Wer ruft sie beim Namen? - Kathi-Lampert-Schule

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Wer ruft sie beim Namen? - Kathi-Lampert-Schule
ARTelier Loackerhuus
                                                         Lebenshilfe Vorarlberg
                                                         Götzis, im Jänner 2018/mr

Wer ruft sie beim Namen?
Projekt – Carl Lampert Woche 4. bis 14. November 2017
LEBENwert-Vom Wert des Lebens und wer darüber entscheidet, was lebenswert ist.

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Darst. 1: Wer ruft sie beim Namen. Foto: Loacker, 2017
Wer ruft sie beim Namen? - Kathi-Lampert-Schule
Wer ruft sie beim Namen?
Im Juli 2017 nimmt Dir. Gerhard Hofer, Leiter der Kathi-Lampert Schule, mit uns,
dem ARTelier im Loackerhuus, Kontakt auf. Seine Anfrage betrifft ein sehr spezielles
Kunstprojekt für die diesjährige Carl Lampert Gedenkwoche der Katholischen Kirche
Vorarlberg.
Es soll auf einem Leichentuch den etwa 300 Euthanasieopfern Vorarlbergs gedacht
werden. Diese Menschen wurden während des Zweiten Weltkriegs nach Schloss
Hartheim bei Linz deportiert und dort ermordet.
Am 4. November soll ein Gedenkmarsch von der Basilika zum Valdunafriedhof in
Rankweil gehen. Alle Namen sollen an diesem Tag öffentlich ausgerufen und auf den
Tüchern visualisiert werden.
Die Thematik soll sichtbar werden, die Aktion Anstoß geben, die Getöteten in unsere
Mitte zu nehmen.

Planung
Von Anfang an ist klar, dass wir dieses Projekt im ARTelier mit den uns zur
Verfügung stehenden Ressourcen umsetzen möchten.                                       2

Die Malenden sollten ihre persönlichen Fähigkeiten einbringen dürfen und Akteure
werden.
Die Zeiten haben sich geändert. Heute machen Menschen mit Beeinträchtigung an
öffentlichen Aktionen mit; sie machen Kunst, die machen auf sich aufmerksam und
sind dabei.
Das fordern sie ein. Und das ist gut so. Es wird zusehends normaler verschieden zu
sein.

Partizipation
Menschen mit Beeinträchtigung haben ein Recht zur Teilhabe. Am öffentlichen
Leben, an Gedenkfeiern, an der Aufarbeitung der Geschichte. Nur wer seine
Vergangenheit kennt, weiß über sich und kann sich in Zukunft entfalten und
entwickeln. Die Euthanasie klebt am Thema der Behindertenarbeit. Stumm und
aufdringlich.
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Jeder Malende hatte die freie Wahl am Projekt mitzuarbeiten und sich mit seinen
Fähigkeiten einzubringen. Sei es mit Fragen, aktivem Bestempeln der Tücher,
Schreiben der Namen, Unterstützung beim Zusammennähen der insgesamt 40 Meter
Stoff. Alle Handgriffe und Gedanken wuchsen zusammen wie die Texturen der
Aussteuerwäsche, die wir für dieses Projekt verwendeten.

Was uns von Anfang an wichtig ist, dass unsere Klienten am Aktionstag teilnehmen.

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Darst. 2: Gedenkmarsch. Foto: Loacker, 2017

Umsetzung
Anfang Oktober standen wir bereits voll im Arbeitsprozess.
Die alten Leintücher und Wäschestücke wurden händisch in erdigem Lindgrün
gefärbt. Malende standen sich gegenseitig Modell, um ihre Silhouetten auf die
Tücher zu kopieren, Schatten von Personen wurden sichtbar gemacht; viele
Namenlose.
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Darst. 3: Silhouetten. Foto: Fischnaller, 2017

Mitte Oktober erhielten wir die Listen. Die Deportationslisten.

Nun ging es an die Übertragung der Namen auf die Stoffbahnen.                             4

                                      Darst. 4: Stempeln. Foto: Fischnaller, 2017

Zuerst kamen nur Männernamen, dann zeilenweise nur Frauennamen. Alle Namen
klangen nach gewöhnlichen Vorarlberger Namen. Bösch, Grabher, Wüstner. So viele
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Josefs, so viele Annas und Idas stellten die Klienten fest. Zu diesem Zeitpunkt
begann die Phase des Fragens:
„Was sind das für Namen?“
„Wer sind diese Menschen?“

Darst. 5 : Tücher. Foto: Rüscher, 2017

Als von den Geschehnissen während des Zweiten Weltkriegs erzählt wurde, kamen
noch mehr Gegenfragen:                                                            5
„Was hatten diese Menschen, dass man sie nicht haben wollte?“
„Wäre das uns auch passiert, wenn wir damals gelebt hätten?“
JA!

Darst. 6 : Buchstaben. Foto: Rüscher, 2017
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Darst. 6 : Namen. Foto: Rüscher, 2017

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Darst. 7 : Im Arbeitsprozess. Foto: Fischnaller, 2017

Darst. 8 : Stempeln. Foto: Fehle, 2017
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Veronika Fehle
An einem Mittwoch im Oktober besuchte uns Frau Fehle von der Katholischen Kirche
Vorarlberg im ARTelier und beobachtete unsere Arbeitsprozesse. Mit großer
Wertschätzung nahm sie Kontakt zu den Malenden auf. Sie sog die Atmosphäre auf
und gab ihre Eindrücke in einem Zeitungsartikel der Vorarlberger Öffentlichkeit
wieder, wie Menschen mit Behinderung heute schaffen, wirken und sich dabei mutig
mit Zeitgeschichte auseinandersetzen.
https://www.vn.at/kultur/2017/10/31/300-namen-und-300-leben.vn

Kathi Lampert

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                     Darst. 9 : Katharina Lampert. Foto: o.V, o.J.

