Waschbär (Procyon lotor) - Bayerischer Jagdverband eV
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Waschbär (Procyon lotor) Pionier der Verstädterung D er Waschbär ist ein Vertreter der Kleinbären und stammt aus Nordamerika. FOTO: WILHELM GAILBERGER / PICLEASE Im Jahre 1934 wurden einige Exemplare in Nordhessen am Edersee ausge- setzt, was zum Aufbau einer Kernpopulation in Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem südlichen Niedersachsen führte. Ein weiteres Ausbreitungszentrum bildete sich in Brandenburg östlich von Berlin (Strausberg), wo während und als Folge des II. Weltkrieges Tiere aus Pelztierfarmen entkamen. Auch am Harzrand hat der Wasch- bär bereits früh hohe Dichten erreicht. Da junge Waschbären auch zu einem beliebten „Haustier“ wurden, kamen weitere Aussetzungen in der Folgezeit hinzu. Auf einen Blick Zwischenzeitlich ist der Waschbär zum festen Bestandteil der deutschen Fauna geworden. Naturgemäß hat er auch Einfluss auf die regionaltypischen, einheimischen 40 bis 95 cm (ohne Rute) Biozönosen und damit auch auf das Niederwild. Seit den frühen 2000er Jahren ist ein auffälliger Anstieg von einer Jahresstrecke knapp unter 10000 Individuen im Jagdjahr 2000/2001 auf zuletzt über 160.000 Individuen (Jagdjahr 2018/2019) zu verzeichnen Sechs bis acht kg (Anonymus 2020). Ranz: Februar/März Durch ihn wurden neue Krankheiten und Parasiten eingeschleppt (u. a. Waschbär- spulwurm, Baylisascaris procyonis). Rund 70 % der hessischen Waschbären tragen Ein bis acht, meist drei Welpen, den Waschbärspulwurm (Gey 1998) und fast 40 % der Waschbären in Sachsen-Anhalt April/Mai (Winter et al. 2005). Da die Tiere den urbanen Bereich keineswegs meiden, sondern zwischenzeitlich in vielen deutschen Städten zu einem „kleinen Problembären“ gewor- umfragebasiertes Monitoring den sind, sind vor allem Kinder, die auf Spielplätzen möglicherweise direkt mit Wasch- (1/2018-7/2019) bärkot in Berührung kommen, gefährdet. Unterliegt dem Jagdrecht, Jagdzeit in Bayern ganzjährig In den meisten Bundesländern, so auch in Bayern, unterliegt der Waschbär dem (Ausnahme: zur Aufzucht der Jagdrecht und darf ganzjährig (mit Ausnahme der zur Aufzucht erforderlichen Eltern- Jungen erforderliche Elterntiere); tiere!) erlegt werden. Allerdings erschwert die nächtliche Lebensweise der Waschbären aufgeführt als invasive, gebiets- eine geregelte Bejagung. Daher werden die meisten Waschbären im Rahmen der Fang- fremde Art in EU Verordnung jagd erbeutet. Hier ist darauf zu achten, dass die Fangjagd auf Waschbären nicht mit Nr. 1143/2014 Abzugseisen ausgeübt werden darf, da die Tiere den Köder typischerweise nicht mit dem Fang, sondern mit den Pfoten prüfen. Somit sind Kasten- oder Drahtkastenfallen RL ♦︎; nb (2017) das Mittel der Wahl. Gelegentlich sind Waschbären, ähnlich wie Marderhunde auch Zufallsbeute, z. B. auf Drückjagden oder beim Sauenansitz. Wildtiermonitoring 2021 Seite 373
Waschbär Waschbären sind nahrungsökologisch typische Allesfresser, mit deutlicher Vorliebe für Insekten, Mäuse, Früchte und Vogeleier. Nicht selten kommt es zu Schäden in Obst- kulturen. Den Tag verschlafen Waschbären, in der Nacht begeben sie sich nicht selten auf gemeinschaftliche Nahrungssuche. Sie bevorzugen Lebensräume mit oder in der Umgebung von Gewässern. BJV-Waschbärmonitoring Derzeit entwickeln Naturschutzbehörden für verschiedene Neozoenarten so genann- te Managementkonzepte. So wird aktuellauf Bundesebene die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 in deutsches Recht umgesetzt. Die Union schreibt darin den Mitglieds- staaten vor, wie sie mit invasiven Arten wie dem Waschbär umgehen müssen Die Verordnung hat in Deutschland Eingang ins Naturschutz- und