Wortprotokoll/ Protokoll - der öffentlichen Sitzung - Hamburgische Bürgerschaft

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Wortprotokoll/ Protokoll - der öffentlichen Sitzung - Hamburgische Bürgerschaft
22. WAHLPERIODE                                                       NR. 22/20

Wortprotokoll/ Protokoll
der öffentlichen Sitzung
des Kultur- und Medienausschusses

Sitzungsdatum:         08. Februar 2023
Sitzungsort:           Hamburg, AP6, Sitzungssaal 2.04
Sitzungsdauer:         14:00 Uhr bis 15:32 Uhr
Vorsitz:               Abg. Christel Oldenburg (SPD) i.V.
Schriftführung:        Abg. Norbert Hackbusch (Fraktion DIE LINKE)
Sachbearbeitung:       Dr. Monika Potztal
____________________________________________________________

Tagesordnung:

 1.   Drs. 22/7232   Zukunft der Live-Kultur durch integrierte Stadtentwicklung
                     (Große Anfrage GRÜNE, SPD)

                     Hier: Öffentliche Anhörung gemäß § 59 Absatz 1 der
                     Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft

 2.                  Verschiedenes
Wortprotokoll/ Protokoll - der öffentlichen Sitzung - Hamburgische Bürgerschaft
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                                Kultur- und Medienausschuss Nr. 22/20

Anwesende:

I.     Ausschussmitglieder

       Abg. René Gögge (GRÜNE)
       Abg. Eckard Graage (CDU)
       Abg. Norbert Hackbusch (Fraktion DIE LINKE)
       Abg. Regina-Elisabeth Jäck (SPD)
       Abg. Farid Müller (GRÜNE)
       Abg. Dr. Christel Oldenburg (SPD)
       Abg. Lisa Maria Otte (GRÜNE)
       Abg. Arne Platzbecker (SPD)
       Abg. Hansjörg Schmidt (SPD)
       Abg. Dagmar Wiedemann (SPD)
       Abg. Prof. Dr. Götz Wiese (CDU)
       Abg. Dr. Alexander Wolf (AfD)
       Abg. Peter Zamory (GRÜNE)

II.    Ständige Vertreterinnen und Vertreter

       Abg. Sabine Boeddinghaus (Fraktion DIE LINKE)
       Abg. Andreas Grutzeck (CDU)
       Abg. Kirsten Martens (SPD

III.   Weitere Abgeordnete
       Abg. Sonja Lattwesen (GRÜNE)

IV.    Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter

       Behörde für Kultur und Medien

       Herr         Senator                               Dr. Carsten Brosda
       Herr         Senatsdirektor                        Hans Heinrich Bethge
       Frau         Angestellte                           Dr. Sabine Blumenröder
       Herr         Leitender Regierungsdirektor          Thomas Delissen
       Frau         Angestellte                           Julia-Maria Heindorf
       Herr         Angestellter                          Dr. Pit Hosak
       Herr         Angestellter                          Lukas Kaiser

       Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen

       Herr         Baurat                                Matthias Schröder
       Herr         Oberregierungsrat                     Stefan Mundt

V.     Auskunftspersonen: 20

VI.    Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerschaftskanzlei: Claudia Kuhlmann,
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                                  Kultur- und Medienausschuss Nr. 22/20

       Dr. Monika Potztal

VII.   Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit
       100 Personen

 Zu TOP 1

 Vorsitzende: Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Platz, es geht jetzt los. Die
 Sitzung ist nämlich für zwei Stunden angesetzt. Da wollen wir die Zeit nutzen.

 Ja, guten Tag, meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie recht herzlich hier zu unserer
 heutigen Sitzung des Kultur- und Medienausschusses. Ich bin nicht Frau Dobusch, wie Sie
 sehen können. Frau Dobusch ist heute leider erkrankt und deshalb werde ich die Sitzung
 leiten. Ich muss sagen, es ist mir jetzt auch erst vor 20 Minuten bekannt geworden, und ich
 hoffe, dass wir das einigermaßen hier über die Bühne kriegen. Ansonsten bitte ich schon
 jetzt im Vorfeld um Nachsicht.

