WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.

 
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WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
www.think-ing.de                                                                                                         Februar | März 2022

                                                     kompakt
                      D e i n E i n bli c k i n di e We l t d e r In ge ni e ur i nn e n u n d In ge ni e ur e

                      WASSERSTOFFTECHNIK
                                                                                                                                     P O R T R ÄT
© Michael Bokelmann

                                                                                                            D E R WA S S E R S T O F F - S TA H L

                                                                                                                                    ab Seite 2

                                                                                                                  A N W EN D U N GS B EI S P I EL E
                                                                                                                 WA S S E R S T O F F -T R E N D S

                                                                                                                                   ab Seite 4

                                                              ALTES ELEMENT –
                                                              NEUE ENERGIE
                                                                                            Grau, blau, türkis, grün: Wasserstoff gibt
                                                                                            es in unterschiedlichen Farben – oder
                                                                                            genauer: Die Verfahren zur Herstellung von
                                                                                            Wasserstoff werden in unterschiedlichen
                                                                                            Farben angegeben. Alles strebt aktuell
                                                                                            nach grünem Wasserstoff, weg von der
                                                                                            schwarzen Kohle. Der neue Energieträger
                                                                                            wird in der Mobilität, zur Dekarbonisierung
                                                                                            der Industrie, zur Stromerzeugung und
                                                                                            auf dem Wärmemarkt dringend gebraucht.
                                                                                            Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie
                                                                                            möchte Deutschland zu einem globalen
                                                                                            Vorreiter auf dem Gebiet des grünen
                                                                                            Wasserstoffs werden. Das Ziel ist ganz klar:
                                                                                            Der Einsatz von H2 soll die CO2-Emissionen
                                                                                            in Verkehr und Industrie reduzieren und
                                                                                            die Energiewende erfolgreich vorantreiben.
                                                                                            Um ihre Produktion zu dekarbonisieren,
                                                                                            tüfteln viele Unternehmen bereits an
                                                                                            eigenen Lösungen. So will der Stahlerzeuger
                                                                                            Salzgitter zum Stahlkochen statt Kokskohle
                                                                                            Wasserstoff nutzen. Im Mobilitätssektor ist
                                                                                            Daimler auf der Überholspur. Als effizientere
                                                                                            Alternative zu vollelektrischen Antrieben bei
                                                                                            Lkw setzt Daimler auf wasserstoffbasierte
                                                                                            Brennstoffzellen. Als Schlüsseltechnologie
                                                                                            steht die Wasserstofftechnik jetzt auch auf
                                                                                            den Lehrplänen der Unis. Die Hochschule
                                                                                            für angewandte Wissenschaften Würzburg-
                                                                                            Schweinfurt bietet nun eigens den
                                                                                            Bachelorstudiengang Wasserstofftechnik
                                                                                            an. Wie genau das Studium aussieht, erzählt
                                                                                            Studiengangsleiter Prof. Dr. Winfried Wilke.
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
CO2 in der Stahlherstellung durch den Einsatz
                                                                                                                    von Wasserstoff. Zunächst mal muss aus dem
                                                                                                                    Eisenerz irgendwie reines Eisen werden. Genau
                                                                                                                    das passiert im Hochofen. Der Hochofen wird von
                                                                                                                    oben mit Eisenerz, Koks und Zuschlägen (z. B.
                                                                                                                    Kalk) abwechselnd befüllt. Von unten bläst heißer
                                                                                                                    Wind ins System, es entsteht Kohlenstoffmonoxid,
                                                                                                                    durch das wiederum die Eisenoxide im Erz chemisch
                                                                                                                    reduziert werden. Im 1.900 Grad heißen Prozess
                                                                                                                    entsteht schließlich flüssiges Roheisen. Es ist ein seit
                                                                                                                    Jahrhunderten bekannter Ablauf, bei dem leider
                                                                                                                    viel CO2 entsteht. Es sei denn, man wird – wie in

                                                DER
                                                                                                                    Salzgitter – sogenannte Direktreduktionsanlagen
                                                                                                                    einsetzen, in denen Eisenerz durch Wasserstoff
                                                                                                                    direkt im festen Zustand zu Eisen reduziert wird.
                                                                                                                    Bei dieser Technologie wird an Stelle von CO2

                                             WASSER-
                                                                                                                    Wasserdampf ausgestoßen. „Dafür benötigen wir
                                                                                                                    aber extrem viel Wasserstoff, der entweder über
                                                                                                                    Pipelines angeliefert oder direkt vor Ort erzeugt

                                                                                              © Michael Bokelmann
                                                                                                                    werden müsste“, erklärt der Betriebsingenieur

                                              STOFF-
                                                                                                                    Maximilian Stück.

