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Welche Kenntnisse müssen sexual pädagogische Fachkräfte mitbringen? Rahmenbedingungen und Querschnittsthemen sexualpädagogischer Arbeit Fachtag pro familia Fort- und Weiterbildung Freitag, 14. November 2014 in Frankfurt am Main
Impressum Gefördert vom pro familia Bundesverband BZgA Stresemannallee 3 Bundeszentrale für 60596 Frankfurt am Main gesundheitliche Aufklärung Maarweg 149–161 E-Mail: info@profamilia.de 50825 Köln www.profamilia.de/Publikationen © 2014 2
Welche Kenntnisse m üssen sexualpädagogische Fachkräfte mitbringen? – Rahmenbedingungen und Querschnittsthemen sexualpädagogischer Arbeit Fachtag pro familia Fort- und Weiterbildung Freitag, 14. November 2014 in Frankfurt am Main Einführung Zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vortrag 1 Anja Henningsen Professionalisierung der Sexualpädagogik – Standards, Konzepte, zukünftige Entwicklungen. . . . . . . . . . 5 Vortrag 2 Olivia Sarma Überlegungen zum Kulturbegriff für kultursensible Perspektiven in der (sexual)pädagogischen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vortrag 3 Carina Fiebich-Dinkel Menschenrechtsbildung ist mehr als reine Wissensvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Vortrag 4 Thomas Viola Rieske Sexuelle Vielfalt in der Sexualpädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Ergebnisse Resümee aus den Diskussionen im Worldcafé und den Vorträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Anhang TeilnehmerInnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3
Einführung Zum Thema Die Qualifizierung von sexualpädagogischen Fach- mitbringen, um Sexualpädagogik im Menschenrechts- kräften ist eine zentrale Aufgabe des pro familia kontext pädagogisch zu verorten? Was müssen die Bundesverbands. Sie verlangt eine kontinuierliche, kriti- Fortbildungen leisten, um die notwendigen Kenntnisse sche Reflexion der Aufgaben von sexualpädagogischen und Kompetenzen für diese Herausforderungen zu ver- Fachkräften und der Veränderungen in ihren Handlungs- mitteln? feldern. pro familia bietet eine qualitativ hochwertige Sexualpädagogik an, die in den sexuellen Rechten Diese Fragen wurden mit sexualpädagogischen Fach- verankert ist. Damit gestaltet pro familia die sexual kräften und ReferentInnen aus Bildungsarbeit, Beratung pädagogische Landschaft maßgeblich mit. und Forschung diskutiert. Das Worldcafé sorgte für viele Möglichkeiten des fachlichen Austausches. Die Veranstaltung konzentrierte sich auf die The- men sexuelle Vielfalt, migrations- und kultursensible Beratung und Menschenrechte. Hiermit werden Querschnittsthemen aufgegriffen, die das sexual pädagogische Handeln mitbestimmen, das den Alexandra Ommert Referentin Fort- und Weiterbildung, sexuellen und reproduktiven Rechten verpflichtet ist. pro familia Bundesverband Im Rahmen des Fachtags wurde gefragt: Welche Kennt- nisse müssen sexualpädagogische Fachkräfte heute mitbringen, um die Anerkennung und den Schutz der sexuellen Vielfalt zu vermitteln? Welche Kenntnisse benötigen Sie, um ihre Arbeit auf gesellschaftliche Vielfalt hinsichtlich Kultur, Migrationshintergrund und anderen Faktoren adäquat abstimmen zu können? Wel- che Kenntnisse und Kompetenzen müssen Fachkräfte 4
Vortrag 1 Professionalisierung der Sexualpädagogik – Standards, Konzepte, zukünftige Entwicklungen Von Prof. Dr. Anja Henningsen In ihrem Beitrag führt Anja Henningsen in die noch das Verhütungsverhalten und Einstellungen zu Sexua recht junge Geschichte der Sexualpädagogik ein, die in lität von Jugendlichen geben. Jedoch fehle insbesondere verschiedenen Disziplinen wie den Sozialwissenschaf- eine selbstreflexive Forschung, die für das Feld der ten, der (Sozial)pädagogik, der Sexualwissenschaft und Sexualpädagogik zu entwickeln sei: Wie wirkt Sexual Medizin verortet werden muss. Sexualpädagogik, wie pädagogik? Welche Botschaften kommen tatsächlich wir sie heute kennen, ist demnach ein Produkt von bei den Jugendlichen an? Hier gibt es einen Forschungs professionellen und wissenschaftlichen Ausdifferen bedarf. zierungsprozessen. Abschließend argumentiert Henningsen, dass Profes- Eine Besonderheit aktuellen sexualpädagogischen sionalität im Kontext von Sexualpädagogik bedeutet, Handelns ist in ihren Augen, dass die Nachfrage nach eine begleitende Selbstreflexion zu ermöglichen. Diese Sexualpädagogik eine vermittelte ist: In der Regel fragen braucht kontinuierliche Qualifizierungsmaßnahmen und Jugendlichen nicht selbst nach, vielmehr werde über den einen professionellen Kontext, der fachlichen Austausch Gefahren- und Präventionsdiskurs über Institutionen und Supervision bietet. wie bspw. Schule das Arbeitsfeld bestimmt. Dabei gilt es, auch andere Arbeitsbereiche wie die außerschu lische