DONALD TRUMP UND DIE LAGE IN AMERIKA - Hanns-Seidel-Stiftung
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/// Der weltgrößte Bürgermeister DONALD TRUMP UND DIE LAGE IN AMERIKA CHRISTIAN FORSTNER /// Donald Trump ist nicht Auslöser der Krise des US- Systems, sondern ein Symptom. Die Lähmung Washingtons wird wohl bis zu den Mid-Term-Elections 2018 anhalten, danach könnten sich neue Mehrheiten herausbilden. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 wird sich zeigen, ob das politische System Auswege aus der Krise produziert. Eine zweite Amtszeit für Donald Trump ist ebenso denkbar wie Präsidenten von außerhalb der Politik, beispielsweise Michael Bloomberg, Oprah Winfrey, George Clooney, Melinda Gates oder Mark Zuckerberg. Der überraschende Wahlerfolg schen Beobachter und Wahlstrategen Der Wahlsieg von Donald Trump kam hatten die Wechselstimmung im Land überraschend, auch für ihn selbst. In unterschätzt, sie hatten aus ihren Büros den Umfragen lag Hillary Clinton kons- in Washington die Dynamik der Wahl- tant vorne. Unter Einkalkulierung der kampagne von Donald Trump verkannt. Fehlermarge konnte das Rennen zwar Die Trump-Wähler haben ihn ernst knapp werden, doch kumuliert schätzte genommen, aber nicht wörtlich! Die man die Quote auf 9 zu 1 für Clinton. Es Nicht-Trump-Wähler haben ihn wört- wird nicht sein, was nicht sein darf, so lich genommen, aber nicht ernst!1 Die- lautete die gängige Einschätzung im ses Wortspiel ist der Schlüssel, um die Herbst 2016. Es kam anders: Die politi- politische Lage im Herbst 2016 zu be- greifen. Die Wechselstimmung speiste sich aus verschiedenen Elementen. In die Sorge vor Überfremdung angesichts der demografischen Veränderungen mit Der Wahlsieg von Donald Trump kam dem Rückgang der weißen Bevölkerung völlig UNERWARTET. mischten sich ökonomische Motive wie die Frustration über seit 15 Jahren stag- nierende Einkommen sowie die Angst vor einem Jobverlust und Statussorgen. 475/2017 // POLITISCHE STUDIEN 31
IM FOKUS Hillary Clinton wurde als Vertreterin ten Amtsverständnis sich eher als größ- der Washingtoner-Elite direkt mit den ten Bürgermeister der Welt sieht. In sei- leeren Versprechen der Vergangenheit in ner Rede zur Begründung des Ausstiegs Verbindung gebracht. Ihr strategischer aus dem Pariser Klimaabkommen fin- Fehler im Wahlkampf bestand darin, det diese nach innen gerichtete Politik auf die persönliche Diskreditierung von legitimation ihren deutlichen Nieder- Donald Trump zu setzen, ohne eigene schlag.3 Themen mit einer empathischen Note Auch das Infragestellen westlicher zu besetzen. Hillary Clinton setzte auf Bündnisstrukturen wie der NATO, die Ratio, während Donald Trump Emotio- Kritik an US-Verbündeten wie Deutsch- nen bediente. land und Australien und das Lob für Trumps Populismus fiel bei seinen autoritäre Staatsführer wie Wladimir Wählern, so heterogen der Trump- Putin nähren die Zweifel an der innen- Wähler auch ist, auf fruchtbaren Boden und außenpolitischen Verlässlichkeit und setzte eine Tradition fort, die auf der USA unter Donald Trump.4 Präsident Andrew Jackson im 19. Jahr- hundert zurückreicht. Aus dieser histo- Polarisierung in Politik und rischen Dimension des US-Populismus Gesellschaft begründet sich die im Unterschied zu Prägendes Merkmal heute ist die zuneh- Europa weitaus positivere Haltung zu mende Polarisierung in Politik und Ge- Populismus in der politischen Kultur sellschaft. Die politische Mitte dünnt Amerikas. Der Höhepunkt der emotio- aus, die Demokraten werden demokra- nalen Wählerbindung ist Donald tischer, die Republikaner republikani- Trumps Wahlkampfrede in Gettysburg scher. Anhand zahlreicher Indikatoren im