Was kommt nach den fluorierten Wachsen? - Auf der Suche nach umweltverträglichen Skiwachsen - Sport Portal
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Umweltverträgliche Skiwachse Was kommt nach den fluorierten Wachsen? Auf der Suche nach umweltverträglichen Skiwachsen Peter Bützer 1. Etwas Geschichte Worum geht es? Es geht um das Gleiten auf Schnee. Diese hat man bei den alten Holzski noch kaum berücksichtigt. Die früheste literarische Erwäh- nung der Skipräparation, die der norwegische Histori- ker Jakob Vaage (1905-1994) fand, war eine Geschichte Lapplands (Abbildung 1), die der deutsch- schwedischer Humanist und Gelehrte Johannes Scheffer (1621-1679) in lateinischer Sprache schrieb und 1674 in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde. Scheffer berichtete, dass die Lappländer Ski- fahrer Kiefernharz verwendeten [1]. Das hatte bei den Holzskiern vor allem den Zweck, die Oberfläche glatter, sowie wasserabstoßend, hydrophob, zu ma- chen. Die Oberfläche wird dabei so glatt, dass ein gu- tes Gleiten in der Ebene möglich ist, sie ist aber doch so rau, dass es möglich war, beim Abstoßen nicht rückwärts zu rutschen. Abbildung 1: Lappländer, Sámi ein indigenes Volk, beim Jagen auf Skiern (aus dem Buch von Johannes Scheffer 1674). Es gibt nicht den Schnee, im Gegenteil, man kennt viele unterschiedliche Schneearten (Abbildung 2). Diesen großen Unterschieden gerecht zu werden ist nicht einfach, denn gleiten auf einem feuchten Seit Jahrhunderten hat man die Skioberflächen mit oder nassen Schnee ist ein Gleiten auf einem dünnen Fetten, Wachsen und Teer beschichtet, damit sie auf dem Wasserfilm. Bei sehr kaltem und trockenem Schnee Schnee besser gleiten. Über die Paraffine lief die ist es ein Gleiten mit Trockenreibung. Im ersteren Entwicklung weiter zu den heute besten, den fluorierten Fall sollte die Gleitfläche wasserabstoßend, hydro- Wachsen. Diese sind kaum abbaubar und daher phob, sein, im zweiten Fall hart und glatt. In den ökologisch problematisch. Sie sind aber auch für 1850er Jahren wurde Dope verwendet, der bestand Lebewesen schädlich. Die International Ski Federation aus Inhaltsstoffen wie wachsartiger Schleim von Wa- (FIS) und die International Biathlon Union (IBU) verbieten len, Harzen und Ölen, Kolophonium und später auch die Verwendung von fluorierten Verbindungen bei Teer. In den 1890iger Jahren wurde erstmals Paraffin Wettkämpfen ab der Saison 21/22, weshalb Alternativen als Gleitmittel auf den Belag aufgetragen. Am 20. De- gesucht werden. zember 1913 patentierte der Norweger Peter Schou Østbye (1887-1979) den „Østbyes klister“ auf der Ba- sis von Pflanzenharzen und Teer. 1922 produzierte die neue „Vereinigte Wachswarenfabriken AG Hor- nung und Dr. Fischer (VEWA)“ von Ditzingen (Baden- Württemberg) eine Ski-Beschichtung mit Paraffin mit Der Autor: dem Namen „Holmenkol-Mix“. Ab 1940 wurde ein Dr. dipl. sc. nat. Peter Bützer ist Chemiker und Molekularbiologe, Alpinwachs für drei Schneearten zum Auftragen na- em. Professor der Pädagogischen Hochschule St.Gallen/Schweiz; mens 1-3-5 unter der Marke TOKO verkauft. Diese Dozent für Risikomanagement und Sicherheitsökonomik der Technologie wurde nach 1943 mit den synthetischen Universität St.Gallen und für Nachdiplomstudien an der ETHZ: und mikrokristallinen Wachsen [2, 3] (Fischer- heute tätig als Consultant tätig für Gefahrstoff- und Tropsch-Wachs) einen wesentlichen Schritt weiterge- Risikomanagement für Schulen, Behörden, Armee und Industrie. bracht. 