Der Name Katharina Lampert stand auf der Liste.
Ihr Name wurde von Frau Gmeiner, Mitarbeiterin der Kathi-Lampert Schule in das
Leichentuch gestickt.
Frau Jansen, Lehrende an derselben Schule, wollte als betroffene Angehörige den
Namen ihrer Großtante gestalten. Plötzlich begann auch eine Kooperation mit
Schülern. Einige kamen ins ARTelier und übertrugen gemeinsam mit den Klienten
Namen auf die Tücher.
http://www.kathi-lampert-schule.at/ueber-uns/kathi-lampert/dokumente-und-fotos-
kathi-lampert/

Gedenkmarsch
Der vierte November. Bis dahin sollten alle Namen auf die zwei je 20 Meter langen
Tücher übertragen sein.
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Darst. 10 : Tücher am Friedhof. Foto: Rüscher, 2017

Am Samstag nach Allerheiligen trafen wir uns, Malende, Begleitende und Angehörige
aus dem ARTelier, um der Gedenkfeier in Rankweil beizuwohnen und diese
mitzugestalten.
Unser gemeinsames Ziel war die Lichtung hinter der Valduna, wo wir auf den großen
Gedenkmarsch warteten. An zwei Stationen wurden bereits unter anderem von
Schülern der Kathi-Lampert Schule 283 Namen der Getöteten verlesen.
An diesem Treffpunkt wurden die letzten 9 Namen der Euthanasieopfer von
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Menschen mit Beeinträchtigung und deren Verwandten vorgelesen.

Hier wurden die Tücher mit den 292 Namen enthüllt, gemeinsam zum Friedhof
getragen und aufgehängt.

Darst. 11 : Gedenkmarsch am Friedhof. Foto: Loacker, 2017

Die Tücher hatten einen kurzen Auftritt. Eindrücklich und intensiv.
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Buchpräsentation verborgen – vergessen - namenlos
Im Vinomnasaal in Rankweil fand 10 Tage später die Präsentation von Thomas
Albrichs Buch über „Das Nazi-Interregnum in der Valduna von 1938-1945“ statt.
In einer Expertenrunde wurden Fragen gestellt und Antworten gesucht. Im
Hintergrund kleideten die Leichentücher den Raum der Veranstaltung ein.

Beeindruckend.

Kathi-Lampert Schule
Seit Dezember 2017 hängen die Tücher im Lichtschacht des Bildungshauses am
Garnmarkt. Wer in der Volkshochschule steht und nach oben blickt, sieht auf den
Tüchern, die fahnenhaft die Zwischenräume der Stockwerke säumen, die Namen der
Vorarlberger Euthanasieopfer und liest die Frage: Wer kennt ihre Namen?

Am 17. Jänner 2018 wird dort eine Vernissage stattfinden.

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Plan Hartheim
Die Auftragsarbeit Leichentücher für die Carl Lampert Gedenkwoche wurde mit 800
Euro bezahlt. Die Kunst und das Können der Malenden wurden somit auch finanziell
abgegolten und ästimiert.
Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, den Verdienst in eine Reise nach Linz
zum Schloss Hartheim zu investieren. Vielleicht sogar mit einer Gruppe Schüler der
Kathi-Lampert Schule?

Das wäre schon das nächste Projekt!
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Internetberichte
www.youtube.com/channel/UCM3ZzINIZy28uvNz9yJavHQ
www.vol.at/wer-ruft-sie-beim-namen/5539259
https://www.vn.at/kultur/2017/10/31/300-namen-und-300-leben.vn

Verzeichnis der Fotos
Loacker, Birgit (2017): Wer ruft sie beim Namen? Aus: Vorarlberger Online (2017): Wer ruft sie beim Namen?
Verfügbar unter www.vol.at/wer-ruft-sie-beim-namen/5539259 [11.01.2018]
Loacker, Birgit (2017): Gedenkmarsch. Aus: Vorarlberger Online (2017): Wer ruft sie beim Namen? Verfügbar
unter www.vol.at/wer-ruft-sie-beim-namen/5539259 [11.01.2018]
Fischnaller, Elisabeth (2017): Silhouetten. Privatfoto
Fischnaller, Elisabeth (2017): Stempeln. Privatfoto
Rüscher, Michaela (2017): Tücher. Privatfoto
Rüscher, Michaela (2017): Buchstaben. Privatfoto
Rüscher, Michaela (2017): Namen. Privatfoto
Fischnaller, Elisabeth (2017): Im Arbeitsprozess. Privatfoto
Fehle, Veronika (2017): Stempeln. Aus: Vorarlberger Nachrichten (2017): 300 Namen und 300 Leben. Verfügbar
unter https://www.vn.at/kultur/2017/10/31/300-namen-und-300-leben.vn [11.01.2018]
o.V. (o.J.): Katharina Lampert. Aus: Lebensspuren. http://lebensspuren.schloss-hartheim.at/index.php/2-
biografie/25-katharina-lampert [11.01.2018]
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Rüscher, Michaela (2017): Tücher am Friedhof. Privatfoto
Loacker, Birgit (2017): Gedenkmarsch am Friedhof. Aus: Vorarlberger Online (2017): Wer ruft sie beim Namen?
Verfügbar unter www.vol.at/wer-ruft-sie-beim-namen/5539259 [11.01.2018]

ARTelier Loackerhuus
Michelle Biedermann, Elisabeth Fischnaller, Ida Neuschmid, Michaela Rüscher
www.lebenshilfe-vorarlberg.at
05523 506 10133
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