Von spontanen Mutanten zu CRISPR/Cas9 - Genveränderung als Treiber der immunologischen Forschung - UZH

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Von spontanen Mutanten zu CRISPR/Cas9 - Genveränderung als Treiber der immunologischen Forschung - UZH
Aus der Forschung

Genveränderung als Treiber der immunologischen Forschung

Von spontanen Mutanten
zu CRISPR/Cas9

Johannes vom Berg, Thorsten Buch

     Die Analyse von modifizierten Genen ist zu einem wesentlichen Bestandteil im Methodenrepertoire der Immunolo-
     gie geworden. Musste anfangs auf natürliche Mutanten zurückgegriffen werden, so wurden später gentechnische
     Methoden entwickelt, die gezieltere Ergebnisse lieferten. Künstliche Genveränderung begann in den 1980ern mit
     der Überexpression von Genen durch Transgenese mittels Vorkerninjektion, gefolgt kurze Zeit später von der geziel-
     ten Genveränderung in embryonalen Stammzellen. Der nächste Entwicklungsschub waren dann die Zink-Finger-
     und Tal-Effektor-Nukleasen, die erstmals gezielte Genveränderung nun im einzelligen Embryo ermöglichten. Der
     anschließende Siegeszug der CRISPR/Cas9-Technologie wurde im Prinzp maßgeblich durch diese frühen Designer-
     Nukleasen erleichtert. Heute werden nicht nur in der Maus, sondern in vielen anderen Spezies gezielte Genom-
     modifikationen mittels CRISPR/Cas9 durchgeführt. Auch für genetische Screens, seien es nun Aktivierungs- oder
     Inaktivierungsscreens, hat sich CRISPR/Cas9 als geeignetes Tool etabliert. Cas9-Orthologe von unterschiedlichen
     Bakterienspezies tragen zudem zu einer sehr guten Abdeckung über vollständige Genome bei.
     Schlüsselwörter: CRISPR/Cas9, Transgenese, gezielte Genveränderung

Immunologische Forschung mittels             damit wichtige Elemente in hypothesen-       schrieb Ogden Bruton schon 1952 die
Genmutationen                                getriebener biomedizinischer Forschung       Agammaglobulinämie in einem 8-jähri-
    In der Immunologie hat das Verständ-     sind. Speziellere Genomveränderungen         gen Kind [2]. Mit der Einführung von
nis von genbasierten Mechanismen unser       sind dann noch solche, in denen Punkt-       Modellorganismen wie Maus und Ratte in
Wissen maßgeblich geformt. Um die            mutationen eingebracht, oder mit denen       die immunologische Forschung und der
Rolle von einzelnen Genen für das            Gene aus anderen Tierarten oder dem          damit einhergehenden Etablierung von
Immunsystem zu untersuchen, haben sich       Menschen ausgeprägt werden. Die Unter-       Inzuchtstämmen, in denen alle Individu-
genveränderte Lebewesen als wichtiges        suchung von unterschiedlichen Varianten      en identische Gene tragen, wurden bald
Hilfsmittel herausgestellt. Im einfachsten   eines Gens (Allelen) geht letztendlich auf   auch die ersten vererblichen Veränderun-
Fall wird das zu untersuchte Gen inakti-     Gregor Mendel zurück – wenngleich er         gen am Immunsystem dieser Nager be-
viert. Komplementär ist die Überexpres-      sich für Merkmale der Erbse und nicht für    schrieben.
sion, die künstliche Ausprägung eines        das Immunsystem interessierte [1]. Später
(Trans-)Gens generell oder in speziellen     wurden dann die ersten immunologi-           Spontane Mutanten
Zelltypen. Beide Ansätze werden gerne        schen Syndrome im Menschen beschrie-            Das Erbgut ist weit weniger stabil als
zusammen verwendet, da sie ein vollstän-     ben. Die genetischen Ursachen blieben        man zunächst annehmen möchte. Für die
digeres Bild der Genfunktion liefern und     zunächst jedoch im Verborgenen. So be-       Labor-Maus ist eine Mutationsrate von

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Aus der Forschung

Abb. 1: Eine kleine Geschichte der Genommanipulation in der Maus
Natürliche Mutanten werden durch Zufall in größeren Kolonien entdeckt. Bei der konventionellen Transgenese wird das Transgen durch Injektion in den Vorkern eines
einzelligen Embryos in das Zielgenom eingebracht. In der ES-Zelltechnologie werden ES-Zellen in vitro mittels "Gene Targeting" modifiziert und die modifizierten Zellen
dann wieder in einen Embryonen (Blastozysten) eingebracht. Die daraufhin geborenen Schimären können vollständig manipulierte Nachkommen hervorbringen. Bei der
CRISPR/Cas9-Technologie wird wieder meist im Ein-Zellstadium gearbeitet, wo das Cas9 einen durch die gRNA vorgegebenen Schnitt im Genom durchführt. Dieser
kann entweder ungezielt oder durch Vorlage von Matrizen repariert werden.

