Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen
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© pixabay 2020, Foto: joakant Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen Strategische und informelle Kommunikation in Netzwerken von Jasmin Döhling-Wölm Wie bekomme ich einen Job durch Netzwerke? Dazu gibt Bolles und Daniel Porot mit dem Jobinterview durch die es eine Vielzahl an soziologischer Netzwerkforschung. Da proaktiv Jobsuchenden. Die Methode nutzt drei Phasen, sind die Namen von Mark Granovetter, mit seiner Theorie um mit Hilfe von Informationsbeschaffung zu einem Job der Stärke der schwachen Beziehungen bei der Jobsu- zu kommen. Dabei berücksichtigt sie die Vorgehenswei- che oder Ronald Burt mit seiner Theorie der strukturellen se von Arbeitgebenden, passende Mitarbeiter*innen zu Löcher bereits Klassiker, auf denen neuere Karrierenetz- finden: das strategische Netzwerken. werkforschung erfolgreich aufsetzt. Es liegt auf der Hand, dass diese Methode nur erfolgreich In diesem Beitrag konzentriere ich mich auf die Infor- sein kann, wenn man nicht unter existentieller Not einen mationsprozesse in Karrierenetzwerken. Denn was wirk- Job sucht, sondern dass es um einen längerfristigen, an lich gut klappt beim Jobhunting, ist die Beschaffung Menschen interessierten und quasi nebenbei netzwerk- von Informationen zu Arbeitsmärkten und potentiellen bildenden Kommunikationsprozess geht. Arbeitgeber*innen, um sich in diesem Informations- prozess parallel neue belastbare Allianzen zu schaffen. Die Methode des Trendsetting-Talks verbindet in gewis- Eine Strategie, die Sie wahrscheinlich schon einmal an- ser Weise die Interviewtechnik der PIE-Strategie mit einer gewandt haben, ohne es zu bemerken, ist die PIE-Me- frühzeitigen und fachbezogenen Kommunikation, die an thode. Bekannt geworden ist die PIE-Methode des US- Entwicklungen und der Zukunft interessiert sind. Daher amerikanischen Karriereberaters John Crystal im Zuge stelle ich beide Strategien als ergänzende Karrierekom- des Life-Work-Planning-Konzepts nach Richard Nelson munikationsstrategie in diesem Beitrag vor. 22 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen Wie funktioniert ein Jobinterview mit der I = Die Informationsphase PIE-Methode? In dieser Phase sind Sie bereits sicher in den vier zentra- Jobinterviews sind also informelle Gespräche, eingebet- len PIE-Fragen. Jetzt wählen Sie ein Feld aus, dass Sie job- tet in eine zielgerichtete Karrierenetzwerkstrategie. Sie relevant wirklich interessiert. Sie wollen Informationen verbinden Small Talks mit fachlichen Fragen und bieten darüber bekommen, wie man in diesem Feld eine Anstel- so einen Raum zum entspannten Kennenlernen. lung findet und welche Kompetenzen Sie mitbringen, mit welchen Herausforderungen Sie rechnen und wen P = Die Pleasure-Phase Sie kennen sollten. In dieser Phase können Sie in einem Feld, in dem Sie kei- nen Job haben möchten, die zentralen Interviewfragen Damit es wie in der Pleasure-Phase ein informelles und üben. Ziel ist, Sicherheit im Umgang mit den Fragen und lockeres Miteinander wird, ist es wichtig, auch in dieser Antworten zu erlangen. Die folgenden Fragen stellen Sie Phase keinen Job zu „wollen“. Denn das würde nur Druck also jemandem, der oder die in einem Berufsfeld arbei- in die Situation bringen und Sie würden sehr wahr- tet, dass Sie interessiert, wobei Sie jedoch keine eigenen scheinlich weniger relevante Informationen von Ihrem Karriereambitionen für dieses Feld haben. Sehr oft wer- Gegenüber bekommen, der oder die vermuten könnte, den von unseren Coachees hier Kunstschaffende oder als Jobvermittler benutzt zu werden. Das behindert den Gastronomiebetreibende als