Burgstädter Anzeiger - Stadt Burgstädt
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erscheint am 17.06.2019 Burgstädt im Internet: www.burgstaedt.de Burgstädter GmbH & CO. KG RIEDEL GA BE E RAUS SOND Anzeiger SONDERAUSGABE - BEILAGE IN AUSGABE 25/2019 Kakteenfreundliche Gemeinde Wir feiern 130 Jahre Wettinhain und erinnern uns... Foto: Ralf Jerke Fotodesign C 1 M Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Es begann an einem 17. Juni 17. Juni. Anders als für den „Rest der Republik“ Wir werden nun eine Zeitreise unternehmen und ren. Und der glorreiche Tag soll Spuren hinterlas- ist dieses Datum für unsere Stadt und seine Hei- fünf Mal innehalten: Jeweils am 17. Juni 1889, sen, natürlich auch in unserem Burgstädt. Spuren matgeschichte äußerst glanzvoll. Wir lassen das 1914, 1939, 1964 und 1989 lassen wir Zeitzeugen hinterlassen für wen? Für seine Majestät und sei- Jahr 1953 einfach beiseite und gehen bis 1889 zu- über unseren Jubilar berichten. Abschließend ver- ne Burgstädter Landeskinder! Diese Idee kam mir rück. Der 17. Juni 1889 ist der Gründungstag suchen wir, anlässlich des diesjährigen 17. Juni Ende April und ich schrieb sie am 4. Mai im Burg- unseres Wettinhains. Nach 130 Jahren wollen 2019 zu einem Fazit über die letzten 30 Jahre un- städter Anzeiger in einem Artikel nieder. Das Jubi- wir an diesen, so bedeutsamen Tag für uns Burg- seres Bürgerparks zu gelangen. läum unserer Wettiner zu verbinden mit der Schaf- städter ausführlich erinnern. Mit Jubiläen hat er fung eines Bürgerparks, einer grünen Lunge für al- nämlich seine Probleme, der Wettinhain. Im Som- le Burgstädter, das war der Kern meiner Idee. mer 1914, als der erste große Krieg des vergange- 17. Juni 1889 Der Erzgebirgsverein war gleich Feuer und Flam- nen Jahrhunderts vor der Tür stand, gedachte Der Referendar am Burgstädter Amtsgericht, Dr. me. Theodor Drescher, Lehrer und Vereinsleiter, man zunächst des 25. Jahrestages seiner Grün- jur. Böhmert, geboren in Bremen, ist gerade 27 und alle Mitglieder fassten sofort den Beschluss, dung. 1939, als die nächste Katastrophe des Jahr- Jahre alt. Seinen Vornamen verschweigen die his- mit meiner Idee an die gesamte Bürgerschaft her- hunderts beginnen sollte, wurde der Hain 50 Jahre torischen Berichte. Ein Foto von ihm ist nicht exis- anzutreten. Deshalb schrieben wir in einem offe- alt. Aber über eine Feier in diesem Jahr ist nichts tent. Am Abend des 17. Juni 1889 füllt er sein Ta- nen Brief am 24. Mai an alle Burgstädter: „Der überliefert. 100 Jahre Wettinhain im Jahr 1989? gebuch mit einem langen Eintrag. Wir dürfen mit- Wettinhain soll sein ein immergrünes lebendiges Ebenfalls Fehlanzeige. Zwar hatten die Stadtväter lesen. Denkmal, geschaffen zur steten Erhebung und Er- sich bereits 1988 auf dieses Ereignis des Folge- holung in Gottes freier Natur, ein Bürgerpark für al- jahres eingestellt, wie damalige Unterlagen bele- Noch 1887 sah es so aus, dass unsere Träume nie le Gemeindeglieder, gleichviel weß‘ Standes und gen, aber das große Event fiel aus. Dieses Mal Wirklichkeit werden würden. Die kalte Schulter Alters, welcher Partei und Religion.“ warfen die Wendeereignisse wohl ihre Schatten hatte uns der Stadtrat gezeigt. Ein tolles Projekt voraus. Und 2014 nach 125 Jahren? hatten wir Dutzend Leute vom Burgstädter Erzge- Bürgermeister Otto Bauer war nun auf unserer birgszweigverein den Stadtvätern vorgelegt. Ein Seite. Dieses Mal wurde unser Projekt zügig durch Nun, 130 Jahre sind es in diesem Jahr 2019 und Bürgerpark für alle schwebte uns vor. Dort, wo es die Stadträte genehmigt. Es wurden uns 3,5 Hekt- da packen wir die Gelegenheit beim Schopf und die Burgstädter noch vor 20 Jahren zu den ar Stadtland zugesprochen. Allerdings ist dies an feiern ihn endlich gebührend: Unseren Bürger- Pfingstfesten jährlich hinzog, zu den Felsen des Landwirte verpachtet und uns als Verein bleibt die park, unsere grüne Lunge, unseren „Wettscher“. Taurasteins; dort und auf dem Terrain unterhalb Aufgabe, diese ordentlich zu entschädigen. Voller Mit vielen Veranstaltungen, mit interessanten Pla- Richtung Eisenbahnviadukt, hatte ein schöner Elan gingen die Mitglieder des Vereins, deren Zahl katen in der Innenstadt, mit einer Festschrift und Park in unseren Köpfen schon Gestalt gewonnen. in den letzten Wochen ständig gewachsen ist, an auch mit dieser Sonderausgabe im Burgstädter Doch kurz und bündig war die Ablehnung der ihre Aufgaben. Einen Park werden wir in diesem Anzeiger. Hoch lebe unser 130-jähriger Jubilar, Burgstädter Stadträte unserem Antrag gegen- Jahr 1889 natürlich nicht mehr präsentieren kön- unser Wettinhain! Sowohl 1889 als auch in die- über.... nen, Bäume wachsen nun mal nicht in einigen Wo- sem Jahr fällt der 17. Juni auf einen Montag. chen. Aber rasch sollte er öffentlich eingeweiht Hoppla. Sollte die großartige Gründungszeremo- werden, unser vorerst in den Köpfen lebender nie wirklich an einem Montag stattgefunden ha- Wettinhain. ben? Zumal es auch 1889 nicht der Pfingstmon- tag war. In der Tat finden wir in der Burgstädter Nichts ist besser dazu geeignet als die feierliche Heimatliteratur noch die Angabe eines anderen Enthüllung einer Tafel zu Ehren unserer fürstlichen Datums, nämlich des 15. Juni 1889 und das war Jubilare, befand der Wettinhainausschuss, der Logo des 1882 gegründeten Burgstädter Erzge- ein Samstag. Wir haben uns aber nun auf den 17. sich umgehend im Verein gegründet hatte. Vier birgszweigvereins Juni festgelegt, denn dieses Datum steht für den Fragen waren zu klären. Erstens: Wo soll die Tafel Quelle: Dieter Seifert Stadtamtmann Bruno Schumann, der 1937 eine angebracht werden? Zweitens: Wer wird sie her- große Sonderschrift zum Wettinhain herausge- stellen? Drittens: Welchen Text wird sie tragen? geben hat (Bild 1 und 2), bereits damals fest. Und Es war eine Hilfe von „ganz oben“, die unseren Und viertens: Wie werden wir die Weihe würdig er betont, dass es ein Montag war! Plan nun doch Realität werden ließ. Heute die Fei- begehen? er, das war ja nur der Beginn. Den Park zu schaf- Über den Ort der Tafel-Anbringung herrschte fen wird unsere Aufgabe der nächsten Jahre sein. rasch Einigkeit. Unsere dreieinhalb Hektar liegen Zur Hilfe „von ganz oben“ wurde uns ungewollt direkt am Fuß der Taurasteinfelsen. Anfangs woll- unser Landesvater, König Albert. ten wir den Ehrentext unterhalb des vom Burg- städter Baumeister Carl August Pauli gerade er- richteten stattlichen Holzturmes am Felsen an- bringen, aber der reichlich 100 Meter weiter gele- gene Felsen mit Nagels Triangulationssäule von 1875 und der im Volk berühmten „Räuberhöhle“ erschien uns dann doch geeigneter. Sonderschrift zum Wettinhain aus dem Jahr 1937 Quelle: Stadtarchiv Burgstädt König Albert auf dem berühmten Fürstenzug am Dresdner Schloss (unten: Detail) Quelle: Dr. Wolfgang Scheffel Besser gesagt, sein ganzes Geschlecht. Ja, die Wettiner. Mit ihrem sagenumwobenen Ju- biläum dieses Jahr, seit 800 Jahren lenken sie An dieser Stelle unterhalb der Triangulationssäule die Geschicke der wurde die Tafel am 17. Juni 1889 enthüllt. Sie ist Sachsen, sind wir in der Bruno Schumann spätestens seit 1945 verschollen. Eine Ausspa- freudigen Pflicht, Ihnen Quelle: Stadtarchiv Burgstädt rung am Felsen ist heute noch erkennbar. gebührend zu gratulie- Quelle: Ralf Jerke Fotodesign C 2 M Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Unproblematisch