ins Bundesjagdge- setz gefunden, dessen neuer § 28a am 15. März 2018 in Kraft getreten ist. Um den Naturschutzbehörden eine fundierte und realistische Entscheidungsbasis für die Entwicklung eines Managementkonzeptes in Bezug auf den Waschbären unter Partizipation der Jäger zu bieten, hat der BJV vom Frühjahr 2018 bis Sommer 2019 ein umfragebasiertes Monitoring zum Waschbär und dessen Bejagung durchgeführt. Ergebnis: 45 % aller 392 Teilnehmer geben an, Waschbären in Ihrem Revier zu haben, 55 % aller Teilnehmer hingegen nicht. In Unterfranken wurden verstärkt Waschbärvorkommen im Revier gemeldet. Dieser Trend nimmt nach Südosten hin ab. Ein Abgleich mit den Streckendaten deutet darauf hin, dass der Waschbär in Unterfranken auch die höchste Dichte aufweist und sich von dort nicht nur räumlich ausbreitet, sondern über die Zeit auch exponentiell vermehrt. Explizit dort, wo eine hohe Waschbärendichte zu verzeich- nen ist, häufen sich auch die gemeldeten Schäden. Dort, wo der Waschbär verstärkt vorkommt, wird er auch verstärkt erlegt. In den meisten Revieren waren dies im Schnitt 1-5 Waschbären. 86 % aller erlegten Wasch- bären wurden zuvor in einer Falle gefangen. Mit 53 % betreibt mehr als die Hälfte aller Teilnehmer bayernweit die Fallenjagd, wobei die Fallenjagd nicht vorrangig betrieben wird, um Waschbären zu fangen. Seite 374 Landesjagdverband Bayern
Waschbär Unabhängig vom Waschbärvorkommen ist die bayerische Jägerschaft für den Waschbären als invasives Neozoon sensibilisiert: • Die prinzipielle Bereitschaft den Waschbären als gebietsfremde Art im Rahmen der EU-Verordnung Nr. 1143/2014 (noch intensiver) zu bejagen, ist in der befragten Jä- gerschaft zu 94 % gegeben. • Ebenfalls besteht mit 75 % der Beteiligten eine hohe Bereitschaft, Waschbären auch in befriedeten Gebieten zu entnehmen, sofern eine behördliche Genehmigung vor- liegt. • Aus den Antworten derer, die eine intensivere Bejagung auf Veranlassung des Ge- setzgebers für nicht notwendig erachten geht hervor, dass sie sich der Problematik um den Waschbären sehr wohl bewusst sind, aber eine Einmischung durch den Gesetzgeber in ihren Kompetenzbereich eher kritisch gegenüberstehen. • 74 % der Befragten schätzt die Gefahr für die heimische Tierwelt, die vom Wasch- bären ausgeht als eher hoch ein. • 83 % der Jäger stufen den Waschbären als „Problembär“ ein oder belegen ihn eher negativ (4 %). Daraus leiten sich die folgenden Handlungsempfehlungen ab: Für den Jäger 1. Grundsätzliche Bejagung von Waschbären im urbanen Bereich 2. Verstärkte Ausübung der Fangjagd auch im Außenbereich von Städten 3. Ausschließliche Anwendung von Lebendfangsystemen 4. Erhöhte Aufmerksamkeit, auf Trittsiegel achten 5. Weiterbildung zur Fallenjagd Für den BJV 1. Während der Jägerausbildung verstärkt auf die Wichtigkeit der Teilnahme an einem anschließenden Fallenlehrgang eingehen 2. Bei starker Nachfrage an den Fallenlehrgängen weitere Termine anbieten 3. Fortlaufende Aufklärung der Mitglieder über die Thematik (Vorträge, Veröffentli- chungen) Für Naturschutzbehörden 1. Finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung von Fallensystemen und ggf. Fallen- meldern 2. Verstärkte Aufklärung der Gesellschaft zum Thema Artenschutz und Jagd (Akzep- tanz schaffen!) Wildtiermonitoring 2021 Seite 375
QUELLE: BAYSTMELF; GRAFIK: TAUSENDBLAUWERK 0 /202 2019 9 /201 2018 8 /201 2017 7 /201 2016 6 /201 2015 5 /201 2014 4 /201 2013 3 /201 2012 2 /201 2011 1 /201 2010 0 /201 2009 9 /200 2008 8 /200 2007 7 /200 2006 6 /200 2005 5 /200 Waschbärstrecken in Bayern 2004 4 /200 2003 Landesjagdverband Bayern 3 /200 2002 2 /200 2001 1 /200 2000 0 /200 1999 9 /199 1998 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 INDIVIDUEN Waschbär Waschbärstrecken in Bayern 1998 – 2020 Seite 376