64 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Umweltverträgliche Skiwachse Abbildung 2: Wilson A. Bentley (1865-1931; "The Snowflake Man") fotografierte 1885 als erster Mensch einen einzelnen Schneekristall. Für ein gu- tes Gleiten auf Schnee müssen Schneekörnung, Schneehärte, Schneedichte, Schneefeuchte und Schneetemperatur berücksichtigt werden. Heute werden Ski-Wachse bei Langlauf-Ski, Alpin- verändert die physikalischen, chemischen, toxikologi- Ski, Touren-Ski, Snowboards und Schlitten verwen- schen und ökologischen Eigenschaften bei kurz- und det. langkettigen Verbindungen ganz entscheidend. Je mehr Wasserstoffatome ersetzt sind, desto stärker 2. Fluorierte Wachse sind die Veränderungen. Als Beispiel sei Oktansäure (Caprylsäure) mit Perfluoroctansäure (Perfluoroocta- Nach 1986 entdeckte Terry J. Hertel (geb. 1944) in noic acid, PFOA) verglichen (Abbildung 1, Abbildung Kalifornien die Zugabe von Perfluorpolyether-diol 3 und Tabelle 1). zum Wachs. Er schreibt im Patent [4]: "This greatly Perfluorierte Kohlenwasserstoffe besitzen durch reduces the force required to move the ski over the den symmetrischen Molekülaufbau als Ganzes kein surface of the snow. " So führte er 1986 mit Racing elektrisches Dipolmoment. Die intermolekularen 739 das erste Wachs mit perfluorierten Substanzen Wechselwirkungen sind bei diesen Verbindungen so ein. In den 1990er Jahren fand der Swix-Chefchemi- schwach, dass sie als hochwertige Gleit- und Antihaft- ker Leif Torgersen (1944-2012) einen Gleitwachszu- beschichtungen eingesetzt werden. satz, der Pollen und andere Schneeverunreinigungen PFAS, auch PFOA, weisen eine hohe thermische abweisen sollte – bisher ein Problem mit weichen und chemische Stabilität auf. Die Besonderheit von Wachsen – in Form eines Fluorkohlenstoffs, der in perfluorierten Verbindungen ist ihre Oberfläche, die den Ski-Belag eingebügelt werden konnte – Cera F sich durch negative Dipole auszeichnet. Da "normale" (cera ist Wachs auf Italienisch). Der Preis von SWIX Verbindungen mit C-H-Bindungen an der Oberfläche war 100 Dollar für 30 Gramm. Die Lösung basierte positive Dipole haben, binden sie sich über diese an auf der Arbeit vom Italiener Enrico Traverso bei Eni- die negativen Dipole der perfluorierten Verbindun- chem SpA in Trissino (Provinz Vicenza in Venetien), gen. Das ist für Gleitmittel für Ski ein Vorteil, denn der ein Fluorkohlenstoffpulver patentiert hatte [5]. der Belag besteht meist aus ultrahochmolekularem Es folgten Fluorcarbon-Pulver – mit den entsprechen- Polyethylen (UHMWPE) und die Paraffin-Wachse sind den Patenten [6]. Man geht davon aus, dass die fluo- ebenfalls reine C-H-Verbindungen. rierten Wachse bei entsprechenden Schneebe- Die Kohlenstoffkette beider Verbindungen ist hy- Abbildung 3: Ver- dingungen im Vergleich zu Paraffinen einen ca. 2 % drophob, während die vorhandene Kopfgruppe (Carb- gleich der mole- geringeren Gleitwiderstand aufweisen. onsäure) hydrophile Eigenschaften aufweist kularen Eigenschaften von (Abbildung 3). Mit diesem hydrophoben und hydro- Octansäure und 3. Besonderheit von poly- und philen Charakter ist die Verwendung als Tensid mög- Perfluoroctansäu- re. perfluorierten Substanzen (PFAS) Per- und Polyfluoralkylsubstan- zen (PFAS): Bei polyfluorierten Substanzen sind viele Wasserstoff- atome der C-H-Bindungen durch Fluoratome ersetzt, bei perfluo- rierten Substanzen sind alle Was- serstoffatome der C-H-Bindungen durch Fluoratome ersetzt. Da Flu- or das elektronegativste aller Ele- mente ist, haben die perfluorierten Verbindungen ganz besondere, mit anderen Verbin- dungen kaum vergleichbare als Gleitmittel hervorragende Eigen- schaften. Der Ersatz von Wasserstoff durch Fluor bei C-H-Bindungen CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 65