 Gut. Es gibt jetzt verschiedene Sachen anzusagen. Das Erste ist, die Ausschusssitzung
 wird gemäß Paragraf 56 Absatz 1 Satz 4 der Geschäftsordnung der Hamburgischen
 Bürgerschaft per Livestream übertragen, abrufbar für alle, die zuschalten wollen, unter
 einem bestimmten Link. Das heißt jetzt Folgendes. Es ist eben eine Anhörung und dazu
 gibt es verschiedene Regularien, die eingehalten werden müssen. Ich fange einmal mit
 den ganz formalen an. Also, weil Sie hier heute alle eingeladen sind und sich äußern
 können, ist es wichtig, dass hier oben auf der Empore die Fluchtwege freigehalten werden.
 Ich muss Sie auch darauf hinweisen, dass es keine Missfallensbekundungen und auch
 keine Beifallsbekundungen geben darf. Wenn Sie sich zu Wort melden möchten, dann
 nehmen Sie sich bitte einen Zettel, füllen den aus mit Name, Organisation, geben den dort
 oben bei Frau Kuhlmann ab – ich sehe da schon, da winkt jemand, bei dem soll man also
 diese Zettel abgeben – und dann gibt es dort zwei Mikrofone. Wenn Sie im Livestream zu
 sehen sein möchten, dann gehen Sie zu dem Mikrofon, bei dem gefilmt wird – das ist
 dieses dort von mir aus auf der rechten Seite, sehe ich gerade. Wenn Sie das nicht
 möchten, nehmen Sie das andere Mikrofon auf der linken Seite.

 So, jetzt überlege ich gerade: Was müssen wir noch wissen? Ach ja, ich hätte natürlich
 noch besonders den Senat begrüßen müssen. Das ist hinlänglich bekannt. Aber heute
 sind ja diejenigen, die hier zu Wort kommen sollen, das sind ja eigentlich unsere
 Hauptakteure. Das läuft vom Prozedere auch so ab, dass eben diejenigen, die hier sind,
 zu Wort kommen sollen. Also wundern Sie sich nicht, wenn wir hier still sind. Das heißt
 nicht, dass wir nichts zu sagen haben, aber bei einer Anhörung ist es normalerweise so,
 dass dann die Abgeordneten eher still sind und es gibt dann im zweiten Wege eine
 Senatsbefassung. Da kann man dann den Senat fragen und die Abgeordneten werden
 sich auch dann dazu äußern.

 Gut, ich glaube, wir können loslegen. Ah, jetzt sagt Frau Potztal gerade, natürlich, bei einer
 Anhörung wollen wir ein Wortprotokoll machen. Hat jemand etwas dagegen, dass wir hier
 ein Wortprotokoll verfassen? Nein, das sehe ich nicht. Also wird es ein Wortprotokoll
 geben, dass wir auch alles schön nachlesen können.

 So, jetzt treffen hier auch schon die ersten Wortmeldungen ein. Ich gucke, habe hier …
 Herr Thore Debor vom Clubkombinat möchte sich gern äußern. Bitte schön.
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    Herr Debor: Ja, vielen Dank. Sehr geehrte Abgeordnete, werte Senatsvertreter:innen!
    Vielen Dank – ich denke, ich kann das heute stellvertretend für alle Redner:innen hier
    sagen –, dass wir die Gelegenheit bekommen, uns heute zu Wort zu melden. Aus Sicht
    des Clubkombinats, was ich hier vertrete, wäre eine Überweisung dieser Debatte an den
    Stadtentwicklungsausschuss oder zumindest eine gemeinsame Behandlung mit dem
    Kulturausschuss sinnvoll gewesen. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass, ausgehend um
    die Anliegen der Musikspielstätten, die Debatte mit der heutigen Anhörung einen breiteren
    Blick einnimmt und den Bedarf für eine kultursensible Stadtentwicklung gebündelt
    transportiert.

    Das Clubkombinat hat seit 2022, seit Mai, dem Manifest #wirbrauchenräume, viele
    Gespräche geführt. Die ersten Fragen konnten schon geklärt werden. Viele neue Fragen
    sind hinzugekommen. Inzwischen skizzieren wir 13 konkrete Maßnahmen in drei
    Handlungsfeldern, die wir in unserer schriftlichen Stellungnahme bündeln. Diese fügen wir
    heute hier als Anlage dem Protokoll bei (Anlage 1)1 und stellen sie auch schon jetzt auf
    unserer Homepage zur Verfügung.

