WER ARBEITET AN DEN FESTTAGEN 2022 / 2023? - ANALYSEN ZUR TARIFPOLITIK Nr. 92 Dezember 2022 - Hans-Böckler-Stiftung

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REPORT
ANALYSEN ZUR TARIFPOLITIK
Nr. 92 · Dezember 2022

WER ARBEITET AN DEN
FESTTAGEN 2022 / 2023?
Eric Seils, Helge Emmler und WSI-Tarifarchiv

                                               WSI Report     Seite 1
Einleitung 1

Die Arbeit an den Festtagen zwischen den Jahren ist ein weitaus komplexe-
res Thema als man zunächst meinen möchte: Das Arbeitszeitgesetz regelt
die Arbeit an den gesetzlichen Feiertagen. Heiligabend und Silvester sind
aber keine gesetzlichen Feiertage, weshalb für diese Tage branchenspezifi-
sche tarifliche Regelungen, die regional variieren können, von großer Be-
deutung sind. Im Laufe der Jahre fallen die verschiedenen Feiertage zudem
auf unterschiedliche Wochentage. Auch die Regelungen zu den Ladenöff-
nungszeiten und den sogenannten „Stillen Tagen“ sollten nicht übersehen
werden. Schließlich kommen noch Urlaubs- oder Arbeitszeitverkürzungstage
(AZV-Tage) ins Spiel.
Um etwas Licht in dieses winterliche Dunkel zu bringen, wird im Folgenden
auf das gesetzliche Regelwerk eingegangen. Danach werden einige Ergeb-
nisse der WSI-Erwerbspersonenbefragung vorgestellt, die Auskunft darüber
geben, wer an den Feiertagen zwischen den Jahren arbeiten muss. Im An-
schluss wird auf Daten des WSI-Tarifarchivs zurückgegriffen, um Informati-
onen darüber zu gewinnen, in welchen Wirtschaftszweigen und Regionen
sich aus den Tarifverträgen Ansprüche auf (teilweise) arbeitsfreie Tage an
Heiligabend und Silvester ableiten lassen. Zunächst jedoch einige kurze An-
merkungen zu den verwendeten Datenquellen.

Daten

Das vorliegende Papier fußt im Wesentlichen auf der WSI-Erwerbsperso-
nenbefragung und dem WSI-Tarifarchiv. Bei der WSI-Erwerbspersonenbe-
fragung handelt es sich um eine Befragung von Erwerbspersonen, die von
der Firma Kantar im Auftrag des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt wurde. In der 9. Welle
wurden im November 2022 insgesamt rund 5.000 Erwerbstätige und Arbeits-
lose (ohne Rentner) in computergestützten Web-Interviews befragt. Die hier
interessierende Frage lautet:
An welchen der folgenden Tage werden Sie arbeiten müssen?
–         An Heiligabend bis 14 Uhr
–         An Heiligabend nach 14 Uhr
–         Am 1. Weihnachtsfeiertag
–         Am 2. Weihnachtsfeiertag
–         An Silvester bis 14 Uhr
–         An Silvester nach 14 Uhr
–         Am Neujahrstag

Zu dieser Frage liegen ca. 4.180 gültige Antworten vor.

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1   Wir danken Toralf Pusch, Bettina Kohlrausch und Thorsten Schulten für ihre tatkräftige Unterstützung und wichtige Hinweise.

Seite 2                                                                   Nr. 92 · Dezember 2022 · Hans-Böckler-Stiftung
Das WSI-Tarifarchiv ist die größte Sammlung von Tarifverträgen in der Bun-
desrepublik Deutschland und die zentrale tarifpolitische Dokumentations-
stelle der im Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossenen Ge-
werkschaften. Seit den 1950er Jahren wurde dort neben der tariflichen Ent-
geltstatistik eine Arbeitszeitstatistik entwickelt, welche über die Entwicklung
der tariflichen Wochenarbeitszeit, der Urlaubsdauer und der Jahresarbeits-
zeit in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen Auskunft gibt. Gegenwärtig
werden laufend über 5.000 Tarifverträge beobachtet, ausgewertet und archi-
viert.

