Wie wir das Klima schützen und eine sozial gerechte Mobilitätswende umsetzen können
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Impressum Herausgeber Verfasser AWO Bundesverband e. V. Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende Blücherstraße 62, 10961 Berlin April 2021 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. Autorinnen und Autoren (BUND) Dr. Ruth Gütter, Jens Hilgenberg, Alexander Kaas Elias, Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin Steffen Lembke, Fabian Müller-Zetzsche, Volker Nüsse, Lena Osswald, Daniel Rieger, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Johannes Rußmann, Dr. Ines Verspohl Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Redaktion Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Lena Osswald, Hannes Külz Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover Gestaltung IG Metall construktiv GmbH, Bremen Wilhelm-Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt Illustration NABU (Naturschutzbund Deutschland) e. V. Elisabeth Deim, Dresden NABU-Bundesverband Charitéstraße 3, 10117 Berlin Lektorat Fabian Kreß, Berlin Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) Bundesgeschäftsstelle Stralauer Straße 63, 10179 Berlin Sozialverband VdK Deutschland e. V. Linienstraße 131, 10115 Berlin ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin VCD – Verkehrsclub Deutschland e. V. Bundesgeschäftsstelle Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende Wallstraße 58, 10179 Berlin wird gefördert von der Stiftung Mercator. 2
Inhalt Executive Summary................................................. 4 Breites Bündnis: Die Mobilitätswende geht uns alle an.............. 8 Unsere Vision: Eine gute Mobilität für alle........................13 Handlungsbedarfe für eine sozialverträgliche Mobilitätswende.......19 Dimension 1: Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe............... 19 Aktuelle Situation: Nicht alle Menschen haben Zugang zu attraktiver klimafreundlicher Mobilität...... 19 Was jetzt zu tun ist.......................................................................................................................................22 Dimension 2: Mobilität trägt zu Lebensqualität und Gesundheit bei.................................................. 30 Aktuelle Situation: Die Auswirkungen des Verkehrs belasten Lebensqualität und Gesundheit.............30 Was jetzt zu tun ist.......................................................................................................................................32 Dimension 3: Mobilitätswirtschaft bringt Wohlstand und Beschäftigung........................................... 36 Aktuelle Situation: Die Mobilität ist im Strukturwandel, die politische Gestaltung ist mangelhaft........36 Was jetzt zu tun ist.......................................................................................................................................38 Dimension 4: Mobilitätswende braucht einen kulturellen Wandel...................................................... 43 Aktuelle Situation: Eine Kultur der Motorisierung und Beschleunigung...................................................43 Was jetzt zu tun ist.......................................................................................................................................44 Zentrale Handlungsempfehlungen für eine sozialverträgliche Mobilitätswende.................................47 Mitglieder im Bündnis............................................ 50 3
Executive Summary Wie kann eine sozial verschwinden lassen. Doch das stimmt so gerechte und ökologische nicht. Das gemeinsame Papier des Bünd- Mobilitätswende gelingen? nisses zeigt: Klimaschutz und soziale Ge- rechtigkeit schließen sich nicht aus, sondern Dieser Frage widmet sich das Bündnis sozi- ergänzen und bedingen sich mancherorts alverträgliche Mobilitätswende und formu- sogar. Eine klug gestaltete Mobilitätswende liert in diesem Papier konkrete Vorschläge. kann ökologisch und sozial gerecht sein. Das einmalige Bündnis aus Wohlfahrts- und Vier Dimensionen für die Sozialverbänden, Gewerkschaften, Umwelt- Verkehrswende verbänden und der Evangelischen Kirche in Deutschland vertritt viele Millionen Bürge- Das Bündnis hat vier Dimensionen identi- rinnen und Bürger in Deutschland. Alle Be- fiziert, in denen gehandelt werden muss: teiligten beschäftigen sich aus unterschied- Daseinsvorsorge, Lebensqualität und Ge- lichen Gründen mit dem Thema Mobilität sundheit, Mobilitätswirtschaft sowie Kultur- und sehen dringenden Handlungsbedarf. wandel. Darüber hinaus wurde die Finanzie- Dass der Verkehrssektor maßgeblich zum rung der Transformation intensiv diskutiert. Klimawandel beiträgt, ist unumstritten. Das Bündnis fokussiert sich in seiner Arbeit Gleiches gilt für die vielen negativen Aus- dabei auf die Personenmobilität. Innerhalb wirkungen auf Gesundheit und Lebensqua- der Dimensionen wurden Maßnahmen for- lität. Auch die vielfältigen Herausforderun- muliert, um die Mobilitätswende zu schaf- gen der Mobilitätswirtschaft sind bekannt. fen. Sicher ist: Der Verkehr von Menschen und Waren, wie er sich in den vergangenen 50 1. Mobilität muss als Teil der Daseinsvor- Jahren entwickelt hat, muss sich deutlich sorge anerkannt werden. Dafür müssen verändern. Dazu gehören Infrastrukturen, unter anderem folgende Schritte ergrif- Mobilitätsangebote, Wertschöpfungsmo- fen werden: delle, aber auch die Mobilitätskultur. • Ein attraktiver Umweltverbund muss Wie eine Mobilitätswende im Detail aber das Rückgrat der neuen Mobilität sein. gestaltet werden kann, darüber diskutieren Nötig sind ein Ausbau der Fuß- und Interessengruppen und Politik seit Langem – Radverkehrsinfrastruktur im gesamten ohne zu einer gemeinsamen Lösung zu Land. Der öffentliche Personennah- und kommen. Es besteht bei einigen die An- Fernverkehr muss mit besseren Infra- nahme, eine Mobilitätswende und weniger strukturen, regelmäßigen Takten und Verkehr würden Menschen aus der Gesell- bedarfsorientierten Angeboten überall schaft ausschließen, die individuelle Frei- im Land verfügbar werden. Neue Mobi- heit einschränken sowie die wirtschaftliche litätsangebote müssen sinnvoll in den Entwicklung einbrechen und Arbeitsplätze Umweltverbund integriert werden. 4