Sexualpädagogik nicht aus dem Blick zu verlieren. Prof. Dr. Anja Henningsen ist Professorin Ziel sexualpädagogischer Arbeit sei die Förderung der für Sexualpädagogik mit dem Schwerpunkt Selbstbestimmung und Partizipation von Jugendlichen. Gewaltprävention im Institut für Pädagogik Sexualpädagogische Fachkräfte brauchen hier Sach-, der Universität Kiel und Geschäftsführerin der Sozial- und Selbstkompetenzen. Gesellschaft für Sexualpädagogik (gsp). Im Vortrag wird ein Überblick über aktuelle Forschungen über Jugendsexualität gegeben, die zu einem großen Teil Die folgende Präsentation hat Prof. Dr. Anja Henningsen durch die kontinuierlichen Forschungen der BZgA und vorstellt: dem Engagement des BMFSFJ einen breiten Einblick in 5
1. Theorien über: Professionen, Professionalisierung und Professionalität und sexualpädagogische Kompetenzen Institut für Pädagogik Professionstheorien gesellscha:licher Status der Sexualpädagogik Institut für Pädagogik (Henningsen/Sielert 2013, Befragung Mitglieder gsp) Fehlende Anerkennung: Warum? Schamthema (35%) mangelnde Bekanntheit (19%) Angst vor Eingriff ins Private (21%) politische Gründe (23%) Statusverbesserung: Was ist zu tun? Institut für Pädagogik (Henningsen/Sielert 2013) inhaltliche PosiOonierung 26% Öffentlichkeitsarbeit 19% disziplinäre Verankerung 14% "weiter machen" 14% insOtuOonelle Verankerung 9% poliOsche Arbeit 5% Sichtbarkeit des Professionellen 5% Qualitätssiegel 5% 6
Institut für Pädagogik Professionalisierung Sexualität u.a. Sexual-‐ wissen-‐ Sexual-‐ scha2 erziehung Sexual-‐ pädagogik Wissenscha2 Erziehung Erziehungs-‐ wissenscha2 Institut für Pädagogik aktueller Verberuflichungsprozess 1. wachsende gesellscha.liche Nachfrage • Vermehrte ThemaOsierung sichert gesellscha2liche Anerkennung • Gefahrendiskurse als Professionalisierungsmotor und -‐bremse 2. Zuständigkeitsexpansion durch sexuelle Bildung: von der Krise zum grundlegenden Bedarf • Von der KrisenprävenOon für Risikogruppen zur Standardangebot • Erweiterung der Zielgruppen und Zuständigkeit durch den Bildungsansatz Institut für Pädagogik aktueller Verberuflichungsprozess 3. Ausbildung wissenscha.licher Strukturen: Sexualpädagogik als Aspektdisziplin • Mit der Zuständigkeitsexpansion wächst disziplinäres Wissen • viel EvaluaOons-‐ und Adressat_innen-‐Forschung • abhängig von Förderung 4. Sexualpädagog_innen als spezialisierte Fachkrä.e • Kernprofessionelle • Steigender Bedarf an Fachkrä2en • keine gesicherte Berufsbezeichnung • keine gesicherte Ausbildungslage 7
Institut für Pädagogik relevante OrganisaOonsstrukturen • Aushängeschilder für das äußere Erscheinungsbild: pro familia (1952), BZgA (1967), DGG (1978), ISP (1988), gsp (1998), FH Merseburg (1996) • Relevanz großer Fachverbände • Sicherung der internen KommunikaOon • Sicherung der Aus-‐ und Fortbildungsstrukturen • prekäre sowie feste Arbeitsverhältnisse Sexualpädagogik als Institut für Pädagogik Menschenrechtsprofession • unterstützende FunkOon im Konflikt zwischen gesellscha2lichen und individuellen Interessen • driNes Mandat als intermediäre PosiOon • FunkOon als Seismograph für UngerechOgkeits-‐ und Diskriminierungstendenzen • SelbstbesOmmte Gestaltung der Sexualität, sexuelles Wohlbefinden Sexuelle Bildung und sexuelle Rechte Institut für Pädagogik verschränken sich Jeder Mensch hat das Recht auf ein gelingendes sexuelles Leben und die selbstbesOmmte Gestaltung! • Sexuelle Bildung unterstützt Menschen dabei ihre sexuellen Rechte in Anspruch zu nehmen. • Im Sinne eines grundlegenden Menschenrechts müssen sexuelle Bildungsangebote für jeder Person zugänglich gemacht werden. 8
professioneller sexualpädagogischer Institut für Pädagogik Habitus • spezifischer Berufsethos • Fähigkeit zur förderlichen Gestaltung von Arbeitsbündnissen • RelaOonierung von theoreOschem Wissen und prakOschem Handeln • Selbstreflexions-‐ und KommunikaOonskompetenz Institut für Pädagogik habitueller Berufsethos SelbstbesImmung • Personen oder Gruppen zur selbstbesOmmten Gestaltung sexueller Lebens-‐ und Liebesweisen befähigen Soziale GerechIgkeit • Forderung einer Vielfalt sexueller Lebensgestaltungen auf poliOscher Ebene • Sexuelle Bildung unabhängig von Herkun2 zugänglich machen • Öffentliches Sprachrohr derer, die aufgrund Sexualität diskriminiert werden Solidarität • Unterstützung aller benachteiligten Personen • Werben für Solidarität sexualitätsbezogene Institut für Pädagogik Ungleichheits-‐ und Diskriminierungstendenzen • Eingriffe in Privatleben, FremdbesOmmung der Lebensplanung, Begehrensform und Partnerscha2sgestaltung: • Kinder • Jugendliche • Menschen im Alter • Menschen mit nicht-‐heterosexueller Begehrensform • trans-‐ und intersexuellen Menschen • Menschen mit physischen und psychischen BeeinträchOgungen • Menschen aus besOmmten Kulturkreisen • Menschen mit geringen sozialökonomischen Status • Menschen mit einer sexuell übertragbaren Erkrankung • Menschen mit „abweichendem“ Sexualverhalten • im Geschlechterverhältnis 9
