebene werden als ungewich- tionen für den gesamten Beobachtungszeitraum tete Angaben dargestellt, da es sich hierbei nicht um zwischen 2013 und 2019 vor. Mit Hilfe dieser Längs- eine Zufallsstichprobe aus einer vorab definierten schnittdaten können Veränderungen im Verlauf des Grundgesamtheit von Personen (z. B. alle Partne- individuellen Alterns in verschiedenen Lebensberei- rinnen und Partner der Jahrgänge 1942 bis 1958 in chen und für verschiedene Gruppen von Befragten Deutschland) handelt. Anhand der verfügbaren Da- beschrieben werden. ten kann nicht abschließend geklärt werden, ob alle gewonnenen Erkenntnisse in Kapitel sieben auch für Die Altersrentnerinnen und -rentner, die in den Ab- die Gesamtbevölkerung gelten. schnitten zwei bis fünf betrachtet werden, sind zwi- Die Kapitel zwei bis fünf stellen die Lebenslagen von schen 1942 und 1953 geboren und waren zum Zeit- Menschen, die sich zwischen 2013 und 2019 durch- punkt der ersten Befragung im Jahr 2013 zwischen gehend im Ruhestand befanden, anhand ausgewähl- 60 und 71 Jahre alt. Die Gruppe umfasst sowohl Be- fragte, die sich zu Beginn der Studie TOP bereits seit ein paar Jahren im regulären Rentenalter befanden 6 Für eine genaue Darstellung des Vorgehens bei der Gewich- als auch Personen, die eine Altersrente oder -pension tung des Quer- und des Längsschnitts in TOP siehe Sackreuther, Ines; Schröber, Jakob; Cihlar, Volker; Mergenthaler, Andreas; Mi- vor der Regelaltersgrenze mit finanziellen Abstrichen cheel, Frank; Schill, Gabriele (2016): TOP – Transitions and Old beziehen. Das Durchschnittsalter der Altersrentne- Age Potential. Methodenbericht zur Studie. BiB Daten- und Me- rinnen und -rentner zum Zeitpunkt der ersten Welle thodenberichte 1/2016. Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevöl- kerungsforschung sowie Mergenthaler, Andreas; Cihlar, Volker; im Jahr 2013 liegt bei 66 Jahren. Mit 54 Prozent sind Micheel, Frank; Sackreuther, Ines; Riedl, Sabine; Maruhn, Sabia etwas mehr Männer unter den Altersrentnerinnen (2017): TOP – Transitions and Old Age Potential: Methodenbericht zur zweiten Welle der Studie. BiB Daten- und Methodenberichte und -rentnern als Frauen. 81 Prozent der Befragten 2/2017. Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. lebten im Jahr 2019 in Westdeutschland. 13
Transitions and Old Age Potential Der sechste Abschnitt beschäftigt sich mit den Ru- hestandsübergängen der Panelteilnehmerinnen und -teilnehmer, die zum Zeitpunkt der Erstbefragung nicht im Ruhestand waren und den Übergang zwi- schen der ersten und der dritten Welle vollzogen haben. Im Gegensatz zu den Altersrentnerinnen und Altersrentnern, die in den ersten Abschnitten unter- sucht werden, geht es in Abschnitt sechs somit um Befragte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zwi- schen 2013 und 2019 aus einer (Nicht-)Erwerbstätig- keit heraus begannen, eine Altersrente oder -pension zu beziehen und zu diesem Zeitpunkt mindestens 60 Jahre alt waren. Diese Personen haben somit den Übergang in den Ruhestand erst im Laufe des Beob- achtungszeitraums vollzogen. Dabei stehen sowohl der Grad der Freiwilligkeit des Ruhestandsübergangs als auch mögliche Diskrepanzen zwischen dem ge- wünschten und dem tatsächlichen Zeitpunkt des Renteneintritts im Vordergrund. Zudem wird auf die Zufriedenheit der Befragten mit dem Übergang in den Ruhestand eingegangen. Der siebte Abschnitt widmet sich dem Übergang in den Ruhestand aus der Paarperspektive. Neben den Häufigkeiten und Bedingungen eines gemeinsamen oder getrennten Renteneintritts werden auch die Gründe hierfür in der wechselseitig aufeinander be- zogenen Perspektive der Zielperson bzw. des Ankers (Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Hauptbefra- gung in der dritten Welle) und der Partnerin bzw. des Partners dargestellt. 14
