Woran der deutsche "New Scientist" scheiterte

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Woran der deutsche "New Scientist" scheiterte
NEW SCIENTIST

Woran der deutsche «New Scientist»
scheiterte
Nach 31 Ausgaben wurde der deutsche Ableger des britischen «New Scientist»
wieder eingestellt. Warum hat das Konzept nicht funktioniert? Eine Analyse.

Annette Lessmöllmann

Als die Nachricht durch die Twitter-­          z­ umindest, was ein Viertel der angepeil-
Timeline huschte, dass der deutsche «New        ten Zielgruppe der NewSD-Leser betrifft,
­Scientist» nach nicht mal einem Jahr Be-       die Studierenden: Eine nichtrepräsentati-
 stehen Ende Mai 2013 eingestellt werden        ve Umfrage unter 200 Journalismus-Stu-
 soll, habe ich spontan einen Kondolenz-        dierenden, die Onlinejournalismus-Stu-
 Tweet abgesetzt: «Schade», befand ich.         dent Daniel Höly für seine Diplomarbeit
 Und meinte das ernst. Sofort antwortete        in Darmstadt gemacht hat, ergab, dass die
 mir einer meiner Absolventen, Online-          meisten Befragten Printprodukte lesen
 Journalist und Herausgeber eines hoff-         wollen – «wenn sie relevante Inhalte für
 nungsfrohen crossmedialen Magazins,            uns liefern». Vorsichtige Schlussfolge-
 Tenor: Wieso? Die haben es nicht anders        rung: Print allein hält die Zielgruppe nicht
 verdient. Kein innovatives Konzept, k­ eine    ab, zuzugreifen. Aber der Inhalt muss ih-
 Online- Impulse, keine Zukunft.                nen etwas liefern, das sie woanders nicht
    War der «New Scientist Deutschland»         bekommen.
 (NewSD) einfach nur altbacken, printlas-                                                       Annette Lessmöllmann ist Professorin für Wissen-

 tig, Community-fern, zu wenig innovativ,      Was war das Besondere?                           schaftskommunikation am Karlsruher Institut für
                                                                                                Technologie (KIT).
 für junge Leute uninteressant? Welche In-     Das gilt für die anderen Zielgruppen des
 novation wäre denn überzeugender gewe-        NewSD vermutlich auch, die Matthias Ur-
 sen? Und: Geben Leserinnen und Leser          bach nennt, der als Redaktionsleiter die
 für innovative Konzepte im Wissen-            «Hard Sciences» im Heft verantwortete:
 schaftsbereich Geld aus? Das Scheitern        Naturwissenschaftlerinnen und Naturwis-
 des deutschen «New Scientist» führt uns       senschaftler, insbesondere solche, die in-       «Disparition du «New Scientist»
 mitten hinein in die Debatte um Ge-           zwischen in anderen Bereichen arbeiten,          allemand»
 schäftsmodelle und veränderte Nutzungs-       aber Kontakt mit ihrem Feld halten wol-
 gewohnheiten. Und es führt zur Frage,         len, sowie interessierte Laien. Also eine        En 2012, la maison d’édition de l’hebdomadaire
 was «Innovation» eigentlich sein kann.        Überschneidung mit «Geo»-, «Spektrum             allemand «Spiegel» a lancé dans le monde ger­
                                               der Wissenschaft»- oder «Bild der Wis­           manophone ce qui existait déjà en France: une
Nur sporadisch Leserinput                      senschaft»-Lesern, aber auch Lesern der          version adaptée de la revue scientifique britan­
Tatsächlich war der deutsche «New              wöchentlichen Wissensressorts bei «Spie-         nique «New Scientist» . Mais un peu moins d’un
­Scientist» als Printprodukt konzipiert. Er    gel» und anderen. Sie alle sollten mit einer     an après le lancement, le «New Scientist
 war zwar online als Tablet-Version ver-       anspruchsvollen, aber dennoch allgemein-         Deutschland» a cessé de paraître pour des rai­
 fügbar, aber nicht mit einem wirklich ei-     verständlichen Sprache erreicht werden.          sons économiques. Ni les ventes en kiosque, ni
 genständigen Konzept. Im Web wurde er             Was also war das Besondere am                les abonnements, n’indiquaient une potentielle
 von einem freundlich gestalteten aber         NewSD? Die Reihung beginnen kann man             réussite à long terme du titre. Les causes de cet
 nicht übermässig lebendigen Redaktions-       beim «Economist»-artigen Understate-             échec sont multiples. La logique rédactionnelle
 blog begleitet. Man lernte die Redaktion      ment (dünn, Klammerbindung, Papier wie           de la maison mère, de reprendre 70% des sujets
 kennen. Und das Blog schöpfte unter dem       ein billiges Comic-Heft), aber mit 66 voll-      du «New Scientist» britannique, n’a partielle­
 Etikett «Gute Frage» sporadisch Leserin-      gepackten Seiten, handwerklich überzeu-          ment pas fonctionné. De plus, il semble que la
 put ab. Zudem war die Redaktion auf           gend gemacht und offensichtlich von ei-          maison d’édition ait surestimé la renommée de
 ­Facebook und Twitter aktiv und b­ estückte   nem engagierten Team erstellt, gut getex-        la marque «New Scientist»: le peu de lecteurs
  einen eigenständigen Webauftritt mit re-     tet und recherchiert, mit zurückgenomme-         qui la connaissaient, préféraient lire l’original
  daktionellen Inhalten.                       nem Layout und Konzentration ganz auf            que d’acheter la version allemande. Enfin, la
     Dies alles ist heute Standard – das In-   die Sache; wöchentlich und aktuell (gut          présence sur les réseaux sociaux était trop
  novative im Heft muss demnach woanders       ein Drittel spielte sich allein in der ­Rubrik   faible. Cette nouvelle revue n’a ainsi par réus­
  erwartet werden, nämlich im Inhalt. Und      «Diese Woche» ab), mit g­ esellschaftlichem      si se faire entendre, ni à trouver sa place dans
  das ist erst einmal nichts Schlimmes,        Dreh – und Humor. Von den Themen her             un marché saturé.

