Vorbereiten auf den Ernstfall: EU-Programme nach dem Brexit

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Vorbereiten auf den Ernstfall: EU-Programme nach dem Brexit
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   Vorbereiten auf den Ernstfall:
   EU-Programme nach dem Brexit
   Großbritannien steht vor dem Austritt aus der Euopäischen Union. Den
   Forschenden und Studierenden drohen unterschiedliche Szenarien, je nachdem,
   was bei den Austrittsverhandlungen beschlossen wird. | Von Ruth Maloszek,
   Kerstin Maurer und Robert Fischer

                                            U
                                                          ncertainty rules the wa-      Austrittsabkommen (Withdrawal Agree-
                                                          ves!“ Dieses geflügelte       ment) annehmen wird oder nicht, ob es
                                                          Wort in Abwandlung des        also bis zum Stichtag 31. Oktober 2019 ei-
                                                          patriotischen Liedes „Rule,   nen Austritt mit Deal oder einen No-De-
     Foto: privat

                                                          Britannia!“ beschreibt der-   al-Brexit geben wird oder ob – quasi als
                                            zeit die Situation Großbritanniens. Seit    dritte Option – über den Stichtag hinaus
                                            das Vereinigte Königreich am 23. Juni       weiterverhandelt werden wird.
   Dr. Ruth Maloszek
                                            2016 für „Leave“ – also das Verlassen der
  und Kerstin Maurer
                                            Europäischen Union – gestimmt hat, ist      Was ein No Deal für Erasmus+ bedeutet
          (ohne Bild)                       das Land tief gespalten in das Lager der
  sind Referentinnen für den                Brexiteers und das der EU-Befürworter.      Zunächst: Welche Szenarien und welche
Bereich Forschung, Lehre und                Eine klare britische Linie, die so oder     Auswirkungen auf das EU-Programm
Studium international an der                so Sicherheit und Verlässlichkeit in den    Erasmus+ sind denkbar? Die folgen-
Philosophischen Fakultät und                Ausstiegsprozess bringen könnte, zeich-     den Ausführungen konzentrieren sich
   am Fachbereich Theologie                 net sich trotz aller Lippenbekenntnisse     auf die Erasmus+ Individualmobilität
 der Friedrich-Alexander-Uni-               nicht ab. So sind nach wie vor zahlreiche   wie Studierenden- und Lehrendenaus-
  versität Erlangen-Nürnberg                Details unklar und auch die Brexiteers      tausch sowie Projektantragslinien im
(FAU). | ruth.maloszek@fau.de               sind sich untereinander nicht einig über    Hochschulbereich.
        kerstin.maurer@fau.de               die Form des Ausstiegs. Damit ist auch
                                            weiterhin die Frage offen, welche Aus-      Das Programm Erasmus+ lebt davon,
                                            wirkungen der sogenannte Brexit auf         dass Hochschulen sich innerhalb der
                                            den europäischen Hochschul- und For-        sogenannten Programmländer zu bi-
                                            schungsraum haben wird. Kann das            lateralen Partnerschaften, die sich
                                            Vereinigte Königreich weiterhin an „Ho-     gegenseitig Studiengebühren für Stu-
     Foto: privat

                                            rizont 2020“, dem EU-Rahmenprogramm         dierendenaustausch erlassen, oder
                                            für Forschung und Innovation, bezie-        auch für Projekte zu multilateralen Kon-
                                            hungsweise an dessen Nachfolgepro-          sortien zusammenschließen. Zusätzlich
    Dr. Robert Fischer
                                            gramm „Horizont Europa“ teilnehmen          zu den EU-Ländern können einige weni-
       ist Referent im Büro für             – und wenn ja, unter welchen Bedin-         ge ausgewählte Länder wie Norwegen,
          Forschung und wissen-             gungen? Was passiert mit dem studen-        Island oder die Türkei als sogenannte
  schaftlichen Nachwuchs an                 tischen Erasmus-Austausch?                  Programmländer an Erasmus+ teilneh-
  der Philosophischen Fakul-                                                            men, indem sie unter anderem einen
      tät und am Fachbereich                Die weiteren wissenschaftlichen Be-         finanziellen Beitrag zum Budget leis-
    Theologie der Universität               ziehungen hängen davon ab, ob das           ten. Als jüngstes Beispiel dient Serbien,
   Erlangen-Nürnberg (FAU). |               britische Parlament das vorliegende         das seit dem Call zu Erasmus+ 2019 den
                    robert.fischer@fau.de   beziehungsweise ein neu verhandeltes        Status eines Programmlandes erhalten