war die Verhandlung mit der Lauchhammer Eisengießerei. Binnen weniger Wo- chen hatte sie die Metalltafel nach unseren Vor- stellungen gegossen. Den Anbringungsort unter- halb der Vermessungssäule bereiteten mittlerwei- le fleißige Burgstädter vor. Die Feier heute am 17. Juni 1889, den Tag werden sich die Burgstädter merken müssen, begann schon um 08:00 Uhr auf dem Hof der Schule. Ein festlicher Zug mit bunten Fahnen formierte sich hier und zog unter den Klängen des Stadtmusikkorps Richtung Bahnvia- dukt und dann weiter entlang der Felder zu unse- rem Felsen. Beteiligt waren neben den Schülern und vielen interessierten Bürgern sämtliche Stadt- väter und Vertreter der Vereine. Eingeleitet wurde die Zeremonie mit einer An- dacht von Pfarrer Bohne. Nach einer Gesangsdar- bietung durfte ich dann meine lang vorbereitete Einweihungsrede halten. Zwei Schwerpunkte hat- te sie. Zum einen wollte ich betonen, wie mit der Namensgebung „Wettinhain“ für unseren zu schaffenden Park die Burgstädter ihrem Landes- herrn den allerhöchsten Respekt zollten. Zum an- deren malte ich meinen Zuhörern nochmals meine Auf dem Taurastein Ende des 19. Jahrhunderts. Der hölzerne Turm ist zu erkennen. Vision vor Augen: Der Park mit dem fürstlichen Quelle: Dieter Seifert Namen soll noch unseren Enkeln und Urenkeln als Ort für Erholung und Spiel dienen. Anschließend übernahm Theodor Drescher offi- ziell „unsere“ 3,5 Hektar von der Stadt. Mit der Enthüllung der Tafel aus Lauchhammer wurde schließlich das Geheimnis ihres Textes gelüftet. „Wettin-Hain Dem Andenken an die 800jährige Jubelfeier unseres Königshauses gewidmet. Burgstädt, im Juni 1889“ Krönender Abschluss war zuletzt die Freigabe des schon beschriebenen, 100 Meter entfernten, von Handschuhfabrikant Karl Oskar Schaarschmidt fi- nanzierten Holzturmes. Begeistert stürmten die Beteiligten die 32 Meter hohe Plattform und waren von der überwältigenden Aussicht fasziniert. In der Tat: Hauptinitiator unseres Hains war 1889 ein 27 Jahre junger Mann, der nicht mal ein Burg- städter war. Er hatte eine Vision, die sich komplett erfüllt hat. Bereits 1890 verließ Dr. Böhmert unsere Die Teiche 1904 mit Böhringer-Pavillon Quelle: Stadtarchiv Burgstädt Stadt aus beruflichen Gründen nach Dresden. Tragisch: Hier verstarb er 1892 mit nur 30 Jahren. Die Erfüllung seiner Vision „Wettinhain“ durfte er nicht mehr miterleben. Und die Tafel von 1889? Sie ist und bleibt verschwunden. Wahrscheinlich seit 1945. Glücklicherweise ist uns aber ihr Text zweifelsfrei überliefert. 17. Juni 1914 Nach 25 Jahren war dies das erste und wohl einzi- ge offizielle Wettinhain-Jubiläum. Natürlich war es ein Höhepunkt im Leben des Vereinsvorsitzenden und des bereits damals einzigen Überlebenden des 1889 gegründeten Wettinhainausschusses, Oberlehrer Theodor Drescher. Der Erzgebirgsver- ein trug seit 1901 offiziell den Namen „Wettinhain- verein“ und Drescher sah jetzt die Früchte uner- müdlicher Vereinstätigkeit seit zweieinhalb Jahr- zehnten. Nachfolgend authentische Sätze, die er 1914 in einer Niederschrift für die Stadt ausführte: „Ja! Unter den denkbar schwierigsten Verhältnis- sen, mit ganz bescheidenen Mitteln begonnen, Die Teiche 1904 rechts mit Gondelstation Quelle: Stadtarchiv Burgstädt viel angefeindet von Verständnislosigkeit, beein- C M 3 Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 trächtigt in seinen Anfängen durch trockene Som- nig-Albert-Denkmal-Vereins“ konnten wir am 16. mer, ist es [das Werk] in diesen 25 Jahren nicht Juli 1904 jenes von Seffner aus Südtiroler Marmor bloß zu einem grünenden patriotischen Denkmal, geschaffene Denkmal einweihen. Leider hat es an sondern auch zu einem großen, schönen Bürger- diesem ersten Tag des Heimatfestes geregnet, park geworden, der von Alt und Jung gern be- aber bei Sonne erweist sich die Albert-Büste als sucht wird und an dem jeder Besucher sich er- wahres Juwel des Hains. freut.“ Ja, das Heimatfest 1904: Eine Flut an Zuwendun- Der Wettinhainverein hatte Jahr für Jahr seine Ak- gen und Spenden erhielt unser Jubilar durch liebe tivitäten im Burgstädter Anzeiger veröffentlicht Freunde und Heimatverbundene. Für den damali- und wir versuchen jetzt, zu Theodor Dreschers Er- gen Mangel an Bänken konnten wir endlich Abhil- innerungen über die Jahre 1889-1914 vorzudrin- fe schaffen. Weiterhin ließen ehemalige, jetzt in gen. Chemnitz lebende Burgstädter eine Schutzhütte setzen. Die Chemnitzer Hütte direkt unterhalb der Fast wollten wir 1895 aufgeben. Nur Schwierigkei- Kaffeemühle* wurde schnell bekannt. Ebenso wie ten gab es: Anfangs langte das Geld nicht, obwohl der mit Stroh gedeckte Pavillon aus Natureiche di- wir noch 1889 mit einer Flugblattaktion alle Burg- rekt neben der Brücke an den Teichen zierte sie städter zum Spenden aufriefen. Schon 1890 nah- bald zahlreiche Postkarten der Stadt. Rechtsan- men wir einen Kredit auf. Drei Jahre lang zahlten walt Böhringer von der Bahnhofstraße hatte die- wir in Raten die enormen Kosten von 4.200 Mark sen Pavillon in jenem ereignisreichen Jahr gestif- für die erste Gartenbauaktion der Einsiedler Firma tet. Schwarz ab. Was haben wir nicht alles unternom- men? Kaisereichen setzte der Militärverein im Mai Viel zu früh sind Gönner unseres Hains in den letz- 1890; Königseichen waren es im April 1891, ge- ten Jahren von uns gegangen. Ich denke an Marie pflanzt von Veteranen, die mit Sr. Majestät König Bergt, die bis zu ihrem Tod 1907 in Dresden gelebt Albert 1849 gegen die Dänen gekämpft hatten. Stolz präsentieren die Stadtväter 1913 die neue- hat und in Burgstädt aufgewachsen war. Oder an Gern denke ich auch an unsere Konfirmanden, die ste Burgstädter Errungenschaft, den Taurastein- Robert Gärtner, der 1909 so jung starb. Beide ha- am Gründonnerstag in jenen ersten Jahren sich turm, im Heimatblatt ben posthum ihren festen Platz im Park. Während ein Erinnerungs-Bäumchen setzen durften. Dann Quelle: Stadtarchiv Burgstädt Gärtners Bronzetafel die Wand des Felsens ziert, machten uns trockene Sommer Sorgen: Die jun- der unseren Turm trägt, ist die mit einem Zaun ge- gen Bäume wollten einfach nicht gedeihen. im Oktober 1913 bereits Tausende Menschen be- schützte Terrasse eben jenes Felsens jedermann stiegen haben, eine architektonische Kostbarkeit. als Bergt-Terrasse bekannt. Nicht zu vergessen Kurz vor der Jahrhundertwende kam aber auch Zu Recht hat der Architekt Johannes Kühn die der Robert-Gärtner-Platz** direkt unter seiner die Wende für unseren Park. Endlich sprießte es Ausschreibung des Dresdner Vereins „Heimat- Büste, ein gärtnerisches Kleinod seit 1911. zu unserer Zufriedenheit. 