                                                                                                                       skwj-bulletin 1/14 | 11
Woran der deutsche "New Scientist" scheiterte
NEW SCIENTIST

                           «Die Abo-Auflage ist nach wenigen Monaten
                           nicht mehr gestiegen.»

                           war es breit aufgestellt, auch Sozial- und      Stichprobenartige Umfragen ergeben den
                           Geisteswissenschaften kamen vor, hinzu          Eindruck, dass der Titel nicht so recht zu
                           kam Technologisches oder Grundlagen-            seinen Leserinnen und Lesern fand. Man-
                           forschung, oft mit besonderem Zuschnitt.        che kannten das Heft gar nicht, manche la-
                              Es war ein Heft, das sofort auf das Zeit-    sen bereits das britische Heft und wussten
                           geschehen reagieren konnte, anstatt sich        nicht, warum sie zum deutschen wechseln
                           in der monatlichen Rückschau in einer Art       sollten; viele wollten sich das Heft erst ein-
                           aktuellen Zeitlosigkeit zu verrenken. Da-       mal ansehen und bekamen es im Handel
                           für lieferte es aber deutlich mehr Input, als   nicht, und nur die Allerwenigsten griffen
                           es die Wochentitel auf ihren Wissen-            zum Hörer bestellten sofort ein Abo. «Der
                           schaftsseiten bringen können. Der deut-         ‹New Scientist Deutschland› sollte sich
                           sche «New Scientist» hatte es sich zum          über den Vertrieb finanzieren», sagt Micha-
                           Programm gemacht, gesellschaftliche De-         el Plasse. «In diesem Spitzen- Marktseg-
                           batten wissenschaftlich zu unterfüttern,        ment muss ein solcher Titel ohne grosse
                           «auch einer gewissen Wissenschaftsferne         Image-Etats auskommen.» Die Bekanntheit
                           in solchen Debatten entgegenzuwirken»,          muss sich also über Leseproben und «Heft-
                           so Matthias Urbach – ganz wie das briti-        kontakte in der Zielgruppe» aufbauen.
                           sche Mutter-Magazin, das sich derzeit in-
                           haltlich auf den amerikanischen Markt           Hoch-saturierter Markt
                           ausrichtet. So war das deutsche Heft also       Als reines Kiosk-Produkt funktioniert ein
                           eben gerade nicht «noch so ein Wissen-          Nischenobjekt wie der NewSD auch nicht,
                           schaftsmagazin», so Urbach.                     obwohl dort die Platzierung dank des
                                                                           Spiegel-Umfelds schon viel besser war als
                           30 000 Probe-Abos                               ein Heft ohne diesen Kontext. Man müs-
                           Was war falsch daran? Ich kann das trau-        se also in klassisches Abo-Marketing in-
                           rige Schulterzucken von Michael Plasse          vestieren, sprich: Günstige oder sogar
                           fast durchs Telefon sehen. Der Verlagslei-      kostenlose Probe-Abos, damit die Leser
                           ter der Manager Magazin Verlagsgesell-          sich ein Bild machen können. Bei kleinen,
                           schaft mbH verantwortete den deutschen          aber feinen Publikationen aus Plasses Re-
                           «New Scientist» und sagt: «Wir sind ge-         vier, den Wirtschaftstiteln – etwa dem
                           scheitert. Das muss man sich ehrlich ein-       Harvard Business Manager – funktionie-
                           gestehen.» Das publizistische Konzept           re das doch auch.
                           habe nicht funktioniert. Obwohl bis zu             Bleibt die Frage, ob das in den heuti-
                           30 000 Probe-Abos abgeschlossen wur-            gen Zeiten reicht, und ob sich ein Ge-
                           den, haben viel zu wenige diese in Bezahl-      schäftsmodell eines Wirtschaftstitels auf
                           Abos gewandelt. Die für den Businessplan        den Wissenschaftsbereich übertragen
                           wichtige Abo-Auflage ist nach wenigen           lässt. Und ob das «hoch-saturierte Mark-
                           Monaten nicht mehr gewachsen. Da hätte          tumfeld» der Qualitäts-Wissenschaftstitel
                           es auch nicht geholfen, noch ein Jahr län-      den NewSD überhaupt hineingelassen
                           ger weiterzumachen. Hatte der Verlag ei-        hätte – obwohl in einem solchen Umfeld
                           nen zu kurzen Atem? Michael Plasse              «Innovation durchaus möglich ist», wie
                           glaubt nicht daran, dass sich die Abonnen-      Plasse betont. Aber da das Heft nun mal
                           tenzahlen von selbst erhöhen, nur weil          eine Abozeitschrift sei, die man nicht in
                           man abwartet. Allerdings sei auch die Zeit      Massen über den Kiosk vertreibt, helfe
                           des jahrelangen Päppelns und Querfinan-         also nur das klassische Direktmarketing.
                           zierens in den Verlagen vorbei.                 Es sei heute aber viel schwieriger als noch