Umweltverträgliche Skiwachse Tabelle 1: Ver- [7] [8] gleich einiger Ei- genschaften von Octansäure mit Perfluoroctansäu- re. lich. Auf einer Oberfläche zeigt PFOA extrem wasser- die chemischen (blau) Eigenschaften so unterschied- , schmutz- und fettabweisende Eigenschaften – ideal lich, wie man sie von den Unterschieden der Molmas- für ein Gleitmittel auch auf schmutzigem Schnee. se erwarten würde – nur die große Wasserlöslichkeit ist überraschend. Folgerungen: Bei Wechselwirkungen mit der Umgebung (grün) PFOA hat als Gleitmittel auf Schnee hervorra- fallen die langen Zeiten auf, welche die Perfluoroct- gende Eigenschaften. Sie bindet sich stark auf ansäure benötigt um abgebaut oder ausgeschieden zu dem Ski-Belag, wird mit den üblichen Paraffin- werden – man bezeichnet daher PFAS auch als „ewi- Wachsen gut verbunden und ist wasser-, fett- ge Chemikalien“. und schmutzabweisend. Rein funktional sind die perfluorierten Sub- 4. Die Folgen von fluoriertem Ski-Wachs stanzen wohl die beste Stoffklasse für Gleitmit- tel auf feuchtem Schnee. Wenn fluorierte Wachse auf Ski aufgetragen wer- den, gelangen die PFAS über die Luft auch in den Kör- So ist es nicht verwunderlich, dass sich PFOA-halti- per. Ihre Konzentration ist bei Personen in ge Ski-Wachse zuerst im Hochleistungsbereich und professionellen Wachsteams bis 45-mal höher, als bei dann auch in der breiteren Masse der Skifahrer, trotz der allgemeinen Bevölkerung [9]. PFAS sind giftig der sehr hohen Preise, durchgesetzt hat. Speziell bei und daher arbeitshygienisch nicht unbedenklich [10]. feuchtem Schnee ist der Reibungskoeffizient von Bei Personen, die mit PFC-Wachs bei der Ski-Präparie- fluorhaltigen Wachsen tiefer als der von Paraffinen. rung gearbeitet haben, hat man Blut-Werte von
Umweltverträgliche Skiwachse Abbildung 4: Ski- schlagen, die Grenzwerte in Höhe von 2 ng PFOA/ml Wachs hinterlässt Blutplasma und 5 ng Perfluoroctansulfonsäure PFOS Abrieb in der Um- pro ml Blutplasma festzulegen. [12] gebung (Foto: Den Abrieb von fluoriertem Skiwachs auf dem Edith Brunner). Schnee (Abbildung 4) hat Merle Plassmann hat in ih- rer Dissertation 2011 nachgewiesen [13]: "Sum SFA (semifluorinated n-alkanes) concentrations in snow samples from the Vasaloppet were in the range of 4.5 to 200 µg/m2, except for one sample taken from the start field, which showed a sum concentration of 3240 µg/m2. The sum SFA concentrations decreased significantly from the start to the finish of the compe- tition." Diese Messungen von PFAS als Abrieb von Ski- Wachs konnten bestätigt werden [14, 15]. In der öko- logisch sensiblen Alpenregion der Engadiner Seen (Kanton Graubünden, Schweiz) wurden in den Fi- schen Äschen und Seesaiblingen hohe Konzentratio- nen bis zu 2,68 mg/kg an PFOA nachgewiesen, als Folge der stark frequentierten Langlaufloipen über diese Seen [16, 17]. Die von der European Food Safe- ty Authority (EFSA) zulässige wöchentliche Aufnah- memenge (TWI) beträgt jedoch nur 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche [18]. Und die Gefährdung? Die ECHA [19] hat festge- stellt, dass Serum-PFOA positiv mit einem diagnosti- zierten hohen Cholesterinspiegel (Hypercholesterin- ämie), mit entzündlichen Darmerkrankungen (Kombination von Morbus Ulcerosa und Morbus Crohn), einem verringerten Geburtsgewicht, wahr- scheinlich mit verschiedenen Krebsarten wie Nieren- und Hodenkrebs assoziiert ist. fe, die unter dem Patronat der FIS/IBU stehen. Diese fluorierten Substanzen für Gleitmittel