Transitions and Old Age Potential 2. Für Körper und Geist Gesundheit, körperliche Aktivität, Einsamkeit und Zufriedenheit im Rentenalter 15
Transitions and Old Age Potential Gesundheit beeinflusst das grundsätzliche Vermö- ringfügige Verschlechterungen zeigen. Dies deckt gen eines Menschen, am sozialen und wirtschaftli- sich mit dem Umstand, dass Frauen häufig mehrere, chen Leben teilzunehmen und ein selbstbestimmtes leichtere Erkrankungen aufweisen als Männer, die Leben zu führen. Wenngleich das Rentenalter keines- im Durchschnitt eher wenige, dann jedoch schwe- falls mit Krankheit und Gebrechlichkeit gleichgesetzt re Erkrankungen erleiden. Im mentalen Bereich, werden kann, so nehmen doch viele gesundheitliche der sich insbesondere mit dem Erleben von Ruhe, Risiken mit steigendem Lebensalter zu. Gesundheits- Ausgeglichenheit und Energie auf der einen Seite wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang und seelischen Problemen auf der anderen Seite von einer stärkeren gesundheitlichen Verletzlich- beschäftigt, berichten Männer im Untersuchungs- keit, der sogenannten „Vulnerabilität“. Die möglichst zeitraum einen leichten Rückgang, während Frauen lange Aufrechterhaltung einer guten Gesundheit ist hier so gut wie keine Unterschiede aufweisen. Das somit eine wesentliche Ressource älterer Menschen allgemein stabile Bild der Gesundheit spiegelt sich zur Erreichung ihrer Lebensziele und zur Verwirkli- in den Selbsteinschätzungen der 66- bis 77-Jähri- chung eines selbstbestimmten Alterns. gen im Jahr 2019 wider: Über die sechs Jahre hin- weg schätzen ca. 20 Prozent ihre Gesundheit stets Das Potenzial eines gesunden Alterns spiegelt sich als sehr gut ein, während 60 Prozent diese als eher grundsätzlich in der Lebenserwartung ab einem be- gut bezeichnen. Lediglich ca. 20 Prozent geben eine stimmten Alter wider, die mit einiger Sicherheit in gu- subjektiv empfundene Gesundheit von sehr schlecht ter Gesundheit verlebt werden kann. Nach den Daten oder eher schlecht an. Wer seine Gesundheit im Jahr des European Health and Life Expectancy Informa- 2013 als sehr gut oder eher gut einschätzte, tut dies tion System (EHLEIS)7 konnten 60-jährige Männer in darüber hinaus in der großen Mehrzahl der Fälle Deutschland im Jahr 2016 noch mit 13,9 Jahren ohne auch in 2016 und 2019. gesundheitsbedingte Einschränkungen alltäglicher Aktivitäten rechnen. Dies entsprach rund 64 Prozent ihrer Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren. Bei 2.1 Gesundheitsbedingte Einschränkungen den 60-jährigen Frauen waren es sogar noch 15,5 des Alltags älterer Menschen Jahre ohne gesundheitliche Einschränkungen, was ca. 61 Prozent ihrer verbleibenden Lebenserwartung Einschränkungen der funktionalen Gesundheit entsprach. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich nehmen mit steigendem Alter zu bei der betrachteten Altersgruppe in TOP um Perso- nen handelt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Richtet man den Blick auf die funktionale Gesund- keine gravierenden altersbedingten Einschränkun- heit, d. h. darauf, ob Menschen aufgrund ihres Ge- gen aufweisen. sundheitszustandes in der Lage sind, möglichst kom- petent an den Aktivitäten in allen für sie relevanten Menschen im frühen Ruhestand weisen insgesamt Lebensbereichen teilzunehmen, zeigt sich ein diffe- eine stabile Gesundheit auf renzierteres Bild: Über den Beobachtungszeitraum hinweg nimmt die starke Eingeschränktheit z. B. in Diese Vermutung wird durch die Befunde weitge- der Fertigkeit des Hebens und Tragens von schwe- hend bestätigt. So hat sich über den gesamten Be- ren Gegenständen zu. Dabei erfahren Frauen grö- trachtungszeitraum von sechs Jahren die Gesundheit ßere Einschränkungen als Männer und weisen darin der beobachteten Menschen im Ruhestand nicht innerhalb