   22 DUZ Wissenschaft & Management 08 | 2019
Foto: John Cameron / Unsplash

                                hat. Ergebnis dieses klassischen Eras-      Eine ganz andere Frage stellt sich bei ei-
                                mus-Programms für Programmländer            nem Scheitern der Verhandlungen. Was
                                sind teilweise schon sehr alte und solide   passiert also im Fall eines No-Deal-Sze-
                                Partnerschaften, die über die verschie-     narios? Für den Fall eines No Deal mit
                                denen Programmgenerationen hinweg           Austritt zum 31. Oktober 2019 würde eine
                                immer wieder verlängert wurden. Der         sogenannte Erasmus+ Contingency Re-
                                hier durchaus denkbare Assoziierten-        gulation (Erasmus+ Notfallverordnung)
                                status als Programmland bedarf ver-         in Kraft treten, die die Unterbrechung
                                traglicher Absprachen zwischen der EU       bereits begonnener Individualmobili-
                                und dem Vereinigten Königreich (UK –        täten, unter anderem für Studierende
                                United Kingdom) sowie einer Beteiligung     (für Auslandsstudium oder -praktikum
                                am gemeinsamen Programm-Budget.             im UK) und für Lehrende im Rahmen
                                Die Verhandlungslösung „Programm-           des Erasmus+ Dozentenaustauschs im
                                land“ würde den Schaden für alle Betei-     UK, verhindern und die Förderung die-
                                ligten möglichst gering halten. Im Falle    ser Mobilitäten klären soll. Dabei sol-
                                eines Austritts mit dem aktuellen Deal      len Auslandsaufenthalte im UK von
                                wurde zwischen der EU und dem UK            Studierenden und Lehrenden, die bis
                                festgelegt, dass das UK in den EU-Pro-      zum 31. Oktober 2019 angetreten wur-
                                grammen verbleiben würde (Artikel 137       den, auch im Falle eines No Deal abge-
                                des Withdrawal Agreement). Gemeint          schlossen und für die komplette Dauer
                                ist damit: bis zum Ende der aktuellen       des Aufenthalts EU-Förderung erhalten
                                Programmgeneration (2020).                  können. Informationen hierzu finden

