Was ist schiefgelaufen? - Auslandsbüro USA, Washington D.C - Konrad-Adenauer-Stiftung

 
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Was ist schiefgelaufen? - Auslandsbüro USA, Washington D.C - Konrad-Adenauer-Stiftung
November 2020

Auslandsbüro USA, Washington D.C.

Was ist schiefgelaufen?

Erste Erkenntnisse nach der US-Wahl

Paul Linnarz
Vielleicht wissen Sie bereits, wer der nächste US-Präsident ist. Vielleicht auch nicht. Zum Zeitpunkt der Ablie-
ferung dieses Berichts am Donnerstag um 23:00 Uhr Ortszeit in Washington D.C. stand der Sieger jedenfalls
noch nicht fest. Unabhängig davon, wer sich letztlich durchsetzen wird, lässt die „Hängepartie“ aber schon
jetzt einige wichtige, zum Teil ernüchternde Aussagen zu.

Wenn der Sieger feststeht, wird ungefähr die Hälfte       Herausforderer lag. Sollte Donald Trump am Ende
aller US-Wähler in stürmischen Jubel ausbrechen,          zwar die Mehrheit der Stimmen im Electoral College
während von der anderen Hälfte hoffentlich nie-           gewinnen, wie schon 2016 aber nicht die Mehrheit
mand frustriert und erbost zu den Waffen greift.          aller Wählerstimmen, würde das den Glauben seiner
Bisher jedenfalls entfallen gut 73 Millionen Stimmen      Gegner an das US-Wahlsystem gerade aufgrund der
auf Joe Biden, und etwas über 69 Millionen Stim-          Rekordbeteiligung zusätzlich erschüttern.
men auf Donald Trump. Der Abstand beträgt nur
2,7 Prozent. Im Wahlleutegremium kommt Joe Bi-            Für den US-Präsidenten wäre schon ein knapper
den je nachdem, ob man einen Wahlsieg der Demo-           Sieg angesichts der vielen Infektionsfälle und Toten
kraten in Arizona bereits voraussetzt oder nicht,         der Corona-Pandemie, schleppender wirtschaftlicher
entweder auf 264 oder auf 253 Stimmen. Donald             Erholung, hoher Arbeitslosigkeit und anhaltender
Trump hat nach derzeitigem Stand 214 Stimmen im           Proteste gegen Polizeigewalt ein Riesenerfolg. Die
„Electoral College“. Würde Joe Biden die Wahl in          Demokraten hätten bei einem knappen Wahlsieg
Pennsylvania gewinnen, hätte er gewonnen. Würde           von Joe Biden zwar ihr wichtigstes Ziel erreicht und
Trump in Pennsylvania gewinnen, käme es auf ei-           Donald Trump abgelöst; andererseits schwinden
nige andere Swing States an. Voraussichtlich wird         ihre Chancen darauf, die Mehrheit im Senat zu
das Ergebnis für Pennsylvania in der Nacht zum            übernehmen. Dort steht es derzeit 48 zu 48. Für die
Freitag verkündet.                                        Mehrheit in der Kongresskammer sind 51 Sitze er-
                                                          forderlich.
Die gute Nachricht ist, dass sich schon jetzt etwa
143 Millionen Wähler an der Abstimmung beteiligt          Im Repräsentantenhaus müssen die Demokraten
haben. 2016 waren etwas weniger als 130 Millio-           wenigstens auf 218 Sitze kommen, um ihre Führung
nen. Und noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt.         zu verteidigen. Das dürfte ihnen wohl gelingen –
Nach Ausbruch der Corona-Pandemie war im Früh-            nach den derzeit vorliegenden Ergebnissen zählen
jahr befürchtet worden, dass die Wahlbeteiligung in       sie bereits 208 Sitze. Ihre Hoffnungen darauf, den
diesem Jahr sogar einbrechen könnte. Stattdessen          bisherigen Vorsprung mit einer Rekordzahl an Wäh-
wird jetzt eine Rekordbeteiligung erwartet. Aber          lern noch ausbauen zu können, haben sich in ersten
selbst wenn Joe Biden vor diesem Hintergrund ge-          Tagen nach der Abstimmung aber nicht erfüllt.
winnen sollte – als die erhoffte „Blue Wave“, als         Im Ergebnis haben sich die US-Wähler nach den
Erdrutschsieg der Demokraten, wird diese Wahl             derzeit ausgezählten Stimmen also weder beson-
nicht in die Geschichte eingehen. Stattdessen dürfte      ders stark in die eine, noch in die andere Richtung
es wieder einigermaßen knapp werden, und das,             neu orientiert – und das trotz allem, was dieses
obwohl Biden über Monate hinweg in fast allen Um-         Land in den letzten vier Jahren unter Präsident
fragen wenigstens fünf Prozentpunkte vor seinem
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Länderbericht                                                                                    November 2020      2
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Trump, erst recht natürlich in den letzten dramati-       hängt davon ab, wie viele Abgeordnete und Senato-
schen Monaten seit dem Amtsenthebungsverfahren,           ren für den betreffenden Bundesstaat in den beiden
bewegt hat. Hätten sich die politischen Meinungen         Kammern des Kongresses sitzen. Zusätzlich benennt
signifikant geändert, lägen die Ergebnisse trotz des      der District of Columbia, obwohl kein Bundesstaat,
aufwändigen Verfahrens für die Auszählung der             drei Wahlleute.
Briefwahlstimmen wohl längst vor. Unabhängig da-
von, wer am Ende gewinnen wird: nichts unter-             Bei der Wahl am Dienstag wurde für die künftige
streicht die Polarisierung der US-amerikanischen          Präsidentschaft entschieden, welche Partei wie viele
Gesellschaft stärker als diese „Hängepartie“ nach         Wahlleute für das Electoral College stellt. Mit Aus-
dem Wahltag. Die am späten Donnerstagnachmittag           nahme von zwei Bundesstaaten gilt dabei das Prin-
von Trump in seiner ersten Pressekonferenz seit der       zip „the winner takes it all“. Die Partei, die in einem
Abstimmung wiederholte Behauptung, "If you count          Bundesstaat gewonnen hat, darf selbst bei einer
the legal votes, I easily win. If you count the illegal   hauchdünnen Mehrheit mithin alle Wahlleute für
votes, they can try to steal the election from us”,       diesen Staat in das Gremium entsenden. Da Ab-
verheißt in dem Zusammenhang nichts Gutes für             weichler die Ausnahme sind, steht bald nach der all-
eine versöhnliche und reibungslose Anerkennung            gemeinen Wahl und den Ergebnissen in den Bun-
des Wahlergebnisses. Im Zentrum von Washington            desstaaten in der Regel also bereits fest, welcher
D.C. stehen am Abend auffällig viele Polizeiwagen.        Kandidat im Wahlleutegremium die Mehrheit haben
                                                          wird.