• Alle Verkehrsanbieter müssen gesetzlich deutlich reduziert werden, um die mittel- zu Barrierefreiheit verpflichtet und die und langfristigen Folgen des Klimawan- Umsetzung staatlich überprüft werden. dels abzumildern. Bestehende Nachteilsausgleiche für Personen mit Behinderungen müssen • Schadstoff- und Lärmemissionen müs- erhalten und wo notwendig ergänzt sen schnell und nachhaltig reduziert werden. werden, damit diese nicht länger der Gesundheit schaden. • Eine langfristige und umfassende Finan- zierung ist Grundlage für einen attrak- • Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung tiven Umweltverbund. Klimaschädliche und die Gestaltung von lebenswerten Subventionen müssen abgebaut, Steu- Wohngebieten müssen ergriffen wer- ern umgestaltet und vorhandene Mittel den, um die Lebensqualität zu erhöhen. unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Gleichzeitig muss eine soziale Woh- neu verteilt werden. nungspolitik umgesetzt werden, damit eine wachsende Lebensqualität nicht zu • Damit Mobilität für alle Menschen fi- Verdrängung führt. nanziell zugänglich ist, braucht es erschwingliche Tickets auch für Ge- • Um das Ziel von null Verkehrstoten ringverdienende und eine Erhöhung der („Vision Zero“) zu erreichen, müssen Regelsätze für Mobilität in der Grundsi- bauliche und organisatorische Maßnah- cherung. men für Sicherheit im Straßenverkehr ergriffen werden. Neben der objekti- • Versorgung und Mobilität müssen ven Sicherheit müssen diese auch das integriert geplant werden, um Wege zu Sicherheitsgefühl der Menschen ver- verkürzen. Versorgungsinfrastrukturen bessern, insbesondere für den Rad- und müssen verstärkt dezentrale und di- Fußverkehr. gitale Elemente umfassen, um einfach erreichbar zu sein, ohne lange Wege auf 3. Die Mobilitätswirtschaft trägt einen sehr sich nehmen zu müssen. großen Teil zu Beschäftigung und zum Wohlstand in Deutschland bei. Damit die 2. Das Verkehrssystem muss verändert Mobilitätswende nicht zu ökonomischen werden, damit Lebensqualität und oder sozialen Verwerfungen führt, son- Gesundheit nicht länger eingeschränkt dern der Mobilitätssektor auch zukünf- werden. Hierfür braucht es unter ande- tig ein zentraler Ort von Innovation und rem Folgendes: hochqualifizierten Arbeitsplätzen in der hiesigen Volkswirtschaft ist, braucht es • Die Treibhausgasemissionen müssen unter anderem Folgendes: mit dem Ziel der Klimaneutralität 5
• Die Transformation des Automobilsek- entsteht eine neue, klimaneutrale und tors muss industrie- und strukturpoli- wertschöpfende Mobilitätswirtschaft. tisch begleitet werden. Regionale Struk- turpolitik muss besonders betroffene 4. Für eine Mobilitätswende ist auch ein Regionen unterstützen. Kulturwandel nötig, der dem Auto eine kleinere Rolle als bislang zuweist. Dafür • Es braucht umfassende Weiterbildungs- braucht es Folgendes: initiativen und eine fortschrittliche Qua- lifikationspolitik, um Menschen für neue • Transparenz und Partizipation sind ein Anforderungen und neue Jobs weiterzu- wichtiger Teil des gemeinschaftlichen bilden. Wandels. Durch Beteiligung wird Akzep- tanz für die Mobilitätswende geschaf- • Für die gesamtwirtschaftliche Trans- fen. Zudem trägt sie dazu bei, dass sich formation muss eine vorausschauende neue Mobilitätsangebote an den Bedürf- Industriepolitik rechtliche Rahmen- nissen der Nutzenden orientieren. setzungen schaffen, die klimaneutrale Mobilität und emissionsarme Zukunfts- • Die neue Mobilitätskultur muss erlebbar technologien bevorzugen. werden. In Reallaboren können Men- schen Alternativen zum privaten Pkw im • Die Situation der Beschäftigten im öf- Alltag erfahren. fentlichen Verkehr muss deutlich ver- bessert werden. Dazu gehören höhere • Es braucht eine Kultur des Ausprobie- Löhne, mehr Beschäftigte und kürzere rens. Mögliche Lösungen müssen auf Arbeitszeiten. Im Bereich der neuen der Straße in temporären Anordnungen Mobilitätsdienstleistungen dürfen nicht erprobt und im Erfolgsfall verstetigt länger prekäre Arbeitsplätze entstehen. werden können. Temporäre Lösungen ermöglichen es auch, dass nachgebes- • Das Leitbild „Gute Arbeit“ muss im sert werden kann. gesamten Mobilitätssektor etabliert werden. Dazu zählt neben tariflicher • Sämtliche Unternehmen und Institutio- Absicherung und armutsfesten Löhnen nen müssen Mobilitätsstrategien ent- auch eine niedrigere Arbeitsbelastung wickeln und überlegen, wie ihre Kund- und -verdichtung. schaft, Mitarbeitenden, Gäste zukünftig nachhaltig zu ihnen kommen. • Mit der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe, dem Ausbau des Angebots von Fahrzeugen für den öffentlichen Verkehr sowie neuen Schwerpunkten auf Dienst- leistungen, Daten und Mikromobilität 6
Finanzierung Ein Auftrag an Politik, der Transformation Wirtschaft und Zivilgesellschaft Der Finanzbedarf für die Mobilitätswende ist hoch und die Zeit für öffentliche Inves- Die Forderungen sind ein dringender Auf- titionen drängt. Die Corona-Krise zeigt trag an die Politik – von Kommunen über uns, dass in Krisensituationen schnell und Landkreise und Länder bis zur Bundesre- eindeutig gehandelt werden kann. Auch im gierung, aber auch an Unternehmen, Or- Bereich der Mobilitätswende müssen jetzt ganisationen und letztlich jeden Einzelnen. Investitionen in großem Maße getätigt wer- Das Bündnis zeigt, dass es dafür bereits den. Jetzt auf diese Investitionen zu ver- große gesellschaftliche Unterstützung gibt. zichten, wird für kommende Generationen Deshalb gibt es keinen Grund, jetzt nicht deutlich teurer. schnell und entschlossen zu handeln. Innerhalb des Verkehrssektors bestehen vielfältige Möglichkeiten, Mittel umzu- schichten und neu zu generieren. Diese müssen schnellstmöglich genutzt wer- den. Das bereitstehende Budget für das Verkehrsministerium muss an Klima- und Nachhaltigkeitskriterien sowie sozialen Belangen ausgerichtet werden. Zudem müssen Steuern für besonders klima- schädliches Verhalten erhoben werden. Klimaschädliche Subventionen müssen abgeschafft werden. Dabei werden große Summen frei. Wichtig ist, dass diese Um- schichtungen und Investitionen sozialver- träglich geschehen. Die Gelder müssen in den Ausbau klimafreundlicher Mobilitätsan- gebote investiert werden, die allen Men- schen zugute kommen. Gleichzeitig müssen arme Menschen finanziell unterstützt wer- den, damit diese trotz möglicher Preisstei- gerungen weiterhin mobil sein können. 7