Oktober 2016, die er mit „Contract ist nachzuweisen, wie die Schnittmenge with the American Voter“ überschreibt.2 zwischen den politischen Lagern kleiner Damit dechiffriert er erstmals seine Slo- wird und das Misstrauen immer weiter gans „Make America Great Again“ und anwächst. Selbst über Fakten kann man „America First“. Auffallend ist die Ab- heute keinen Konsens mehr herstellen, sage an die globale Führungsverant- geschweige denn über politische Lö- wortung der USA, womit Trump nicht sungswege. Demokratische Wähler hal- den westlichen Vorstellungen eines US- ten Migration gut für Amerika, Repu Präsidenten als „Leader of the Free blikaner hingegen lehnen Einwande- World“ entspricht, sondern in seinem rung ab. Trump-Wählern geht die poli- ausschließlich innenpolitisch motivier- tische Korrektheit viel zu weit, sie sind frustriert über die Regierung und kons- tatieren zu 80 %, dass das Leben in den letzten Jahren schlechter wurde. Zwar sehen 60 % der Clinton-Unterstützer Trump hat ein ausschließlich heute bessere Lebenschancen, doch für INNENPOLITISCH motiviertes Amts- vier Fünftel ist das Wirtschaftssystem verständnis. ungerecht. Die ideologische Polarisierung fin- det ihren Niederschlag in der Medien- nutzung. Für zwei Drittel der Amerika- 32 POLITISCHE STUDIEN // 475/2017
Quelle: picture alliance / (c) dpa Das nächste Präsidentenpaar der USA? ner sind soziale Medien inzwischen die im Juni 2017 für einen Kongress-Sitz im wichtigsten Informationsquellen, man Bundesstaat Georgia, hochstilisiert zu hat sich in seinen Informationssilos ein- einem Referendum über den Präsiden- gerichtet. Republikaner schauen Fox ten, brach mit über 50 Millionen US- News, Demokraten MSNBC, bei Katas- Dollar alle Rekorde an Wahlkampfkos- trophen alle CNN. Die politische Identi- ten. Beide Faktoren, Kabelfernsehen tät wird gestärkt durch die Ablehnung und der Einfluss von Geld in der Politik, des politischen Gegners. Das Ansehen bedingen sich und verstärken die öffent- der politischen Elite und der politischen liche Wahrnehmung von Politik in Wa- Institutionen sinkt, den Volksvertretern shington als dreckigen Kampf um unterstellt man Eigeninteresse und man Macht und Einfluss. hält den Durchschnittsamerikaner für Der unerwartete Wahlsieg brachte einen besseren Krisenmanager als den Donald Trump an die Spitze der Repu Politikexperten.5 blikanischen Partei, die auch die Mehr- Die über die Medien transportierte heit im Senat und Repräsentantenhaus Stimmung eines permanenten Wahl- hat. Doch die Umsetzung der legislati- kampfes mit der eingeforderten Positio- ven Prioritäten der Trump-Administra- nierung für oder gegen Trump überhöht tion bleibt Stückwerk. Zu deutlich tre- Regionalwahlen in ihrer medialen und ten die internen Differenzen unter den landesweiten Bedeutung. Die Nachwahl Republikanern zu Tage, die keine Stra- 475/2017 // POLITISCHE STUDIEN 33
IM FOKUS tegie, keinen Plan und kein Programm als Regierungspartei haben. Die Wider- stände gegen die Gesundheitsreform, Politik und Gesellschaft POLARISIEREN deren Abwicklung man sieben Jahre sich zunehmend. als Mantra vor sich hertrug, offenbarten die heterogenen Lager innerhalb der Re- publikaner. Faktisch sind die Republi- kaner in sich eine Koalition aus dem konservativ-liberalen Lager um den Par- lamentspräsidenten Paul Ryan, der die Gesellschaftliche Veränderungen Steuerreform pusht, aus einer sozial- und Wahltrends und wirtschaftsliberalen Gruppe (soge- Das Bemerkenswerte der Wahlen 2016 nannte Dienstags-Gruppe) und aus den lag nicht darin, dass sie bekannte Trends erzkonservativ-populistischen Abgeord- bekräftigten. Der gesellschaftliche und neten der Freiheits-Fraktion (Freedom demografische Wandel Amerikas er- Caucus, Nachfolgebewegung der Tea fasst die Demokratische Partei in weit Party), die für ein starkes US-Militär, schnellerem Tempo als die Republikani- weniger Staat und konsequente Haus- sche Partei. Eingeschriebene Wähler der haltssanierung eintreten. Demokraten sind ethnisch diverser, we- Die Demokraten überwinden all- niger religiös, besser gebildet und altern mählich ihre politische Depression, in weniger schnell als der Landesdurch- die sie nach ihrer Niederlage gegen den schnitt. Bei den Republikanern ist es unpopulären Donald Trump gestürzt umgekehrt. Ihr Wandel ist verzögert, waren. Hatte zuvor die einhellige Ableh- d. h. der republikanische Wähler ist nung der Trump-Administration die weißer, religiöser, ungebildeter und früheren Flügelkämpfe zwischen dem wird immer älter.7 linken, protektionistischen und natio- Der politische Sprengsatz der Wahlen nalpopulistischen Flügel um Bernie San- 2016 liegt darin, dass sich unter Donald ders und dem internationalistischen Trump das parteipolitische Koordinaten- wirtschaftsnahen Teil um Hillary Clin- system verschoben hat. Donald Trump ton abgeschwächt, so übernimmt die kaperte die Grand Old Party, wie sich die demokratische Parteiführung jetzt den Republikaner nennen, und machte sie zu Versuch, strikte Oppositionspolitik mit einer Protestpartei des Angry White inhaltlichem Aufbruch zu verbinden. Man. Eine Hochburg der Trump-Wähler Chuck Schumer, demokratischer Oppo- fand sich in der weißen Arbeiterklasse sitionsführer im Senat, fasste Ende Juli des Mittleren Westen, wo Trumps Forde- die neue Wirtschaftspolitik der Demo- rungen nach Arbeitsplätzen, Investitio- kraten unter der Überschrift „Ein besse- nen, ausgeglichenen Handelsbilanzen rer Deal für Amerikas Arbeiter“ zusam- und Protektionismus am meisten unter- men.6 Weitere inhaltliche Initiativen zu stützt wurden. Die Wahlbeteiligung von den Themenkomplexen technologische Weißen ohne College-Abschluss stieg, Revolution, Klimawandel, Prävention in während die afro-amerikanische Minder- der inneren Sicherheit, Gesundheitsre- heit stärker zu Hause blieb. Hillary Clin- form sowie in der Frauen- und Familien- ton konnte also die sogenannte Obama- politik stehen an. Koalition nicht mobilisieren. 34 POLITISCHE STUDIEN // 475/2017
Die Nachhaltigkeit der Wählerver- waren. Langfristig wird der politische schiebung unter Donald Trump ist Trend zu den Demokraten gehen, kurz- schwer einzuschätzen. Viele Thesen des fristig kann es durchaus wie 2016 wahl- Wahlkampfes 2016 widersprechen den strategische Besonderheiten geben.8 traditionellen politischen Positionierun- Der Wahlsieg Donald Trumps offen- gen. „America First“ ist eine politische barte die politische Zerrissenheit des Losung, die in den 1930er-Jahren von Landes. Das Land steht vor großen Pro- außenpolitischen Randgruppen mit teil- blemen: Der Drogenmissbrauch und die weise antisemitischer Nähe vertreten Zahl der Drogentoten nehmen zu, die wurde, um die USA aus dem Zweiten privaten und öffentlichen Gesundheits- Weltkrieg herauszuhalten. Isolationisti- ausgaben steigen weiter, die Bildungs- sche Thesen widersprechen dem republi- kosten sind hoch, die Einkommensver- kanischen Main-Stream-Denken, das teilung ist ungleich, die Infrastruktur den USA eine globale Verantwortung veraltet, die Wirtschaft überreguliert. und eine internationale Führungsrolle Globalisierung und Digitalisierung ver- zumisst. Die Räson einer Werte und Inte- unsichern, der demografische Wandel ressen in Einklang bringenden US-Au- verändert Amerika. ßenpolitik liegt in der Einbindung von Die Wahl 2016 war eine Protestwahl, Partnern und Freunden über kluge Bünd- ein Aufschrei der weißen, unteren Mit- nisstrukturen, so dass die Strahlkraft ei- telklasse gegen eine Politik des „Weiter ner Pax Americana zur Geltung gebracht So“. Donald Trump bündelte diesen in- und strategische Rivalen in Schach gehal- nenpolitischen Handlungsbedarf in dem ten werden. Handelspolitisch galt dies griffigen Slogan „Make America Great für das transpazifische Handelsabkom- Again!