Zittern um die „Swing States“
                                                          Das Wahlsystem mit dem Electoral College und dem
Offen ist neben Pennsylvania derzeit noch das Er-         „the winner takes it all“-Prinzip erklärt, warum sich
gebnis in Nevada. Dort liegt Biden aktuell um nur         die Parteien im Wahlkampf vor allem auf die „Swing
0,9 Prozent vorne. Noch 16 Prozent der Stimmen            States“ konzentrieren. Denn anders als im traditio-
müssen ausgezählt werden. In North Carolina führt         nell demokratischen Kalifornien oder im republika-
Trump mit 1,4 Prozent, nachdem dort inzwischen 94         nisch geprägten Wyoming haben in den heiß um-
Prozent aller Stimmen ausgezählt worden sind. In          kämpften Swing States beide Parteien die Chance
Georgia liegen beide Kandidaten mit jeweils 49,4          auf einen Wahlsieg – und regelmäßig trennen den
Prozent nach Auszählung fast aller Stimmen aktuell        Wahlverlierer und den Wahlgewinner dort nur we-
gleichauf. Fox News sieht Biden in Arizona 1,6 Pro-       nige Prozentpunkte.
zent vor Trump und färbt den Bundesstaat bereits
blau ein, obwohl noch 10 Prozent der Stimmen aus-         Zu den klassischen Swing States zählen Florida und
gezählt werden müssen. Für die New York Times ist         Ohio. In Pennsylvania, Michigan und Wisconsin
das Rennen in dem Bundesstaat bis jetzt immer             konnte sich 2016 mit Donald Trump erstmals seit
noch offen. Was Wisconsin und Michigan angeht,            den Achtzigerjahren ein Republikaner durchsetzen,
wird aktuell damit gerechnet, dass sich Biden je-         jeweils aber nur mit einer hauchdünnen Mehrheit.
weils durchsetzen konnte. In Wisconsin beträgt sein       Darüber hinaus haben die Wahlkampfteams beider
Vorsprung aber nur 0,6 bis 0,7 Prozent. Für die           Parteien massiv in Georgia, North Carolina und
Frage, wer Präsident wird, zählt am Ende jeder            Arizona um Stimmen geworben. Traditionell zwar
„Swing State“ selbst mit noch so dünner Mehrheit.         kein Swing State, war für die Demokraten in diesem
Zur Erläuterung:                                          Jahr überdies Texas ein wichtiger „Battleground“.
                                                          Bei den Zwischenwahlen 2018 hatten sie dort zwar
Der Präsident wird in den USA nicht direkt gewählt,       erneut verloren; die Republikaner konnten sich aber
sondern von einem Wahlleutegremium. Dieses                nur mit knappem Vorsprung durchsetzen.
„Electoral College“ hat 538 Mitglieder. Sie stimmen
Mitte Dezember über den Präsidenten ab. Die Wahl          Obwohl Hillary Clinton 2016 bei der allgemeinen
gewinnt, wer mindestens 270 Stimmen erhält.               Wahl rund 2, 8 Millionen Wählerstimmen („popular
                                                          vote“) mehr bekam als Donald Trump, wurde dieser
Die Zahl der Wahlleute, die jeder Bundesstaat in          Präsident, weil die Republikaner alle neun der oben
das Electoral College entsendet, liegt zwischen drei      genannten Swing States für sich entscheiden konn-
zum Beispiel für Alaska und 55 für Kalifornien. Sie       ten. Die überraschende und knappe Niederlage in
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Länderbericht                                                                               November 2020      3
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Pennsylvania, Michigan und Wisconsin war für die       Georgia stellt 16 Wahlleute. In dem Bundesstaat le-
Demokraten damals besonders bitter. Dort fehlten       ben mit gut 10 Millionen Bürgern (2019) 3,2 Prozent
ihnen am Ende nicht mehr als 78.000 Stimmen in         der Gesamtbevölkerung des Landes. Nach Schät-
nur drei Wahlkreisen.                                  zungen aus dem vergangenen Jahr ist die Bevölke-
                                                       rung dort seit 2009 stärker als im Landesdurch-
Insgesamt brachte den Republikanern allein ihr         schnitt um knapp 10 Prozent gewachsen. Der weiße
Wahlsieg in den neun Swing States vor vier Jahren      Bevölkerungsanteil beträgt 52,4 Prozent. Auch beim
171 Wahlleute für das Electoral College ein. Mit den   Anteil der Menschen über 65 Jahre liegt Georgia mit
republikanischen Wahlleuten aus 22 weiteren Bun-       14 Prozent unter dem landesweiten Durchschnitt.
desstaaten kam Donald Trump in dem Gremium so          Die Arbeitslosenquote betrug im Juli während der
auf 304 Stimmen, 34 mehr als für die Wahl zum          Corona-Pandemie „nur“ 7,6 Prozent. Der größte Ar-
Präsidenten erforderlich.                              beitgeber ist mit gut 15 Prozent anteilig „die Regie-
                                                       rung“, darunter staatliche Behörden und die öffentli-
„Blue Wall“ und „Sun Belt“                             che Verwaltung. Der Anteil der stimmberechtigten
                                                       Bürger, die sich als Wähler registriert hatten, sowie
Wenn sich bestätigt, dass Joe Biden in Arizona ge-     die Wahlbeteiligung entsprachen bei der Präsident-
wonnen hat, wäre das für ihn ein echter Erfolg.        schaftswahl 2016 nahezu dem landesweiten Durch-
Denn die meisten Bundesstaaten im südlichen „Sun       schnitt (70,3 % beziehungsweise 61,4 %).
