Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030 - Stiftung Mercator

 
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Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030 - Stiftung Mercator
Klimaschutz im Verkehr:
Maßnahmen zur Erreichung des
Sektorziels 2030
Impressum

Klimaschutz 2030 im Verkehr:
Maßnahmen zur Erreichung des
Sektorziels

ERSTELLT IM AUFTRAG VON

Agora Verkehrswende
Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-verkehrswende.de
info@agora-verkehrswende.de

Projektleitung
Kerstin Meyer
Projektleiterin Personenverkehr
kerstin.meyer@agora-verkehrswende.de

DURCHFÜHRUNG

Öko-Institut e. V.
Büro Berlin
Schicklerstrasse 5 - 7
10179 Berlin
www.oeko.de

Ruth Blanck, Dr. Wiebke Zimmer

International Council on Clean Transportation (ICCT)
Neue Promenade 6
10178 Berlin
www.theicct.org

Dr. Peter Mock

Satz: Melanie Wiener
Titelbild: iStock.com/Dragan Smiljkovic

Veröffentlichung: August 2018                          Bitte zitieren als:
10-2018-DE                                             Agora Verkehrswende (2018): Klimaschutz im
                                                       Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels
Gedruckt auf 100  % Recycling Naturpapier              2030
Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                               ICCT beauftragt, die Wirkungen verschiedener denkbarer
                                                             Maßnahmen und Maßnahmenpakete auf die CO2-Emissi-
in ihrem Koalitionsvertrag vom Februar 2018 haben            onen des Verkehrs zu untersuchen und zu quantifizieren.
sich Union und SPD zum Pariser Klimaschutzabkommen
ebenso bekannt wie zu den sektoralen Klimaschutz-            Die Ergebnisse zeigen, dass es den einen zielführenden
zielen, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode     Hebel nicht geben wird. Das 40-Prozent-Ziel ist nur mit
vom Bundeskabinett beschlossen worden sind. Für den          einem Bündel von Maßnahmen erreichbar, darunter auch
Verkehrssektor bedeutet das: Die Treibhausgasemissionen      solche, die politisch umstritten sind.
sollen bis zum Jahr 2030 um 40 bis 42 Prozent sinken.
Nachdem der CO2-Ausstoß des Verkehrs im vergangenen          Mit dieser Veröffentlichung gibt Agora Verkehrswende
Vierteljahrhundert nicht etwa gesunken, sondern sogar        keine Empfehlung für den „richtigen“ Maßnahmenmix
leicht gestiegen ist, liegt die Latte nun hoch und Rich-     ab. Wir laden vielmehr zur Diskussion ein. Anregungen,
tungsentscheidungen sind zeitnah zu treffen, soll das        Kommentare und Kritik sind willkommen.
2030er Ziel nicht außer Reichweite geraten.

Deshalb gehört nicht viel Fantasie zu der Prognose, dass     Eine anregende Lektüre wünscht
sich die verkehrspolitische Debatte der Zukunft vor allem
um eine Frage drehen wird: Was ist zu tun, damit der         Christian Hochfeld
Verkehr liefert? Damit die Erörterung dieser Frage an der    für das Team von Agora Verkehrswende
Sache orientiert bleibt haben wir das Öko-Institut und das   Berlin, 21. August 2018

Kernergebnisse:

                     Die Politik muss zeitnah richtungsweisende Entscheidungen für den Klimaschutz im
                     Verkehr treffen, sollen die für 2030 vereinbarten Ziele erreicht werden.

                     Die europäischen Effizienzstandards für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw sind für die
                     CO2-Emissionsminderung im Verkehr von besonderer Bedeutung. Sie sind eine notwen-
                     dige, aber keine hinreichende Bedingung für das Schließen der Klimaschutzlücke.

                     Zusätzlich sind in jedem Falle weitere, wirkmächtige nationale Maßnahmen zur Internali-
                     sierung externer Kosten des Verkehrs notwendig; dies ist in besonderem Maße geboten,
                     weil die Digitalisierung die Kosten des Verkehrs deutlich senken kann. Die Bepreisung von
                     Kraftstoffen, Fahrzeugen und deren Nutzung ist der zentrale Hebel zur Internalisierung
                     der externen Kosten. Dies hat, wie auch das heutige Instrumentarium der Steuer- und
                     Verkehrspolitik, Verteilungseffekte, die bei der zukünftigen Ausgestaltung der Instrumente
                     zu berücksichtigen sind.

                     Jenseits der direkten Wirkung auf die Reduktion von CO2-Emissionen ist es nötig, jene
                     Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen, die Voraussetzung für Verkehrsverlage-
                     rungen sind. Hierbei geht es vor allem um den Infrastrukturaufbau für den öffentlichen
                     Verkehr, für den Schienengütertransport sowie um Maßnahmen, die die Lebensqualität in
                     Städten verbessern.

                     Eine weitere Dekarbonisierung des Stroms ist unverzichtbar – notwendig ist nach Lage
                     der Dinge aber auch die Dekarbonisierung von Kraftstoffen.

                                                                                                                      3
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

4
Inhalt

Abbildungsverzeichnis	                                  6

Tabellenverzeichnis	                                     7

Schlußfolgerungen aus Sicht von
Agora Verkehrswende                                     9

01 | Hintergrund und Ziele der Studie	                  11

02 | Politikinstrumente für Klimaschutz
      im Verkehr                                        13
   2.1. Pkw-Effizienzstandards                          13
   2.2. Lkw-Effizienzstandards                           17
   2.3. Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut                 20
   2.4. Energiesteuer und Kfz-Steuer                    22
   2.5. Dienstwagenbesteuerung                          25
   2.6. Tempolimit auf Autobahnen                       28
   2.7. Förderung des öffentlichen Verkehrs             29
   2.8. Förderung Rad- und Fußverkehr                   31
   2.9. Klimafreundliche Mobilität in Städten           32
   2.10. Lkw-Maut                                       34
   2.11. Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene   35
   2.12. Einsatz alternativer Kraftstoffe               37

03 | D
      rei Szenarien zur Erreichung des
     Klimaschutzziels im Verkehr                        39
   3.1. Ausgestaltung der Szenarien                     39
   3.2. Szenarioergebnisse                              43

04 | F
      azit und Schlussfogerungen                       53

Literaturverzeichnis                                    55

                                                               5
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1: 	Historische Entwicklung der durchschnittlichen
                 CO2-Emissionen von neuen Pkw in der EU sowie bestehende
                 und für die Zukunft vorgeschlagene gesetzliche
                 Regelungen                                          14

Abbildung 2.2: 	Historische Entwicklung der CO2-Emissionen neuer
                 Lkw in der EU                                       17

Abbildung 2.3: 	Zusammenfassung der Annahmen zur CO2-Reduktion bei
                  neuen schweren Nutzfahrzeugen zwischen den Jahren
                  2017 und 2030                                     18

Abbildung 2.4:	Dieselsteuern im europäischen Vergleich              23

Abbildung 3.1:	Verkehrsnachfrage im Personenverkehr                 44

Abbildung 3.2:   Verkehrsnachfrage im Güterverkehr                   44

Abbildung 3.3:	Anteile der Antriebstypen an den Pkw-Neuzulassungen
                2025 und 2030                                      45

Abbildung 3.4:	CO2 – Emissionen neu zugelassener Pkw in Deutschland
                in den Szenarien                                    46

Abbildung .3.5:	Bestand und Fahrleistung von Pkw im Jahr 2030 nach
                 Zulassungsjahr                                      47

Abbildung 3.6: Pkw-Bestand im Jahr 2030                              47

Abbildung 3.7:   Endenergiebedarf im Jahr 2030                       48

Abbildung 3.8: Strombedarf in den Szenarien 2030                     49

Abbildung 3.9: THG-Emissionen im Jahr 2030                           50

Abbildung 3.10:	THG-Minderungsbeitrag der Instrumente im Szenario
                 „Standards & Effizienz“                             51

Abbildung 3.11:	THG-Minderungsbeitrag der Instrumente im Szenario
                 „Nutzerkosten & Verkehrsnachfrage“                  51

Abbildung 3.12:	THG-Minderungsbeitrag der Instrumente im Szenario
                 „Kraftstoffe“                                       52

Abbildung 4.1:	1 Million Tonnen CO2-Reduktion bedeutet…             54

6
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1:   THG-Minderung durch Pkw-CO2-Emissionsstandards         16

Tabelle 2.2:   THG-Minderung durch Lkw-CO2-Emissionsstandards         19

Tabelle 2.3:   THG-Minderung durch Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut 21

