Wie aus Ideen Innovationen werden - KREATIVITÄT ALS STRATEGIE
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
38 | knowledge Wie aus Ideen Innovationen werden KREATIVITÄT ALS STRATEGIE Foto: pixelio.de managerSeminare | Heft 133 | April 2009
knowledge | 39 Es klingt paradox: Ausgerechnet jene Unternehmen, die sich besonders um die Förderung von Kreativität bemühen, landen häufig im Innovationsstau. Ideenprofi Jens-Uwe Meyer hat das Phänomen untersucht und dabei eine ganze Reihe von Miss- verständnissen aufgedeckt, die über Kreativität kursieren. Die fünf größten kreativen Denkfehler, ihre Folgen und wie diese ausgebügelt werden können. Preview: AIKreativer Imperativ: Warum wir zur Kreativität gezwun- gen sind AIWichtige Vorgaben: Warum Beschränkungen Kreativität Service fördern und nicht behindern AINicht prozesstauglich: Wie Innovati- onsprozesse Innovationen verhindern AIFehlende Konzeptkreativität: Warum selbst die besten Einfälle nicht zum Selbstläufer werden AIKreativer Überschuss: Wie Ideen Ideen blockieren AISchräge Literaturtipps Tische und bunte Hütchen: Wie der Mythos entstanden ist, verrückt A André Papmehl, Peter Gastberger, Zoltan Budai (Hrsg.): Die kreative sein fördere Kreativität Organisation. Gabler, Wiesbaden 2009, 44,90 Euro. Manager, Wissenschaftler und Personalentwickler beantworten unter anderem folgende Fragen: Wie kann es Unternehmen gelingen, permanent Ideen für C Kreativität hat Karriere gemacht. Manager wünschen neue, einzigartige Produkt- und Dienstleistungen zu entwicklen? Wie können sie sich von ihren Mitarbeitern. Trendforscher bezeich- diese Ideen umgesetzt werden? Und wie können Mitarbeiter zu kreativen Mit- nen sie als die Schlüsselkompetenz der Arbeitswelt von unternehmern gemacht werden? morgen. Und auch in der Politik hat sie eine starke A Jens-Uwe Meyer: Das Edison-Prinzip. Campus, Frankfurt/M. 2008, Lobby: So hat etwa die Europäische Union 2009 zum 19,90 Euro. Jahr der Kreativität und Innovation erklärt, und Bun- Der Autor dieses Artikels zeigt in seinem neuen Buch, mit welchen Techniken deskanzlerin Angela Merkel hat unlängst sogar den Ideen gezielt entwickelt werden können. Verdeutlicht werden die Methoden kreativen Imperativ ausgerufen: „Wir sind gezwungen anhand von Beispielen aus der Arbeit des Erfinders Thomas Edison. zur Kreativität!“, sagte sie auf dem Weltwirtschaftsfo- A Imke Keicher: Das Jobmodell der Zukunft: Einzigartigkeit schlägt rum in Davos. Employability. managerSeminare 128, November 2008, S. 66-71, www. Die eingängige Logik, die hinter diesen Worten steht, managerSeminare.de/MS128AR01. fußt auf zwei Argumenten. Erstens: Es gibt irgendwo Kreativität ist laut Zukunftsforscherin Imke Keicher eine der Schlüsselkompe- auf der Welt immer einen, der Material und Arbeitskraft tenzen in der Arbeitswelt von morgen. Wie aber gelingt die Umschulung vom billiger beschaffen kann. Zweitens: Der Know-how-Vor- Wissens- zum Kreativarbeiter? Und in was für einem Arbeitssetting fühlen sich sprung der westlichen Wirtschaftswelt schmilzt dahin, Kreative am wohlsten? Das sind zwei Leitfragen des Artikels. vor allem durch das Internet, über das Wissen vielen A Nadja Rosmann: Arbeit zwischen Genuss und Gewinn. managerSe- frei zugänglich ist. Mithin bleibt den hiesigen Unter- minare 115, Oktober 2007, S. 22-27, www.managerSeminare.de/MS115AR06. nehmen eigentlich nur eine Chance, um konkurrenzfä- Wie unterscheidet sich die Kreativ-Wirtschaft von der Wissens-Wirtschaft? hig zu bleiben – Innovationen. Und wie kann das kreative Potenzial der Beschäftigten erschlossen werden? In vielen deutschen Firmen ist diese Botschaft längst Antworten von Unternehmern und Personalentwicklern. angekommen. Es wird getüftelt und getestet, sinniert Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden. managerSeminare | Heft 133 | April 2009