5,4 × 109 für kleine Veränderungen wie                   dramatische Phänotypen mit in einigen                    wie die Inaktivierung eines Gens. Für die
z. B. Basenaustausche beschrieben worden                 Fällen dem gleichen modifizierten Gen,                   Überexpression wurde lange Zeit vor al-
[3], andere Mutationen, wie z. B. Verände-               Prkdc, sind ebenso in der Humanmedizin                   lem konventionelle Transgenese verwen-
rungen in Small Tandem Repeats, sind                     bekannt [6]. Auch wenn dort das Wohl der                 det. Bei dieser wird ein Expressions-
sogar noch weitaus häufiger. So ist es kein              Patienten immer im Vordergrund steht,                    konstrukt, im einfachsten Fall bestehend
Wunder, dass aufmerksame Wissen-                         so haben solche Genveränderungen mit                     aus Promoter, cDNA und Polyadenylie-
schaftler schon früh spontane Mutationen                 immunologischen Konsequenzen essen-                      rungssignal, in einen Vorkern einer be-
von Genen mit elementaren Funktionen                     ziell zu unserem Verständnis des mensch-                 fruchteten Eizelle injiziert [12, 13]. Das
für das Immunsytem beschrieben haben.                    lichen Immunsystems beigetragen und                      Konstrukt inseriert u. a. durch einfache
Hier sind als Beispiele die nude-, die scid-             helfen die in Tiermodellen gewonnenen                    Reparatur (non-homologous end joining,
und die lpr-Mutationen zu nennen. Mit                    Detailkenntnisse im Menschen zu validie-                 NHEJ) oder Mikrohomologien (micro-
der nude-Mutation im foxn1 gene konn-                    ren. Unsere dritte Beispielmutation, lpr,                homology-mediated end joining, MMEJ)
ten grundlegende Funktionen des Thymus                   führt zu einem komplexeren Krankheits-                   an einer zufälligen Stelle im Genom,
für T-Zellen herausgefunden werden [4].                  bild, einer Autoimmunerkrankung, die                     meist nicht einzeln sondern mehrfach [14,
Durch das Fehlen der thymusabhängigen                    dem Lupus erythematodes sehr ähnlich                     15]. Die Expressionshöhe wie auch die
T-Zellen diente und dient dieser Maus-                   ist [7]. Ursächlich ist eine Punktmutation               Expressionskontrolle, also Ausprägung
stamm vielfältigen immunologischen                       im Fas-Gen [8], eines für Zelltod, Teilung               im avisierten Zelltyp, war aus diesem
Forschungsprojekten einschließlich sol-                  und Aktivierung wichtigen Gens. Auch                     Grund wie auch aufgrund der Einflüsse
chen mit Bezug zu Organtransplantation                   für die nude- wie für die lpr-Mutationen                 der umgebenden, nicht vorhersehbaren
oder Krebstherapie. Die scid-Mutation                    sind die menschlichen Pendants beschrie-                 Genregionen, recht zufällig; Transgen-
greift noch grundlegender in das Immun-                  ben [9–11], gute Beispiele für die Transla-              inaktivierung kann auch noch in späteren
system ein und führt zur Abwesenheit von                 tierbarkeit von im Tier gewonnenen Er-                   Generationen beobachtet werden. Viele
beiden großen Lymphozytenpopulatio-                      kenntnissen.                                             neu hergestellte transgene Tiere müssen
nen, den B- und den T-Zellen, aufgrund                                                                            bisweilen untersucht werden, bis solche
fehlender Erstellung der Antigenrezepto-                 Transgenese für die Überexpression                       mit erwünschter Expression gefunden
ren beider Zelltypen. Die scid-Mutation                     Wie schon oben beschrieben, werden                    werden, ein klarer Nachteil dieser Metho-
der Maus wurde von Bosma und Kollegen                    häufig zwei komplementäre Forschungs-                    de. Da sie aber die einzige Möglichkeit
im Jahr 1983 [5] beschrieben – ähnlich                   ansätze verfolgt: die Überexpression so-                 war, das Genom eines Säugers, meist der