“ Der Reformbedarf wog schwe- men TPP, dessen strategische Zielset- rer als die politische Unerfahrenheit des zung darin bestand, den US-Einfluss in Kandidaten und schwerer als dessen Asien zu stärken und damit der chinesi- charakterliche Schwächen und fehlende schen Machtpolitik etwas entgegenzu- moralische Autorität. Die Hoffnung, setzen. Doch zu den ersten Aktionen Do- dass das Maß an politischer Bildung der nald Trumps gehörte die Aufkündigung Wähler in Amerika ausreicht, um einen von TPP. In der Sozialpolitik vertritt Do- populistischen Machtwechsel im Wei- nald Trump sozialkonservative Positio- ßen Haus zu verhindern, war trügerisch. nen, doch der republikanischen Über- Zwar zeigen die ersten Monate der zeugung entsprach es eher, den Sozial- Trump-Administration, dass die politi- staat klein zu halten und die Tradition schen Turbulenzen meist nur die politi- des Individualismus zu pflegen. sche Oberfläche erfassen. Im administ- Das demokratische Lager hingegen ist heute geprägt von der liberalen Elite der West- und Ostküste und der urba- nen Mittelschicht in den Städten. Rück- grat der Demokraten sind ein internatio- Die USA sind derzeit politisch nal denkendes, Globalisierung bejahen- ZERISSEN. des und freihändlerisch eingestelltes Bürgertum sowie die ethnischen Min- derheiten, die Teil der Obama-Koalition 475/2017 // POLITISCHE STUDIEN 35
IM FOKUS rativen Mittelbau herrscht weitgehend relle Fragen bleiben ungelöst. Die politi- Kontinuität und Stabilität, auch und ge- schen Entscheidungsträger in Washing- rade in der Außen- und Sicherheitspoli- ton hangeln sich von Krise zu Krise, der tik.9 Das System der Checks and Balan- politische und finanzielle Staatsbankrott ces mag der Macht des Präsidenten wird immer wieder verhindert, die zuläs- wirksame Grenzen setzen. Das politi- sige Staatsverschuldung kontinuierlich sche System hat bislang aber noch nicht nach oben angehoben. Für tiefgreifende gezeigt, dass es einen nachhaltigen Aus- Reformen fehlen Mehrheiten und Kraft. weg aus der Krise produziert. Die gegen- Die Kohleindustrie wird keine Renais- wärtige Lähmung Washingtons wird bis sance erleben, protektionistische Ansätze zu den Mid-Term-Elections im Novem- bringen die USA an den Rand von Han- ber 2018 anhalten. Dann können sich delskriegen. Das Denken in Leistungsbi- durch die vermutlichen Mandatsgewin- lanzen als Gewinner- und Verliererrech- ne der Demokraten in Senat und Abge- nungen bleibt vorherrschend. ordnetenhaus neue Mehrheiten über Die personelle Fluktuation im Wei- parteipolitische und institutionelle ßen Haus ist beachtlich. Stärkster Macht- Grenzen hinweg herausbilden. zirkel um den Präsidenten ist die Familie mit Tochter Ivanka und Schwiegersohn Vier mögliche Entwicklungen Jared Kushner. Die täglichen Tweets ei- Eine Garantie, dass Amerika wie 1973 nes unberechenbaren und egomanischen nach Watergate gestärkt aus der Krise Präsidenten stehen einer politischen kommt, gibt es nicht. Die Wegscheide Konsolidierung Amerikas entgegen, Do- ist die Zeitspanne zwischen Mid-Term- nald Trump macht Politik für seine Basis, Elections 2018 und Präsidentschafts- nicht für ganz Amerika. Die konfrontati- wahl 2020, wenn der politische Druck ve Lage in Amerika hält an, die