5.000 Bäume konnten schutz“ für jenen Turm im Vorfeld gewonnen. wir bisher pflanzen, wie uns der seit 1910 ange- Bestens ist es der Dresdner Firma Löffler gelun- stellte Gärtner Friedrich Elner kürzlich bestätigte. gen, seine Idee zu verwirklichen. Schon jetzt darf Von Jahr zu Jahr flossen finanzielle Mittel. Die Her- man wohl sagen, dass der Taurasteinturm zu ei- *Die von Drescher erwähnte „Kaffeemühle“ war ren Winkler und Gärtner, jeder kennt die große nem aus unserer Hain- und Stadtkulisse nicht damals in Burgstädt ein Begriff. Das seit 1881 be- Burgstädter Textilfabrik mit dem Namen der bei- mehr wegdenkbaren Wahrzeichen geworden ist. stehende Restaurant am Taurastein, erste gastro- den Schwager, waren die großzügigsten Spender. nomische Einrichtung neben dem Park, wurde Dabei dachte ich manchmal heimlich, letztlich wa- Fast hätte ich das Jahr 1904 vergessen. Der erste wegen seines an eine Kaffeemühle erinnernden ren es ebenso ihre Beschäftigten mit ihrem Fleiß, große Höhepunkt für unseren Park. Unsere Kon- Dachaufsatzes so genannt. die jene Mittel erwirtschaftet hatten. Weitere Gön- takte zum Leipziger Bildhauer Professor Karl Seff- ner reihten sich ein. Dies ermöglichte uns einen ner, der 1902 die Totenmaske des verstorbenen **Der Robert-Gärtner-Platz war ein von Rhodo- Zuwachs an Grundstücken, sodass wir die Hain- Königs abnehmen durfte, haben sich gut ausge- dendron und Efeu gesäumter rechteckiger Platz fläche immer weiter Richtung Stadt ausdehnen zahlt. Allein hätten wir es nicht geschafft. Aber mit unterhalb des Felsen. Die Bronzetafel ist heute konnten. Hilfe des über Burgstädt hinaus agierenden „Kö- noch mit gut leserlichem Text zu sehen. Genial, wenn auch nicht ganz neu, war die Idee, eine Teichanlage zu schaffen. Bereits die Burg- städter Sage berichtet vom „Nix im Hahnteich“. Genau am „Hahnbusch“ unweit der Mittweidaer Straße legten wir ab 1902 jenes Doppelgewässer mit der anmutigen Brücke mit Eichengeländer an. Dazu charterten wir Hans, Theodor und Wettin für 500 Mark. Die drei Kähne luden schon 1903 die Burgstädter zu Gondelfahrten ein. Auch im Winter blieben die Teiche nicht verwaist: Schlittschuhlau- fen wurde hier zum neuesten Volkssport unserer Burgstädter Jugend. Nicht vergessen dürfen wir auch die oberen Teiche. Als Überlaufteiche für den entstehenden Wasserturm erhielten sie bald gro- ße Bedeutung. Apropos Wasserturm: Seine Erbauung 1912/13 darf ich wohl als Höhepunkt unserer 25-jährigen Wettinhain-Historie ansehen. Dass der alte Schaarschmidt‘sche Holzturm so bald baufällig werden würde, hatte keiner geahnt. Aber Wind und Wetter hatten ihm so sehr zugesetzt, dass er 1912 abgerissen werden musste. Froh bin ich auch für meine Schüler in der neuen Zentralschu- le: Dank des neuen Turmes ist genügend Wasser- druck auch hinsichtlich eventueller Feuerlösch- C M maßnahmen gewährleistet. Überdies ist der Turm, Die Chemnitzer Hütte Y K den seit seiner Einweihung vor einem halben Jahr Quelle: René Irmscher 4
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Die Bronzetafel für Robert Gärtner ist ein bis heute erhaltenes und lesbares Kleinod Quelle: Ralf Jerke Fotodesign Das Riesenrad unterm Taurastein zum legendären Taurasteinfest 1937 Quelle: Stadtarchiv Burgstädt heimnisvollen Ölgemälden mit den Burgstädter Sagen an den Treppen zieht jedermann an. Gern erinnere ich mich an den 20. November 1927. Der Chemnitzer Bildhauer Bruno Ziegler hat mit der sehr repräsentativen Stele aus Cannstatter Travertin ein würdiges Denkmal für die Haingrün- der geschaffen. Hermann Hempel und Sanitätsrat Dr. Pohl waren noch dabei zur Denkmalweihe an jenem frühen Wintertag. Direkt neben der unteren Teichbrücke und inmitten von Rhododendron ist uns die Wahl des Platzes gewiss gut gelungen. Die Holzrutsche zum legendären Taurasteinfest Besondere Ehre wurde Gustav Winkler zuteil, der 1937. Sie wurde nach dem Krieg im Burgstädter vor seinem Tod im Februar 1927 seine Wettinhain- Bad installiert. Pachtverträge noch der Stadt vermacht hatte. Der Quelle: Stadtarchiv Burgstädt Die Stele von 1927 mit den Gründernamen nach ihm benannte Felsen am Südrand des Quelle: Stadtarchiv Burgstädt Hains, für jedermann begehbar gemacht und oben mit einer Bank ausgestattet, erlaubt es, Au- 17. Juni 1939 gustusburg und vielleicht Fichtelberg zu erblicken, Dem eingangs schon gewürdigten Stadtrat Bruno Sehr gebangt haben wir ja auch um unseren ge- ohne die 163 Stufen auf den Taurasteinturm er- Schumann verdanken wir viele Informationen über liebten Hain damals ab 1914. Der Krieg und die klimmen zu müssen. die ersten Jahrzehnte unseres Jubilars. 1939, we- schlimme Zeit danach waren nicht gerade förder- nige Wochen vor dem Ausbruch des zweiten lich für ihn. Gewalt und Diebstahl machten nicht „1889 Weltkrieges, wurde das 3. Fest am Taurastein vom halt vor ihm. Die Kähne auf dem Teich waren 1918 Den Schöpfern des Burgstädter Heimatverein ausgerichtet. Bruno seeuntauglich. Wahnwitzig meine Erinnerungen Wettinhains Schumann gehörte gewiss zu den Aktiven dieses an die Zeit der Inflation: 330 Millionen Papiermark großen Burgstädter Events. Verfolgen wir seine wurden dennoch für den Wettinhain-Verein 1923 Dr. jur. Gedanken, die er möglicherweise vor dem Fest durch treue Mitbürger gespendet. Aber der Verein, Böhmert hegte! der dieses Kleinod erst geschaffen hatte, war Theodor 1925 wirtschaftlich am Ende. Noch entsinne ich Drescher Anfang August ist nicht mehr weit. Jung und Alt ist mich, wie sein letzter Vorsitzender, Dr. Pohl, 1925 Bürgermeister voller Erwartung. Das 3. Fest am Taurastein wirft uns als Stadt den Wettinhain in treue Hände über- Bauer seine Schatten voraus. Wird es so prachtvoll sein gab. Robert wie 1937 und 1938? Ich höre noch, wie die Burg- Gärtner städter davon schwärmen. Das Festspiel auf der Ich denke aber, dass wir das Vermächtnis der Gustav Naturbühne müsse man unbedingt gesehen ha- Gründerväter in Ehren gehalten haben und es bald Winkler ben. Das lebende Schachspiel - einmalig wäre es wieder bergauf ging mit dem Hain und seinen An- Hermann gewesen! Natürlich wollen die Kleinen unbedingt lagen. Sehr gekümmert haben sich neben uns Hempel wieder Riesenrad fahren. Ganz zu schweigen vom Stadtvätern nun auch der Verein der Heimatfreun- Hermann Vergnügen auf der großen Holzrutsche, das sich de und der Burgstädter Verkehrsverein. Ersterer Reichelt mit wenigen Pfennigen jeder leisten konnte. Und legte erst 1935 und 1936 einen Lehrpfad mit 100 Sanitätsrat Dr. die zahlreichen Buden ließen keine Wünsche of- Tafeln an. Rührend sorgte sich der Gärtner Fried- Pohl fen. Manchmal denke ich an die Berichte unserer rich Elner bis zu seiner Pensionierung 1935 um die Altvorderen, die schon vor 70 oder 80 Jahren ihr Pflanzungen; Otto Lehmann ist nun genau so en- In Dankbarkeit C M Pfingstfest auf den Taurasteinfelsen feierten. Arm gagiert. Längst kann man mit einer neuen „Flotte“ gewidmet von der Y K war man damals und mancher konnte sich nur ein auf den Teichen wieder in See stechen. Der Taura- Stadt Burgstädt Glas Gurkenbrühe leisten... steinturm mit seinem Café im Inneren und den ge- 1927“ 5