Breites Bündnis: Die Mobilitätswende geht uns alle an Das zivilgesellschaftliche Bündnis sozial- Nicht alle Menschen verträgliche Mobilitätswende ist ein Zusam- haben gleichen Zugang zu menschluss aus Wohlfahrts- und Sozialver- Mobilität. bänden, Gewerkschaften, Umweltverbänden und der Evangelischen Kirche Deutsch- Es gibt bei der Mobilität große Unterschiede lands.1 Gemeinsam vertreten sie viele Milli- zwischen Stadt und Land. Zudem werden onen Mitglieder in Deutschland sowie eine Menschen mit Behinderungen, Kinder, öko- Vielzahl haupt- und ehrenamtlich aktiver nomisch schlechter Gestellte und andere im Menschen, die sich zivilgesellschaftlich und aktuellen Mobilitätssystem benachteiligt. in den Unternehmen des Verkehrssektors Dies widerspricht dem Anspruch, dass alle engagieren. Menschen gleichen Zugang erhalten sollen. Trotz der sehr unterschiedlichen Arbeits- Der Verkehr hat große schwerpunkte der Beteiligten ist für alle die Auswirkungen auf die Mobilitätswende als Teil eines umfassenden Gesundheit – gerade für arme sozialökologischen Wandels eine der zentra- Menschen. len gesamtgesellschaftlichen Herausforde- rungen dieses Jahrzehnts, die aktiv begleitet Unfälle und Verkehrstote sind Alltag. Luftver- und mutig gestaltet werden will. Aus folgen- schmutzung, Lärm und Bewegungsmangel den Gründen halten sie eine Mobilitätswende machen Menschen krank. Menschen mit für unausweichlich: geringen Einkommen sind zudem deutlich häufiger von diesen negativen Auswirkungen Wir sind dabei, die betroffen. Und dass, obwohl sie nicht die- planetaren Grenzen zu jenigen sind, die diese Auswirkungen ver- überschreiten. ursachen: Sowohl in Deutschland als auch global verursachen Menschen mit geringen Die Emission von Treibhausgasen und Einkommen am wenigsten Emissionen. Schadstoffen, Flächenversiegelung und der Verlust von Biodiversität nehmen besorg- niserregend zu. Der Beitrag des Verkehrs- sektors zur ökologischen Krise ist immens: Seine Treibhausgas-Emissionen konnten seit 1990 nicht gesenkt werden. So können die Klimaziele von Paris nicht erreicht werden.2, i 1 Teil des Bündnisses sind: AWO Bundesverband e. V., Sozialverband Deutschland e. V., Sozialverband VdK Deutschland e. V., Deutscher Gewerkschaftsbund, IG Metall, ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V., Naturschutzbund Deutschland e. V., VCD Verkehrsclub Deutschland e. V., Evangelische Kirche in Deutschland. Die Arbeit des Bündnisses wird durch die Stiftung Mercator und die European Climate Foundation gefördert und unterstützt. 2 Das Abkommen von Paris ist ein 2015 von 197 Staaten geschlossenes globales Klimaschutzabkommen. Wichtigstes Ziel ist die Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad Celsius sowie Anstrengungen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels. 8
Die wirtschaftliche Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitäts- Transformation braucht eine wende eint der Wunsch, Brücken zu bauen aktive Strukturpolitik. und konstruktive Lösungsvorschläge in die öffentliche Debatte einzubringen, die Die Transformation des Mobilitätssektors Gemeinsamkeiten ausloten, statt Pola- hat Auswirkungen auf die Arbeitsplätze von risierungen zu verstärken. In bisherigen hunderttausenden Beschäftigten. Diese Debatten wurden soziale Ziele wie Arbeits- Veränderungen sind bereits in vollem Gan- platzsicherheit, Konsequenzen des Struk- ge. Ganze Regionen werden von den wirt- turwandels, eine Bewahrung von Kultur- schaftlichen Veränderungen betroffen sein. und Lebensgewohnheiten sowie soziale Ohne eine aktive Strukturpolitik wird es zu Gerechtigkeit in Konkurrenz zu ökologi- sozialen Verwerfungen kommen. schen Zielen gesehen. Die Arbeitsbedingungen Doch die Partner des Bündnisses sind der in Teilen der Mobilitäts- Auffassung, dass die Mobilitätsbedürfnisse wirtschaft sind schlecht. der Menschen mit den Erfordernissen des Klimaschutzes vereinbar sind und dass Die Sparmaßnahmen im öffentlichen eine Mobilitätswende zugleich mehr sozi- Verkehr haben zu Personalmangel und ale Gerechtigkeit und mehr Lebensqualität schlechten Arbeitsbedingungen geführt. in der gesamten Bevölkerung bedeutet. Zugleich entstehen tausende prekäre Sie sind überzeugt, dass es möglich ist, Arbeitsverhältnisse im neuen Mobilitäts- Deutschland mit seiner traditionell starken dienstleistungssektor.ii Es braucht eine Automobilindustrie emissionsfreier, klima- Wende hin zu sicherer und guter Arbeit. und umweltfreundlicher auszurichten und damit international beispielgebend für die Das heutige Mobilitätssystem Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Erfolg ist nicht mit Klima- und und Nachhaltigkeit zu sein. Nachhaltigkeitszielen vereinbar. Die Vielfalt des Bündnisses ist dabei seine Stärke. Die Verbände und Organisationen Mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung blicken nicht nur aus ihrer eigenen Pers- der Vereinten Nationen (SDGs) und den pektive auf die Mobilitätswende. Vielmehr Pariser Klimazielen hat sich die Staaten- versuchen sie, die Perspektiven aller Be- gemeinschaft eine klare Zielrichtung und teiligten als das gelten zu lassen, was sie Rahmensetzung gegeben, die auch für die sind: gleichermaßen berechtigte Anliegen, Mobilitätswende handlungsleitend sein die es bei einem Wandel ebenso zu berück- muss. Deutschland hat sich auf diese Ziele sichtigen gilt. verpflichtet und muss sie deshalb auch umsetzen. 9
Rund neun Monate hat sich das Bündnis Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitäts- mit vielfältigen Dimensionen von Mobilität wende hat sich bewusst auf die benannten beschäftigt. Die gemeinsame Arbeit hat Dimensionen fokussiert, um aufzuzeigen, gezeigt: Es gibt viele Gründe, für eine Mobi- dass soziale und ökologische Nachhal- litätswende aktiv zu werden. Alle haben viel tigkeit in der Mobilitätswende eng zu- zu gewinnen, wenn sie gut gelingt. Doch wir sammengehören. Für die identifizierten dürfen auch die Risiken des anstehenden Dimensionen werden jeweils die aktuellen Strukturwandels, wie mögliche Arbeitsplatz- Missstände beschrieben und Ideen aufge- verluste, nicht außer Acht lassen. führt, was jetzt zu tun ist. Zur Erweiterung des Horizonts wurden im Prozess verschiedene Personen eingeladen, um weitere gesellschaftliche Sichtweisen zur Mobilitätswende in unsere Diskussionen aufzunehmen.3 Dabei hat sich gezeigt, dass die vielfältigen Perspektiven zwar Konflikte mit sich bringen, diese jedoch alle lösbar sind. Nur der Blick von vielen Seiten auf ein Thema ergibt auch Lösungen für viele Inter- essen und Bedürfnisse. Die Zusammenarbeit des Bündnisses ver- steht sich daher als gemeinschaftlicher Ansatz, Transformation für alle zu gestal- ten. Sie zeigt auf: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit schließen sich in der Mobili- tätswende nicht aus. Sie ergänzen sich und bedingen sich mitunter sogar. Damit diese vielfältigen Themen bearbeitet werden können, muss die Mobilitätswende aus vielen Blickwinkeln betrachtet werden. In diesem Papier werden vier Dimensionen angeführt, in denen jetzt gehandelt werden muss.4 3 Die beteiligten Expertinnen und Experten sind am Ende dieses Papiers benannt. 4 Die vier Dimensionen zeigen nur einen Ausschnitt der gesamtgesellschaftlichen Transformationsaufgabe. Eine Veränderung des gesamten Verkehrssystems muss weitere Dimensionen bedenken, z. B. den für viele Emissionen verantwortlichen Güterverkehr oder die Modernisierung und Handlungsfähigkeit der Verwaltung. 10