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Aus der Forschung

Maus, zu verändern, fand diese Methode        für die Zellkultur zu verändern. Hierzu     nur erdenklichen Mutanten verwendet
schnell Anklang bei Immunologen. Sie          wurde ein Targeting-Vektor als Plasmid      werden. Gene wurden mit Markergenen
war zunächst angewendet worden, um die        konstruiert, welcher unter anderem Se-      wie dem GFP modifiziert, um ihre Ex-
biologischen Eigenschaften von Antikör-       quenzen des Zielgens als Homologiearme      pression verfolgen zu können, Punktmu-
pern, bzw. B-Zellrezeptoren aufzudecken.      enthielt und so nach Elektroporation in     tationen wurden eingeführt, um genaue
Beginnend mit einem Igk-Transgen, ge-         die Zellen den Einbau durch den exakten     Studien zu Proteinfunktionen aber auch
macht von Ralph Brinster, der auch am         Mechanismus der homologen Rekombi-          zu regulatorischen Elementen zu ermög-
ersten Expressionstransgen überhaupt          nation (HR) ermöglichte. Resistenzgene      lichen. Als wahrscheinlich extremstes
beteiligt war [16], wurde in der Folge eine   als Selektionsmarker unterstützten die      (und aufwendigstes Beispiel) darf sicher
Serie von Immunglobulin-transgenen            Reduktion der zu screenenden ES-Zell-       die vollständige Humanisierung der Im-
Tieren erstellt, mit denen unter anderem      klone. Erst wenn die Veränderung in den     munglobulingene gelten, welche es nun
die allele Exklusion in der B-Zellentwick-    Zellen eindeutig nachgewiesen war, wur-     ermöglicht, menschliche Antikörper
lung entdeckt wurde. Wie schon ange-          den diese für die Erstellung von soge-      direkt in der Maus zu erstellen [20]. Eine
deutet, hat die konventionelle Transgene-     nannten Chimären verwendet, wozu ES-        Weiterentwicklung der Methodik stellt
se viele Vorteile (einfach durchzuführen,     Zellen wieder durch Mikroinjektion in       die konditionale Mutagenese dar, die es
schnelle Erzeugung). Solch eine transge-      frühe Embryonalstadien eingebracht wur-     erlaubt, Genveränderungen auf Organe
ne Linie ist aber doch auch immer ein         den und am Aufbau des sich entwickeln-      oder Zelltypen bzw. zeitlich zu beschrän-
Zufallsprodukt und lässt daher für den        den Organismus teilnahmen. Wenn nun         ken. Hierzu wird das zu untersuchende
Forschenden häufig noch viele Fragen          Keimzellen in diesen Schimären gebildet     Gen mit Zielsequenzen einer Rekombina-
offen. Eine deutlich zielgerichtetere Me-     wurden, die von den manipulierten ES-       se ausgestattet und mit der transgenen
thode wurde denn auch bald entwickelt.        Zellen abstammten, dann konnten diese       (z. B. Zelltyp-spezifischen) Ausprägung
                                              Schimären Nachkommen hervorbringen,         einer Rekombinase kombiniert. Die Re-
Gezielte Genveränderung in                    welche die Genveränderung im gesamten       kombinase wird in den Zellen, in denen
embryonalen Stammzellen                       Körper einschließlich der Keimbahn tru-     sie aktiv ist, eine Deletion oder Inversion
    Während die Transgenese es zum            gen. Eine neue genveränderte Linie war      durchführen. Das erste und häufigste
ersten Mal ermöglichte, das Genom eines       damit erzeugt [18]. Wie unschwer auf-       eingesetzte Rekombinationssystem für
Säugers mit einem vorher definierten Ziel     grund der Abfolge der verschiedenen         konditionale Mutagenese war die Cre-
zu manipulieren und Gensequenzen von          Schritte zu erkennen, ist diese Technik     Rekombinase in Kombination mit den
Interesse zu Untersuchungszwecken ein-        zwar deutlich präziser aber auch aufwen-    loxP-Zielsequenzen [21].
zubringen, wurde sie nach kurzer Zeit         diger, riskanter und langsamer als die          Die ES-Zelltechnik ermöglichte also
durch einen weiteren methodischen An-         konventionelle Transgenese über Vor-        eine Vielzahl neuer Forschungsansätze.
satz ergänzt, für den die beteiligten For-    kerninjektion. Aufgrund ihrer geradezu      Einzig die aufwendige Natur der Metho-
scher, Mario R. Capecchi, Martin J. Evans,    unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten wird      de wie auch die Ungewissheit, ob die
und Oliver Smithies den Nobelpreis in         sie aber auch noch heute für komplexe       Chimären ihre Mutation weitergeben
Physiologie und Medizin 2007 erhielten.       Projekte eingesetzt. Die immunologische     würden, ließ die Forscher auf bessere,
Bei diesem neuen Ansatz war es möglich,       Forschergemeinde hat auch diese Form        einfachere Methoden hoffen.
Gene gezielt in exakt vorbestimmter Art       der Genveränderung schnell in ihr Tech-
und Weise zu verändern, mithin zu inak-       nikportfolio aufgenommen. Als Beispiel      Designer-Nukleasen
tivieren. Diese Methode beruhte darauf,       mag hier die Inaktivierung des Zytokins          Während die ES-zellbasierten Techno-
Zellen eines frühen embryonalen Stadi-        Interleukin 4 durch Ralf Kühn im Jahr       logien über fast zwei Jahrzehnte die For-
ums im pluripotenten Zustand, als soge-       1991 dienen, welche die Bedeutung von       schergemeinde dominierten, wurde im
nannte embryonale Stammzellen (ES-            IL-4 für die Antikörperproduktion in        Hintergrund an neuen Techniken gearbei-
Zellen) [17], in Kultur zu halten und dort    vivo bestätigte [19]. In der Folge konnte   tet, die es ermöglichen sollten, Genome
dann mit gängigen Gentechnikmethoden          diese Form der Genveränderung für alle      effizienter gerichtet zu verändern. Hierzu