Waschbär DATENQUELLE: DJV Entwicklung der Waschbärstrecke in Deutschland Entwicklung der Waschbärstrecke in Deutschland: Jahresmittelwerte 2004/05 bis 2007/08 und 2014/15 bis 2017/18 im Vergleich (Individuen pro 100 ha bejagbare Fläche des Landkreises) Wildtiermonitoring 2021 Seite 377
Bearbeitung: Regina Gerecht, Bayerischer Jagdverba Erfurt Waschbär Würzburg DATENQUELLE: BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN; KARTENGRUNDLAGEN: ESRI; BEARBEITUNG: REGINA GERECHT (BJV) Waschbärstrecken auf Landkreisebene im Jagdjahr 2019/2020 Prag Bayreuth Stuttgart Würzburg Pilsen Ansbach Kartengrundlagen: Esri Regensburg Stuttgart Landshut Augsburg und Forsten Vaduz München aatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft Waschbärstrecken JJ 2019/20 Salzburg 1-5 6 -25 26 - 100 101 - 250 251 - 500 Vaduz 501 - 951 0 25 50 75 100 km N 0 12,5 keine Angabe / Strecke Waschbärstrecken Seite 378 Landesjagdverband Bayern JJ 2019/20
Erfurt ! Waschbär Würzburg ! Bearbeitung: Regina Gerecht, Bayerischer Jagdverband DATENQUELLE: BAYERISCHER JAGDVERBAND; KARTENGRUNDLAGEN: ESRI; TSCHECHIEN: OPENSTREETMAP, ODBL 1.0; BEARBEITUNG: REGINA GERECHT (BJV) Gemeldete Waschbär-Vorkommen 2019 A ! Prag ! Stuttgart Bayreuth ! ! Würzburg ! Pilsen ! Ansbach ! Regensburg Kartengrundlagen: Esri; Tschechien: OpenStreetMap, ODbL 1.0 ! Stuttgart ! Landshut ! Augsburg Vaduz ! ! München ! Salzburg ! Waschbär 2016 und 2019 2019 2016 Vaduz kein Nachweis ! 0 25 50 75 100 km N keine Angabe dverband Wildtiermonitoring 2021 Seite 379
Waschbär Zum Nach- und Weiterlesen Anonymus. DJV-Handbuch Jagd 2020. Deutscher Lux, E.; Barke, A.; Mix, H. Die Waschbären (Procyon Jagdverband e.V., Berlin 2020. lotor) Brandenburgs eine Herausforderung für den Naturschutz. Artenschutzreport 9, 12–16, 1999 Bauer, C.; Knorr, H.; Gey, A. Baylisakariose – eine in Europa neue Zoonose. Berichte der Deutschen Page, K. L.; Swihart, R.; Kazacos, K. Raccoon latrine Veterinärmedizinischen Gesellschaft 4, 204–206, structure and its potential role in the transmission 1992 of Baylisascaris procyonis to vertebrates. American Midl. Naturalist 140, 180–185, 1998 Conraths, F.; Bauer, C.; Cseke, J.; Laube, H. Ar- beitsplatzbedingte Infektionen des Menschen mit Stubbe, M. Der Status des Waschbären Procyon lotor dem Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonis. (L.) in der DDR (1975 bis 1984). Beiträge zur Jagd- Arbeitsmed., Sozialmed., Umweltmedizin 31, 13–17, und Wildforschung 17, 180–192, 1990 1996 Winter, M.; Stubbe, M.; Heidecke, D. Zur Ökologie Gey, A. Synopsis der Parasitenfauna des Wasch- des Waschbären (Procyon lotor L., 1758) in Sachsen- bären (Procyon lotor) unter Berücksichtigung von Anhalt. Beiträge zur Jagd- und Wildforschung 30, Befunden aus Hessen. Dissertation, Universitat 303–322, 2005 Gießen, 1998 Zeveloff, S. I. Raccoons. A natural history. Smithsoni- Gerecht, R. Auswertung Waschbärmonitoring. an Institute Press, Washington, 2002 BJV-Fachbereich Wildtiermonitoring. Bayerischer Jagdverband e.V. Feldkirchen, 2019 Heddergott, M. Zur Altersschätzung vom Waschbär Procyon lotor (L. 1758) nach dem Gewicht des Os baculum. Beitr. Jagd- u. Wildtierforschung 33, 383–388, 2008 Hohmann, U.; Gerhard, R.; Kasper, M. (2000): Home range size of adult raccoons (Procyon lotor) in Germany. Zeitschrift für Säugetierkunde 65, 124–127, 2000 Lutz, W. Untersuchungen zur Nahrungsbiologie des Waschbären Procyon lotor (Linné 1758) und zum möglichen Einfluss auf andere Wildarten in seinem Lebensraum. Dissertation, Universität Heidelberg 1981 Seite 380 Landesjagdverband Bayern
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