Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro
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DIE EUROPÄISCHE UNION ERKLÄRT Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro Für Stabilität, Wachstum und Wohlstand in ganz Europa Eine gut f unkt io nier en d e Wir t s c haf ts- und Währ ungs un io n und ein s t ar ker und s t ab il er Eur o b il d en d ie Gr und l age f ür Wac hs t um und Bes c häf t igun g in Eur o p a.
INHALT Abschnitt 1: Warum brauchen wir eine Wirtschafts- und Währungsunion und den Euro? Eine gemeinsame Politik für eine gemeinsame Währung . . . . . . . . . . . . . . . . 3 DIE EUROPÄISCHE UNION Abschnitt 2: Die Wirtschafts- und ERKLÄRT Währungsunion in der Praxis Gemeinsame Grundsätze für Stabilität und Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Diese Veröffentlichung ist Teil einer Schriftenreihe, in deren Rahmen die Aktivitäten der EU in unterschiedlichen Abschnitt 3: Wie fördert die EU das Politikfeldern, die Gründe und die Ergebnisse ihrer Tätigkeit Wachstum? erläutert werden. Gemeinsam gestärkt aus der Krise Sie können die Veröffentlichungen der Reihe hier herunterladen: hervorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 http://europa.eu/pol/index_de.htm http://europa.eu/!qf86pN Ausblick Zukunftsweisend: eine vertiefte und gerechtere WWU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 So funktioniert die Europäische Union Europa in 12 Lektionen Kleines Glossar der gängigsten Europa 2020: Europas Wachstumsstrategie Fachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Die Gründerväter der EU Weitere Informationen . . . . . . . . . . . 20 Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport Außen- und Sicherheitspolitik Banken und Finanzen Mit einem (*) versehene Fachbegriffe sind in einem kleinen Glossar Beschäftigung und Soziales am Ende dieses Dokuments erläutert. Betrugsbekämpfung Binnenmarkt Digitale Agenda Die Europäische Union erklärt: Energie Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro Erweiterung Forschung und Innovation Europäische Kommission Gesundheitswesen Generaldirektion Kommunikation Grenzen und Sicherheit Bürgerinformation Handel 1049 Brüssel Haushalt BELGIEN Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung Letzte Aktualisierung: November 2014 Justiz, Grundrechte und Gleichstellung Klimaschutz Deckblatt und Bild auf Seite 2: Kultur und audiovisuelle Medien © ccvision.de Landwirtschaft Lebensmittelsicherheit 20 S. – 21 × 29,7 cm Meerespolitik und Fischerei ISBN 978-92-79-41631-6 Migrations- und Asylpolitik doi:10.2775/18881 Regionalpolitik Steuern Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Umwelt Europäischen Union, 2015 Unternehmen Verbraucher © Europäische Union, 2015 Verkehr Nachdruck gestattet. Für die Verwendung oder Wettbewerb Reproduktion einzelner Fotos muss die Genehmigung Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro direkt beim Urheberrechtsinhaber eingeholt werden. Zoll
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 3 Abschnitt 1: Warum brauchen wir eine Wirtschafts- und Währungsunion und den Euro? Eine gemeinsame Politik für eine gemeinsame Währung Der lange Weg zum Euro © Reuters/BSIP Auch wenn uns der Euro heute als ein so selbstver- ständlicher Teil unseres Alltags erscheint – seine Einführung geschah nicht über Nacht. Der Euro ist eines der bedeutendsten Ereignisse in der jüngeren Geschich- te der europäischen Integration seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs – eine Geschichte, in der wirtschaft- liche und politische Ziele schon immer eng miteinander verknüpft waren. Alles begann in der Nachkriegszeit, als es galt, dauerhaft Frieden zu schaffen und die europäi- sche Wirtschaft wieder aufzubauen. Dazu wurde die Mehr als 340 Millionen EU-Bürger verwenden den Euro im länderübergreifende Zusammenarbeit gestärkt, insbe- Alltag. sondere durch die Förderung des Freihandels. Über seine wirtschaftliche Dimension hinaus ist der Der Euro: ein Meilenstein Euro ein markantes, greifbares Symbol für die Einheit, der europäischen Integration Identität und Zusammenarbeit in Europa. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Wirtschafts- und Für die Bürger in 19 (1) Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion (WWU) eingeführt. Gleichzeitig nahm Union (EU) gehört der Euro zum Alltag. Er ist seit 2002 die Europäische Union damit die Verpflichtung auf sich, im Umlauf, und über 337 Millionen Menschen verwen- „den Prozess der Schaffung einer immer engeren Union den ihn für ihre täglichen Besorgungen, ihre Ersparnisse der Völker Europas weiterzuführen“. Die WWU erforderte und ihre Investitionen in die Zukunft. Der Euro ist eine engere Vernetzung auf politischer Ebene und damit inzwischen nach dem US‑Dollar die wichtigste Währung eine umfassendere politische Integration. Während die der Welt. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine Wirtschafts- und Währungsunion alle EU‑Mitgliedstaa- Währungskooperation vergleichbaren Ausmaßes ten umfasst, gelten für die Länder des Euroraums, da zwischen souveränen Staaten. sie über eine gemeinsame Währung verfügen, einige Sonderregelungen. Der Euro stellt eine große Errungenschaft für die europäische Integration dar. Er ist ein Meilenstein für Länder, die in der Vergangenheit nicht selten gegenein- ander Krieg führten: Eine wirtschaftliche Integration und Solidarität dieser Art war in früheren Zeiten undenkbar. Bis 2020 wächst eine ganze Generation junger Erwach- sener heran, die in ihren Heimatländern nie eine andere Landeswährung als den Euro kennengelernt haben. (1) Jüngstes Mitglied im Euroraum (Beitritt 1.1.2015) ist Litauen.
