Von der Energiewende lernen - Erwartungen der Entwicklungsländer an Deutschland - Climate & Development ...

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STUDIE

     Von der Energiewende lernen
Erwartungen der Entwicklungsländer an Deutschland

                                                                    THOMAS HIRSCH
                                                                         März 2015

   „ Ist eine »Energiewende« auch in Entwicklungsländern möglich? Wenngleich die He-
     rausforderungen in allen Ländern variieren, lassen sich doch fünf Schlüsselanforde-
     rungen verallgemeinern: Es braucht vorteilhafte und verlässliche politische Rahmen-
     bedingungen für erneuerbare Energien, Subventionen für fossile Energien müssen
     abgebaut werden, privatwirtschaftliches Engagement ist bei der Einführung erneu-
     erbarer Energien ebenso wenig verzichtbar wie soziale Akzeptanz und schließlich ist
     gesellschaftliche Innovations- und Veränderungsbereitschaft unabdingbar.

   „ »Energy transformation is the best thing Germany can extend its help to other coun-
     tries, especially developing countries!« Die Erwartungen an Deutschland sind hoch.
     Dabei steht der Wunsch nach Wissenstransfer und Unterstützung beim Aufbau von
     strategischer Kompetenz noch vor der Hoffnung auf finanzielle Förderung und mehr
     Direktinvestitionen sowie dem Wunsch nach technischer Zusammenarbeit und Tech-
     nologietransfer. Die bisherige Förderpraxis wird diesen Erwartungen nur teilweise
     gerecht.

   „ Die Studie formuliert 10 Empfehlungen, wie Deutschland Energiewendeprozesse in
     Entwicklungsländern noch besser unterstützen kann. Dabei sind eine kohärente Ge-
     samtstrategie und die verbesserte Verzahnung von Instrumenten ebenso wichtig wie
     die verstärkte Förderung von Prozessen, die zum Kompetenzaufbau in Entwicklungs-
     ländern führen. Schließlich sollten vermehrt Leitprojekte und internationale Partner-
     schaften mit Vorreiterstaaten gefördert werden. Dafür bedarf es einer Steigerung
     und langfristigen Absicherung der Klimafinanzierung. Unverzichtbar ist auch die
     Profilierung der KfW-Bankengruppe als Kapitalgeber für kohlenstoffarme Projekte in
     Entwicklungsländern bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Finanzierung fossiler bzw.
     nuklearer Energieprojekte. Die deutsche G7-Präsidentschaft bietet die Gelegenheit,
     ein Paket zu schnüren und eine globale Energiewende- und Klimapartnerschaft der
     Industrie- mit den Entwicklungsländern zu initiieren
THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

Inhalt

         1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     3

         2. Wie relevant und übertragbar ist die Energiewende für Entwicklungsländer? . . .                                                      4
            2.1 Erste Annäherung – Lernerfahrungen aus der Energiewende für Entwicklungsländer                                                   5
            2.2 Erfolgsfaktoren für eine Internationalisierung der Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . .                                  5

         3. Handlungsfelder für die internationale Verbreitung der Energiewende . . . . . . . . 9
            3.1 Wissenstransfer und Aufbau von strategischer Kompetenz in Entwicklungsländern . 9
            3.2 Verstärkte finanzielle Förderung und Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
            3.3 Technische Zusammenarbeit und Technologietransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

         4. Energiewende in Entwicklungsländer exportieren?
            Erfahrungen aus den Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          11
            4.1 Politische Rahmenbedingungen und Subventionsabbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  11
            4.2 Investitionen und die Rolle der Privatwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     12
            4.3 Gesellschaftliche Akzeptanz und Innovationsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                              12

         5. Die bisherige Förderpraxis der deutschen Klimafinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

         6. Politische Herausforderungen und Empfehlungen für die Zukunft . . . . . . . . . . . . 18

         Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

         Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

         Verfasser_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

                                                             1
Providing sustainable development for all and fighting climate change – these are two major challenges
the world faces today. The project »Exploring Sustainable Low Carbon Development Pathways« aims
to point out ways how to combine both: climate protection and sustainable development. As a joint
initiative by Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), Bread for the World (BftW), World Wide Fund for Nature
(WWF), Climate Action Network International (CAN-I) and ACT Alliance of Churches, the project is led
             by the common understanding that any future development model has to be

LOW CARBON. That means with a minimal out-          The project was started in 2013 in four pilot
put of greenhouse gas emissions.                    countries: Kazakhstan, Peru, Tanzania and Viet-
                                                    nam. In close co-operation and ownership with
ECOLOGICALLY SUSTAINABLE. That means fully          different national partners from civil society,
respecting planetary boundaries.                    politics and science we aim to

HUMAN RIGHTS-BASED. That means with a strong      • Explore Sustainable Low Carbon Development
focus on poverty reduction and participation.       Pathways in these countries which could serve
                                                    as regional and international examples.
SOCIALLY INCLUSIVE. That means creating
wealth and employment while absorbing nega- • Show that Low Carbon Development is not only
tive social impacts.                          possible but economically and socially beneficial.

JUST. That means equally sharing burdens and      • Create platforms for dialogue at the national
opportunities between different stakeholders.       level for a range of different stakeholders.

NATIONALLY APPROPRIATE. That means respect-       • Support and intensify networks between civil
ing countries different backgrounds and chal-       society actors in the respective countries and
lenges towards sustainable development.             regions.
THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