Tabelle 2.4:   THG-Minderung durch Energiesteuer und Kfz-Steuer       24

Tabelle 2.5:   Ausgestaltungsoptionen der Dienstwagenbesteuerung      26

Tabelle 2.6:   THG-Minderung durch Dienstwagenbesteuerung             27

Tabelle 2.7:   THG-Minderung durch Tempolimit auf Autobahnen          29

Tabelle 2.8:   THG-Minderung durch Förderung des öffentlichen Verkehrs 31

Tabelle 2.9:   THG-Minderung durch Förderung Rad- und Fußverkehr      32

Tabelle 2.10: THG-Minderung durch Klimafreundliche Mobilität in Städten33

Tabelle 2.11: THG-Minderung durch Lkw-Maut                            35

Tabelle 2.12: THG-Minderung durch Verlagerung von Güterverkehr auf
              die Schiene                                             36

Tabelle 3.1:   Szenario-Annahmen im Überblick                         42

                                                                             7
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

8
Schlussfolgerungen aus Sicht von
Agora Verkehrswende

Zentrale Entscheidungen für den                            Verkehrs zu reduzieren. Auch sind sie der zentrale
Klimaschutz im Verkehr stehen jetzt an                     Faktor dafür, mehr Nullemissionsfahrzeuge in den
                                                           Markt zu bringen und die Elektrifizierung von Lkw
Die Dekarbonisierung des Verkehrs steht vor einem          (entweder direkt oder über Oberleitungen) anzureizen.
Dilemma. Sie ist einerseits sehr komplex und steht ande-   Sie sind aufgrund ihrer potentiell starken Wirkung eine
rerseits unter großem Zeitdruck. Will die internationale   notwendige Bedingung für das Schließen der Klima-
Staatengemeinschaft den globalen Temperaturanstieg         schutzlücke im Verkehr.
auf zwei Grad Celsius begrenzen, so verbleiben nur noch
wenige Jahre bis das weltweit dafür noch zur Verfügung     Zurzeit werden die CO2-Regulierung für Pkw sowie
stehende Emissionsbudget verbraucht ist. Insofern ist      eine neue CO2-Regelung für Lkw auf EU-Ebene dis-
es angemessen, dass sich die Bundesregierung sowohl        kutiert. Der aktuelle Kommissionsvorschlag für die
auf ein langfristiges Dekarbonisierungsziel für das Jahr   Pkw-Standards reicht bei weitem nicht aus, um einen
2050 als auch auf ein ambitioniertes Zwischenziel für      signifikanten Beitrag zum Verkehrsziel im Klimaschutz-
den Verkehrssektor für das Jahr 2030 verständigt hat.      plan zu leisten oder den Markthochlauf von Nullemis-
Nun geht es darum, ein umfassendes Maßnahmenpaket          sionsfahrzeugen deutlich zu beschleunigen. Um beiden
für die Treibhausgasminderung im Verkehr zu konzipie-      Zielen näherzukommen, muss das Ambitionsniveau der
ren, welches die Bundesrepublik auf den Zielpfad führt.    Zielwerte für 2025 und 2030 im weiteren Verhandlungs-
Es gilt, sowohl das Verkehrsziel des Klimaschutzplans zu   prozess deutlich erhöht werden. Auch bei Lkw sollte
erreichen als auch die Klimaschutzziele des internatio-    sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für stringente
nalen Abkommens von Paris.                                 Effizienzvorgaben einsetzen.

Die derzeitige Legislaturperiode ist für die Ver-          Zusätzlich sind in jedem Falle weitere, wirkmächtige
kehrswende in Deutschland entscheidend. In diesem          nationale Maßnahmen zur Internalisierung externer
Zeitraum werden maßgebliche Vorentscheidungen              Kosten des Verkehrs notwendig; dies ist in besonderem
getroffen, die beeinflussen wo Deutschland im Jahr         Maße geboten, weil die Digitalisierung die Kosten des
2030 mit seinen Verkehrsemissionen stehen wird.            Verkehrs deutlich senken kann. Die Bepreisung von
Ob Infrastrukturausbau oder konkrete Gesetzesän-           Kraftstoffen, Fahrzeugen und deren Nutzung ist der
derungen – verkehrspolitische Maßnahmen haben              zentrale Hebel zur Internalisierung der externen Kosten.
eine gewisse Vorlaufzeit bis sie umgesetzt sind und        Dies hat, wie auch das heutige Instrumentarium der
Wirkung zeigen.                                            Steuer- und Verkehrspolitik, Verteilungseffekte, die
                                                           bei der zukünftigen Ausgestaltung der Instrumente zu
Die europäischen Effizienzstandards für Pkw, leichte       berücksichtigen sind.
Nutzfahrzeuge und Lkw sind für die Treibhausgasmin-
derung im Verkehr von besonderer Bedeutung. Sie sind       Diese Studie zeigt auch, dass selbst weitgehende
eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung         Effizienzvorgaben allein nicht ausreichen, um die
für das Schließen der Klimaschutzlücke.                    notwendige CO2-Minderung im Verkehr zu erreichen.
                                                           Die Bepreisung von Kraftstoffen, Fahrzeugen und deren
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass das Verkehrs-    Nutzung ist sowohl im Personen- als auch im Güterver-
ziel zwar auf verschiedenen Wegen erreicht werden          kehr sehr wirkmächtig und sollte stärker in den Fokus
kann, dass Effizienzstandards für Pkw und Lkw aber         der Diskussion über Klimaschutzpolitik und Emissi-
eine entscheidende Rolle spielen. Sie stellen – auf-       onsminderung im Verkehr rücken.
grund ihres großen CO2-Minderungspotentials - einen
der großen Hebel dar, um Fahrzeuge insgesamt sprit-        Sobald es um die Ausgestaltung von Steuern und Abga-
sparender zu machen und den Endenergiebedarf des           ben geht, stellt sich die Frage nach ihrer Verteilungswir-

                                                                                                                    9
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

kung und der sozialen Dimension möglicher Steuerrefor-      auch eine weitere Dekarbonisierung von Kraftstoffen,
men. Gleichwohl ist auch die bisherige Bepreisung von       wobei nachhaltig produzierte strombasierte Kraftstoffe
Verkehr nicht immer sozial ausgewogen. So stiegen bei-      voraussichtlich erst nach 2030 eine nennenswerte Rolle
spielsweise die Preise für die Nutzung öffentlicher Ver-    spielen können.
kehrsmittel von 2006 bis 2016 mehr als drei Mal so stark,
wie die Preise für den motorisierten Individualverkehr.     Sollte im Jahr 2030 auch nur ein gewisser Teil der Fahr-
Gleichzeitig profitieren vom momentanen System der          zeuge ganz oder teilweise mit Strom angetrieben werden,
Besteuerung und Bereitstellung von Dienstwagen in           so macht dies für den Klimaschutz nur Sinn, wenn der
erster Linie besserverdienende Haushalte. Vorschläge für    zusätzliche Strombedarf des Verkehrs durch Strom aus
weitergehende Steuerreformen oder die Umgestaltung          zusätzlichen EE-Kapazitäten gedeckt wird. Je stärker
von Abgaben im Verkehrsbereich sollten deswegen auf         sich die Elektromobilität durchsetzt, umso notwendiger
ihre Verteilungswirkung untersucht werden.                  ist eine weitere Dekarbonisierung des Stromsektors.