zeich- Folgerung: nen sich durch folgende Kriterien aus: Die fluorhaltigen Wachse werden schon beim 1. sind hydrophob und Auftragen auf den Ski eingeatmet und in den 2. bilden eine abriebfeste Schicht, Körper aufgenommen. Sie reiben sich beim Glei- 3. nehmen kaum Schmutz auf. ten ab und sind als Rückstände auf dem Schnee, im Wasser und schließlich auch bei den Fischen Es ist absehbar, dass alle geeigneten poly- und in bedenklichen Mengen nachweisbar. perfluorierten Substanzen für Ski-Wachse verboten Schäden von PFAS sind beim Menschen und in werden. Daher werden Ersatzstoffen mit ähnlichen der Umwelt nachweisbar. oder sogar besseren Eigenschaften intensiv gesucht. Einen Nachteil haben fluorierte Wachse. Diese können nicht für Tourenski (Abbildung 4) verwendet 5. Konsequenzen und Alternativen werden, weil die Klebefelle darauf nicht haften. Bei Ersatzsubstanzen für fluorierte Wachse müssen Ab 4. Juli 2020 verbot die EU die Herstellung und die beiden Kriterien, abriebfest und wenig Schmutz- das Inverkehrbringen der Perfluoroctansäure (PFOA), aufnahme, besser berücksichtigt werden als dies bei ihrer Salze und PFOA-Vorläuferverbindungen (fluo- den meisten „weichen“ Wachsen bisher der Fall ist. rierte C8-Verbindungen). Die Zunahme der Gleitreibung durch Abrieb um Ab 3. Dezember 2020 gilt das Verbot für PFOA, de- 30 % (Abbildung 5) ist beim Gleiten sofort spürbar. ren Salze und Vorläuferverbindungen auch in den üb- Dass der Abrieb der Wachsschicht die Gleitreibung rigen 152 Vertragsstaaten der Stockholmer erhöht und damit auch den notwendigen Kraftauf- Konvention. wand, um die Geschwindigkeit halten zu können, ist Die International Ski Federation (FIS) und die In- für nassen und trockenen Schnee bekannt [22, 23]. ternational Biathlon Union (IBU) beschloss ab der Noch weniger als der Abrieb wird normalerweise die Wintersaison 2021/22 ein Verbot von per- und poly- Schmutzaufnahme berücksichtigt. Der ist auf Neu- fluorierten Alkylverbindungen (PFAS) in Wachsen in schnee kaum spürbar, wohl aber auf Altschnee mit allen Skidisziplinen [20]. Das gilt nur für Wettkämp- Feinstaub und Pollen. CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 67
Umweltverträgliche AufsatzthemaKurz Skiwachse Alternativen zu den fluorierten, den heute besten Wachsen sind aktuell die Folgenden: 1. Ersatz der verbotenen perfluorierten Substanzen mit 8 C-Atomen, solche mit 6, 10 oder mehr C-Atomen (aktuell z.B. bei Butta, Dominator, Gallium, Hol- menkol, HWK, Kandahar, Maplus, nordicx, Rex, Rode, START, SWIX, TOKO, Vauhti, Zipp, Zümwax). Diese fluorierten Alternativen sind ethisch nicht vertretbar, weil z. B. C6- und/oder C10-PFAS auf der Kandidatenliste der Substances of Very High Concern (SVHC) stehen [25]. Falls fluorierte Alternativen gefunden werden, sind alle PFAS Abbildung 5: Gleitzeiten mit Langlaufski, frisch gewachst und nach 10 Kilometern zeigen die Folgen des aufgrund der inhärent kritischen Abriebs [21]. Eigenschaften und der schwachen Datenlage langfristig nicht nachhaltig [26, 27, 28, 29, Die Zunahme der Gleitreibung um ca. 20 % durch 30, 31] und das mit entsprechenden ökologischen eine verschmutzte Oberfläche (Abbildung 6) ist für Konsequenzen [32] als schwer abbaubare, persisten- jeden Läufer spürbar. Das dabei verwendete Wachs te Substanzen [33]. ist ein relativ weiches Paraffin. Fluor-Zusatze machen 2. Siloxane sind im Vordergrund, weil sie verfüg- die Wachse härter und die Verschmutzung geringer. bar sind, gute hydrophobe Eigenschaften zeigen und Weil Gleitmittel für Ski, „Ski-Wachse“, zwangsläu- praktische Erfahrungen vorliegen. Leider