                                            1. Einleitung              2014 an5 und schafft ständig neue Arbeitsplätze. Schon
                                                                       heute sind mit weltweit 5,7 Millionen annähernd so viele
2015 ist ein Entscheidungsjahr. Überall auf der Welt                   Menschen im nachhaltigen Energiesektor beschäftigt wie
wächst die Erkenntnis, dass der globale Megatrend                      in der Kohleindustrie. Bis 2030 könnte sich diese Zahl
Klimawandel dringend langfristige Antworten verlangt.                  nach Berechnungen der International Renewable Energy
Gleichzeitig wird der weltweite Energiebedarf noch viele               Agency (IRENA) auf 16,7 Millionen erhöhen, davon
Jahrzehnte weiter sprunghaft steigen. 1,3 Milliarden                   11,7 Millionen in Entwicklungsländern.6
Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität1, weitere
2 Milliarden verfügen nur über sehr eingeschränkte Elek-               Entsprechend hoch ist das Interesse in Entwicklungs- und
trizitätsversorgung und 2,5 Milliarden kochen und heizen               Schwellenländern an erneuerbaren Energien – schmal
mit traditioneller Biomasse.2 Neben der Überwindung                    jedoch die Wissensbasis in Politik, Wirtschaft und Ge-
von Energiearmut, vor allem in ländlichen Räumen, steht                sellschaft, vielerorts verbunden mit Vorbehalten. In die-
in fast allen Schwellen- und Entwicklungsländern der                   sem Kontext kommt der deutschen Energiewende ein
Aufbau einer leistungsfähigen, sicheren und günstigen                  steigendes Maß an internationaler Aufmerksamkeit zu.
Energieversorgung ganz oben auf der Prioritätenliste, um               Nachdem die erneuerbaren Energien mit 25,8 Prozent
Wirtschaftswachstum und Wohlstand anzukurbeln.                         in 2014 – im Jahr 3 nach Fukushima – erstmals zum
                                                                       wichtigsten Stromerzeuger aufgestiegen sind, wird diese
Aufgrund aktuell sinkender Rohölpreise und der zu-                     Bedeutung noch wachsen. Made in Germany: In den
nehmenden Erschließung unkonventioneller fossiler                      Augen der Welt ist Deutschland das Land der Auto- und
Energiequellen (Teersande, Schiefergas etc.) wachsen                   Maschinenbauer, Hochtechnologiestandort, Exportwelt-
die globalen Treibhausgasemissionen und sinkt die                      meister – und Energiewendeland.
Wahrscheinlichkeit, das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen:
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)                       Die deutsche Energiewende also als globales Leitprojekt?
rechnet mit einem Anstieg der CO2-Emissionen auf                       Vorbild auch für Schwellen- und Entwicklungsländer?
59 Gigatonnen (Gt) in 2020, 68 Gt in 2030 und 87 Gt                    Welche Erfahrungen sind übertragbar und welche nicht?
in 2050, wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt. Dem-                  Welche Lehren ziehen Expert_innen aus Entwicklungslän-
zufolge wäre das rechnerisch noch verbleibende Budget                  dern, die sich mit der deutschen Energiewende beschäf-
an Treibhausgasemissionen bereits in der übernächsten                  tigt haben, für ihr Land? Was fällt ihnen besonders auf
Dekade erschöpft, womit das von der Klimawissenschaft                  und welche Erwartungen hegen sie gegenüber Deutsch-
proklamierte Ziel einer Kohlenstoffneutralität in weite                land? Inwieweit werden diese Erwartungen bislang er-
Ferne rückt.3 Angesichts eines Energiesektor-Anteils von               füllt – und was kann Deutschland künftig besser machen,
60 Prozent der globalen CO2-Emissionen steht die Ener-                 um der internationalen Energiewende zum Durchbruch
gieerzeugung im Mittelpunkt der Klimapolitik.                          zu verhelfen? Schließlich: Wie sind die Entwicklungslän-
                                                                       der aufgestellt und was müssen sie selber tun?
Der Klimawandel ist nicht alternativlos und eine Transfor-
mation des Energiesystems ist möglich. Der Intergovern-                Die vorliegende Kurzstudie möchte diese Fragen disku-
mental Panel on Climate Change (IPCC) und die Internati-               tieren und Schlussfolgerungen in Form von Anforde-
onal Energy Agency (IEA) unterstreichen in ihren jüngsten              rungen an die deutsche internationale Zusammenarbeit
Berichten, dass nachhaltige wirtschaftliche Prosperität                im Schlüsseljahr 2015 ableiten. Dazu wurden die Erfah-
und eine moderne Energieversorgung mit langfristig sin-                rungen einer internationalen Besucher_innendelegation
kenden Emissionen vereinbar sind.4 Gleichzeitig hielt der              vom Sommer 2014 ausgewertet und darauf aufbauend
globale Investitionsboom in erneuerbare Energien auch in               Interviews mit jeweils vier hochrangigen Expert_innen
                                                                       aus Afrika, Asien und Lateinamerika geführt, darun-
                                                                       ter ehemalige Minister_innen, leitende Beamt_innen,
                                                                       Wissenschaftler_innen, Analyst_innen und Repräsen-
1. International Energy Agency 2012: 532.
2. http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/themen/energie/index.html       5. Laut Bloomberg wurden 2014 weltweit 311 Milliarden US-Dollar in
                                                                       neue Projekte, vor allem Wind und Solar, investiert (+16 Prozent gegen-
3. UNEP (2014): XV ff.                                                 über 2013). Zitiert nach Süddeutsche Zeitung vom 23.1.2015: 20.
4. IPCC (2014) und IEA (2014).                                         6. Zitiert nach FES (2014): 6.

                                                                   3
THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

tant_innen aus Gewerkschaften, Wirtschaft und NGOs.                           verbesserte Verzahnung der nationalen mit der europäi-
Ergänzend wurde mit Insider_innen aus den zuständigen                         schen Energiepolitik
deutschen Bundesministerien sowie Fachorganisationen
gesprochen, um die Außensicht auf Deutschland mit der                         „  sozioökonomische Herausforderungen wie Wirt-
Binnensicht zu spiegeln, woraus abschließend Politik-                         schaftlichkeit und die Sicherstellung einer anhaltend
empfehlungen resultieren.                                                     breiten gesellschaftlichen Unterstützung für die Energie-
                                                                              wende sowie die Schaffung einer neuen Kultur des Ener-
Die Kurzstudie steht im Kontext eines Projektes zur För-                      giesparens
derung kohlenstoffarmer Entwicklung7 in Kasachstan,
Peru, Tansania und Vietnam, welches die Friedrich-Ebert-                      Auch wenn die Herausforderungen kontextspezifisch
Stiftung, Brot für die Welt, der WWF, das Climate Action                      je nach Land variieren, so ist doch unstrittig – und soll
Network (CAN) und die ACT Alliance gemeinsam mit                              demnach als Arbeitshypothese für diese Studie gelten
nationalen Partnern durchführen.8                                             –, dass die mit dem Umbau eines nationalen Energie-
                                                                              versorgungssystems verbundenen komplexen Verände-
                                                                              rungsprozesse mindestens vier Dimensionen umfassen,
2. Wie relevant und übertragbar ist die                                       in denen jeweils bestimmte Voraussetzungen für einen
Energiewende für Entwicklungsländer?                                          erfolgreichen Veränderungsprozess erfüllt sein müssen:
                                                                              die technologische, politische, wirtschaftliche und sozio-
Die Energiewendebeschlüsse der Regierung Merkel/                              kulturelle Dimension. Mit anderen Worten: Eine Engfüh-
Rösler vom Sommer 2011 beinhalten den schrittweisen                           rung der Energiewende-Debatte etwa auf »technische
Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022, den schnellen                          Machbarkeit«, »politischen Willen« oder »verfügbare
Ausbau der erneuerbaren Energien (35 Prozent der Elek-                        finanzielle Mittel« würde der Herausforderung nicht ge-
trizitäts- bzw. 18 Prozent der Primärenergieerzeugung bis                     recht – weder in Deutschland noch anderswo.
2020), die Verbesserung der Energieeffizienz um 20 Pro-
zent bis 2020 sowie die Beibehaltung des Emissionsmin-                        Inwieweit sind die deutschen Energiewende-Erfahrungen
derungsziels um 40 Prozent (2020 gegenüber 1990).                             nach Ansicht von Expert_innen aus Entwicklungsländern
                                                                              übertragbar? Und welche Erfahrungen sind besonders
Die Berliner Denkfabrik »Agora Energiewende« hat die                          relevant? Bevor diese Fragen eingehender beantwortet
zentralen Herausforderungen für eine erfolgreiche Trans-                      werden, muss eine zweite Arbeitshypothese formuliert
formation der Energieversorgung ausgemacht.9 Dazu                             werden, die für das vertiefte Verständnis der Energie-
zählen:                                                                       wende wesentlich ist: Die Energiewende-Beschlüsse vom
                                                                              Juni 2011 wurden nicht überhastet getroffen, so wie das
„  vorrangig technische Herausforderungen wie der Er-                         vor allem im Ausland häufig verkürzt wahrgenommen
satz der Kohlekraft durch die Solar- und Windenergie im                       wird. Zwar war Fukushima der Auslöser, jedoch reicht die
Grundlastbereich sowie der gezielte Netzausbau, verbun-                       Energiewende bis in die 1970er Jahre zurück. Mittlerweile
den mit dem Aufbau flexibler Gaskraftwerke, um Versor-                        blickt Deutschland auf vier Jahrzehnte gewachsene wis-
gungsengpässe und Nachfragespitzen abzufangen                                 senschaftliche, technologische und politische Erfahrung
                                                                              zurück, die das nötige gesellschaftliche Grundvertrauen
„ politische Herausforderungen wie die Ablösung des                           in die Machbarkeit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit
energy-only-Marktes durch Kapazitätsmärkte sowie eine                         der erneuerbaren Energien geschaffen hat.