40 | knowledge den sie fündig: Ein Förderband zum Heu- stapeln schien ihnen als Verladeinstrument für die Sitze wie geschaffen. Sie fragten den Bauern, ob er so ein Gerät für die Boeing schweißen könne. „1.200 Dollar“, antworte- te er. Drei Tage später war das Band für die Der Autor: Jens-Uwe Meyer hat Deutschlands ers- Boeing 757 fertig. Die ersten Tests waren so ten Lehrauftrag für „Corporate Creativity“ im MBA- erfolgreich, dass sich die Montageteams der Curriculum der Handelshochschule Leipzig (HHL) 737, 767 und 777 kurze Zeit später auf dem inne. Mit seiner Firma „Die Ideeologen“ entwickelt Bauernhof die Klinke in die Hand gaben. Ab er Ideen für Unternehmen und unterstützt sie dabei, kreativer zu werden. Zum Thema Kreativität hat er sofort wurden alle neuen Verkehrsmaschi- mittlerweile fünf Bücher verfasst. Kontakt: nen via landwirtschaftlichem Nutzgerät mit meyer@ideeologen.de Sitzen bestückt. Missverständnis Nr. 2: Kreativität lässt sich in Prozesse zwängen und studiert, innoviert und rumprobiert, Google. Auf einer Vernissage ist sie einmal Die radikale No-Budget-Beschränkung war bis die Köpfe rauchen. Doch während einige einem Künstler begegnet, der Skulpturen die eine Voraussetzung des kreativen Coups Firmen sich so bereits passable Plätze im herstellt, die gleichzeitig als Uhr fungieren. des Boeing-Teams. Die andere: Das Team globalen Wettbewerb gesichert haben, will Warum machen Sie nicht einfach nur Skulp- arbeitete als sogenannte Ideen-Guerilla voll- es bei anderen mit der Kreativität nicht klap- turen, fragte sie den Künstler. Seine Ant- kommen autonom. Die Ingenieure mussten pen. Allen Kreativ-Bemühungen zum Trotz wort: Ich mag die Herausforderung, etwas weder dem Entwicklungsleiter ein Exposé kommen am Ende keine zählbaren, geschwei- Künstlerisches zu schaffen, das gleichzeitig über den geplanten Einsatz des landwirt- ge denn geldwerten Innovationen heraus. als Uhr nützlich sein muss. Der Bildhauer schaftlichen Geräts vorlegen, noch mussten forcierte seine Kreativität, indem er sich sie der Qualitätssicherung Rede und Ant- Missverständnis Nr. 1: Beschränkungen selbst eine klare Beschränkung auferlegte. wort stehen. Sie arbeiteten jenseits der übli- blockieren Kreativität Bei der Entwicklung neuer Produkte geht chen Prozesse. Google mittlerweile den gleichen Weg. Bevor Den genau gegenteiligen Weg ist im ver- Die Gründe für die kreative Klemme liegen die Kreativen des Internetunternehmens gangenen Jahr ein Industriekonzern aus zumeist in einem der vielen Missverständ- losgelassen werden, erhalten sie eine aus- Nordrhein-Westfalen gegangen. Dort wurde nisse begraben, die sich trotz – oder gerade führliche Beschreibung der Ausgangssitua- ein riesiger Innovationsprozess auf die Beine wegen – der ganzen Diskussion um Kreati- tion, eine konkrete Problem- bzw. Aufga- gestellt mit genauen Abläufen, Regeln und vität hartnäckig halten. Am weitesten ver- benstellung und ein ausformuliertes Ziel mit Durchführungsanordnungen. Herausge- breitet ist wohl jenes, dass Kreativität sich allen einzuhaltenden Rahmenbedingungen. kommen sind ordnerweise ausgefüllte For- dort am besten entfaltet, wo dem Geist keine Dabei gilt laut Mayer: „Die Latte sollte ruhig mulare und Vordrucke, in denen Ideen für Grenzen gesetzt sind. Nur wer den Gedan- immer ein Stück höher gelegt werden als neue Produkte, technische Verfahren und ken freien Lauf lässt, kann sein Kreativpo- nötig.