sind wichti- fig in der Umwelt freigesetzt werden, sollten nur um- ge Siloxane schon auf der Kandidatenlist der SVHC. weltverträgliche Substanzen verwendet werden. Somit ist ihre Verwendung ethisch nicht vertretbar. Praktisch alle Ski-Wachs-Produzenten bieten daher 3. Halogenierte Paraffine denkbar, weil sie hy- PFOS/PFOA- oder PFC-freie Produkte an. Aber für die drophober sind als die nichthalogenierten. Aber bei- Aussagen, dass keine giftigen Stoffe verwendet wer- spielsweise die halogenierten Paraffine sind in der den oder dass die Wachse umweltfreundlich sind, Stockholm Konvention im Annex A als Persistent Or- fehlen die Spezifikationen. Die Suche konzentriert ganic Polutant (POP) aufgeführt und daher für eine sich darum heute auf Schmier- und Gleitmittel, die in Anwendung verboten [34]. PFC-frei lässt Chlor- und der Tribologie bekannt sind. Brom-Alternativen zu. 4. Polyhalogenierte Derivate Abbildung 6: Veränderung der Gleitreibung von Skating-Ski über 49 Kilometer durch Verschmutzung bei von bekannten Wachsen oder Fet- unterschiedlichen Geschwindigkeiten [24] (Wachs: CH6, Temperatur: -5,7 °C). ten denkbar. Halogenkohlenwas- serstoffe sind lipophile (fettlösliche) Substanzen. Aber solche poly- oder perhalogenierte Substanzen sind kritisch, weil ihr sehr viele umweltschädliche Sub- stanzen angehören (z. B. FCKW, Halone, HBCDD, PBB, PBDE, PCB, PCDD/PCDF). 5. Altbekannte Gleitmittel an, wie z. B. Paraffine (mikrokris- talline Paraffine), Wachse (z. B. Caranubawachs) oder Fette an, auch Metallsalze der Fettsäuren z. B. Zinkstearat [35] (aktuell bei Hertel, Holmenkol, NZero, Uncle Stankys, Vauhti). Fast alle unter 1, aufgeführten Firmen führen eine fluorfrei-Linie, die sich im Wesentlichen auf Paraffine ab- stützt. 68 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Umweltverträgliche Die Evolution des Skiwachse Gehirns 6. Zusätze zu den Paraffinen, wie z. B. Graphit/ Graphen/Nanotubes, Molybdändisulfid (MoS2), Bor, das hochpolymere hexagonale Bornitrid (BN, White Graphite), Gallium, Gallium-Indium-Legierungen, Wolframdisulfid (WS2), Wolframdiselenid (WSe2), si- lanisierte Partikel [36], Polymere, Teflon. Die Zugabe von Partikeln wird oft als Nanotechnologie umschrie- ben (Glide Nano, nanox, SkiGo). Die Gefährdung durch Gallium oder Übergangsmetalle und Nanopar- tikel kann noch nicht abgeschätzt werden. 7. Eine polymere Beschichtung des Ski-Belags (z. B. Juice Infinty, Phantom). Die heutigen Ski-Beläge aus ultrahochmolekularem Polyethylen sind jedoch Abbildung 7: Wassertropfen auf der auf Muschelblume, Pistia schon so gut, hydrophob und hart, dass nur sehr inno- stratiotes (Lotus-Effekt, Superhydrophobizität; Foto: Moritz vative Ersatzstoffe besser sein können. Bei Polymeren Holzinger). ist ökologisch zudem der Abrieb als Mikroplastik zu beachten. 8. Selbstorganisierende Schichten, beispielswei- se MoS2, WS2, WSe2, BN. In Ski-Wachs sind diese an- organischen Verbindungen meist in Paraffin Literatur / Quellen eingebettet, weshalb sie keine größeren Strukturen ausbilden können. Falls die Gleitschicht aus bioab- baubaren Molekülen aufgebaut ist, verursacht sie [1] Scheffler J., The History of Lapland Wherein Are Shewed the ökologisch keine Probleme. Solche Gleitmittel, wie Original, Manners, Habits, Marriages, Conjurations, & C. of z. B. hochreiner Indigo, sind dann sogar besser ab- That People, CHAP. XX, Of the Laplanders Weapons, and baubar als Paraffine (z. B. Isantin). other instruments of Hunting, http://www.gutenberg.org/ 9. Neue Oberflächenstrukturen, die sich an die ebooks/59695 Bionik Fisch- oder