                                                                              Gleichwohl bleiben die Energiewende-Beschlüsse von
7. In dieser Studie wird statt des Begriffes »kohlenstofffreie Entwick-
lung« (Zero Carbon Development) der Terminus »kohlenstoffarme Ent-            2011 ein Präzedenzfall und machen Deutschland zu
wicklung« (Low Carbon Development) verwendet, weil er die Realität            einem einmaligen Pilotversuch, dessen Verlauf und Er-
in den Entwicklungsländern angemessener darstellt. Carbon Capture &
Storage (CCS)-Technologien gehören nach unserem Verständnis ebenso            gebnisse international mit größtem Interesse beobachtet
wenig wie Nuklearenergie zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung.               werden. Hieraus erwachsen zwei Herausforderungen:
8. Näheres zum Projekt »Exploring Sustainable Low Carbon Develop-             erstens, als klima- und energiepolitisches Leitprojekt er-
ment Pathways« unter http://www.fes-sustainability.org/de/exploring-
sustainable-low-carbon-development-pathways.                                  folgreich zu sein und zweitens, die Unterstützung von
9. Siehe Agora Energiewende (2012).

                                                                          4
THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

Nachahmer-Ländern zu einer Priorität der internationalen          2.2 Erfolgsfaktoren für eine Internationalisie-
Kooperation zu machen.                                            rung der Energiewende

                                                                  Die oben genannten Aussagen liefern wichtige Hinweise
 2.1 Erste Annäherung – Lernerfahrungen aus                       auf Schwierigkeiten, aber auch Chancen sowie mögliche
    der Energiewende für Entwicklungsländer                       Ansatzpunkte für die internationale Zusammenarbeit.
                                                                  Aber wie verallgemeinerbar sind die Thesen? Hierüber
Die Delegationsmitglieder aus Ägypten, Bolivien, Ka-              sollte eine erweiterte Befragung von Expert_innen aus
sachstan, Tansania und Vietnam, die im Sommer 2014                Entwicklungsländern Aufschluss geben. Keiner der be-
auf den Spuren der Energiewende gemeinsam durch                   fragten Fachleute10 kommt aus einem »Energiewende-
Deutschland tourten, haben zu Beginn ihrer Reise poli-            land« – oder auch nur einem Land, in dem erneuerbare
tischen Willen, finanzielle Mittel und Verfügbarkeit von          Energien (jenseits von großen Wasserkraftwerken) bereits
Technologie als die drei Kernkompetenten der Energie-             eine herausragende Rolle spielen. Gleichwohl gibt es –
wende benannt. Eine Woche später hoben sie ergänzend              abgesehen von Bolivien – in allen untersuchten Ländern
folgende Lernerfahrungen als relevant auch für ihr Land           aktuelle politische Überlegungen, den jeweiligen Ener-
hervor:                                                           giemix in Richtung erneuerbare Energien auszubauen.
                                                                  Dies bedeutet jedoch in keinem Land, die bislang vorherr-
„  breites Interesse, Unterstützung und aktive Teilhabe           schenden Energieträger weitgehend zu ersetzen, seien es
an der Energiewende quer durch alle gesellschaftlichen            Kohle und Öl (Ägypten, Brasilien, Indien, Ecuador, Peru,
Gruppen                                                           Südafrika), Gas (Ägypten, Bolivien, Peru) oder Wasser-
                                                                  kraft (Brasilien, Peru). Vielmehr strebt die Mehrzahl der
„  Dezentralität und Diversität der erneuerbaren Ener-            genannten Staaten sogar an, das akute Energiedefizit,
gien mit großen Chancen für Kommunen und ländliche                das als gravierendes Entwicklungshemmnis erachtet
Räume                                                             wird, auch durch den Zubau fossiler Kraftwerke zu ver-
                                                                  ringern. Ausschlagend für die anhaltende Priorisierung
„   langfristig angelegte und auf Anreizen basierte politi-       fossiler Energieträger ist das Kostenargument – die
sche Rahmenbedingungen, welche die Akteur_innen zur               Energiepreise müssen niedrig bleiben! Das gilt auch als
Teilhabe mobilisieren                                             energiepolitische Prämisse der neuen ägyptischen Füh-
                                                                  rung, sagt Ahmed Kandil, energiepolitischer Studienleiter
„  Einsicht in die Schwierigkeit von Veränderungsprozes-          des Al-Ahram Center for Political and Strategic Studies in
sen und Bereitschaft, Konflikte konstruktiv und dialogo-          Kairo. Da in Ägypten der Abbau der hohen Subventionen
rientiert zu lösen                                                für Elektrizität angestrebt wird, sei es zur Sicherstellung
                                                                  des sozialen Friedens umso wichtiger, dass die Kilowatt-
Basierend auf diesen Lernerfahrungen hat die Delegation           stunde möglichst wenig koste.
vier kritische Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ein-
führung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern              Während mit Brasilien, Indien und Südafrika alle unter-
formuliert, die in der Mehrzahl der Entwicklungsländer            suchten Schwellenländer über Atomkraftwerke verfü-
bislang nicht oder nur begrenzt erfüllt sind:                     gen, geben die Gesprächspartner aus Ägypten, Bolivien
                                                                  und Tansania an, dass Kernkraftwerke geplant seien oder
„   klare und langfristige energiepolitische Strategie            aber zumindest diesbezügliche Überlegungen existierten.
                                                                  Damit ist die Kernkraft in der Mehrzahl der untersuchten
„   geeignete institutionelle Rahmenbedingungen                   Länder eine Option.

„  geeignete Instrumente und ein attraktives Anreizsys-           Dennoch: Befragt nach den Energien der Zukunft, nen-
tem                                                               nen alle Expert_innen die Erneuerbaren an erster Stelle –
                                                                  und Deutschland als das Vorreiterland. Die Wahrneh-
„   nachhaltige finanzielle Unterstützung                         mung der Energiewende – der Begriff ist allen Befragten

                                                                  10. Siehe die vollständige Liste der Befragten am Ende der Studie.

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

geläufig – ist mit einer Ausnahme ausschließlich positiv;                         lopment of renewable energy sources is still at its infancy.
lediglich Daniel Morais Angelim aus Brasilien, zuständig                          A key problem here is that the necessary support policies
für Umweltfragen beim interamerikanischen Gewerk-                                 are not in place (...) Apart from South Africa, no country
schaftsverband, sieht neben Vorteilen vor allem auch                              in the region has a clearly articulated policy framework
das Risiko einer De-Industrialisierung, sollte die Ener-                          on renewable energy.«
giewende zu schnell erfolgen. Alle anderen Befragten
werten die Energiewende als Erfolgsgeschichte und sind                            Ein weiteres gravierendes Problem in den meisten der
überzeugt, dass ihr Land hiervon lernen könne. Entspre-                           untersuchten Länder sind die defizitären Netze. In al-
chend groß ist das Interesse, den Erfahrungsaustausch                             len untersuchten Ländern mit Ausnahme von Brasilien,
mit Deutschland zu vertiefen.11                                                   Ecuador und Jordanien verfügt ein beträchtlicher bis
                                                                                  überwiegender Teil der ländlichen Bevölkerung (Tansa-
Wenn also einerseits die erneuerbaren Energien ein po-                            nia 95 Prozent) über keinen oder allenfalls marginalen
sitives Image haben, sie aber andererseits in der Energie-                        Zugang zu Elektrizität (< 100 kWh pro Jahr) und selbst in
politik vieler Entwicklungs- und Schwellenländer bislang                          städtischen Zentren kommt es zu häufigen Stromausfäl-
nur ein Nischendasein fristen, was sind dann die größten                          len (Ägypten, Indien). Als zusätzliches Problem werden
Hemmnisse? Und inwiefern helfen die Erfahrungen aus                               die häufig kleinräumig organisierten, d. h. über Provinz-
der Energiewende dabei, die Hürden zu überwinden?                                 bzw. Landesgrenzen kaum verbundenen Netze gesehen.