“ Je härter die Nüsse sind, die die Ent- Herstellungsschritte skizziert sind. Umge- tenzial voll ausschöpfen, so der Glaube. wickler zu knacken haben, desto kreativer setzt wurde kaum eine dieser Ideen, zur „Lassen Sie uns doch einmal vollkommen seien sie. Wer als Manager seine Beschäftig- erfolgreichen Innovation hat es keine frei denken: Wie könnten wir unsere Pro- ten vor (fast) unlösbare Aufgaben stellt, wird gebracht. In dem Unternehmen waren sie duktivität steigern?“ Was wie eine Erfolgs- unglaubliche Lösungen erhalten. einem weiteren, weit verbreitetem Irrtum anleitung für neue Ideen klingt, führt tat- über Kreativität aufgesessen. Jenem, dass sächlich geradewegs in die Kreativitätsblo- Boeing-Ingenieure auf dem Bauernhof sich Kreativität in Prozesse zwängen lässt. ckade. „Standardisierte Prozesse sind für Krea- Der menschliche Geist ist so konzipiert, Eine äußerst harte Nuss hatte vor einiger tivität tödlich“, sagt Bernard Arnault, Chef dass er nur dann zur (kreativen) Hochform Zeit ein Trupp von Ingenieuren der Boeing- des Luxuskonzerns LVMH, der unter ande- aufläuft, wenn er vor eine konkrete Heraus- Werke in Renton in der Nähe von Seattle zu rem Designerkleidung von Dior und Parfüm forderung gestellt wird. Dabei fällt der Akti- knacken. Beim Screening der Produktions- von Kenzo vertreibt. Aus zwei Gründen. Ers- vierungsgrad umso höher aus, desto spezi- prozesse war ihnen aufgefallen: Der Einbau tens: Standardprozesse rauben Ideen das fischer das zu lösende Problem ist. Eher vage der Flugzeugsitze – diese wurden in einen Besondere. „Die Ecken und Kanten werden formulierte Aufgabenstellungen wie die Vor- Container verladen, der dann mit einem abgeschliffen, bis der Entwurf sich nahtlos gabe, beliebige Ideen zur Produktivitätsstei- Kran an den Eingang gehoben wurde – dau- in die bestehende Produktpalette einpasst“, gerung zu entwickeln, werden unbewusst als erte viel zu lange, wodurch Leerläufe bei sagt Arnault. Der gleiche Effekt ist übrigens unwichtig bewertet. Das Gehirn schaltet auf anknüpfenden Arbeitsschritten entstanden. zu beobachten, wenn Unternehmen Produkt- Sparflamme. Erschwerend kommt hinzu, Die radikale Beschränkung, der sie unter- ideen durch die Marktforschung abklopfen dass ohne detaillierte Vorgaben die Ideen- worfen waren: Eine Lösung durfte (fast) lassen. Gut bewertet wird das, was zum aktu- suche einem mühsamen Stochern im Dun- nichts kosten. Für eine entsprechende Ent- ellen Mainstream passt, während wirklich keln gleicht, was zusätzlich demotiviert. wicklung stand kein Budget bereit. originelle Ideen oft durchfallen. LVMH hatte „Beschränkungen schärfen und fokussie- Also suchten die Ingenieure nach einer vor einigen Jahren das Parfüm Flowers, des- ren Probleme und liefern so Inspirationen“, bereits vorhandenen Technik, die sie adap- sen Verpackung an eine Blume erinnert, sagt Marissa Mayer, Entwicklungschefin von tieren konnten. Auf einem Bauernhof wur- durch die Mühlen der Marktforschung managerSeminare | Heft 133 | April 2009