Schlangenschuppen der Superhy- [2] TOXNET, ChemIDplus, Wax, microcrystalline [NF], https:// drophobizität anlehnen. Diese Oberflächen müssen chem.nlm.nih.gov/chemidplus/rn/63231-60-7 geeignete Kombinationen von Makro- und Mikro- [3] Patent: US3785841, Jan. 15, 1974 strukturen aufweisen. Solche Schichten sind hart, an- [4] Patent Number: 5,114,482, Date of Patent: May 19, 1992: ders als bei der Belastung durch Wassertropfen auf Ski Wax for Use with Sintered Base Snow Skis einem Blatt (Abbildung 7), denn sie müssen die Rei- [5] Enrico Traverso, Antonio Rinaldi, Ski lubricant comprising a bung auf hartem Schnee aushalten (z. B. Isantin). hydrocarbon compound containing a perfluoro segment, Patent number: 5423994, Filed: March 26, 1993, Date of Folgerung: Patent: June 13, 1995, Assignee: Enichem Synthesis S.p.A. Gleitschichten mit Fetten, Harzen Teeren sind [6] Patents: US2122278A, 1934-07-28, US3515582A, 1965-06- seit Jahrhunderten bekannt, Paraffine seit 100 15; Patent: EP 0 421 303, 1991-07-31; US5914298A, Jahren, fluorierte Wachse seit etwa 50 Jahren. 1996- 08-13 Die heute besten, die fluorierten Wachse für [7] PubChem, Octanoic acid, https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/ feuchten Schnee, werden verboten, weil sie gif- compound/Octanoic-acid, 2021-01-27 tig und umweltschädlich sind. Alternativen sind [8] ECHA, Pentadecafluorooctanoic Acid (PFOA) as a Substance of bisher übliche Schmiermittel und Zusätze zu Very High Concern because of its CMR and PBT Properties, Paraffinen. Neu sind selbstorganisierende, Adopted on 14 June 2013 (SVHC SUPPORT DOCUMENT – schichtbildende Substanzen und weitere Innova- PFOA) tionen werden sicher folgen. [9] Katz Ch., Ski Wax Chemicals Can Build Up in Blood, Scientific Ziel der Wachsentwicklung muss heute sein, American, Environmental Health News on March 15, 2011 kompetitiv Sport betreiben zu können, bei der [10] Nilsson H.; Kärrman A.; Westberg H.; Rotander A.; van Bavel Anwendung keine gesundheitlichen Gefahren zu B.; Lindström G., A time trend study of significantly schaffen und beim Einsatz keine ökologischen elevated perfluorocarboxylate levels in humans after using Schäden zu hinterlassen. � fluorinated ski wax, Environ Sci Technol, 44, 2010, 2150– 2155 [11] Nilsson H., Occupational exposure to fluorinated wax, Örebro University, Örebro Studies in Chemistry 11, Repro 09/2012 [12] Stellungnahme der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes, HBM-I-Werte für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in Blutplasma, Bundesgesundheitsbl., 59, 2016, 1362–1363 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 69
Neue Produkte Umweltverträgliche Skiwachse [13] Plassmann M.M., Environmental occurrence and fate of [26] Staude C., Vierke L., Perfluorierte Carbonsäuren – nicht nur semifluorinated n-alkanes and perfluorinated alkyl acids Perfluoroctansäure (PFOA) ist besorgniserregend, Mitt present in ski waxes, Stockholm University, Doctoral Thesis Umweltchem Ökotox, 13(2), 2013, 30-33 in Applied Environmental Science, 2011, 24 [27] Posner S., Roos S., Brunn P., Pia Ólína Jörundsdottir H., [14] Kwok K.Y., Yamazaki E., Yamashita N., Taniyasu S., Murphy Gunnlaugsdóttir H., Xenia Trier D., Astrup Jensen A., M.B., Horii Y., Petrick G., Kallerborn R., Kannan K., Katsogiannis A., Herzke D., Cecilie Bonefeld-Jörgensen E., Murano K., Lam P.K., Transport of perfluoroalkyl Jönsson Ch., Alsing Pedersen G., Ghisari M., Jensen S., Per substances (PFAS) from an arctic glacier to downstream and polyfluorinated substances in the Nordic Countries: locations: implications for sources, Sci Total Environ, 2013, Use, occurence and toxicology, Nordic Council of 46-55. doi: 10.1016/j.scitotenv.2012.10.091. Ministers. TeamNord; No. 542, Vol. 2013. DOI: 10.6027/ [15] Carlson G.L., Tupper S., Ski wax use contributes to TN2013-542, 41 environmental contamination by per- andpolyfluoroalkyl [28] Swedish Chemicals Agency (KEMI), Occurrence and use of substances, Chemosphere, 261, 2020, 128078 highly fluorinated substances and alternatives, Swedish [16] Rindlisbacher S., Skiwachs ist Gift für die Fische, Ktipp, 1, Chemicals Agency, Print: Arkitektkopia, Stockholm 2015 2021, 4-5 [29] Schmidt Ch., Vorsicht, Trinkwasser! Spektrum der [17] Achermann B., Giftige Spuren im Schnee, ZEIT Schweiz Wissenschaft, 20.07.2017 Nr.4, 2021, 21 Januar [30] Umweltbundesamt, Per- und Polyfluorierte Chemikalien, [18] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Neue Einträge vermeiden – Umwelt schützen, Juli 2009 gesundheitsbezogene Richtwerte für die [31] Buck R.C., Franklin J., Berger U., Conder J.M., Cousins I.T., Industriechemikalien PFOS und PFOA, Stellungnahme Nr. de Voogt P., Jensen A.A., Kannan K., Mabury S.A., van 032/2019 des BfR vom 21. August 2019, DOI Leeuwen S.PJ., Perfluoroalkyl and Polyfluoroalkyl 10.17590/20190821 -105231 Substances in the Environment: Terminology, [19] ECHA, Background document to the Opinion on the Annex Classification, and Origins, Integrated Environmental XV dossier proposing restrictions on Perfluorooctanoic acid Assessment and Management, 7(4), 2011, 513–541 (PFOA), PFOA salts and PFOA-related substances, 26 June [32] Land M., de Wit C.A., Cousins I.T., Herzke D., Johansson J., 2018, 86, 183 Martin J.W., What is the effect of phasing out long-chain [20] International Ski Federation (FIS), Decisions of the FIS per- and polyfl uoroalkyl substances on the concentrations Council Meeting in Constance (GER) - Autumn 2019, of perfl uoroalkyl acids and their precursors in the Newsflash 23 Nov 2019, https://www.fis-ski.com/en/ environment? EviEM Protocol, SR5, 2015 international-ski-federation/news-multimedia/news/ [33] Wirth O., Reihlen A., Bunke D., Jepsen D., REACH in der decisions- of-the-fis-council-meeting-in-constance-ger- Praxis IV- Zukunft der Per- und polyfluorierten Chemikalien autumn-2019, 2020-10-12 (PFC), UFOPLAN FKZ [3714 67 416 1], November 2015 [21] Haaland N.H., Nano ski wax, effects and benefits, Master [34] Stockholm Konvention, All POPs listed in the Stockholm Thesis, NTNU, Trondheim, 2013, 64 Convention, Short-chained chlorinated paraffins, http:// [22] Kuzmin L., Interfacial Kinetic Ski Friction, Thesis, Mid www.pops.int/TheConvention/ThePOPs/AllPOPs/tabid/ Sweden University, Östersund, 2010, 290-291 2509/Default.aspx, 2021-01-29 [23] Breitschädel F., Haalandb N., Espallargas N., A tribological [35] Patent, DE102010001861A1, Powdered lubricant for sports study of UHMWPE ski base treated with nano ski wax and equipment, 2010-02-11, Application filed by HOLMENKOL its effects and benefits on performance, Procedia AG 71254, Holmenkol AG Engineering, 72, 2014, 271 [36] Patente: EP2527014B1 13.09.2011; EP2527014A1 [24] Skitestguys, Effect of Dirt, http://www.skitestguys.com/ 13.09.2011 effect-of-dirt.html, 2021-01-29 [25] ECHA, Liste der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe, https:// echa.europa.eu/de/candidate-list-table, 2021-01-29 Die Vorstellung neuer Produkte unterliegt einem Druckkostenbeitrag. Näheres über service@clb.de 70 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
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