Es mag erstaunen, dass die befragten Experten_innen                               Was können Entwicklungsländer von der deutschen
zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen, obwohl sie aus                              Energiewende lernen? Die Energiewende hat zu Deutsch-
ganz verschiedenen Ländern stammen und einen höchst                               lands Wohlstand beigetragen; sie hat über ökonomische
unterschiedlichen persönlichen Werdegang aufweisen.                               Anreize und verlässliche Rahmenbedingungen des
Fünf Faktoren sind demnach ausschlaggebend:                                       Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) über Jahrzehnte
                                                                                  hinweg weit mehr als eine Million Privathaushalte, Unter-
                                                                                  nehmen und kommunale Stromerzeuger dazu gebracht,
               1) Verlässliche und vorteilhafte Rahmen-                           dezentral erneuerbaren Strom zu erzeugen, zunächst
                bedingungen für erneuerbare Energien                              in einer geschützten Nische und inzwischen in einem
                                                                                  Ausmaß, das die marktbeherrschenden Großkonzerne
Funktionierende Energiemärkte12, die nicht von Monopo-                            dazu zwingt, ihr fossil-nukleares Geschäftsmodell zu ver-
len bzw. Oligopolen beherrscht werden, sind in Entwick-                           ändern. Das ist nach Auffassung aller Interviewpartner
lungsländern selten – und dezidiert »grüne« Märkte noch                           eine außerordentlich überzeugende Erfolgsgeschichte,
viel seltener. Kaum ein Entwicklungsland hat ausreichend                          die zur Nachahmung anregt. Hervorgehoben wird der
Erfahrung mit Regulationsregimen, mittels derer erneu-                            besondere Charme einer dezentralen und kleinteiligen
erbare Energien über einen hinreichend langen Zeitraum                            Stromerzeugung für ländliche Regionen in Entwick-
gezielt gefördert werden, d. h. bevorzugten Netzzugang                            lungsländern, die bislang nicht oder nur unzureichend
mit attraktiven Einspeisevergütungen kombinieren. Die                             an nationale Stromnetze angebunden sind. Verbesserte
befragten Expert_innen ziehen für ihre Länder Feed-in-                            Energiesicherheit, höhere Versorgungsautonomie und
Tariffs (FIT) den mengengesteuerten Systemen (z. B. Aus-                          die Chance zur demokratischen Kontrolle werden als
bauvorgaben, Emissionshandelssysteme) eindeutig vor.                              große Vorteile benannt, denen in Entwicklungsländern
Insgesamt gilt in mehr oder minder abgewandelter Form                             hohe Bedeutung beigemessen wird: »The involvement of
für alle untersuchten Länder, was Ivan Mbirimi, Analyst                           households and small scale niche generation of electricity
aus Zimbabwe, für das südliche Afrika formuliert: »Deve-                          is key to understand the German ‚’energiewende‘. This
                                                                                  would be a great learning experience for South Africa as
11. Nur zwei Gesprächspartner geben an, bereits über sehr gute Kennt-             well«, so ein Experte aus Südafrika. Hinzu kommt, wie
nisse der Energiewende zu verfügen, einer bezeichnet die eigenen Kennt-           viele der Befragten betonen, dass der Boom der Erneu-
nisse als oberflächlich, alle anderen schätzen ihren Wissenstand als durch-
schnittlich bis gut ein.                                                          erbaren in Deutschland global dazu beigetragen hat, die
12. Unter funktionierenden Energiemärkten werden hier Märkte verstan-             Kosten einer Kilowattstunde Strom, erzeugt über Photo-
den, die Stromangebot und Nachfrage verlässlich, effektiv und kosten-             voltaik oder Windenergie, so massiv zu senken, dass man
günstig miteinander in Beziehung setzen; dies beinhaltet auch den Netz-
zugang.

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

heute der Kostenparität mit fossiler Energie bereits sehr        Entwicklungsländer ein sehr starkes, vielfach noch wenig
nahegekommen ist.                                                bekanntes Argument, meinen die befragten Fachleute.

                        2) Abbau von Subventionen,               3) Privatwirtschaftliches Engagement
                       die fossile Energien verbilligen
                                                                 Private Investitionen sowie ein verstärktes privatwirt-
Die Subventionierung von fossiler Energie (Elektrizität,         schaftliches Engagement für erneuerbare Energien wer-
Treibstoffe) bzw. von fossilen Inputfaktoren für die Land-       den von allen Befragten als wichtige Stimulanzien für
wirtschaft (Diesel, Kerosin, Düngemittel) ist angesichts         eine Transformation des Energiesektors im eigenen Land
der defizitären Energieversorgung in allen untersuchten          erachtet. Sofern diesbezüglich Erfahrungen vorliegen
Ländern von strategischer und mitunter wahlentschei-             (Brasilien, Ecuador, Indien, Jordanien), werden diese als
dender Bedeutung. Dies gilt für politisch linke (Bolivien,       positiv beschrieben. Gleichwohl ist der Energiesektor in
Ecuador) ebenso wie für eher liberale oder rechte Regie-         nahezu allen untersuchten Ländern ganz oder überwie-
rungen (Peru, Indien), insbesondere aber für autokrati-          gend in staatlicher Hand, was als hinderlich für die Mo-
sche Regimes (Ägypten, Jordanien). Gerade gegenüber              bilisierung von privatem Kapital erachtet wird. Zieht man
den Armen im Land sollen Subventionen als social con-            zudem die bislang eher geringe Investitionsbereitschaft
tract den sozialen Frieden gewährleisten. Die Wirkung            staatlicher Energieversorger in den meisten der genann-
auf die erneuerbaren Energien ist häufig kontraproduktiv         ten Länder sowie die beschriebene Subventionspraxis in
und Investitionen werden fehlgeleitet. Aufgrund der ho-          Betracht, erweist sich der Mangel an (privatwirtschaftli-
hen finanziellen Belastung der Staatshaushalte durch die         chen) Investitionen aus Expert_innensicht als eines der
Subventionierung fossiler Energie überprüfen allerdings          derzeit größten Hemmnisse für eine Energiewende in
viele Länder diese Praxis. So brachte Ägypten im Jahr            Entwicklungsländern. Große Hoffnung richten die Ex-
2013 noch 20 Milliarden US-Dollar für die Subventio-             pert_innen aus Ägypten, Ecuador, Jordanien und Indien
nierung fossiler Energieträger auf, reduzierte diesen Be-        auf ausländische Investitionen. D. Raghunandan, Leiter
trag aber im Jahr 2014 um 30 Prozent. Malek Kabariti,            des Centre for Technology and Development sowie
vormals jordanischer Energieminister, weist im Übrigen           Mitglied des Low Carbon Development Committee der
darauf hin, dass die auch in Jordanien aufgrund fiskali-         Planungskommission der indischen Regierung, hofft auf
scher Probleme zurückgegangenen Energiesubventionen              eine Verdoppelung der ausländischen Direktinvestitionen
weniger die Armen getroffen hätten, die kaum Energie             in die erneuerbaren Energien in Indien binnen drei Jah-
konsumieren, als vielmehr die Reichen und die Unter-             ren.
nehmen, welche in der Folge zunehmend effizienter mit
Energie umzugehen gelernt hätten. Bei mittlerweile um            Und die Lernerfahrung Energiewende? Zum einen sind
jährlich fünf bis zehn Prozent steigenden Energiepreisen         die Befragten davon beeindruckt, wie die deutsche Ener-
hätten sich die Bedingungen für Wind- und Solarenergie           giewende sich dank des EEG aus einer Nische herausent-
zudem verbessert.                                                wickelt und Energiekonsumenten zu Energieerzeugern
                                                                 gemacht habe. Zum anderen werden die inzwischen
Subventionen sind in vielen Entwicklungsländern – an-            international tätigen deutschen, zumeist mittelständi-
ders als in Deutschland – nicht in erster Linie ein ener-        schen Unternehmen und Dienstleister der erneuerbaren
gie- oder wettbewerbspolitisches Instrument, sondern             Energiebranche als potenzielle Partner gesehen, ebenso
dienen der Armutsminderung. Deshalb, so der Inder D.             wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
Raghunandan, müsse die enge Verbindung der Ener-                 (GIZ), die überwiegend positiv wahrgenommen wird.
gie- und Entwicklungsagenda im Sinne nachhaltiger
Entwicklung gewahrt bleiben. Dass die Energiewende in
Deutschland neben dem Klimaschutz auch der regiona-
len Wertschöpfung dient und gerade im vergleichsweise
marginalisierten ländlichen Raum Einkommen diversifi-
ziert und Arbeitsplätze schafft, ist deshalb aus Sicht der