    Aufgrund der begrenzten Zeit fokussiere ich mich hier auf drei Themen. Erstens: Die
    Einstufung von Clubs als Anlagen kultureller Zwecke in der Baunutzungsverordnung
    anstatt als Vergnügungsstätten. Nachdem die Bundesregierung diese Frage
    wahrscheinlich noch in diesem Jahr, 2023, auf den Weg bringen wird, wird spätestens im
    Bundesrat eine zustimmungspflichtige Abstimmung erfolgen. Spätestens dann wird auch
    Hamburg sich endgültig in dieser Frage positionieren müssen. Bislang ist die Position des
    Senats aus unserer Sicht unklar. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen scheint
    seit März 2022 für die Beibehaltung des Status quo zu plädieren, wonach Musikclubs
    weiterhin bestenfalls und im Einzelfall auf eine Einstufung als Vergnügungsstätten light
    setzen könnten. Kultursenator Carsten Brosda kommentiert zuletzt öffentlich im
    August 2022 anlässlich des Club Award, sich für eine Umsetzung der Anerkennung der
    Clubs als Kulturorte auf Bundesebene einzusetzen. Eine Klärung im Senat zu dieser Frage
    scheint überfällig.

    Zweites Thema sind die Schallkonflikte. Musikclubs stehen mit ihren Schallemissionen vor
    besonderen Herausforderungen in der Stadtentwicklung. Die Auflistung der enormen
    Bedeutung für die Attraktivität und die Lebensqualität einer Kommune erspare ich an
    dieser Stelle. Die MS Stubnitz ist aktuell wohl einer der prominentesten Fälle, der die
    Nutzungskonflikte zwischen Wohnen und Kultur aufzeigt. Unter dem Radar existieren
    etliche weitere. In vielen Fällen werden die Betreiber:innen gänzlich alleingelassen. Ein
    konstruktiver Dialog zwischen Behörde für Kultur und Medien und Clubkombinat zur
    Konfliktlösung bei Schallthemen findet bislang nicht statt, anders als im Protokoll dieses
    Ausschusses vom Mai 2022 festgehalten.

    Eine andere Baustelle mit Dringlichkeit ist der Schallschutz-Fonds. Seit März 2019 läuft
    das Projekt, Schallschutzmaßnahmen für Musikclubs zu lösen. Seit der Bewilligung von
    Planungskosten und der Erhebung von Bedarfen und dem Bürgerschaftsbeschluss für die
    Mittelfreigabe für 14 Musikspielstätten im Januar 2022 hat es drei Jahre gedauert. Wir
    müssen jetzt, im Februar 2023, feststellen, dass es immer noch kein vereinfachtes
    Behördenverfahren für diese Sache gibt. Es ist fraglich, ob 2023 überhaupt Umsetzungen
    erfolgen können, bauliche Maßnahmen also vielleicht frühestens 2024, das wären fünf
    Jahre Zeit. Wir reden hier von dringlichen Schallkonflikten. Wir brauchen einen runden
    Tisch Musikschall.

1Von den Initiativen an den Ausschuss übergebene Materialien sind diesem Protokoll in der
Reihenfolge der Redebeiträge angehängt. Wird im Text auf sie Bezug genommen, ist die
Anlagennummer genannt.
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Drittes und letztes Thema: Unsere zentrale Forderung für ein Bündnis für kulturelle
Freiräume. Spätestens mit der heutigen Anhörung wird, glaube ich, deutlich: Die
Problemlagen sind vielschichtig. Der Ball der politischen Verantwortlichkeiten wird oftmals
zwischen den Bezirken, der Landesebene und weiteren Playern derart hin und her
gespielt, dass die Trennung der Zuständigkeiten allseits als Entschuldigung herangezogen
wird. Es gilt jedoch, der Versäulung der Verwaltung entgegenzuwirken und die notwendige
Kommunikation zwischen Mandatsträger:innen und zuständigen Sachbearbeiter:innen in
den Bezirks- und Senatsverwaltungen behördenübergreifend herzustellen und zu
erleichtern. Als Struktur für eine solche Plattform schlagen wir ein Bündnis für kulturelle
Freiräume vor, das in Trägerschaft der Senatskanzlei regelmäßig tagen sollte.

Eine neue Form der Zusammenarbeit für bedrohte Orte und neue Flächenentwicklung ist
dringend notwendig. Zudem werden auch Kapazitäten für eine organisatorische, formale
Funktionseinheit, zum Beispiel eine Task Force, benötigt, die operativ als schnelle
Einsatzgruppe und Schiedsstelle einspringen kann, wenn akute Problemfälle in
Stadtentwicklungsprozessen zu klären sind, Verhandlungen zwischen Bürger:innen und
Landesregierung, Land und Bezirk notwendig machen. Beispiele aus anderen Kommunen
seien nur kurz aufgeführt: Freiraumbüro in Halle, der runde Tisch Liegenschaftspolitik in
Berlin oder in Mannheim, wo eine zentrale Steuerungsgruppe diese Aufgaben übernimmt.