Interviewpartner*innen Informationsfluss und Vertrauensbildung. ausgewählt, da diese als offene Menschen wahrgenom- men werden, oder auch Familienmitglieder. Die Informationen und Kontakte aus dieser Phase können Ihnen helfen, das Feld besser zu sondieren: Ist es wirklich Ihres oder wollen Sie sich weitere Felder erschließen? Die zentralen vier Fragen der PIE-Methode sind: ? Wie sind Sie zu diesem Job/in dieses Feld/zu Weitere Fragen, die Sie in dieser Phase stellen diesem Projekt gekommen? können, sind: as sind üblicherweise die Aufgaben in Ihrer ▶W + Was mögen Sie daran besonders? Position? - Was mögen Sie daran weniger? elche Kompetenzen benötigen Sie, um diese ▶W Aufgaben zu bewältigen? > Könnten Sie mir jemanden empfehlen, der bzw. die mir weitere Informationen zu diesem Thema geben kann? In beiden bisherigen Phasen der PIE-Strategie sind Um- gangsformen selbstverständlich Teil des professionel- Es geht in dieser Phase darum, das Fragen an sich zu len Auftritts. Dazu gehört die höfliche Anfrage für einen üben. Denn die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen Termin zu Beginn ebenso wie ein Dankeschön für die es als eine Hürde betrachten, jemanden einfach mal so erbrachte Zeit und die wertvollen Informationen nach nach seinem oder ihrem Job zu fragen, weil man es als dem Treffen. Zudem empfehle ich, sich auch digital mit- übergriffig empfindet. Aus meiner Coachingerfahrung einander zu vernetzen. Denn man weiß nie, ob man nicht weiß ich jedoch, dass viel mehr Menschen bereit sind, irgendwann einmal einem Musiker oder einer Hotelbe- über ihre Erfahrungen Auskunft zu geben, als vermutet sitzerin etwas zurückgeben kann. wird. Und gerade dann, wenn es eben nicht um einen Job, sondern um den Austausch von Information geht. E = Die Employment-Phase In dieser Phase haben Sie bereits so viele Informationen und Kontakte, dass Sie wählen können, mit wem Sie sich weiter austauschen möchten. Wer ist Ihnen sympathisch Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 23
Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen genug, um sich auch als potentielle Bewerber*in bzw. markt begegnet, werde ich immer skeptisch. Denn die zukünftige*n Kolleg*in in den Bewerbungspool aufneh- professionelle Sichtbarkeit von Menschen und zum Bei- men zu lassen? Die weitere Kontaktpflege besteht darin, spiel ihren Verantwortungen, Leistungen und Projekten informiert und professionell sichtbar zu bleiben. ist ein wichtiges Karriereelement, wenn man von ande- ren entdeckt werden will als Profi und Expertin. Wer al- Bei Jobs und Netzwerken geht es sehr oft um zukünfti- lerdings einen diskreten Job als Agent*in antreten will, ge Szenarien. Die klassische Bewerbungsfrage „Wo se- muss undurchschaubare Personalstrukturen geradezu hen Sie sich in sieben Jahren“ an die Bewerber*innen als Gütekriterium der Verschwiegenheit betrachten. Es ist Standard in strukturierten Interviews. Sehr viele Coa- kommt eben darauf an, was man will. Job- und Karrie- chees fürchten diese Frage, weil sie zum Beispiel aus pre- redatenbanken wollen genau diese professionelle Sicht- kären, kurzfristigen Jobs heraus froh wären, überhaupt in barkeit unterstützen. sieben Jahren ein angemessenes Einkommen zu haben. Das ist verständlich, hilft aber nicht, mit der Frage und Wir leben in Zeiten des Fachkräftemangels. Da sollten Sie den Herausforderungen an hochdynamischen Arbeits- als Fachkraft wissen wollen, mit welchem Team Sie ins märkten aktiv umzugehen. Rennen gehen könnten. Auch kann man bei genauerer Beobachtung verschiedener Werdegänge von aktuellen Ich empfehle, diese Frage „Wo sehen Sie sich in sieben und ehemaligen Mitarbeitenden die Entwicklungsmög- Jahren“ selbst den potentiellen