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Aus der Forschung

Abb. 2: Genetische Screens gestern und heute
Anfangs setzte man auf eine gezielte Mutagenese in der Keimbahn von Tieren. Die resultierenden Mutationen mussten dann umständlich auf Homozygotie gekreuzt
werden, bis man auch die rezessiven Merkmale studieren konnte. Die Entwicklung der RNA-Interferenz erlaubte es dann, auch in Zelllinien oder primären Zellen
induzierte, nahezu vollständige Funktionsverluste zu untersuchen. Dies konnte sowohl in Zellkultur als auch in vivo durchgeführt werden. Im Gegensatz zu ZFN- und
TALEN-Nukleasen eignet sich auch CRISPR/Cas9 hervorragend für genetische Screens; dabei können Forscher inzwischen aus einer großen Anzahl unterschiedlicher
Versionen auswählen: Reine Knock-out-Screens mit genetischer Deletion durch unmodifiziertes Cas9-Protein, transkriptionelle Induktion oder Repression von Genakti-
vität durch Cas9-Varianten.

wurden Designer-Nukleasen entwickelt,                  HDR. Solche ZFN wurden denn auch er-                    enten auszuschalten und so die Ausbrei-
die ähnlich wie Restriktionsenzyme an                  folgreich verwendet, um sowohl Gene zu                  tung des Virus einzudämmen – eine direk-
einer vorbestimmten Stelle in einer DNA-               inaktiveren wie auch gezieltere Modifika-               te klinische Anwendung der Technik [25].
Sequenz schneiden würden. Im Gegensatz                 tionen durchzuführen – ähnlich derer in                 Gerade in diesem Kontext darf aber die
zu Restriktionsenzymen sollte die Schnitt-             embryonalen Stammzellen, aber nun di-                   Möglichkeit von Designer-Nukleasen, an
stelle aber freier wählbar sein und so selten          rekt in befruchteten Eizellen wie bei der               anderen Stellen im Genom zu schneiden als
vorkommen, dass auch ein einzelner                     konventionellen Transgenese [23]. Einzig                geplant, nicht unerwähnt bleiben. Obwohl
Schnitt selbst in Säugergenomen möglich                die aufwendige Herstellung und der damit                diese sogenannten Off-Target-Effekte von
sein sollte. Die ersten solcher Enzyme wa-             verbundene hohe Preis für ZFN schränkte                 ZFN zu TALEN weniger wurden, waren sie
ren die Zink-Finger-Nukleasen (ZFN).                   ihren Einsatz stark ein. Sie sollten denn               doch gerade im Hinblick auf gentherapeu-
Durch Zink-Finger-Domänen wurden spe-                  auch schnell durch die nächste Generation               tische Ansätze eine ernstzunehmende Un-
zifische DNA-Zielsequenzen erkannt und                 an Designer-Nukleasen verdrängt wer-                    zulänglichkeit.
durch die enzymatische Domäne eines                    den – durch die Tal-Effektor-Nukleasen
Restriktionsenzyms nach Dimerisierung                  (TALEN) [24]. Das einfachere Design,                    CRISPR/Cas9 als Werkzeug zur
der Doppelstrangschnitt durchgeführt [22].             nutzerfreundliche Verbreitung über Plas-                Veränderung von Genomen
Die Zelle repariert diesen Doppelstrang-               midbanken wie Addgene und effiziente                        Das CRISPR/Cas-System wurde ur-
bruch entweder durch NHEJ oder, bei                    Klonierungsmethoden wie Golden-Gate-                    sprünglich als Effektormechanismus an-
Anwesenheit von homologer DNA z. B. in                 Klonierung sorgten für eine schnelle Ver-               tiviraler Immunität in Bakterien beschrie-
Targeting-Vektoren, durch HR. Im Falle                 breitung in der Forschungsgemeinde, nicht               ben [26], und im August 2012 wurden
von NHEJ führt dies häufig zu kleinen                  zuletzt auch, weil TALEN einzelne Nukleo-               dann die einzelnen Komponenten und
Insertionen oder Deletionen und damit                  tide binden konnten und nicht Tripletts wie             deren Funktionsweise im Detail aufge-
gegebenenfalls zu einer (gewünschten)                  die ZNF. Die Designer-Nukleasen eröffne-                klärt, vor allem durch eine bahnbrechen-
Inaktivierung des Zielgens. Bei Anwesen-               ten vollkommen neue Anwendungsmög-                      de Studie von Martin Jinek und Kollegen
heit von exogen eingebrachter homologer                lichkeiten für gezielte Genomveränderun-                [27]. Der große Unterschied zu ZFN und
DNA als Reparaturmatritze, kann diese                  gen, Anwendungen, die mit den vorherigen                TALEN, die ja auch programmierbare
dann im Falle des HDR in das Genom                     Methoden nicht oder nur schlecht durch-                 Nukleasen sind, bestand darin, dass Cas9
eingebaut werden – ähnlich der in ES-                  zuführen waren. So war es mittels ZFN                   nicht über Protein-DNA-Interaktionen
Zellen verwendeten Methode basierend auf               möglich, CCR5 in T-Zellen von HIV-Pati-                 seine Zielsequenz im Genom identifiziert,