Es gilt, eine Struktur zu bilden, die ein Gegengewicht gegenüber Politik, Verwaltung und
Immobilien-Lobby herstellt, damit die Zivilgesellschaft aktiv gestärkt wird und ihr
Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Das Problem der zeitlichen, finanziellen,
wissensbezogenen Ressourcenknappheit findet sich in vielen stadtpolitisch relevanten
Problemfeldern wieder. Ziel in Hamburg wäre daher ab 2025 ein eigener Haushaltstitel mit
zum Beispiel 800 Tsd. Euro. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vorsitzende: Vielen Dank, Herr Debor. Als Nächstes kommt jetzt Herr Malte von der
Lancken von Uebel & Gefährlich.

Herr von der Lancken: Schönen guten Tag. Vielen Dank für die Einladung. Malte von der
Lancken mein Name. Booker, Intendant quasi des Uebel & Gefährlich im Bunker an der
Feldstraße. Vielleicht waren Sie schon einmal bei uns. Wir sind ein Musikclub, sehen uns
selbst als Schnittstelle zwischen Subkultur und Mainstream. Wir haben mit Freude
vernommen, dass wir während Corona da angekommen sind, wo wir hingehören, in einer
Reihe mit Museen und Theatern. Jetzt sind wir hier, um das nachhaltig zu
institutionalisieren. Ich wollte Ihnen gern einen Status quo bei uns mitgeben und einige
Themen, die sehr uns auf der Seele brennen und unsere Existenz aktuell bedrohen.

Das sind vor allem drei Themen: Einmal die nicht zu übersehende Baustelle auf unserem
Dach – im städtebaulichen Vertrag sind die Bestandsmieter besonders hervorgehoben, in
den vergangenen, ich glaube, knapp vier Jahren hat sich das leider nicht bemerkbar
gemacht. Jetzt zum Ende – hoffentlich – der Baustelle läuft es für uns darauf hinaus, dass
wir davon ausgehen müssen, dass zu einem Tag X wahrscheinlich eine Band einmal auf
der Hacke umdrehen wird, weil sie nicht laden kann, weil es keine Busstellplätze gibt,
keinen Strom. Zusagen, die getroffen wurden seitens der Baustelle, werden nicht
eingehalten.

Es fing an mit Tropfen von der Bühne beim Goldene-Zitronen-Konzert. Darüber würden wir
uns heute fast freuen. Bisher sind wir den Weg an die Öffentlichkeit noch nicht gegangen,
weil wir Repressionen seitens des Vermieters fürchten. Dieser Tag könnte kommen. Wir
haben schon Kontakt zur Kulturbehörde aufgenommen, hoffen perspektivisch auf ihre
Unterstützung.
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Weiteres großes Thema für uns – und ich denke, alle Musikclubs – ist eben das
Saisongeschäft. Jetzt noch akuter nach Corona, weil wir beschlossen haben, keine
prekären Arbeitsverhältnisse, wie sie sonst in der Branche sicher gängig sind,
weiterzuführen, haben viele Festangestellte, aber auch drei Monate im Juni, Juli, August,
wo wir keine Veranstaltungen indoor haben und auch nicht machen können, weil es viele
Festivals gibt, schönes Angebot in der Stadt, wir auch viele Ideen haben, aber inzwischen
gibt es noch weniger Freiräume. Gerade gestern kam die E-Mail vom Dockville, dass wir
im Juni keine Veranstaltungen dort machen können, weil sie keine Genehmigung dafür
gekriegt haben. Es gibt große Flächen, die den Agenturen vorbehalten sind, aber es
bedarf Flächen in Hamburg, Freiflächen für Subkultur, grass-roots-Kultur.

Wir wollen unsere Probleme gern selbst lösen, haben gute Ideen, aber an diesem Punkt
brauchen wir Ihre Hilfe. Es gibt, denke ich, in Hamburg genug Flächen. Es ist bekannt,
dass die Hamburg Port Authority da das blockende Instrument ist. Bei der letzten Sitzung
hat der Vorsitzende so nett darauf hingewiesen, dass es früher unmöglich war, Windräder
im Hafen zu bauen, Musicals waren undenkbar, jetzt gibt es davon zahlreiche im Hafen,
und für manche ist es sogar das Aushängeschild – wobei das vielleicht sogar eher die
Kultur sein sollte – der Stadt. Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass im Hafen Platz
gemacht wird für Kultur.