Arbeitgeber*innen zu lichkeiten erahnen, die eine Firmenkultur anbietet oder stellen. Gerade diese Phase der PIE-Strategie bietet dafür eben auch nicht. einen exzellenten Raum. Und die Coachees, die meinen Rat annahmen und umsetzten, sind besonders erfolg- Job-Scouten heißt für mich auch, dass ich Menschen die- reich in den informellen Gesprächen und bei der Netz- ser Organisationen real kennenlerne. Ich schaue also, ob werkbildung. Diese Frage drückt Interesse, Offenheit, von den für mich relevanten Organisationen und Firmen Selbstbewusstsein, Lern- und Innovationsbereitschaft irgendwer auf für mich spannenden Messen oder Tagun- aus. Dies sind alles Eigenschaften, die Arbeitgeber*innen gen Vorträge hält oder Workshops leitet. Auch in digita- sich von Mitarbeitenden wünschen. len Zeiten, wie im Rahmen der Coronakrise, ist es mög- lich, Begegnung und diskursiven Austausch zu schaffen. Jetzt können Sie auch inhaltlich in den Dialog gehen, Auch hier gelten allein schon das Präsentsein und der sich als Expert*in weiterbilden und als Innovationsdyna- Kontakt mit potentiellen Kooperationspartner*innen als mo positionieren. Dazu empfehle ich den Trendsetting- Gütekriterium für mich. Diese Organisationen machen Talk aus unseren Coachingtools, den ich im Folgenden sich immerhin auf den Weg zu uns und sind sich nicht zu erläutere. sicher, dass die Besten der Besten zu ihnen finden wer- den und sie dann nur noch nach undurchschaubaren Fil- Werden Sie zum Trendscout! terkriterien hart selektieren müssen. Ich scoute potentielle Kooperationspartner*innen, be- vor ich ein Projekt mit ihnen beginne. Ich frage so viele Wenn ich eine erste Idee habe, wer zu mir passen könn- Menschen wie möglich, was sie über die Strategie mei- te, wende ich strategische Trendsetting-Talks an. Wohin ner Zielorganisation wissen. Ich recherchiere, so viel ich steuern Sie, welche Strategien und Trends sind für Sie kann, im Internet und auf Plattformen nach aktuellen und Ihre Organisationsentwicklung wichtig, was ma- und ehemaligen Mitarbeiter*innen und schaue mir an, chen Sie, wenn Sie an die Wachstumsgrenze kommen was aus ihnen geworden ist. Das ist oft schon sehr auf- und die Kundschaft Sie überrennt? Besonders die letzte schlussreich, zu erfahren, ob man überhaupt etwas über Frage gibt sehr viel Aufschluss über das Mindset und die Werdegänge oder Personalstruktur erfahren kann oder Führungskultur vor Ort. Wer Ihnen sagt: „Das wird man ob die Leute eher unsichtbar sind. Wenn mir Unsichtbar- dann sehen“, der erwartet keine größeren Bewegungen, keit von Fach- und Führungskräften im zivilen Arbeits- innovatives Wachstum und Erfolg und setzt erst mal ent- 24 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen weder auf Stabilisierung oder befindet sich auf einen fal- innovierenden Kommunizieren, wie wir sie in Netquests® lenden Kurs. Wessen Augen nun glänzen und wer Ihnen (unseren strategischen Karriere-Netzwerkanalysen auf antwortet: „Dann stellen wir weitere Leute ein“, da soll- Basis von Edgar H. Schein) nutzen. Das heißt, man fragt ten Sie hin und nachhaken. Denn dann sind Sie in einem andere nach ihren Einschätzungen zu den Effekten und Wachstumsteam, das für andere Menschen Optionen er- Einflüssen auf aktuelle Themen in Bezug auf folgende schafft. Natürlich können Sie dabei trotzdem daneben- Kern-Trenddimensionen nach Scheins perspektivischer greifen und sich sehr bald wieder umsehen müssen. Aber Karriereplanung: die Gefahr dafür sinkt. Es kann nicht einfacher sein, einen spannenden Job zu bekommen, als ihn zu behalten. • Technologische Trends • Soziokulturelle Trends Wie man die großen Fische ins Netz bekommt • Ökonomische Trends Die Taktik des Trendsetting-Talks, wie