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Experiment gescheitert: die deutsche Ausgabe
                                                                       des britischen «New Scientist»

vor 15 Jahren, Leser dazu zu bewegen, für       ren Wissenschaftsteilen eben doch auch
das Gelesene regelmässig zu bezahlen,           aktuell und gesellschaftsnah aufgestellt.
das gibt auch Michael Plasse zu. Und es         Sie sah Michael Plasse dann auch durch-
bleibt die Frage: Erreichte die Botschaft       aus als Konkurrenz. «Was habe ich davon,
des Besonderen, Gesellschaftsbezogenen,         das zu lesen?» – diese Frage des Lesers
Kritischen des deutschen «New Scientist»        müssten sich Zeitschriftenmacher heute
potentielle Leser überhaupt? Haben sie er-      doch immer wieder ehrlich vorlegen, das
kannt, dass sie hier für sie relevante Infor-   konzedieren auch die Heftmacher Lothar
mationen bekommen?                              Kuhn und Matthias Urbach. Es zwingt
                                                dazu, bei jedem Text und jedem Titel den
Der ganz besondere Dreh                         ganz besonderen Dreh herauszuarbeiten.
Das Portemonnaie zückt, wer Nutzwert im         Ich habe keine vergleichende empirische
besten Sinne bekommt, zum Beispiel ex-          Untersuchung gemacht, stichprobenartig
klusive Wirtschaftsinformationen («Wall         allerdings festgestellt: Viele Themen im
Street Journal»), Einordnungswissen, das        NewSD standen auch woanders – und
die tägliche Quälerei durch die dicke Ta-       nicht jeder Dreh war der ganz besondere,
geszeitung ersetzt («Die Zeit»), soziale        überraschende; er kam manchmal einfach
Aufwertung und Bestätigung eines Le-            durch die britische oder amerikanische
bensstils («Landlust»). Ob der «New Sci-        Perspektive eines übersetzten Textes hin-
entist Deutschland» irgendeine Form die-        ein, die interessant zu lesen, aber nicht
ses durchaus intellektuellen Nutzwerts,         notwendigerweise für mich relevant war.
mindestens aber die geforderte Exklusivi-       Aber es zählt nicht nur Exklusivität,­
tät bedient hat, bleibt die Frage. Immerhin     ­sondern auch ein bestimmtes Lebensge-
sind die Wochenmagazine, allen voran der         fühl oder ein spezieller Zugang zu einem
«Spiegel» aus dem gleichen Haus, mit ih-         ­Themenbereich, der Magazine erfolgreich