4 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T Die Geschichte des Euro: ein kurzer Abriss —— Das Fundament: In den Römischen Verträgen von wurde die Währungspolitik in einem radikalen Schritt 1957 wurde die Grundlage für den Wiederaufbau zu einem europäischen Thema. Europas gelegt: die schrittweise Einführung eines Binnenmarkts ohne Grenzen mit freiem Warenver- —— Wirtschafts- und Währungsunion (WWU): Mit der kehr, Dienstleistungsfreiheit, Personenfreizügigkeit Annahme des Vertrags über die Europäische Union und einem freien Kapitalverkehr zwischen den im Jahr 1992 (besser bekannt als der Vertrag von teilnehmenden Staaten. Maastricht) erklärten sich die Regierungen der EU‑Mitgliedstaaten mit der Einführung der WWU —— Langfristige Ziele: Ab den 1960er- und 1970er- einverstanden. Erklärtes Ziel dieser Union war die Jahren nahm die Idee einer Wirtschafts- und Vollendung des Binnenmarkts, die Gründung der Währungsunion (WWU) – mit anderen Worten, eines Europäischen Zentralbank und die Entstehung einer im hohen Maße integrierten Binnenmarkts (*) mit stabilen einheitlichen Währung bis zum Ende des einer einheitlichen Währungspolitik (*) und einer Jahrhunderts. gemeinsamen Währung – vor dem Hintergrund eines schwachen US‑Dollars, der Ölkrisen und Währungs- —— Euro im Portemonnaie: 2002 wurden Euro‑Bank instabilität Gestalt an. noten und Euro‑Münzen als neue einheitliche Währung eingeführt, die in 12 EU‑Ländern die —— Harmonisierung: 1979 wurde das Europäische nationalen Währungen ersetzte – unter anderem die Währungssystem gegründet, ein Vorläufer der deutsche Mark, den französischen Franken und die Wirtschafts- und Währungsunion. Damit war das spanische Peseta. Die Zahl der am Euro teilnehmen- Anliegen verbunden, die Wechselkurse zu stabilisie- den Mitgliedstaaten (die Länder des „Euroraums“ – ren, eine Begrenzung der Währungsschwankungen oder „Euro‑Währungsgebiets“) ist inzwischen von 12 zwischen den Ländern zu erreichen und Preissteige- auf 19 gestiegen. Siehe auch die Karte weiter unten. rungen (Inflation) zu dämpfen. An dieser Stelle WELCHE LÄNDER GEHÖREN DEM EURORAUM AN? Zeitpunkt des Beitritts zum Euroraum: Azoren (PT) (FR) Guadeloupe 1. Januar 1999: Belgien (BE), Deutschland (DE), Finnland (FI), Madeira (PT) (FR) Frankreich (FR), Irland (IE), Italien (IT), Luxemburg (LU), Niederlande (NL), Österreich (AT), Portugal (PT), Spanien (ES) FI 1. Januar 2001: Griechenland (EL) Kanarische Inseln (ES) 1. Januar 2007: Slowenien (SI) Martinique (FR) 1. Januar 2008: Malta (MT), Zypern (CY) Mayotte (FR) 1. Januar 2009: Slowakei (SK) SE EE 1. Januar 2011: Estland (EE) Französisch LV Réunion (FR) 1. Januar 2014: Lettland (LV) DK Guayana 1. Januar 2015: Litauen (LT) IE (FR) LT UK NL PL EU-Länder, deren Landeswährung nicht der Euro ist: BE DE Bulgarien (BG), Dänemark (DK), Kroatien (HR), LU CZ Polen (PL), Rumänien (RO), Schweden (SE), SK FR Tschechische Republik (CZ), Ungarn (HU), AT Vereinigtes Königreich (UK) HU SI RO IT HR PT BG ES EL CY Alle EU‑Länder sind bis zu einem gewissen Grad Teil der MT Wirtschafts- und Währungsunion, aber nicht alle verwenden den Euro. Zwei Länder (Dänemark und Großbritannien) entschieden sich im Rahmen des Vertrags von Maastricht gegen den Euro. Andere erfüllen bisher noch nicht alle im Maastrichter Vertrag geforderten ökonomischen Kriterien zur Teilnahme am Euro, zum Beispiel im Hinblick auf Preisstabilität und Wechselkurse.
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 5 Welche Vorteile bieten die Wirtschafts- Jahren wiesen viele europäische Länder sehr hohe und Währungsunion und der Euro? Inflationsraten auf, in einigen Fällen bis zu 20 % oder mehr. In Vorbereitung auf den Euro ging die Inflation • Die Wirtschafts- und Währungsunion ist der zurück. Seit seiner Einführung hält sie sich im Euro tragende Unterbau des Euro: Sie umfasst die raum konstant bei etwa 2 %.) Währungspolitik (*) (Preisstabilität und Zinssätze), die Wirtschaftspolitik (*) und bestimmte Aspekte der Fiskalpolitik (*) (um die jährlichen Defizite und die • Die Wirtschafts- und Währungsunion fördert das Verschuldung der Mitgliedstaaten in Grenzen zu Wirtschaftswachstum: Der Zusammenschluss von halten – siehe Abschnitt 2). Durch die WWU sollen Volkswirtschaften und Märkten auf europäischer stabile und wachstumsfreundliche wirtschaftliche Ebene bringt Größenvorteile mit sich und geht mit der Rahmenbedingungen für den Euroraum und den Schaffung eines gemeinsamen Rahmens zur Verbes- Binnenmarkt geschaffen werden. Der vorrangige serung der internen Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit Zweck der WWU besteht darin, einen starken und und Robustheit sowohl für die EU-Wirtschaft insge- stabilen Euro zu garantieren. samt als auch in den einzelnen Mitgliedstaaten einher. Diese Entwicklung wirkt sich positiv auf die wirt- schaftliche Stabilität, das Wirtschaftswachstum und • Die Wirtschafts- und Währungsunion sorgt für die Beschäftigungssituation aus. Preisstabilität: Die unabhängige Europäische Zentral- bank (EZB) ist für die Währungspolitik im Euroraum zuständig, unter anderem auch für das Gelddrucken. • Der Euro ist von praktischem Nutzen für die Bürger: Hauptaufgabe der EZB ist es, die Verbraucherpreise Die Vorteile einer gemeinsamen Währung werden stabil zu halten und den Euro vor einem Wertverlust unmittelbar ersichtlich, wenn man sich in den 19 Län- zu schützen, indem sie die Leitzinssätze festlegt und dern des Euroraums aufhält. So fallen, seit es den anpasst. Mit diesem Ziel vor Augen arbeitet die EZB Euro gibt, die Kosten und der Aufwand des Währungs- daran, die Inflationsrate mittelfristig knapp unter 2 % umtauschs an den Grenzen weg. Auch grenzüber- zu halten: Diese Rate wird als ausreichend niedrig schreitendes Einkaufen und Preisvergleiche sind nun erachtet, damit die Verbraucher in den vollen Genuss viel unkomplizierter und transparenter möglich, auch stabiler Preise kommen. (In den 1970er- und 1980er- im Online‑Handel. Das regt den Wettbewerb an und Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt dafür, dass sich die Inflationsrate im Euroraum dauerhaft um 2 % bewegt. DIE INFLATION BLIEB IM EURORAUM LIEGT BEI ETWA 2 % % Einführung des Euro Planung 5 4 3 2 Harmonisierter Verbraucher- preisindex (HVPI; jährliche Rate) Durchschnittliche Inflation 1 (1999 bis heute; jährliche Rate) 0 Quelle: Europäische Kommission. Daten von vor 1996 sind Schätzwerte auf Basis der nicht harmonisierten -1 nationalen Verbraucherpreisindizes. 1996 2000 2004 2008 2012 2016
6 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T bremst die Preisentwicklung – zum Vorteil der 500 Millionen Verbraucher in Europa. Nicht zuletzt sorgt die Europäische Zentralbank für eine konse- quente Preisstabilität im Euroraum und schützt auf diesem Weg die Kaufkraft der Bürger. © Shutterstock/Gena96 • Der Euro ist gut für Unternehmen: Der Euro bringt zudem beachtliche Vorteile für europäische Unterneh- men mit sich. Zum Beispiel sind Unternehmen dank stabiler, durch die Wirtschafts- und Währungsunion begünstigter Zinssätze in der Lage, in größerem Alle Euro‑Münzen haben eine einheitliche Seite und eine von Umfang in Beschäftigung und die Schaffung von Land zu Land unterschiedlich gestaltete Seite. Die Münzen und Wohlstand zu investieren. Die Einführung des Euro Banknoten, die ein Land des Euroraums ausgibt, können auch beendete zudem nationale Rivalitäten auf währungs- in jedem anderen Euroland verwendet werden. politischem Gebiet. Der Wegfall der Transaktionskos- ten beim Währungsumtausch mindert Risiken und setzt mehr Kapital für produktive Investitionen frei. Die Preisstabilität gibt Unternehmen zudem die nötige Sicherheit für eine längerfristige Planung und Investi- Über die Finanzkrise hinweg (siehe Abschnitt 2) hat der tionen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähig- Euro – mit etwa 1,3 USD für 1 € – seinen Wert im keit (*). Das ist insbesondere in unserer globalisierten Vergleich zu anderen Währungen wie dem US‑Dollar Welt von Bedeutung, in der sich europäische Unter- im Wesentlichen halten können. nehmen mit Mitbewerbern auf allen Kontinenten messen müssen. • Der Euro ist eine globale Einflussgröße: Der Euro nützt Europa insgesamt. Er verschafft Europa mehr Gewicht und eine höhere wirtschaftliche Durchset- zungskraft im Welthandel. Er bietet eine stabile Währung, die von einem bedeutenden Wirtschafts- block – dem Euroraum – gestützt wird, der globale Erschütterungen besser abfedern kann. Und eine derart kraftvolle und stabile Währung stärkt die Position Europas in der Weltwirtschaft. Der Euro ist neben dem US‑Dollar die beliebteste Währung für weltweite Transaktionen: Er wird auf Devisenmärkten am zweithäufigsten gehandelt. An 40 % der täglichen weltweiten Transaktionen ist der Euro beteiligt. Es sind über 980 Milliarden € im Umlauf, und über 100 Millionen Menschen in Drittstaaten verwenden Währungen, die an den Euro gekoppelt sind. Seit seiner Schaffung im Jahr 1999 zieht der Euroraum kontinuierlich ausländische Direktinvestitionen aus Ländern der ganzen Welt an.