von sechs Jahren um durchschnittlich um wesentlich verändert. Im Alter zwischen 66 und 77 rund 14 Prozentpunkte häufiger starke Einschrän- Jahren blieb die allgemeine körperliche und menta- kungen auf (siehe Abbildung 2). le Gesundheit auf einem stabilen mittleren Niveau. Betrachtet man die Gesundheit nach Geschlecht, Menschen mit geringer Bildung weisen häufiger zeigt sich lediglich, dass Frauen im Bereich der kör- funktionale Einschränkungen auf perlichen Gesundheit zwischen 2013 und 2019 ge- Aus der Forschung gilt es als gesicherter Befund, dass Bildung und Gesundheitsverhalten, wie z. B. 7 Aktuelle Daten zur gesunden Lebenserwartung in den EU- körperliche Aktivität, gesundheitsbewusste Ernäh- Mitgliedstaaten werden vom European Health and Life Expectan- cy Information System (EHLEIS) online unter http://www.euro- rung oder Nutzung von Präventionsangeboten, hex.eu/ bereitgestellt. häufig positiv zusammenhängen. Die in Schule und 16
Transitions and Old Age Potential Ausbildung verbrachten Bildungsjahre bestätigen 2.2 Körperliche Aktivität im Kontext von hinsichtlich der funktionalen Gesundheit in unserer Gesundheit und Einsamkeit im Rentenalter Studie diesen Zusammenhang (siehe Abbildung 3). Betrachtet man diejenigen Personen mit 9 bis unter Körperliche Aktivität stellt eine der Voraussetzun- 12 Bildungsjahren, weisen diese über den Beobach- gen für Gesundheit über die gesamte Lebensspanne tungszeitraum hinweg durchgängig einen höheren dar. Wer in einem bestimmten Umfang pro Woche Prozentsatz an stark Eingeschränkten auf als dies bei in moderater Intensität körperliche Aktivitäten aus- den beiden Gruppen mit höherer Bildung der Fall ist. übt, die Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Gleich- gewicht beanspruchen, leistet unter anderem einen Während die niedrigste Bildungsgruppe auf einem Beitrag zur Herz-Kreislauf-Gesundheit und Prä- durchgängig stark eingeschränkteren, jedoch relativ vention von Stürzen im Alter oder kann seine So- stabilen Niveau über die sechs Jahre verbleibt, fällt zialkontakte ausbauen. Um gesundheitsfördernde auf, dass die höchste Bildungsgruppe insbesondere Effekte von Bewegung nutzen zu können, wird vom im letzten Beobachtungsjahr einen Zuwachs von 10 American College of Sports Medicine und von der Prozentpunkten gegenüber 2016 erfährt. Die Ein- American Heart Association empfohlen, am besten schränkungen, die die niedrigste Bildungsgruppe also an mindestens drei bis fünf Tagen pro Woche für bereits von Anfang an aufweist, scheinen auch für die jeweils ca. 30 Minuten in moderater Intensität kör- höchste Bildungsgruppe nicht vermeidbar zu sein, je- perlich aktiv zu sein. Diesen Empfehlungen kommen doch zumindest auf ein späteres Alter verschoben zu über die sechs beobachteten Jahre hinweg jeweils werden. Hierin könnte sich eine Konzentration von ca. zwei Drittel der sich durchgängig im Ruhestand schwerwiegenden Erkrankungen (sogenannte „Mor- befindlichen Altersrentnerinnen und Altersrentner biditätskompression“) auf das Lebensende andeuten, nach, wobei es keine nennenswerten Unterschiede so dass Bildung einen zumindest hinauszögernden, hinsichtlich des Geschlechts gibt. 35 Prozent sind indirekten Effekt auf die funktionale Gesundheit auf- dabei ununterbrochen im empfohlenen Ausmaß weisen könnte. körperlich aktiv, während 23 Prozent eine einmal Abb. 2: Gesundheitsbedingte Einschränkungen Abb. 3: Gesundheitsbedingte Einschränkungen nach Geschlecht, 2013-2019 (in Prozent) nach Bildungsjahren, 2013-2019 (in Prozent) Anmerkung: „Sind Sie durch Ihre gegenwärtige Gesundheit bei der Ausführung der folgenden Tätigkeiten im Alltag eingeschränkt … schwere Gegenstände heben, z. B. einen Tisch?“ Anteile der Befragten in Welle eins bis drei, die auf einer Skala mit vier Kategorien („stark einge- schränkt“, „eher eingeschränkt“, „eher nicht eingeschränkt“, „überhaupt nicht eingeschränkt“) mit „stark eingeschränkt“ geantwortet haben. 17