                                                                                                                      skwj-bulletin 1/14 | 13
NEW SCIENTIST

                           «Im deutschsprachigen Raum lesen bis zu
                           8000 Menschen den britischen ‹New Scientist›.                           »
                           machen kann. «Ein Magazinkauf hat mit            nicht gedruckt werden konnte. Daher habe
                           Emotionen zu tun», dem stimmt auch Mi-           die Redaktion darauf gedrängt, mehr Ei-
                           chael Plasse zu. Vielleicht punktet hier der     genes zu machen, um besser auf das Zeit-
                           britische «New Scientist» bei seinen Le-         geschehen reagieren zu können. Waren
                           sern, der einen bestimmten Umgang mit            anfangs noch drei Viertel der Geschichten
                           Wissenschaft aufgreifen kann. «Er lebt           «importiert», blieben es am Ende zwei
                           von diesem speziellen Humor und der Wis-         Drittel. Doch das Humorige sei beim deut-
                           senschaftskultur, die es schafft, sich hoch-     schen Leser gut angekommen, sagt Chef-
                           wertig und doch populär zu geben: diese          redaktor Lothar Kuhn. Überschätzt habe
                           spezielle angelsächsische Mischung»,             man aber die Bekanntheit der Marke
                           sagt Christoph Koch, Ressortleiter Wis-          «New Scientist», mit der deutsche Leser
                           sen beim «Stern» und einer, der den «New         eben doch nicht automatisch das verban-
                           Scientist» gerne im Original liest. Das bri-     den, was sich die Macher gedacht hatten.
                           tische Originalrezept funktioniert seit          «Der englischsprachige Titel signalisiert:
                           1956, und das Magazin steht unter ande-          ‹Elitepublikation›», sagt zudem Christoph
                           rem für kontroverse Themen und eine mu-          Koch. Er vermutet, dass das diejenigen
                           tige Themenwahl, die Forschung als intel-        abschreckt, die damit nichts anfangen
                           lektuelles Abenteuer erleben lässt.              können – und die anderen, die den briti-
                              Hat dieser Zugang in der deutschen            schen «New Scientist» sowieso schon le-
                           Zeitschrift funktioniert? Im deutschspra-        sen, sehen oder akzeptieren den Sinn der
                           chigen Raum lesen immerhin bis zu 8000           Eindeutschung nicht.
                           Menschen wöchentlich den britischen                 Es stellt sich die Frage, ob der «New
                           «New Scientist». Anstatt nun 8,50 € für          Scientist Deutschland» sich nicht mit Ver-
                           diesen am Kiosk auszugeben, sollten sie          ve zwischen alle Stühle gesetzt hat. Elitär
                           mit der deutschen Ausgabe für 4,50 €             (was in Deutschland und der Schweiz
                           glücklich werden; das war das Geschäfts-         schnell nach hinten losgeht) und mit we-
                           modell. Hierfür übernahm die deutsche            nig Marken- Wiedererkennungswert, aber
                           Redaktion etwa 70 Prozent der Inhalte des        inhaltlich im Lizenz-Korsett des briti-
                           Mutterblatts und versah sie mit einem            schen Mutter-Magazins und mit wenig
                           «deutschen Dreh», der Rest waren eigene          Spielraum für die Redaktion. Ein wissen-
                           Geschichten. Diese redaktionelle Aufga-          schaftsjournalistisches Konzept, das im
                           be war nicht immer einfach: «Manchmal»,          vollbesetzten Marktsegment erst gegen
                           gibt Matthias Urbach zu, «mussten wir die        die Etablierten aufgebaut und mit Kraft
                           englische Perspektive mühsam wieder he-          auch als Image kommuniziert werden
                           raus redigieren», oder die Texte waren für       müsste. Zu dünn, um schick zu sein, was
                           den «deutschen Dreh» einfach unpassend:          sich wieder mit dem elitären Anspruch
                           Ein Jubeltext über die tolle Möglichkeit,        beisst. Zu teuer, um mal eben mitgenom-
                           Abwärme energetisch zu nutzen, hätte             men zu werden. Zu früh dran, um konse-
                           hier nur irritiert, weil das für deutsche Ver-   quent als schickes Tablet-Magazin zu er-
                           hältnisse ein alter Hut ist.                     scheinen und auf den komplizierten und
                              «Auch das Übersetzen war nicht immer          teuren Printweg zu verzichten. Vielleicht
                           einfach», sagt Urbach. Weil die britischen       geht das in zwei, drei Jahren. Zu klein (und
                           Geschichten ein anderes Storytelling ver-        vielleicht doch einen Tick zu traditionell),
                           wenden, wurde aus einer tollen englischen        um offensiv einen Social-Media-Buzz zu
                           Geschichte plötzlich eine fade deutsche,         inszenieren oder zumindest eine stabile,
                           die ohne Redigatur und Nachrecherche             hochwertige Community aufzubauen.