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 7 Abschnitt 2: Die Wirtschafts- und Währungsunion in der Praxis Gemeinsame Grundsätze für Stabilität und Wachstum Grundlegendes Wissen über die Der Stabilitäts- und Wachstumspakt für Wirtschafts- und Währungsunion ausgeglichene öffentliche Finanzen Wirtschafts- und Währungsunion ist im Grunde ein Die Wirtschafts- und Währungsunion kann ihre Wirkung nur entfalten, wenn sich alle EU‑Mitgliedstaaten, Oberbegriff für verschiedene, ganz unterschiedliche insbesondere die Länder des Euroraums, an die gemein- politische Maßnahmen, die zum Ziel haben, das Wachs- sam vereinbarten Regeln halten. Insbesondere geht es tum in der EU zu fördern und die Stärke und Stabilität darum, dass die Länder ihre öffentlichen Finanzen in des Euro zu wahren. Die Wirtschafts- und Währungs Ordnung halten müssen – das heißt, die nationalen union deckt die Bereiche Währungspolitik („Währungs- Haushalte müssen hinsichtlich der Ausgaben und union“), Fiskalpolitik und Wirtschaftspolitik („Wirt Einnahmen ausgeglichen sein. schaftsunion“) ab. Siehe die Tabelle „Die Wirtschafts- Das Haushaltsdefizit ist der Betrag, um den die Staats- und Währungsunion im Überblick“ weiter unten. ausgaben die Staatseinnahmen in einem bestimmten Jahr übersteigen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt Diese Politikbereiche liegen entweder in der Zuständig- verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ihr keit nationaler oder europäischer Behörden, oder beide jährliches Haushaltsdefizit nicht mehr als 3 % ihrer teilen sich die Zuständigkeit. Die Geldpolitik liegt allein Gesamtjahresproduktion bzw. ihres Bruttoinlandsprodukts in der Hand der unabhängigen Europäischen Zentral- (BIP) beträgt. Die EU‑Mitgliedstaaten legen der Kommis bank (siehe Abschnitt 1). Die Fiskalpolitik (Steuern und sion ihre Haushaltsplanung vor. Diese wird anschließend öffentliche Finanzen) ist Sache der nationalen Regierun- jährlich im Rahmen des „Europäischen Semesters“ gen. Entscheidungen, die die öffentlichen Finanzen bewertet (siehe Abschnitt 3). einzelner EU‑Länder betreffen, können sich jedoch Die Staatsverschuldung ist die Gesamtsumme der EU‑weit auswirken. Zur Wirtschafts- und Währungsunion aufgelaufenen öffentlichen Defizite. Wenn die Staatsaus- gehören daher einige wesentliche Regeln bezüglich der gaben die Einnahmen eines Staates übersteigen (und öffentlichen Finanzen, die von allen EU‑Ländern somit ein Jahresdefizit entsteht), muss das entsprechen- gemeinsam erarbeitet und angenommen wurden und de Land Geld leihen oder die Steuern erhöhen, um das zwecks Erhaltung der wirtschaftlichen Stabilität von der Loch zu stopfen. Die Staatsverschuldung eines Landes ist Kommission durchgesetzt werden. Das wichtigste daher die Gesamtsumme des Geldes, das ein Staat über Instrument für die Lenkung und Koordinierung wirt- mehrere Jahre schuldet. Der Stabilitäts- und Wachs- tumspakt verpflichtet die Mitgliedstaaten zu gewähr- schaftspolitischer Entscheidungsprozesse in den leisten, dass ihr Schuldenstand 60 % ihres BIP nicht EU‑Ländern ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt. übersteigt (oder dass sie sich diesem Ziel ausreichend Der Pakt wurde 1999 erstmals eingeführt und seit schnell annähern). 2011 immer weiter gestärkt (siehe Abschnitt 3). Jahresdefizite und Gesamtverschuldung, durch die ein Land sich gezwungen sehen kann, zusätzliche Einnahmen zu generieren, sind kein Problem an sich. Es kann ein Mittel sein, in zukünftiges Wirtschafts- wachstum zu investieren. Der Zweck des Stabilitäts- und Wachstumspakts besteht darin, eine übermäßige Kreditaufnahme und eine untragbare Staatsver schuldung zu verhindern, die der Wirtschaftsent wicklung nicht zuträglich sind.
8 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T DIE WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION (WWU) IM ÜBERBLICK Währungsunion Wirtschaftsunion Währungspolitik Fiskalpolitik Wirtschaftspolitische Entscheidungsfindung Inhalte und Preisstabilität: Festlegung Öffentliche Finanzen Steuern Entscheidungen bezüglich Aufgaben der Zinssätze für den (Höhe der Ausgaben (Einkommen des Bildungssysteme, Euroraum, um die Inflation und Kreditaufnahme Staates) Arbeitsmarkt, Renten bei knapp unter 2 % zu der Nationalstaaten) usw. halten ––– Inumlaufbringen von Euro‑Münzen und -Banknoten Wer verwaltet Die Europäische Zuständig sind die Zuständig sind die Zuständig sind die was? Zentralbank (EZB) legt Mitgliedstaaten selbst. Mitgliedstaaten Mitgliedstaaten selbst. Zinssätze fest und druckt ––– selbst. ––– Euro‑Banknoten. Die EU setzt Die EU koordiniert und ––– gemeinsame Defizit‑/ spricht Empfehlungen im Die nationalen Regierungen Verschuldungsregeln Rahmen des Europäi- geben Euro‑Münzen in von durch. schen Semesters aus. der EZB genehmigten Mengen aus. Weitere Siehe Abschnitt 1 Siehe Abschnitt 2 Siehe Abschnitt 2 Informationen? Was passiert bei einem Verstoß gegen Diese von allen EU‑Mitgliedstaaten und EU‑Institutionen die Regeln? angenommenen Regeln zeigen, dass die wirtschaftspoli- tischen Entscheidungsprozesse eine Angelegenheit sind, Stellt die Kommission fest, dass ein Mitgliedstaat gegen die alle betrifft und für die alle gemeinsam Verantwor- die Defizit‑/Verschuldungsregeln des Stabilitäts- und tung tragen – insbesondere im Euroraum. Während die Wachstumspakts verstoßen hat, kann sie Verfahren in die Überwachungskomponente des Stabilitäts- und Wachs- Wege leiten, um die Situation zurechtzurücken. Handelt tumspakts für alle EU‑Mitgliedstaaten gilt, können es sich nicht um vorübergehende oder einmalige Verstö- Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln nur gegen ße, empfiehlt die Kommission den EU‑Finanzministern, die Länder des Euroraums verhängt werden. Generell Verfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einzulei- müssen alle EU‑Länder, und insbesondere die Länder ten. Dazu steht das Verfahren bei einem übermäßigen des Euroraums, darauf vertrauen, dass umsichtiges Defizit (*) zur Verfügung. Falls die EU‑Finanzminister politisches Handeln die Regel ist, dass Mechanismen diese Empfehlung nicht mehrheitlich ablehnen, muss das existieren, um Abweichungen zu erkennen und zu betreffende Land einen detaillierten Plan vorlegen, wie korrigieren und dass eine solide Haushaltsführung in es sein Defizit oder seine Verschuldung in einer vorgege- einem Land nicht durch ausgabefreudigeres Verhalten benen Frist unter die vom Pakt festgelegten Grenzen anderswo zunichte gemacht wird. senken will (siehe Abschnitt 3).