Sie haben dafür, glaube ich, auch schon das perfekte Instrument geschaffen. Der
Kultursommer, glaube ich, hat gezeigt, was Hamburg kann, was möglich ist. Ich würde Sie
bitten, das zu reaktivieren, und danke Ihnen für Ihr Ohr.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank für den Beitrag. Mir ist jetzt gerade noch eingefallen, der
Vorredner hatte bemängelt, dass doch der Stadtentwicklungsausschuss nicht dazugeladen
ist. Ich möchte auf jeden Fall darauf hinweisen, dass verschiedene Mitglieder des
Stadtentwicklungsausschusses hier auch der Sitzung beiwohnen. Also das vielleicht ein
bisschen zur Beruhigung.

So, jetzt kommen wir zum nächsten Beitrag. Der kommt von der Initiative Kulturlabor
Elbinsel. Dort stehen zwei Namen, Christoph Plesse und Felix Strieger. Einer von beiden
beginnt.

Herr Strieger: Sehr geehrte Mitglieder des Kultur- und Medienausschusses, sehr geehrte
interessierte Anwesende! Ich bin Felix Strieger von der Initiative Elbinsel Kulturlabor aus
Wilhelmsburg. Die Initiative Elbinsel Kulturlabor leitet in dieser vielfältigen und geballten
Vortragsreihe den Schwerpunkt Wilhelmsburg ein. In meinem und den folgenden
Beiträgen wird es um den Bedarf an Raum im besonderen Kontext des Stadtteils
Wilhelmsburg gehen. Wilhelmsburg also.

Nicht schon wieder, werden jetzt nicht wenige meinen. Wilhelmsburg hat zusammen mit
der Veddel knapp 57 Tsd. Einwohner:innen und ist damit in Hamburg-Mitte der zweitgrößte
Stadtteil nach Billstedt. Hamburg hat große Pläne für Wilhelmsburg und die angrenzenden
Gebiete. Auch im Stadtteil direkt werden unter der Planung der IBA in den nächsten zehn
Jahren ganze Stadtviertel neu gebaut. Geplant sind knapp 5 800 Wohneinheiten, das
entspricht einem Zuzug von circa 12 Tsd. Einwohner:innen. Zusammen mit weiteren
Bauvorhaben wird Wilhelmsburg in zehn Jahren mit circa 72 Tsd. Einwohner:innen dann
der größte Stadtteil von Hamburg-Mitte sein und gleichauf mit Städten wie Lüneburg,
Marburg und Bayreuth sein.

Aber Wilhelmsburg ist nicht nur groß, Wilhelmsburg ist offiziell Stadtmitte, Problemkind,
Schmelztiegel, und vor allem ist es Mythos eines kulturellen Hotspots. Sie kennen sicher
die berühmte Soul-Kitchen-Halle, das überregional bekannte Dockville-Festival und
48h Wilhelmsburg. Warum dann Mythos? Vor circa zehn Jahren gab es auf den Elbinseln
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ungefähr zwölf Veranstaltungsorte und die Möglichkeit, auf einigen Flächen im
Hafengebiet zu veranstalten. Den überwiegenden Teil der Orte, die auf
hamburg.de/sehenswertes-wilhelmsburg/ beschrieben wird, gibt es nicht mehr oder ist vom
Abriss bedroht. Stellen Sie sich bitte Lüneburg ohne Veranstaltungsort, Marburg ohne
Kino, Bayreuth ohne Bühne vor. In Wilhelmsburg ist das Realität. 2023 gibt es nur noch
die Honigfabrik und das Bürgerhaus, die über ganzjährig bespielbare Räume verfügen.

Das Bürgerhaus und die Honigfabrik leisten hervorragende Arbeit und bereiten Wege.
Deren Angebot richtet sich aber überwiegend an Kinder, Jugendliche und Senioren. Auf
hamburg.de selbst heißt es: Wilhelmsburg ist ein junger Stadtteil, ein Viertel der Bewohner
ist unter 25 Jahre alt, seit 2007 werden günstige kleine Wohnungen an Studierende
vermietet, außerdem wird weiter in Kitas, Schulen, Sportzentren investiert, um vornehmlich
junge Familien in den Stadtteil zu locken.