Institut für Pädagogik inhaltliche Themenschwerpunkte PrävenOon sexualisierter Gewalt 39% Diversität 32% kindliche Sexualität 22% Auplärung 22% konzepOonelle Arbeit 17% Medien/Pornographie 15% jugendliche Sexualität 15% Behinderungen und Sexualität 15% Gender 10% Rechte/Ethik 7% sexuelle Gesundheit 2% Institut für Pädagogik Handlungsparadoxien zwischen: bildungstheoreOschem Anspruch in kurzzeitpädagogischer InterakOon BeziehungsorienOerung und Anonymität ganzer Person und professioneller Rolle Nähe und Distanz Freiwilligkeit und bestehender Zwangskontexte interdisziplinäre und interinsOtuOonelle Arbeit absOmmen Sexualkulturbildung Institut für Pädagogik in der Lebenswelten der Klient_innen personal-‐verstehende pädagogisch-‐interakOve Dimension Dimension Sexualkultur akOvierende infrastrukturelle Dimension Dimension 10
Institut für Pädagogik personal-‐verstehende Dimension Die Grundhaltung • Persönlichkeitsbildung von Sexualpädagog_innen • hoher Reflexionsgrad der sexuellen IdenOtät: sexuelles Selbstkonzept, Selbstwertgefühl und Kontrollüberzeugung • Abklärung individueller Nähe-‐Distanz-‐Bedürfnisse • Trennung von professionellen und persönlichen Anteilen • Umgang mit Nicht-‐Wissen und Nicht-‐Standardisierbarkeit • konOnuierliche Lernbereitscha2 Institut für Pädagogik pädagogisch-‐interakOve Dimension • Empathiefähigkeit: wertschätzender Umgang • Klarheit eigener Standpunkte • selekOve AuthenOzität • Sensibilität für Themen und Gruppenprozesse • Konfliktmanagement • Flexibilität • interkulturelles Verständnis Institut für Pädagogik akOvierende Dimension • Arbeit mit Schlüsselpersonen • didakOsche Fähigkeiten • (geschützte) pädagogischen Rahmen gestalten: Schutz der InOmitätsgrenzen, Förderung der Auseinandersetzung • Ermöglichung von Freiwilligkeit und SelbstbesOmmung • heterogene Zusammensetzung von Milieus ermöglichen • Kontakt zu potenOellen HilfsinsOtuOonen herstellen 11
Institut für Pädagogik infrastrukturelle Dimension Netzwerkbildung und -‐orienIerung • KooperaOonsfähigkeit • infrastrukturelles Wissen über Hilfeapparate • Arbeitskreise • Sexualpädagogik als bescheidene Profession Institut für Pädagogik Sexualpädagogische Kernkompetenz Gibt es für Sie spezifisch-‐sexualpädagogische Kompetenzen? Prozent spezifisches Fachwissen 17,6 viel Selbstreflexion 15,7 viel Respekt, Toleranz, Diversität 13,7 hohes Maß an Echtheit, AuthenOzität, Offenheit 11,8 hohes Maß an Empathie 9,8 hohe Sensibilität 9,8 besondere Gesprächskompetenz 7,8 sensible Balance von Nähe und Distanz 7,8 viel Humor 3,9 Sexualfreundlichkeit 2,0 Institut für Pädagogik Handlungssicherheit Image prakt. Erfahrungs- Aus- und wissen Weiterbildung päd. Grund- ausbildung didaktische personale Kompetenz Kompetenz 12
Institut für Pädagogik FortbildungsmoOvaOon persönliches Interesse 95% Freude am Austausch 76% OpOmierung der DidakOk 71% konkrete Anlässe der Praxis 34% eigene IdenOtät entwickeln 22% Interesse am Qualitätssiegel 17% Auflage des Trägers 7% 2. Richtlinien und Gesetze Sexualerziehung in Kita Institut für Pädagogik (LZG: „Körpererfahrung und Sexualerziehung im Kindergarten“, 2009) • § 22-‐26 SGB VIII • „Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern sowie Förderung ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinscha2sfähigen Persönlichkeit“ • OrienOerung an den Bedürfnissen des Kindes und der Eltern • Bildungspläne und Leitlinien der Bundesländer • in allen Bundesländern: Bedeutung von Körper-‐ und Sinneserfahrungen, und/ oder geschlechtlicher IdenOtät • in der Häl2e der Bundesländer: Hinweise auf frühkindliche Sexualität • Sexualerziehung folgt dem SituaOonsansatz Institut für Pädagogik Sexualerziehung in Schule • 1968: KMK: Empfehlungen zur geschlechtlichen Erziehung in der Schule • Sexualerziehung als gelichgeordnete Aufgabe des Elternhauses und Schule (BVerfG 1977) • fachübergreifendes Unterrichten • Sexualerziehung hat für vers. Werteauffassungen offen zu sein und auf die VerschiedenarOgkeit der religiös-‐weltanschaulichen Einstellungen Rücksicht zu nehmen. Nicht jedes elterliche Einzelinteresse muss berücksichOgt werden. (BVerWG 1979) • 2002: Auwebung des Beschlusses von 1968 13