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

       4) Soziale Akzeptanz und Unterstützung für                society are thinking about the energy transition. I believe
            erneuerbare Energien und Klimaschutz                 the German society has crossed the hump.«13

Transformation kann nur gelingen, wenn es hierfür eine
hohe soziale Akzeptanz gibt, so die Meinung aller Befrag-        5) Gesellschaftliche Innovationskraft und
ten. Übereinstimmung herrscht darüber, dass die Sensi-           Transformationsbereitschaft
bilisierung für Fragen des Klimawandels und die Zustim-
mung zu erneuerbaren Energien in allen untersuchten              Neue energie- und klimapolitische Pfade einzuschlagen
Ländern zunimmt. Insbesondere gilt dies für besonders            setzt die gesellschaftliche Bereitschaft zur Veränderung
vulnerable Regionen, indigene Bevölkerungsgruppen, die           und eine gewisse Innovationsfähigkeit voraus – zwei
Jugend und Mittelschichten. Allerdings ist die Bevölke-          Fähigkeiten, die soziokulturell durchaus unterschiedlich
rung in Entwicklungsländern sehr viel preisempfindlicher,        ausgeprägt sind und u. a. davon abhängen, ob ein Land
der Kenntnisstand über erneuerbare Energien ist gering           bereits positive Erfahrungen mit technologischen Inno-
und entsprechend größer sind die Vorbehalte. Die soziale         vationen und gesellschaftlichen Modernisierungspro-
Akzeptanz, so Ahmed Kandil, steht und fällt mit dem              zessen gemacht hat bzw. diesbezüglich über geeignete
Erfolg der Erneuerbaren: Sie müssen bezahlbar sein und           politische Rahmenbedingungen verfügt. Hier sehen viele
die Energiesicherheit verbessern. Ein südafrikanischer           Gesprächspartner einen erheblichen Nachholbedarf in
Interviewpartner, der ungenannt bleiben möchte, hebt             ihren Ländern: weniger Wissen, fehlende Rechtssicher-
auf die große Ungleichheit in Entwicklungsländern und            heit und häufig schwache Institutionen einerseits und zu
entsprechend unterschiedliche Prioritäten ab, wenn er            viel Top-down-Dirigismus andererseits lassen Verände-
sagt: »There are two types of consumers: the poor who            rung und Innovation als riskant erscheinen. Hinzu treten
need access to a subsistence level of energy and the rich        vielerorts Korruption und Klientelismus. Darüber hinaus
who need to become more energy efficient.« Insgesamt             haben viele Regierungen von Entwicklungsländern nur
aber, so sind sich die Befragten einig, befindet sich der        begrenzte Erfahrungen im Management von großen Inf-
öffentliche Diskurs über erneuerbare Energien in ihren           rastrukturprojekten. Zugang zu Technologie allein reicht
Ländern in einem frühen Pionierstadium. Henry Eduardo            also nicht aus: Ivan Mbirimi weist darauf hin, dass etwa
García Bustamente, der peruanische Koordinator für Kli-          die Länder des südlichen Afrikas in den vergangenen
maschutz im Bioenergiebereich, fasst zusammen: »Um in            Jahren nur begrenzten Erfolg in der Einführung neuer
Peru ein klima- und energiepolitisches Bewusstsein wie           Technologien, gleich in welchem Bereich, gehabt hätten.
in vielen Staaten Europas zu schaffen, ist es noch ein
langer Weg, der Regierung und Zivilgesellschaft große            Entwicklungsländer können von der Energiewende ler-
Anstrengungen abverlangen wird.«                                 nen, wie sich Klimaschutz, soziale Verantwortung und
                                                                 nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung modellhaft
Die hohe soziale Akzeptanz der Energiewende in Deutsch-          miteinander verbinden lassen, so Eduardo Noboa, Ex-
land ist vielleicht der Faktor, der ausländische Gäste           ekutivdirektor des Nationalinstituts für Energieeffizienz
jenseits aller politischen, wirtschaftlichen und technolo-       und Erneuerbare Energien in Ecuador. Die besondere
gischen Faktoren am meisten beindruckt. Dabei ist ihnen          Pionierleistung Deutschlands bestehe darin, als Wissens-
durchaus klar, dass diese Zustimmung über Jahrzehnte             gesellschaft Technologien zunächst zu entwickeln und
gewachsen ist und stets neu verdient werden muss. Das            dann wirtschaftlich erfolgreich zu nutzen. Noboa zeigt
Beispiel zeigt aber: Vorbehalte können überwunden und            sich zuversichtlich, dass auch ein Entwicklungsland wie
Konflikte gelöst werden. Chandra Bushan, Direktor des            Ecuador die Energiewende replizieren könne, sofern es
indischen Center for Science and Environment, bringt das         dabei unterstützt würde. Deutschland wiederum könne
wie folgt auf den Punkt: »Will Germany be able to solve          von einer solchen Kooperation ebenfalls profitieren: von
all problems and meet challenges that energiewende               einer Stärkung der bilateralen politischen wie der wirt-
has thrown up? Can it meet all its targets? I believe, it        schaftlichen Beziehungen.
can and will. The exciting thing about energiewende is
not how much renewable energy has installed so far,
but how the German government, businesses and civil
                                                                 13. Down to Earth (September 1-15, 2013): 41.