Wilhelmsburg braucht auch einen Raum mit einem kulturellen Angebot, das die jetzige und
die zukünftige Bevölkerungsstruktur anspricht. Nachdem im Frühjahr 2022 das Turtur als
letzter Veranstaltungsort für Livemusik und Clubkultur mit einer Zielgruppe zwischen 20
und 50 ungefähr endgültig schloss, haben sich Wilhelmsburger:innen zur Initiative Elbinsel
Kulturlabor zusammengefunden. Wir sind ein offenes Kollektiv, bestehen aus
Kulturinteressierten und -schaffenden von und für die Elbinseln. Ziel unserer Initiative ist
es, wieder einen Raum für Live-Kultur zu schaffen, der durch ein facettenreiches,
partizipatives und niedrigschwelliges Programm bespielt wird und so Brücken baut und
Begegnungen ermöglicht.

Die Elbinseln und deren Bewohner:innen brauchen einen Ort, der vielfältig zu bespielen
ist, der Auftrittsmöglichkeiten für die lebendige und vor allem vielfältige Wilhelmsburger
Musikszene bietet. Einen Raum für engagierte junge Menschen mit Proberäumen für
Musik und Theater. Es braucht ein bezahlbares Kino und nicht zuletzt Clubkultur.

Wilhelmsburg wird durch die geplanten Erweiterungen weiter wachsen, aber nicht
Stadtplanung und Wohnraum entscheiden über Lebensqualität und Attraktivität eines
Stadtteils, sondern deren Bewohner:innen und ihre Zufriedenheit. Ein junger Stadtteil
braucht Räume als Ort der Begegnung und zum Dialog einen öffentlichen Raum, der die
Vielfalt der Wilhelmsburger:innen widerspiegelt, der einen niedrigschwelligen Zugang zu
Kunst, Kultur und Musik ermöglicht. Einen Raum, der die vorhandenen Potenziale nutzt,
die Menschen, die hier leben, integriert und den Standort Wilhelmsburg stärkt und kreativ
bereichert. Bitte helfen Sie uns, einen entsprechend nutzbaren Raum, einen nutzbaren Ort
zu entwickeln und Räume zu öffnen. Ermöglichen Sie Gespräche mit
Entscheidungsträgern bei Liegenschaften und Verwaltung entsprechender Objekte. Wir
brauchen Verständnis für den Bedarf an Flächen und Mut bei Entscheidungen zum
Kulturbetrieb. Helfen Sie uns, die Attraktivität von Wilhelmsburg zu steigern und Räume für
die Bewohner:innen der entstehenden Viertel zu etablieren.

Wir laden Sie hier aus diesem Ausschuss herzlich ein, eine Ortsbegehung mit uns zu
machen. Wir wollen mit Ihnen im Gespräch bleiben, Ihnen Wilhelmsburg und den Status
quo gern zeigen, wo es hakt und was möglich wäre. Wir haben dieser Anhörung eine
schriftliche Einladung für einen Spaziergang beigefügt (Anlage 2): Machen Sie mit uns und
den nun folgenden Wilhelmsburger Initiativen einen kleinen Spaziergang. Machen Sie sich
direkt vor Ort ein Bild über die zum Teil vor Wilhelmsburgs Haustür liegenden Optionen, für
die wir Sie gewinnen möchten. Denn wir brauchen Ihre Unterstützung, wir brauchen
Räume.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank, Herr Strieger. Das war ein Plädoyer für Kultur in
Wilhelmsburg. Ich möchte bemerken, dass wir die Angebote, die jetzt gemacht werden,
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dem Protokoll beifügen, sodass die Abgeordneten dann auch darauf zurückgreifen können
und das wahrnehmen können. Das wäre ja schön.

Jetzt kommt Herr Plesse auch von der Initiative Kulturlabor Elbinsel. Oder hat sich das
erledigt? Dann gehen wir nämlich weiter. – Ja, dann gehen wir lieber weiter, und zwar
einmal zum … eine Wortmeldung vom Theater am Kanal, Paula Zamora.

Frau Zamora Conejo: Ja, genau, mein Name ist Paula Zamora-Conejo, ich bin
Schauspielerin und Theaterpädagogin in Wilhelmsburg. Wir haben eine Initiative
gegründet, die heißt TAK Wilhelmsburg – Theater am Kulturkanal. Wir setzen uns dafür
ein, Probenräume für die Bühnenkünste zu schaffen, speziell für die Bühnenbereiche
Tanz, Theater, Musik und alles, was sonst noch auf der Bühne zu zeigen ist. Denn die
Bühnenkunst ist vielfältig, nicht nur Musik, sondern noch viel, viel mehr. Und südlich der
Elbe gibt es nur ein einziges Theater, in Harburg, das ist allerdings ein staatliches. Das
heißt, es ist keine mietbare Bühne, die auch ein Auftrittsort für Wilhelmsburger:innen oder
überhaupt Künstler:innen der Bühnenkünste ist.