                                                                                                                    T E C H N O L O G I S C H E E VO L U T I O N

                                              STAHL
        Maximilian Stück an einer
  von zwei 1,25 Megawatt-PEM-                                                                                       In der neuartigen Direktreduktionsanlage wird
     Elektrolyse-Einheiten, die pro                                                                                 auf chemischem Wege mithilfe des Wasserstoffs
     Stunde rund 450 Kubikmeter                                                                                     aus dem rohen Eisenerz ein poröser, aber fester
hochreinen Wasserstoff erzeugen                                                                                     Eisenschwamm. Dieser wird dann mit ganz
                                      Weltweit blicken ForscherInnen auf                                            normalem Stahlschrott vermischt und in einem
                                      den Klimawandel und entwickeln                                                Elektrolichtbogenofen eingeschmolzen. Voilá – der
                                      Industrieverfahren, um CO2 einzusparen.                                       alte Hochofen ist vollständig ersetzt, es entsteht
                                      Tolle Idee, aber bei schwerindustriellen                                      nahezu kein prozessbedingtes CO2 mehr. Leider ist
                                      Prozessen, die seit 100 Jahren beinahe                                        dieser Prozess in seiner ganzen Komplexität bisher
                                      unverändert funktionieren, ist das                                            Zukunftsmusik. Doch bereits ab 2025 soll hier
                                      unmöglich. Oder vielleicht doch nicht?                                        der erste CO2-arme Stahl entstehen. Spätestens
                                                                                                                    im Jahr 2033 sollen dann über 95 Prozent CO2
                                      Auf einem gigantischen Areal von umgerechnet                                  eingespart werden und damit das Projekt SALCOS
                                      fast 1.000 Fußballfeldern erstreckt sich das                                  - Salzgitter Low CO2-Steelmaking - komplett
                                      integrierte Hüttenwerk in Salzgitter. Hier wird aus                           umgesetzt sein. Tatsächlich kann man bereits
                                      Eisenerz, Kokskohle und Schrott reines Eisen und                              heute auf dem weiten Gelände zwischen den
                                      schließlich Stahl produziert. Schwerindustrie im                              rostbraunen Industriegebäuden unzählige Kräne
                                      ursprünglichsten Sinne. Und eine weitverzweigte                               und MonteurInnen sehen, die hier die Zukunft der
                                      Techniklandschaft aus Förderbändern, Gasleitungen,                            Schwerindustrie neu aufbauen.
                                      Kaminen und riesigen Ziegelgebäuden, die allesamt
                                      in ein erdiges Rotbraun getaucht sind. Es raucht,
                                      zischt und wirkt wie aus einer anderen Welt – oder                            G I G A N T I S C H E E L E K T R O LY S E
                                      Zeit. Fast 6.000 MitarbeiterInnen wandeln hier einen
                                      natürlichen Rohstoff in ein elementares Material zur                          Aber woher soll der Wasserstoff kommen?
                                      Weiterverarbeitung um. Rund 35 Millionen Tonnen                               Er wird zukünftig natürlich mit regenerativen
                                      Rohstahl produzierten alle deutschen Stahlhersteller                          Energiequellen wie Wind und Sonne erzeugt. Der
                                      zusammen im Jahr 2020. Eine mächtige Zahl. China                              so gewonnene Öko-Strom spaltet mithilfe einer
                                      stellte übrigens im selben Jahr 1,1 Milliarden Tonnen                         Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff
                                      Stahl her.                                                                    auf. Und genau dieser Wasserstoff kann dann
                                                                                                                    entweder gespeichert oder per Pipelines angeliefert
                                                                                                                    werden. Oder der Strom entsteht demnächst da,
                                      KO M P L E X E C H E M I E                                                    wo er auch gebraucht wird. „Wir betreiben hier am
                                                                                                                    Standort derzeit eine 2,5 Megawatt Elektrolyse. In
                                      Bei der Produktion einer Tonne Stahl entstehen                                der SALCOS Ausbaustufe 1 werden wir bis Ende
                                      1,7 Tonnen CO2. Und die müssen weg, wenn wir                                  2025 das Ganze mal 40 ausbauen. Das wären
                                      unsere Erde im lebenswerten Zustand erhalten                                  dann bereits 100 Megawatt Elektrolyseleistung“,
                                      wollen. Genau hier kommt Maximilian Stück                                     erklärt Stück. In der Endausbaustufe benötigt
                                      zum Zuge. Der 29-jährige Master of Engineering                                er Wasserstoffmengen mit dem Äquivalent von
                                      ist bei der Salzgitter Flachstahl GmbH für die                                über einem Gigawatt Elektrolyseleistung. Solche
                                      Energiesystemtechnik zuständig und kümmert                                    Anlagen gibt es weltweit noch gar nicht. Zugleich
                                      sich unter anderem um die Reduzierung von                                     ist Salzgitter mit seiner 2,5 Megawatt-Anlage