knowledge | 41 geschickt. Sein außergewöhnliches Design Goebel ist Mitte des 19. Jahrhunderts in die irritierte, das Produkt wurde als nicht USA ausgewandert und hat in New York die marktfähig bewertet. Der Konzern brachte erste funktionierende Glühbirne gebaut – es trotzdem auf den Markt – mit riesigem mehr als 25 Jahre, bevor Thomas Edison Erfolg. 1879 das offizielle Patent für seine elektrische Glühlampe anmeldete. War die Goebel- Missverständnis Nr. 3: Gute Ideen sind Glühbirne eine gute Idee? Die klare Antwor- Selbstläufer tet lautet: Nein. War Edisons Glühbirne eine gute Idee? Die Antwort ist die gleiche: Nein. Der zweite Grund, warum sich Kreativität Erst das Umfeld, das Edison bestellte, brach- nicht in Prozesse zwängen lassen: „Kreativi- te der Glühbirne den Durchbruch: Es gab tät und Innovation braucht Menschen mit keine Stromgeneratoren, die eine Glühbirne Mut und Begeisterung“, formuliert LVMH- zum Glühen bringen konnten. Edison ent- Chef Arnault. „Beides bleibt in langwierigen wickelte sie. Es gab keine Stromversorgung Meetings und komplizierten Prozessen über in New York – Edison legte die Leitungen. kurz oder lang auf der Strecke.“ Und wenn Und es gab auch keine Nachfrage nach Glüh- es keinen mehr gibt, der für eine Idee brennt, birnen – Edison organisierte Werbefeldzüge, bleiben selbst exzellente Einfälle ergebnislos. die noch heute legendär sind: Umzüge mit Denn gute Ideen entwickeln sich in aller Menschen, die Ketten mit Glühbirnen um Regel nicht – wie vielfach angenommen den Körper gewickelt hatten. wird – zum Selbstläufer. Überspitzt gesagt Kreativität hört nicht bei der Ideenfin- gibt es eigentlich weder gute noch schlechte dung auf. Im Gegenteil. Wenn die Idee gebo- Ideen. Eine Idee ist eine Idee – nicht weniger ren ist, beginnt der entscheidende Teil erst: und nicht mehr. die Konzeptkreativität. Das heißt, es müssen Kennen Sie Heinrich Goebel? Er ist der innovative Strategien entwickelt werden, um Erfinder der Glühbirne. Sagen zumindest einer Idee zum Erfolg zu verhelfen. Ein Bei- die Menschen in der niedersächsischen spiel aus der heutigen Zeit: Ein Fruchtsaft- Kleinstadt Springe, aus der Goebel stammt. hersteller kommt auf die Idee, einen Drink Fünf kreative Missverständnisse Ob als Schlüsselkompetenz der Arbeitswelt von morgen oder als Wettbewerbsfaktor der Zukunft – Kreativität ist in aller Munde. Doch trotz aller Diskussion halten sich einige Irrtümer über Kreativität hartnäckig. A Beschränkungen blockieren Kreativität. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Beschränkungen fokussieren Probleme und liefern so Inspiration. Ideensuche ohne klare Rahmenbedingungen und einem exakt definiertem Ziel gleicht hingegen meist einem Stochern im Dunkeln und ist wenig effektiv. A Kreativität lässt sich in Prozesse zwängen. Klappt nicht. In der Regel behindern Innovationsprozesse Innovationen vielmehr, als sie zu fördern. Den Ideen rauben standardisierte Prozesse das Besondere, den Ideenträgern nehmen sie die Leidenschaft. A Gute Ideen sind Selbstläufer. Falsch. Selbst der exzellenteste Einfall bleibt ergebnislos, wenn es niemanden gibt, der für ihn brennt und seine Umsetzung vorantreibt. A Es mangelt an Ideen. Dass es in der Wirtschaft an Ideen fehlt, hört man immer wieder. Fakt ist aber, dass selbst im unkreativsten Unternehmen um ein Vielfaches mehr Ideen produziert als umgesetzt werden. Es fehlt nicht an Ideen, sondern an realisierten Ideen, also an Innovationen. A Verrückt sein fördert die Kreativität. Kreativität hat nichts mit Verrücktsein zu tun. Vermeintlich verrücktes Beiwerk wie schiefe Tische oder bunte Hütchen im Kreativ-Meeting erhöhen nicht die Qualität der Ideen, schaden dem Ideen-Output aber auch nicht. managerSeminare | Heft 133 | April 2009