ich ihn in den fol- genden Zeilen beschreibe, eignet sich für die Gespräche • Politische Trends mit allen Positionen. Dennoch äußern sehr viele unsere Coachees, dass es ihnen besonders schwerfällt, mit hö- Zunehmend erlangen auch die sogenannten „weichen herrangigen Personen ins Gespräch zu kommen. Trends“ an Bedeutung in angewandten und praxisnahen Forschungsprojekten und werden sichtbar in Förderli- Wie man die Angst überwindet, mit den großen Fischen nien der nationalen und internationalen Forschungsför- der Fachcommunity zum Beispiel auf einer Konferenz zu dergemeinschaften: reden, ohne sich diese in unglücklichen Situationen oder gar entblößt vorzustellen? Dieser Tipp mit der Unterhose • Ökologische Trends hat mich persönlich schon immer zutiefst abgeschreckt. • Ethische Trends Da rate ich als Wissenschaftscoach dazu, andere imagina- • Synergieorientierte Trends und kollaborative Netz- tive und strategische Wege zu gehen, die ich selbst nutze. werkbildung anstelle von noch abgegrenzten Koope- Mein Tipp: Man führt am besten Trendsetting-Talks zum rationen © pixabay 2020, Foto: Patou Ricard Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 25
Wie Informationen und Austausch wirklich zu Jobs führen Im Trendsetting-Talk sind alle auf dem gleichen Weg: Die Literatur Early-Stage Researchers, die Post-Docs und die ganz gro- Bolles, Richard N. (2006): Durchstarten zum Traumjob. ßen Fische in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Denn Campus Verlag: Frankfurt/Main. der Trend an sich hat den unschätzbaren Vorteil, dass sich in der Regel noch niemand wirklich dauerhaft an der Porot, Daniel (1996): The PIE-Method for Career Success. Speerspitze der Bewegung hält, wo aber die meisten hin- Indianapolis: JIST Works Publisher. wollen, und man sich im Gespräch über den Trend als Ge- fährt*innen mit unterschiedlichen Ressourcen betrach- Schein, Edgar H. (2004): Überleben im Wandel. Strategi- ten kann. Und wenn jemand nicht auf der Speerspitze sche Stellen- und Rollenplanung. Weiterstadt: Lanzen- der Bewegung mitreiten will, warum sollten Sie sich berger, Dr. Looss, Stadelmann Verlag. dann für ihn oder sie auf einer Fachtagung interessieren? Diese Form des fachlich orientierten Small Talks ist neben © privat der Chance zur Informationsgewinnung also zugleich ein sehr effektives Tool für große Gruppen wie Konferenzen, um zu entscheiden, mit wem Sie Zeit verbringen wollen. Suchen Sie nach den neugierigen, innovativen, quer- denkenden und offenen Gesprächspartner*innen. Diese Menschen gibt es in jeder Statusgruppe. In diesem Sinne lade ich ein zum Ausprobieren von in- formellen Gesprächen in Form von Jobinterviews und Trendsetting-Talks: Die Verbindung der beiden Kommu- nikationsstrategien kann Sie darin unterstützen, früh- zeitig mit dem Netzwerkauf- und -ausbau zu beginnen, Die Autorin Informationen über relevante Trend zu sammeln und Ih- Jasmin Döhling-Wölm baute als Pädagogin und Wissen- rem idealen Arbeitgeber bzw. einer Traumarbeitgeberin schaftsmanagerin an den Universitäten Hannover, Bre- schrittweise näher zu kommen. Jeder Weg beginnt mit men und Oldenburg wissenschaftlich konzipierte Lehr- dem ersten Schritt. und Personalentwicklungsprogramme für Studierende, Forschende und Lehrende auf. 2001 gründete sie das Consulting-Institut für akademische Karriereentwicklung karrierekunst (www.karrierekunst.de) mit dem heutigen Sitz in Bremen. Mit ihrem Team ist sie in Deutschland, Ös- terreich und der Schweiz tätig als Consultant und Coach für Fach- und Führungskräfte in inner- und außeruniver- sitären Karrieresystemen. 26 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
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