14 | sk wj-bulletin 1/14
Was hat die Redaktion falsch gemacht?        der New Scientist Deutschland hat gut
Aus Verlagssicht nichts! Michael Plasse      2500, was immerhin deutlich mehr ist als
singt geradezu Lobeshymnen auf den           Facebook-Muffel P.M. (alle Zahlen vom
Chefredaktor und sein Team. Sie ist mit      8.10.2013), aber doch vergleichsweise
einer nur 20-köpfigen Mannschaft (inklu-     wenig. Der Twitter-Kanal hatte 600 Follo-
sive Art Direktion und Schlussredaktion)     wer. Auch wenn Masse nicht alles ist und
nach minimaler Vorbereitungszeit an den      redaktionelles Marketing natürlich immer
Start gegangen, hat aufgeräumte Cover        am Zeitbudget der Redaktore nagt – hier
produziert, die zu Recht Preise gewonnen     wäre noch Luft drin.
haben – und die auch auf dem Tablet wir-         Was nützt es, wenn man im Aboshop
ken.                                         schon Anfang Oktober 2012 alle P ­ rodukte,
                                             Print oder online, kaufen konnte – wenn
«Ein einziger Leserkom­                      von dieser Möglichkeit zu wenige Men-
                                             schen wissen. Ein einziger Leserkommen-
mentar findet sich im Redak­
tionsblog.»
                                             tar findet sich im Redaktionsblog zu der
                                             Ankündigung, dass der Aboshop geöffnet
                                             ist – und der weist höflich darauf hin, dass
                                             man das Blog nicht per RSS-Feed abon-
Aber es fehlte der «Buzz». Auch wenn         nieren kann. Antwort der Redaktion? Kei-
man ein Magazin vielleicht nicht allein      ne.
mit sozialen Medien an den Start bringen         Der – inzwischen abgeschaltete – ei-
kann (wobei hippe Publikationen wie          genständige Web-Auftritt mit einer Viel-
Business Punk sehr erfolgreich mit So-       zahl redaktioneller Beiträge erbrachte «in
cial-Media-Marketing auf den Markt gin-      guten Wochen 150 000 bis 200 000 Seiten-
gen), mit zu geringer Unterstützung durch    aufrufe», sagt Lothar Kuhn. Doch die Zer-
Facebook etc. funktioniert es garantiert     splitterung der Community zwischen Fa-
nicht. Ausserdem vergibt man sich damit      cebook und eigenem Auftritt machte wohl
die Möglichkeit, die Bedürfnisse seiner      auch dem NewSD zu schaffen. Vielleicht
Zielgruppe genauer kennen zu lernen –        wäre ein ausgeprägterer Community-Auf-
will sie denn überhaupt gesellschaftlichen   bau angezeigt gewesen – nicht, um sich
Bezug? Welchen Kritikstil braucht sie –      innovativ zu geben, sondern, um das tat-
die ätzende «Spiegel»-Manier, oder lieber    sächlich vorhandene, inhaltlich innovati-
doch konstruktiv und etwas wellnessartig     ve Konzept auch zu kommunizieren.
wie neuerdings bei der «Zeit»? Lechzt sie        Denn eigentlich braucht der Wissen-
nach evidenzbasiertem Wissen und fun-        schaftsjournalismus genau das: Ein Ma-
dierten Entscheidungen? Und wenn ja,         gazin, das evidenzbasiertes und wissen-
wie bereitet man das so auf, dass sie auch   schaftsgefüttertes Weltverständnis ver-
versteht, was sie da bekommt?                mittelt; eine Wissenschaftsberichterstat-
    Zwar hat der deutsche «New Scientist»    tung, die aktuell und geballt daher kommt
«eine solide Social Media-Arbeit ge-         und thematisch breit aufgestellt ist; einen
macht», wie Bloggerin und Wissenschafts­     Wissenschaftsjournalismus, der nicht auf
journalistin Beatrice Lugger ihm beschei-    politischem, wirtschaftlichem und techni-
nigt, die unter anderem das deutsche         schem Auge blind ist. Aber dieses Kon-
­Scienceblogs-Portal aufgebaut hat. Aber     zept muss vermittelt werden – das ist nicht    Dieser Beitrag ist zuvor im Magazin der deut-
 trotzdem: Zeit Wissen «liken» bei Face-     geglückt. Schade eigentlich.                   schen Wissenschafts-Pressekonfernez «WPK
 book über 20 000 Personen, Geo 37 000,                                                     Quarterly» erschienen.

                                                                                                              skwj-bulletin 1/14 | 15
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