Belt“ der USA sind für die Demokraten traditionell
eine Herausforderung. Das gilt neben Arizona auch      Am Wahltag lag Joe Biden (49 %) in den Umfragen
für die noch offenen Rennen in North Carolina und      für Georgia zwei Prozentpunkte vor Donald Trump.
Georgia.                                               Nachdem aktuell beide Kandidaten gleichauf liegen,
                                                       hat sich auch diese Einschätzung nicht bewahrhei-
Arizona stellt 11 Wahlleute. Der Bundesstaat ist mit   tet.
rund 7,3 Millionen Menschen (2019) vergleichsweise
dünn besiedelt. Nach Schätzungen aus dem vergan-       Bezogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-
genen Jahr ist die Bevölkerung dort seit 2009 aber     dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-
um fast 14 Prozent gewachsen – mehr als doppelt        ten sich in Georgia bis Ende Oktober bereits 93 Pro-
so stark wie im landesweiten Durchschnitt (6,3 %).     zent aller Stimmberechtigten per Briefwahl oder
Arizona ist weniger „weiß“ (54,4 %) als die US-Be-     vorgezogener Wahl („early vote“) beteiligt. Dort
völkerung insgesamt (60,4 %), gleichzeitig aber        entsprach die Wahlbeteiligung also bereits vor dem
noch ein wenig älter (17,6 Prozent über 65 Jahre).     eigentlichen Wahltag am 3. November nahezu der
Die Arbeitslosenquote entsprach im Juli mit 10,6       von vor vier Jahren. Georgia hat bereits am 19. Ok-
Prozent etwa dem landesweiten Durchschnitt. Das        tober damit begonnen, die Briefwahlstimmen zu
Gleiche galt bei der Präsidentschaftswahl 2016 so-     verarbeiten.
wohl für den Anteil der stimmberechtigten Bürger,
die sich als Wähler registriert hatten (71,3 %), als   Die Bevölkerungszahl von North Carolina (2019)
auch für die Wahlbeteiligung (60,4 %).                 deckt sich mit der von Georgia (gut 10 Millionen).
                                                       Nach Schätzungen aus dem vergangenen Jahr ist
Am Wahltag lag Joe Biden (49 %) in den Umfragen        die Bevölkerung dort seit 2009 ebenfalls um circa
für Arizona drei Prozentpunkte vor Donald Trump.       zehn Prozent gewachsen. North Carolina ist etwas
Inzwischen ist sein Vorsprung deutlich knapper. Be-    „weißer“ (62,8 %) und auch etwas älter (16,4 %
zogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-     über 65 Jahre) als der landesweite Durchschnitt.
dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-         Der Anteil der Beschäftigten, die im öffentlichen
ten sich in Arizona bis Ende Oktober bereits 87 Pro-   Dienst, für Behörden und die öffentliche Verwaltung
zent aller Stimmberechtigten per Briefwahl oder        tätig sind, ist mit gut 16 Prozent noch höher als in
vorgezogener Wahl („early vote“) beteiligt. Stim-      Georgia. Dafür liegt der Anteil der Menschen, die im
men, die per Brief oder persönlich bis Ende letzter    Gesundheitsweisen und in der Sozialfürsorge arbei-
Woche abgegeben wurden, durften dort bereits ab        ten, mit 11,6 Prozent ebenso wie in Georgia unter
dem Wochenende ausgezählt werden.                      dem landesweiten Durchschnitt. Das Gleiche gilt mit
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                November 2020      4
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8,5 Prozent im Juli für die Arbeitslosenquote. So-      %) als auch die Wahlbeteiligung (64,3 %) lagen bei
wohl der Anteil der stimmberechtigten Bürger, die       der Präsidentschaftswahl 2016 einigermaßen deut-
sich als Wähler registriert hatten (74,6 %) als auch    lich über dem landesweiten Durchschnitt (70,3 %
die Wahlbeteiligung (67,5 %) lagen bei der Präsi-       beziehungsweise 61,4 %).
dentschaftswahl 2016 deutlich über dem landeswei-
ten Durchschnitt (70,3 % beziehungsweise 61,4 %).       Am Wahltag lag Joe Biden (51 %) in den Umfragen
                                                        für Michigan deutliche acht Prozentpunkte vor Do-
Am Wahltag lag Joe Biden (49 %) in den Umfragen         nald Trump. Dieser Vorsprung ist aktuell auf 2,6
für North Carolina zwei Prozentpunkte vor Donald        Prozent geschrumpft.
Trump. Stattdessen führt der US-Präsident dort in-
zwischen knapp. Der Bundesstaat stellt 15 Wahl-         Bezogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-
leute.                                                  dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-
                                                        ten sich in Michigan bis Ende Oktober immerhin be-
Bezogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-    reits 54 Prozent aller Stimmberechtigten per Brief-
dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-          wahl oder vorgezogener Wahl („early vote“) betei-
ten sich in North Carolina bis Ende Oktober bereits     ligt.