Transitions and Old Age Potential begonnene Aktivität abgebrochen oder stark redu- reichend Aktive und diejenigen, die ihre Aktivität im ziert haben. Ca. 30 Prozent waren im Jahr 2013 noch Laufe der sechs Jahre beendet haben (körperliche unzureichend aktiv, haben ihre körperliche Aktivität Aktivität abgebrochen), weisen ca. doppelt so hohe jedoch im Laufe der Untersuchung gesteigert und Werte hinsichtlich starker Einschränkungen in der dadurch eine ausreichende körperliche Aktivität Fertigkeit, schwere Gegenstände heben zu können, aufgenommen. 12 Prozent der untersuchten 66- bis auf (siehe Abbildung 4). 77-jährigen Altersrentnerinnen und Altersrentner sind im gesamten Beobachtungszeitraum durchgän- Körperlich ausreichend Aktive sind seltener einsam gig unzureichend aktiv. Körperliche Aktivität weist außer den positiven Funktionale Gesundheit steht im Zusammenhang Auswirkungen auf Körper und Geist auch eine sozi- mit körperlicher Aktivität ale Komponente auf. Wer gemeinsam mit anderen Sport treibt, gehört einer Gruppe an und kommt Betrachtet man die funktionale Gesundheit am Bei- dadurch regelmäßig in Kontakt mit anderen. Aus spiel des Hebens schwerer Gegenstände nach dem diesem Grund ist es von Interesse, ob die in unse- Grad körperlicher Aktivität über sechs Jahre hinweg, rer Studie beobachteten Personen Unterschiede im zeigt sich ein differenziertes Bild: Diejenigen, die Gefühl der Einsamkeit, die nur im Jahr 2019 erho- über den gesamten Untersuchungszeitraum aus- ben wurde, aufweisen, je nachdem wie körperlich reichend körperlich aktiv waren und diejenigen, die aktiv sie über den Beobachtungszeitraum zwischen im Laufe der sechs Jahre mit ausreichender körper- 2013 und 2019 waren. Von Einsamkeit spricht man, licher Aktivität begonnen haben (körperliche Ak- falls soziale Kontakte fehlen oder wenn es die Be- tivität aufgenommen), zeigen 2019 am seltensten fragten so empfinden, dass diese sozialen Kontakte Probleme in der funktionalen Gesundheit. Unzu- fehlen. Abb. 4: Gesundheitsbedingte Einschränkungen nach Gesundheitliche Lebensqualität Typen körperlicher Aktivität, 2013-2019 (in Prozent) Zur Messung der subjektiven gesundheitlichen Le- bensqualität kommt in TOP ein Instrument zum Einsatz, dass an den Fragebogen des Sozio-oeko- nomischen Panels (SOEP) angelehnt ist. Es handelt sich im Vergleich zum Originalinstrument um eine gekürzte und für telefonische Befragungen leicht geänderte Version. Anhand der Fragen können zwei Hauptskalen zur körperlichen und mentalen Ge- sundheit berechnet werden. Diese Skalen umfassen jeweils Werte von 0 (sehr schlechte körperliche oder mentale Gesundheit) bis 100 (sehr hohe körperliche oder mentale Gesundheit). Den Skalen liegen Fra- gen zur allgemeinen subjektiven Gesundheit, dem Vorhandensein körperlicher Schmerzen während der letzten vier Wochen oder Leistungseinschrän- kungen aufgrund psychischer Probleme zu Grunde. Das Messinstrument ist somit in der Lage, die Viel- falt menschlicher Gesundheit als biopsychosoziales Phänomen abzubilden. Quelle: Nübling, Matthias; Andersen, Hanfried H.; Mühlba- Anmerkung: Skala zu gesundheitlichen Einschränkungen siehe Anmer- cher, Axel (2006): Entwicklung eines Verfahrens zur Berech- kung zu Abbildung 2. Frage nach der körperlichen Aktivität: „Wie oft sind nung der körperlichen und psychischen Summenskalen auf Sie 30 Minuten oder länger körperlich aktiv, zum Beispiel beim Sport?“ Basis der SOEP-Version des SF12 (Algorithmus), online unter: Anteile der Befragten in den Wellen eins bis drei, die auf einer vierstufigen https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01. Skala („weniger als einmal wöchentlich“, „ein bis zweimal wöchentlich“, c.44987.de/diw_datadoc_2006-016.pdf. „drei bis vier Mal wöchentlich“, „fünf Mal wöchentlich und mehr“) mit mindestens „drei bis vier Mal wöchentlich“ geantwortet haben. 18