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Aus der Forschung

sondern über einen RNA-basierten Me-         dieses Werkzeugs an ein neues Gen ein-        häufig verwendeter Screening-Ansatz be-
chanismus mittels Watson-Crick-Basen-        fach nur die 20 Basenpaar-lange guide-        ruhte auf RNA-interferenz (RNAi), einem
paarung. Nur eine kurze Zielsequenz, die     Sequenz adaptiert werden muss, war dies       natürlichen Mechanismus, mit dem spezi-
direkt an die RNA-kodierte Zielsequenz       ein enormer Fortschritt, und die einfache     fische Proteinexpression auf Ebene der
anschließt, ist statisch durch das Cas-      und erschwingliche Technologie breitete       mRNA unterdrückt bzw. reguliert wird
Protein vorgegeben, die sogenannte PAM-      sich wie ein Buschfeuer um den Globus         [33, 34]. Strenggenommen handelt es sich
Sequenz. Für das Auffinden und Binden        aus. Es wurde bereits heute in weitaus        also nicht um Genveränderungen oder
der DNA-Zielsequenz benötigt Cas9 zwei       mehr immunologischen Studien verwen-          Mutationen, der Effekt kommt einer gene-
RNA-Moleküle, von denen eines für die        det als ZFNs und TALENs zusammen. Im          tischen Ablation aber sehr nahe. Für einen
Erkennung der Zielsequenz über einen         Folgenden wurden dann auch Versionen          Screen wurden siRNA oder shRNA Libra-
20 Basenpaare langen Abschnitt zustän-       von Cas9 entwickelt, die, statt zu schnei-    ries, die das gesamte Transkriptom zum
dig ist (crisprRNA, crRNA), die andere für   den, als programmierbares DNA-binden-         Ziel hatten, in die zu untersuchenden Zel-
die Integration der crRNA in das Cas9-       des Molekül agieren und epigenetische         len eingebracht. Da die Ploidie keine Rolle
Protein (trans-activating crRNA,             Veränderungen oder Punktmutationen            spielte, konnte direkt auf Funktionsverlust-
tracrRNA). Eine Weiterentwicklung des        einführen können oder als transkriptio-       Phänotypen selektiert werden. Durch die
Systems war die Kombination von crRNA        neller Aktivator oder Repressor Gene          Sequenzierung der nach der Selektion
und tracrRNA zu einer chimären single        an- oder abschalten können [31].              verbleibenden siRNAs konnte dann direkt
guide RNA (sgRNA) [27]. Nun überschlu-                                                     auf das komplementäre Zielgen geschlos-
gen sich die Ereignisse: Nicht einmal ein    CRISPR/Cas9 in genetischen Screens            sen werden. RNAi-Screens werden in vivo
halbes Jahr später wurde das CRISPR/             Während mittels Funktionsverlust          vor allem im Bereich der Tumorimmuno-
Cas9-System Anfang 2013 als Designer-        oder Überexpression eines Genes Hypo-         logie eingesetzt [35], wie auch zur Untersu-
Nuklease für den Gebrauch in Eukaryo-        thesen zur Genfunktion getestet werden        chung von viralen Infektionen [36].