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 9 Wie wird die Wirtschafts- und Währungsunion verwaltet? – gemeinsam getragene Verantwortung Die Wirtschafts- und Währungsunion wird von mehreren nationalen und EU‑Institutionen verwaltet, die jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Dieser Prozess wird als „wirtschaftspolitische Steuerung“ bezeichnet. Folgende Akteure sind daran beteiligt: DIE KOMMISSION – Sie erstellt Wirtschaftsprognosen Die Europäische Zentralbank (EZB) und das Eurosystem und überwacht eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren in 3 Minuten für sämtliche EU‑Länder, um sicherzustellen, dass sich alle an die gemeinsam vereinbarten Regeln des Stabili- Das Video finden Sie hier: täts- und Wachstumspakts halten. Die Kommission https://www.youtube.com/watch?v=TAlcFwGIQBg bewertet die wirtschaftliche Lage und spricht regel mäßig Empfehlungen an den Ministerrat aus, der die Regierungen aller Mitgliedstaaten vertritt (Entschei- dungsgremium der Finanzminister ist der Ecofin‑Rat (*)). DER EUROPÄISCHE RAT – Die Staats- und Regierungs- EUROPÄISCHES PARLAMENT – Es teilt die Aufgabe chefs aller EU‑Länder legen die wichtigsten politischen der Erarbeitung von Rechtsvorschriften mit den Finanz- Richtungsvorgaben fest. ministern (im Ecofin‑Rat) und übt die Funktion einer demokratischen Kontrollinstanz im Hinblick auf die DER EURO‑GIPFEL – Mindestens zwei Mal im Jahr Verwaltung der Wirtschafts- und Währungsunion aus. kommen die Staats- oder Regierungschefs der Länder des Euroraums zusammen, um die Steuerung des Euro NATIONALE REGIERUNGEN – Sie legen ihre nationalen zu koordinieren. Haushalte innerhalb der Defizit-/Verschuldungsgrenzen fest und setzen die Entscheidungen des Ministerrats der MINISTERRAT DER EU („ECOFIN‑RAT“) – Dem EU um. Sie bestimmen über ihre Wirtschaftspolitik und Ministerrat gehören die jeweiligen Fachminister jedes die Bereiche Bildung, Arbeit, Soziales und Rentensyste- Mitgliedstaats an. Abhängig vom jeweiligen Politikbe- me, um nur einige zu nennen. reich tagt der Rat in unterschiedlicher Zusammenset- zung. Der „Ecofin‑Rat“ setzt sich aus den Finanz EUROPÄISCHE ZENTRALBANK – Dieses unabhängige ministern sämtlicher Mitgliedstaaten zusammen. Sie Organ zur Verwaltung der Geldpolitik im Euroraum sind für die Koordinierung und Rechtsetzung auf dem stabilisiert die Preisentwicklung durch Festlegung der Gebiet der europäischen Wirtschafts- und Finanz Leitzinssätze im Sinne einer mittelfristigen Inflations- politik in einer ganzen Reihe von Bereichen zuständig. kontrolle. Dazu zählen unter anderem: Koordinierung der Wirt- schaftspolitik, Überwachung der Haushaltspolitik und öffentlichen Finanzen der EU‑Länder, der Euro (recht liche, praktische und internationale Aspekte), Finanz- märkte, Kapitalverkehr und Wirtschaftsbeziehungen mit Nicht‑EU‑Staaten. Auf Grundlage der Vorschläge der Kommission treffen sie Entscheidungen, die für die EU‑Länder rechtsverbindlich sind. EUROGRUPPE – Die Finanzminister aller Länder des Euroraums kommen zusammen, um Themen rund um den Euro zu erörtern. Dies geschieht in der Regel im Vorfeld der Sitzungen des Ecofin‑Rats, der für die formelle Annahme von Entscheidungen zuständig ist (siehe oben).
10 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T Wie kam es zur Wirtschafts- und Finanzkrise? Die Krise, von denen viele Länder inner- und außerhalb 2010-2012: Staatsschuldenkrise des Euroraums seit 2009 schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist im Grunde das Ergebnis verschiede- Ende 2009 konnten einige der schwächsten Volkswirt- ner Krisen und Faktoren, unter anderem einer Finanzkrise schaften des Euroraums (unter anderem Griechenland, (bzw. Bankenkrise), einer Wirtschaftskrise und einer Irland und Portugal) nicht mehr gleichzeitig ihre rasant Staatsschuldenkrise (*), die in einigen EU‑Ländern harte ansteigende Verschuldung und die Finanzkrise bewälti- Zeiten über die Menschen gebracht haben. gen. Dieser Umstand führte direkt in die Staatsschulden- krise. Die Finanzinvestoren verloren das Vertrauen in die Ab 2000: Schulden und Wirtschaftsgefälle ... Fähigkeit dieser Länder, ihre Schulden zurückzuzahlen, und in deren Wettbewerbsfähigkeit insgesamt. Die In vielen EU‑Mitgliedstaaten hatten sich über etliche Zinsen, die diese Investoren für Staatsanleihen (*) Jahre erhebliche Schulden und Defizite aufgetürmt. Der forderten, stiegen enorm, so dass die Länder nicht mehr Stabilitäts- und Wachstumspakt geriet an seine Grenzen: in der Lage waren, durch den Verkauf neuer Anleihen Im Jahr 2004 hatten bereits mehrere Länder gegen seine Geld auf den Finanzmärkten aufzunehmen. Und da ein Regeln verstoßen. Die Durchsetzung stellte sich als Teil dieser Anleihen in der Hand von Investoren aus schwierig heraus. Eine gemeinsame Währung setzt anderen Ländern des Euroraums lag, zum Beispiel bei voraus, dass die Wirtschaftsakteure der teilnehmenden den Banken, wurde die Krise zu einem Problem, das Länder flexibel genug sind, um auf wirtschaftliche immer größere Kreise zog. Die Banken verloren das Wechselfälle reagieren zu können. Die wirtschaftlichen Vertrauen in das Kreditgeschäft mit Unternehmen und Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich der privaten Haushalten, so dass es zur „Kreditklemme“ kam. Produktivität der Arbeitskräfte und der Löhne nahmen stetig zu. Auch waren einige Länder wirtschaftlich nicht Zur Bekämpfung der Krise mussten die öffentlichen mehr wettbewerbsfähig. Diese Ungleichgewichte bauten Finanzen in Ordnung gebracht und die Wettbewerbs sich über viele Jahre auf, und einige Länder steuerten fähigkeit durch strukturelle Reformen wiederhergestellt nicht angemessen gegen. Gleichzeitig verfügte die EU werden. Die Länder des Euroraums führten den Euro nicht über die erforderlichen Instrumente, um einschrei- päischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein, der für die ten zu können. Eine vollständige Währungsunion war bedürftigsten Länder Darlehen in erheblichem Umfang also vorhanden – aber keine Wirtschaftsunion, um diese bereitstellte (siehe Abschnitt 3). 