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Unsere Vision: Eine gute Mobilität für alle Die Mobilitätswende kann nur gelingen, Sicherheit und Barrierefreiheit wurden wenn sie für alle Menschen in diesem Land überall umgesetzt. gestaltet wird. Sie muss die Mobilitäts- bedürfnisse der Menschen erfüllen und Viel mehr Menschen bewegen gleichzeitig Akzeptanz für die aus ökologi- sich zu Fuß, mit dem Rad schen und sozialen Gründen notwendigen oder dem öffentlichen Veränderungen schaffen. Wie kann eine Verkehr. Mobilität aussehen, die für alle gut ist? Un- sere Vision sieht so aus: Im gesamten Land ist sicherer Fuß- und Radverkehr möglich. Die Menschen fühlen Alle Menschen erhalten sich auf den Radwegen sicher und nutzen Zugang zu klimafreundlicher sie im Alltag selbstverständlich. Auf einem Mobilität. gut ausgebauten Radwegenetz zwischen Kommunen pendeln viele mit dem Fahrrad. Weite Teile Deutschlands sind mit Bussen Auch für sicheren Fußverkehr wurde ge- und Bahnen gut zu erreichen. Gerade in sorgt. Die Gehwege wurden verbreitert und ländlichen Gebieten ist das Angebot stark bieten ausreichend Platz. Viele Menschen verbessert worden. Für alle Menschen, gehen gern zu Fuß. Auch Bahnen und Bus- unabhängig von Wohnort, finanziellem oder se können zu Fuß oder mit dem Rad nun gesellschaftlichem Hintergrund, Behinde- einfacher erreicht werden. rung, Mobilitätseinschränkung oder Alter ist Mobilität erschwinglich, leicht zugäng- Viel mehr Menschen in Deutschland kön- lich und einfach zu nutzen. Alle Menschen nen sich ohne eigenen Pkw versorgen und sind so mobil, dass sie am gesellschaftli- bewegen. Zwar schätzen Menschen wei- chen Leben teilhaben und sich einbringen terhin den Komfort und die Flexibilität eines können. privaten Pkw, doch das Automobil hat eine eingeschränktere Rolle im Mobilitätssys- Die Politik begreift Mobilität als Daseins- tem gefunden. Es werden deutlich weniger vorsorge und handelt entsprechend. Der Wege mit dem privaten Pkw zurückgelegt. öffentliche Nah- und Fernverkehr wurde Autos befördern meist mehr als eine Per- als Rückgrat der Mobilität gestärkt und son oder werden gemeinschaftlich genutzt. gleichzeitig durch die Integration neuer Alle Kraftfahrzeuge sind zudem emissions- Mobilitätsangebote flexibler. Wo es sinnvoll frei unterwegs. Da die erneuerbaren Ener- ist, ergänzen Rufbusse, geteilte Fahrzeuge, gien stark ausgebaut wurden, fahren die Leihfahrräder oder Ähnliches das Angebot. Fahrzeuge weitgehend klimaneutral. Politik und Verwaltung haben dafür ge- sorgt, dass alle Mobilitätsangebote ökolo- gisch nachhaltig und allgemein zugänglich sind. Die staatlichen Anforderungen an 13
Es gibt keine Barrieren mehr Kinder und Jugendliche können selbstbe- und mehr Menschen können an stimmt mobil sein. Sie kommen allein zur der Mobilität teilhaben. Schule oder zum Sport, da sie auf sicheren Rad- und Gehwegen unterwegs sind. Auch Es gibt keine Barrieren mehr im öffent- können sie den gut ausgebauten öffentli- lichen Verkehr und Straßenraum. Das chen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen. bedeutet nicht nur, dass alles mit dem Rollstuhl erreichbar ist, sondern auch, Die neue Mobilität hat dass Ticketkauf, Informationssysteme neue attraktive Lebensräume und digitale Angebote für alle Menschen geschaffen. zugänglich sind sowie dass sich jeder im öffentlichen Verkehr orientieren und Um- Der Vision, dass niemand mehr im Straßen- steigehilfen nutzen kann. verkehr stirbt, ist die Gesellschaft deutlich nähergekommen. Viel weniger Menschen Ob zu Fuß, im Rollstuhl, auf dem Senio- geraten in Verkehrsunfälle und werden da- renmobil oder im öffentlichen Verkehr: bei verletzt oder getötet. Die Verkehrspolitik Menschen mit Behinderungen und Mo- konzentriert sich nicht mehr auf das Auto, bilitätseinschränkungen können selbst- sondern gibt dem Umweltverbund5 aus bestimmt und ohne Hürden an allen Ver- Geh- und Radwegen sowie öffentlichem kehrsformen teilhaben. Sie brauchen keine Nahverkehr wesentlich mehr Gewicht. Da- separaten Fahrdienste mehr, um spontan bei wurde der Raum des Autos zugunsten mobil zu sein. Dadurch können sie besser des Umweltverbunds eingeschränkt. am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie können auch neue Mobilitätsdienstleis- Kreuzungen wurden umgebaut und Un- tungen nutzen, da diese barrierefrei ange- fallschwerpunkte entschärft. Straßen boten werden. Störungen im öffentlichen wurden umgestaltet und so Platz für Grün- Personenverkehr sind kein Problem mehr, flächen und Bäume geschaffen. Überall da stets barrierefrei informiert und schnelle können Straßen sicher überquert werden. Hilfe angeboten wird. Die Menschen treffen sich wieder gern in Straßen und auf Plätzen, die zum Verweilen Auch wenn das Verkehrssystem sich zu- einladen. Die Luftqualität hat sich merklich nehmend vernetzt hat, wurden überall verbessert und die mit Luftverschmutzung analoge Zugänge, wie Schalter mit persön- zusammenhängenden Erkrankungen sind lichen Ansprechpersonen, belassen. Auch drastisch zurückgegangen. Die Autos sind Angebote wie Carsharing können ohne langsamer unterwegs, wodurch es weniger Smartphone oder Internetzugang genutzt Verkehrslärm gibt und das Fahren ent- werden. spannter und sicherer ist. 5 Umweltverbund bezeichnet die umweltfreundlichen Verkehrsformen Radverkehr, Fußverkehr und öffentlicher Verkehr. 14