Schule: Konsequenzen für Sexualerziehung Institut für Pädagogik (Hilgers 2003, Sielert 2011) • Sachkompetenz hat Vorrang • knappes Angebot methodischer Vorschläge • InformaOonspflicht gegenüber Eltern • Diskrepanz zwischen verstärktem Erziehungsau2rag in Schulen und Know-‐How der Lehrkrä2e • kein Überblick, was tatsächlich passiert Sexualerziehung in Institut für Pädagogik Kinder-‐ und Jugendhilfe • umfassender Erziehungsau2rag im KJHG (SGB VIII) • §11 SGB VIII Leistungen der Jugendhilfe • Mädchen-‐ und Jungenarbeit, Jugendberatung, außerschulische Jugendbildung • §14 SGB VIII • Sexualpädagogische PrävenOon sexueller Gewalt • §180 StGB • Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger Erziehungshilfe: Institut für Pädagogik Konsequenzen für die Sexualerziehung • Strukturmerkmale: Freiwilligkeit, Flexibilität und Pluralität, emoOonale Ansprache • funkOonale und lineare Sexualpädagogik • konzepOonelle Unterstützung • Umgang mit schwierige Sexualbiographien 14
3. aktuelle und zukünftige Debatten Institut für Pädagogik ZeitungsarOkel • SZ „Was Sie noch nie über Sex wissen wollten“, 24.04.2014 „Toleranz ist eine Tugend, doch was die Sexualpädagogik Schulkindern zumutet, um ihren Horizont über das tradiOonelle Familienbild hinaus zu erweitern, nimmt bizarre Züge an.“ • FAS „Unter dem Deckmantel der Vielfalt“, 14.10.2014 „Kinder sollen ihre „Lieblingsstellung“ zeigen, Puffs planen, Massagen üben. Die sexuelle Auplärung missachtet Grenzen. Die PoliOk will es so. Kinderschützer schlagen Alarm.“ • FAZ „AuXlärung oder Anleitung zum Sex?“, 23.10.2014 „Die Sexualpädagogik in den neuen Lehrplänen ist geeignet, den Kindesmissbrauch zu fördern. Die gesamte Gesellscha2 soll umerzogen werden.“ • Junge Freiheit „Sie verführen unsere Kinder“, 14.11.2014 „Immer früher, immer extremer: Viele Eltern reagieren besorgt auf die Neuausrichtung der Sexualkunde in Schule. Was darf den Jüngsten zugemutet werden?“ Institut für Pädagogik ZeitungsarOkel • Welt am Sonntag „Aufstand der Biedermänner“ 19.01.2014 „Sexualerziehung an Schulen ist ein ewiges StreiNhema – dabei ist sie in der Gesellscha2 längst akzepOert. Für Aufregung sorgt dieses Mal die GeschlechtergerechOgkeit. Doch Eltern macht das Thema Angst.“ • Zeit online „Hass und Hetze gegen Geschlechterforscher, 12.08.2014 „Gender Studies ist eine junge Disziplin an Unis Immer wieder müssen Professoren mit der Frage kämpfen: Ist das eine Wissenscha2? Im Internet werden sie brutal bedroht.“ • Uni-‐Spiegel „Der Tusse die Rübe wegblasen“ 05/2014 „Genderforscher vertreten umstri{ge Thesen – und werden dafür radikal angegriffen. Der Soziologin Elisabeth Tuider wurde sogar mit Mord und VergewalOgung gedroht.“ • t-‐online „Streit um sexuelle AuXlärung“, 11.11.2014 „Kann man Teenager überhaut übersexualisieren?“ Institut für Pädagogik öffentliche Kontroversen • Frühsexualisierung und Übersexualisierung • Entnaturalisierung der Familie • Verwirrung der sexuellen OrienOerung • gewaltvolle Sexualpädagogik • Eingriff ins das Erziehungsrecht der Eltern • Netzwerk pädophiler Personen 15
Institut für Pädagogik strategischer Dialog mit der Öffentlichkeit • Sexualerziehung verläu2 zumeist ganz gut, aber noch nicht gut genug • Sexualerziehung wirkt, wenn sie die Jugendlichen ernst nimmt • Vielfalt ist vorhanden, sie wird den Jugendlichen nicht aufgezwungen • Die Menschen stärken gegen Gewalt • SelbstbesOmmung und Verantwortung bekommen eine Chance • Sexuelle SelbstbesOmmung und -‐verantwortung basieren auf ethischer OrienOerung • Sexualpädagogik ist poliIsch! Institut für Pädagogik PoliOsche Dimension der TäOgkeit Worin sehen Sie die politische Dimension Ihrer sexualpädagogischen Prozent Arbeit? Sexualfreundlichkeit fördern 22 Diversity Mainstreaming 22 Gleichstellung/Geschlechtergerechtigkeit/Emanzipation 19,5 Stärkung von Rechten 19,5 Positive sexuelle Bildung 19,5 Das Persönliche ist politisch 19,5 Öffentlichkeitsarbeit 9,8 Etablierung von Sexualpädagogik 7,3 Keine politische Dimension 7,3 16
Vortrag 2 Überlegungen zum Kulturbegriff für kultursensible Perspektiven in der (sexual)pädagogischen Arbeit Von Olivia Sarma Mit der kultursensiblen und interkulturellen Aus- Kulturelle Vielfalt, kulturelle Differenz, Interkulturalität, richtung pädagogischen Handelns reagieren wir auf Kultursensibilität sind die häufig verwendeten Schlag- besondere Herausforderungen, denen wir innerhalb worte, aber um zu verstehen was damit gemeint ist, der Migrationsgesellschaft begegnen. Ich nutze den stellt sich die Frage: Was verstehen wir unter Kultur? Begriff Migrationsgesellschaft weil er weiter greift als Mittlerweile gibt es einen Common Sense in vielen Einwanderungsgesellschaft, denn es geht nicht nur um Angeboten kultursensibler und interkultureller Bildungs- den Zuzug von Menschen und den Import von Kulturen, und Beratungsarbeit, nämlich dass wir Kultur nicht sondern um komplexe Veränderungsprozesse einer unmittelbar an Herkunft knüpfen dürfen, dass Kultur Gesellschaft durch die Mobilität der Menschen, die in ihr nicht statisch ist, sondern dynamisch und im Wandel. leben. Eine Migrationsgesellschaft zeichnet sich durch Das hat sich zumindest in der Außendarstellung