2011 zeichnete sich eine zu tragen. leichte wirtschaftliche Erholung ab, allerdings machte die europäische Wirtschaft 2012 erneut eine leichte 2007-2008: eine globale Finanzkrise Rezession durch. In den Jahren 2007 und 2008 gingen einige große 2013-2014: wirtschaftliche Erholung US‑Banken, darunter Lehman Brothers, die viertgrößte Investmentbank der USA, aufgrund risikoreicher Kredit- 2013 begann die EU‑Wirtschaft, sich langsam von der vergabepraktiken auf dem Immobilienmarkt in Konkurs lang anhaltenden Rezession zu erholen. Die Wirtschafts- (und in der Folge platzte die „Subprime“-Blase in den politik der EU konzentrierte sich auf nachhaltiges USA). Da die Weltwirtschaft in hohem Maße vernetzt ist, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. wurden Banken in der ganzen Welt davon in Mitleiden- Gleichzeitig sollte den Ländern ermöglicht werden, ihre schaft gezogen. Die Banken liehen sich gegenseitig kein öffentlichen Finanzen in einem langsameren und indivi Geld mehr, und das Kreditgeschäft kam zum Erliegen. duell angepassten Tempo, den jeweiligen Umständen Um den Zusammenbruch des gesamten Bankensystems entsprechend, weiter zu konsolidieren. Seither ist den zu verhindern, unterstützten die EU‑Länder inner- und EU‑Ländern die Notwendigkeit umfassender Strukturre- außerhalb des Euroraums ihre Banken zwischen 2008 formen bewusst, um das Wachstum in Europa zu fördern. und 2011 über Bürgschaften und Direktkapital mit etwa Die größte Herausforderung bleibt die Schaffung von 1,6 Billionen € (circa 13 % des BIP der EU). Dies trieb die Arbeitsplätzen. Insbesondere in Griechenland und bestehenden Defizite und Schulden weiter in die Höhe. Spanien liegt die Arbeitslosenquote bei über 25 %. Die Kommission und die EU‑Mitgliedstaaten haben ein 2009: Wirtschaftskrise breites Spektrum von Maßnahmen auf den Weg gebracht, Im Jahr 2009 geriet die europäische Wirtschaft in eine um die Arbeitslosen zurück in die allgemeine oder tiefe Rezession. Die EU‑Länder legten Konjunkturpro- berufliche Bildung und in Beschäftigungsverhältnisse zu gramme auf, um den Wirtschaftsabschwung abzu- bringen und ein starkes und nachhaltiges Wirtschafts- mildern. wachstum zu fördern. Weitere Informationen zur Wachstumsstrategie der EU, der „Strategie Europa 2020“, finden Sie in Abschnitt 3 über das „Europäische Semester“ oder auf http://ec.europa.eu/europe2020/index_en.htm.
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 11 Abschnitt 3: Wie fördert die EU das Wachstum? Gemeinsam gestärkt aus der Krise hervorgehen Die Erfahrung zeigt: Zusammenarbeit Es gilt der Grundsatz, dass eine intensivere gegenseitige intensivieren! Solidarität nur funktioniert, wenn damit andererseits eine größere individuelle Verantwortung einhergeht. Das Eine wichtige Erfahrung aus der Krise ist die Erkenntnis, setzt einen zutiefst demokratischen Prozess voraus. in welchem Ausmaß die EU und insbesondere die Länder des Euroraums aufeinander angewiesen sind, Eine weitere wichtige Lektion ist die Erfahrung, dass die um zu wachsen und zu gedeihen: Geht es einem Land Länder in einem verflochtenen Wirtschaftssystem wie gut, so kommt dies anderen zugute. Gerät ein Land in dem Euroraum nicht zulassen können, dass Haushalts- eine Schieflage, sind auch andere davon beeinträchtigt. defizite und Verschuldung ins Uferlose steigen. Genauso Nach dem Prinzip der Solidarität als Gegenleistung für können wirtschaftliche Unterschiede zwischen EU‑ Solidität standen Länder des Euroraums Griechenland, Ländern im Hinblick auf Wachstum und Wettbewerbs Irland, Portugal und Zypern mit an Bedingungen fähigkeit nicht einfach hingenommen werden: Die geknüpften Finanzhilfen bei, um deren übermäßige Währungsunion ist ohne eine vertiefte Wirtschaftsunion Verschuldung zu verhindern und ihnen wieder auf den unzulänglich. Dazu braucht es eine engere politische Pfad des wirtschaftlichen Wohlstands und der Beschäf- Integration. Darum haben die nationalen Regierungen tigung zu verhelfen (siehe nachstehende Abbildung). seit 2010 beschlossen, ihre Zusammenarbeit auf Spanien erhielt unterdessen an Auflagen gebundene EU‑Ebene durch Einführung einer Reihe neuer Maßnah- finanzielle Unterstützung zur Sanierung seines Banken- men zu verstärken, die unten beschrieben sind. Der sektors. Zweck dieser Maßnahmen liegt darin, der EU Mittel an die Hand zu geben, damit sie wirksam handeln kann, sowohl um ähnliche Krisen zu verhindern als auch zur Konjunkturbelebung und Schaffung von Arbeitsplätzen Irland, Spanien und Portugal haben ihre Hilfsprogramme in der gesamten EU‑Wirtschaft. Es geht um eine erfolgreich abgeschlossen und im Dezember 2013, wesentliche Stärkung der wirtschaftlichen und politi- Januar 2014 bzw. Juni 2014 verlassen – ein Indiz für ein schen Zusammenarbeit, insbesondere zwischen den erstarktes Vertrauen der Märkte, verbesserte Konjunktur- Mitgliedstaaten des Euroraums – jetzt und in Zukunft. aussichten und eine sinkende Arbeitslosigkeit. In einem Video der Kommission wird die Wirtschafts- und Finanzkrise erklärt – wie die EU Lösungen zur Bewältigung der Finanzkrise erarbeitet hat, wie sie ihre Wirtschafts- und Währungsunion festigt und wie sie den Weg für eine politische Union bereitet. Das Video finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=0B3zNcFYqj0
12 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T Finanzielle Unterstützung für Aus der Krise zurück zum Wachstum Griechenland Die EU hat entschlossen gehandelt, um durch eine Ende 2009 gestand die griechische Regierung ein, dass bessere wirtschaftspolitische Abstimmung zukünftige ihr öffentliches Defizit sehr viel höher lag als zuvor Krisen zu verhindern und zum Wachstum zurückzukehren. angegeben. Ausschlaggebende Faktoren hierfür waren unangemessen hohe öffentliche Ausgaben (zum Beispiel 1. DAS „EUROPÄISCHE SEMESTER“ – EIN NEUER im überdimensionierten und ineffizienten öffentlichen Sektor), Steuerhinterziehung und eine unzulängliche ANSATZ DER WIRTSCHAFTSPOLITISCHEN nationale Wirtschaftspolitik, die zu starren, häufig von ZUSAMMENARBEIT mächtigen Interessengruppen dominierten Markt strukturen führte. Europa 2020 (*) ist die Strategie der EU für Wirtschafts- wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen bis Um Griechenland vor dem Staatsbankrott zu retten und 2020. Ein Eckpfeiler der Strategie Europa 2020 ist das dem Land die Möglichkeit zu geben, seinen Pflichten im Europäische Semester, das 2010 als zyklisches wirt- Bereich der Sozialleistungen gegenüber der griechischen Bevölkerung und der Gehaltszahlungen im öffentlichen schaftspolitisches Instrument für Koordinierung und Dienst nachzukommen, haben die Länder des Euroraums Dialog eingerichtet wurde und die europäischen Institu und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechen- tionen, die Regierungen der Mitgliedstaaten und die land seit 2010 Darlehen in Höhe von 240 Milliarden € nationalen Parlamente einbindet. Im Rahmen dieses Zyk- gewährt, die über einen langen Zeitraum zurückzuzahlen lus führt die Kommission eine jährliche „Gesundheitsprü- sind. fung“ („Jahreswachstumsbericht“) der Volkswirtschaften und Finanzen der EU‑Länder durch und veröffentlicht Im Gegenzug für diese