91 Prozent aller Stimmberechtigten per Briefwahl o-
der vorgezogener Wahl („early vote“) beteiligt. Auch    Wisconsin ebenfalls im Norden der USA stellt mit
dort entsprach die Wahlbeteiligung also bereits vor     seinen 5,8 Millionen Einwohnern (2019) nur 1,8 Pro-
dem eigentlichen Wahltag am 3. November nahezu          zent der Gesamtbevölkerung. Der Bundesstaat ent-
der von vor vier Jahren.                                sendet 10 Wahlleute ins Electoral College. Das Be-
                                                        völkerungswachstum wird für die Zeit von 2009 bis
In North Carolina waren die Wahllokale bis 19:30        2019 auf 2,4 Prozent geschätzt. Der Anteil der Wei-
Uhr Ortszeit geöffnet. Die meisten der bis zum          ßen ist mit 81,1 Prozent mehr als 20 Prozent höher
Wahltag abgegebenen Stimmen konnten bereits             als im landesweiten Durchschnitt. Die Bevölkerung
ausgezählt werden. Stimmzettel, die ab jetzt noch       von Wisconsin ist überdies etwas älter als der Rest
per Post eingehen, werden spätestens bis zum 12.        des Landes (17 % über 65 Jahre). Der Bundesstaat
November berücksichtigt.                                ist ebenso wie Texas noch vergleichsweise glimpf-
                                                        lich durch die ersten Monate der Corona-Pandemie
Michigan, Wisconsin und Pennsylvania im Norden          gekommen: Im Juli lag die Arbeitslosenquote mit 7
der USA zählen zu den Bundesstaaten hinter der          Prozent weit unter der etwa von Pennsylvania. An-
„Blue Wall“. Denn diese Staaten lagen traditionell in   teilig sind die meisten Erwerbstätigen (fast 16 %)
der Hand der Demokraten, bevor Donald Trump             im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt; deutlich
dort vor vier Jahren überraschend gewinnen              mehr als im US-Durchschnitt (8,5 %). Sowohl der
konnte. Jetzt zeichnet sich für Joe Biden ein Sieg in   Anteil der stimmberechtigten Bürger, die sich als
Michigan und Wisconsin ab.                              Wähler registriert hatten (76,3 %) als auch die
                                                        Wahlbeteiligung (70,5 %) lagen bei der Präsident-
Michigan mit seinen 16 Wahlleuten zählte 2019           schaftswahl 2016 signifikant über dem landesweiten
knapp 10 Millionen Einwohner. Nach Schätzungen          Durchschnitt (70,3 % beziehungsweise 61,4 %).
aus dem vergangenen Jahr ist die Bevölkerungszahl
seit 2009 nahezu konstant geblieben. Der Bundes-        Am Wahltag lag Joe Biden (52 %) in den Umfragen
staat ist ebenso wie Pennsylvania aber deutlich         für Wisconsin acht Prozentpunkte vor Donald
„weißer“ (74,9 %) als die US-Bevölkerung insge-         Trump. Aktuell sind es nur noch 0,6 bis 0,7 Prozent.
samt. Außerdem liegt der Anteil der Menschen über       Vor allem an Wisconsin wird sich in diesem Jahr er-
65 Jahre mit 17,2 Prozent über dem landesweiten         neut die Kritik an den Umfrageinstituten festma-
Durchschnitt (16,1 %). Die Arbeitslosenquote lag im     chen.
Juli mit 8,7 Prozent deutlich etwa unter der von
Pennsylvania. Der größte Arbeitgeber ist mit 14,2       Bezogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-
Prozent die Industrie und das verarbeitende Ge-         dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-
werbe. Sowohl der Anteil der stimmberechtigten          ten sich in Wisconsin bis Ende Oktober bereits 62
Bürger, die sich als Wähler registriert hatten (74,1
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Prozent aller Stimmberechtigten per Briefwahl oder       hen, ist der 6. November das Fristende. Am 23. No-
vorgezogener Wahl („early vote“) beteiligt.              vember muss die Auszählung in Pennsylvania end-
                                                         gültig abgeschlossen sein.
Pennsylvania stellt 20 Wahlleute. Der Bundesstaat
beheimatet fast 13 Millionen Menschen (2019) be-         Umfragen: wieder häufig daneben
ziehungsweise 3,9 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Nach Schätzungen aus dem vergangenen Jahr hat            Die Beispiele für die derzeit noch offenen Swing
sich die Bevölkerungszahl seit 2009 im Unterschied       States zeigen, dass Zustimmungswerte auch dies-
zur Gesamtbevölkerung der USA (+6,3 %) praktisch         mal kein akkurates Bild abgegeben haben. Donald
nicht verändert. Pennsylvania ist ebenso wie Ohio        Trump lag in den landesweiten Umfragen bereits
deutlich „weißer“ (76,1 %) als der Rest des Landes       seit Wochen wenigstens fünf Prozentpunkte hinter
(60,4 %). Überdies ist die Bevölkerung älter als der     seinem Herausforderer Joe Biden. Viele Meinungs-
Durchschnitt (18,2 % über 65 Jahre). Die Arbeitslo-      forschungsinstitute wurden bereits 2016 heftig da-
senquote lag im Juli während der Corona-Pandemie         für gescholten, dass sie den Wahlsieg von Donald
mit 13,7 Prozent relativ deutlich über dem Ver-          Trump nicht vorhergesagt hatten. Die Kritik war in-
gleichswert für die USA insgesamt. Als Arbeitgeber       sofern berechtigt, als Wähler ohne Hochschulab-
sind die Industrie und das verarbeitende Gewerbe         schluss in den Statistiken tatsächlich zu wenig be-
immer noch vergleichsweise wichtig; 17,5 Prozent         rücksichtigt worden waren. So falsch, wie oft kriti-
aller Erwerbstätigen sind in diesem Bereich beschäf-     siert, lagen die Demoskopen damals aber nicht.
tigt. Sowohl der Anteil der stimmberechtigten Bür-       Denn es traf ja zu, dass die nach Zustimmungswer-
ger, die sich als Wähler registriert hatten (72 %) als   ten bis zuletzt favorisierte Hillary Clinton bei der all-
auch die Wahlbeteiligung (62,6 %) lagen bei der          gemeinen Wahl vor vier Jahren rund 2,8 Millionen
Präsidentschaftswahl 2016 leicht über dem landes-        Stimmen mehr erhielt als Donald Trump. Nur half
weiten Durchschnitt (70,3 % beziehungsweise 61,4         ihr das im US-Wahlsystem eben nicht für die Mehr-
%).                                                      heitsverhältnisse im Electoral College. Dort fehlten
                                                         ihr für eine ausreichende Zahl an demokratischen
Am Wahltag lag Joe Biden (50 %) in den Umfragen          Wahlleuten, wie gesagt, am Ende nur wenige zehn-
für Pennsylvania vier Prozentpunkte vor Donald           tausend Stimmen in nur drei Wahlkreisen.