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Etwas versteckter dürfte der Ort für das reichlich zehn Jahre später errichtete weitere Denkmal sein. Aber unser verehrter Heimatdichter Anton Günther aus dem Erzgebirge, für den nach seinem Tod 1937 viele Gedenkstätten im Reich errichtet wurden, bekam eben auch im Burgstädter Wettin- hain seinen Platz, mit einem Ausspruch von 1908: „Deitsch on frei wolln mer sei!“ Keinen Abbruch hat das der Popularität von König Albert getan. Sein Denkmal unweit davon ist sogar zum belieb- testen Fotomotiv geworden. Das Strandcafé Quelle: Stadtarchiv Burgstädt Beliebter Fotospot der 30er Jahre: Das 1904 ge- damaligen Taurasteinfest als Neuheit extra ange- schaffene König-Albert-Denkmal priesen worden. Aber auch die Holzbude am Quelle: Dieter Seifert, Burgstädt Teich, in der ich im Winter nach dem Schlittschuh- laufen manchen Glühwein ergatterte, tat ihren Dienst. Nur mit dem Taurastein klappt nichts mehr. Erst wurde das Café dort geschlossen; jetzt Wie schon 1904 war auch das zweite Burgstädter ist der Turm komplett dicht gemacht. Heimatfest 1929 ein voller Erfolg. Und daran hatte der Wettinhain einen gehörigen Anteil. Der festlich Schade, dass es auch vorbei ist mit den tollen angestrahlte Turm war ein Glanzpunkt in jenen Ju- Taurasteinfesten. Als hätte es den Krieg nicht ge- litagen. Es wimmelte nur so vor Besuchern rund geben, wurden sie zunächst ab 1950 wieder som- um den Teich mit seinen bestens gepflegten Ra- merlicher Höhepunkt, besonders für Jugendliche batten. Am Platz der Landsmannschaften waren wie mich! Selbst das Logo von 1937 wurde unver- etliche neue Bänke aufgestellt worden. Sehr ändert übernommen. Und, das Wunder von Bern spendabel zeigten sich viele Burgstädter und Hei- habe ich hier auf dem Festplatz am 4. Juli 1954 matverbundene anlässlich der 475-Jahr-Feier der miterlebt! Der Obrigkeit hatte es gar nicht gefallen, Stadt. Ein neuer „Nachbar“ siedelte sich 1930 un- dass die Budenbesitzer damals das Fußball-WM- mittelbar neben dem Turm an. Die repräsentative Endspiel zwischen der Bundesrepublik und Un- Halle des Reitvereins St. Georg mit seinen Veran- garn in ihren Radiogeräten übertrugen. Nichtsde- staltungen zieht zusätzlich viele Besucher an. stotrotz, alle waren dabei, wenn das Fest stieg. Burgstädts Elektromeister hatten sich zusammen- getan, um die Illumination im Hain zu installieren. Gewiss hat das Nazireich auch die Historie des Bus und Bahn hatten Sonderfahrpläne für die Wettinhains beeinflusst, was Bruno Schumanns Festtage erstellt. Sonderpostkarten vergab die „Gedanken“ oben nicht zu entnehmen ist. Große Post an einem Schalter am Eingang. Ich weiß Hakenkreuzflaggen flankierten den Eingang zu noch, dass ich anfangs 15 Pfennige Tageseintritt den legendären Taurasteinfesten 1937-1939. Ein Titelbild des Festflyers zum Fest am Taurastein bezahlen musste. Als ich erwachsen war, waren 1951 Quelle: Stadtarchiv Burgstädt auf dem Fest ausgestelltes Flakgeschütz legt es 30 Pfennige. Zeugnis von der Aufrüstung ab und letztlich pass- te auch das Anton-Günther-Denkmal, errichtet Warum 1957 das Fest zum letzten Mal stattfand? Oh, immer noch vergesse ich, den neuen Namen gerade 1938 im Jahr der Annexion des Sudeten- Vieles wurde gemunkelt. Recht werden aber die zu benutzen. Na klar, „Karl-Liebknecht-Hain“ landes, den damaligen Machthabern gut ins Kon- haben, die meinten, diese Art von Volksfesten steht ja nun schon lange auf dem Schild gleich am zept. passe nicht mehr in das sozialistische Kulturkon- Eingang. Seit wann überhaupt? Auf alle Fälle zept. Schon 1951, so erinnere ich mich, schrieben schon seit vor 1949. Aber nicht nur auf jenem Burgstädts Parteifunktionäre in den Fest-Flyer: Schild. Auch die Stele von 1927 an der Brücke 17. Juni 1964 „Rummelplätze und auch andere Schauplätze ei- über den Teich trägt jetzt Bild und Schriftzüge des Gottfried Pfeiffer, ein junger Burgstädter Familien- ner sogenannten Volksbelustigung sind im Bilde Mannes, den uns unsere Neulehrer immer als gro- vater, besucht in den Nachmittagsstunden mit sei- unseres neuen gesellschaftlichen und geselligen ßes Vorbild vor Augen gemalt haben. Nur in Burg- ner Frau und den drei Kindern das Strandcafé. Bei Lebens doch ziemlich fragwürdige Flecken. Es städt ist er wohl nie gewesen. Aber das war ja Al- Erdbeertorte und einer Tasse Kaffee kommen ihm kommt darauf an, etwas Besseres an ihre Stelle zu bert auch nicht und trotzdem hatte man das Gedanken aus früheren Zeiten. Denn hier in den setzen...“ Was aber sollte das „Bessere“ sein? Denkmal für ihn errichtet. Hain gingen schon seine Eltern mit ihm als Kind Von einem „Volkspark“ war die Rede, ja sogar von während des 2. Weltkrieges spazieren. Als Textil- einem „Kulturpark“. Hochtrabendes hatte man Leid tat es mir schon um das König-Albert-Denk- ingenieur in der Firma Winkler & Gärtner weiß er vor. Wenn ich um die Ecke schaue und die „Ele- mal, das eines Tages spurlos verschwunden war, auch, was die früheren Firmeninhaber für diese fantenpfütze“* sehe, muss ich doch gleich an das wohl im Herbst 1945. Keiner weiß, ob es zerstört Burgstädter Erholungsstätte getan hatten. Viel- Projekt „Neues Freibad“ von 1959 denken. Nichts oder einfach fortgeschafft wurde. Aber eins blieb: leicht gelingt es uns, seine Gedanken zu verfolgen. wurde daraus. War es wirklich der ungeeignete Sein Fundament! Ich kann es sehen von hier aus, Untergrund oder fehlte seit dem Mauerbau ein- mit dem neuen Mahnmal für die Opfer des Fa- Bockwurst, diverse Torten oder ein Hartmanns- fach der Beton? schismus. Regelmäßig berichtet ja die „Volksstim- dorfer Bier: Im Strandcafé war dies immer zu ha- me“ über die jährlichen Kranzniederlegungen hier, C M ben! Aber seit wann überhaupt? Ich denke, ich ha- Doch zugegeben, um Pflege und Verschönerung sogar Herren vom Kreis kommen dazu her. Apro- Y K be es 1951 zum ersten Mal besucht. Es war zum des Wettinhains ist man dennoch sehr bemüht! pos „Herbst 1945“ nochmals, da fällt mir der kalte 6
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 direkt vor uns im Teich. Kähne gibt es schon lange darm“ spielen. Auch das Gelände des zunehmend nicht mehr hier. Dafür aber diese zwei seit 1962. verfallenden Restaurants am Taurastein mit sei- Und immer noch bin ich sprachlos über ihre Her- nen Kellern zog uns magisch an. Fußball, wie gern kunft. Extra ein Häuschen wurde für sie im kleinen hätten wir es auch hier gespielt, war aber nicht Teich gebaut. Bürgermeister Hahn und Bauunter- gern gesehen. Dafür durften sich die Radsportler nehmer Uhlich hatten sie vor zwei Jahren hier an- unter uns beim Querfeldeinrennen im Hain voll gesiedelt. Nicht zu glauben, die Stadt Düsseldorf entfalten. hat uns die beiden Schwäne geschenkt, und das ein knappes Jahr nach dem Mauerbau! Den bei- Traurig war aber, dass der geheimnisvolle Turm den majestätischen Vögeln war das anscheinend lange Zeit ein Tabu blieb. Er war einfach geschlos- egal, denn schon bald erfreuten sie uns mit Nach- sen. Erst 1979 zum Heimatfest, ich war längst er- wuchs. Und noch etwas ist für mich unerklärlich. wachsen, wurde er kurz geöffnet. Wir staunten Vorhin bin ich erst wieder vorbeigegangen an je- nicht schlecht über sein Inneres, den großen Was- ner Inschrift: „Deitsch on frei wolln mer sei!“** An- serbehälter und die Wendeltreppe. Fichtelberg ton Günther muss wohl von unseren Befürwortern und Völkerschlachtdenkmal konnten wir zwar eines sozialistischen Volksparks an seinem abge- nicht sehen, im Westen aber gerade noch die drei- legenen Platz noch nicht entdeckt worden sein. eckigen Abraumhalden von Ronneburg. Sonst wäre die Inschrift längst verschwunden. Nun will ich mich aber mit den Kindern aufma- chen. Vielleicht werde ich mit ihnen noch etwas wippen auf dem Spielplatz, der 1958 auf der alten Abfallecke gebaut wurde. * Als Elefantenpfütze bezeichnete der Burgstädter Volksmund die noch lange existierende Baugrube des in der Tat geplanten neuen Bades am Strand- café. ** Das Anton-Günther-Denkmal mit seiner Inschrift blieb in der gesamten DDR-Ära unangetastet. Fin- dige Bürger haben sogar die Schrift nachgekrit- zelt. 17. Juni 1989 Jörg Naumann ist ein junger Burgstädter und sehr interessiert an der Stadtgeschichte. Regelmäßig hat er sich Notizen gemacht, um vielleicht später mal seine Erinnerungen zu veröffentlichen. Natür- lich weiß er um die besondere Bedeutung dieses Die Stele von 1927 trägt jetzt den Namen von 17. Juni. Wir