Transitions and Old Age Potential Auf die Frage, wie häufig die Studienteilnehmerin- Abb. 5: Einsamkeit nach Typen körperlicher nen und -teilnehmer das Gefühl hatten, dass ihnen Aktivität, 2013-2019 (in Prozent) die Gesellschaft anderer fehlt, sagen fünf Prozent, dass dies oft der Fall sei. Jeder vierte Befragte fühlt sich manchmal einsam. Rund 71 Prozent der Perso- nen fühlen sich selten oder nie einsam. Betrachtet man diejenigen Personen, denen die Gesellschaft von anderen Menschen oft und manchmal fehlt, die sich also oft bis manchmal einsam fühlen, lässt sich folgendes Muster erkennen: Personen, die 2013 noch körperlich aktiv gewesen waren, dies aber im Laufe der beobachteten sechs Jahre aufgegeben ha- ben, fühlen sich aktuell am einsamsten, gefolgt von denjenigen, die zwischen 2013 und 2019 nicht in ausreichendem Maße körperlich aktiv waren. Men- schen, die mit ausreichender Aktivität begonnen ha- ben und insbesondere diejenigen, die zwischen 2013 und 2019 stets körperlich ausreichend aktiv gewesen sind, weisen die niedrigsten Werte in der Einsamkeit auf. So sind durchgehend Aktive am seltensten ein- sam und weisen gegenüber den Befragten, die eine körperliche Aktivität abgebrochen haben, eine um Anmerkung: Frage zu Einsamkeit in Welle drei (2019): „Wie häufig haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?“ 13 Prozentpunkte niedrigere als oft und manchmal Antworten auf einer vierstufigen Skala von „oft“, „manchmal“, „sel- empfundene Einsamkeit im Jahr 2019 auf (siehe Ab- ten“ und „nie“. bildung 5). Dass diejenigen Personen, die ihre kör- perliche Aktivität aufgegeben haben, mit 36 Prozent am häufigsten Einsamkeitsgefühle berichten, wirft Abb. 6: Mentale Gesundheit und Einsamkeit, die Frage auf, ob der Verlust eines sozialen Netz- 2013-2019 werks, welches durch die körperliche Aktivität im Jahr 2013 oder 2016 noch bestand, dafür zumindest mitverantwortlich ist. Einsamkeit hängt negativ mit der mentalen Gesundheit zusammen Ohne emotionale Unterstützung aus dem sozialen Umfeld kann Einsamkeit mental und selbst kör- perlich krank machen. Die untersuchten Personen in unserer Studie, die 2019 äußerten, dass sie unter Einsamkeit leiden, also oft das Gefühl haben, dass ih- nen die Gesellschaft anderer Menschen fehlt, zeigen auch über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg niedrigere Werte in der mentalen Gesund- heit. Nicht nur sind diese Werte dann stets unter- durchschnittlich ausgeprägt, sondern unterscheiden sich auch deutlich von denjenigen Personen, die sich nicht einsam fühlen (siehe Abbildung 6). Anmerkung: Die dargestellten Werte sind Mittelwerte einer mentalen Gesundheitsskala, die Werte zwischen 0 (sehr schlechte mentale Ge- sundheit) und 100 (sehr gute mentale Gesundheit) annehmen kann (siehe Information zur gesundheitlichen Lebensqualität). 19
Transitions and Old Age Potential 2.3 Lebenszufriedenheit Geschlechts bestehen. Dabei weisen Frauen im Jahr bei älteren Menschen 2019 unabhängig vom Grad gesundheitsbedingter Einschränkungen eine höhere Lebenszufriedenheit Einsamkeit geht mit geringerer auf als Männer (siehe Abbildung 8). Bei Männern ist Lebenszufriedenheit einher hingegen der Zusammenhang zwischen gesundheit- lichen Einschränkungen und der allgemeinen Lebens- Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist ein Maß, wel- zufriedenheit etwas stärker ausgeprägt als bei Frauen. ches anzeigt, ob Menschen zwischen ihrer aktuellen Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, ob Frauen und ihrer gewünschten Lebenssituation Diskrepan- insgesamt besser mit eingetretenen Einschränkun- zen sehen. Je größer