02
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
WASSERSTOFF-
                                                                                                                                           FARBENLEHRE

                                                                                                                     © Michael Bokelmann
                                                                                                                                                             02

                                                                                                                                                                           H2
Laboratmosphäre in Reinkultur für
den Stahl der Zukunft
                                     mustergültig. Auch daran erkennt man, dass dieser
                                     technologische Transformationsprozess noch lange
                                     nicht abgeschlossen ist. Der große Plan funktioniert
                                     nicht in wenigen Jahren, die Perspektiven sind                                                                       H20
                                     weitreichender. Man benötigt einen langen Atem,
                                     um derart etablierte Verfahren grundlegend zu
                                     verändern.                                                                                                     E L E K T R O LY S E

                                     D I E Z U K U N F T G E S TA LT E N

         2
                                                                                                                                                            C
                                     Währenddessen untersucht Stück die Elektrolyse
                                     vor Ort. Er checkt Anzeigen, prüft Drücke. Anders
                                     als der weite Rest des Industriegeländes ist sein

                                                                                                                                                                           H2
                                     Arbeitsumfeld weiß, hell, sauber. Hier fällt kein
                                     rostiger Staub vom Himmel, hier entstehen keine
                                     exorbitanten Temperaturen, hier findet beinahe
                                     Laborarbeit im (be)greifbaren Maßstab statt.
                                     „Ich habe Versorgungstechnik studiert. Das tolle                                                                    CH4
                                     an meinem Studium ist, dass ich mein gesamtes
                                     akademisches Wissen hier auch wirklich anwenden
                                     kann. Ich kenne StudentInnen, die kaum Wissen                                                               M E T H A N P Y R O LY S E
                                     in die Praxis übertragen konnten.“ Es ist ein Traum
                                     für jeden Ingenieur und jede Ingenieurin, derart
                                     handfest an der Zukunft dieser Welt mitzuarbeiten.
                                     Und das ist auch notwendig: China, die USA                                                                           CO2
                                     und Indien sind zusammen für rund die Hälfte
                                     der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Ein
                                     wirklich neues Verfahren zur Herstellung von

                                                                                                                                                                           H2
                                     Stahl kann entscheidend zur Regulierung des
                                     menschengemachten Klimawandels beitragen. Und
                                     Maximilian Stück wird bis zu seiner Pensionierung
                                     den Wandel maßgeblich begleiten. „Das ist einer der
                                     Hauptgründe, warum ich hier so zufrieden bin. Weil                                                                  CH4
           Der Betriebsingenieur     die klimaneutrale Industrieproduktion einfach ein
          Maximilian Stück prüft     Thema ist, das in die Zeit passt. Und das kann ich mir
         die Einstellungen bei der   dann auch als Ingenieur auf die Fahne schreiben.“                                                        DA M P F R E F O R M I E R U N G
          Wasserstoffproduktion                                                                                                               MIT CO2-SPEICHERUNG

                                                                                                                                                           CO2

                                                                                      Erfahrt mehr über Maximilian
                                                                                      Stück s.think-ing.de/stueck

                                                                                                                                                         CH4
                                                                                                                                                                           H2
                                                                © Michael Bokelmann

                                                                                                                                              DA M P F R E F O R M I E R U N G
                                                                                                                                                 MIT CO2-ABGABE
                                                                                                   03
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
H2
Grüner Wasserstoff wird durch
Elektrolyse von Wasser hergestellt.
Dabei wird Wasser in seine Kompo-
nenten Sauerstoff und Wasserstoff
aufgespalten – zwei Endprodukte, die
weder klima- noch umweltschädlich
sind. Grün ist der Prozess aber nur,
wenn ausschließlich Strom aus er-
neuerbaren Energien zum Einsatz
kommt. Dann ist die Produktion von
Wasserstoff CO2-frei.