dürfen Einblick nehmen in seine Noti- Karl Liebknecht. Auf dem Sockel des Albert- zen. Denkmals: Das Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Eigentlich traurig. Heute hat er seinen 100. Ge- Quelle: Ralf Jerke Fotodesign burtstag, der Karl-Liebknecht-Hain. Und keiner denkt dran. Obwohl ich mich an einen kleinen Fly- Winter 45/46 ein. Er besiegelte das Schicksal der er vom vorigen Jahr erinnere, da war von dem Ju- Berühmtes Karl-Liebknecht-Hain-Motiv von Rolf Chemnitzer Hütte. Eine Klassenkameradin erzähl- biläum die Rede. Sogar die Herren Winkler, Gärt- Teichmann te mir, wie das Holz der 1904 errichteten Hütte da- ner und Hempel sowie Dr. Pohl als Gründer hat Quelle: Rolf Teichmann mals den Öfen anliegender Häuser als Brennholz man vorsichtig wieder aus der „Schublade“ geholt diente. So hatte man wenigstens für einige Tage und ehrenvoll dort erwähnt. Naja, er ist aus unse- warme Stuben. rem Leben dennoch nicht mehr wegzudenken, unser „Wettscher“, denn so sagen wohl die meis- Ein Ersatz für den sonst nicht zur Verfügung ste- ten zu ihm, unserem Paradies schon in der Kind- henden Turm wurde in den 60er und 70er Jahren heit. aber ein ganz anderes Erlebnis direkt neben dem Turm: Die Segelflieger! An jedem Wochenende zo- Jawohl, fast täglich, nachdem die Hausaufgaben gen sie ihre lautlosen Runden über Burgstädt. erledigt waren, war er unser Ziel. Besonders gern Stundenlang konnten wir zuschauen, wie die Win- denke ich an die Winter. Schlittschuhlaufen auf de sie hochzogen oder später die Motorflugzeuge dem Teich war so cool! Besonders unsere Eis- aus Karl-Marx-Stadt. Höhepunkte waren Flugtage hockey-Turniere mit den aus Schneehaufen mar- mit Fallschirmspringern und Kunstflugdarbietun- kierten Toren waren Spitze. Wir waren aber nicht gen. Am liebsten wären wir selbst mit geflogen. In die Einzigen in den 60er Jahren. Prominenz vom die Gesellschaft für Sport und Technik hätten wir Karl-Marx-Städter Eissport-Club, darunter auch eintreten müssen. Ab Mitte der 70er war es eh vor- Jutta Müller, kam extra nach Burgstädt, um auf bei. Nur das Brummen eines Agrarfliegers war ab unserem winterlichen Teich ihre Künste auszu- und zu noch zu hören. Unangetastet blieb dage- üben! Schön beleuchtet und mit Musik dazu war gen der in Nähe des Segelflieger-Hangars ange- dies ein tolles Spektakel. Aber auch die Teufels- siedelte Hundesportverein. Dem Schäferhund bahn war nie sicher vor uns. Ob mit Schlitten oder meines Freundes wurden jedenfalls dort „gute Das „Düsseldorfer“ Original: Der erste Schwan Ski, ständig wurden neue Geschwindigkeitsrekor- Manieren“ beigebracht. von 1962 de angepeilt. Quelle: Friedrich Uhlich jr. Ein ganz anderes Highlight unseres Hains war C M Im Sommer waren natürlich die Bäume und Fel- aber bald in Sicht. Schön, dass wir selber mit dar- Y K Pst! Da schwimmen die beiden Prachtexemplare sen unser Revier. Wie herrlich konnte man hier an bauen durften. „Nationales Aufbauwerk“ hieß Versteck spielen, klettern oder „Räuber und Gen- das damals oder auch „Mach-mit-Wettbewerb“. 7
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 brunnen erneuerte. 1986 waren unsere Kinder be- sonders begeistert. Eine „Bimmelbahn“ kutschier- te die Kleinen durch den Park. Dahinter steckte ein Multicar mit Anhängern der Firma Wittig, die Mitarbeiter des Burgstädter Bahnhofs liebevoll zu solch einer Bahn umfunktioniert hatten. Fluggerät am Taurastein - mit diesem alten Segelgleiter fing es an in den 50er Jahren Quelle: Klaus Liebing Zukunftsweisend scheint mir ja die erst vor knapp vier Jahren erbaute Antennenanlage direkt am Rand des Hains Richtung Hänflingsberg zu sein. Der große Mast, sein Richtfest war am 15.11.1985, und das dazugehörige Verstärker- haus läuten mutmaßlich eine neue Ära des popu- lären Mediums „Fernseher“ ein. 17. Juni 2019 130 Jahre sind zwar nicht eine typische Jubilä- umszahl wie „100“ oder „125“. Aber man hat sich in 2019 seines wertvollen Besitzes namens „Wet- tinhain“ besonnen. Monatelang haben engagierte Ehrenamtliche und Hobby-Historiker Burgstädts darauf hingearbeitet, dieses Jahr besonders ihrem Bürgerpark zu widmen. Interessante Veranstaltun- gen dazu sind im Angebot. Auftakt war eine Vor- stellung des Jubilars am 12. April in der Stadtbi- bliothek. Interessante Plakate sind hier und da zu sehen. Die Stadt hat ein Buch zu ihrem Hain her- ausgegeben. Der 17. Juni in diesem Jubiläumsjahr animiert besonders dazu, nochmals über die Ent- wicklung unseres Hains in den letzten 30 Jahren nachzudenken. Ein gelungenes Objekt der DDR-Ära: Die Freilichtbühne (Der Architekt und eine Bauzeichnung) Quelle: Olaf Scheithauer Als könnten die Burgstädter es kaum erwarten: Noch in der DDR, am 5. Juni 1990 konkret, be- schlossen die Stadtvertreter die Rückumbenen- nung in „Wettinhain“. Richtig realisiert wurde das Entworfen hatte das Ganze der Burgstädter Archi- Hill oder Egon & Co von der Olsenbande wurden Ganze aber erst 1995/96. Das erneuerte Schild tekt Johannes Scheithauer. Und bis heute ist sie zu unseren heimlichen Helden unterhalb des Tau- „Wettinhain“ stand erst unten am Teich. Jetzt nicht weg zu denken: Unsere Freilichtbühne! Die rasteins. prangt es am Beginn der Treppe von der Hainstra- alte Naturbühne am Felsen mit der Storchenesse ße hoch zum Turm. Dieser erstmals 1911 von der hatte ausgedient. Die neue Bühne, die wir 1974- Das alte Fest am Taurastein erlebte ich zwar nicht, damaligen Chemnitzer Hütte aus angelegte Turm- 77 schufen, brachte ordentlich Pep in den Hain. aber die Parkfeste ab 1976 waren auch nicht zu zugang wurde 2012 rekonstruiert. In Pflasterbau- Es lohnte sich in Sachen Kultur wieder, den Park verachten. Das 14. Parkfest wird nun dieses Jahr weise und mit 23 kleinen Einzeltreppen ausgelegt, aufzusuchen. Scharenweise strömten die Burg- schon ausgerichtet. Natürlich war dies 1979 mit erleichtert die gelungene Anlage den Aufstieg zum städter zu Konzerten ihres Männerchores „Ein- der 525-Jahrfeier besonders ereignisreich. Lutz Turmplateau erheblich. Ganz neu dagegen war die klang“ oder auch tschechischer Blasmusikanten. Jahoda war einer der Stars. Das Großschachtur- 2000 errichtete Freitreppe neben der Robert-Gärt- „Grünes Licht für Burgstädt“ hieß eine dort veran- nier habe ich auch nicht vergessen. Überhaupt ner-Tafel nach oben. staltete Show. Uns als junge Leute zog das Frei- wurde der Hain in diesem Jahr auf Vordermann lichtkino in seinen Bann. Bud Spencer, Terence gebracht. Ich weiß noch, wie man den Spring- Womit wir jetzt bei unserem Wahrzeichen sind. 8 C M Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Eine echte Erfolgsstory war sie, die Restaurierung unseres Taurasteinturmes, auf den wir so viele Jahre verzichten mussten! Gut vielleicht, dass die Wasserwirtschaft schon 1996 den Turm vom Was- sernetz abgekoppelt hat. Gut auch, dass es der Stadt gelang, den Turm kostengünstig zurück zu erhalten. Der Entschlossenheit der damaligen Stadtverordneten, dem Engagement von Bürger- meister Lothar Naumann und natürlich dem Kön- nen der Handwerker war es zu verdanken, dass nach kurzer Bauzeit von 1998-2000 unser Turm in neuem Glanz erstrahlte. Gestrahlt haben auch die Gäste der Eröffnungsfeier am 24. November 2000, als sie erstmals die Aussichtsplattform be- stiegen. Ebenso „strahlen“ die Schilder der Inha- ber der 163 versteigerten Turmstufen! 