Wir möchten einen Ort schaffen für die Bühnenkünste, aber eben nicht nur Theater im
üblichen Sinne, sondern bei uns soll jede Bühnenkunst, jede Disziplin ein Zuhause finden.
In Wilhelmsburg leben unglaublich viele Bühnenkünstler:innen, die alle nicht in
Wilhelmsburg arbeiten können. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen Auftrittsorte
schaffen. Wir wollen Zugang zur technischen Aus- und Weiterbildung südlich der Elbe
schaffen, aber auch zu professionellen Schauspiel-, Tanz- und Gesangsausbildungen.

Unser Stadtteil ist sehr bunt und es sind so ziemlich alle Hautfarben vertreten, die es so
auf der Welt gibt. So auch unsere Gruppe. Für uns ist es unglaublich schwer, in Hamburg
überhaupt im Bereich der Bühnenkünste Fuß zu fassen. Wir wollen ein Angebot schaffen
für diesen Stadtteil und einen niedrigschwelligen Zugang für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene aus dem Stadtteil.

Außerdem möchten wir auch ein kleines Programmkino integrieren, denn auch das fehlt in
Wilhelmsburg. Dafür haben wir uns ein Gebäude bereits ausgeschaut, und zwar das
ehemalige LIDL-Gebäude Am Veringhof 1. Seit 2015 versuchen wir, einen Termin zu
bekommen, da einmal reinzugucken. Dort wäre Platz für all dies. Aber wir kommen leider
nicht weiter. Da brauchen wir Ihre Unterstützung. Wir möchten gern diesen Ort bespielen.
Wir möchten diesen Ort schaffen für Wilhelmsburg, für alle Menschen südlich der Elbe, für
Begegnungen, für Emotionen, für Geschichten, für interkulturelle Kommunikation. Dieses
Gebäude steht bereits seit mittlerweile zehn Jahren leer und wir können nur zusehen, wie
es nach und nach mehr zerfällt. Das finden wir sehr schade, denn man könnte noch so viel
daraus machen. – Danke schön.

Vorsitzende: Vielen Dank, Frau Zamora. Also wir hören, in Wilhelmsburg tut sich was.
Und es geht weiter mit der Stadtkultur Hafen, und zwar mit Herrn Matthias Lintl.

Herr Lintl: Moin zusammen. Ich komme zwar aus Wilhelmsburg, aber es geht nicht um
Wilhelmsburg. Also, ich wollte noch einmal den Blick weiten. Eigentlich hatte ich ja Folien
vorbereitet, bei der letzten Anhörung konnte man Folien zeigen. Jetzt muss ich halt
Grafiken und Zahlen Ihnen vermitteln. Aber Sie kriegen das ja auch alles in der Anlage
(Anlage 4).

Die Altersstruktur in Hamburg wird sich ja elementar ändern. Also auch die aktuellen
Prognosen bis 2050 sehen einfach vor, dass halt die über Sechzigjährigen deutlich
zunehmen werden. Wenn man sich einmal bedenkt oder überlegt, ein junger Mensch war
22 Jahre alt, als er 1967 "Jimi Plays Monterey" gehört hat. Und die sind jetzt 80.
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Wir haben jetzt irgendwie das Renteneintrittsalter von denjenigen, die halt New Wave
irgendwo so mit 22 getanzt haben. Und wenn ich halt irgendwann so ungefähr das Alter
erreiche, dann wird es Grunge sein, "Nevermind", Nirvana. Also wir werden halt irgendwie
zusätzlich zu den vielfältigeren Menschen in unserer Stadt eine multiplizierte Vielfalt an
Musik bekommen und insbesondere die Älteren haben da halt vielleicht etwas
beizutragen, um halt diese Stadt ein bisschen bunter zu machen. Wir haben ab und zu mal
ein paar Sachen ausprobiert, eine Ü60-Party oder Krautrocksachen, die sind alle so
wunderbar angelaufen, aber dann kam Corona. Gut. Schnitt.