Gesetzliche Regelungen

Grundsätzlich gilt laut § 9 Arbeitszeitgesetz, dass Arbeitnehmer an Sonn-
und gesetzlichen Feiertagen ganztägig nicht beschäftigt werden dürfen. So-
fern die Arbeiten aber nicht an regulären Werktagen erledigt werden können,
gelten nach § 10 desselben Gesetzes zahlreiche branchenspezifische Aus-
nahmen: Not- und Rettungsdienste dürften ebenso wie die Feuerwehr an
den bevorstehenden Feiertagen eher überdurchschnittlich gefordert sein.
Auch die Arbeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen muss zumindest
mit einer Rumpfbesetzung weitergeführt werden können. Ähnliches gilt für
die Tierhaltung und die Energie- und Wasserversorgung sowie die Abfall-
und Abwasserentsorgung. Schließlich gibt es Regelungen, die verhindern
sollen, dass durch einen Arbeitsausfall Produktionsanlagen oder Arbeitser-
gebnisse verderben oder zerstört werden. Ein eigens im Gesetz erwähnter
Punkt ist etwa der Transport von leichtverderblichen Waren. Es gibt jedoch
auch Ausnahmen für Tätigkeiten, die zwar nicht zwingend erforderlich sind
aber den Kunden und Produzenten wünschenswert erscheinen: Dies gilt
etwa für das Gastgewerbe, öffentliche Darbietungen, Rundfunk und Presse,
Messen und Museen. Schließlich seien noch die kirchlichen Messen ge-
nannt, die von der (katholischen) Kirche als Dienst am Herrn als zwingend
erforderlich angesehen werden.
Außer in den genannten Ausnahmefällen ruht also die Arbeit an den beiden
Weihnachtsfeiertagen und an Neujahr. Dies gilt jedoch nicht für Heiligabend
und Silvester, da es sich um Werktage handelt. Allerdings müssen die meis-
ten Geschäfte um 14.00 Uhr aufgrund der Ladenöffnungszeiten schließen.
Eine Ausnahme gilt etwa für Tankstellen. 2 Zudem gilt an diesen beiden Ta-
gen ab 14.00 Uhr eine steuerrechtliche Sonderregelung 3: Am Nachmittag
sind Zuschläge zum Arbeitslohn bis zu einer Höhe von 150 Prozent des
Grundlohnes steuerfrei. An Silvester gilt eine Obergrenze von 125 Prozent
des Grundlohnes. 4 Zudem gilt Heiligabend als sogenannter „Stiller Tag“, was
in manchen Bundesländern die Folge hat, dass Tätigkeiten, die mit Lärm
einhergehen, nicht ausgeübt werden dürfen.

—————————
2 Man vergleiche etwa: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000525
3 §3b, Absatz 1, Nr. 3 und 4. Vergleiche hierzu:
https://lsth.bundesfinanzministerium.de/lsth/2022/A-Einkommensteuergesetz/II-Einkommen/2-Steuerfreie-Einnahmen/Paragraf-3b/in-
halt.html .
4 Die Steuerfreiheit von Zuschlägen gilt nur, insofern kein Freizeitausgleich gewährt wird. Sozialversicherungsfrei sind die Zuschläge

nur, insoweit der Stundenlohn des Grundlohnes 25 Euro nicht übersteigt. Vergleiche hierzu:
https://verdi-bub.de/wissen/praxistipps/weihnachten-und-silvester .

Nr. 92 · Dezember 2022 · Hans-Böckler-Stiftung                                                                                 Seite 3
Wer muss wann arbeiten?

                                      In diesem Jahr fallen Heiligabend und Silvester auf einen Samstag. Während
                                      sich manche freuen, dass sie deshalb Heiligabend ruhig angehen können
                                      bzw. Zeit haben, die Silvesterparty vorzubereiten, ärgern sich andere, dass
                                      ein halber oder gar ganzer Urlaubstag gleichsam verloren ist. Im Hinblick auf
                                      die Ergebnisse der WSI-Erwerbspersonenbefragung ist bei der Interpretation
                                      ein gewisser kalendarischer Effekt zu berücksichtigen, der den Anteil derje-
                                      nigen, die an den genannten Feiertagen arbeiten müssen, senkt, weil viele
                                      Beschäftigte samstags ohnehin nicht arbeiten.