Unterstützung arbeiten die griechischen Behörden mit einer ganzen Bandbreite von den Bericht jedes Jahr im November. Er wird anschlie- Maßnahmen an der Beseitigung der Schwächen des ßend eingehend von nationalen und EU‑Behörden Landes. Die öffentlichen Finanzen des Landes sollen erörtert. Im Mai/Juni des Folgejahres spricht die Kom- nachhaltig saniert werden, wobei die Schwächsten zu mission auf die jeweiligen Länder abgestimmte ökono- schützen sind, das Steuersystem muss gerechter und mische und haushaltspolitische Empfehlungen effizienter gestaltet und die öffentliche Verwaltung („länderspezifische Empfehlungen“) aus, die anschlie- modernisiert werden, um den Bedürfnissen der griechi- ßend von allen EU‑Verantwortlichen und Finanzministern schen Bevölkerung besser gerecht zu werden. Die Banken erörtert und angenommen werden. Sie sollen dazu sind zu sanieren, damit sie wieder Kredite an Haushalte beitragen, der Wirtschaft neuen Auftrieb zu geben, die und Unternehmen vergeben können, und die Gesetze des Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern, allgemeine und Landes sind so zu ändern, dass die Unternehmen nicht mehr an Wettbewerb, Investitionen und der Schaffung berufliche Bildungschancen zu verbessern, kleinen und von Arbeitsplätzen gehindert werden. mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zu Finanz mitteln zu ermöglichen, Wachstum durch Forschung und Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird durch die Innovation zu begünstigen und vieles mehr. Kommission, die Europäische Zentralbank und den IWF überwacht, die den jeweiligen Mitgliedern regelmäßig Das Europäische Semester stärkt die Wirtschafts- und Bericht erstatten (die Kommission informiert die Länder Währungsunion als Ganzes. In enger Zusammenarbeit des Euroraums). Die Darlehensgeber zahlen die Darlehen in regelmäßigen Raten, falls Griechenland versichert, werden anstelle von Sofortlösungen, die lediglich dass es seinen Reformverpflichtungen nachkommt. kurzfristige Ziele bedienen, langfristige Strategien für Die Eigenverantwortung Griechenlands in Bezug auf diese Maßnahmen und der Aspekt der sozialen Gerech- DIE MITTELBESCHAFFUNGSKOSTEN FÜR DIE REGIERUNGEN tigkeit haben dabei absolute Priorität, damit das VON SECHS EU-LÄNDERN Reformprogramm in einen erfolgreichen wirtschaftlichen % 20 Aufschwung mündet. 16 Mit Unterstützung der EU‑Länder und der speziellen „Taskforce“, die gezielte technische Unterstützung an 12 Griechenland leistet, wird eine Vielzahl von Reformen 8 umgesetzt. Dazu gehören die Modernisierung der Sozialversicherungskassen, die Unterstützung einer 4 nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategie, eine 0 effizientere Steuererhebung und der Aufbau einer ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 schlankeren und leistungsfähigeren öffentlichen Deutschland Frankreich Spanien Irland Italien Portugal Verwaltung. Renditen 10-jähriger Staatsanleihen Quelle: Europäische Kommission.
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 13 SEPTEMBER NOVEMBER DEZEMBER OKTOBER FEBRUAR AUGUST JANUAR APRIL MÄRZ JUNI JULI MAI Wirtschaftsprognose Eurostat: Wirtschaftsprognose für den Herbst Eurostat: erste Wirtschaftsprognose für das Frühjahr für den Winter endgültige Verschuldungs- Verschuldungs- u. Defizitdaten u. Defizitdaten EUROPÄISCHE KOMMISSION WMB ALLGEMEINE PRIORITÄTEN Kommission veröffentlicht JWB Jahreswachstumsbericht und Warnmechanismus- DETAILLIERTE BERATUNG IDR Bericht ANALYSE NACH MASS Kommission Kommission € ZONE HAUSHALT veröffentlicht schlägt Kommission vertiefte Prüfungen länderspezifische veröffentlicht (IDR) von Ländern Empfehlungen Stellungnahmen zu den mit potenziellen zur Haushalts-, Haushaltsübersichten makroökonomischen Wirtschafts- und LE der Mitgliedstaaten Ungleichgewichten Sozialpolitik vor EUROPÄISCHER RAT / WMB EUROPÄISCHER RAT RAT EUROPÄISCHER JWB € EUROGRUPPE RAT LE ZONE Finanzminister Nationale Minister EU-Staats- und Nationale RAT erörtern die verabschieden Regierungs- Minister erörtern EU-Staats- und RAT Stellungnahmen Schlussfolgerungen chefs legen die LE Regierungschefs JWB der Kommission über den JWB und ausgehend vom billigen die LE zu den Haushalts- den WMB JWB Wirtschafts- übersichten prioritäten fest MITGLIEDSTAATEN € IMPLEMENTIERUNG IMPLEMENTIERUNG € ZONE IMPLEMENTIERUNG ZONE Mitgliedstaaten legen ihre Mitgliedstaaten Mitgliedstaaten nehmen endgültige Stabilitäts-/Konvergenzprogramme legen Haushalts- Haushaltspläne an (mittelfristige Haushaltspläne) übersichten und sowie ihre nationalen Wirtschaftspartner- Reformprogramme schaftsprogramme (für (wirtschaftspolitische Pläne) vor EDP-Länder) vor EUROPÄISCHES WMB PARLAMENT Wirtschafts- Wirtschafts- Wirtschafts- JWB LE dialog über JWB dialog über den dialog über und WMB Europäischen die LE Rat /JWB JWB JWB: Jahreswachstumsbericht (allgemeine Wirtschaftsprioritäten für die EU). Das Europäische Semester stärkt die Lenkung der WMB: Warnmechanismus-Bericht (Früherkennungsverfahren für Wirtschaftsrisiken). LE: Länderspezifische Empfehlungen. europäischen Wirtschaft durch enge Koordinierung der EDP: Excessive Deficit Procedure (Verfahren bei einem übermäßigen Defizit). nationalen Wirtschaftspolitiken in der EU. IDR: In-Depth Reviews (vertiefte Prüfungen). Wirtschaftspartnerschaftsprogramme: Übersicht der geplanten haushaltspolitischen Strukturreformen zur langfristigen Defizitsenkung. mehr Stabilität und Wachstum erarbeitet. Es stellt einen JÄHRLICHES BIP‑WACHSTUM IN DEN 28 EU‑LÄNDERN Rahmen und einen verbindlichen Zeitplan zur Verwal- Reales BIP-Wachstum, EU-28 % tung der neuen Maßnahmen gegen die Krise und für das 5 Wachstum zur Verfügung (siehe die nachfolgenden 4 Planung Punkte 2 bis 4). 3 2 2. EINE UMFASSENDE STRATEGIE FÜR FINANZIELLE 1 STABILITÄT 0 -1 Verstärkte Vorbeugung übermäßiger Haushalts -2 defizite und Verschuldung ... -3 -4 Um den Aufbau übermäßiger Defizite und Schulden zu -5 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16 verhindern, wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt (siehe Abschnitt 2) im Dezember 2011 durch ein neues Das stabile Wirtschaftswachstum brach in der Krise ein, und EU‑Gesetzespaket verstärkt. Das Paket wird auch viele der Millionen Arbeitsplätze, die in der EU bis 2008 geschaffen worden waren, fielen weg. Zweck des neuen „Sixpack“ genannt, da es sich um sechs Rechtsakte mit Rahmens zur Lenkung der Wirtschaft mit der Bezeichnung dem Zweck handelt, die wirtschaftspolitische Steuerung „Europäisches Semester“ ist die Förderung von Wachstum, die in der EU zu stärken. Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verhinderung zukünftiger Krisen.