Türkiser Wasserstoff entsteht
durch die thermische Spaltung von
Methan, der sogenannten Methan-
pyrolyse. Das Verfahren findet in
einem Hochtemperaturreaktor
statt. Anstelle von CO2 entsteht dabei
fester Kohlenstoff. Stammt die
Wärmeversorgung des Reaktors aus
erneuerbaren Energien und bleibt der
Kohlenstoff dauerhaft gebunden, ist
auch türkiser Wasserstoff CO2-frei.

Blauer Wasserstoff wird durch
Dampfreformierung gewonnen. Dabei
wird Erdgas in Wasserstoff und CO2
abgespalten. Das CO2 wird dabei
abgeschieden, gespeichert (Carbon
Capture and Storage, CCS) und
gelangt so nicht in die Atmosphäre.
Blauer Wasserstoff kann damit als
                                         WASSERSTOFF-TRENDS

                                                    LKW: SCHWERE
                                                    TRUCKS AUF H2
                                         Daimler Truck schickt GenH2 auf die
                                         Straße - angetrieben von einer Batterie und
                                         einer Brennstoffzelle.

                                         Kaum irgendwo sind die Halbwertszeiten neuer
                                         technischer Entwicklungen derzeit so kurz
                                         wie in der Automobilindustrie – ein deutliches
                                         Zeichen des Umbruchs und eine gute Zeit für
                                         EntwicklungsingenieurInnen. Dabei tüfteln die
                                         EntwicklerInnen von Daimler Truck bereits seit
                                         Jahren an einer elektrischen Antriebstechnik auf
                                         Brennstoffzellenbasis. Irgendwann ging es dann
                                         rasend schnell. Ende April 2021 wurde der Mercedes-
                                         Benz Truck GenH2 auf Herz und Nieren getestet
                                         und serienreif gemacht. Im Gegensatz zu älteren
                                         Mercedes-Benz Lkw wird der GenH2 elektrisch und
                                         CO2-neutral fahren, angetrieben von einer Batterie
                                         und einer Brennstoffzelle. Flüssiger Wasserstoff in
                                         relativ kleinen Tanks liefert die nötige Energie. Der
                                         Wasserstoff-Lkw muss genauso strapazierfähig
                                         sein wie seine älteren Diesel-Vorgänger: 1,2
                                         Millionen Kilometer, zehn Betriebsjahre und 25.000
                                         Betriebsstunden sollte er durchhalten.
                                         Wie wird sich der neue Brummi im Dauereinsatz
                                                                                                 © Daimler Truck
                                                                                                                   FLUGVERKEHR:
                                                                                                                   BRENNSTOFFZELLE
                                                                                                                   HEBT AB
                                                                                                                   Wasserstoff ist auch im Flugverkehr
                                                                                                                   das Zauberwort, das die Tür zu einer
                                                                                                                   emissionsfreien Zukunft öffnen soll.