vieler Menschen und Communitys mit verschiedensten Mig- Praktizierender als Grundsatz etabliert. Allerdings hat rationsbiografien, in unterschiedlichsten politischen und dieses Wissen um die Dynamiken von Kultur wenig Ein- sozialen Lagen, mit vielfältigen religiösen, ethnischen gang gefunden in die Methoden, Beispiele und Theorien und kulturellen Zugehörigkeiten aus. interkultureller Angebote. Die kultursensible Beratung ordne ich den Ansätzen der Diese Tatsache verweist auf ein Phänomen, das ich die interkulturellen Bildung zu. Beide Ansätze verbindet, ‚Doppelte Bedeutung von Kultur‘ nennen möchte – und dass sie versuchen, auf die vielfältigen Bedarfe und zwar einmal innerhalb der akademischen Welt und Belange ihrer Klientel einzugehen, indem sie „Kultur“ als innerhalb der Alltagswelt. Differenzmerkmal in ihren Fokus stellen. Ausgangslage ist, dass wir offenbar mit der „klassischen“ Ausrichtung Innerhalb des akademischen Diskurses hat sich in den unserer Arbeit nicht die Ziele erreichen, die wir unserer letzten Jahrzehnten ein Verständnis von Kultur durch- Arbeit setzen – sei es, dass wir die Menschen nicht errei- gesetzt, welches zum einen Kultur als sinngebendes chen, die wir erreichen wollen, oder dass es innerhalb und sinnverstehendes Handeln begreift – also bedeu- der Arbeit zu Unzufriedenheiten, Missverständnissen, tungsorientiert ist. Jeder Mensch verfügt demnach über schwierigen Kommunikationsdynamiken, Ablehnung sogenannte Bedeutungssysteme, die ihn befähigen in oder ähnlichem kommt. Die Schwierigkeit dieser Proble- bestimmten Gemeinschaften zu handeln und zu ver- matik identifizieren wir in der kulturellen Vielfalt, der wir stehen. Diese sind nicht angeboren, sondern werden nicht gerecht werden. durch Erfahrungen angeeignet und verändern sich. Im konkreten Fall sind das verschiedene soziale Räume, wie Mich begleiten in der Auseinandersetzung um dieses Familie oder KollegInnen, Netzwerke und Beziehung. Thema die Fragen: Diese können, wie in meinem Fall, zu einem großen Teil 1. Können Ansätze der Beratungs- und Bildungsarbeit transnational sein und deren Mitglieder wiederum ver- mit dem Fokus auf kulturelle Differenz die Teilhabe- und schiedenste transkulturelle Bezüge und entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten, sowie das soziale Miteinan- Bedeutungssysteme aufweisen. der der Klientel verbessern? 2. Wie gehen wir mit der Gefahr um, durch diesen Fokus Stereotype, Rassismen und Ungleichheitsverhältnisse zu reproduzieren? 17
Zum anderen ist Kultur ein Instrument beziehungsweise Kultur in dieser Doppelten Bedeutung veranschaulicht Mechanismus, soziale Räume zu organisieren, indem die Komplexität mit der wir es zu tun haben, wenn wir ich beispielsweise durch bestimmte kulturelle Praktiken kulturelle Diversität in unseren Ansätzen thematisieren: Zugehörigkeit oder Abgrenzung erzeuge. Dies muss in Menschen reproduzieren das statische Verständnis von hierarchischen und machtungleichen Verhältnissen Kultur ständig im Alltag, während wir „wissen“, dass gedacht werden. Es geht also immer auch um den Kultur „eigentlich ganz anders ist“. Diese beiden Bedeu- Kampf und den Zugang zu Ressourcen. Ob sich jemand tungen von Kultur spielen eine Rolle, wenn wir uns aus in der Gesellschaft zur Mehrheitsgesellschaft zuordnen professioneller Sicht damit auseinandersetzen. Was sol- kann oder nicht, wird entscheidende Auswirkungen auf len wir nun damit tun? Ich hörte letztens eine Trainerin seine Teilhabemöglichkeiten haben. über interkulturelle Bildung sagen: Es geht immer um Kultur und kulturelles Handeln bezieht sich demnach Wissen und Haltung. Nur Wissen alleine reicht nicht, nur auf Vergemeinschaftungsprozesse, die eine Wirkung auf Haltung auch nicht. Wenn Sie kompetent kultursensibel meine Handlungsräume innerhalb von Gesellschaften Handeln wollen, was für ein Wissen, welche Haltung haben. Kultur ist – im akademischen Diskurs – prozesso- wird benötigt? rientiert, handlungsorientiert und bedeutungsorientiert In Interkulturellen Trainings wird häufig Wissen über – also äußerst dynamisch und in ständiger Verhandlung eine Kultur vermittelt. Kulturstandards sind eine verbrei- begriffen. Innerhalb des öffentlichen Diskurses wird Kul- tete Methode. Solche Dinge wie Nähe/Distanzverhalten, tur jedoch weiterhin sehr statisch gedacht, und zwar in Kommunikationsregeln etc. werden als Wissensinhalte solchen Denkfiguren wie Kulturkreis, islamische, christ- für wichtig erachtet. Ich schlage vor, dass wir uns Wis- liche oder deutsche Kultur, multikulturelle Gesellschaft sen über Machtstrukturen in der Gesellschaft und Ihre etc. Besonders in Debatten um Probleme in der Einwan- Verquickung mit dem Diskurs über Kultur und kulturelle derungsgesellschaft, werden kulturelle Unterschiede