                                                                                                      www.wissenschaft-und-management.de 23
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                          sich auf den Seiten des Deutschen Aka-      men, aus dem der oben genannte Arti-
                          demischen Austauschdienstes (DAAD           kel 137 nicht gestrichen oder relevant
                          2019) wie auch auf den Seiten der Eu-       verändert wurde. Der DAAD formuliert
                          ropäischen Kommission (EK 2019). Da-        sehr viel vorsichtiger, indem er schreibt:
                          bei beinhalten die Informationen der        „Falls Großbritannien das Austrittsab-
                          Europäischen Kommission zusätzlich          kommen vor dem 31.10.2019 annimmt“
                          sehr deutlich den Hinweis, dass diese       (DAAD 2019). Ein Austrittsabkommen
                          Aufenthalte bis zu zwölf Monate dauern      oder das (gemeint das bisher vorlie-
                          können – was bedeuten würde, dass die       gende) Austrittsabkommen? Die feinen
                          Weiterförderung durch die EU durch-         Unterschiede dieser Formulierungen
                          aus bis weit nach dem Austrittsdatum        machen deutlich, dass zwischen beiden
                          andauern könnte. Wichtig ist, dass die      großen Varianten „mit Deal“ und „ohne
                          mobile Person sich spätestens zum           Deal“ weiterhin eine Vielzahl an mög-
                          31. Oktober 2019 im UK befinden müss-       lichen (bisher ungeklärten) Varianten
                          te. Für Personen, die ihren Auslandsauf-    und Unsicherheiten liegen kann.
                          enthalt erst nach dem 31. Oktober 2019
                          antreten, gilt diese Regelung explizit      Was ein No Deal für das Programm
                          nicht, da sie als Notfallregelung gedacht   Horizont 2020 bedeutet
                          ist. Für laufende Kooperationsprojekte
                          unter Beteiligung britischer Partner, die   Die gut Nachricht zuerst: Im Falle einer
                          vor dem Austrittsdatum vereinbart wur-      Zustimmung des Vereinigten König-
                          den, wäre für die weitere Teilnahme von     reichs zu dem vorliegenden Austritts-
                          Partnern aus dem UK eine sogenannte         abkommen und einem Nachkommen
                          „horizontale Brexit-Notfallverordnung“      der Zahlungsverpflichtungen von briti-
                          notwendig, die bisher nicht ausgehan-       scher Seite würde sich für die Teilnah-
                          delt wurde. Sollte es keine Verordnung      me- und Förderfähigkeit in Bezug auf
                          geben, müsste die Teilnahme von Part-       Horizont 2020 erst einmal nichts än-
                          nern aus dem UK beendet werden. Auch        dern. Die britischen Partner könnten
                          können derzeit keinerlei Rückschlüsse       nicht nur mitmachen, sondern auch von
                          oder Ausblicke auf die nächste EU-Pro-      der EU mitfinanziert werden. Ähnliches
                          grammgeneration 2021–2027 gezogen           gilt auch für den jetzigen Zustand der
                          werden, die separat verhandelt werden       „Verlängerung“ der Austrittsverhand-
                          müsste (EK 2019, vgl. auch DAAD 2019).      lungen bis zum 31. Oktober 2019 oder die
                                                                      denkbare Situation, die wir zum Beispiel
                          Die Unterschiede in den Formulierungen      von den Beitrittsverhandlungen mit
                          verschiedener deutscher Einrichtun-         der Türkei kennen, einer Verlängerung
                          gen, die über mögliche Konsequenzen         der Austrittsverhandlungen mit unbe-
                          des Brexit informieren, mögen fein          stimmtem Enddatum.
                          sein, sie sind jedoch zumindest inte-
                          ressant (und wichtig): So heißt es auf      Da die Beteiligungsregeln, die in der
                          den FAQ-Seiten des Bundesministeri-         Verordnung 1290/2013 festgelegt wor-
                          ums für Bildung und Forschung (BMBF):       den sind, für die gesamte Laufzeit von
                          Sollte ein Austrittsabkommen zwi-           Horizont 2020 gelten, genießen bewil-
                          schen der EU und dem Vereinigten Kö-        ligte Projekte mit britischer Beteiligung
                          nigreich zustande kommen, nimmt das         erst einmal einen gewissen Bestands-
                          Vereinigte Königreich bis zum Ende der      schutz, zumindest solange sie ihre An-
                          aktuellen Programmlaufzeit (2020) an        tragsberechtigung (Eligibility Criteria)
                          den EU-Programmen, so auch an Eras-         nicht verlieren. Dies gilt jedoch nur für
                          mus+, teil (BMBF 2019-1). Gemeint ist       das laufende Horizont 2020-Programm.
                          damit natürlich ein Austrittsabkom-         Wie es im neuen Rahmenprogramm mit

24 DUZ Wissenschaft & Management 08 | 2019
Diagramme: Die zehn teilnahmestärksten europäischen Staaten im Programm Horizont 2020 (H2020)
    in EUR (Nettoförderung) und Anzahl der Projekte

                    H2020 Netto EU Beitrag in Mrd. EUR
      8
      7
      6
      5
      4
      3
      2
      1
      0

                   H2020 Teilnahme Anzahl der Projekte
     16.000
     14.000
     12.000
     10.000
      8.000
      6.000
      4.000
      2.000
          0

dem vielsagenden Titel „Horizont Euro-          oder die Schweiz mit Zahlungsver-
pa“ weitergeht, ist noch ungewiss und           pflichtung gegenüber der EU, dafür
hängt wesentlich davon ab, wie die briti-       aber mit voller Teilnahme- und För-
sche Seite sich in den kommenden Ver-           derfähigkeit im europäischen For-
handlungen verhält. Wenn es nicht zu            schungsrahmenprogramm.
einer britischen Sonderlösung kommt,        •   Oder es wird zu einem Drittland he-
zeichnen sich bereits jetzt zwei Vari-          rabgestuft. Großbritannien dürf-
anten am Ende der Verhandlungen als             te dann zwar an den meisten
wahrscheinliches Ergebnis ab:                   Ausschreibungen innerhalb des For-
                                                schungsrahmenprogramms         teil-
•   Entweder das UK wird zu einem asso-         nehmen, wäre aber finanziell nicht
    ziierten Staat ähnlich wie Norwegen         förderfähig.