Untersu- immer größer werden wird. Die Szenari- chungen und Anhörungen zu einem en der weiteren Entwicklung reichen möglichen aktiven Zusammenspiel zwi- von anhaltender Lähmung und Re- schen dem Trump-Lager und Geheim- formstau über Konsolidierung und dienst- bzw. Regierungskreisen in Mos- Selbsterneuerung bis hin zu sich ver- kau gehen weiter, bringen aber in der schärfender Disruption und einer zwei- Substanz wenig Neues. Die Demokraten ten Amtszeit Donald Trumps, der 2020 sehen sich auf der Gewinnerstraße, nach- eine optimistische Aufbruchsstimmung dem sie bei den Mid-Term-Elections erzeugt wie Ronald Reagan 1984. Nicht 2018 das Repräsentantenhaus, jedoch berücksichtigt, da mehr Spekulation als nicht den Senat zurückerobert haben. Analyse, ist die Variante eines Rück- Viele republikanische Senatoren mussten tritts des Präsidenten. um ihre Wiederwahl bangen. Die neue Stärke im Kongress lässt die Demokraten Szenario 1: Lähmung und immer häufiger von Impeachment spre- Selbstbeschäftigung chen. Amerika bleibt mit sich selbst be- Der ambivalente Regierungsstil zwischen schäftigt und schwankt zwischen Läh- Polarisierung und Stabilisierung setzt sich mung und Selbst-Implosion, für eine fort. Mal setzen sich die populistischen globale Führungsrolle fehlen Kraft und Einflüsterer durch, mal die Kräfte des po- Wille, innenpolitische Reformen bleiben litischen Establishments. Doch struktu- Bruchstücke. 36 POLITISCHE STUDIEN // 475/2017
linda Gates. Republikaner und Demo- kraten stimmen überein, dass nur ein Amerika VERHARRT auf sich selbst überparteilicher und allseits respektier- bezogen. ter Kandidat den Weg aus der Krise ge- hen kann. Donald Trump hat den Re- formbedarf deutlich gemacht, für die Umsetzung braucht es jetzt einen Präsi- denten, der nicht spaltet, sondern prag- matische Mehrheiten organisieren kann Szenario 2: Reformdruck und und gesellschaftlichen Rückhalt hat. Im Konsolidierung November 2020 wird George Clooney Die Wahl im November 2016 hat ge- zum 46. Präsidenten der USA gewählt. zeigt, dass es kein „Weiter So“ in der US- Die Konsolidierung Amerikas nimmt Politik gibt. Die Republikaner sind allei- konkrete Formen. Das politische System ne nicht regierungsfähig, sie gehen in die der USA hat die Perspektive zu kon Wahl 2018 mit einer Mischung aus Dis- struktiven Reformen eröffnet. tanz zu Präsident Trump und vorsichti- ger Unterstützung einiger seiner Wahl- Szenario 3: Disruption und versprechen. Die Demokraten profitie- Destruktion ren von der politischen Stimmung gegen Denkbar ist auch, dass Donald Trump die Republikaner und gegen den Präsi- seinen populistischen Regierungsstil ver- denten. Ihre neue Mehrheit im Reprä- stärkt und die Schuld für ausbleibende sentantenhaus nutzen sie, um wichtige Regierungserfolge mit voller Wucht an Reformprojekte bei der Investitionsför- den verhassten Institutionen des Wa- derung, bei der Infrastrukturerneue- shingtoner Politikbetriebs ablädt. Die po- rung, beim Bürokratieabbau und in der pulistische destruktivistische Agenda der Handelspolitik überparteilich zu verab- späten Wahlkampfphase 2016 würde schieden. Die Führung im Kongress und sich wieder Bahn brechen. Donald Trump Präsident Trump sind bereit, mit wech- erneuert seinen Vertrag mit dem ameri- selnden Mehrheiten zu regieren. Kon- kanischen Wähler, nur um zahlreiche ra- gress und Regierung erzeugen ein befrie- dikale Komponenten reicher. In seiner digendes Maß an Output-Legitimation. Regierung verzichtet er auf den Rat erfah- Die politischen Führungen in beiden rener politischer Köpfe, vielmehr sam- Parteien sind intensiv damit beschäftigt, melt er loyale Macher aus der Wirtschaft überzeugende