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

Festgehalten werden kann, dass die Energiepolitik in Ent-        zwar gute technische Unterstützung, etwa im Bereich
wicklungsländern vor anderen Herausforderungen steht             Photovoltaik, geleistet, jedoch noch nicht genug dafür
als in Deutschland. In diesen Ländern geht es vor allem          getan, um gesellschaftliches Wissen und den Aufbau von
um die Überwindung von Energiearmut, um den Aufbau               strategischer Intelligenz zu fördern. Dazu gehöre, Wissen
einer modernen Energie-Infrastruktur und um die Schaf-           im Land selbst zu generieren und solche Akteur_innen
fung eines energiepolitischen Ordnungsrahmens. Zwar              zu fördern, die Meinungsführerschaft in Transformati-
werden die Erneuerbaren bei der Bewältigung dieser He-           onsfragen erwerben und damit den öffentlichen Diskurs
rausforderungen derzeit noch kaum genutzt, allerdings            in ihren Ländern voranbringen können.
wird ihr künftiges Potenzial deutlich gesehen, vor allem
aus energiepolitischer Sicht, weniger aus klimapolitischer       Entwicklungsländer erwarten von Deutschland, dass es
Perspektive. Aus dem Blickwinkel der Entwicklungsländer          sie am Energiewende-Wissen in einer wesentlich intensi-
hält die deutsche Energiewende zahlreiche Lernerfah-             veren Form teilhaben lässt: Fachberatung (z. B. bei Fragen
rungen bereit. Hier schließt sich unweigerlich die Frage         der Energieplanung, Gesetzesvorhaben zu Erneuerbaren-
an, welche Erwartungen Entwicklungsländer gegenüber              Energien-Gesetzen und Marktregulierung), gemeinsame
Deutschland hegen, sie bei der Transformation ihrer Ener-        Forschungsprogramme sowie Dialog- und Austausch-
gieversorgung zu unterstützen.                                   foren von Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und
                                                                 Wirtschaft zu Energiewendefragen werden genannt: »It
                                                                 is important not to view the energy problems of these
    3. Handlungsfelder für die interna-                          countries as simply the product of a lack of investment.
 tionale Verbreitung der Energiewende                            A better approach is to see them in terms of the risk as-
                                                                 sociated of developing energy systems in an environment
»Energy transformation is the best thing Germany can             of weak institutions and shortage of essential skills«, so
extend its help to other countries, especially developing        Mbirimi aus Zimbabwe.
countries«, sagt der ehemalige jordanische Energieminis-
ter Malek Kabariti. Alle Interviewpartner stimmen darin
überein, dass die Energiewende ein Alleinstellungsmerk-          3.2 Verstärkte finanzielle Förderung und
mal Deutschlands sei und leiten hieraus die Hoffnung             Direktinvestitionen
ab, Deutschland möge auch ihr Land dabei unterstützen,
einen kohlenstoffarmen Entwicklungspfad einzuschla-              Mehr finanzielle Unterstützung – staatliche wie privat-
gen und Energieeffizienz sowie erneuerbare Energien              wirtschaftliche – wünschen sich ebenfalls nahezu alle
auszubauen. Die internationale Verbreitung der Energie-          Gesprächspartner von Deutschland. Ohne Investitionen
wende sei eine doppelte Chance für Deutschland, eine             aus dem Ausland, so die allgemeine Überzeugung,
politische Profilierungschance und eine wirtschaftliche          werde eine Transformation des Energiesektors in der
Chance für deutsche Unternehmen, so Komila Nabiyeva,             Mehrzahl der Entwicklungsländer zumindest in den
usbekische Journalistin. Im Folgenden werden dazu drei           nächsten Jahren kaum vorankommen. Für Brasilien wird
Handlungsfelder aufgezeigt.                                      abweichend geltend gemacht, dass das Land über genü-
                                                                 gend eigene finanzielle Ressourcen verfüge. Für Schwel-
                                                                 lenländer – etwa Indien, Südafrika und eingeschränkt
3.1 Wissenstransfer und Aufbau von strategi-                     auch Ägypten – wird vor allem verstärktes Interesse an
    scher Kompetenz in Entwicklungsländern                       Direktinvestitionen deutscher Unternehmen geäußert,
                                                                 während arme Entwicklungsländer – hier Tansania und
Befragt nach Prioritäten, stehen der Ausbau des Wis-             Bolivien – eher auf staatliche und nichtstaatliche Entwick-
senstransfers sowie die Unterstützung von strategischen          lungs- und Klimafinanzierung setzen. Die in Deutschland
Vordenkern und Kompetenzzentren einer kohlenstoffar-             unter zivilgesellschaftlichen Akteur_innen recht verbrei-
men Entwicklung in den Ländern des Südens an erster              tete Skepsis gegenüber der Rolle der Privatwirtschaft
Stelle.                                                          in der Klimafinanzierung findet sich bei den befragten
                                                                 Expert_innen aus Entwicklungsländern so nicht wieder.
Deutschland, so Moira Zuazo, Projektkoordinatorin bei            So hofft Ajay Kumar Jha, Direktor der Public Advocacy
der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bolivien, habe bislang           Initiatives for Rights and Values aus Indien, auf deutsche

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

Direktinvestitionen in den indischen Netzausbau sowie             orientiert sind. Darunter leiden die Wissensvermittlung
Insellösungen (off grid solutions) für abgelegene indische        und Zusammenarbeit im Lande, und die zumeist ohnehin
Dörfer. Seit 2013 sind in Indien Energieprojekte mit einer        starke Exklusion der armen Bevölkerungsmehrheit wird
100-Prozent-Finanzierung durch ausländische Investoren            vertieft. Technische Zusammenarbeit zur Energiewende,
möglich. Demgegenüber erwartet Sixbert S. Mwanga,                 die ja gerade ihr partizipativer und dezentraler Charakter
Koordinator des Climate Action Network CAN in Tan-                auszeichnet, muss diesem Umstand stärker Rechnung
sania, von Deutschland verstärkte Klimafinanzierung für           tragen und gezielt bottom-up--Elemente stärken: »We
den Ausbau der erneuerbaren Energien und sieht hierin             expect a proactive role of GIZ in creating collaborative
auch ein wichtiges Gegengewicht zu chinesischen An-               arrangements with the Indian civil society to promote
geboten, Kohle- und Atomprojekte in dem uranreichen               the role of households in energy transformation. This
Land zu fördern.                                                  should be based on the learning of energiewende«, sagt
                                                                  Tirthankar Mandal, indischer Analyst für Energie- und
Es zieht sich als roter Faden durch alle Gespräche:               Klimapolitik.
Entwicklungsländer sehen die deutsche Politik und
Wirtschaft in der Verantwortung, die Energiewende zu              Ein verbesserter Technologietransfer wird als weitere
exportieren und dementsprechend die Klimafinanzie-                Stellschraube erachtet: der Zugang zu deutscher Hoch-
rung und Direktinvestitionen zu erhöhen. Davon sollten            technologie steht bei vielen Regierungen von Entwick-
Vorreiterstaaten profitieren, die bewusst auf eine ener-          lungs- und mehr noch Schwellenländern wie etwa Indien
giepolitische Transformation setzen, und zwar in einem            weit oben auf der Prioritätenliste: »Technology is at the
geopolitischen Kontext, in dem zunehmend arabisches               core of Indian transformation and Indian policymakers
und chinesisches Kapital in Entwicklungsländer fließt, um         often cite this as a main challenge to leap to better sys-
dort eine fossile oder gar nukleare Energieversorgung             tems«, so Tirthankar Mandal. Während Photovoltaik-Pa-
aus- und aufzubauen.                                              nels inzwischen zur ubiquitären Massenware geworden
                                                                  sind, werden z. B. Steuerungstechnik, Rotoren mit ho-
                                                                  hem Wirkungsgrad und vor allem Speichertechnologien
                 3.3 Technische Zusammenarbeit                    stark nachgefragt.
                         und Technologietransfer
                                                                  Internationaler Technologietransfer ist ein sensibles
Die Fortsetzung und Intensivierung der technischen                Thema und hängt stark von Rahmenbedingungen wie
Zusammenarbeit sowohl mittels der GIZ sowie anderer               der Gewährleistung intellektueller Eigentumsrechte, von
Fachorganisationen und Dienstleister als auch im Rahmen           Rechtssicherheit und Investitionsschutz ab, die zumeist
der Unternehmenskooperation wird als drittes Hand-                außerhalb der Einflusssphäre der Energie- und Klimapo-
lungsfeld adressiert. Erfolgreiche Leuchtturmprojekte, die        litik liegen. Gleichwohl sind die Erwartungen hoch, dass
zugleich dazu beitragen, Armut und Marginalisierung zu            diese Fragen adressiert werden mit dem Ziel, schnell eine
überwinden, werden als entscheidend erachtet, um die              neue Qualität der bi- und multilateralen technologischen
soziale Akzeptanz einer energiepolitischen Transforma-            Zusammenarbeit zum Zwecke einer kohlenstoffarmen
tion zu erhöhen. Deshalb sei es erforderlich, die techni-         Entwicklung zu erreichen. Dass hierfür verstärkte An-
sche Zusammenarbeit eng mit der Entwicklungsagenda                strengungen auf beiden Seiten erforderlich sind, wird
zu verknüpfen und gezielt auf Armutsgruppen zuzu-                 deutlich gesehen.
gehen, und zwar unter verstärkter Einbeziehung auch
der Zivilgesellschaft in die technische Zusammenarbeit.           Zu nahezu identischen Ergebnissen hinsichtlich der
Als zweite Priorität wird der hohe Bedarf an technischer          Übertragbarkeit der Energiewende und entsprechenden
Beratung staatlicher Stellen benannt, etwa bei der Durch-         Erwartungen an Deutschland kommt auch Komila Na-
führung von Potenzialanalysen für erneuerbare Energien            biyeva aus Usbekistan, die eine vergleichende Untersu-
und dem Aufbau funktionierender Märkte.                           chung für Zentralasien im Rahmen einer Marion Dönhoff
                                                                  Fellowship bei der Michael Succow Foundation durchge-
Technische Zusammenarbeit steht im Spannungsverhält-              führt hat.14
nis von top down und bottom up. Es wird durchaus ge-
sehen, dass viele Entwicklungsländer zu stark top-down-           14. Siehe Nabiyeva, Komila (2014).