Trump. Inzwischen sehen jedoch sowohl Fox News
als auch die New York Times den US-Präsidenten           Als Momentaufnahmen machen sich die Zustim-
mit 0,6 bis 0,7 Prozent in Führung.                      mungswerte in den Umfragen während des Wahl-
                                                         kampfs natürlich immer an wichtigen Ereignissen
Bezogen auf die Gesamtzahl aller dort bei der Präsi-     (z.B. Fernsehdebatten) und an Äußerungen über
dentschaftswahl 2016 abgegebenen Stimmen, hat-           beziehungsweise am Umgang mit relevanten
ten sich in Pennsylvania bis Ende Oktober 34 Pro-        Sachthemen fest. Das innenpolitische Spektrum da-
zent aller Stimmberechtigten per Briefwahl oder          für reichte in den USA in diesem Jahr von der
vorgezogener Wahl („early vote“) beteiligt – anteilig    Corona-Pandemie und dem Gesundheitssystem über
vor dem eigentlichen Wahltermin am 3. November           die Wirtschaftskrise, die anhaltenden Proteste ge-
also deutlich weniger als beispielsweise in Texas,       gen die Benachteiligung der Minderheiten, Plünde-
Georgia oder North Carolina.                             rungen und Waffengewalt bis zum Obersten Ge-
                                                         richt, der Briefwahl, Fragen zum Abtreibungsrecht
Anders als beispielsweise in Georgia, durfte mit der     und der illegalen Einwanderung, der Klimapolitik
Verarbeitung der Briefwahlstimmen in Pennsylvania        und darüber hinaus. Oft überschlugen sich die Top-
erst am eigentlichen Wahltag morgens ab sieben           Meldungen und Tweets zu mehreren Themen bin-
Uhr begonnen werden. Einige Wahlkreise hatten an-        nen weniger Tage.
gekündigt, in der Nacht zum Mittwoch zunächst nur
die Stimmen der Wahllokale auszuzählen und sich          In zahlreichen Berichten und Analysen wurde be-
erst danach mit den Briefwahlstimmen zu beschäfti-       reits herausgestellt, dass die Meinungen und Ein-
gen. Für Stimmzettel, die noch mit der Post einge-       stellungen der US-Bürger entlang der parteipoliti-
                                                         schen Trennlinien zutiefst gespalten sind. Der Wahl-
                                                         kampf macht sich diese Polarisierung zunutze: Für
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                 November 2020      6
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jeden US-Bürger sind über das Wählerregister hin-       Exakt ließ sich anscheinend auch nicht vorhersagen,
aus mehrere tausend Hinweise auf Alter, Ge-             wie sich der Generationenwechsel auf die Wahl und
schlecht, Wohnort, Familienstand, Einkommen und         vor allem auf die Wahlbeteiligung auswirken würde.
vieles mehr öffentlich zugänglich – ein Datenschutz     So stellt die nach 1981 geborene Generation der
wie in Deutschland existiert nicht. Aus der Kombina-    Millennials und GenZ in diesem Jahr in den USA
tion dieser Hinweise ermitteln die Parteien mit gro-    erstmals die größte Bevölkerungsgruppe. Unter sei-
ßer Genauigkeit, wer zu ihren Anhängern zählt. Ge-      ner eigenen Generation der zwischen 1946 und
nau diese Gruppe wird dann entweder von den Re-         1964 geborenen Babyboomer hatte Donald Trump
publikanern oder den Demokraten zielgerichtet mit       vor vier Jahren mühelos gewonnen. Nach Umfragen
Werbemails, SMS, Wahlwerbung im Briefkasten, in         aus Oktober lag diesmal Biden aber bei den Men-
den sozialen Medien oder den jeweils favorisierten      schen über 65 Jahre vorne. Erst bei den weit über
Fernsehkanälen überschüttet. Buchstäblich „wahl-        Siebzigjährigen konnte Trump seinen Vorsprung
los“ verbreitete Werbung beider Parteien für alle       halten. Darüber hinaus zeichnete sich nach Umfra-
Stimmberechtigten wird mangels Erfolgsaussichten        gen aus September ab, dass Trump in der mittleren
und aus Kostengründen vermieden.                        Altersgruppe zwischen den jüngsten Babyboomern
                                                        und den ältesten Millennials, also Menschen zwi-
Im Kern ging es aber nicht um Einzelthemen, son-        schen 40 und 55 Jahren (GenX), weiterhin in Füh-
dern bei Joe Biden in allen Facetten um ein Refe-       rung lag. Erst in einigen Wochen wird es wohl aus-
rendum über die amtierende Regierung und einen          sagekräftige Analysen darüber geben, welche Rolle
"Battle For The Soul Of The Nation", während Do-        das Wahlverhalten der Minderheiten und der ver-
nald Trump trotz Corona-Pandemie, Wirtschafts-          schiedenen Altersgruppen tatsächlich für das Ergeb-
krise, hoher Arbeitslosigkeit und Protesten gegen       nis der Abstimmung gespielt hat. Schneller werden
Polizeigewalt „Make America Great Again“ ver-           wir wohl wissen, ob vor allem die Republikaner oder
sprach. Vor allem mit Blick auf die farbigen Bevölke-   die Demokraten von der Briefwahl profitiert haben.
rungsminderheiten war dabei schwer vorhersehbar,
welches der beiden Narrative sich im Wahlkampf er-      Wahlbeteiligung mit „Trump-Faktor“
folgreich verfangen würde. Dazu zählte beispiels-
weise der „gender gap“ unter den Wählern mit la-        Bei der Abstimmung in diesem Jahr hatten bereits
teinamerikanischer Abstammung. Umfragen vom             vor dem eigentlichen Wahltag am Dienstag knapp
Oktober sahen Joe Biden bei den Latino-Frauen 34        100 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger per Brief-
Prozentpunkte vor Donald Trump. Bei den Latino-         wahl oder „early voting“ im Wahllokal abgestimmt.
Männern betrug der Vorsprung für Biden hingegen         Das entsprach etwa 40 Prozent aller Wahlberechtig-
nur acht Prozentpunkte. Der Unterschied in der          ten und gut 70 Prozent der Wahlbeteiligung vor vier
Wählergunst galt für Latinos und Latinas sowohl         Jahren. Schon das war Rekord!
mit, als auch ohne Hochschulabschluss.