Kandidaten für die Präsi- um sich und macht Politik ohne und ge- dentschaftswahl 2020 zu nominieren. gen Washington. Die US-Politik steuert Die Suche schließt explizit Persönlich- auf die Selbst-Implosion zu. keiten von außerhalb der Politik ein. Ge- Die Bundesstaaten verfolgen ihre ei- handelt werden Namen wie der Medien- gene Agenda und emanzipieren sich zu- unternehmer Michael Bloomberg, der sehends von der Hauptstadt. Das Anse- Schauspieler George Clooney, die Enter- hen der politischen Institutionen und tainerin und Geschäftsfrau Oprah Win- der politischen Klasse sinkt. Mittelfristig frey, der milliardenschwere Facebook- eröffnet sich dadurch der Raum für eine Gründer Mark Zuckerberg oder die phi- Erneuerung der politischen Elite und für lantropische Stiftungsvorsitzende Me- eine Verringerung ihrer Abhängigkeit 475/2017 // POLITISCHE STUDIEN 37
IM FOKUS ne von Donald Trump werden könnte. Gelang 2016 Donald Trump der Einzug Die USA könnten mit Trumps ins Weiße Haus mit einer Rhethorik des destruktivem Populismus auf die Niedergangs Amerikas, den nur er auf- SELBSTZERSTÖRUNG zusteuern. halten kann, wird sich Donald Trump 2020 als treusorgender oberster Interes- sensvertreter Amerikas inszenieren, der das Ruder herumriss und ein sinkendes Schiff wieder seetauglich machte. Der große Wahlkämpfer Donald Trump von einflussreichen Geldgebern aus der wird 2020 durch die Battle Ground Privatwirtschaft. Kurzfristig brechen States ziehen und sich alle positiven aber Jahre großer Instabilität und allge- Entwicklungen an das eigene Revers genwärtiger Verunsicherung an. Die heften: Die Arbeitslosigkeit sinkt, die westliche Welt ist fassungslos und kons- Wirtschaft wächst, die Kaufkraft wird terniert, Amerika verabschiedet sich aus stärker, die Aktienkurse steigen, das dem Kreis multilateraler Politikgestal- Handelsbilanzdefizit geht zurück, die tung und tritt nur noch dort in Erschei- Zahl der Abschiebungen illegaler Ein- nung, wo unmittelbar amerikanische wanderer nimmt zu, illegale Migration Interessen berührt sind. Situative Deals geht zurück, der Drogenkonsum ist ein- treten an die Stelle gemeinsamer Werte. gedämmt. „America First“ zahlt sich aus, das stolze Land findet zu alter Stär- Szenario 4: Trumpismus und ke zurück, Trumpismus ist ein Segen für Aufbruchsstimmung Amerika – mit dieser Botschaft wird Die Einschätzung, dass die Wahl Do- Donald Trump wiedergewählt. nald Trumps 2016 ein Unfall der Ge- Den verschiedenen Szenarien ist ge- schichte war, der 2020 korrigiert wird, mein, dass die Aussichten für Kandida- klingt mit Blick auf die niedrigen Popu- ten aus dem republikanischen Estab- laritätswerte des amtierenden Präsiden- lishment gering sind. Zu den größten ten überzeugend. Doch mit Prognosen politischen Verlierern seit dem Wahlsieg lag man schon 2016 falsch. Und den von Donald Trump gehört neben Hilla- Fehler, Donald Trump, seine Mobilisie- ry Clinton, mit der auch das Clinton- rungskraft, Politentertainmentqualitä- Imperium von der politischen Bildfläche ten und sein Wählerappeal zu unter- verschwindet, Parlamentspräsident Paul schätzen, sollte man nicht noch einmal Ryan. Mit seinen moderaten politischen machen. So sind eine erneute Kandida- Ansätzen hat Paul Ryan im polarisierten tur und eine zweite Amtszeit Donald Washington zurzeit keine Aussicht auf Trumps durchaus eine mögliche Per Erfolg. Sein sinkender Stern kann aber spektive. Ronald Reagan hat es 1984 wieder aufgehen, wenn sich der Kurs vorgemacht. Seine Kampagne unter der politischen Stabilisierung festigt dem Titel „Morning America“ hat Maß- und sich wieder demokratische und re- stäbe für erfolgreiche Präsidentschafts- publikanische Bewerber gegenüberste- wahlkämpfe gesetzt. Ronald Reagan er- hen, die den politischen Gegner mit Re- zeugte eine Aufbruchsstimmung, die spekt behandeln und die zu politischen auch der Kern der Wiederwahlkampag- Kompromissen bereit sind. Auch Barack 38 POLITISCHE STUDIEN // 475/2017