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

      4. Energiewende in Entwicklungs-                            erachtet, um als Energiewendeland und technologischer
   länder exportieren? Erfahrungen aus                            Vorreiter in Sachen Klima und erneuerbare Energien
                 den Bundesministerien                            international zu reüssieren.15 Gleichzeitig entstehe aber
                                                                  häufig der Eindruck, Deutschland habe Angst vor dem
Einen Förderschwerpunkt der internationalen Zusam-                eigenen Erfolg und kommuniziere deshalb die Energie-
menarbeit mit Projekten aus den Bereichen kohlenstoff-            wende international nicht offensiv genug als Erfolgsge-
arme Entwicklung, Klimaschutz, Energieeffizienz und               schichte. Ein NGO-Vertreter bemängelt, der inkonsistente
erneuerbare Energien gibt es in Deutschland seit 2004.            Außenauftritt der Regierung durch die Auslandsvertre-
Gegenwärtig sind neben dem Bundesministerium für                  tungen in Sachen Energiewende sei inkohärent und
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)              widersprüchlich, mitunter bis zum »Bizarren«.
sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) das Auswärtige Amt               Wie bewerten die deutschen Ministerien die bisherige
(AA), das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie            Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern und die
(BMWi) sowie das Bundesministerium für Bildung und                Chancen für eine Energiewende in diesen Ländern? Res-
Forschung (BMBF) und das Kanzleramt in unterschiedli-             sortübergreifend werden im Kern dieselben Herausfor-
chem Umfang involviert.                                           derungen benannt. Noch bemerkenswerter ist die große
                                                                  gemeinsame Schnittmenge mit der zuvor beschriebenen
Die Vielzahl der beteiligten Akteure (Wirtschaft, Wis-            Sicht der Entwicklungsländer.
senschaft und Zivilgesellschaft noch nicht mitgerechnet)
macht den hohen Abstimmungsbedarf deutlich, um zu
einer kohärenten und zielführenden Strategie der Zu-              4.1 Politische Rahmenbedingungen
sammenarbeit mit Drittstaaten zu gelangen. Zwar fand              und Subventionsabbau
in der Vergangenheit immer wieder eine lose Ressortab-
stimmung in unterschiedlichen Formaten und zuletzt auf            Um eine Transformationsagenda erfolgreich umsetzen
Staatssekretärsebene statt, jedoch bemängeln Insider_in-          zu können, benötigen Entwicklungsländer solide Insti-
nen aus allen Ministerien, dass dies bislang noch nicht zu        tutionen, eine gute Potenzialanalyse, eine klare Strategie
einer ausreichenden Verzahnung bzw. gar kohärenten                samt Fahrplan sowie die politische Bereitschaft, funktio-
Gesamtstrategie geführt habe. So habe etwa die Inter-             nierende Energiemärkte und Netze aufzubauen, die nicht
nationale Klimainitiative (IKI) des BMUB einen deutlich           zu kleinteilig sind und idealerweise grenzüberschreitende
strategischen Fokus auf eher kurzfristige Initiativen, die        Kooperationen zulassen, so die Sicht aus den Bundesmi-
dazu geeignet scheinen, klimapolitische Vorreiterstaaten          nisterien.
zu fördern und Partner für gemeinsame Ziele im Rahmen
der internationalen Klimapolitik zu gewinnen. Demge-              Zwar sei das Interesse an der Energiewende weltweit rie-
genüber seien BMZ-Projekte eher langfristig orientiert            sig, jedoch mangele es in vielen Ländern noch mehr als in
und stärker auf die Entwicklungsagenda der Partner-               Deutschland häufig an der Bereitschaft, ressortübergrei-
länder ausgerichtet. Beide Perspektiven haben Vor- und            fend zu kooperieren.16 Zudem führe der weit verbreitete
Nachteile. Sie können sich ergänzen, werden dies aber             top-down-Ansatz zu schlechter Wissensvermittlung,
nur tun, wenn sie strategisch aufeinander bezogen wer-            Bürokratismus und ungenügender Kooperation mit an-
den. Freilich dürfe verbesserte Kohärenz nicht bedeuten,          deren Stakeholdern innerhalb der jeweiligen Länder. Je-
sich nach unten zu orientieren und auf einen kleinsten            doch sehen die Expert_innen aus den Bundesministerien
gemeinsamen Nenner zu verständigen. Die Kritik an                 durchaus auch positive Beispiele, allen voran in China
mangelhafter Kohärenz wird von zivilgesellschaftlichen            oder in Südafrika.
Beobachtern geteilt. Selbst innerhalb von Ministerien, die
häufig mit mehreren Arbeitseinheiten involviert sind – im         Mit Blick auf Subventionen für fossile Energieträger
BMZ etwa die getrennten Bereiche Energie und Klima                sei es ein verbreiteter Irrtum zu glauben, der Umstieg
mit jeweils eigener Funktionslogik, eigenen Partnern und
eigenem Portfolio –, wird durchaus ein Bedarf für verbes-         15. Das betrifft vor allem die beiden global vertretenen Organisationen
                                                                  der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit, KfW und GIZ.
serte Abstimmung und Zusammenarbeit gesehen. Hinzu
                                                                  16. In Deutschland würde wenigstens miteinander geredet, sagen Fach-
kommt, dass man sich zwar insgesamt als gut aufgestellt           leute aus den Bundesministerien.