                                                                                                                   Auf den Bildschirmen der IngenieurInnen zeichnen
                                                                                                                   sich bereits drei Konzepte ab. Beim ersten kann
                                                                                                                   der Wasserstoff direkt in bestehenden Triebwerken
                                                                                                                   verwendet werden, wenn man ihn in nachhaltige,
                                                                                                                   alternative Kraftstoffe umwandelt. Beim zweiten
                                                                                                                   Konzept sei auch eine direkte Verbrennung von
                                                                                                                   flüssigem Wasserstoff in Gasturbinen technisch
                                                                                                                   möglich, erklärt Dr. Stefan Weber, technologischer
                                                                                                                   Leiter bei der MTU Aero Engines AG, Deutschlands
                                                                                                                   führendem Triebwerkshersteller. Die erforderliche
                                                                                                                   Anpassung der Brennkammer könne allerdings
                                                                                                                   ein paar Jahre dauern. Auch für Transport und
                                                                                                                   Lagerung des flüssigen Wasserstoffs gibt es noch
                                                                                                                   keine optimalen Lösungen. Das dritte und von
                                                                                                                   MTU favorisierte Konzept ist die Flying Fuel Cell,
                                                                                                                   die Umwandlung von Wasserstoff in elektrische
                                                                                                                   Energie mittels Brennstoffzelle. Ein ExpertInnenteam
                                                                                                                   der MTU und ein Kooperationsprojekt mit dem
                                                                                                                   Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
                                                                                                                   (DLR) arbeiten derzeit mit Volldampf daran, das
                                                                                                                   Projekt voranzubringen. MTU setzt auf einen
                                                                                                                   Technologie-Mix. Dabei soll auch die Gasturbine
                                                                                                                   weiterentwickelt werden. Mit der WET-Engine
                                                                                                                   (Water-Enhanced Turbofan) lässt sich der Verbrauch
                                                                                                                   unabhängig von der Art des Treibstoffs um mehr
                                                                                                                   als 15 Prozent reduzieren. Dadurch verringern sich
                                                                                                                   nicht nur die Emissionen, sondern ebenfalls die
                                                                                                                   Bildung von Kondensstreifen deutlich. Insbesondere
                                                                                                                   im Fernverkehr führt an dieser Option vorerst
CO2-neutral betrachtet werden.           verhalten? Wie wird er sich bei extremen                                  kein Weg vorbei. Denn die mit Wasserstoff
Allerdings sind die Langzeitfolgen       Wetterbedingungen und auf löchrigen Straßen                               betriebene Brennstoffzelle eignet sich eher für
der Speicherung nicht abzusehen und      bewähren? Um das herauszufinden, haben ihn die                            Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeuge mit geringerem
durch Undichtigkeit kann es zu negati-   EntwicklerInnen über einen speziellen Parcours                            Tankvolumen.
ven Umwelteinflüssen kommen.             gejagt. Hunderte von Kilometern
                                                                                                                                                                          © DLR

                                         musste er mit 25 Tonnen Ladung auf
                                         einem Rollenprüfstand absolvieren,
                                         auf der Teststrecke zahlreiche
Grauer Wasserstoff entsteht wie          Vollbremsungen ausführen und
blauer Wasserstoff durch Dampfrefor-     über Bordsteinkanten brettern.
mierung aus fossilen Brennstoffen.       Die Tests sind deshalb so wichtig,
Das CO2 wird anschließend aber nicht     weil die elektrischen Komponenten
gespeichert oder anderweitig genutzt,    ein anderes Gewicht haben. Das
sondern in die Atmosphäre abgege-        wirkt sich bei Schwingungen
ben. Bei der Produktion einer Tonne      durch Straßenunebenheiten und
Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen     in Extremsituationen auf die
CO2. Von grauem Wasserstoff spricht      Fahreigenschaften aus. Bald soll der
man auch, wenn zur Elektrolyse statt     GenH2 erstmals über öffentliche Straßen
erneuerbaren, fossile Brennstoffe        rollen und ab 2027 in Serie gehen.
verwendet werden.                                                                                                  Mit dem DLR-Forschungsflugzeug wird der
                                                                                                                   MTU-Brennstoffzellenstrang getestet
                                                                                                                                                                     04
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
H2MARE:                                                                    REGIONALZÜGE:
         WASSERSTOFF AUS                                                            KLEINE WOLKEN
         WIND UND MEER                                                              AUS WASSERDAMPF
         Im Großprojekt H2Mare wird daran                                           Französisches Unternehmen Alstom
         geforscht, grünen Wasserstoff direkt in                                    bringt Wasserstoff-Zug auch auf deutsche
         einer Windkraftanlage auf hoher See zu                                     Schienen.
         produzieren.
                                                                                    Da mag sich manch ein Fahrgast auf dem Bahnsteig
         Wenn IngenieurInnen die Energieerzeugung grün                              verwundert die Ohren gerieben haben, als die
         machen wollen, dann müssen sie mit der Natur                               Regionalbahn ohne das vertraute Tuckern der
         arbeiten und die Technologien an ihr orientieren.                          Dieselmaschine in den Bahnhof einfuhr.
         So stellt man Solaranlagen am besten dort auf,                             Was sich 2018 auf der Strecke Buxtehude-
         wo die Sonne viele Stunden im Jahr scheint.                                Bremerhaven-Cuxhaven ereignete, wiederholte
         Windanlagen sind nicht nur offshore effizienter als                        sich in Wien, Östersund und Valenciennes.
         onshore (maximale Leistung 3,5 zu 5 Megawatt),                             An diesen und anderen Orten kam Coradia
         auf dem Meer ist zudem fast unbegrenzter Platz                             iLint, der Wasserstoff-Zug des französischen
         für sie. Da es im Hinblick auf Transport und                               Unternehmens Alstom, bereits zum Einsatz. Auf
         Speicherung von überschüssiger Elektrizität noch                           leisen Sohlen schleicht sich der Wasserstoff in
         offene Fragen gibt, liegt es zunächst nahe, etwas                          den europäischen Regional-Schienenverkehr.
         Sinnvolles mit dem Offshore-Strom anzustellen