Jenseits der direkten Wirkung auf die Reduktion von         Eine weitere Dekarbonisierung von Kraftstoffen ist nach
CO2-Emissionen ist es nötig, jene Maßnahmen zu              Lage der Dinge voraussichtlich ebenfalls notwendig.
identifizieren, die Voraussetzung für Verkehrsverlage-      Zwar ist eine Erreichung des Klimaschutzziels 2030 im
rungen sind. Hierbei geht es vor allem um den Infra-        Verkehrssektor auch ohne eine weitergehende Dekar-
strukturaufbau für den öffentlichen Verkehr, für den        bonisierung von Kraftstoffen möglich. Eine komplette
Schienengütertransport sowie um Maßnahmen, die die          Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis 2050 erfor-
Lebensqualität in Städten verbessern.                       dert jedoch aller Voraussicht nach auch CO2-neutrale
                                                            Kraftstoffe für alle Verkehre, die nicht über alternative
Angesichts des prognostizierten Verkehrswachstums ist       Antriebe abgewickelt werden.
Verkehrsverlagerung – sowohl im Personen- als auch
im Güterverkehr – eine zentrale Herausforderung. Der        Deswegen ist eine Diskussion über eine langfristige
alleinige Blick auf die potentielle CO2-Reduktion einer     Dekarbonisierung von Kraftstoffen unumgänglich: not-
Maßnahme ist deswegen zu eng. Dadurch werden ten-           wendig ist ein Öl- und Gaskonsens. Die Dekarbonisie-
denziell Wechselwirkungen zwischen verschiedenen            rung der Kraftstoffe sollte nicht auf Kosten der Effizienz
Maßnahmen und die wichtige Rolle jener Maßnahmen            gehen, daher ist ihr Einsatz im Pkw nicht sinnvoll; hier
unterschätzt, die grundlegend sind, um Verkehrsverlage-     sind alternative Antriebe eine weitaus effizientere
rung zu ermöglichen.                                        Alternative. Für den Einsatz dekarbonisierter Kraftstoffe
                                                            kommen vorrangig der Flug- und Schiffsverkehr in
Hierzu zählen auf Bundesebene insbesondere der Ausbau       Frage. Bei der Gestaltung des Einstiegs in strombasierte
der Schienengüterverkehrsachsen und die Erhöhung der        Kraftstoffe sind Nachhaltigkeitskriterien von Anfang an
Kapazitäten im kombinierten Verkehr. Im Personenver-        zu berücksichtigen.
kehr sind es die Förderung von Rad- und Fußverkehr,
eine höhere Taktung und bessere Auslastung des ÖVs, ein
verbessertes Carsharing-Angebot und eine Reihe weite-
rer Maßnahmen zur Förderung der städtischen Mobi-
litätswende. All das dient nicht nur dem Klimaschutz,
sondern auch der Gesundheit und einer Verbesserung
von Luft- und Lebensqualität in Städten insgesamt.
Diese Maßnahmen sind gleichsam eine Investition in
den Wandel der Mobilitätskultur, die sich erst zu einem
späteren Zeitpunkt in vollem Maße auszahlt.

Eine weitere Dekarbonisierung des Stroms ist unver-
zichtbar – notwendig ist nach Lage der Dinge aber

10
01 | Hintergrund und Ziel der Studie

Mit der Konkretisierung des Klimaschutzplans steht in       nen Schwerpunktsetzungen modelliert. Dies geschieht
den nächsten Jahren eine breite gesellschaftliche Diskus-   ohne den Anspruch, hier ein konkretes Wunschszenario
sion zum Thema Maßnahmen im Verkehrsbereich an. Im          zu zeichnen, welches nur mit einer einzigen, speziellen
Klimaschutzplan der Bundesregierung wurden erstmalig        Kombination von Maßnahmen erreicht werden kann.
einzelne Sektorziele für die Minderung von Treibhausga-     Die Studie soll vielmehr mögliche Wege aufzeigen und als
semissionen festgelegt. Demnach sollen die Emissionen       Diskussionsgrundlage über die Optionen einer Verkehrs-
des Verkehrssektors bis zum Jahr 2030 um 40 bis 42 Pro-     wende und deren Ausgestaltung dienen.
zent im Vergleich zu 1990 sinken. Sektorübergreifend
wurde bis 2030 eine Minderung von 55 Prozent festge-        Daher werden im ersten Teil der Studie (Kapitel 2)
legt. Gleichzeitig wurden auf EU-Ebene für das Jahr 2030    zunächst 12 Instrumente für mehr Klimaschutz im Ver-
ebenfalls Minderungspflichten für alle Mitgliedstaaten      kehr vorgestellt. Im zweiten Teil der Studie (Kapitel 3)
ausgemacht. Die Reduktionsvorgabe für die sogenannten       wird betrachtet, wie diese Instrumente kombiniert
nicht-ETS-Sektoren in Deutschland entspricht dabei          werden könnten, um das Klimaschutzziel im Verkehr
etwa einer Reduktion von 38 Prozent gegenüber dem Jahr      zu erreichen und welche Auswirkungen auf Verkehrs-
(2005)1.                                                    nachfrage, Fahrzeuge und Endenergiebedarf zu erwarten
                                                            sind. Kapitel 4 fasst die wesentlichen Schlussfolgerungen
Um frühzeitig auf den Pfad zur Zielerreichung zu gelan-     zusammen.
gen, müssen zeitnah die Maßnahmen identifiziert wer-
den, mit deren Umsetzung in den nächsten Jahren eine
solche Minderung der CO2-Emissionen im Verkehrs-
sektor erreicht werden kann. Denn bisher konnte der
Verkehrssektor seine CO2-Emissionen nicht reduzieren.
Vielmehr sind sie in den letzten Jahren wieder gestiegen.
Im Vergleich zum aktuellen Niveau der Treibhausgas-
emissionen (2017 nach Schätzung über 170 Mio. t, BMUB
2018) bedeutet das Ziel des Klimaschutzplans eine Min-
derung um über 70 Millionen Tonnen bis 2030.

Wesentlich ist es, zeitnah ein konsistentes Gesamtbild
zu erlangen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die
erforderliche Emissionsminderung im Verkehrssektor bis
2030 tatsächlich zu gewährleisten. Zentrale Fragen der
anstehenden Debatte werden damit sein: „Wie kann das
Klimaschutzziel Verkehr erreicht werden?“ und „Welche
Maßnahmen und Instrumente müssen in den nächsten
Jahren umgesetzt werden?“. Im Rahmen dieser Studie für
die Agora Verkehrswende wurden verschiedene Szena-
rien für den Verkehrssektor durchgespielt, die aufzeigen,
mit welchen Maßnahmen und welchen Ausgestaltungen
das Ziel einer Minderung der CO2-Emissionen um 40 bis
42 Prozent im Verkehrssektor bis 2030 erreicht werden
könnte. Dafür wurde für drei Szenarien der Klima-
schutzbeitrag von Maßnahmenbündeln mit verschiede-