die Abweichung des gewünsch- gen umgehen, d. h. sie besser in ihr Leben und ihre ten vom aktuellen Zustand ist, desto geringer fällt Selbstwahrnehmung integrieren können als dies bei die Lebenszufriedenheit aus. Die durchschnittliche Männern der Fall ist. Lebenszufriedenheit schwankt sowohl innerhalb als auch zwischen den drei relevanten Bereichen Der Zusammenhang zwischen der allgemeinen Le- Gesundheit, körperliche Aktivität und Einsamkeit. benszufriedenheit und den Typen der körperlichen Altersrentnerinnen und Altersrentner, die stark in Aktivität zwischen 2013 und 2019 ist im Vergleich ihrer funktionalen Gesundheit eingeschränkt, stets zum Zusammenhang zwischen der Lebenszufrie- unzureichend körperlich aktiv und oft einsam sind, denheit und den gesundheitsbedingten Einschrän- weisen die geringste Lebenszufriedenheit auf (siehe kungen schwächer ausgeprägt (siehe Abbildungen 8 Abbildung 7). und 9). Bei den Männern sind nur minimale Unter- schiede zwischen den Typen zu beobachten, wobei Differenzierte Betrachtungen zeigen außerdem auf, diejenigen Männer, die zwischen 2013 und 2019 dass in den untersuchten Bereichen vereinzelte, je- ihre körperliche Aktivität abgebrochen haben, die doch zum Teil deutliche Unterschiede hinsichtlich des geringste durchschnittliche Lebenszufriedenheit Abb. 7: Bereichsspezifische Unterschiede der Lebenszufriedenheit, 2019 Anmerkung: Frage zur allgemeinen Lebenszufriedenheit in Welle drei (2019): „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit Ihrem Leben ganz all- gemein?“ Antworten auf einer Skala von 0 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden). 20
Transitions and Old Age Potential berichten. Frauen, die zwischen 2013 und 2019 aus- Gesellschaft anderer fehlt, auch diejenigen mit der reichend körperlich aktiv waren oder in diesem Zeit- vergleichsweise geringsten Lebenszufriedenheit (sie- raum eine Aktivität aufgenommen haben, zeigen die he Abbildung 10). Dies gilt vor allem für Männer, die durchschnittlich höchsten Zufriedenheitswerte. Die sich oftmals einsam fühlen. geringste allgemeine Lebenszufriedenheit wird von Frauen berichtet, die zwischen 2013 und 2019 un- Auch wenn unsere Studie keine abschließende Aussa- zureichend körperlich aktiv waren. Ob es sich hier- ge über die Kausalität zwischen körperlicher Aktivität bei um eine direkte Auswirkung der körperlichen und den hier aufgeführten Bereichen zulässt, lassen Aktivität auf die Zufriedenheit handelt oder ob ein sich plausible Vermutungen aus den gezeigten Zu- gegenläufiger Zusammenhang vorliegt (Frauen, die sammenhängen ableiten. So könnte körperliche Akti- weniger mit ihrem Leben zufrieden sind, bewegen vität im Rentenalter z. B. als eine Möglichkeit angese- sich unzureichend), kann mit den vorliegenden Da- hen werden, die funktionale Gesundheit zu erhalten ten nicht abschließend geklärt werden. oder zu fördern, Einsamkeit vorzubeugen bzw. abzu- mildern und darüber die Lebenszufriedenheit älterer Im Gegensatz zu den Typen der körperlichen Aktivi- Menschen in günstiger Weise zu beeinflussen. Dabei tät besteht hinsichtlich der Einsamkeit ein deutlicher ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Zusam- Unterschied bei der allgemeinen Lebenszufrieden- menhänge in Abhängigkeit des Geschlechts unter- heit: Sowohl bei Männern als auch bei Frauen sind schiedlich darstellen und somit für ältere Männer und diejenigen, die oft das Gefühl haben, dass ihnen die ältere Frauen unterschiedliche Bedingungen gelten. Abb. 8: Lebenszufriedenheit und Abb. 9: Lebenszufriedenheit nach Typen gesundheitsbedingte Einschränkungen nach körperlicher Aktivität und Geschlecht, Geschlecht, 2019 2013-2019 Anmerkung: Frage und Skala zur allgemeinen Lebenszufriedenheit in Anmerkung: Frage und Skala zur allgemeinen Lebenszufriedenheit Welle drei (2019) siehe Anmerkung zu Abbildung 7. Angaben zu ge- in Welle drei (2019) siehe Anmerkung zu Abbildung 7. Angaben zu sundheitsbedingten Einschränkungen siehe Anmerkung zu Abbildung 2. den Typen körperlicher Aktivität siehe Anmerkung zu Abbildung 4. 21