Die Verkehrsplanung Recycling von Batterien, in Technologi- berücksichtigt soziale, en zur Energiespeicherung oder in der ökologische und gesund- branchenübergreifenden Wasserstoff- heitliche Folgen. wirtschaft. Sie wurden dabei durch eine umfassende Weiterbildungspolitik unter- Die sozialen, ökologischen und gesund- stützt und die Transformation verlief ohne heitlichen Folgen des Verkehrs werden bei größere Einbrüche. Auch der Ausbau des der Planung von Verkehr und der Vertei- Schienenverkehrs und des öffentlichen lung von Geld für Investitionen immer mit- Personennahverkehrs hat neue Arbeits- berücksichtigt. Verkehrsträger, die beson- plätze geschaffen. ders viele negative Auswirkungen haben, werden nicht länger bevorzugt. Autos sind Die Mobilitätswirtschaft ist Teil einer weiterhin verfügbar, die Menschen haben emissionsfreien Wirtschaft. Diese erfüllt jedoch auch attraktive Alternativen. Denn Mobilitätsbedürfnisse ohne wesentliche im Vergleich zum Auto ist es günstiger Beeinträchtigung von Mensch und Na- geworden, den Umweltverbund zu nutzen, tur. Neue Mobilitätsmodelle machen dies der nun überall verfügbar ist. möglich. Deutschland entwickelt und exportiert solche ökologisch verträglichen Geht es um Mobilität, werden immer alle Mobilitätsangebote weltweit. Menschen mitgedacht. Sich fortzube- wegen und am gesellschaftlichen Leben In der gesamten Mobilitätswirtschaft teilzunehmen, ist keine Frage des Einkom- gibt es gute Arbeitsbedingungen. Alle mens mehr. Armut ist auch kein Grund zukunftsfähigen Geschäftsfelder bieten mehr, von Autolärm und Abgasen beson- gut abgesicherte Arbeitsplätze. Diese ders betroffen zu sein. sind sozialversicherungspflichtig, tarif- gebunden und die Beschäftigten erwartet Eine zukunftsfähige, durch ihren guten Lohn eine armutsfeste ökologische Wirtschaft Rente. Die Personaldecke ist überall aus- bietet gute Arbeit und reichend und Überstunden gehören der sinnvolle Beschäftigung. Vergangenheit an. Jobs im öffentlichen Personenverkehr sind begehrt und hoch Die Mobilitätswende hat eine andere, angesehen. aber ebenfalls stabile klimaneutrale Mobi- litätswirtschaft hervorgebracht, mit aus- Es entstehen lebenswerte reichenden und guten Beschäftigungs- Regionen mit starken perspektiven. Viele Menschen haben im Strukturen. Bereich klimaneutraler Antriebe und neuer Mobilitätslösungen Arbeit gefunden, Unternehmen, Gewerkschaften, Betriebs- außerdem in der Fertigung und dem räte und Politik handeln gemeinsam und 15
konsequent, um negative soziale Auswir- Versorgungsangebot. Durch die Stärkung kungen der wirtschaftlichen Veränderun- regionaler Infrastrukturen sowie durch Di- gen zu vermeiden. Soziale Spaltungen gitalisierung, flächendeckendes, schnelles wurden verhindert und das Zusammenge- Internet und neue Arbeitsmodelle wurde hörigkeitsgefühl gestärkt. Besonders vom der Pendelverkehr reduziert. Gerade länd- Strukturwandel betroffene Regionen ha- liche Räume haben dadurch an Lebens- ben öffentliche Unterstützung erhalten. Es qualität gewonnen. konnten neue Industrien angesiedelt und neue, nachhaltige regionale Wertschöp- Eine neue Einstellung fung aufgebaut werden. In der Transfor- gegenüber Mobilität und mation wurden regionale Lieferketten Verkehr gestärkt. Dadurch wurde das Wachstum überregionaler Güterverkehre gebremst. Die Bedeutung des eigenen Autos hat abgenommen, weil Bus und Bahn sowie Während in einigen Industrien die Zahl der Rad- und Gehwege gut verfügbar sind. Arbeitsplätze zurückging und sozialver- träglich reduziert wurde, konnten durch Autos sind kleiner und weniger stark Innovationsförderung neue Betriebe aus motorisiert, mit einer veränderten kultu- verschiedenen Sektoren angesiedelt und rellen Bedeutung aufgeladen und allesamt damit auch neue Beschäftigungsmög- CO�-frei und emissionsarm unterwegs. lichkeiten geschaffen werden. So wurde Wer heute ein eigenes Auto kauft, legt verhindert, dass Menschen und Versor- Wert auf klimaneutrale Antriebe, Sicher- gungsinfrastrukturen abwanderten. Eine heit, Recyclingfähigkeit, neues Design veränderte Stadt- und Regionalplanung und digitale Funktionen. Viele ehemals ermöglicht es, ohne lange Wege zu arbei- automobile Alltagsvorgänge werden ten, einzukaufen und sich zu erholen. Wo heute anders erledigt. Beim Transport möglich, wurden Wege verkürzt oder wer- von Dingen setzen viele Menschen auf den vermieden. Das trägt zur Entschleuni- Leihfahrzeuge. Zusätzlich bieten barriere- gung des Lebens bei. freie Taxis und barrierefreie Sharing- und Pooling-Angebote6 7 sowie E-Lastenräder , An dezentralen Knotenpunkten wurden kluge Lösungen für den Transport auch wichtige Angebote der Daseinsvorsorge sperriger Gegenstände. gebündelt. Solche Knotenpunkte sind überall gut mit dem ÖPNV zu erreichen. Die Aggressivität im Straßenverkehr hat Wo es sinnvoll ist, ergänzen digitale Ange- deutlich abgenommen. Die Menschen bote die regionalen Infrastrukturen, zum nehmen Rücksicht aufeinander. Es wur- Beispiel für Behördengänge. Mobile Su- den viele Maßnahmen für mehr Sicherheit permärkte und Bibliotheken ergänzen das im Verkehr umgesetzt. 6 „Sharing“ beschreibt die geteilte Nutzung von Fahrzeugen. Beim Bike-Sharing oder Car-Sharing werden Fahrräder oder Autos für bestimmte Zeiträume verliehen. Dadurch braucht es kein eigenes Fahrzeug mehr, um dieses nutzen zu können. Ride-Sharing hingegen beschreibt die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen durch Fahrgemeinschaften. 7 „Pooling“ ist eine Form der Personenbeförderung. Dabei werden Routen von Fahrgästen so zusammengelegt, dass sie gemeinsam befördert 16 werden können. Dadurch werden Einzelfahrten eingespart.
Gesellschaftliche Mobilität in Deutschland ist zur Jahrhun- Prioritäten neu gesetzt dertmitte klimaneutral geworden. Auch an- dere Staaten haben dieses Ziel erreicht. Die Mobilität steht weiterhin für Lebensqualität, weltweiten Emissionen durch den Verkehr doch das Bewusstsein für negative Um- sind stark zurückgegangen. Deutschland weltfolgen ist sehr ausgeprägt. Unnötige, wurde durch seine zukunftsgewandte Mo- freudlose und rücksichtslose Mobilität hat bilitätswende zum Vorbild für andere Län- sich drastisch reduziert. Eine regionale der. Nach der Energiewende ist damit auch Reise- und Urlaubskultur hat einen nach- die Mobilitätswende ein Exportprodukt. haltigen und emissionsfreien Tourismus gestärkt. In ganz Europa wurde ein Nacht- zugnetz aufgebaut. Es fahren grenzüber- schreitend gut aufeinander abgestimmte Fernzüge, die das Reisen mit der Bahn attraktiver machen. So werden auch weiter entfernte Orte klimafreundlich erreichbar. Daneben ist auch der Busfernverkehr im Vergleich zum Flugzeug und zum privaten Pkw eine emissionsarme Alternativeiii. Die Anbieter führen keinen Preiskampf mehr, der zu Mängeln bei der Sicherheit und schlechten Arbeitsbedingungen führt. Das setzt die richtigen Anreize, sich nur noch klimafreundlich fortzubewegen. So- wohl Dienstreisen als auch private Reisen werden daher nun klimafreundlich absol- viert. Die Mobilitätswende wurde zu einem ge- sellschaftlichen Gemeinschaftsprojekt und wird von vielen Menschen unterstützt. Dies wurde auch möglich, weil die Betroffenen umfangreich beteiligt wurden.