Obama fing als unbekannter Senator Anmerkungen 1 So lautete die Überschrift des Artikels von Salena an. Chris Murphy und Cory Booker Zito: Taking Trump Seriously, Not Literally. in: könnten es ihm bei den Demokraten The Atlantic’s, 23.9.2016, https://www.theatlan- nachtun, Paul Ryan, Marco Rubio und tic.com/politics/archive/2016/09/trump-makes- his-case-in-pittsburgh/501335/ Tom Cotton könnten die politische Lü- 2 h ttps://assets.donaldjtrump.com/_landings/ cke bei den Republikanern schließen. contract/O-TRU-102316-Contractv02.pdf 3 In seiner Rede am 1.6.2017 im Rosengarten des Welche Szenarien auch immer ein- Weißen Hauses zum Ausstieg der USA aus dem treten werden: Amerikas Blick wird in Pariser Klimaabkommen sagte Donald Trump: „I was elected to represent the citizens of Pittsburg, den nächsten Jahren nach innen gerich- not Paris“, https://www.whitehouse.gov/the- tet sein. Wenn dem so ist, liegen die press-office/2017/06/01/statement-president- trump-paris-climate-accord Konsequenzen auf der Hand: Europa 4 Susan Glasser, Politico-Journalistin, berichtete muss die eigene Handlungsfähigkeit über die interne Kontroverse, die zum Streichen des Artikel-5 Bekenntnisses bei Trumps NATO- Rede im Mai 2017 in Brüssel führte, http://www. politico.com/magazine/story/2017/06/05/trump- nato-speech-national-security-team-215227; Pe- ter Rudolf, SWP-Senior Fellow der Forschungs- gruppe Amerika, verwies im August 2016 auf ei- nen möglichen Bruch mit der Rolle der USA als Ein schwächeres Amerika kann eine globale Werte- und Ordnungsmacht, den Ivo STÄRKUNG Europas bewirken. Daalder, US-Botschafter bei der NATO 2009- 2013 und heutiger Präsident des Chicago Council on Global Affairs, dann nach Trumps erster Aus- landsreise vollzogen sah, Rudolf, Peter: Liberale Hegemonie und Außenpolitik unter Barack Oba- ma, in: SWP-Aktuell 56, August 2016; Daalder, Ivo, https://www.thechicagocouncil.org/blog/ global-insight/ivo-daalder-dont-ignore-values- american-foreign-policy 5 Eine Präsentation umfangreicher Daten hielt Alec stärken und Deutschland muss zu mehr Tyson, Senior Researcher beim Pew Research Cen- internationaler Verantwortung bereit ter in Washington, D. C. am 18.7.2017 vor einer sein. Wenn ein schwächeres Amerika Gruppe junger bayerischer Multiplikatoren, die von der Hanns-Seidel-Stiftung nach Washington ein stärkeres Europa bedeutet, kann die eingeladen wurden, Tyson, Alec: Public Opinion derzeitige Krise auch eine Chance be- Dynamics Behind the 2016 Election, Washington, D. C., 18.7.2017, S. 37. deuten. /// 6 S chumer, Chuck: A Better Deal for American Wor- kers, in: The New York Times, 24.7.2017. 7 Für eine ausführliche Studie zu den Wahltrends Pew Research Center: The Parties on the Eve of the 2016 Elections: Two Coalitions, Moving Further Apart, September 2016, S. 32. 8 Die wahlentscheidende Rolle weißer Wähler ist die Kernthese der Wahlanalyse 2012 von Trende, Sean: The Case of the Missing White Voters, Revi- sited, Real Clear Politics, 21.6.2013. 9 Zur Kontinuität der US-Außenpolitik unter Do- nald Trump Abrams, Elliott: Trump the Traditio- nalist: A Surprisingly Standard Foreign Policy, in: Foreign Affairs 4/2017, July/August 2017, S. 10-16. /// C HRISTIAN FORSTNER ist Leiter der Verbindungsstelle der Hanns-Seidel-Stiftung in Washington. 475/2017 // POLITISCHE STUDIEN 39
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