                                                        Genaue Angaben zur Wahlbeteiligung sind, vor al-
Vor allem um die hispanische Bevölkerungsminder-        lem so kurz nach der Abstimmung, ebenfalls mit
heit mussten die Demokraten im Wahlkampf auch           Vorsicht zu genießen. Denn in den USA gibt es
deshalb heftig kämpfen, weil die Gruppe für sich ge-    keine Meldepflicht. Die genaue Zahl aller Wahlbe-
nommen sehr divers ist. Knapp über die Hälfte aller     rechtigten muss deshalb geschätzt werden. Eine
Latinos verstehen sich nicht als Farbige, sondern als   Volkszählung findet nur alle zehn Jahre statt; die Er-
Weiße. Viele, vor allem ältere Amerikaner mit latein-   gebnisse der diesjährigen Zählung liegen noch nicht
amerikanischer Abstammung, sind bei Fragen über         vor.
Abtreibung, Steuern und innere Sicherheit überdies
eher konservativ. Mit ihren Forderungen nach            Wer mit abstimmen will, muss sich in seiner Ge-
„Recht und Ordnung“ und gegen illegale Einwande-        meinde als Wähler registrieren lassen. Wer umzieht,
rung hofften die Republikaner in dieser Gruppe auf      muss seine Wählerregistrierung auf den neuen
etwas über 30 Prozent Zustimmung. Der Anteil der        Wohnort anpassen.
schwarzen Trump-Anhänger wurde im Juli auf etwa
zehn Prozent geschätzt.                                 2016 wurde die Zahl der wahlberechtigten US-
                                                        Staatsbürger über 18 Jahre auf rund 225 Millionen
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geschätzt. Davon waren knapp 160 Millionen als         Währenddessen attackierten sich die Präsident-
Wähler registriert. Etwas weniger als 140 Millionen    schaftskandidaten der Demokraten in mehreren
gaben ihre Stimme ab. Demnach lag die Wahlbetei-       Vorwahlen heftig, ließ sich Michael Bloomberg für
ligung bei 61,4 Prozent. Deutlich höher war die        die ersten vier Runden gleich entschuldigen, bla-
Wahlbeteiligung während der letzten vier Jahr-         mierte sich die Partei beim „Caucus“ in Iowa mit ei-
zehnte nur 1992 (67,7 %), etwas niedriger wiede-       ner defekten App bei überaus geringer Wahlbeteili-
rum 1996 (58,4 %) und 2000 (59,5 %).                   gung und sah die Lage für Joe Biden im Wettbe-
                                                       werb mit Pete Buttigieg, Elizabeth Warren und Ber-
Würde man die Zahl aller abgegebenen Stimmen           nie Sanders zunächst alles andere als rosig aus. Erst
mit der erwachsenen Gesamtbevölkerung in den           mit dem „Super Tuesday“ Anfang März und seinem
USA vergleichen, reduzierte sich die Wahlbeteili-      Wahlsieg in South Carolina zeichnete sich für Biden
gung 2016 auf etwa 55 Prozent. Denn neben Aus-         die Wende ab. Gut einen Monat später hatte er sich
ländern sind auch mehrere Millionen verurteilte        endgültig gegen seine Mitbewerber durchgesetzt.
Straftäter nicht wahlberechtigt. Elf Bundesstaaten
verwehren Mehrfachtätern und schwer Vorbestraf-        Für Donald Trump war der 77jährige ehemalige Vi-
ten das Wahlrecht dauerhaft auch nachdem diese         zepräsident und langjährige Senator aus Delaware
ihre Haft und die anschließende Bewährung abge-        alles andere als der Wunschgegner. Sanders oder
schlossen haben.                                       Warren hätten dem US-Präsidenten als Vertreter
                                                       des linken Spektrums der Demokratischen Partei in-
Die Rekordbeteiligung in diesem Jahr war nach den      haltlich eine deutliche größere Angriffsfläche gebo-
einigermaßen stabilen Werten für die letzten Präsi-    ten. Überdies sprach viel dafür, dass die beiden Se-
dentschaftswahlen zwar nicht vorhersehbar – über-      natoren zwar vor allem in jüngeren Bevölkerungs-
dies war ab März zu befürchten, dass die Corona-       gruppen mehr Anhänger finden würden, sie viele
Pandemie viele Menschen von der Stimmabgabe ab-        moderate und unentschlossene Wählerinnen und
halten würde. Andererseits hatte sich 2018 bereits     Wähler aber eher abschrecken könnten. Trumps
bei der Abstimmung zum Kongress gezeigt, dass          Tweets gegen den drohenden „Sozialismus“ unter
der „Trump-Faktor“ die Wählerinnen und Wähler          einer demokratischen Regierung hätten sich – vor
mobilisiert. Vor zwei Jahren hatten sich 113 Millio-   allem, wenn Bernie Sanders gegen ihn angetreten
nen Menschen beteiligt, mehr als jemals zuvor bei      wäre – also eher verfangen. Als Präsidentschafts-
einer „Zwischenwahl“.                                  kandidat stand Joe Biden hingegen deutlich stärker
                                                       für die Mitte des politischen Spektrums.