2,7 Millionen DM flossen in das Projekt. Nur gut, dass es Fördermittel gab. Schließlich steht der Turm ja in der Liste der Kulturdenkmale Deutsch- lands. Ebenso wie die berühmte Triangulations- säule unweit davon entfernt. 2000 war das noch 10. Parkfest 1986: Logo im Programmheft (auf der vorhergehenden Seite) und Bimmelbahn am Hain- gar nicht der Fall. Die „Storchenesse“ lag marode Eingang am Boden. Sie konnte bestens aufgerichtet und Quelle: Stadtarchiv Burgstädt, Wolfdietrich Eckelmann wieder hergestellt werden im Jahr 2002. Aber auch für scheinbar unspektakuläre Dinge flossen viele Mittel aus Fördertöpfen, aus unse- rem Stadtsäckel oder von vielen Spendern. Ob wirklich die Leute bemerkt haben, wie die Wege saniert und ausgebessert wurden? Oder die Teichanlage mehrfach entschlammt wurde, mit neuem Geländer versehen oder ihr Ufer befestigt wurde? In Augenschein genommen wurde dagegen be- stimmt die Sanierung der geliebten Freilichtbühne 2010/11. Wohlwollend hatten die Burgstädter auch die Eröffnung eines Bistros direkt daneben registriert. Traurig und für viele Leute bedrückend ist dagegen etwas anderes: Vandalismus und Zer- störungswut haben teilweise unserem geliebten Hain zugesetzt. Ein 2006 liebevoll nahe dem ehe- maligen Strandcafé errichteter Grillplatz wurde zerstört. Skulpturen, so der bekannte „Harmoni- kaspieler“ müssen jetzt durch den Zaun, der Frei- lichtbühne und den Rest der oberen Teichanlage einschließt, geschützt werden. Auch um das Mahnmal für die Opfer des Faschis- mus, seine Sanierung erfolgte ebenfalls in 2011, bangen häufig besorgte Bürger. Für viele ist es nach wie vor sehr wichtig. Der neu eingerichtete bundesweite Gedenktag für die Opfer der natio- nalsozialistischen Gewaltherrschaft am 27. Janu- ar ist jährlich Anlass, diese Stätte aufzusuchen. Überhaupt, Kultur wird weiter groß geschrieben im Wettinhain. Klänge verschiedenster Genre der Musik erschallten in den letzten Jahren. Nicht nur, dass der Männerchor 2006 hier sein 125jähriges Jubiläum beging. Johnny Cash tauchte mit „Ban- dana“ auf der Freilichtbühne auf und das Feeling des Dresdner Dixieland-Festival vermittelte die Freiberger Silverstone Band. „Rock am Turm“, auch dieses Jahr können Fans dies wieder erle- ben. Für Kenner der bildenden Kunst ist die Gale- rie im Turm längst kein Geheimtipp mehr. Äußerst bunt war das Programm aus Vernissagen und Ausstellungen, die die Kulturverantwortlichen der Stadt organisierten. Spontan fallen mir Darbietun- gen von Holzkunst, Malerei und Grafik durch die Künstler Rene Lämmel und Frithjof Hermann ein, die „Kunst der kleinen Steine“ von Ray Kunzmann oder die Ausstellung „Im Licht der Sonne“. Mehr für Naturfreunde war die Neuschaffung des bota- Eines unserer beiden „Kulturdenkmale Deutschlands“ im Hain: Der Taurasteinturm nischen Lehrpfades oder 2006 die Führung „Ra- sen, Rosen und Rabatten - Historische Gärten Quelle: Ralf Jerke Fotodesign und Parks“. C 9 M Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Eines unserer beiden „Kulturdenkmale Deutschlands“ im Hain: Die Triangulationssäule Quelle: Ralf Jerke Fotodesign Auch dieses Jahr wird eine Ausstellung zu Ehren fentlich geküsst! Konkret am 7. April 2018 wurde offenen Denkmals auf dem Turmplateau wieder im des 130jährigen Jubiläums des Wettinhains statt- eine neue Anlage „wach geküsst“: Das Fühl BAR- September... oder...oder...oder. finden. FUSS Erlebnis. Der Mitteldeutsche Rundfunk schickte Burgstädts Bürgerpark im „Frühlingser- Sie ist in Erfüllung gegangen, die Vision des jun- Nicht zu kurz gekommen sind unsere Kinder! Un- wachen“ in einen kulturellen Städtewettkampf ge- gen Dr. Böhmert von 1889! Wir dürfen uns als sei- ter vier Ideen zur Neugestaltung des Spielplatzes gen Meuselwitz in Thüringen und Jessen in Sach- ne „Urenkel“ betrachten. Und der von ihm ge- haben kompetente Leute die richtige ausgewählt, sen/Anhalt. Zwar konnten wir die Prämie von schaute „Ort für Erholung und Spiel“ ist überdies jene der Brand-Erbisdorfer Firma mit dem Motto 4.444 Euro nicht abräumen, aber eindrucksvoll zu einem millionenschweren Schatz geworden: „Der Schatz am Taurastein“. Der neue Abenteuer- zeigten die Burgstädter mit der Schaffung dieses Unsere „Immobilie“ Wettinhain mit seinem be- spielplatz, am Kindertag 2016 eingeweiht, ist zum Nachfolgers des 2005 mit 17 Stationen errichte- rühmten Turm! Unser aller Schatz. Hüten und be- beliebten Treffpunkt für die Kids geworden. Dass ten Barfußweges ihr Engagement und Können. wahren wir ihn! Sein Wert wird weiter steigen. Gei- ihr Herz für Kinder am rechten Fleck ist, zeigten Die neue Anlage ist nicht nur etwas zur Fußsoh- zen wir nicht mit Ideen zu seiner weiter ausgewo- viele Spender, unter ihnen Burgstädter Gewerbe- lenmassage, sondern auch ein echter Hingucker! genen und noch besseren Nutzung! Möge der treibende, für dieses Projekt. Sogar „Fanta“ war Wettinhain noch für unsere Kinder und Enkel, mit dabei! Wie schon vor 100 Jahren: Der Wettinhain Ja, es lohnt sich wirklich, unseren Wettinhain zu denen wir heute vielleicht den Abenteuerspielplatz lebt und gedeiht von der auch finanziellen Hin- besuchen. Das merkt man so richtig, wenn es mal aufsuchen, ein erstrebenswertes Ziel sein am 17. wendung so vieler Freunde! Ebenso am Kindertag nicht geht, wie dieses Jahr nach den Sturmschä- Juni 2039, am 17. Juni 2054 oder gar zum 200. zum 1. Juni gestalten die Stadt und andere Träger den, als der Park gesperrt war. Ein Albtraum war Jubiläum im Jahr 2089... regelmäßig liebevoll vorbereitete Kinderfeste im das! Zum Glück ist alles wieder behoben. Ich freue Hain. mich nun wieder auf meinen nächsten Spazier- gang hier, auf das nächste Minigolf-Turnier mit Dr. Wolfgang Scheffel Auch wenn eine Bewerbung um die Ausrichtung meinen Freunden und die nächste Besteigung des der Landesgartenschau im Wettinhain 2012 nicht Taurasteins mit meiner Dauereintrittskarte. Oder C M erfolgreich war, kam unser Park spätestens 2018 auf den nächsten open-air-Gottesdienst auf der Y K in die „Landes-Schlagzeilen“. Es wurde hier öf- Freilichtbühne oder auf das Treiben am Tag des 10
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Zwei Pracht-Objekte des heutigen Wettinhains: der Abenteuerspielplatz und das Fühl BAR-FUSS Erlebnis (per Drohne) Quelle: Ralf Jerke Fotodesign C M Y K 11
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Erinnerungen an die 130 Jahre Wettinhain von Burgstädter Bürgerinnen und Bürgern Erinnerungen von René Irmscher: Eine Geschichte von Annette Richter: Der Wettinhain war unser großer Spielplatz. Als kleine Kinder verbrachten wir hier oft Zeit mit meinen El- Die Geschichte soll auch an Menschen tern, Geschwistern oder der Oma. Später dann, als Schulkinder, war keine Ecke vor uns Jungs sicher: erinnern, die völlig unscheinbar gewirkt Klettern auf Bäumen und Felsen, Radfahren, Versteckspielen. Der „Wettscher“ war dafür der perfekte haben. Abenteuerspielplatz. Im Winter musste dann die Teufelsbahn für ständig neue Geschwindigkeitsrekord- versuche auf unseren Schlitten herhalten. Später, so mit 10-11 Jahren, war Schlittenfahren uncool und Der Mann im Turm es ging auf Skiern meist vorn, neben der Treppe am Turm oder im hinteren Bereich, Richtung Hänflings- Sie hüpfen, lachen und spielen um einen berg, halsbrecherisch die Hügel hinab. Außer kleineren Blessuren haben wir auch diese wilden Zeiten Mann herum, der kaum lächelt. gut überstanden. Er sitzt gebeugt an einem Tisch und kommt