1 Die nicht-ETS-Sektoren umfassen die Bereiche Verkehr,
  Gebäude, Abfall- und Landwirtschaft.

                                                                                                                   11
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

12
02 | P
      olitikinstrumente für Klimaschutz im
     Verkehr

Um mehr Klimaschutz im Verkehr zu erreichen, ist der         Regelung ersetzt, zunächst nur in Japan, ab 2009 auch in
Einsatz einer Vielzahl von Instrumenten denkbar. Für die     der EU. Dem folgten in den vergangenen Jahren nahezu
nähere Betrachtung wurden in dieser Studie vorrangig         alle relevanten Fahrzeugmärkte weltweit nach, sodass
solche Instrumente ausgewählt, die einen relevanten Kli-     Pkw-CO2-Emissionsstandards heute zu den gängigen
maschutzbeitrag erwarten lassen und die in den „Zwölf        umweltpolitischen Maßnahmen im Verkehrsbereich
Thesen zur Verkehrswende“ der Agora Verkehrswende            zählen (vgl. ICCT 2018).
genannt sind (Agora Verkehrswende 2017). Zwar sind
weitere Instrumente und andere Ausgestaltungsformen          Die Vorgaben der Pkw-CO2-Regulierung wirken sich
denkbar; aber nicht alle können im Rahmen dieser Studie      zunächst unmittelbar auf den Kraftstoffverbrauch von
adressiert werden. Nicht betrachtet werden beispiels-        Pkw aus. Da die in der Verordnung festgelegten Ziele
weise Instrumente im Luft- und Seeverkehr, da der            sich auf den Durchschnitt aller verkauften Pkw eines
Fokus der Studie auf dem nationalen Klimaschutzziel          Herstellers beziehen, kann sich die CO2-Regulierung bei
liegt. Dennoch muss auch der internationale Luft- und        anspruchsvollen Zielwerten daneben aber auch indirekt
Seeverkehr seine THG-Emissionen deutlich reduzieren,         auf den Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuwagen-
um die internationalen Klimaschutzverpflichtungen            verkäufen auswirken. Denn Fahrzeughersteller können
einhalten zu können.                                         mit dem Verkauf von mehr Elektrofahrzeugen (direkte
                                                             CO2-Emissionen gleich null) ebenfalls ihr Flottenziel
Die Studie beruht auf der Auswertung einschlägi-             erreichen.
ger Literatur und auf eigenen Berechnungen. Für die
Entwicklung einer Klimaschutzstrategie im Verkehr, die       Die erste Runde der CO2-Standards in Europa setzte
konsistent mit weiteren Nachhaltigkeits- und Politik-        einen durchschnittlichen Zielwert von 130 Gramm
zielen ist, sollten über den Klimaschutzbeitrag hinaus-      pro Kilometer (g/km) für neue Pkw mit Zulassungsjahr
reichende Bewertungskriterien berücksichtigt werden.         2015, ausgehend von einem Startwert von 146 g/ km
Dazu zählen etwa soziale Effekte und Verteilungswir-         im Jahr 2009 (EEA 2016). Diese Regulierung erwies
kungen, Luftreinhaltung und Lärm, Flächen- und Res-          sich als Erfolg: Statt der festgeschriebenen 1,9 Prozent
sourcenverbrauch (siehe u. a. Öko-Institut 2017).            CO2-Reduktion pro Jahr erreichten die Fahrzeugherstel-
                                                             ler knapp 3,0 Prozent Reduktion pro Jahr; der 2015er-
                                                             Zielwert wurde bereits vorzeitig erreicht (Dornoff et
2.1. Pkw-Effizienzstandards                                  al. 2018). Auch in Hinblick auf die zweite Runde der
                                                             Regulierung mit einem durchschnittlichen Zielwert
Beschreibung des Instruments                                 von 95 Gramm pro Kilometer für das Jahr 2021 wurden
Verbindliche CO2-Standards für neue Pkw2 wurden in           bereits Fortschritte erzielt, wenngleich einige Fahrzeug-
der EU erstmals im Jahr 2009 eingeführt. Eine zuvor          hersteller noch hinter der erforderlichen durchschnittli-
geltende freiwillige Selbstverpflichtung der Automobil-      chen jährlichen CO2-Reduktion von 5,1 Prozent zurück-
industrie hatte nicht zu der erwarteten Emissionsreduk-      liegen.
tion geführt und wurde deswegen durch eine gesetzliche
                                                             Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass
                                                             die erzielten CO2-Reduktionen bei Neufahrzeugen in
2 Ähnliche CO2-Standards sind in der EU seit 2011 auch für
                                                             den vergangenen Jahren weitgehend „auf dem Papier“
  leichte Nutzfahrzeuge (LNF) vorgeschrieben. LNF stehen
  in Deutschland für etwa 7 Prozent aller Fahrzeug-Neu-      erbracht wurden. Die Schere zwischen den offiziellen
  zulassungen und werden – aufgrund ihres relativ gerin-     Herstellerangaben zu den CO2-Emissionen der Fahr-
  gen Marktanteils sowie der Ähnlichkeit der diskutierten    zeuge und den im realen Straßenbetrieb tatsächlich
  Maßnahmen – in den folgenden Abschnitten nicht separat     emittierten Mengen geht immer weiter auf, von knapp
  aufgeführt.                                                20 Prozent im Jahr 2009 auf über 40 Prozent Stand

                                                                                                                    13
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

        Historische Entwicklung der durchschnittlichen CO2-Emissionen von neuen Pkw
        in der EU sowie bestehende und für die Zukunft vorgeschlagene gesetzliche Regelungen                                                                Abbildung 2.1

                                                         180
                                                                                          2009 (146 g/km):
                                                                                          Einführung der
     Durchschnittliche CO2-Emissionswerte (g/km, NEDC)

                                                         160                              Flottengrenzwerte

                                                                                                 -2,6          2015:
                                                         140                                         g/km      130 g/km
                                                                                                    -1,9
                                                                                                         %
                                                                    2000–2009:                                     -5
                                                         120                                                         ,8             2021:
                                                                  -2,9 g/km, -1,8%                                        g/
                                                                                                                             k      95 g/km
                                                                                               2009–2016:               -5 m                     2025:        2030:
                                                                                                                          ,1%
                                                         100                                -3,9 g/km, -3,0%                                     81 g/km      67 g/km
                                                                                                                                    -3,6
                                                                                                                                    g/k
                                                                                                                                        m
                                                                                                                                  -4,0               -2,8
                                                         80                                                                            %             g/km
                                                                                                             Europaparlament: 68–78 g/km
                                                                                                                                                   -3,8
                                                                                                                                                        %
                                                         60                                                             Neun EU-Mitgliedsstaaten: 57 g/km

                                                         40

                                                         20

                                                           0
                                                           2000         2005             2010           2015                 2020             2025          2030
                                                                               Historische Emissionen            Standards          Vorgeschlagene Ziele

         Eigene Darstellung nach Dornoff, J. et al. (2018), S. 4.

2017 (Tietge et al. 2017). In der Folge blieb nicht nur die                                                      ohnehin schon stattfindenden Umstellung auf einen
erbrachte CO2-Reduktion hinter den ursprünglichen                                                                neuen, realitätsnäheren Testzyklus vor, den Worldwide
Erwartungen zurück. Auch die Durchdringung des                                                                   harmonized Light vehicles Test Procedure ( WLTP),
Marktes mit innovativen Fahrzeugtechnologien erfolgte                                                            die Einführung von In-Service-Conformity-Tests (zur
bei Weitem nicht so schnell wie zunächst angenommen                                                              Verifizierung der Emissionsdaten während der Nut-
(Wolfram et al. 2016).                                                                                           zungsphase) sowie von Kraftstoffmessgeräten an Bord
                                                                                                                 der Fahrzeuge (fuel consumption meters) vor, in der
Die EU-Kommission hat inzwischen das Problem der                                                                 Hoffnung, mit diesen Maßnahmen ein weiteres Anstei-
zunehmenden Abweichung zwischen deklarierten                                                                     gen der Diskrepanz zwischen offiziellen und realen CO2-
und realen CO2-Emissionen erkannt und strebt mit der                                                             Werten zu verhindern.
aktuellen Revision der CO2 Regulierung an, diesem Trend
entgegen zu wirken. Laut ihrem Vorschlag vom Novem-                                                              Obwohl die tatsächlichen CO2-Reduktionen in den ver-
ber 2017 sollen die CO2-Emissionen neuer Pkw bis zum                                                             gangenen Jahren hinter den ursprünglichen Erwartungen
Jahr 2030 gegenüber dem Modelljahr 2021 um durch-                                                                zurückgeblieben sind, wird das Instrument der Pkw-
schnittlich 30 Prozent sinken. Das Ambitionsniveau                                                               CO2-Emissionsstandards weiterhin als sehr effektiv und
dieser noch laufenden dritten Runde der CO2-Standards                                                            deutlich wirkungsvoller eingeschätzt als eine freiwillige
würde damit – sollte der Kommissionsvorschlag unver-                                                             Selbstverpflichtung der Automobilindustrie (Gibson et al.
ändert verabschiedet werden – zwar mit etwa 4 Prozent                                                            2015). Um optimale Ergebnisse zu erzielen, ist es jedoch
jährlicher Reduktion unter dem der heutigen Gesetz-                                                              dringend erforderlich, die Emissionen nicht nur auf dem
gebung (etwa 5 Prozent jährliche Reduktion) liegen. Des                                                          Rollenprüfstand zu regulieren, sondern auch die realen
Weiteren schlägt die EU-Kommission zusätzlich zu der                                                             CO2-Emissionen der Fahrzeuge. Außerdem sollten CO2-

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Agora Verkehrswende | Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