Fremdheit aneignen. Wer nutzt „Kulturargumente“ für essentialisiert. Das meint, dass eine natürliche Existenz welchen Zweck, wer wird wie beschrieben, wenn kul- eines authentischen kulturellen Kerns von Menschen turelle Eigenarten beschrieben werden, und wer bezie- behauptet wird, der quasi angeboren und unveränder- hungsweise wessen „Kultur“ bleibt in diesen Diskursen bar sei. Dieser kulturelle Kern bezieht sich meist auf eine unsichtbar? nationale, ethnische oder religiöse Kultur und scheint unvereinbar mit anderen Kulturen zu sein. Daraus folgt Wo passieren Kulturalisierungen und welche Konse- dann: Man sei zwischen den Kulturen zerrissen, kulturell quenzen haben sie? Wo dienen kulturelle Themen als entwurzelt oder das sei einfach nicht mit unserer Kultur Erklärung für Verhaltensweisen, Missstände oder Ver- vereinbar. hältnisse und werden soziale, ökonomische oder politi- sche Aspekte verschleiert? Dieses Kulturverständnis wird von unterschiedlichen Akteuren genutzt: In Bezug auf Haltung plädiere ich für ein Professiona litätsverständnis, welches sich – wie Paul Mecheril sagt In der deutschen Gesellschaft schließt die Mehrheits- – die Grenzen des eigenen professionellen Handelns gesellschaft durch den Diskurs um ethnische Gruppen bewusst macht: Es wird keine Methode oder Theorie diese von einem deutschen „Wir“ aus, konstruiert also geben, die Unsicherheiten oder Befremdungsgefühle ein kulturelles „Andere“ und definiert damit ein kulturel- verhindert. Auch Konflikte können und sollen nicht ver- les „Wir“. Als Minderheiten markierte Gruppen nutzen mieden werden. Vielmehr kann eine kritisch-reflexive kulturelle Identitäten zum Erkämpfen von Minderhei- Haltung gegenüber der Verwendung von Begriffen wie tenrechten. Jugendliche organisieren ihren sozialen Kultur, Differenz und Zugehörigkeit entwickelt und Raum über die Artikulation kultureller Zugehörigkeiten, damit ihr Gebrauch auf ihre Funktion hinterfragt wer- auch religiöse Radikalisierung kann als Folge im Macht- den. kampf um kulturelle Zugehörigkeit verstanden werden. 18
Letztlich bedarf es der ständigen Selbstbeobachtung, um eigene Vorannahmen und Kategorien im Blick zu haben, sowie der Sensibilität, die von meinem Gegen- über geäußerten eigenen Differenzkategorien und deren Bedeutung wahrzunehmen. In einem solchen Rahmen sehe ich die Chance einer kultursensiblen Perspektive, die die Komplexität kultureller Vielfalt innerhalb von wirksamen Machtverhältnissen ernst nimmt. Olivia Sarma ist Bildungsreferentin Freiwilligendienste der AWO in Frankfurt am Main. Weiterführende Literatur: Elverich, Gabi; Kalpaka, Annita; Reindlmeier, Karin (Hg.) (2009): Spurensicherung. Reflexion von Bildungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft. Münster: Unrast Verlag Mecheril, Paul (2004): Einführung in die Migrationspädagogik. Weinheim: Beltz Messerschmidt, Astrid (2009): Weltbilder und Selbstbilder. Bildungsprozesse im Umgang mit Globalisierung, Migration und Zeitgeschichte. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel Reckwitz, Andreas (2001): Multikulturalismustheorien und der Kulturbegriff : Vom Homogenitätsmodell zum Modell kultureller Interferenzen. In: Berliner Journal für Soziologie, Jg. 11, H. 2, S. 179 – 200 Rommelspacher, Birgit (1995): Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht. Berlin: Orlanda Frauenverlag Sarma, Olivia (2012): Kulturkonzepte. Ein kritischer Diskussionsbeitrag für die interkulturelle Bildung. Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, Amt für multikulturelle Angelegenheiten, (verfügbar unter www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/KulturKonzepte_2012.pdf [27.11.2014]) 19
Vortrag 3 Menschenrechtsbildung ist … … mehr als reine Wissensvermittlung. Von Carina Fiebich-Dinkel Natürlich muss auch in diesem Kontext etwas gelehrt Übungen zum Einsatz kommen, die die aktive Teil- werden. Es gilt, die Lernenden ÜBER Menschenrechte zu nahme der Lernenden verlangen. Solche Techniken wie informieren. Die historische Errungenschaft der Bürger- Gruppenarbeit, Rollenspiele oder Brainstorming sollen rechte, die Entstehung der Allgemeinen Erklärung der dazu dienen, die Lernenden zu stimulieren und auf ein Menschenrechte (AEMR) und ihr historischer Kontext, bestimmtes Thema und seine Strukturen aufmerksam aktuelle Menschenrechtsverletzungen weltweit usw. zu machen. Partizipative Methoden, oder auch Erfah- kann der Lehrende als sein Wissen an die Lernenden rungslernen, führt im besten Fall dazu, dass sich die Ler- weitergeben. Menschenrechtsbildung darf aber nicht nenden in bestimmte Situationen hineinversetzen und hier stehen bleiben. Sie umfasst vielmehr zwei weitere Strukturen erkennen können und gegebenenfalls eigene Dimensionen, nämlich das Lernen DURCH