ten von mehreren Gruppen gleichzeitig        können, dienen Screens dazu, neue Gene            Obwohl mit der RNAi-Technik gene-
hoff ähig gemacht. Entscheidend war, das     oder Wirkmechanismen zu identifizieren.       tische Screens einen Schub bekommen
Cas9-Protein mit einem nukleären Loka-       Dabei werden erst zufällige Mutationen in     hatten, stellte diese Methode den Forscher
lisationssignal (NLS) auszustatten und die   das Genom eingebracht und anschließend        immer noch vor eine Reihe von Proble-
kodierende Nukleotidsequenz für die          über verschiedene Selektionsmethoden          men, wie zeitlich begrenzte oder unvoll-
Translation in Säugerzellen anzupassen       detektiert. Vor CRISPR/Cas9 wurden zu-        ständige Knock-downs und das Unterdrü-
[28–30]. Wie ZFNs und TALENs führt           fällige Mutationen durch Retroviren,          cken unspezifischer Transkripte. Die
das aktive Cas9-Enzym Doppelstrangbrü-       Transposons, UV-Licht oder über chemi-        Methode war aufwendig und nur bedingt
che an exakt vorherbestimmten Stellen im     sche Reagenzien wie N-ethyl-N-nitrosou-       für In-vivo-Screens adaptierbar. Designer
Genom ein, allerdings mit weitaus höhe-      rea (ENU) in das Genom eingebracht.           Nukleasen wie TALEN und ZFN konnten
rer Effizienz bei minimalem Aufwand          Diese Ansätze wurden anfangs vor allem        zwar permanente Veränderungen im Ge-
und Kosten. Die Doppelstrangbrüche           in der Entwicklungsbiologie verfolgt; pro-    nom erzeugen, aber aufgrund der aufwen-
werden auch bei CRISPR/Cas9 durch            minentes Beispiel hierfür sind die Erkennt-   digen und teuren Herstellungsweise und
NHEJ oder HR repariert, letzteres, wenn      nisse über die embryonale Musterbildung       ihrer Funktionweise als Heterodimere
eine DNA-Matrize mit in die Zelle einge-     in der Fruchtfliege, für die Christiane       waren sie ungeeignet für genetische
schleust wird. Mittels CRISPR/Cas9 las-      Nüsslein-Vollhardt und ihre Kollegen 1995     Screens. CRISPR/Cas9 funktioniert hin-
sen sich direkt in einzelligen Embryonen     mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt         gegen allein mit einer einzelnen 20-meren
aber auch in anderen Zellen an beliebiger    wurden. Eine wichtige immunologische          Erkennungssequenz, weswegen schnell
Stelle im Genom Knock-outs und Knock-        Entdeckung aus diesen Screens war die         klar war, dass CRISPR/Cas9 sich exzellent
ins realisieren. Im Falle von Maustransge-   ganze Familie der Toll-like-Rezeptoren        für genetische Screens eignete. Hierzu
nese entfällt dadurch die aufwendige ES-     (TLR) mit wichtiger Rolle in der Erken-       werden ähnlich wie bei RNAi-screens
Zellkultur. Nachdem für die Anpassung        nung von Pathogenen [32]. Ein weiterer        mehrere guide RNAs für jedes Gen in ei-