Standards auf EU-Ebene mit zusätzlichen Maßnahmen             dürften die Attraktivität einer E-Fahrzeug-Strategie aus
auf nationaler Ebene (etwa einem abgestimmten Kfz-            Sicht der Hersteller ebenfalls erhöhen.
Steuersystem) kombiniert werden.
                                                              Für die weitere Betrachtung wurden drei Pfade für eine
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht zusätzlich zu           weitere Ausgestaltung von Pkw-CO2-Emissionsstan-
den flottenübergreifenden Reduktionszielen auch ein           dards in der EU definiert:4
Anreizinstrument zur Förderung von lokal emissions-
freien bzw. -armen Fahrzeugen (zero-emission and low-         1. N
                                                                  iedrig: Die CO2-Emissionen der Pkw-Neufahr-
emission vehicles; ZLEV) vor. Hersteller, deren gesamter         zeugflotte werden zwischen 2021 und 2030 durch-
Pkw-Absatz im Jahr 2025 zu mehr als 15 Prozent und im            schnittlich auf Basis des neuen WLTP-Testzyklus
Jahr 2030 zu mehr als 30 Prozent aus solchen Fahrzeugen          um 30 Prozent reduziert. In der Realität gehen wir
besteht, sollen eine Gutschrift erhalten, die ihnen auf ihr      von einer weiterhin leicht ansteigenden Diskrepanz
Minderungsziel angerechnet wird. Eine analoge Malus-             zwischen offiziellen und realen CO2-Werten aus, da
Regelung sieht der Kommissionsvorschlag nicht vor.               wir zwar ein Monitoring, jedoch keine verbindliche
                                                                 Regulierung der realen CO2-Fahrzeugwerte anneh-
Ausgestaltungsoptionen                                           men. Die reale Reduktion zwischen 2021 und 2030
Aus technischer Sicht besteht ein erhebliches Potenzial          beträgt dadurch nur 23 Prozent. Dieser Pfad ent-
zu einem höheren Ambitionsniveau bei der Ausge-                  spricht weitgehend dem im November vorgelegten
staltung von Pkw-CO2-Emissionsstandards. Aktuelle                Gesetzesvorschlag der EU-Kommission.
Studien des ICCT beschreiben und quantifizieren die
verfügbaren Einzeltechnologien sowie Technologiepa-           2. M
                                                                  ittel: Die Reduktion zwischen 2021 und 2030
kete (Mock 2017). In der Summe ergibt sich ein CO2-              beträgt im WLTP knapp 45 Prozent. Zur Erreichung
Reduktionspotenzial von etwa 35 bis 45 Prozent gegen-            einer solchen Reduktion bedarf es eines Anteils
über einem Basisfahrzeug des Modelljahres 2013. Die              von etwa 40 Prozent Elektrofahrzeugen (Plug-in-
erforderlichen zusätzlichen Investitionskosten je Fahr-          Hybride sowie batterieelektrische Fahrzeuge (BEV))
zeug belaufen sich auf etwa 1.000 Euro gegenüber dem             im Jahr 2030, sowie eines hohen Anteils von Hyb-
Basisfahrzeug. Die EU-Kommission bestätigt in ihrem              ridfahrzeugen. Dieser Pfad führt bei einer moderaten
Impact Assessment ein CO2-Reduktionspotenzial in der             Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen bereits
Größenordnung von 45 Prozent, allerdings zu höheren              zu einer merklichen CO2-Reduktion führt. Wir neh-
Investitionskosten.3 In beiden Untersuchungen han-               men weiterhin an, dass sich aufgrund zusätzlicher
delt es sich um das CO2-Reduktionspotenzial auf Basis            Elemente in der CO2-Regulierung (beispielsweise
konventioneller Technologien für Verbrennungsmotoren.            strengen In-Service-Conformity-Prüfungen sowie
Dies können beispielsweise optimierte Brennverfahren             einer Regulierung der realen CO2-Emissionen) die
sein, eine verbesserte Aerodynamik, Leichtlaufreifen,            Schere zwischen offiziellen und realen CO2-Angaben
Leichtbau oder auch eine zunehmende Hybridisierung               etwas schließt, sodass die realen CO2-Emissionen von
der Fahrzeuge.                                                   Neufahrzeugen zwischen 2021 und 2030 stärker als
                                                                 die gesetzlich geforderten Werte zurückgehen, um
Weiteres Potenzial zur Reduktion von CO2 bietet ein              dann gut 50 Prozent.
steigender Marktanteil von Elektrofahrzeugen. Für
Automobilhersteller kann das sogar kostengünstiger sein       3. H
                                                                  och: Die Reduktion zwischen 2021 und 2030
als in zunehmend teure Verbesserungen von Verbren-               beträgt im WLTP knapp 75 Prozent. Zur Erreichung
nungsmotoren zu investieren (Mock 2017). Ein solches             einer solchen Reduktion bedarf es eines Anteils von
Vorgehen ist bereits bei einigen Fahrzeugherstellern             etwa 75 Prozent Elektrofahrzeugen im Jahr 2030.
(etwa bei Renault-Nissan) zu beobachten. Anreizsysteme
wie das im Vorschlag der EU-Kommission enthaltene
                                                              4 Für eine detailliertere Betrachtung dieser unterschiedlichen
Bonussystem für Null- und Niedrigemissionsfahrzeuge             Varianten und ihrer Auswirkungen auf die Anteile von
                                                                Nullemissionsfahrzeugen bzw. die Minderungslücke im
3 Für eine Gegenüberstellung siehe Dornoff et al. (2018).       Verkehr siehe: Agora Verkehrswende (2018).

                                                                                                                          15
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

     Diese Annahmen sind sehr ambitioniert, aber im           lichkeit, für dies Fahrzeuge Multiplikatoren anzuwenden
     Lichte des sich schnell vollziehenden technischen        - zu weiteren Abweichungen führen. Schließlich ist zu
     Fortschritts bei der Batteriefertigung und der von       erwarten, dass eine CO2-Reduktion bei Neufahrzeugen
     Fahrzeugherstellern bereits angekündigten Absatz-        und damit einhergehend eine Reduktion des Kraftstoff-
     pläne und Verkaufspreise von Elektroautos vorstell-      verbrauchs zu einer erhöhten Fahrleistung führt − ein
     bar. So hat zum Beispiel VW angekündigt, bereits         Phänomen, das in der Literatur als Rebound-Effekt
     im Jahr 2025 rund 25 Prozent seiner Neuwagen als         beschrieben wird.
     Batteriefahrzeuge verkaufen zu wollen (vgl. VW
     2016). Mercedes-Benz und BMW erwarten im Jahr            Die in der Tabelle dargestellten Minderungsbeiträge
     2025 zwischen 15 und 25 Prozent Elektroautoanteil        wurden mit dem Modell TEMPS ermittelt (siehe Agora
     am Gesamtabsatz (vgl. BMW Group 2017, Daimler            Verkehrswende 2018). Dabei wird von einem Rebound-
     2017). Wie im Falle des mittleren Pfades erwarten wir,   Effekt von 30 Prozent ausgegangen. Dies bedeutet, dass
     dass sich die Schere zwischen offiziellen und realen     die Fahrleistung um 3 Prozent steigt, wenn die Fahrtkos-
     CO2-Werten leicht schließen wird.                        ten pro Kilometer um 10 Prozent sinken. Zwischen den
                                                              festgelegten Zielwerten wurde dabei jeweils eine lineare
                                                              Entwicklung der CO2-Emissionen der neu zugelassenen
THG-Minderungsbeitrag                                         Pkw angenommen.
Der THG-Minderungsbeitrag von Pkw-CO2-Emissi-
onsstandards lässt sich im Grundsatz aus den jeweils          Zu beachten ist, dass es sich um Emissionsminderun-
definierten Zielwerten für Neufahrzeuge ableiten, da          gen im Verkehrssektor handelt. Nicht berücksichtigt
die Fahrzeughersteller gesetzlich verpflichtet sind, diese    sind die Emissionen, die ggf. zusätzlich im Stromsektor
Zielwerte im Flottendurchschnitt zu erreichen (andern-        entstehen.
falls wird ein Pönale fällig). Abweichungen von dieser
Arithmetik ergeben sich durch mögliche Veränderungen
der Diskrepanz zwischen offiziellen und realen CO2-
Emissionen der Fahrzeuge. Ferner können zusätzliche
Elemente in der Regulierung, etwa das bereits genannte
Anreizinstrument für Null- und Niedrigemissionsfahr-
zeuge sowie sogenannte Super Credits - also die Mög-

     THG-Minderung durch Pkw-CO2-Emissionsstandards                                                    Tabelle 2.1

     Instrument                                   Wirkmechanismen                            THG-Minderung in
                                                                                             2030

     Pkw CO2 Zielwerte nach KOM-Vor-              Reduktionsrate 1,3 % p. a. (real)                      3,5 Mio. t
     schlag: Reduktion -30 % (zwischen            3,4 Mio. E-Pkw im Bestand 2030
     2021–30)

     Pkw CO2 Zielwerte „mittel“: Reduktion        Reduktionsrate 7 % p. a. (real)                         10 Mio. t
     -45 % (zwischen 2021-30) sowie Be-           5 Mio. E-Pkw im Bestand 2030
     grenzung Realabweichung

     Pkw CO2 Zielwerte „hoch“: Reduktion          Reduktionsrate 15 % p. a. (real)                        20 Mio. t
     -75 % (zwischen 2021–30) sowie Be-           10 Mio. E-Pkw im Bestand 2030
     grenzung Realabweichung

     Eigene Berechnungen Öko-Institut

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Agora Verkehrswende | Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

2.2. Lkw-Effizienzstandards                                              diese im Rahmen eines Monitorings regelmäßig statis-
                                                                         tisch zu erfassen (Rodriguez 2017). Hierauf aufbauend
Beschreibung des Instruments                                             wird in der ersten Hälfte 2018 ein Gesetzesvorschlag der
Verpflichtende CO2-Standards für neue Lkw und Busse                      EU-Kommission für verpflichtende CO2-Standards für
sind in den wichtigsten Fahrzeugmärkten weltweit                         schwere Nutzfahrzeuge erwartet.5
bereits seit einigen Jahren etabliert, so beispielsweise
in China, Japan und den USA. In einigen Märkten
wurde bereits eine zweite oder dritte Anpassung der                       5 Am 17.5.2018 (nach Fertigstellung der Berechnungen in
CO2-Regulierung für schwere Nutzfahrzeuge vorge-                            diesem Projekt) hat die EU-Kommission einen Vorschlag für
nommen. In den USA beispielsweise bezieht die zweite                        die Einführung von LPkw-CO2-Standards vorgelegt. Dem-
Stufe der Regulierung auch Anhänger mit ein und                             nach sollen die CO2-Emissionen neu zugelassener schwerer
definiert für die wichtigste Gruppe der schweren Lkw                        Nutzfahrzeuge bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um
eine CO2-Reduktion von etwa 50 Prozent bis 2027                             30 Prozent gegenüber 2019 sinken (wobei es sich bei dem Ziel
                                                                            für 2030 um ein indikatives Ziel handelt).
gegenüber dem Basisjahr 2010 (Sharpe et al. 2016).