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz würde                 zu fördern, Allianzen und Unterstützernetze aufzubauen
Subventionen einsparen: Diese könnten nicht ersatzlos               und Kompetenzzentren zu schaffen. Verstärkte Anstren-
gestrichen, sondern müssten umgeschichtet werden.                   gungen der Klimaaußenpolitik, eine verbesserte Öffent-
                                                                    lichkeitsarbeit der Botschaften sowie der Dialogangebote
Das Thema Energieeffizienz sei – verglichen mit den Er-             der GIZ-Länderbüros werden als Instrumente genannt.
neuerbaren – deutlich weniger hoch auf dem Wahrneh-                 Die staatliche Zusammenarbeit stößt freilich schnell an
mungsschirm von Partnerländern angesiedelt. Auch hier               Grenzen, wenn die Partnerregierungen so stark top
werden als Ausnahmen vor allem Länder mit chronischem               down aufgestellt sind, dass viele wichtige Stakeholder
und wirtschaftsschädlichem Energiedefizit genannt, wie              in den Ländern nicht eingebunden werden. Hier, so die
Brasilien und Indien.                                               Einschätzung aus den Ministerien, bedarf es flankieren-
                                                                    der Maßnahmen durch nichtstaatliche Akteur_innen aus
                                                                    NGOs, Wirtschaft und Wissenschaft.
                    4.2 Investitionen und die Rolle
                                der Privatwirtschaft
                                                                    5. Die bisherige Förderpraxis der
Verlässliche Rahmenbedingungen, vor allem Investitions-             deutschen Klimafinanzierung
und Rechtssicherheit, werden als conditio sine qua non
für verstärkte Privatinvestitionen erachtet. Diese wie-             Inwiefern spiegelt die deutsche Klimafinanzierung die
derum gelten als Voraussetzung für eine beschleunigte               skizzierten Erwartungen und Erfahrungen wieder? Was
Transformation.                                                     ist ihr Beitrag zur Internationalisierung der Energie-
                                                                    wende?
Daneben spielt die staatliche Klimafinanzierung durch
Geberländer wie Deutschland eine herausragende Rolle,               Für die Analyse standen folgende Daten auf Basis der
insbesondere mit Blick auf die Befähigung von Staaten,              Datenbank der Website Deutsche Klimafinanzierung zur
größere Energieprojekte vorzubereiten und umzusetzen,               Verfügung (http://datenbank.deutscheklimafinanzie-
geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und gesetz-                 rung.de/project):
lich abzusichern, sowie Risikokapital zur Verfügung zu
stellen bzw. privates Kapital zu hebeln – viele Entwick-            „   2008–2009: projektspezifische Informationen nur für
lungsländer sind für private Investoren aus unterschiedli-          IKI (BMUB) verfügbar
chen Gründen wenig attraktiv. Gerade die KfW könnte in
diesem Kontext eine deutlich strategischere Rolle spielen,          „  2010–2011: projektspezifische Informationen für alle
ist aus den Bundesministerien zu hören. Insgesamt, so               Finanzierungsinstrumente verfügbar
wird beklagt, sind die Mittel der Klimafinanzierung zu
gering, zu wenig langfristig abgesichert und zu wenig               „  2012: projektspezifische Informationen für alle Finan-
strategisch eingesetzt. Um dem Bedarf der Entwick-                  zierungsinstrumente mit Ausnahme der Kategorie »sons-
lungsländer besser entsprechen zu können, brauche es                tige Finanzierungsinstrumente« des BMZ verfügbar
eine nachhaltige und innovative Finanzierungsstrategie
mit Blick auf Finanzierungsquellen und -instrumente und             „ 2013: projektspezifische Informationen nur für IKI und
darüber hinaus mehr Mittel für bottom-up-Ansätze.                   den Energie- und Klimafonds (EKF) verfügbar

                                                                    Für den Zeitraum 2004 bis 2007 waren keine Zahlen ver-
                  4.3 Gesellschaftliche Akzeptanz                   fügbar, ebenso lagen keine sektorspezifischen Daten für
                      und Innovationsbereitschaft                   das Budget 2015 vor.

Als wichtige Herausforderung wird in den Ministerien                Für die Analyse wurden daher die Jahre 2008 bis 2012
die Notwendigkeit erachtet, in den Entwicklungsländern              ausgewählt. Die Finanzierungszusagen nach Sekto-
selbst mehr Wissen zu Transformationsfragen zu gene-                ren verdeutlichen, dass in diesem Zeitraum von den Mit-
rieren, die öffentlichen Diskurse zu stärken, längerfristige        teln der deutschen Klimafinanzierung knapp zwei Drittel
Prozesse der Kooperation und des Erfahrungsaustauschs               in den Bereich Minderung inkl. REDD+ geflossen sind.

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THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

                               Finanzierungszusagen nach Sektor (2008–2012)

                 2.291.450.336,0 €
                       30 %            3.326.755.204,0 €
                                             43 %
                                                               Emissionsminderung (Zuschüsse)
               1.297.603.890,0 €                               Emissionsminderung (Darlehen)
                     17 %
                                                               Waldschutz/REDD+
                                                               Anpassung
                               805.925.773,0 €
                                    10 %

                                   Zusagen nach Finanzierungsinstrument

                                            multilateral
                                                                    sonstige (2011–2012)
                                           (2008–2012)
                               multilateral Darlehen                         1%
                              (2008–2012)      9%
                                  4%
                   EKF (2011–2012)
                       Darlehen
                         2%
             EKF (2011–2012)
                   6%
                                                                                      allgemeine FZ/TZ
                                                                                        (2008–2012)
                 IKI (2008–2012)                                                           52 %
                      Darlehen
                        8%

                     IKI (2008–2012)
                           9%

                          IKLU (2010–2011)
                                9%

Für Emissionsminderung, d. h. vor allem die Förderung        allgemeine finanzielle und technische Zusammenarbeit
von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sowie         (allgemeine FZ/TZ) des BMZ geflossen ist. Zusammen mit
damit zusammenhängende Maßnahmen, wurden ca.                 der Initiative Klima und Umwelt (IKLU) des BMZ ergibt
3,3 Milliarden Euro an Zuschüssen sowie 806 Millionen        das knapp zwei Drittel aller Mittel. Durch die IKI flossen
Euro an Darlehen aufgebracht.                                350 Millionen Euro an Zuschüssen und 324 Millionen
                                                             Euro an Darlehen in Entwicklungs-, Schwellen- (und
Die Verteilung dieser Mittel auf die verschiedenen           osteuropäische) Transformationsländer. Zahlungen an
Finanzierungskanäle zeigt, dass mit ca. 2,1 Milliar-         multilaterale Fonds belaufen sich auf ca. 150 Millionen
den Euro die Hälfte (52 Prozent) der Mittel durch die        Euro (13 Prozent).

                                                        13
THOMAS HIRSCH | VON DER ENERGIEWENDE LERNEN

In die weiteren Analysen der Emissionsminderungspro-            klimapolitisch ambitionierten Vorreiterstaaten zählen,
jekte wurden lediglich alle in der Datenbank verfügbaren        d. h. die kleinen Inselstaaten (SIDS), die am wenigsten
Projekte der allgemeinen FZ/TZ und IKLU, der IKI sowie          entwickelten Länder (LDCs) sowie die afrikanischen
des gemeinsam von BMZ und BMUB verwalteten EKF                  Staaten, so ergibt sich folgendes Bild: Unter den Top-
einbezogen, da dies die wichtigsten Instrumente sind,           10-Empfängerländern findet sich Südafrika aus der
für die auch vergleichbare Daten für die Jahre 2010 bis         African Group an fünfter Stelle (bzw. an vierter Stelle der
2012 vorliegen.                                                 Zuschüsse). Liberia als Least Developed Country rangiert
                                                                auf Platz elf der Empfängerländer (bzw. auf Platz zehn,
Schlüsselt man die Empfängerländer nach Ländergrup-             wenn nur die Zuschüsse gezählt werden). Der erste Ver-
pen auf und fragt, inwiefern Länder aus denjenigen              treter der kleinen Inselstaaten steht mit den Malediven
Gruppen priorisiert werden, die gemeinhin eher zu den           lediglich auf Platz 49.

                           Top 10 Empfängerländer (Zuschüsse und Darlehen)

         Marokko                                                                                140.564.720,0 €
          Brasilien                                                                      126.274.838,0 €
            Indien                                                                      124.151.060,0 €
            Türkei                                                            105.691.589,0 €
        Südafrika                                                           101.535.250,0 €
     Afghanistan                                                          98.550.000,0 €
       Indonesien                                               77.440.891,0 €
         Ägypten                                              75.755.000,0 €
          Serbien                                           72.450.000,0 €
          Vietnam                                          68.150.000,0 €

                                             Zuschüsse und Darlehen

                                Top 10 Empfängerländer (nur Zuschüsse)

         Brasilien                                                                126.274.838,0 €
           Indien                                                                124.151.060,0 €
        Marokko                                                         103.564.720,0 €
        Südafrika                                                      101.535.250,0 €
     Afghanistan                                                      98.550.000,0 €
      Indonesien                                            77.440.891,0 €
         Ägypten                                           75.755.000,0 €
          Serbien                                         72.450.000,0 €
         Vietnam                                        68.150.000,0 €
           Liberia                                54.000.000,0 €

                                                     Zuschüsse

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