Tabelle 1: Anteil der Arbeitenden, 2022 / 2023

                                                Heiligabend                    1. Weih-       2. Weih-             Silvester            Neujahr
                                                                               nachtstag      nachtstag

                                           bis                 ab                                             bis             ab
                                        14.00 Uhr          14.00 Uhr                                       14.00 Uhr      14.00 Uhr

Insgesamt                                  20                  8                     9         10            19                10          9

mit Kindern                                21                  8                     9         10            20                10          9

ohne Kinder                                18                  7                     9          9            17                8          10

bedarfsgewichtetes
Haushaltseinkommen
unter 1.500 Euro                           29                 10                    12         15            29                12         14

1.500 bis unter 2.000 Euro                 26                  9                    13         13            25                12         10

2.000 bis unter 2.500 Euro                 19                 10                    11         11            17                11          9

2.500 bis unter 3.500 Euro                 15                  6                     7          7            14                8           8

3.500 bis unter 5.000 Euro                 16                  6                     7          8            16                9           9

5.000 und mehr Euro                        17                 10                     8          7            17                10          8

Geschlecht

Männer                                     22                  9                    11         11            21                12         10

Frauen                                     18                  7                     8          8            17                8           8

Region

Ost (inkl. Berlin)                         22                  7                    11         12            21                11         11

West                                       20                  8                     9          9            19                10          9

Quelle: WSI-Erwerbspersonenbefragung, 9. Welle, gewichtete Ergebnisse, eigene Berechnungen.

                                      Tabelle 1 zeigt, welcher Prozentsatz der Erwerbstätigen am jeweiligen Fest-
                                      tag arbeiten muss. Von größtem Interesse ist natürlich Heiligabend, der zu-
                                      mindest den Kindern – neben dem eigenen Geburtstag – als wichtigster Tag
                                      im Jahr gilt. Am Vormittag des 24. Dezember müssen noch 20 Prozent aller
                                      Erwerbstätigen arbeiten. Nach 14 Uhr sinkt der Anteil der Arbeitenden unter
                                      den Erwerbstätigen auf den tiefsten Stand an den Festtagen, was die Be-
                                      deutung dieses Abends illustriert. Dennoch müssen acht Prozent der

                                      Seite 4                                                       Nr. 92 · Dezember 2022 · Hans-Böckler-Stiftung
Erwerbstätigen arbeiten, wenn die Bescherung naht! An den beiden Weih-
nachtsfeiertagen steigen die Werte gegenüber Heiligabend kaum an.
Am Vormittag des Silvestertages müssen jedoch immerhin 19 Prozent der
Erwerbstätigen arbeiten. Nach 14.00 Uhr sinkt der Anteil auf zehn Prozent,
einen Wert, der dem der Weihnachtsfeiertage entspricht. An Neujahr ist es
neun Prozent der Erwerbstätigen nicht vergönnt, auszuschlafen.
Bemerkenswert ist schließlich, dass Erwerbstätige aus Haushalten mit ei-
nem niedrigen bedarfsgewichteten Haushaltseinkommen häufiger an den
Festtagen arbeiten müssen als solche mit einem hohen Haushaltseinkom-
men. Besonders auffällig ist das Muster am Vormittag von Heiligabend, an
dem 29 Prozent der Erwerbstätigen mit einem bedarfsgewichteten Haus-
haltseinkommen von unter 1.500 Euro zur Arbeit gehen müssen, während
der Anteil bei höheren Haushaltseinkommen nur noch bei 15 bis 17 Prozent
liegt. 5 Ähnlich ist die Situation am Silvestervormittag. An den übrigen Zeit-
punkten ist das Muster weniger deutlich, verschwindet jedoch nicht.
Schließlich müssen Männer tendenziell häufiger als Frauen an den Festta-
gen zur Arbeit gehen. Dies zeigt sich am ehesten am Vormittag von Heilig-
abend und am Silvesternachmittag.

Tabelle 2: Arbeit an Feiertagen nach Wirtschaftszweigen, 2022 / 2023

                                                   Heiligabend                  1. Weih-       2. Weih-                  Silvester             Neujahr
                                                                                nachtstag      nachtstag

                                                bis              ab                                                  bis               ab
                                             14.00 Uhr       14.00 Uhr                                            14.00 Uhr        14.00 Uhr

    Energie, Wasserversorgung,                     10            7                  7                8                 14               8        9
    Bergbau

    Verarbeitendes Gewerbe /                       10            3                  3                4                  9               3        4
    sonstiges prod. Gewerbe

    Baugewerbe                                     13            2                  3                4                 12               3        3

    Handel, Kfz-Gewerbe                            45            4                  3                4                 43               16       4

    Verkehr und Logistik                           33           16                  16              20                 31               18      17

    Gastgewerbe                                    29           13                  32              37                 32               27      31

    Medien, Information,                           21            8                  6                6                 23               9        5
    Kommunikation, Kunst

    Finanz- und Versicherungs-                     12            5                  7                7                  9               6        6
    dienstleistungen

    Sonstige Dienstleistungen                      20            7                  9                9                 21               8        8

    Öffentliche Verwaltung                          7            5                  8                8                  7               6        6

    Erziehung und Unterricht                       11            2                  5                2                  5               3        2

    Gesundheits- und Sozialwesen                   23           22                  25              23                 23               22      25

Quelle: WSI-Erwerbspersonenbefragung, 9. Welle, gewichtete Ergebnisse, eigene Berechnungen für eine Auswahl an Wirtschaftszweigen mit
ausreichenden Fallzahlen.