42 | knowledge zu kreieren, der die Konzentrationsfähigkeit steigert. Wieder die Konzeptkreativität geschuldet war. Dass neue Konzeptkreativität Frage: Ist es eine gute oder eine schlechte Idee? Weder noch. Es entsteht, wurde auf diese Weise verhindert. Eine kreative Abwärts- kommt darauf an, wie das Unternehmen die Idee umsetzt. Wird spirale begann sich zu drehen, an dessen Ende das Unternehmen der Saft in dunkelbraunen Flaschen über Reformhäuser an Gesund- – voll von kreativen Köpfen – im Innovationsstau steckte. heitsbewusste vertrieben? Als Pfandflasche mit breiter Zielgruppe Ebenso wie bei dem süddeutschen Mittelständler mangelt es in im Supermarkt neben Orangenbrause und Cola? Als Kooperation den meisten Unternehmen nicht – wie häufig behauptet wird – an mit einer bekannten Kindermarke wie „Spongebob“ mit der Haupt- Ideen. Es fehlt vielmehr an umgesetzten Ideen. Selbst in den un- zielgruppe Supermütter? Oder in einer Designerdose für Autofah- kreativsten Unternehmen entstehen pro Jahr um ein Vielfaches mehr rer an der Tankstelle etwa mit dem Slogan „Mehr Konzentration Ideen, als in zehn Jahren umgesetzt werden. Ideen zu generieren ist auf langen Strecken“. Fehlende Konzeptkreativität ist der Grund, etwas völlig anderes, als Ideen zu realisieren. warum Unternehmen auf Hunderten von kreativen Perlen sitzen, Insofern kann es nur darum gehen, sich im Kreativprozess von ohne es zu merken. der Philosophie der Masse zu verabschieden und zielgerichtet Ideen- findung zu betreiben. Konzentrierte Kreativität statt banalem Brain- Missverständnis Nr. 4: Es mangelt an Ideen storming lautet das Motto einer neuen, strukturierten Kreativität, einer Kreativität 2.0. Was aber wohl auch bedeutet, dass eine – Besonders problematisch wird es, wenn fehlende Konzeptkreativi- zumindest unterhaltsame – Facette der Ideenfindung verschwinden tät mit intensiver Ideenproduktion einhergeht. Denn dann begin- dürfte: die kuriosen Kreativ-Veranstaltungen und kauzigen Kreativ- nen Ideen Ideen zu blockieren. Anders ausgedrückt: Wenn Kon- Einrichtungen. zeptkreativität fehlt, kann Ideenproduktion sogar kontraproduktiv sein, wie das Beispiel eines süddeutschen Maschinenbauers verdeut- Missverständnis Nummer 5: Verrückt sein fördert die Kreativität licht. Die Mitarbeiter des mittelständischen Unternehmens entwickel- So hat zum Beispiel ein Unternehmen aus der Nähe von Nürnberg ten immer wieder Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen. vor einiger Zeit einen Kreativraum eingerichtet. Sein besonderes Von diesen wurde allerdings nur ein winziger Teil umgesetzt, die Kennzeichen: Alle Tische und Stühle stehen schief. Dieses sicherlich meisten landeten in Aktenordnern mit der Aufschrift „Ideen“. Diese ungewohnte – zweifelsfrei aber unpraktische – Inventar sollte die Ordner bildeten bald eine Kreativschranke. Wenn Beschäftigte ihre Kreativität der Mitarbeiter beflügeln. Ein IT-Unternehmen aus dem Ideen vortrugen, warfen die Chefentwickler oder das Management Rhein-Main-Gebiet wiederum rief eine sogenannte Innovations- zuerst einen Blick ins Ideenarchiv, um immer häufiger zu vermelden: woche aus: Alle Mitarbeiter mussten bunte Papierhütchen aufset- „Die Idee gab es schon, sie hat aber nicht funktioniert.