                                                                                                                                                           © Alstom
         – z. B. grünen Wasserstoff herstellen. Und zwar
         gleich auf hoher See, wo Strom aus Windkraft
         reichlich zur Verfügung steht. Wie das alles in
         der Praxis funktioniert, untersucht das vom BMBF
         geförderte Leitprojekt H2Mare, eines von drei aus
         Bundesmitteln geförderten Großprojekten zum
         Thema Wasserstoffproduktion. Mit von der Partie
         sind namhafte Player wie Siemens Gamesa und
         Siemens Energy sowie EnBW als Betreiber großer
         Offshore-Windparks. Bis 2026 soll eine fix und
         fertige Offshore-Demonstrationsanlage den Betrieb
         aufnehmen. Dabei wollen die zukünftigen Partner

                                                                             2
         den Wasser-Elektrolyseur, der unter Strom Wasser
         in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt, direkt in
         eine Windkraftanlage integrieren. Günstiger ließe
         sich grüner Wasserstoff derzeit nicht produzieren.
© EnBW

                                                                                           Bisher einmalig: Das Unternehmen Alstom produziert den ersten
                                                                                                                    Regionalzug mit Wasserstoff-Antrieb

                                                                                    IngenieurInnen im Alstom-Kompetenzzentrum in
                                                                                    Salzgitter und in der Entwicklungsabteilung für
                                                                                    Regionalzüge im französischen Tarbes entwickelten
                                                                                    den emissionsfreien Zug und die dazugehörige
                                                                                    Infrastruktur. Das Land Niedersachsen und die
                                                                                    Bundesregierung schoben ihn mit Fördermitteln
                                                                                    ein wenig an. Coradia iLint ist der erste Zug,
                                                                                    der mit einer stromerzeugenden Brennstoffzelle
                                                                                    betrieben wird. Aus seinem Motor pufft nur
                                                                                    Wasserdampf. Alstom hat den Wasserstoff auf die
                                                                                    Schiene gebracht und die Deutsche Bahn rückt
                                                                                    so der für 2040 angestrebten Klimaneutralität ein
                                                                                    Stück näher. Dafür wurde Alstom Anfang 2021 mit
                                                                                    dem European Railway Award geehrt. Allein im
         Mit überschüssigem Offshore-Strom soll in Zukunft grüner Wasserstoff auf   deutschen Schienennetz werden heute noch 450
         See produziert werden                                                      Linien ausschließlich mit Dieselzügen befahren.
                                                                                    Auf diesen Strecken könnten nach und nach
                                                                                    Wasserstoffzüge zum Einsatz kommen. Coradia iLint
                                                                                    nimmt also gerade erst Fahrt auf.

         05
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
WAS STUDIEREN?
                                       STUDIUM:                                                             Die zukünftige Energiequelle

                                       KLEINES ELEMENT                                                      für Wärme, Industrie, Mobilität
                                                                                                            und Strom soll Wasserstoff sein.