Transitions and Old Age Potential Soziales Leben im Ruhestand kann die Lebenszufriedenheit positiv beeinflussen Ein weiteres nennenswertes Ergebnis in Bezug auf die allgemeine Lebenszufriedenheit besteht, wenn man diese in Abhängigkeit der Lebensgestaltung im Ruhestand betrachtet: Menschen, die in ihrem Ruhestand lieber zuhause bleiben anstatt Dinge au- ßer Haus zu unternehmen, weisen drei Jahre später eine geringere Zufriedenheit mit ihrem Leben auf als Ruheständlerinnen und Ruheständler, die äußern, dass sie viele Unternehmungen auch außer Haus be- vorzugen. Dies weist auf die Bedeutung von sozia- len und kognitiv anregenden Betätigungen hin. Die allgemeine Lebenszufriedenheit könnte u. a. damit zusammenhängen, wie aktiv ältere Menschen ihren Ruhestand gestalten (können). Abb. 10: Lebenszufriedenheit und Einsamkeit nach Geschlecht, 2019 Anmerkung: Frage und Skala zur allgemeinen Lebenszufriedenheit in Welle drei (2019) siehe Anmerkung zu Abbildung 7. 22
Transitions and Old Age Potential 3. Im Kreise der Liebsten? Private Lebensformen und Lebensereignisse im Ruhestand 23
Transitions and Old Age Potential Die Beziehungen innerhalb der Familie haben für bleibt der Anteil von Männern mit Partnerin über den Menschen im Rentenalter eine besondere Bedeu- Befragungszeitraum hinweg relativ stabil, wohinge- tung, da sie neben emotionaler Unterstützung auch gen der Anteil von Frauen mit festem Partner konti- Hilfestellungen bei der Bewältigung des Alltags nuierlich zurückgeht (siehe Abbildung 11). bieten. In TOP wurden in erster Linie die Partner- schaftssituation (Frage in Wellen eins bis drei: „Ha- Darin spiegelt sich vor allem die Tatsache wider, dass ben Sie derzeit einen festen Partner oder eine feste die Partner der Frauen durchschnittlich ein paar Partnerin?“) und die Anzahl bzw. Beziehungen zu Jahre älter sind (siehe hierzu die Ergebnisse zur Al- den Enkeln bzw. Großenkeln betrachtet. Im Folgen- tersdifferenz in Kapitel 7) und Männer eine geringe- den werden ausgewählte Ergebnisse der drei Befra- re Lebenserwartung aufweisen – laut den aktuellen gungswellen für die Altersrentnerinnen und Alters- Sterbetafeln 2015/2017 des Statistischen Bundes- rentner zu diesem Themenbereich dargestellt. amtes leben 70-jährige Frauen durchschnittlich rund 2,5 Jahre länger als gleichaltrige Männer. 3.1 Feste Partnerschaften bei älteren Bei den Befragten mit fester Partnerin bzw. festem Menschen Partner handelt es sich in 91 Prozent um Verheirate- te, die einen gemeinsamen Haushalt bewohnen. Der Die Mehrzahl der Menschen im Rentenalter Anteil der Verheirateten, die in getrennten Haushal- lebt in einer festen Partnerschaft ten leben, beträgt weniger als ein Prozent. Bei den verheirateten Altersrentnerinnen und Altersrentnern Die Mehrzahl der Befragten lebt zu allen drei Be- unserer Stichprobe findet ein sogenanntes „Living- fragungszeitpunkten in einer festen Partnerschaft. Apart-Together“ – also eine Lebensform, bei der die Diese Lebensform ist bei Männern häufiger anzutref- Partner nicht im gleichen Haushalt leben – somit fen als bei Frauen. So befinden sich 87 Prozent der praktisch nicht statt. Bei den rund acht Prozent der Männer im Jahr 2019 in einer festen Partnerschaft, Befragten, die zwar eine feste Partnerin oder einen während es bei den Frauen nur 64 Prozent sind. Auch festen Partner haben, aber nicht mit dieser Person verheiratet sind, handelt es sich zumeist um geschie- dene oder verwitwete Personen, die eine neue Part- Abb. 11: Partnerschaftsquoten nach Geschlecht, nerschaft begonnen haben. 