100                                                                                                             Trillium Immunologie 2018; 2(2)
Aus der Forschung

nem Genom erstellt und zusammen mit          Danksagung                                                 targeting [see comments]. Science 1994. 265: 103-106.
                                             Wir danken Matthias Heidenreich und Olaf Groß für          22. Kim, Y. G., Cha, J. and Chandrasegaran, S. Hybrid
Cas9 in die zu screenende Zellpopulation     ihre hilfreichen Kommentare zum Manuskript.                restriction enzymes: zinc finger fusions to Fok I
                                                                                                        cleavage domain. Proc Natl Acad Sci U S A 1996. 93:
eingebracht [37, 38]. Auch für Screens hat                                                              1156-1160.
                                             Referenzen                                                 23. Meyer, M. et al. Gene targeting by homologous re-
CRISPR/Cas9 seine Anwendbarkeit in der       1. Mendel, G. Versuche über Pflanzen-Hybriden. Ver-        combination in mouse zygotes mediated by zinc-finger
                                             handlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn          nucleases. Proceedings of the National Academy of
Immunologie bereits bewiesen: Mit einem      1866. 4: 3-47.                                             Sciences of the United States of America 2010. 107:
                                                                                                        15022-15026.
CRISPR/Cas9-Screen wurde z. B. schon         2. Bruton, O. C. Agammaglobulinemia. Pediatrics
                                             1952. 9: 722-728.                                          24. Miller, J. C. et al. A TALE nuclease architecture for
die Lipopolysaccharid-induzierte                                                                        efficient genome editing. Nature biotechnology 2011.
                                             3. Uchimura, A. et al. Germline mutation rates and
                                                                                                        29: 143-148.
Zytokinantwort [38] untersucht und es-       the long-term phenotypic effects of mutation accumu-
                                             lation in wild-type laboratory mice and mutator mice.      25. Tebas, P. et al. Gene editing of CCR5 in autologous
senzielle Gene für Anti-Tumor-Immun-         Genome Res 2015. 25: 1125-1134.                            CD4 T cells of persons infected with HIV. N Engl J Med
                                                                                                        2014. 370: 901-910.
                                             4. Pantelouris, E. M., Absence of thymus in a mouse
antworten unter Checkpoint-Blockade          mutant. Nature 1968. 217: 370-371.                         26. Barrangou, R. et al. CRISPR provides acquired
                                                                                                        resistance against viruses in prokaryotes. Science
ermittelt [39, 40]. Abgesehen von stabilem   5. Bosma G. C., Custer R. P., Bosma M. J. A severe com-
                                                                                                        2007. 315: 1709-1712.
                                             bined immunodeficiency mutation in mouse. Nature
und vollständigem Funktionsverlust mit       1983. 301: 527-530.                                        27. Jinek, M. et al. A programmable dual-RNA-guided
                                                                                                        DNA endonuclease in adaptive bacterial immunity.
                                             6. van der Burg, M. et al. A DNA-PKcs mutation in a
Cas9 lassen sich über modifizierte Versi-                                                               Science 2012. 337: 816-821.
                                             radiosensitive T-B- SCID patient inhibits Artemis acti-
                                             vation and nonhomologous end-joining. J Clin Invest        28. Cong, L. et al. Multiplex genome engineering using
onen von Cas9 auch Knock-down                2009. 119: 91-98.                                          CRISPR/Cas systems. Science 2013. 339: 819-823.
(CRISPRi, wie mit siRNA) und Aktivator-      7. Murphy, E. D. and Roths, J. B. A single gene model      29. Mali, P. et al. RNA-guided human genome enginee-
                                             for massive lymphoproliferation with immune                ring via Cas9. Science 2013. 339: 823-826.
Screens (CRISPRa) durchführen [41]. Es       complex disease in new mouse strain MRL. Excerpta          30. Jinek, M. et al. RNA-programmed genome editing
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ist zu erwarten, dass in Zukunft auch in     8. Matsuzawa, A. et al. A new allele of the lpr locus,     31. Wang, H., La Russa, M. and Qi, L. S. CRISPR/Cas9
der Immunologie bald erste direkte In-       lprcg, that complements the gld gene in induction of       in Genome Editing and Beyond. Annu Rev Biochem
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vivo-Screens, wie sie bereits im Kontext     519-531.
                                                                                                        32. Anderson, K. V. and Nusslein-Volhard, C. Informa-