                                            MIT GROSSER                                                     Dafür wird neues IngenieurInnen-
© FHWS

                                                                                                            Know-how gebraucht. Immer mehr

                                            WIRKUNG                                                         Hochschulen passen daher das
                                                                                                            Lehrangebot an: H2 als eigene Module
                                                                                                            oder neuere Studiengänge mit dem
                                                         Wasserstofftechnik ist nicht                       Fokus auf alternative (Wasserstoff-)
                                                         mehr nur Zukunftsmusik, denn                       Techniken.
                                                         seit dem Wintersemester 21/22
                                                         gibt es einen grundständigen
                                                         Bachelorstudiengang an der
                                                         Hochschule für angewandte
                                                         Wissenschaften Würzburg-                                               Eine Zusammenstellung einiger Studiengänge
                                                         Schweinfurt. Studiengangsleiter                                        zum Thema findet ihr unter
                                                         Prof. Dr. Winfried Wilke hat uns                                       s.think-ing.de/wasserstoff-studium
                                                         den Studiengang für angehende
                                                         WasserstoffexpertInnen
                                                         vorgestellt.
           Prof. Dr. Winfried Wilke
         ist Leiter des Studiengangs
                Wasserstofftechnik     WA S KÖ N N E N S T U D I E R E N D E VO N D E M                THINK ING.
                                       S T U D I E N G A N G E R WA R T E N ?
                                       Das Studium lehrt anlagen- und                                  @SOCIAL MEDIA
                                       verfahrenstechnische Inhalte mit dem Schwerpunkt
                                       Wasserstoff. Diese befähigen, sichere H2-                       Spannende Einblicke und Geschichten
                                       Anlagen sektorunabhängig zu entwickeln, zu                      von IngenieurInnen, Tipps, Termine
                                       konfigurieren, zu bauen und zu betreiben. Das                   und Wissenswertes rund um das
                                       Ziel ist es, die Studierenden so auszubilden, dass              Ingenieurwesen findet ihr auf unseren
                                       sie nach dem Studium vom ersten Tag an in einem                 Social-Media-Kanälen.
                                       Industrieunternehmen „laufen“ können.

                                       W E L C H E I N H A LT E S I E H T D E R L E H R P L A N                  ING _WERDEN
                                       VO R , U M D I E S E Z I E L E Z U E R R E I C H E N ?
                                       Es geht los mit zwei Semestern voller Grundlagen                          INGWERDEN
                                       wie Physik oder Thermodynamik. Das Interessantere
                                       kommt danach in vertiefenden Modulen wie zum                              THINKINGVIDEOS
                                       Beispiel Energiewirtschaft, Brennstoffzellen oder
                                       H2-Erzeugung. Neben Projektarbeiten gibt es ein                           THINK _ING
                                       Praxismodul, in dem die Studierenden mindestens
                                       sechs Monate in einem Industriebetrieb arbeiten.
                                       Der Hauptfokus des gesamten Studiengangs liegt
                                       dabei auf der Sicherheit: Arbeits-, Umwelt- sowie
                                       Wasserstoffsicherheit.
                                                                                                       IMPRESSUM
                                       W E L C H E VO R T E I L E H AT D I E S E R
                                       STUDIENGANG GEGENÜBER ANDEREN,                                  Herausgeber
                                       D I E WA S S E R S T O F F B E H A N D E L N ?                  GESAMTMETALL
                                       Er ist darauf ausgelegt, ein sehr wichtiges                     Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und
                                       Kompetenzfeld abzudecken, um dem Klimawandel                    Elektro-Industrie e.V.
                                       begegnen zu können. Alle wichtigen Inhalte                      Voßstraße 16 - 10117 Berlin
                                       werden ganzheitlich in sieben Bachelorsemestern
                                       vermittelt und qualifizieren für das Arbeitsleben               Verantwortliche Leitung
                                       in der Industrie. Ein weiterer Pluspunkt ist das                Wolfgang Gollub
                                       Anwendungsprojekt. Hier entwickeln Studierende
                                       Lösungen für reale, von Unternehmen gestellte                   Redaktion und Gestaltung
                                       Probleme aus der Industrie. Vertretende aus                     concedra GmbH, Bochum
                                       Partnerunternehmen bewerten die Lösungen.
                                       So erhalten die Studierenden einen Eindruck davon,              Druck
                                       wie es in der Arbeitswelt ablaufen kann.                        color-offset-wälter GmbH & Co. KG, Dortmund
                                                                                                       Alle in dieser kompakt enthaltenen Inhalte und Informationen wurden
                                       Das gesamte Interview mit Prof. Dr. Winfried Wilke findet ihr   sorgfältig auf Richtigkeit überprüft. Dennoch kann keine Garantie für die
                                       online unter s.think-ing.de/wilke                               Angaben übernommen werden.

                                                                                             06
WASSERSTOFFTECHNIK - think ING. WASSERSTOFFTECHNIK - think ING. WASSERSTOFFTECHNIK - think ING.
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