Trump: Wahlkampf in drei Phasen
                                                       In der zweiten Phase seines Wahlkampfs – inzwi-
Für den US-Präsidenten lässt sich der Wahlkampf        schen steckten die USA vollends in der Corona-
grob in drei Phasen einteilen: Ab Beginn des Jahres    Krise, war die Wirtschaftsleistung abrupt eingebro-
bis zu dem Zeitpunkt, an dem Joe Biden im Frühjahr     chen, kletterte die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhe
nach dem Ausscheiden seines letzten verbliebenen       und zogen die Anhänger von „Black Lives Matter“
Mitbewerbers Bernie Sanders aus den Vorwahlen als      durch die Straßen, um – vielerorts überschattet von
Präsidentschaftskandidat der Demokraten feststand,     Ausschreitungen und Plünderungen – gegen Polizei-
setzte Donald Trump weiterhin voll auf „MAKE AME-      gewalt zu demonstrieren – in dieser Phase also ver-
RICA GREAT AGAIN!“. Noch etwa bis Juni lautete         legte sich der US-Präsident stärker darauf, seinen
der Slogan dann „Keep America Great“.                  demokratischen Gegenkandidaten persönlich zu dis-
                                                       kreditieren und „Sleepy Joe“ als zu alt, als Anhänger
Das Jahr hatte mit soliden Wirtschaftszahlen und       der radikalen Linken und als Gegner von „Recht und
geringer Arbeitslosigkeit begonnen, im Handelsstreit   Ordnung“ abzubilden. Natürlich bekam auch die De-
mit China wurde sozusagen als „Waffenstillstand“       mokratische Partei insgesamt ihr Fett weg; wichti-
eine erste Übereinkunft unterzeichnet, Trump setzte    ger aber war dem Präsidenten zu betonen, dass nur
das neue nordamerikanische Handelsabkommen             er in der Lage sei, die Corona-Krise und ihre Folgen
USMCA in Kraft und überstand das gegen ihn ange-       erfolgreich zu bewältigen, „Chaos und Anarchie“ ab-
strengte Amtsenthebungsverfahren ohne Blessuren.       zuwenden (“No one will be safe in Biden's America”)
                                                       und die USA möglichst bald wieder „great again“ zu
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Länderbericht                                                                                November 2020      8
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machen, während umgekehrt sein politischer Wider-      Stattdessen führte Biden den Wahlkampf von An-
sacher im Falle eines Wahlsiegs genau das Gegen-       fang an als Referendum über die Regierungsjahre
teil bezwecken werde. Vieles erinnerte an „Crooked     von Donald Trump. Nachdem der Demokrat im April
Hillary“ aus dem Wahlkampf vor vier Jahren.            als Präsidentschaftskandidat feststand, wurde ihm
                                                       auch aus den eigenen Reihen vorgeworfen, sich für
In der dritten Phase ging der US-Präsident schließ-    eine offensive Abrechnung praktisch überhaupt
lich dazu über, den Wahlausgang selbst anzuzwei-       nicht aus der Deckung vorzuwagen. Im Vergleich
feln. Widerholt kündigte er Betrug und Manipulatio-    zur Medienpräsenz des US-Präsidenten, der ja
nen durch die gelockerten Regelungen zur Briefwahl     schon mit seinen Corona-Briefings durchgängig im
an. Bereits im September ließ er wissen, das           Rampenlicht stand, war dieser Eindruck nicht ganz
Oberste Gericht müsse über die Legitimität des         falsch – genau das, jede umstrittene, missverständ-
Wahlergebnisses entscheiden – auch das ein Grund       liche und falsche Äußerung und jeder von Donald
dafür, warum Trump und die republikanische Mehr-       Trump nicht getragene Mundschutz, spielten Biden
heit im Senat mit der Berufung von Amy Coney Bar-      aber natürlich in die Hände. Darauf jedenfalls hoffte
rett als Nachfolgerin für die im September verstor-    sein Wahlkampfteam. Darüber hinaus zählte, schon
bene Richterin Ruth Bader Ginsburg nicht bis nach      aufgrund seiner geringeren Medienpräsenz und ei-
der Amtseinführung im Januar warten wollten.           ner – zumindest anfänglich – weniger gefüllten
                                                       Wahlkampfkasse, vor allem das „Timing“, und zwar
Sei es damit, dass er nun bereits den dritten Rich-    in vielerlei Hinsicht:
terposten im Obersten Gericht mit einer eigenen
Kandidatin auf Lebenszeit neu besetzen konnte, o-      Nachdem beispielsweise die Corona-Krise die USA
der damit, dass nur er für Sicherheit und einen neu-   voll getroffen hatte, schlug Biden bereits mit einigen
erlichen Wirtschaftsboom nach der Corona-Pande-        Monaten Vorlauf zunächst eine Verschiebung des
mie sorgen könne – konsequent setzte Donald            Nominierungsparteitags der Demokraten von Juli
Trump im Wahlkampf auf „Zukunftsversprechen“.          auf den August nur wenige Tage vor dem Parteitag
Vor vier Jahren angetreten als politischer Außensei-   der Republikaner vor. Anschließend regte er an, den
ter, war diese Rechnung mit „MAKE AMERICA              Nominierungsparteitag seiner Partei zur Minimie-
GREAT AGAIN!“ und der Ankündigung, den „Sumpf“         rung der Ansteckungsrisiken nicht als Präsenzveran-
des Washingtoner Establishments „trockenzulegen“,      staltung vor mehreren zehntausend Anhängern und
für ihn aufgegangen.                                   Delegierten, sondern „virtuell“ im Internet abzuhal-
                                                       ten. Das war durchaus „hoch gepokert“. Denn zu
Biden: „Versöhnen statt spalten“                       diesem Zeitpunkt konnte niemand mit Sicherheit
                                                       vorhersagen, wie sich die Pandemie bis zum Som-
Auch Joe Biden hat vor allem in den letzten Wochen     mer entwickeln würde. Viele US-Bundesstaaten be-
vor der Wahl zahlreichen Ankündigungen gemacht,        gannen bereits ab Mai wieder mit einer Lockerung
zum Beispiel, dass er als Präsident das Land einen     der Restriktionen für Menschenansammlungen und
und versöhnen wolle, er den Klimawandel eindäm-        das Wirtschaftsleben. Das Risiko bestand darin, mit
men, Arbeitsplätze schaffen und sich für die Minder-   einem virtuellen Parteitag ohne jubelnde Fans,
heiten einsetzen werde. Beizeiten schlug er dabei      große Bühne und Luftballons für die letzten Wochen
Töne an, die auch von Donald Trump hätten stam-        des Wahlkampfs vor allem deshalb deutlich an Mo-
men können („Buy American!“). Insgesamt blieb Bi-      mentum zu verlieren, weil Donald Trump und die
den mit seinen Versprechen aber vorsichtiger; so       Republikaner ihrerseits keinerlei Anstalten machten,
warnte er davor zu hoffen, dass sich die Polarisie-    wegen Corona auf das traditionelle Großspektakel
rung und die tiefen Gräben in der US-amerikani-        mit vollen Besuchertribünen zu verzichten.