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Handlungsbedarfe für eine sozialverträgliche Mobilitätswende Dimension 1: Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Ohne sie Da er in der Verantwortung der Länder können Menschen weder an der Arbeits- und Kommunen liegt, wird er aber zu welt, an Bildung und an der Kultur teilneh- selten über Ländergrenzen oder die men, können keine sozialen Kontakte pfle- Grenzen von Verkehrsverbünden hinweg gen, sich nicht erholen und keine anderen gedacht. Fahrten mit dem öffentlichen Länder besuchen. In einer demokratischen Nahverkehr dauern oft lang und sind Gesellschaft muss Mobilität daher für alle kompliziert. Die Ticketsysteme sind gleichermaßen möglich sein. Der tech- unübersichtlich, uneinheitlich und nur nische Fortschritt im vergangenen Jahr- wenige Schalter mit persönlichen An- hundert hat nicht dazu geführt, dass der sprechpersonen vorhanden. In Bussen Zugang zu Mobilität gerecht verteilt ist. Der und Bahnen entstehen Konflikte, weil Staat hat aber im Rahmen der öffentlichen sie zu Stoßzeiten oft überfüllt sind und Daseinsvorsorge die Aufgabe, diskriminie- es zudem zu wenig Platz für Rollstühle rungsfreien Zugang zu lebensnotwendigen und Rollatoren, Fahrräder und Kinder- Gütern und Dienstleistungen zur Verfügung wagen gibt. zu stellen. Dazu gehört auch der öffentli- che Verkehr. Um dieser Aufgabe gerecht • Der Fußverkehr wird nicht ausreichend zu werden, müssen die notwendigen Maß- als eigenständige Verkehrsart wahr- nahmen getätigt und die finanziellen Mittel genommen. Fußwege sind häufig nur bereitgestellt werden. In den vergangenen die Restgröße von Straßen, Radwegen Jahrzehnten stand der Straßenverkehr im oder Parkplätzen. Sie sind oft zu schmal Mittelpunkt der Verkehrspolitik. Das muss und uneben. Ampelschaltungen sind zu sich ändern. kurz und nicht auf Fußgängerinnen und Fußgänger ausgerichtet. Aktuelle Situation: Nicht alle Menschen haben • Ein flächendeckendes Netz sicherer Zugang zu attraktiver Radwege ist nicht vorhanden. Gerade klimafreundlicher Mobilität. für längere (Pendel-)Strecken not- wendige kreuzungsfreie und getrennte Der Umweltverbund aus Rad-, Fuß- und Wege sind selten. Viele Radfahrende öffentlichem Verkehr ist nicht attraktiv fühlen sich im fließenden Autoverkehr genug. unsicher. • Der öffentliche Verkehr soll die flächen- deckende Versorgung sicherstellen. 19
• Mobilität wird nicht als integriertes Die Prioritäten in der Finanzierung von System geplant. Stattdessen werden Mobilität sind falsch gesetzt. parallele Angebote und neue Mobilitäts- dienstleistungen geschaffen, die den • Der Bundesverkehrswegeplan ist das Umweltverbund derzeit nicht sinnvoll zentrale Instrument für die Verkehrs- ergänzen und ihm zum Teil sogar zuwi- wegeplanung. Ein wesentlicher Teil der derlaufen. dort vorgesehenen Investitionen für den Neubau ist für Autobahnen und Bun- • Sharing- und Pooling-Angebote sind desstraßen eingeplant.8, v Zudem werden nicht flächendeckend und oft nicht Straßenverkehr und Flugverkehr über barrierefrei zugänglich. Meist enden Subventionen und Finanzinstrumen- die Nutzungszonen am Rand der In- te massiv unterstützt. Derweil wurde nenstädte. Gleichzeitig sind Parkplät- der öffentliche Personenverkehr in den ze billig. Das Autofahren wirkt daher vergangenen Jahrzehnten einem harten komfortabler und günstiger. Die Folge Sparkurs unterworfen und Schienenin- sind zugeparkte Innenstädte und Park- frastruktur abgebaut. suchverkehre. Gleichzeitig werden neue Mobilitätsangebote in Innenstädten • Es besteht hoher Finanzbedarf und parallel zur guten ÖPNV-Struktur ange- Investitionsstau im ÖPNV, Schienenper- boten und erhöhen so unnötigerweise sonenfern- sowie Schienengüterver- das Verkehrsaufkommen.iv kehr. Auch fehlen die Planungskapazi- täten in Verwaltungen, um Bahn-, Bus-, • Der für eine flächendeckende und Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur in klimagerechtere Mobilität notwendige der notwendigen Geschwindigkeit und qualitative und quantitative Ausbau Qualität bauen zu können. des ÖPNV droht zu scheitern, weil das Personal fehlt. Das liegt auch an den Der Zugang zu Mobilität und unattraktiven Arbeitsbedingungen: gesellschaftlicher Teilhabe ist geringe Gehälter, Schichtdienst, lange ungerecht verteilt. Arbeitszeiten und Wochenendarbeit ohne angemessenen Ausgleich. • Das unzureichende Angebot des öffent- lichen Personennahverkehrs hat eine dramatische Folge: Derzeit gibt es im bundesweiten Durchschnitt 1,1 Pkw pro Haushalt.vi Insgesamt sind in Deutsch- land 47,7 Millionen Pkw zugelassen, 8 Vom Gesamtvolumen des BVWP 2030 (Neubau & Erhalt) entfallen auf den Verkehrsträger Straße 49,3 Prozent, auf die Schiene 41,6 Prozent und auf die Wasserstraße 9,1 Prozent der Mittel. Für Aus- und Neubauprojekte (2016 bis 2030) beträgt der Anteil der Straße 53,6 Prozent, der Schiene 42,1 Prozent und der Wasserstraße von 4,3 Prozent. [Bundesverkehrswegeplan 2030, Seite IV] 20
das sind 575 Pkw auf 1.000 Personen.vii von 14,8 Kilometer im Jahr 2000 auf Besonders erschreckend ist, dass diese 16,9 Kilometer im Jahr 2018 verlängert. Zahl kontinuierlich ansteigt. 2010 waren Inzwischen pendeln hierzulande statt es noch 511 Pkw auf 1.000 Personen. 