ihnen sehr alt vor. Er trägt einen dunklen Obwohl der Taurasteinturm zu DDR-Zeiten ziemlich vernachlässigt wurde, bleiben mir trotzdem Erinne- Hut und einen Mantel, der ihn nicht zu wär- rungen an dieses imposante Bauwerk. Wir bestiegen ihn damals als Kinder, sicher anlässlich eines Park- men scheint. festes. Auf der ersten Ebene gab es das „Turmcafé“ und es war etwas ganz Besonderes, dort etwas zu Seine Brille mit den dicken Gläsern passt trinken und zu essen. Vorher musste man sich durch den damals etwas gruselig (da ziemlich dunkel an- nicht zu seinem schmalen Gesicht. Die mutenden) Eingangsbereich trauen. Dort stand das Modell vom hölzernen Vorgänger, welches sich heu- Mädchen kennen ihn schon lange. Sie le- te im Stadtmuseum befindet und auch interessant anzusehen ist. gen jede ein Zehnpfennigstück vor ihm hin. Nach der Stärkung ging es an den Aufstieg zur Aussichtsplattform, durch das immer enger werdende Die Großmutter hatte Groschen dazu ge- Treppenhaus, mit Blick durch ein schmales Fenster auf den Wasserbehälter. Oben wurde man erst ein- sagt. Er betastet das Geld und legt es in ein mal ordentlich durchgepustet. Ja und dann war das Problem: Die Beine so kurz, die Brüstung zu hoch. Kästchen. Dort liegen, fein sortiert, noch Mein Vater musste irgendwie drei Kinder in die passende Reihenfolge bringen, jedes wollte zuerst hoch- andere Geldstücke. gehoben sein, um endlich den Ausblick genießen zu können. Er gibt den Kindern ein kleines Stück Pa- pier. Es sind Eintrittskarten. Sie wissen es, „Grünes Licht für Burgstädt“, eine Show mit Musik und verschiedenen Aufführungen auf der Freilicht- aber sie können noch nicht lesen. Schnell bühne, gehörte während der Parkfeste zu DDR- Zeiten zum Pflichtprogramm, wenn man sein Taschen- erstürmen sie Windungen des Turmes. Sei- geld auf dem Rummel durchgebracht hatte. Ein Eis am Stiel, damals etwas gaaanz Besonderes, eine Li- nes Turmes. Ihre Puppen tragen sie wie ei- mo oder vielleicht ‘ne Roster in der Hand genügten, um damit gewappnet dem Ganzen zu folgen. Ir- gene Kinder auf den Armen. Die Puppen- gendwann durften wir dann auch ins Freilichtkino. Mit Decke unterm Arm galt es zunächst, sich die bes- wagen stehen hinter der großen Eingangs- ten Plätze zu sichern. Man war mit 16/17 Jahren wirklich cool, abends da zu sitzen, vielleicht mit Alkohol tür des Turmes. und die qualmenden Kumpel um sich rum. Der Film war eigentlich nicht so wichtig. Fast wöchentlich kommen sie von Taura hierher. Große Bilder mit schwarzen Rah- Auch an den Spielplatz habe ich noch meine Erinnerungen: Als ich noch auf Spielplätzen rumturnte, und men hängen auf den Etagen des Turmes. das ist nun rund vierzig Jahre her, gab es hier eine Wippe, die auf Reifen auflag, einen Kletterpilz und ein Sie erzählen vom Taurastein, dessen Fel- paar Reckstangen. Bunt angemalt, aber schon ziemlich verblasst und wenig aufregend. Aber das ge- sen, Schätzen und heimlichen Bewohnern. nügte trotzdem! Dann „nach der Wende“ bekam auch der Spielplatz mehrmals ein neues Gesicht. Mitt- An dunklen Tagen bekommen sie eine lerweile, größtenteils durch eine Gewinnaktion eines großen Getränkeherstellers finanziert, ist er zu dem angsterweckende Ausstrahlung. Dann ren- geworden, was Kinder heute brauchen: Viele Möglichkeiten zum Toben, gesichert durch nen die Mädchen die Treppe ganz schnell Fallmatten/Sand. Neidisch könnte man da schon sein… wieder herunter. Aber meistens steigen sie bis zur Aussichtsplattform, auf der sie Und der „große und kleine untere Teich“, wie wir als Kinder sagten. Was fällt mir dazu ein? Zunächst der nichts sehen können. Sie sind noch zu klein große Springbrunnen. Die Enten. Die weißen Schwäne, die immer wild fauchten, wenn man ihrem Nach- und der Wind fegt sie fast um. Aber es ist wuchs zu nahe kam. Aber vor allem Schlittschuhlaufen (oder Gleitschuh- oder nur Schuh) im Winter! Ja, ein riesiges Abenteuer. die waren im Winter zugefroren, die Teiche! Es war richtig kalt! Und wenn man nicht aufpasste, trug einen Wenn sie abwärts steigen, raten sie immer, das Eis noch nicht. Auch das war kalt, ich hab’s damals getestet… wann sie bei dem alten Mann endlich an- kommen. Triangulationssäule und Naturbühne/Waldbühne: Hierzu kann ich nur wenig Erinnerungen teilen. Es war Manchmal wartet er schon auf sie. Er hat unser Kletterfelsen, oben drauf die „Storchenesse“, unten die „Bärenhöhle“, die angeblich der Eingang immer, in all den Jahren, nie gesagt, dass zum Geheimweg auf die Rochsburg(!) war. Kinder haben oftmals wunderbare Fantasien. Toben, Klettern die Öffnungszeit schon vorbei war. Seine und einige Dummheiten, machten wir da. Genau wie andere Kinder eben auch. Frau stand neben ihm, um ihn abzuholen und schloss mit ihm gemeinsam ab. Noch erwähnen möchte ich außerdem: Blutende Knie, Löcher im Fahrradschlauch, „Spitzensalat“ an Fest bei ihr eingehakt, lief er mit ihr über die den Schneeschuhen meines besten Freundes, der Schulcrosslauf, die Querfeldein-Radrennen, beim Taurasteinstraße nach Hause. Er war blind. Aufbau des Rummels stundenlang zuschauen und für kleine Hilfsarbeiten Freifahrkarten erhalten, Bock- Sein Arbeitsplatz war der Turm, seine Woh- wurst und Cola am „Strandcafé“ (mit dem stinkendem Klo), eigene „Radrennen“ um den Teich, … nung auf der Arthur-Beil-Straße in Taura. Die Mädchen wurden größer. Die Puppen Ach, es war schon ein ganz besonderer Platz zum Aufwachsen. Glücklicherweise gehört der „Wett- wurden weggesteckt und die Besucher im scher“ auch jetzt noch zu meinem Leben, und das, mit all seinen bekannten Ecken und den damit ver- Turm blieben aus. bundenen Erinnerungen und unvergesslichen Momenten. Ich wünsche mir für ihn und für uns Burgstäd- Ob Herr Schuster noch lange auf sie gewar- ter, dass er weiterhin gut erhalten und vorangebracht wird. tet hat? Einige Jahre blieb der Turm für Besucher geschlossen. Erinnerungen von Birgit Gröber: 40 Jahre später hat eines der Mädchen Auch ich kann mich an eine Erzählung über den „Wettinhain von damals“ erinnern. symbolisch zwei Stufen des Turmes erwor- Meine Oma, geboren 1911, berichtete, dass es im Wettinhain ein lebendes Schachspiel gab. Den ge- ben. nauen Standort weiß ich allerdings nicht mehr. Ich nehme an auf der großen Wiese. Dort war ein großes Eine Stufe schenkte sie ihrem Sohn, der Schachbrett auf dem Boden aus Stein aufgebracht und dann fungierten Menschen als Schachfiguren. nun lebenslänglich kostenlos ihren Turm Meine Oma war dabei die weiße Dame. besteigen darf. Es fanden damals vor dem Krieg regelmäßig Spiele mit Publikum statt. Auch mein Opa war bei den Die andere Stufe erinnert an ihre Mutter in Spielen als eine Figur dabei. In meiner Kindheit (Ich bin Geburtsjahr 1955) gab es dieses Schachbrett den USA. Deren Schulweg führte einige noch. Allerdings schon verwildert. Jahre von Taura nach Burgstädt, immer am Vielleicht kann sich daran noch jemand erinnern? Turm vorbei. C 12 M Y K