In der EU gibt es dagegen bislang keine CO2-Emissions-
standards für schwere Nutzfahrzeuge. In der Folge blieben
die CO2-Emissionen neuer Lkw in den vergangenen
Jahren nahezu konstant (Abbildung 2.2). Im Mai 2017 ver-
abschiedete die EU einen Vorschlag für eine Regulierung,
die es erstmals ermöglichen wird, CO2-Werte für Lkw und
Busse in einer standardisierten Weise zu bestimmen und

    Historische Entwicklung der CO2-Emissionen neuer Lkw in der EU                                                 Abbildung 2.2

                                45

                                40
  Fuel consumption [l/100 km]

                                35

                                30

                                25

                                20

                                15

                                10

                                 5

                                0
                                          2005                                     2010                                  2015
                                                                        durchschn. Veränderung / Jahr    # Zahl der untersuchten Lkw
                                                                         Daimler            -0.48 %                       17
                                                                         Scania               -0.18 %                    20
                                                                         DAF                +0.08 %                      14
                                                                         Volvo               -0.07 %                       11
                                                                         MAN                +0.37 %                       12
                                                                         Iveco              +0.04 %                       12
                                                                         Renault            +0.20 %                        11
                                                          Sales weighted average              -0.19 %                    97

     Eigene Darstellung nach Muncrief (2017).

                                                                                                                                       17
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

Ausgestaltungsoptionen                                            1. Niedrig: Ab dem Jahr 2025 werden verpflichtende
Im Zeitraum 2002 bis 2016 haben sich die CO2-                         CO2-Standards für neue schwere Nutzfahrzeuge
Emissionen der Neufahrzeuge nur um 0,2 Prozent pro                    (SNF) eingeführt, allerdings nur für die Kategorie von
Jahr reduziert. Aus technischer Sicht besteht jedoch                  Fahrzeugen über 12 Tonnen. Für solche schwereren
auch auf der Lkw-Seite6 ein erhebliches Potenzial zur                 Fahrzeuge wird, je nach Segment, eine jährliche CO2-
weiteren Ausgestaltung von CO2-Emissionsstandards.                    Reduktion von ca. 1,6 bis 1,9 Prozent angenommen. Es
Aktuelle Studien des ICCT beschreiben und quanti-                     findet keine signifikante Elektrifizierung des SNF-
fizieren die verfügbaren Einzeltechnologien sowie                     Sektors bis 2030 statt.
Technologiepakete (vgl. etwa Meszler et al. 2018 bzw.
Delgado et al. 2017).                                             2. Mittel: Ab dem Jahr 2023 werden verpflichtende
                                                                      CO2-Standards eingeführt. Für die Kategorie der
Für die weitere Betrachtung im Rahmen des Projekts                    Fahrzeuge über 12 Tonnen Gewicht wird eine jähr-
werden drei mögliche Pfade für eine Ausgestaltung von                 liche CO2-Reduktionsrate von 2,5 bis 3,1 Prozent
Lkw-CO2-Emissionsstandards in der EU definiert:                       angenommen. Die Abschätzungen zur jährlichen
                                                                      Absenkung basieren auf dem erwarteten langfristi-
                                                                      gen CO2-Reduktionspotenzial (33−39 Prozent nach
6 Lkw über 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht stellen
  rund 80 Prozent der Neuzulassungen sowie 90 Prozent der
                                                                      Delgado et al. 2017) über einen 15-Jahres-Zeitraum
  CO2-Emissionen der schweren Nutzfahrzeuge. Die folgenden            und unter Annahme der Referenz-Reduktionsrate
  Abschnitte fokussieren sich daher auf diese Fahrzeugkatego-         von 0,2 Prozent für die Jahre 2016 bis 2023. Für
  rie, ohne auf entsprechende Annahmen für Nutzfahrzeuge mit          SNF unterhalb von 12 Tonnen wird eine jährliche
  einem Gewicht von 3,5 bis 12 Tonnen näher einzugehen.               CO2-Reduktion von 0,4 Prozent angenommen,

     Zusammenfassung der Annahmen zur CO2-Reduktion bei neuen schweren Nutzfahrzeugen
     zwischen den Jahren 2017 und 2030                                               Abbildung 2.3

                             Lkw < 12 t                         Lkw > 12 t                        Sattelzüge
            0

            -5

           -10

           -15

           -20
     [%]

           -25

           -30

           -35

           -40

           -45

                                              niedrig           mittel         hoch

     Eigene Berechnungen Öko-Institut.

18
Agora Verkehrswende | Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

   basierend auf einer ICCT-Analyse zu EU-weiten             Für SNF unterhalb 12 Tonnen zwischen knapp 3 bis
   CO2-Standards für SNF-Motoren (Muncrief &                 8 Prozent.
   Rodríguez 2017).
                                                             THG-Minderungsbeitrag
3. Hoch: Bereits ab dem Jahr 2020 werden verpflich-         Ähnlich wie bei Pkw lässt sich der THG-Minderungs-
    tende CO2-Standards eingeführt. Das gesamte derzeit      beitrag von Lkw-CO2-Emissionsstandards relativ
    bekannte CO2-Reduktionspotenzial der Dieseltech-         unmittelbar aus den jeweils definierten Zielwerten für
    nologie (33−39 Prozent) wird mithilfe anspruchsvol-      Neufahrzeuge ableiten, da die Fahrzeughersteller aller
    ler CO2-Standards für neue SNF bis zum Jahr 2030         Voraussicht nach gesetzlich verpflichtet sein werden,
    voll ausgenutzt. Hieraus ergibt sich über einen Zeit-    diese Zielwerte – analog zur Regulierung für Pkw und
    raum von zehn Jahren eine angenommene jährliche          leichte Nutzfahrzeuge – im Flottendurchschnitt zu errei-
    CO2-Reduktionsrate von 3,8 bis 4,7 Prozent. Ferner       chen. Im Vergleich zu Pkw gibt es bei den Lkw höhere
    wird angenommen, dass ab dem Jahr 2020 zusätzlich        Erneuerungsraten im Bestand, sodass sich Effizienz-
    Motor-Effizienzstandards für SNF unterhalb von           steigerungen der Neuzulassungen schneller im Bestand
    12 Tonnen Fahrzeuggewicht eingeführt werden, was         widerspiegeln.
    zu einer jährlichen CO2-Reduktionsrate von 0,8 Pro-
    zent für diese Fahrzeuge führt. Eine Elektrifizierung    Die in der Tabelle dargestellten Minderungsbeiträge
    des SNF-Sektors setzt bereits relativ früh ein, ab       sind nach dem Modell TEMPS des Öko-Instituts
    dem Jahr 2025. Für eine zunehmende Elektrifizie-         berechnet – gegenüber einer Referenzentwicklung,
    rung des SNF-Antriebsstrangs werden Hybrid, Plug-        wonach die CO2-Emissionen neu zugelassener Lkw um
    in-Hybrid, Oberleitungs- sowie batterieelektrische       nur 0,2 Prozent p. a. zurückgehen. Rebound-Effekte
    Lkw berücksichtigt.                                      sind dabei berücksichtigt (ohne Rebound würden die
                                                             Minderungsbeiträge um rd. 15 Prozent höher liegen).
Abbildung 2.3 fasst die Annahmen zur CO2-Entwick-
lung für neue SNF zwischen 2017 und 2030 zusammen.
Für SNF oberhalb 12 Tonnen Fahrzeuggewicht liegt die
erwartete CO2-Reduktion der Pfade „niedrig“, „mittel“
und „hoch“ zwischen 10 Prozent und knapp 40 Prozent.