14,9 Millionen (2000) schon 19,3 Millio- Das macht einen Anstieg von rund 12,5 nen Personen (2018).x Prozent innerhalb von zehn Jahren.viii • Für Kinder und Jugendliche sind Rad- • Viele Menschen auf dem Land können fahren und zu Fuß gehen oft gefährlichxi ihre Einkäufe nicht mehr im Ortskern Ohne Bus und Bahn bleiben sie lange erledigen, sondern nur noch am Orts- auf ihre Eltern oder Freunde mit Führer- rand oder in Nachbarorten. Ein eigener schein angewiesen. Pkw ist für eine selbstbestimmte Teilha- be zu oft unverzichtbar. Menschen, die Vielfältige Barrieren erschweren den nicht oder nicht mehr Auto fahren oder Zugang zu Mobilität. sich keinen eigenen Pkw leisten können, haben oft keinen Zugang zu Nahversor- • Der Ausbau des ÖPNV und des regiona- gung, ärztlicher Versorgung, Kultur und len Schienenverkehrs ist unzureichend. Bildung. Teilweise werden Angebote trotz not- wendiger Mobilitätswende sogar abge- • Falsche Prioritäten haben dieses Pro- baut. Strecken werden nicht ausgebaut, blem verstärkt. Seit der Bahnreform Verkehrszeiten sind begrenzt, die Tak- 1994 wurden rund 2.700 Kilometer tung sowie die Barrierefreiheit der An- Schienen für den Personenverkehr gebote nicht gegeben. Auch wenn das und rund 6.000 Kilometer für den Gü- Angebot nicht verbessert wird, steigen terverkehr abgebautix. Viele ländliche die Preise jedes Jahr weiter an. Regionen sind vom Schienennetz ab- geschnitten. Neue Mobilitätsangebote • Mobilität ist für viele Menschen mit fehlen hier meist gänzlich. Die Spaltung hohem Aufwand verbunden. Fahrzeuge, zwischen städtischen und ländlichen (Bus-)Bahnhöfe und Internetangebote Räumen verstärkt sich. sind voller Barrieren. Es fehlen ebener- dige Einstiege und Blindenleitsysteme. • Innerhalb der Städte setzt sich diese Fahrstühle sind kaputt, Bordsteinabsen- Spaltung fort. Steigende Mieten ver- kungen zugeparkt, Gehwege blockiert. drängen immer mehr Menschen aus Es gibt kaum Taxis, die einen Rollstuhl den Innenstadtvierteln an die Stadt- mitnehmen können. Hinzu kommen ränder, in Siedlungen mit oft unzurei- komplizierte Ticketsysteme, schwer chendem ÖPNV-Anschluss. Hohes verständliche Fahrgastinformationen Verkehrswachstum ist die Folge. Die und selten persönliche Ansprechperso- Pendelstrecken haben sich im Schnitt nen. Die Nutzung von Umsteigehilfen an 21
Bahnhöfen ist kompliziert. Bei Zugaus- deutlich stärker gestiegen als für den fällen fehlen barrierefreie Informationen Autoverkehr.xv Trotzdem wird das Auto- und Hilfestellungen. fahren weiter steuerlich gefördert, zum Beispiel durch das Dienstwagenprivileg • Diese Barrieren betreffen sehr vie- oder verbilligten Dieselkraftstoff. le Menschen. So lebten Ende 2019 in Deutschland rund 7,9 Millionen Schwer- • Finanzielle Ausgleiche für die Nutzung behinderte, 58 Prozent davon mit einer von Mobilität wie die Pendlerpauschale körperlichen Behinderung, 4 Prozent sind nicht für alle Menschen gleich zu- davon sehbehindert oder blind.xii 18,1 gänglich. Menschen mit geringem Ein- Millionen Menschen waren 65 Jah- kommen haben darauf keinen Zugriff.9,xvi re und älter, also rund 21 Prozent der Gesamtbevölkerung.xiii Auch gibt es in • Lärm und Abgase belasten vor allem Deutschland rund 2,3 Millionen Kinder, arme Menschen gesundheitlich, da sie die drei Jahre oder jünger sind und von häufiger an viel befahrenen Straßen vielen der Barrieren direkt betroffen.xiv wohnen.xvii Gleichzeitig sind sie für we- niger Emissionen verantwortlich.xviii Sie Mobilität ist teuer und die negativen leiden deshalb gleich mehrfach unter Auswirkungen sind ungleich verteilt. vom Verkehr verursachten negativen Auswirkungen. • Mobilität ist für Menschen mit geringem Einkommen oft zu teuer, ein eigenes Was jetzt zu tun ist Auto unerschwinglich. Die regulären Ticketpreise für den öffentlichen Nah- Allen Menschen klimafreundliche verkehr sind teuer, Sozialtickets nicht Mobilität ermöglichen überall verfügbar und teils teurer als das in der Grundsicherung für Mobilität • Regelsätze in den Sozialleistungen vorgesehene Budget. Der Fernverkehr erhöhen: Die aktuell in den Sozial- ist für viele Menschen mit wenig Geld leistungen vorgesehenen Regelsätze nur über komplizierte Sparpreise und für Mobilität sind zu niedrig. Sie rei- Sonderaktionen mit Zugbindung be- chen nur in wenigen Kommunen für zahlbar. Normalpreise auf der anderen ein Sozialticket, geschweige denn für Seite sind teuer. die Anschaffung eines Fahrrads oder die Nutzung von Carsharing. Maßstab • Die Preise für den öffentlichen Verkehr muss zukünftig sein, welcher Betrag für sind in den vergangenen Jahren die Teilhabe am Leben und den Zugang 9 Die Pendlerpauschale wird auf das zu versteuernde Einkommen angesetzt. Dadurch profitieren Menschen mit hohem Verdienst – und hoher Steuerlast – deutlich mehr von dieser Möglichkeit. Wer wenige oder keine Steuern zahlt, erhält hingegen auch keine finanziellen Vorteile und trägt die Kosten des Pendelns allein. 22
zu klimafreundlicher Mobilität notwen- Buchungen per Telefon und der klassi- dig ist. Auch für Menschen, die an der sche Ticketkauf am Automaten, Schal- Armutsgrenze leben und dennoch keine ter oder beim Servicepersonal müssen Regelleistungen beziehen, muss hier weiterhin möglich sein. eine unbürokratische Lösung gefunden werden. • Mobilität mit weniger Verkehr ermög- lichen und emissionsfreie Teilhabe • Barrierefreiheit überall mitdenken und sichern: Auch Freizeit und Erholung Nachteilsausgleiche garantieren: Die sowie der Zugang zu Kultur und Bildung Mobilitätswende muss mögliche Aus- sind wichtig für ein gutes Leben. Ver- wirkungen für Menschen mit Behinde- meidbare Wege müssen reduziert oder rungen und Mobilitätseinschränkungen klimafreundlicher zurückgelegt werden. mitdenken. An der Umsetzung sind die Beispielhaft zu nennen sind Kurzstre- Betroffenen zwingend zu beteiligen. ckenflüge oder mehr Videokonferenzen Dabei geht es um die Infrastruktur und statt Dienstreisen. Gleichzeitig soll um barrierefreie Fahrzeuge sowie Mit- gesellschaftliche Teilhabe emissionsfrei nahmemöglichkeiten für Kinderwagen, möglich und für alle bezahlbar sein. Rollstühle, Rollatoren. Auch Gepäck muss barrierefrei transportiert werden Wege verringern und Versorgung und gutes können. Alle öffentlichen und privaten Leben ermöglichen Verkehrsanbieter müssen gesetzlich zu Barrierefreiheit verpflichtet und durch • Kurze Wege ermöglichen: Bei der Pla- staatliche Stellen überprüft werden. Be- nung und Genehmigung neuer Sied- stehende Nachteilsausgleiche müssen lungsstrukturen muss der Anschluss erhalten bleiben.10 Wo Nachteilsaus- an den öffentlichen Verkehr Vorausset- gleiche fehlen, müssen diese ergänzt zung sein. Eine gestärkte Stadt- und werden. Regionalplanung muss das Ziel verfol- gen, dass das Leben in Quartieren mit • Preise verständlicher und die Buchung gemischter Nutzung sowie mit kurzen von Tickets einfacher gestalten: Alle Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten, Ver- Dienstleister müssen Ticketkäufe und sorgen und Erholen für alle Einkommen Buchungen auf verschiedenen Wegen bezahlbar wird. ermöglichen. Digitale Angebote wie Webseiten und Apps müssen durch In- • Erzwungene Mobilität verringern: formationskampagnen und Schulungen Erzwungene Mobilität muss durch zugänglicher werden. Aber auch dezentrale Zugänge zu Ämtern, 10 Menschen mit Behinderungen erhalten Nachteilsausgleiche, um Aufwände und Nachteile, die mit der Einschränkung einhergehen, auszugleichen. Im Bereich der Mobilität gehören dazu z. B. die Nutzung von Bussen und Bahnen im Nahverkehr mittels einmalig erwerbbarer Wertmarken oder die Nutzung von Behindertenparkplätzen. 23