                                             9. Fisher, G. H. et al. Dominant interfering Fas gene      tion for the dorsal--ventral pattern of the Drosophila
von Hirntumoren durchgeführt wurden,         mutations impair apoptosis in a human autoim-              embryo is stored as maternal mRNA. Nature 1984.
                                             mune lymphoproliferative syndrome. Cell 1995. 81:          311: 223-227.
publiziert werden. CRISPR/Cas9 hat also      935-946.
                                                                                                        33. Whitehurst, A. W. et al. Synthetic lethal screen
auch funktionelle genetische Screens ver-    10. Rieux-Laucat, F. et al. Mutations in Fas associa-      identification of chemosensitizer loci in cancer cells.
                                             ted with human lymphoproliferative syndrome and            Nature 2007. 446: 815-819.
bessert und mit vielen neuen Möglichkei-     autoimmunity. Science 1995. 268: 1347-1349.
                                                                                                        34. Gazin, C. et al. An elaborate pathway required for
                                             11. Frank, J. et al. Exposing the human nude phenoty-      Ras-mediated epigenetic silencing. Nature 2007. 449:
ten bereichert.                              pe. Nature 1999. 398: 473-474.                             1073-1077.
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                                             stable germ line transmission of genes injected into       targets in the tumour microenvironment. Nature
Fazit                                        mouse pronuclei. Science 1981. 214: 1244-1246.             2014. 506: 52-57.
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    Die Immunologie hat viel von der         develop from eggs microinjected with metallothion-         identify regulators of antiviral CD4(+) and CD8(+) T
Manipulation von Genomen profitiert.         ein-growth hormone fusion genes. Nature 1982. 300:         cell differentiation. Immunity 2014. 41: 325-338.
                                             611-615.
                                                                                                        37. Wang, T. et al. Genetic screens in human cells using
Von spontanen und chemisch induzierten       14. Chiang, C. et al. Complex reorganization and           the CRISPR-Cas9 system. Science 2014. 343: 80-84.
                                             predominant non-homologous repair following
Mutanten über Transgene und ES-Zell-         chromosomal breakage in karyotypically balanced            38. Parnas, O. et al. A Genome-wide CRISPR Screen
                                             germline rearrangements and transgenic integration.        in Primary Immune Cells to Dissect Regulatory Net-
Technologie hin zu CRISPR/Cas9 haben         Nat Genet 2012. 44: 390-397, S391.                         works. Cell 2015. 162: 675-686.
                                             15. Yan, B. W. et al. Mechanism of random integration      39. Patel, S. J. et al. Identification of essential genes for
sich die Möglichkeiten zur Manipulation                                                                 cancer immunotherapy. Nature 2017. 548: 537-542.
                                             of foreign DNA in transgenic mice. Transgenic Res
von Genomen verändert. Die Geschwin-         2013. 22: 983-992.                                         40. Manguso, R. T. et al. In vivo CRISPR screening
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Werkzeuge, basierend auf CRISPR/Cas-                                                                    Control of Gene Repression and Activation. Cell 2014.
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Technologie, beschrieben werden, setzt       culture of pluripotential cells from mouse embryos.        159: 647-661.
                                             Nature 1981. 292: 154-156.
der Forscherphantasie kaum noch Gren-        18. Thomas, K. R. and Capecchi, M. R. Site-directed
zen. War anfangs die Durchführung der        mutagenesis by gene targeting in mouse embryo-
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                                             20. Murphy, A. J. et al. Mice with megabase huma-
dies heute eher die Phänotypisierung bzw.
                                             nization of their immunoglobulin genes generate
                                                                                                         Dr. Johannes vom Berg, Prof. Dr. Thorsten Buch
die funktionelle Aufarbeitung von Befun-     antibodies as efficiently as normal mice. Proc Natl                             Institut für Labortierkunde
                                             Acad Sci U S A 2014. 111: 5153-5158.                                          Universität Zürich, Schweiz
den aus solchen genetischen Eingriffen.      21. Gu, H. et al. Deletion of a DNA polymerase beta
                                             gene segment in T cells using cell type-specific gene
                                                                                                                          johannes.vomberg@uzh.ch
                                                                                                                                thorsten.buch@uzh.ch

Trillium Immunologie 2018; 2(2)                                                                                                                                 101
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