   THG-Minderung durch Lkw-CO2-Emissionsstandards                                                     Tabelle 2.2

   Instrument                                   Wirkmechanismen                             THG-Minderung in
                                                                                            2030

  Einführung von CO2-Standards für Lkw          Effizienzsteigerung im Lkw-Bestand                      2,4 Mio. t
  2025, Reduktion 1,9 % p. a. für Sattel-       um 9 % (ggü. 2015)
  züge

  Einführung von CO2-Standards für Lkw          Effizienzsteigerung im Lkw-Bestand                      5,3 Mio. t
  2023, Reduktion 3,1 % p. a. für Sattel-       um 16 % (ggü. 2015)
  züge

  Einführung von CO2-Standards für Lkw          Effizienzsteigerung im Lkw-Bestand                     12,9 Mio. t
  2020, Reduktion 4,7 % p. a. für Sattel-       um 33 % (ggü. 2015). 8 % elektrische
  züge, zusätzlich Elektrifizierung und         Fahrleistung bei Sattelzügen in 2030
  OL-Lkw

  Eigene Berechnungen Öko-Institut.

                                                                                                                     19
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

2.3. Fahrleistungsabhängige                                 Maut vergleichsweise einfach umgesetzt werden, müsste
     Pkw-Maut                                               allerdings regelmäßig an die Inflation angepasst werden
                                                            (vgl. Kapitel 2.4, Energiesteuer). Zukünftig wird sie jedoch
Beschreibung des Instruments                                mehr und mehr an Wirkung einbüßen, da durch die ange-
Bei einer Maut handelt es sich grundsätzlich um eine        strebte Effizienzsteigerung bei Pkw und den verstärkten
Gebühr für die Nutzung eines bestimmten Straßennet-         Einsatz von Elektrofahrzeugen der Verbrauch von Benzin
zes. Sie kann entweder zeitbezogen – Vignette – oder        und Diesel zurückgehen wird. Daher wird es perspekti-
fahrleistungsabhängig erhoben werden. Die meisten           visch neue Wege der Finanzierung geben müssen (Agora
europäischen Länder verlangen für Pkw – vor allem           Verkehrswende 2017). Eine intelligente, fahrleistungs-
auf Autobahnen – bereits eine Straßenbenutzungs-            abhängige Pkw-Maut kann dabei eine wichtige Rolle
gebühr, zum Teil wie in Frankreich oder Italien in          spielen, um einerseits die Verkehrsinfrastrukturfinan-
Form der streckenbezogenen Maut, zum Teil in Form           zierung sicherzustellen und andererseits die Umwelt-
einer zeitbezogenen Vignette wie in Österreich oder         kosten verursachergerecht anzulasten. Eine fahrleis-
Tschechien.                                                 tungsbezogene Pkw-Maut hat gegenüber einer Abgabe
                                                            auf den Kraftstoffverbrauch weitere Vorzüge: Neben der
Für Pkw in Deutschland ist derzeit eine jährlich zu ent-    nutzergerechten Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur
richtende Infrastrukturabgabe in Form der Vignetten-        bezogen auf gefahrene Strecke und ggf. auch Straßen-
Lösung in Umsetzung. Zugleich wird die Kfz-Steuer           kategorie bietet sie die Möglichkeit, den Verkehr mit vari-
gesenkt, um Mehrbelastungen für Autofahrerinnen und         ablen Mautsätzen zu steuern. Dafür wird die Maut nach
Autofahrer zu vermeiden. Bei der Ausgestaltung dieser       Ort und Zeit differenziert, um das Verkehrsaufkommen
Art der Pkw-Maut werden die tatsächlichen Kosten den        gezielt zu beeinflussen. Mit einer Mautdifferenzierung
Nutzern nicht entsprechend den tatsächlich gefahre-         nach Schadstoffkriterien lassen sich außerdem Anreize
nen Kilometern angelastet. Auch fehlt eine ökologische      schaffen, die zu einer Verminderung von Stickoxid- und
Lenkungswirkung hinsichtlich der CO2-Emissionen,            Partikelemissionen führen können.
da kein Anreiz besteht, die Fahrleistung mit dem Auto
zu vermindern. Vielmehr bevorteilt eine solche Maut         Ausgestaltungsoptionen
Vielfahrende.                                               Das Verkehrsministerium hat für das Jahr 2017 folgende
                                                            Wegekosten − das sind die Kosten für Bau und Unterhalt
Eine fahrleistungsabhängige Maut hat diese Defizite         der Straßen − für das Bundesfernstraßennetz veröffent-
nicht. Der pro Kilometer erhobene Mautsatz schafft          licht (BMVI 2014):
Anreize, den Auslastungsgrad der Fahrzeuge zu erhöhen
oder Fahrten auf öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern.   • B undesautobahnen: 2,0 Cent/Fahrzeugkilometer
Schließlich kann eine fahrleistungsbezogene Maut Auto-         (Fzgkm)
fahrer vor allem im Einkaufs-, Freizeit- und Urlaubsver-    • Bundesstraßen, die der Lkw-Mautpflicht unterliegen:
kehr dazu bewegen, weit entfernte Ziele durch nähere zu        3,1 Cent/Fahrzeugkilometer
ersetzen oder auf einen Teil der Autofahrten ganz zu ver-   • Übrige Bundesstraßen: 5 Cent/Fahrzeugkilometer
zichten (UBA 2010). Neben der ökologischen Lenkungs-
wirkung ermöglicht der Übergang von der Steuer- auf         Diese Kosten sollten entsprechend zur verursacherge-
eine Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur eine      rechten Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur für die
verursachergerechte Anlastung der Infrastrukturkosten.      Festlegungen der Mautsätze herangezogen werden.
Momentan wird die Infrastruktur zum größten Teil aus
dem Bundeshaushalt finanziert.                              Um auch die externen Umweltkosten verursachergerecht
                                                            anzulasten, bietet es sich an, auf die Methodenkonven-
Auch eine Erhöhung der Energiesteuer auf Kraftstoffe        tion des Umweltbundesamtes (UBA) zurückzugreifen. Zu
bzw. ihre Ausrichtung Ausgestaltung am Energie- und         berücksichtigen sind dabei die CO2- und Schadstoffe-
CO2-Gehalt kann einen Anreiz geben, Kraftstoffe und         missionen, der Abrieb, Lärm sowie die Emissionen des
Treibhausgase zu reduzieren. Sie kann kurzfristig und im    Lebenszyklus. Dabei ist nach den Antrieben zu diffe-
Unterschied zu einer fahrleistungsabhängigen Pkw-           renzieren, da bereits bei Diesel- und Benzin-Pkw die