Menschen- Einstellungen hinterfragen (zum Beispiel hinsichtlich rechte sowie das Lernen FÜR Menschenrechte. In diesen Diskriminierung oder Todesstrafe). beiden Dimensionen verlässt die Menschrechtsbildung Techniken und Übungen dürfen dabei nicht zum Selbst- den insbesondere im schulischen Unterricht gebräuch- zweck stattfinden, sondern sollen immer ein bestimm- lichen Pfad des Frontalunterrichts. Die Lehrenden sind tes pädagogisches Ziel verfolgen und entsprechend nicht länger die ExpertInnen auf einem Feld, welches sie eingesetzt werden. Notwendig für den angestrebten den Lernenden vermitteln sollen. Lernerfolg ist daher – neben der Möglichkeit, gewisse Das Lernen DURCH Menschenrechte ist dadurch gekenn- Erfahrungen zu machen und dies aus unterschiedlichen zeichnet, dass im Prozess des Lehrens und des Lernens Perspektiven – eine anschließende Diskussion und die Rechte aller geachtet werden und die Gedanken, Reflektion sowie Anbindung an die eigene Alltagswelt Ansichten und Einstellungen aller Beteiligten einflie- der im Rahmen der Übungen gemachten Erfahrungen. ßen sollen. Das Ziel ist die Bewusstseinsbildung, die Der Lehrende ist hier gefragt, diese Anbindung und Reflektion und die Diskussion von Einstellungen und Übertragung gemeinsam mit den Lernenden zu leisten. Haltungen in Bezug auf bestimmte Menschenrechte Im Kontext des partizipativen Lernens steht der Respekt sowie deren aktuelle Situation weltweit und in der eige- zwischen Lehrenden und Lernenden an oberster Stelle nen Gesellschaft. An dieser Stelle kommen Verfahren, und symbolisiert so das Lernen DURCH Menschen- Techniken und Übungen zum Einsatz, die partizipativ rechte. Gelehrt werden soll nicht durch Überzeugungs- ausgelegt sind und auf die persönliche Erfahrungswelt arbeit, sondern durch Bewusstseinsbildung und die abzielen. Herausbildung eines kritischen Urteilsvermögens. Dabei Die zugrunde liegende partizipative Methode verfolgt spielt das Wissen, welches die Lernenden mitbringen einen anderen pädagogischen Ansatz als die reine durchaus eine Rolle. Es wird sozusagen als ein zu heben- Wissensvermittlung. Das Ziel dieser Methode ist die des Potenzial betrachtet. Befähigung zum eigenständigen, analytischen Den- An dieser Stelle ist der Übergang zum Lernen FÜR ken und zum Eintreten für die eigenen Rechte und die Menschenrechte quasi fließend: Lernen FÜR die Men- Rechte anderer (Empowerment). Zu den Verfahren schenrechte hat zum Ziel, eigene Einstellungen und zählen S chulungen, Seminare, Workshops und Vorträge beziehungsweise Vorlesungen. Innerhalb dieser Ver- fahren können bestimmte Techniken beziehungsweise 20
Verhaltensweisen zu hinterfragen und diese mög Literaturhinweise und Materialien: licherweise im Alltag zu ändern. Dies kann zum Beispiel Amnesty International (Hg.): Moderationshandbuch. Leitfaden ein geändertes Verhalten gegenüber marginalisier- für die Verwendung partizipativer Methoden. Materialien zur Menschenrechtsbildung. 2013. ten Gruppen oder Einzelpersonen erzeugen (Thema Amnesty International: Diskriminierung) oder eine neue fundierte Einstellung www.amnesty-bildung.de/Main/MR-Bildung zur Todesstrafe, die auch nach außen vertreten wird. In Arbeitsgruppe Menschenrechtsbildung im FORUM jedem Fall sollte als das Ergebnis des Lernens FÜR Men- MENSCHENRECHTE (Hg.): Standards der Menschenrechtsbildung in schenrechte eine reflektierte, im Sinne der Menschen- Schulen. Berlin 2005. rechte begründbare Haltung stehen, die jemanden in Deutsches Institut für Menschenrechte: www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsbildung. die Lage versetzt, sich auf dieser Basis gegen Menschen- html rechtsverletzungen einzusetzen. Nürnberger Menschenrechtszentrum: www.diskriminierung.menschenrechte.org/materialien Carina Fiebich-Dinkel arbeitet für das Nürnberger (auf dieser Seite findet sich der Schnelleinstieg zu einzelnen Menschenrechtszentrum und Amnesty Interna- Übungen insbesondere zum Thema Diskriminierung sowie die Online-Ausgabe einer Handreichung zum Thema tional und ist Lehrbeauftragte der Universität Erlangen-Nürnberg. Die folgende Präsentation hat Carina Fiebich-Dinkel vorstellt: Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen über Menschenrechte • Im Vordergrund steht die Wissensvermittlung: Welche Prinzipien liegen den Menschenrechten zu Grunde? Was sind Menschenrechtsverletzungen? Welche Dokumente und Verfahren des Menschenrechtsschutzes gibt es? • Methode: • Frontalunterricht – • oder selbst (in Gruppenarbeit) erarbeiten lassen • Lehrkörper verfügt über relevantes Wissen Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen über Menschenrechte • Beispiel: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Anknüpfungspunkte schaffen durch Ausstellungsführung zum Nationalsozialismus Benennen der beobachteten Menschenrechtsverletzungen durch Schüler_innen (ohne Vorwissen) Aktivierung eigenen Potenzials – in Gruppenarbeit eine eigene ideale Menschenrechtscharta erstellen lassen Darstellung des internationalen Menschenrechtsschutzes durch Lehrkörper (AEMR der VN als Antwort auf Nationalsozialismus) 21
Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Menschenrechtsbildung darf sich nicht auf die Vermittlung von Wissen beschränken! Lernen durch Menschenrechte heißt: Sensibilisierung Schaffung eines Problembewusstseins Förderung bestimmter Einstelungen ► Angesprochen sind Werte und Einstellungen Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen durch Menschenrechte Methoden folgen einem anderen pädagogischen Ansatz: • Ansatzpunkte: vorhandene(s) Wissen /Werte/Einstellungen der Schüler_innen • Lehrkörper fungiert nur als Moderator_in • Notwendige Kompetenzen können nicht gelehrt, sondern müssen erfahren werden! Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen durch Menschenrechte • Kooperatives Lernen • Gemeinsames Lernen in einer Gruppe • Partizipatives Lernen • Teilnehmer_innen können selbst entscheiden, ob und wie intensiv sie sich einbringen möchten • Räume schaffen, an denen Teilnehmer_innnen aktiv partizipieren können • Erfahrungslernen • Techniken bzw. Übungen 22
Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen durch Menschenrechte • 5 Phasen des Erfahrungslernens • (1) Übung durchführen: Erfahrung machen • (2) Berichten: Reaktionen und Beobachtungen einbringen • (3) Reflektieren: Muster + Dynamiken, Einsichten in Erfahrungen gewinnen, Gefühle • (4) Verallgemeinern: Muster + Verhältnis zwischen Gelerntem und Wirklichkeit diskutieren • (5) Anwendung: Verhaltensweisen und Einstellungen ändern (Beispielübung „Bezwinge den Kreis!“) Input-Referat „Menschenrechtsbildung“ Carina Fiebich-Dinkel (Nürnberger Menschenrechtszentrum / Amnesty International) Lernen für Menschenrechte Phase 5 des Erfahrungslernens: „Anwendung: Verhaltensweisen und Einstellungen ändern“ • Über Einstellungen reden: Hat sich meine Einstellung zu einem Thema geändert? (Z. B. Einstellung zu Folter) • Welche Verhaltensweisen wollen Schüler_innen, Teilnehmer_innen zukünftig ändern? (Thema Diskriminierung: Wie verhalte ich mich in Zukunft? Wie reagiere ich in entsprechenden Situationen? Was ist mir bewusst geworden?) 23
Vortrag 4 Sexuelle Vielfalt in der Sexualpädagogik Von Dr. Thomas Viola Rieske Sexuelle Vielfalt in der sexualpädagogischen Arbeit Dr. Thomas Viola Rieske arbeitet im Projekt berührt viele Themen, die für die Sexualpädagogik nicht Aufdeckung und Prävention von sexualisierter neu sind, aber durch die aktuelle Präsenz des Themas Gewalt gegen männliche Kinder und Jugendliche einen weiteren Rahmen erhalten: Geschlecht, Lebens- bei Dissens e.V. Berlin. weisen/Beziehungsweisen, sexuelle Orientierung und sexuelle Praktiken. In diesen Bereichen zeigen sich unterschiedliche Normen, aus denen sich vielfältige Literaturempfehlung: Benachteiligungen für Jugendliche ergeben können. Queerformat und Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (Hrsg.) (2012): Geschlechtliche und sexuelle Diese gilt es als sexualpädagogische Fachkräfte zu ken- Vielfalt in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. nen und zu reflektieren. Handreichung für Fachkräfte derKinder-und Jugendhilfe. Berlin. Bestellung unter: www.queerformat.de Daher plädiert Thomas Viola Rieske für eine verstärkte Qualifizierung zum Thema sexuelle Vielfalt, auch wenn Die folgende Präsentation hat Thomas Viola Rieske bereits ein breites Basiswissen bei sexualpädagogischen vorgestellt: Fachkräften vorhanden ist. Es brauche Fachwissen, Stra- tegien im Umgang mit Jugendlichen und Eltern sowie Selbstreflexion. 1. Was heißt sexuelle Vielfalt? 2. Wird sexuelle Vielfalt akzep=ert? 3. Was braucht eine Sexualpädagogik der Vielfalt? 24
heterosexuell lesbisch schwul bisexuell pansexuell asexuell (nicht-) intergeschlechtlich männlich cisgender Queer weiblich rekreativ transgeschlechtlich prokreativ BDSM Fetisch vanilla … Regulierung sexueller Vielfalt Sexuelle Orien=erungen & Prak=ken, Geschlechter & Geschlechtsiden=täten, Beziehungsformen und Lebensweisen werden eingeschränkt und hierarchisiert – zentrale Merkmale dessen sind: • Zweigeschlechtlichkeit (nur 2 Geschlechter, die sich unterscheiden sollen) • Hegemoniale Männlichkeit (mit dem höchsten symbolischen und materiellen Wert sind bes=mmte Formen von Männlichkeit assoziiert) • Heteronorma=vität (die 2 Geschlechter sollen das je andere begehren)! • Interdependenz (Regulierungen von Geschlecht & Sexualität hängen mit anderen Formen sozialer Hierarchisierung und Regulierung zusammen)! 25
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