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5   Möglicherweise steigt der Anteil bei sehr hohen Haushaltseinkommen wieder an.

Nr. 92 · Dezember 2022 · Hans-Böckler-Stiftung                                                                        Seite 5
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Befragung nach Wirtschaftszweigen ge-
gliedert. Wenngleich davon Abstand genommen werden sollte, die Angaben
zu Wirtschaftszweigen mit kleinen Fallzahlen im Detail zu interpretieren, so
fällt doch auf, dass der Anteil der Arbeitenden an den Erwerbstätigen erheb-
lich variiert. Besonders hohe Werte sind im Gastgewerbe, dem Handel sowie
in Verkehr und Logistik zu beobachten, während die Werte im Öffentlichen
Dienst oder dem Verarbeitenden Gewerbe niedrig ausfallen. Wenig überra-
schend müssen am Vormittag des 24.12.2022 besonders viele Menschen im
Handel arbeiten, was sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, dass die Ge-
schäfte zumeist bis 14.00 Uhr geöffnet haben, um das Weihnachtsgeschäft
bis zum Ende zu nutzen und den Kunden die letzten Einkäufe für das Fest
zu ermöglichen. Am Nachmittag sinkt der Anteil der Arbeitenden in der Bran-
che, weil die Läden aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zu den Laden-
öffnungszeiten schließen müssen. Am Silvestervormittag arbeiten wiederum
viele Menschen im Gastgewerbe, weil dann bis zur letzten Minute Feuer-
werkskörper und sonstiger Festtagsbedarf verkauft wird. Im Gastgewerbe
bleibt der Anteil der Arbeitenden hingegen hoch. Darin spiegelt sich die hohe
Nachfrage nach diesen Dienstleistungen zwischen den Jahren. Die Wirt-
schaftszweige „Energie, Wasserversorgung und Bergbau“, „Verkehr und Lo-
gistik“ sowie „Gesundheits- und Sozialwesen“ zeichnen sich demgegenüber
durch einen über die verschiedenen Zeitpunkte recht konstanten Anteil aus.
Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass in diesen Bereichen die Versor-
gungssicherheit gewährleistet werden muss.
Auffällig ist schließlich, dass der Anteil der Arbeitenden am Nachmittag des
Heiligabends und Silvester in vielen Branchen auffällig niedrig ist, obwohl es
sich nicht um gesetzliche Feiertage handelt. Das führt zu der Frage, inwie-
fern Tarifverträge dazu beitragen, dass Beschäftigte am Heiligabend und Sil-
vester einen (teilweise) freien Tag haben.

Der Einfluss der Tarifverträge

In diesem Jahr ist die Bedeutung der Tarifverträge durch den Umstand redu-
ziert, dass viele Beschäftigte samstags ohnehin nicht arbeiten müssen.
Grundsätzlich gibt es zahlreiche Branchen, in denen die Tarifverträge an Hei-
ligabend und Silvester jeweils einen ganzen arbeitsfreien Tag vorsehen. Die
folgende Liste bietet hierzu einige Beispiele, ist aber keineswegs erschöp-
fend:

–    Obschon zumindest die Energie- und Wasserversorgung auch über die
     Feiertage sichergestellt sein muss, haben fast alle tarifgebundenen Be-
     schäftigten in Energie, Wasserversorgung und Bergbau beinahe
     bundesweit an Heiligabend und Silvester ganztägig frei, ohne dass Ur-
     laub oder AZV-Tage geopfert werden müssen. Ausnahmen sind die
     Private Energieversorgung Südwest und die Energieversorgung Bay-
     ern, bei denen nur ein halber Tag arbeitsfrei ist.