“ Dabei über- zen, um dann zu trommeln, Ur-Schreie loszulassen und um die sahen sie allerdings, dass das Scheitern der Idee höchstwahrschein- Wette zu laufen, wobei die Ideen in diesem vermeintlich verrückt- lich nicht der Qualität des Einfalls, sondern vielmehr mangelnder kreativem Ambiente wie von allein sprudeln würden, so zumindest die Hoffnung. Dass Verrücktsein wirklich die Kreativität fördert, dafür gibt es Leserbefragung: Kreativität jedoch keinen einzigen Hinweis. Vergleicht man den Output von Kreativitätsworkshops mit halbem Zirkusprogramm und jenen, die in kargen Besprechungsräumen stattgefunden haben, zeigt sich, dass die Qualität der Ergebnisse die gleiche ist. Die vermeintlich verrückten Aktionen sind nette Garnitur – Ideen fließen trotz- Wie helfen Sie Ihrer Kreativität auf die Sprünge? dem. Durch Gespräche mit Menschen, die gar nichts mit meinem aktuellen Problem Der Irrtum, dass Verrücktsein und Kreativität zwei Seiten der- oder Thema zu tun haben. 74% selben Medaille sind, rührt wahrscheinlich daher, dass kreative Lösungen dem Betrachter häufig verrückt erscheinen. Und zwar Ich gehe spazieren oder treibe Sport. 67% deshalb, weil sie Dinge vereinen, die in unserem Verständnis eigent- Mit Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder Mindmapping. 61% lich nicht zusammengehören. Denn genau das ist Kreativität. Die neue Vernetzung von Wissen aus verschiedenen Gebieten. Im Kre- ativprozess wird also kein originäres Wissen erzeugt, sondern vor- Wie können Unternehmen die Kreativität ihrer Mitarbeiter fördern? handene Wissensfragmente werden wie beim Puzzeln neu zusam- mengesetzt. Indem sie ihren Mitarbeitern zugestehen, Fehler zu machen. 79% Was entsteht, wenn Börsenwissen und Comedy-Know-how auf- Indem sie ihren Mitarbeitern eine kreativitätsfördernde Arbeitsumgebung anbie- einandertreffen? Wallstrip.com, eine Mischung aus Finanzanalyse ten. Zum Beispiel helle Räume oder spezielle Rückzugsmöglichkeiten. 74% und Slapstick, äußerst erfolgreich in den USA. Was geschieht, wenn ein Architekt einen Termitenhaufen studiert? Er entwickelt neue Indem sie in die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Mitarbeiter investieren. 69% Ideen für Belüftungssysteme. Und was passiert, wenn ein Fußball- Indem sie ihren Mitarbeitern mehr (zeitlichen) Freiraum zum Experimentieren manager sich mit Immobilienwirtschaft befasst? Dann baut er Teile und Spielen lassen. 67% seines Stadiums in Wohnungen um – kürzlich so geschehen beim Londoner Fußballclub Leyton. Ab 300.000 Euro aufwärts ist dort Indem sie sich nach außen öffnen, firmenübergreifende Projekte durchführen jetzt ein Apartment mit exklusivem Blick auf den Platz zu haben. oder in den Dialog mit Kunden und Geschäftspartner treten. 58% Fußballverrückte bezeichnen das Apartmentkonzept sicher als geni- ale Idee. Wer nichts mit Fußball anzufangen weiß, findet es wahr- Quelle: Ergebnisse der managerSeminare-Leserbefragung aus Heft 131. Angegeben ist die prozen- scheinlich einfach nur – nun ja – verrückt. tuale Anzahl jener Leser, die die Frage zustimmend beantwortet haben. Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben sich 129 Leser an der Umfrage beteiligt. Jens-Uwe Meyer C managerSeminare | Heft 133 | April 2009
Sie können auch lesen