2013-2019 (in Prozent) Partnerschaft besteht im Durchschnitt seit 43 Jahren In der dritten Befragungswelle des Jahres 2019 wur- den die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ge- fragt, wie lange sie schon mit ihrer aktuellen Partnerin bzw. ihrem aktuellen Partner zusammen sind. Diese Angaben geben Auskunft über die zeitliche Stabilität von Partnerschaften. Die überwiegende Mehrzahl der Personen im Rentenalter ist schon seit mehreren Jahr- zehnten mit der aktuellen Partnerin oder dem aktuel- len Partner zusammen. Dies deutet auf eine ausgespro- chen hohe Beständigkeit der Beziehung im Lebenslauf hin. Im Durchschnitt bestehen die Partnerschaften seit 43 Jahren, wobei Frauen mit durchschnittlich 44 Jahren auf eine um rund zwei Jahre längere Dauer der Beziehung zurückblicken können als Männer. Frauen sind ihre Partnerschaft zudem in einem früheren Alter eingegangen als Männer: So haben Frauen ihre aktuel- le Partnerschaft im Alter von durchschnittlich 22 Jah- ren begonnen, bei den Männern war dies mit rund 26 Jahren deutlich später der Fall. 24
Transitions and Old Age Potential Befragte, die weniger als 40 Jahre in einer Partner- Übergänge der Partnerschaftssituation im schaft sind, machen bei den Frauen 27 Prozent und Rentenalter sind vergleichsweise selten bei den Männern 29 Prozent der Stichprobe aus (siehe Abbildung 12). Etwas mehr als ein Drittel der Rund drei Viertel der Befragten, die sich bereits seit Befragten ist im Jahre 2019 zwischen 40 und 49 Jah- der ersten Befragung im Jahre 2013 im Ruhestand ren mit der aktuellen Partnerin oder dem Partner befanden, lebt während des gesamten Studienzeit- zusammen, eine noch größere Gruppe sogar 50 Jah- raums durchgehend in einer Partnerschaft. Demge- re und länger. Dies gilt vor allem für die Frauen, bei genüber berichtet ein Viertel der Frauen, im beob- denen mehr als die Hälfte 50 Jahre oder länger mit achteten Zeitraum von 2013 bis 2019 durchgehend ihrem Partner zusammen ist. Bei den Männern sind nicht in einer Partnerschaft zu leben, dies trifft bei es demgegenüber nur 30 Prozent, die 50 Jahre oder den Männern nur auf sieben Prozent zu. länger mit ihrer Partnerin zusammenleben (siehe Ab- bildung 12). Hinsichtlich der Übergänge des Partnerschaftsstatus ist zunächst festzustellen, dass Beendigungen von Zusätzliche Auswertungen zeigen, dass noch nicht Partnerschaften bei den Frauen deutlich häufiger einmal jeder zehnte Befragte im Jahr 2019 in einer stattfinden als bei den Männern. Auch dies ist vor Partnerschaft lebte, die vor weniger als 20 Jahren allem auf die beiden oben genannten Gründe, also begonnen wurde. Nur 22 Prozent der Männer und das durchschnittliche höhere Alter des männlichen sogar lediglich 17 Prozent der Frauen haben ihre Partners bei gleichzeitig höherem Sterblichkeitsrisi- aktuelle Partnerschaft im Alter von 40 Jahren oder ko bei Männern, zurückzuführen. Bei den Übergän- später begonnen. Die Ergebnisse sprechen somit da- gen von einer Partnerschaft in die Partnerlosigkeit für, dass dauerhafte Partnerschaften, die bereits seit handelt es sich zu 80 Prozent um eine Verwitwung. In mehreren Jahrzehnten bestehen, im Rentenalter den nur fünf Prozent liegt der Beendigung einer Partner- Normalfall darstellen. schaft eine Scheidung zu Grunde, bei 15 Prozent der Abb. 12: Dauer der Partnerschaft nach Geschlecht, 2019 (in Prozent) Anmerkung: In der dritten Welle (2019) wurde die Frage nach der Dauer der Partnerschaft gestellt: „Seit welchem Jahr sind Sie und Ihr/e Partner/in bereits zusammen?“ Die Befragten konnten sowohl ihr eigenes Alter als auch die Jahreszahl oder die Dauer in Jahren angeben. Diese Angaben wurden in Dauer der Partnerschaft in Jahren umgerechnet und für die obige Abbildung in Kategorien eingeteilt. 25
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