14 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T © iStockphoto/Leontura Der Europäische nationalen Parlamenten verabschiedet werden. Die Stabilitätsmechanismus Kommission prüft die Haushaltsentwürfe und die Aussich- (ESM) hat eine Gesamt- ten für den Euroraum insgesamt und gewährleistet so Darlehenskapazität von eine bessere Geamtkoordinierung der nationalen Haus- 500 Milliarden € zugunsten von Euro haltspolitiken. Sie stützt sich bei ihrer Bewertung auf die ländern, die vorübergehend Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts Schwierigkeiten haben, (SWP) und beobachtet sorgfältig, in welchem Umfang die Geld an den Finanzmärkten Länder die „länderspezifischen Empfehlungen“ umgesetzt aufzunehmen. haben. Die Kommission gibt jedes Jahr zum 30. Novem- ber ihre Stellungnahme ab. Falls sie schwere Verstöße gegen die aus dem Pakt resultierenden Pflichten feststellt, Durch die Reform erhielt der Stabilitäts- und Wachs- kann sie innerhalb einer bestimmten Frist eine überarbei- tumspakt einen transparenteren und verbindlicheren tete Übersicht über die Haushaltsplanung verlangen. Charakter, wurde aber auch flexibler. Einerseits wurde die Durchsetzung der Regeln gestärkt: Verstößt ein Auch die Überwachung der Länder des Euroraums, die EU-Land gegen die gemeinsam vereinbarten Defizit-/ sich in schwerwiegenden finanziellen Schwierigkeiten Verschuldungsgrenzen, muss es nachweisen, dass es befinden, durch die Kommission erfolgt mit dem Inkraft- geeignete Maßnahmen ergreift, um die Situation inner- treten des „Twopack“ engmaschiger. Teile des Fiskalpaktes halb einer klaren zeitlichen Vorgabe zu korrigieren. Von sind nun EU-rechtlich verbindlich. Zur Vermeidung der Kommission ausgesprochene Länderempfehlungen zukünftiger Krisen soll gewährleistet sein, dass die werden nun besser durchgesetzt. Finanzielle Sanktionen nationalen Haushalte ausgeglichen sind und insbesondere (einschließlich Geldbußen), die den Ländern des Euro die Länder des Euroraums keine übermäßigen Defizite raums auferlegt werden können, wenn sie es dauerhaft und Schulden anhäufen. versäumen, ihre Bilanzen auszugleichen, kommen früher zum Tragen und können schrittweise erhöht werden. … und finanzielle Unterstützung für die Andererseits hat die Reform die Flexibilität des SWP Bedürftigsten erhöht. Sie hat im Prinzip, anstelle einer rein mechani- schen Anwendung der Regeln die Möglichkeiten zur Im Herbst 2012 richteten die Länder des Euroraums Berücksichtigung der besonderen ökonomischen Umstän- einen neuen, ständigen Nothilfefonds (eine „Brandschutz de der einzelnen Länder in den einzelnen Verfahrens mauer“ (*)) ein: den so genannten Europäischen phasen erweitert. Stabilitätsmechanismus (*) mit einer Gesamt‑Darlehens kapazität von 500 Milliarden €. Damit ist er einer 2012 verpflichteten sich alle EU-Länder mit Ausnahme der größten Nothilfefonds der Welt. Über ihn können des Vereinigten Königreichs und der Tschechischen Repub- Länder des Euroraums, die aufgrund ihrer Verschuldung lik in noch höherem Maße zur Einhaltung des SWP. Dazu vorübergehend Probleme haben, Geld an den Finanz- unterzeichneten sie ein internationales Abkommen, den märkten aufzunehmen, Finanzdarlehen erhalten. Die Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in Darlehensvergabe erfolgt unter strengen Auflagen; unter der Wirtschafts- und Währungsunion, auch „europäi- anderem müssen die öffentlichen Finanzen entsprechend scher Fiskalpakt“ genannt. Er zeigt die Entschlossenheit den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts auf dieser Länder, den Grundsatz der finanziellen Stabilität in ein nachhaltiges Maß zurückgeführt und Strukturreformen ihrer nationalen Gesetzgebung zu verankern und sich fortgeführt werden. Das stärkt das Vertrauen der Finanz- damit zu verpflichten, im eigenen Land für einen ausge- märkte in die Fähigkeit dieser Länder, im Laufe der Zeit glichenen Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss zu ihre Schulden zurückzuzahlen und ihre Wettbewerbsfähig- sorgen. Automatischere Abhilfe erfolgt nun durch die keit wiederherzustellen. Dies trägt dazu bei, die finanzielle Erweiterung neuer Abstimmungsregeln, und die Länder Stabilität des Euroraums insgesamt zu sichern. des Euroraums müssen sich verbindlicher verpflichten. Im Mai 2013 traten zwei neue Rechtsakte – das „Twopack“ – in Kraft. Durch diese wird die wirtschafts- 2009 und 2010 wurden zwei zeitlich begrenzte Nothilfe- und haushaltspolitische Zusammenarbeit (und damit der fonds (bzw. „Brandschutzmauern“) eingerichtet, um besonders hoch verschuldete EU‑Länder zu unterstützen: SWP) zwischen den Ländern des Euroraums noch weiter die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (*) und der gestärkt. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Koordinie- Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (*). Ende rung und Überwachung der jeweiligen nationalen Haus- 2012 wurde ein neuer, ständiger Fonds eingerichtet, der haltspolitik. Von nun an wird die Kommission als letzte so genannte Europäische Stabilitätsmechanismus (*), über jährliche Etappe des Europäischen Semesters die jährli- den seither Ländern des Euroraums in finanzieller chen Haushaltsentwürfe der Länder des Euroraums (die Schieflage erhebliche Darlehen gewährt wurden. ihr bis zum 15. Oktober zugehen), analysieren und Empfehlungen dazu abgeben, bevor die Haushalte in den
W I R T S C H A F T S - U N D W Ä H R U N G S U N I O N U N D D E R E U R O 15 Der Europäische Fonds für die Anpassung an die Im Bereich der Regionalpolitik schließlich gelangten die Globalisierung ist ein weiteres Instrument, das zur Mittel für regionale Investitionsprojekte in Reaktion auf Abschwächung der negativen Auswirkungen der Krise die Krise schneller in die EU‑Länder, insbesondere in eingesetzt wurde. Mit diesem Fonds werden Menschen diejenigen, die Wirtschaftshilfe erhielten. Darüber unterstützt, die im Zuge der Globalisierung (zum hinaus wurde, um in Zeiten haushaltspolitischer Eng- Beispiel durch Verlagerung von Tätigkeiten in Länder pässe den Druck auf die nationalen Haushalte zu außerhalb der EU) oder auch infolge großer Wirtschafts- verringern, der Beitrag der EU zu Regionalprojekten und Finanzkrisen ihre Arbeit verloren haben. Im Rahmen erhöht, während weniger nationale Beiträge erwartet des Fonds erhalten Arbeitnehmer und Selbständige wurden. Weiterbildungsmaßnahmen, berufliche Begleitung und Berufsberatung. Der Fonds ist für den Zeitraum 2014- 2020 mit über 1 Milliarde € ausgestattet. Zweck Betroffene Länder Länder des Euroraums Alle EU‑Länder ✔ ✔ Europäisches Semester Jährliche Koordinierung der (seit 2010) Wirtschaftspolitik zwischen der Koordinierung der Wirtschaftspolitik EU und den nationalen Die Kommission kann Regierungen gegenüber Ländern des Euroraums zusätzliche Empfehlungen aussprechen. ✔ ✔ Stabilitäts- und Wirtschafts-/haushaltspolitische Wachstumspakt (verstärkt