aktuell Burgstädter Anzeiger SONDERAUSGABE 17. Juni 2019 Erinnerungen von Konrad Schmidt: büchst. Sicher hat auch die Polizei die Suche aufgenommen, aber wir taten Ja, ich kann mich an das Heimatfest in Burgstädt 1954 und das damit ver- es auf eigene Faust ebenfalls. Alle, die in der Nähe des Hains (ja mittlerweile bundene Wettinhainfest noch schwach erinnern. Bildlich vor mir ist noch die offiziell Karl-Liebknecht-Hain) wohnten, durchkämmten die Rhododendron- große Festwiese mit Rutsche, Riesenrad, Losbude und Würstchenstand. Gebüsche oder die damals noch dichten Buchenhecken des „Märchenwal- Die Wiener vom Kluge-Fleischer waren eine absolute Delikatesse. Noch in des“. Wir suchten in der kleinen Höhle und im Toilettenhäuschen genauso Erinnerung ist mir die farbige Illumination an den Wegen, die mit eintreten- wie zwischen den Felsen. Es war interessant und aufregend. Gefunden ha- der Dunkelheit dem Park ein besonderes Gepräge verlieh. Beim letzten ben wir ihn nicht. Irgendwie ist er wieder aufgetaucht. S. R. ist dann nach Stadtfest fühlte ich mich beim abendlichen Gang durch die Rathausgasse Limbach verzogen, aber nicht mal zu Klassentreffen können wir ihn hochle- wieder in die Kindheit versetzt, denn genau diese bunten Lampen gab es ben lassen, wir haben keinen Kontakt mehr. damals im Wettinhain. Natürlich darf die Turmbesteigung in den Erinnerungen nicht fehlen. Mit Später wurde der Wettinhain für mich zum Ort des Wintersports. Beim Eis- dem Großvater oder den Freunden Frank und Albrecht wurden die unend- laufen hab ich leider nur zugucken müssen, weil entweder keine Schlitt- lich vielen Stufen erklommen, um dann die Tür aufzudrücken und in luftiger schuhe oder keine passenden derben Schuhe zum Befestigen der Kufen Höhe sich den Wind um die Nase blasen zu lassen. Die Aussicht hat damals vorhanden waren. Aber Rodeln war schon von klein auf angesagt. Anfangs genauso gut wie heute, sodass sich die Mühe gelohnt hatte. Wenn wir heu- an einem kleinen, heute vollkommen unscheinbar erscheinenden Hang te nach dem Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig mühelos Ausschau halten, oberhalb des Teiches, dort wo aktuell der Barfußbereich angelegt wurde. war früher das Völkerschlachtdenkmal das absolute Ziel. Ja, bei guter Sicht Etwas größer und waghalsiger geworden ging es hinter zur „Fliegerwiese“. hab ich es wirklich gesehen. Wenn diese auch eher den Skifahrern vorbehalten war, an der Seite gab es ein steileres Stück für die Schlittenfahrer. Natürlich wechselten wir dann Was wäre der Wettinhain ohne seine Teichanlage? auch zur Teufelsbahn! Heute sind an diesem Hang einige Stellen (Querwe- Wie schon erwähnt im Winter zum Eislaufen, aber im Sommer zur Karpfen- ge) entschärft und nur im Winter bei vereister Piste kann man sich vorstel- zucht. Das Erlebnis Gondelfahrt kenne auch ich nur aus dem kollektiven len, dass wir damals mächtigen Spaß hatten. Zumindest bergab, denn dann Gedächtnis, d.h. aus den Erzählungen meines Vaters. Der ist im Übermut musste man vom unteren Rand der Festwiese den Schlitten wieder nach voll bekleidet vom Boot ins Wasser gesprungen und wäre fast im Schlamm oben ziehen und sich anstellen. stecken geblieben. Die Wette zwar gewonnen, ist er dann triefend nass und von allen belächelt nach Hause gelaufen. Auch die Karpfenzucht gibt es Die „Fliegerwiese“ war auch im Sommer interessant. Denn dort begann die nicht mehr, obwohl ein Schild „Angeln verboten“ auf Fischbesatz hindeutet. GST (Gesellschaft für Sport und Technik) Sektion Segelflug mit ihren sport- Wir konnten von der Brücke aus die kräftigen Tiere im Wasser hin und her lichen Aktivitäten. Die Segler wurden von den Sportlern per Seil den Hang schwimmen sehen. Damals waren beide Teichhälften noch verbunden. hinuntergezogen, bis sie dann zum Gleitflug übergingen. Nach erfolgreicher Wenn wir Brotstücke mithatten, schnappten die Fische begierig nach den Landung kam das, was wir uns heute kaum noch vorstellen können: Die Happen. Füttern war nicht verboten und die Tiere wurden sogar mit Getrei- Muskelkraft und Anstrengung. Die Flugzeuge, wenn es auch Leichtbau war, deschrot und gekochten Kartoffeln gemästet. Dann kam im Herbst das all- mussten den Hang wieder hinaufgezogen werden. Noch interessanter wur- seits beliebte Schauspiel des Abfischens. Die Teichanlage wurde bis auf ei- de es dann als hinter dem Wettinhain auf Tauraer Flur die Segler mittels Mo- ne Senke abgelassen. Aus dieser wurden dann die Karpfen mit dem Ke- torwinde bzw. Motorflugzeug nach oben gezogen wurden. Vom kleinen scher abgefischt und in große, auf Lastkraftwagen befindliche Wassertanks Bruder des Taurasteinturms, vom Gustav-Winkler-Felsen konnte man das verfrachtet. Ein grandioses Schauspiel für uns Kinder. Und wir entdeckten gut beobachten. Die heutige Schießsportanlage, die einst als Reithalle ge- dann im Schlamm noch Schnecken und sogar Krebse. Auch gab es auf baut wurde, diente damals als Hangar für die Segler. dem Teich immer Enten und viele Jahre lang sogar ein Schwanenpaar. Man konnte ihre Brut beobachten, doch wenn dann die Jungen geschlüpft wa- Auch war der Park mit seinen Gebüschen und Felsen in meiner Schulzeit ren, musste man eher Abstand zu den Elterntieren halten. ein beliebter Platz für Geländespiele, ob nun als „Schnipseljagd“ oder spä- ter mit Karte und Kompass. Einmal haben wir sogar nach einem Mitschüler Ja, so war in unserem Park eigentlich immer etwas los und ich denke, dass gesucht. D.h. in unserer Grundschulzeit war ein Klassenkamerad ausge- vielen Burgstädtern auch noch mehr ins Gedächtnis zurückkommt. Dankeschön des Bürgermeisters Liebe Burgstädterinnen und liebe Burgstädter, liebe Mitglieder der AG Wettinhain, seit 2018 planen engagierte Burgstädter Bürgerinnen und Bürger sowie zahlreiche Mitglieder der Stadtverwaltung das 130-jährige Jubiläum unseres Wettinhains. Ganz bewusst haben wir uns dafür entschieden, dieses Jubiläum nicht nur einmal zu feiern, sondern eine ganze Reihe von Veranstaltungen zu Ehren unseres „Wettschers“ durchzuführen. Unter anderem ist dabei auch der Gedanke entstanden, eine Sonderausgabe des Burgstädter Anzeigers am Tag des 130. Geburtstages zu veröffentlichen. Vor allem Herr Dr. Wolfgang Scheffel hat zum Gelingen dieser Sonderausgabe beigetragen. Durch seine intensive Re- cherche in der Geschichte des Wettinhains, das Lesen in alten Chroniken und Festschriften und dem Verfassen von ei- genen Texten hat er die Sonderausgabe mit interessanten Inhalten füllen können. Für diese enorme Einsatzbereit- schaft, die hohe Motivation und die hervorragende Zusammenarbeit danke ich ihm ganz herzlich. Er hat eindrucksvoll bewiesen, welche Bedeutung und welchen Stellenwert das Ehrenamt und damit freiwilliger und unentgeltlicher Einsatz für unsere Stadt hat. In diesem Zusammenhang danke ich auch seiner Familie, die in den letzten Wochen viel auf ihn verzichten musste. Aber auch bei allen Mitgliedern der AG Wettinhain bedanke ich mich in diesem Rahmen nochmals herzlich. Ohne Ihr Engagement und Tatendrang konnten die zahlreichen Ideen zur Feier des 130-jährigen Jubiläums weder geplant und organisiert, noch umgesetzt werden. Ebenfalls gilt mein Dank Ihnen, den Bürgerin- nen und Bürgern von Burgstädt. Sie haben mit Ihren zugesendeten Geschichten ebenfalls vielfach Ihre Hilfe und Unterstützung bei der Erstellung dieser Son- derausgabe geleistet und somit dazu beigetragen, dass wir als Leser der Sonderausgabe an Ihren persönlichen Erinnerungen teilhaben dürfen. Mein herzli- ches „Dankeschön“ dafür! Für mich ist es stets eine Freude zu sehen, wie wir als Burgstädter zusammen halten und große Vorhaben gemeinsam anpacken. Das macht mir Mut, auch den zukünftigen Aufgaben, die sich uns stellen, gemeinsam und mit Zuversicht zu begegnen. Ihr Bürgermeister Lars Naumann C M 13 Y K
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