die wohnortnahe Ansiedelung von Rahmen erforderlich. Co-Working- Supermärkten und Ärzten, aber auch Spaces, auch im ländlichen Raum, durch Versorgung mit bezahlbarem sorgen nicht nur für weniger Verkehr, sie Wohnraum und Gewerbeflächen ver- können diese Regionen insgesamt stär- ringert werden. Wo die lokale Versor- ken. Zentral ist flächendeckend schnel- gung (auch digital) gesichert und kli- les Internet mit Glasfaser-Standard. mafreundliche Mobilität vorhanden ist, sollten zuerst Maßnahmen zur Redukti- Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr im on des Pkw-Verkehrs getroffen werden. ganzen Land ausbauen Gerade urbane Gebiete können hier vorangehen. • Fußverkehr als eigenständige Verkehrs- art stärken: Es braucht eine bundeswei- • Neue Ideen für die regionale Versor- te Strategie für sichere und barrierefreie gung umsetzen: In vielen kleineren Gehwege. Sowohl in städtischen als Gemeinden fehlt die Grundversorgung. auch in ländlichen Räumen muss mehr Ein Ansatz ist die Bündelung öffentli- für den Fußverkehr getan werden. Geh- cher und privater Angebote für Mobilität wege müssen breit genug und gera- und Versorgung an Knotenpunkten mit de auf vielbefahrenen Strecken vom ÖPNV-Anschluss (z. B. Bahnhöfe). Dort Radverkehr getrennt sein. Sie müssen können Postdienste, regionale Lebens- ergänzt werden um fußgängerfreund- mittelversorgung, Co-Working-Spaces, liche Ampelschaltungen, damit es für Ämter, ärztliche und therapeutische alle möglich ist, die Fahrbahn sicher zu Versorgung und Sharing-Angebote an überqueren. Während es in der Stadt oft einem Ort zusammengebracht werden. Konflikte um die Nutzung des öffentli- Diese analogen Versorgungsknoten- chen Raums gibt, steht auf dem Land punkte sollten um barrierefreie digitale mehr Sicherheit, z. B. durch ausreichen- Angebote ergänzt werden, zum Beispiel de Beleuchtung, im Vordergrund. für Behördengänge oder ärztliche Re- zepte. Mobilitäts- und Regionalplanung • Radverkehrsnetz überall ausbauen: sollten mit der Wirtschaftsförderung in- Damit mehr Menschen das Fahr- tegrierte Ansätze verfolgen. Auch Frei- rad nutzen, braucht es Radwege, zeiteinrichtungen für unterschiedliche auf denen sich alle sicher fühlen Altersgruppen müssen für Menschen und es auch sind. Sichere, baulich ohne Auto erreichbar sein. vom motorisierten Verkehr getrenn- te Radwege, beleuchtete und sichere • Arbeit von zu Hause ermöglichen: Für Radabstellflächen/-anlagen, Fahrrad- gutes Arbeiten im Homeoffice ist nicht parkhäuser und Ladesäulen für E-Bikes nur Infrastruktur (Arbeitsplatz, stabiles an Knotenpunkten des ÖPNV stärken Netz), sondern auch ein rechtlicher die Verknüpfung des Umweltverbunds. 24
Kreuzungen müssen umgestaltet wer- • Erreichbarkeit verbessern und Taktung den, Abbiege-Assistenten für große erhöhen: Die Anbindung dünn besiedel- Fahrzeuge müssen Pflicht sein und es ter Gebiete an das Netz des öffentlichen muss gewährleistet werden, dass Autos Personenverkehrs muss Priorität haben. und Lkw beim Abbiegen in Schrittge- Es braucht bundesweite Bedienstan- schwindigkeit fahren und beim Überho- dards für sämtliche Buslinien und Bah- len den erforderlichen Abstand einhalten. nen aller Art in allen Regionen, ähnlich dem Deutschlandtakt im Fernverkehr Qualität und Angebot des öffentlichen der Bahn. Dazu gehören Pünktlichkeit, Personenverkehrs verbessern Taktung, Komfort und Platzangebot. • Öffentlichen Personennahverkehr und • Ehrenamt wertschätzen und das öffent- neue Mobilität im ganzen Land verfügbar liche Angebot erweitern: Das ÖPNV-Li- machen: Mit einer besseren Infrastruktur niennetz muss stärker mit regional und muss der öffentliche Personennahver- lokal angepassten Lösungen verknüpft kehr überall im Land eine echte Alternati- werden. Ehrenamtliche Fahrdienste ve werden. Neue Mobilitätsprodukte wie und Mitfahrbörsen können in Gebieten Bike-, Ride- oder Car-Sharing, die den mit sehr wenigen Einwohnerinnen und öffentlichen Verkehr ergänzen, müssen Einwohnern den ÖPNV ergänzen. Er- insbesondere im ländlichen Raum ver- forderlich ist ein verbindlicher Rechts- fügbar sein. rahmen, um die ehrenamtlich Aktiven abzusichern. Die Kommunen dürfen • Schienenpersonenfernverkehr deutlich solche Modelle jedoch nicht zum Anlass ausbauen: Damit die Schiene auch auf nehmen, ihre Pflicht zur Bereitstellung der langen Strecke zu einer leistungsfä- von Mobilitätsangeboten zu vernachläs- higen Alternative wird und eine relevante sigen. Verlagerung von Verkehren realisiert wird, braucht es ein leistungsfähigeres • Neue Mobilitätskonzepte in den öffent- Schienennetz. Investitionen in den Erhalt, lichen Verkehr integrieren: In städti- Neu- und Ausbau und auch in die Reak- schen Räumen sollten neue Konzepte tivierung von Strecken und Bahnhöfen vor allem in Randzeiten die Anbindung müssen vorangetrieben werden, damit der Vororte und schlecht erschlossener der Deutschlandtakt schnell Realität Viertel übernehmen. In ländlichen Räu- wird. Zudem gilt es, die Wettbewerbs- men sind Zubringer zu den Routen des nachteile der Schiene durch eine Entlas- öffentlichen Verkehrs gefragt. Kommu- tung des Schienenverkehrs von Steuern nale Steuerungsinstrumente müssen und Abgaben und die Förderung der dafür sorgen, dass weder zusätzlicher Trassen-, Stations- und Anlagenpreise Verkehr erzeugt noch parallel zu bereits abzubauen. bestehenden Linien gefahren wird. 25
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