Koordinierung und durch die „Sixpack“- Überwachung zur Vermeidung Europäische Überwachung Gesetzgebung im übermäßiger Defizite und Defizit-/Schuldenprävention der nationalen Haushalte Jahr 2011 und das Verschuldung in den sowie Strafen im Fall „Twopack“ im Jahr 2013) EU‑Ländern eines Verstoßes gegen den Pakt – nur im Euroraum ✔ Fiskalpakt (Vertrag über Stärkt den Stabilitäts- und Von allen EU‑Ländern Stabilität, Koordinierung und Wachstumspakt weiter: Die außer Kroatien und dem Steuerung in der Länder verpflichten sich zu Vereinigten Königreich Wirtschafts- und ausgeglichenen Haushalten. unterzeichnet. Dänemark Währungsunion und Rumänien haben sich (SKS‑Vertrag), 2012) durch alle Artikel des Vertrages gebunden erklärt. ✔ ✗ Europäischer Europäischer Nothilfefonds mit Stabilitätsmechanismus einer Kapazität von (2012) 500 Milliarden € zur Nur für Länder des Unterstützungsmechanismen Unterstützung von Ländern, die Euroraums, die den aufgrund hoher Schulden Fiskalpakt unterzeichnet vorübergehend Schwierigkeiten haben haben, an den Finanzmärkten Geld aufzunehmen ✔ ✔ Europäischer Fonds für die Fonds mit einem Jahresbudget Anpassung an die von 150 Millionen € zur Globalisierung (eingerichtet Unterstützung von 2006) Arbeitnehmern, die durch die Globalisierung oder eine große Wirtschafts- und Finanzkrise arbeitslos geworden sind Übersicht über die von den Institutionen und Ländern der EU seit 2010 getroffenen Maßnahmen zur besseren Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik, zur Verhinderung von Defizit-/Verschuldungs- krisen und zur Bereitstellung von Unterstützung für Länder, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind
16 D I E E U R O P Ä I S C H E U N I O N E R K L Ä R T 3. ERHEBLICHE WIRTSCHAFTLICHE vorlegen. Als letztes Mittel können verschiedene Sanktio- UNGLEICHGEWICHTE FRÜHZEITIG ERKENNEN UND nen gegen Länder des Euroraums verhängt werden, die KORRIGIEREN Empfehlungen ständig missachten (siehe Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht (*)). Bei den Die Krise förderte das Ausmaß der wirtschaftlichen anderen EU-Ländern kann die Auszahlung von EU-Mitteln Ungleichgewichte zwischen einigen EU‑Ländern zutage, ausgesetzt werden. zum Beispiel bei Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Ein solches Ungleichgewicht ist immer dann besonders 4. STRENGERE BANKENAUFSICHT: SCHUTZ DER problematisch, wenn Länder des Euroraums betroffen STEUERZAHLER sind, denn die Zusammenarbeit in einem gemeinsamen System bedeutet unter anderem, dass die Länder einen Die Staatsschuldenkrise war mit der Finanzkrise eng Verlust an Wettbewerbsfähigkeit nicht vorübergehend verknüpft: Da es auf EU-Ebene kein Instrument zur Aufsicht durch eine Anpassung der Wechselkurse zur Abwertung über das Gebaren der Banken gab, mussten die Mitglied- ihrer Währung kompensieren können. Einer solchen staaten etliche ihrer Banken einzeln und mehr oder weniger Abwertung folgt allerdings in der Regel eine Inflation auf konzeptionslos mithilfe von Steuergeldern retten. Das dem Fuß, so dass die Wirkung der Geldentwertung aus erhöhte in einigen EU-Ländern die Schuldenlast, verlängerte Wettbewerbsgründen nach einiger Zeit ohnehin verpufft. die Rezession und verschärfte letztlich die finanzielle, Je geringer ausgeprägt das Wirtschaftsgefälle zwischen wirtschaftliche und soziale Krise. den EU‑Ländern, desto stärker ist die EU – und insbeson- dere der Euroraum – als Wirtschaftsblock. Zum Aufbau eines soliden Rahmens für die Regulierung des Finanzsektors empfahl der Europäische Rat 2009 die Die EU hat daher die Überwachung der Volkswirtschaften Schaffung eines „einheitlichen Regelwerks“ für alle Institu ihrer Mitgliedstaaten, insbesondere der Länder des Euro tionen des Bankenwesens im EU-Binnenmarkt. Seit 2010 raums, verstärkt. Mit dem „Sixpack“ von 2011 wurde ein hat die Kommission nahezu 30 zusätzliche Maßnahmen Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichge- vorgeschlagen, um zu gewährleisten, dass alle Finanzakteu- wicht (*) eingeführt – ein Frühwarnsystem, mit dem sich re, Finanzprodukte und Finanzmärkte in den EU-Ländern potenzielle Ungleichgewichte zu einem sehr viel früheren ordnungsgemäß überwacht werden. Neue europaweite Zeitpunkt als bisher erkennen und vermeiden lassen. Die Behörden wurden eingerichtet, unter anderem, um die Kommission überwacht eine Reihe von Wirtschaftsindikato- Widerstandsfähigkeit der Banken in der EU gegenüber ren, die sich ggf. auf die Gesamtwettbewerbsfähigkeit potenziellen Finanzschocks zu prüfen. Es soll sichergestellt auswirken, unter anderem Immobilienpreise, Arbeitskosten sein, dass Banken verantwortungsvoll handeln, über eine und Exporte in Länder außerhalb und innerhalb in der EU. ausreichende Darlehenskapazität verfügen und die Bank- Ungleichgewichte können beispielsweise in Form von einlagen der Bürgerinnen und Bürger garantieren können. Lohnerhöhungen auftreten, die nicht im richtigen Verhältnis zur Produktivität stehen, oder bei in die Höhe schnellenden Die EU-Verantwortlichen haben jedoch erkannt, dass ein Immobilienpreisen, mit denen die Ausgaben der privaten soliderer Finanzsektor allein nicht ausreicht, um den Haushalte nicht Schritt halten können. Teufelskreis zwischen Banken und Staatsverschuldung aufzubrechen, insbesondere in den Ländern des Euroraums, Werden solche übermäßigen Ungleichgewichte erkannt, in denen ein stärker integrierter Ansatz erforderlich ist. Sie spricht die Kommission Empfehlungen aus, die Abhilfe vereinbarten daher im Juni 2012 den Aufbau einer Banken- schaffen sollen – und die vom Ministerrat dann an das union (*). Gestützt auf Vorschläge der Kommission für jeweilige Land weitergeleitet werden. Dessen Regierung deren schrittweise Einrichtung hat die Europäische Zentral- muss dann einen Plan zur Verbesserung der Situation bank beispielsweise die Funktion der leitenden Aufsichts behörde für die Banken des Euroraums übernommen. Daneben wurden EU-Instrumente für den Wiederaufbau © Reuters/BSIP gescheiterter Banken vorgeschlagen, darunter ein Nothilfe- fonds für die Banken des Euroraums (2), der durch Abgaben des Bankwesens auf nationaler Ebene finanziert wird. Dies soll sicherstellen, dass der Finanzsektor selbst für seine Fehler aufkommt und den europäischen Steuerzahlern keine oder möglichst geringe Kosten entstehen. (Weitere Informationen über die Bankenunion finden Sie in Die EU hat Maßnahmen in die Wege geleitet, um ihren Markt der Veröffentlichung „Banken und Finanzen“ der Reihe „Die für Finanzdienstleistungen zu reformieren und zu stärken. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Bankenaufsicht Europäische Union erklärt“.) und der Restrukturierung von Banken, die in (2) Auch Banken außerhalb des Euro-Währungsgebiets können sich eine Schieflage geraten sind („Bankenunion“). beteiligen, wenn sie sich dem System anschließen möchten.
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