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–    Auch im Öffentlichen Dienst umfassen die Tarifverträge für die Ge-
     bietskörperschaften und die Sozialversicherung fast durchgehend
     Bestimmungen, wonach die beiden Festtage arbeitsfrei sind. Zu den
     wenigen Ausnahmen gehören etwa die Spartentarifverträge für den
     Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (jeweils ein
     halber Tag) sowie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und
     im Saarland (keine freien Tage). Außerdem einzelne Tarifverträge für
     (Gruppen von) Krankenkassen.
–    Bei den privaten, genossenschaftlichen und öffentlichen Banken sowie
     bei den Versicherungen (Innendienst) ist sowohl Heiligabend als auch
     Silvester generell arbeitsfrei, insofern das Unternehmen tarifgebunden
     ist.
–    Die Vereinbarungen für das Mineralölverarbeitende Gewerbe bei BP,
     ExxonMobil und Shell begründen einen Anspruch auf jeweils einen
     ganzen freien Tag.
–    In der Volkswagen AG (Werke West), bei IBM und Telefónica sind
     sowohl Heiligabend als auch Silvester ganztägig arbeitsfrei.
–    Auch der Tarifvertrag für die Beschäftigten der Deutschen Telekom
     AG sieht jeweils einen ganzen arbeitsfreien Tag vor. Zu berücksichti-
     gen ist allerdings, dass dies nicht für die weitaus zahlreicheren Be-
     schäftigten der Telekom Servicegesellschaften gilt.

Daneben gibt es eine lange Reihe von Branchen, in denen in verschiedenen
Kombinationen weniger als jeweils ein ganzer arbeitsfreier Tag vorgesehen
ist. Die folgende Auflistung illustriert dies anhand einiger Fälle:

–    Eine vergleichsweise erfreuliche Variante findet sich im Tarifvertrag der
     Erfrischungsgetränkeindustrie in Nordrhein-Westfalen, wonach Hei-
     ligabend ganztägig frei ist, Silvester aber nur ein halber Tag.
–    In der Chemischen Industrie ist laut Tarifvertrag pro Festtag ein hal-
     ber Tag arbeitsfrei.
–    Ein weiterer Fall sind die Tarifverträge für die Vodafone AG, wo so-
     wohl in West- als auch in Ostdeutschland jeweils ein halber freier Tag
     festgeschrieben ist.
–    Ein halber Tag ist auch für die Mineralbrunnenindustrie in Nordrhein-
     Westfalen, Baden-Württemberg und den gesamten Osten festgeschrie-
     ben worden. In Niedersachsen und Bremen ist es in den Tarifverträgen
     sogar gelungen, beide Tage ganz arbeitsfrei zu halten.
–    Während der Tarifvertrag für das Bodenpersonal der Lufthansa in Ost
     und West jeweils einen halben freien Tag vorsieht, finden sich im Tarif-
     vertrag für das Kabinenpersonal keine derartigen Regelungen.
–    Im Tarifvertrag für die etwa 120.000 Beschäftigten der Deutschen
     Bahn AG ist an Heiligabend und Silvester ebenfalls jeweils ein halber
     freier Tag festgeschrieben, während der Vertrag für die nichtbundes-
     eigenen Eisenbahnen in Westdeutschland nur jeweils 0,25 freie Tage
     vorsieht.

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Schließlich muss konstatiert werden, dass es weiterhin viele Branchen und
Firmen gibt, in deren Tarifverträgen keinerlei freie Arbeitstage an den Fest-
tagen festgeschrieben sind: Ein sehr bekanntes Beispiel ist die Deutsche
Post AG in deren Tarifverträgen für Ost und West die freien Tage an den
beiden Festtagen bis Dezember 2023 ausgesetzt wurden. Das Gleiche gilt
u. a. für die folgenden Branchen: Maler- und Lackiererhandwerk, Gerüst-
baugewerbe, Friseurhandwerk und das Bewachungsgewerbe.

Fazit

Arbeiten an den Festtagen ist in manchen Fällen notwendig aber grundsätz-
lich sehr unpopulär. Gesetzliche Regelungen sorgen für arbeitsfreie Tage an
den Weihnachtsfeiertagen und an Neujahr. Wenn Heiligabend und Silvester
nicht gerade auf einen Tag am Wochenende fallen, begründen neben Ein-
schränkungen der Ladenöffnungszeiten vor allem tarifliche Regelungen An-
sprüche auf (teilweise) arbeitsfreie Tage ohne auf Urlaub oder Arbeitszeit-
verkürzung (AZV) zurückgreifen zu müssen. Obwohl die beiden Tage in die-
sem Jahr auf einen Samstag fallen, müssen ca. acht Prozent der Erwerbstä-
tigen am Nachmittag des Heiligabends arbeiten.

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Wer arbeitet an den Festtagen 2022 / 2023?   Kontakt
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www.tarifvertrag.de                          Analysen zur Tarifpolitik (Internet)   ISSN 2751-8574
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