                                                                     www.wissenschaft-und-management.de 25
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                          Seit das mit Spannung erwartete ur-          keine EU-Fördergelder bekommen und
                          sprüngliche Austrittsdatum am 29. März       müssten den finanziellen Beitrag selbst
                          2019 weitgehend geräuschlos vorbei-          einbringen. Bedenkt man, dass das UK
                          gestrichen ist, haben sich mit der Wahl      einer der größten Nutznießer der eu-
                          von Boris Johnson als neuem britischen       ropäischen Forschungspolitik ist (vgl.
                          Premierminister die festgefahrenen           Diagramme), wird deutlich, welche fi-
                                                                            nanziellen Einbußen der britischen
                                                                            Wissenschaft hier drohen. Die Dia-
                                                                            gramme zeigen, in welch großem
                                                                            Umfang das Vereinigte Königreich
                          Der Ernstfall eines No-                           in diesem wichtigsten europäi-
                          Deal-Brexit scheint mit                           schen Forschungsförderprogramm
                                                                            vertreten ist. Nur die Bundesrepu-
                          Premier Boris Johnson                             blik Deutschland ist in der Höhe
                          wieder wahrscheinlicher                           der von der EU erhaltenen Leistun-
                                                                            gen und in der Anzahl der Projekte
                          zu sein.                                          noch stärker vertreten. Um ange-
                                                                            sichts der drohenden finanziellen
                          Brexit-Verhandlungen nicht gelöst.           Verluste die eigenen Wissenschaftlerin-
                          Ganz im Gegenteil scheint der Ernstfall      nen und Wissenschaftler zu beruhigen,
                          eines No-Deal-Brexit nun wieder wahr-        hat die britische Regierung vorsorglich
                          scheinlicher zu werden und die Un-           ein Garantieversprechen (Underwri-
                          sicherheit über den zukünftigen Weg          te Guarantee) abgegeben, dass im Falle
                          Großbritanniens aus der EU regiert wei-      eines ungeregelten Brexit etwaige Fi-
                          ter. Im Wissenschaftsbetrieb jedenfalls      nanzierungsausfälle von der Regierung
                          hat man sich mit den bestehenden Un-         aufgefangen werden. Zudem hat die
                          gewissheiten abgefunden und forscht          EU-Kommission im Januar 2019 einen
                          munter weiter.                               Verordnungsentwurf        (COM-2019-64)
                                                                       vorgelegt, der als Notfallmaßnahme für
                          Als schlechte Nachricht droht jedoch ge-     den EU-Haushalt und damit auch für die
                          rade mit Boris Johnson ein ungeregelter      EU-Förderprogramme vorgesehen ist.
                          Brexit (No Deal), der weiterhin als mögli-   Das kann jedoch nicht darüber hinweg-
                          ches Szenario nicht ausgeschlossen wer-      täuschen, dass noch zahlreiche Fragen
                          den kann und für den man sich wappnen        ungeklärt sind.
                          sollte. Bundesbildungsministerin Anja
                          Karliczek: „Niemand will einen harten        Um nur auf ein Problem aufmerksam
                          Brexit. Trotzdem bereiten wir uns auch       zu machen, könnte es dennoch bei eini-
                          auf den Ernstfall vor.“ (BMBF 2019-2) Was    gen Projekten mit britischer Beteiligung
                          würde also passieren, wenn das UK ohne       zu einem unbeabsichtigten Projektende
                          Abkommen aus der EU ausschiede? Im           kommen. So könnte es zu einem Konflikt
                          Fall eines No Deal würde das Vereinig-       mit der Teilnahmeberechtigung (Eligi-
                          te Königreich automatisch in die Rolle       bility Criteria) kommen. Diese müssen
                          eines Drittstaates fallen. Für Drittstaa-    während der gesamten Projektlaufzeit
                          ten gilt, dass sie zwar teilnahmeberech-     erfüllt sein. Der Zeitpunkt der Bewilli-
                          tigt, wie beispielsweise die USA, aber       gung ist nicht ausreichend. So könnte es
                          nicht förderfähig sind. Das bedeutet,        passieren, dass sich zum Beispiel in klei-
                          Einrichtungen aus Drittstaaten würden        nen Projektkonsortien von nur drei be-
                          abgesehen von wenigen Ausnahmen              teiligten Projektpartnern plötzlich der
                          (Entwicklungsländer und Länder der           Status des britischen Partners aufgrund
                          europäischen        Nachbarschaftspolitik)   des No-Deal-Brexits vom EU-Mitglieds-