schen Gesellschaft kurzfristig überwinden bezie-
hungsweise zuschütten ließen. Statt sich bereits da-   Für die Demokraten hat sich das Wagnis am Ende
rauf festzulegen, ob er als Präsident die Zahl der     gelohnt: Nach hartnäckigen Versuchen, ihren Nomi-
Richter am Obersten Gericht erhöhen wolle, um          nierungsparteitag mit reduzierter Zuschauerzahl,
dort eigene Kandidaten einzusetzen, kündigte er an,    aufgeteilt auf zwei Austragungsorte und unter
die Frage von einer Kommission prüfen zu lassen.       strengen Hygieneauflagen doch noch als Präsenz-
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veranstaltung durchzuführen, mussten die Republi-      möglichst viele Angehörige der farbigen Minderhei-
kaner schließlich ebenfalls zumindest weitgehend       ten sowie jüngere Wähler unter den Millennials und
auf ein virtuelles Format ausweichen. Das wochen-      der GenZ gewinnen – die Generation der nach 1981
lange Hin und Her hatte zur Folge, dass dem Wahl-      Geborenen stellte in diesem Jahr erstmals die
kampfteam von Donald Trump für die erzwungene          größte Altersgruppe. Ein Risiko bestand bei der No-
Alternativlösung wertvolle Vorbereitungszeit fehlte.   minierung vor allem darin, dass die Senatorin aus
                                                       Kalifornien, dort lange auch Generalstaatsanwältin
Passend dazu, dass die Demokraten ihren Wahl-          und zuständig für eine Polizeireform, von Vertretern
kampf als Referendum über den US-Präsidenten           des linken Flügels der Demokratischen Partei hätte
führen wollten, haben sie überdies konsequent da-      abgelehnt werden können.
rauf spekuliert, dass sich viele Wählerinnen und
Wähler bereits lange vor der Abstimmung am             Auch bei dieser in den Medien nahezu durchgängig
Dienstag auf einen der beiden Kandidaten festge-       als historisch bewerteten Personalentscheidung
legt hatten; Donald Trump polarisiert das Wahlvolk     spielte das Timing eine wichtige Rolle: Biden nomi-
ja nicht erst seit diesem Jahr.                        nierte seinen „running mate“ nur wenige Tage vor
                                                       dem Nominierungsparteitag der Demokraten. Über
In der Tat gaben nach Umfragen schon Wochen vor        Wochen hinweg hatten die Medien zuvor darüber
der Wahl 80 bis 90 Prozent der Befragten auch in       spekuliert, welche Kandidatin – dass es eine Frau
den heiß umkämpften Swing States an, sich längst       sein würde, war klar – Biden aufstellen würde. Die
entschieden zu haben. Vor diesem Hintergrund hat       Benennung verzögerte sich dann noch um einige
die Kampagne von Joe Biden unter den eigenen An-       Tage, was die Spannung weiter steigerte und den
hängern massiv dafür geworben, frühzeitig per          Demokraten im Wahlkampf hohe Aufmerksamkeits-
Briefwahl abzustimmen. Diese Wähler hätte Donald       werte bescherte, während sich die Republikaner
Trump auch mit den Fernsehdebatten wohl ohnehin        noch vom Schock über eine nur schwach besuchte
nicht für sich gewinnen können. Viel wichtiger war     Wahlkampfveranstaltung in Oklahoma erholen
stattdessen, mit der Briefwahl eine größtmögliche      mussten, Trump den Chef seines Wahlkampfteams
Wahlbeteiligung der demokratischen Anhänger si-        auswechselte und seine Partei mit Hochdruck daran
cherzustellen. Ohne Briefwahl hätte für Biden das      arbeitete, den Ablauf und das Programm für den
Risiko bestanden, auf den letzten Metern entschei-     nunmehr virtuellen Nominierungsparteitag festzu-
dende Stimmen dadurch zu verlieren, dass er sich       zurren.
bei Live-Auftritten und im Schlagabtausch mit sei-
nem republikanischen Herausforderer verhaspelt,        Die von Joe Biden und seinem Team geschickt ter-
ungeschickt formuliert oder Schwächen zeigt. Für       minierten Äußerungen und Auftritte konnten die gu-
ihn wichtige Wählergruppen wären nach solchen,         ten Zustimmungswerte der Demokraten zwar nicht
für den 77jährigen schon aus dessen Zeit als Vize-     weiter in die Höhe treiben; Trump wiederum konnte
präsident nicht ganz unbekannten Pannen sicherlich     mit seiner von wiederholten „Querschlägen“ geplag-
nicht zu den Republikanern übergelaufen; unter         ten Wahlkampfdramaturgie – darunter zuletzt na-
Umständen hätten sie sich aber dafür entschieden,      türlich seine Ansteckung mit dem Corona-Virus – in
am 3. November überhaupt nicht wählen zu gehen.        den Umfragen aber auch nicht aufholen. In den
Die Briefwahl sorgte stattdessen für eine Rekordbe-    letzten Wochen vor der Wahl ließ sich Biden bei sei-
teiligung.                                             nen Attacken gegen Donald Trump immer häufiger
                                                       von Ex-Präsident Barack Obama flankieren („But
Dass Biden mit Kamala Harris eine Kandidatin für       just like everything else he inherited, he messed it
das Amt der Vizepräsidentin aufgestellt hat, die ge-   up.”)
wissermaßen ein Gegengewicht zu ihm sein sollte –
Frau, jünger, Schwarze – war ein für die meisten       Wie gesagt, vielleicht wissen Sie nach der Veröffent-
Beobachter „logischer“ Schachzug. Denn wie schon       lichung dieses Berichts bereits, ob Joe Biden oder
bei den Zwischenwahlen 2018 mussten die Demo-          Donald Trump den erfolgreicheren Wahlkampf ge-
kraten im Wahlkampf alles unternehmen, um die          führt hat und wer sich für die Mehrheit im Electoral
politisch oft moderateren Wählerinnen vor allem in
den Vororten der städtischen Metropolen, daneben
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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College am Ende in den entscheidenden Swing Sta-
tes durchsetzen konnte. Mit Ablieferung dieses Be-
richts ist das noch offen.

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Paul Linnarz
Leiter Auslandsbüro USA, Washington D.C.
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
www.kas.de

paul.linnarz@kas.de

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