20
Agora Verkehrswende | Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

Umweltkosten unterschiedlich ausfallen (5,8 ct/ Fzgkm        THG-Minderungsbeitrag
für Diesel und 4,5 ct/Fzgkm Benzin (UBA 2012)). Bat-         Es liegen empirische Daten für die Wirkung von höheren
terieelektrisch betriebene Pkw haben aufgrund der            Nutzerkosten auf den Pkw-Bestand und den motori-
entfallenden CO2- und Schadstoffemissionen deutlich          sierten Individualverkehr (MIV) vor (Bastian et al. 2016,
geringere Umweltkosten. Die differenzierte Berücksich-       Frondel und Vance 2018). Jedoch ist zu berücksichtigen,
tigung der Antriebsarten bei der Festlegung der Maut-        dass die daraus abgeleiteten Elastizitäten7, die die Wir-
sätze kann also einen deutlichen Anreiz in Hinblick auf      kung von Preisänderungen auf die Nachfrage abbilden,
Elektrofahrzeuge bieten.                                     nicht ohne weiteres verallgemeinerbar sind. So ist die
                                                             Wirkung eines Kostenanstiegs auf die Verkehrsmittel-
Wesentliche Voraussetzung bei der Einführung einer           nutzung immer auch abhängig von den zur Verfügung
fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut ist die Gewährleis-         stehenden Alternativen, etwa dem öffentlichen Verkehr
tung des Datenschutzes. Entsprechende Fragen müssen          (ÖV), und dessen Attraktivität. Ferner haben Mobilitäts-
geklärt werden, sodass ein Einführungszeitpunkt vor          orientierungen, die sich in den kommenden Jahrzehnten
dem Jahr 2025 unwahrscheinlich erscheint. Auch ist zu        durchaus ändern können, einen wesentlichen Einfluss
berücksichtigen, dass zunächst hohe Transaktionskos-
ten für die Errichtung eines entsprechenden Systems           7 Elastizitäten: Hierbei wird die Stärke der systemischen
anfallen. Genaue Aussagen zu den Systemkosten sind              Reaktion auf ein bestimmtes Preissignal ermittelt. Die
                                                                direkten Elastizitäten treffen eine Aussage über vermiedene
schwierig. Beispiele aus anderen Ländern sowie die
                                                                oder induzierte Verkehre, Kreuzpreiselastizitäten geben
Erfahrungen mit der deutschen Lkw-Maut zeigen, dass
                                                                den Verlagerungseffekt auf andere Verkehrsträger an. Eine
heute Erhebungskosten von 2 Cent pro je Fahrzeugkilo-
                                                                direkte Preiselastizität von -0,1 bedeutet beispielsweise,
meter möglich sind (UBA 2015). Durch Mengeneffekte              dass bei einer Steigerung des Preises von 10 Prozent ein
bei der Ausweitung der Maut auf Pkw sowie durch                 Rückgang der Nachfrage um 1 Prozent entsteht. Elastizitä-
technischen Fortschritt sind für die Zukunft deutlich           ten werden meist noch in kurz- und langfristige Elastizi-
niedrigere Kosten zu erwarten.                                  täten unterschieden. Meist handelt es sich hierbei um das
                                                                erste Jahr und fünf oder zehn Jahre nach dem Signal.

  THG-Minderung durch Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut                                                     Tabelle 2.3

  Instrument                                  Wirkmechanismen                                   THG Minderung in
                                                                                                2030

  Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut             Mautsatz von 2 ct/km auf Autobahnen                            1,8 Mio. t
  auf Autobahnen                              => Erhöhung der Nutzerkosten um 7 %
                                              ggü. der Referenz => Rückgang der
                                              Fahrleistung um 2 %

  Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut             Mautsatz von durchschnittlich 4ct/km                          12,8 Mio. t
  auf allen Straßen                           => Erhöhung der fahrleistungsabhängi-
                                              gen Kosten um 50 % ggü. der Referenz
                                              => Reduktion Fahrleistung um 15 %

  Fahrleistungsabhängige Pkw-Maut             Mautsatz von durchschnittlich 8 ct/km                        25,6 Mio. t
  auf allen Straßen und Internalisie-         => Erhöhung der fahrleistungsabhängi-
  rung der externen Kosten                    gen Kosten um 100 % ggü. der Refe-
                                              renz=> Reduktion Fahrleistung um 30 %

  Eigene Berechnungen Öko-Institut.

                                                                                                                          21
Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030

auf die Höhe des Pkw-Bestands oder MIV (z. B. Status-       daher die reale Steuerbelastung zurück. Bei weiterhin
Rückgang des Pkw). Auf Basis von Elastizitäten können       konstantem Steuersatz werden die zunehmende Elekt-
also nur Größenordnungen über die Wirkmächtigkeit           rifizierung sowie die Effizienzsteigerung der Fahrzeuge
abgeleitet werden.                                          das Steueraufkommen sogar nominal schrumpfen lassen.
                                                            In dem Referenzszenario liegen die Energiesteuerein-
Elastizitäten für die Pkw-Verkehrsnachfrage hin-            nahmen im Jahr 2030 real um 15 Prozent niedriger als
sichtlich der Kilometerkosten bewegen sich im Bereich       2015. Um die Entwertung fixer Energiesteuern durch die
von -0,15 über -0,3 (z. B. im Projektionsbericht (BReg      Inflation auszugleichen, könnten die Steuersätze etwa
2017) bis -0,6 (Renewbility III (Öko-Institut 2016)). Für   an einen Verbraucherpreisindex gekoppelt werden. Eine
die hier dargestellten Ergebnisse wird eine Preiselasti-    solche Indexierung gibt es beispielsweise in Dänemark
zität von - 0,3 angenommen. Das bedeutet, dass für jedes    (Eurostat 2013, EC 2015). Eine Erhöhung der Energie-
Prozent, das der Pkw-Verkehr teurer wird, die Verkehrs-     steuern ist zudem relevant, wenn man Rebound-Effekten
nachfrage um 0,3 Prozent sinkt.                             durch zunehmende Effizienz entgegenwirken will.

In der Studie Verkehrsinfrastruktur 2030 des Ministeri-     Seit 2009 wird zur Kfz-Steuerberechnung von Pkw
ums für Verkehr Baden-Württemberg wurde in Sensiti-         neben dem Hubraum auch der CO2-Wert herange-
vitätsanalysen festgestellt, dass die Kilometerkosten um    zogen. Dieser ist jedoch nur mäßig gespreizt, sodass
114 Prozent ggü. 2010 steigen müssten, um eine Minde-       Möglichkeiten einer Lenkungswirkung nicht maximal
rung der CO2-Emissionen bis 2030 um rund 35 Prozent         ausgenutzt werden. Mit dem Entwurf eines Sechsten
ggü. 2010 allein durch Änderung der Verkehrsnachfrage       Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergeset-
zu erreichen (MVI 2017). Das bedeutet eine Erhöhung         zes wird geregelt, dass für die Kraftfahrzeugsteuer ab
der Kraftstoffpreise auf 4,08 Euro in 2030 bzw. eine        1. September 2018 die im Rahmen des neuen Testver-
fahrleistungsabhängige Pkw-Maut in Höhe von 16 Cent/        fahrens WLTP ermittelten realitätsnäheren CO2-Werte
Kilometer und verdeutlicht, dass es sehr starker Preissi-   anzuwenden sind. Grundsätzlich könnte durch eine
gnale bedarf, um die Klimaschutzziele allein über diesen    stärkere Spreizung der Kfz-Steuer – spürbar höhere
Hebel zu erreichen.                                         Kosten für CO2-intensive Fahrzeuge und Steuervorteile
                                                            für CO2-arme Fahrzeuge – ein zusätzlicher Beitrag zum
                                                            Klimaschutz geleistet werden. In anderen Ländern,
2.4. Energiesteuer und Kfz-Steuer                           etwa in Großbritannien, hat etwa eine CO2-abhängige
                                                            Ausgestaltung der Kfz-Steuer mit deutlich stärke-
Beschreibung des Instruments                                rer Spreizung als in Deutschland relevante Wirkung
Die Energiesteuer ist eine mengenabhängige Steuer,          entfaltet.
was bei entsprechender Ausgestaltung aus Umweltsicht
grundsätzlich positiv sein könnte. Da die Energiesteuer     Ausgestaltungsoptionen
jedoch keinen Bezug zum Energiegehalt bzw. den Treib-       Eine einheitliche Besteuerung von Diesel und Benzin auf
hausgasemissionen der Kraftstoffe aufweist, entfaltet       Basis des Energie- und CO2-Gehalts wäre ein erster Schritt
sie keine deutliche Lenkungswirkung hinsichtlich            in Richtung Energiewende im Verkehr (Agora Verkehrs-
besonders umweltfreundlicher Technologien. So wird          wende 2017). Es wäre jedoch kontraproduktiv, bei diesem
Dieselkraftstoff derzeit mit 18,4 Cent pro Liter weniger    Umbau den Steuersatz auf Kraftstoffe zu reduzieren.
besteuert als Benzin − bei höherem Energiegehalt und        Simultan zur Angleichung des Dieselsteuersatzes an den
somit höheren CO2-Emissionen pro Liter sowie höheren        von Benzin sollte auch bei der Kfz-Steuer eine Anpassung
Schadstoffemissionen der derzeit in Pkw eingesetzten        erfolgen, sodass die derzeit höhere Kfz-Steuer von Diesel-
Dieseltechnologie. Selbst nach Abzug der höheren Kfz-       Pkw an diejenige von Benzinfahrzeugen angeglichen wird.
Steuer für Diesel-Pkw werden diese derzeit mit rund
1,5 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert (UBA 2016a).    Bei hohen Unterschieden der Kraftstoffpreise in Europa
                                                            kann es zu Tanktourismus kommen, insbesondere im
Die Energiesteuersätze sind in Deutschland seit vielen      grenzüberschreitenden Güterverkehr: Rund 40 Prozent
Jahren nominal konstant. Allein durch die Inflation geht    der Lkw-Fahrleistung in Deutschland wird von auslän-

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