26 DUZ Wissenschaft & Management 08 | 2019
staat zum Drittland ändert. Somit wäre       Programme ERC, Marie Skłodowska-
dieser gar nicht mehr teilnahmebe-           Curie Actions und SME-Instrument
rechtigt und das Projekt würde nur           Anschlussfinanzierungen im Falle ei-
noch aus zwei EU-Mitgliedsstaaten be-        nes No-Deal-Brexit. Zusätzlich sollen
stehen. Das wiederum verstößt gegen          die Einreise- und Visabestimmungen
die Beteiligungsregel, da mindestens         durch ein Fast-track-Programm für
drei unterschiedliche Mitglieds- oder        renommierte      Wissenschaftlerinnen
assoziierte Staaten an einem Projekt         und Wissenschaftler die Mobilität
beteiligt sein müssen, sodass das gan-       nach Großbritannien erleichtern und
ze Projekt nun nicht mehr förderungs-        internationale Spitzenforschung an-
fähig wäre.                                  ziehen (Government UK Press release
                                             2019). Abgesehen davon, dass es sich
Noch problematischer sieht es für            bislang nur um Ankündigungen han-
die Exzellenz- und Individualförde-          delt, lösen diese Garantieversprechen
rung aus. Bei ERC Grants und Marie           nicht das grundsätzliche Problem des
Skłodowska-Curie Fellowships gilt die        Ausschlusses aus der EU-Forschungs-
Regel, dass diese Projekte nur in einem      förderung. ERC-Grantees oder Marie
Mitgliedsland oder einem assoziier-          Skłodowska-Curie Fellows, die von der
ten Staat angesiedelt sein dürfen. Im        EU ausgeschlossen werden, sind eben
Fall eines No Deal würden im UK for-         keine ERC-Grantees oder Fellows mehr,
schende ERC-Grant-Empfänger daher            auch wenn sie Geld zur Finalisierung
plötzlich ihre Teilnahmeberechtigung         ihres Forschungsprojektes von der bri-
verlieren und müssten mit ihrem Pro-         tischen Regierung bekommen würden.
jekt in einen EU-Mitglieds- oder einen
assoziierten Staat umziehen oder das         Fazit
Projekt würde beendet. Die Kommissi-
on weist deshalb in ihrem aktuellen Ar-      Das neben No Deal oder Austritt mit
beitsprogramm 2018–2020 vorsorglich          Deal dritte denkbare Szenario – die
auf diese Fälle hin: „If the UK withdraws    Perpetuierung des aktuellen Zustands
from the EU during the grant period          auf unbestimmte Zeit, wenn sich das
without concluding an agreement with         tiefgespaltene UK nicht auf eine Lö-
the EU ensuring in particular that Bri-      sung einigen kann – kann sich zwar
tish applicants continue to be eligible,     kein politischer Akteur ernsthaft wün-
they will no longer be eligible to receive   schen und wäre nicht nur auf britischer
EU funding and their participation may       Seite enorm demokratieschädigend.
be terminated on the basis of Article        Es wäre aber im Sinne der britischen
50 of the grant agreement.“ (European        Teilnahme an Erasmus+ und Horizont
Commission 2018) Die Antwort der bri-        2020 beziehungsweise Horizont Euro-
tischen Regierung auf dieses Problem         pa und angesichts der bedeutenden
lautet lapidar, die Regierung suche das      Rolle, die die britische Wissenschaft in
Gespräch mit der Europäischen Kom-           Europa spielt, nicht das Schlechteste.
mission und denke darüber nach, wel-         Das optimale und erhoffte Ergebnis aus
che weiteren Maßnahmen ergriffen             europäischer Sicht wäre freilich die Ei-
werden könnten (Department for Busi-         nigung darauf, Großbritannien als ei-
ness, Energy & Industrial Strategy 2018,     nen assoziierten Staat in Horizont 2020
S. 9ff.). Auch die neue Regierung hat die-   und darüber hinaus in den kommen-
ses Problem erkannt und sich in einer        den Forschungsrahmenprogrammen
Pressemitteilung dazu geäußert. Boris        beziehungsweise als Programmland in
Johnson und Wissenschaftsminister            Erasmus+ dauerhaft in den europäi-
Jo Johnson versprechen gerade für die        schen Forschungsraum einzubinden. //

                                                                     www.wissenschaft-und-management.de 27
// POLITIK & GESELLSCHAFT //

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                               In: Der Brexit und die Krise der europäischen Integration. EU und mitgliedsstaatliche
                               Perspektiven im Dialog. Festschrift für Roland Sturm zum 65. Geburtstag, hg. v. Thomas
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