Sie kennen halt wahrscheinlich viele Statistiken. Die aktuelle ist heute auch jetzt gerade
durch den NDR gegangen. Da ging es halt um die Erwartung der Alterseinkünfte von
Jazzmusikerinnen und -musikern. Ist ja sehr, sehr desaströs. In den vielen anderen
Bereichen der Musik- und Kultur- und Kreativwirtschaft wird das nicht unähnlicher sein,
dass halt insbesondere diejenigen, die in prekären Situationen gearbeitet haben, unter
Altersarmut leiden werden. Gleichzeitig wollen diese Menschen allerdings sehr gern
arbeiten, produzieren, sich mitteilen und auch ihr Wissen vermitteln. Das ist halt auch ein
Aspekt – im Protokoll sehen Sie es dann halt irgendwie so, dass so ein Experten-Panel
eine Expertise gemacht hat, Einsamkeit und Armut. Und wenn wir gerade jetzt feststellen,
dass halt insbesondere Künstler und Kulturschaffende von Altersarmut bedroht sind,
möglicherweise von Vereinsamung bedroht sind, dann muss man dieses Potenzial doch
einfach mal ein bisschen anders sehen.

Deswegen: Also wir in Hamburg vergeben halt unsere Ziele und Chancen derzeit auf dem
Weg zu einer solidarischen kultur- und lebensbejahenden Stadtgesellschaft, die nachhaltig
mit sämtlichen Ressourcen umgeht und sich stetig weiterentwickelt. Wir haben ja halt auch
große Gesellschaften, die IBA, HafenCity GmbH, wir haben halt den Kleinen Grasbrook,
Oberbillwerder, wir haben halt irgendwie so die Quartiere in Wilhelmsburg und
dergleichen. Mein Wunsch wäre jetzt also frühzeitige Einbeziehung von Kulturschaffenden,
klar, das ist gut. Dazu muss ich mal was sagen. Also es gibt halt Expertise ohne Ende. Vor
fünf Jahren hat halt ein europäischer Studierendenwettbewerb stattgefunden, da sind
viele, viele interessante Angebote drin, die man jetzt halt um den Begriff Kultur noch
deutlich erweitern könnte. Deswegen wäre es schön, finanzielle Unterstützung von
Baugemeinschaften und Genossenschaften und trotz der steigenden Erstellungs- und
Kapitalkosten günstigen Wohn-, Arbeits- und Begegnungsraum zu schaffen. Und jetzt bitte
mal, so das als Prüfungsauftrag zu verstehen, prüfen, ob halt die Mittel aus dem Corona-
Wiederaufbaufonds Next Generation EU – für Deutschland sind das 28 Milliarden Euro –
nicht eingesetzt werden können, um unsere Stadtgesellschaft resilienter, nachhaltiger und
bunter zu machen.

Gut. In der Anlage finden Sie halt noch ein Beispiel, wie man so was mal
zusammendenken könnte. Und, wie gesagt, bei der letzten Anhörung, da ging es um die
Frage Rahmenkonzept Hamburg, Sprung über die Elbe, da hatte ich ein paar Ideen zur
Soulkitchen-Halle vorgestellt. Im Juni jährt sich der zehnte Jahrestag der Schließung durch
unseren derzeitigen Finanzsenator und durch die Sprinkenhof AG und da würde ich gern
wissen, wenn wir da eine Veranstaltung machen: Gibt es da was Neues? Was wird aus
der Fläche? – Danke sehr.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank, Herr Lintl. Ich denke, dass der Senat die Fragen, die Sie
gestellt haben, doch beim nächsten Mal dann beantworten kann. Wir machen weiter mit
Herrn Kay Otto von den Zinnwerken. So, der scheint also nicht da zu sein, dann gehen wir
gleich weiter, und zwar kommen wir jetzt zur AG Ost, Lisa Zander. Ist Lisa Zander da? Ja,
da ist sie.

Frau Zander: Ja, jetzt ein bisschen schneller als gedacht. Hallo, ich bin Lisa Zander, ich
bin hier als Vertreterin der AG Ost und von Mikropol aus Rothenburgsort. Die AG Ost ist
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ein Bündnis der Kultur, des Sozialen und des Sports in und um den Hamburger Osten,
bestehend aus der Ruder-Vereinigung "Bille", dem HALLO e. V., der Galerie Oel-Früh, der
Gedenkstätte Bullenhuser Damm, dem Mikropol, der Hamburger Studienbibliothek, den
Mieter:innen des Mercedes-Hauses, ZOLLO, der Initiative "Dessauer Ufer", dem
Künstler:innenhaus Wendenstraße, dem Atelierhaus Bullerdeich, dem Plattenpresswerk,
der Oldtimer-Tankstelle, der MS Stubnitz, der Mundhalle, dem Verein für Skateboardkultur,
dem Südpol und der Hanseatischen Materialverwaltung.

Was die Mitglieder des Bündnisses auszeichnet: Wir öffnen Räume für uns und für die
Nachbarschaft. Wir transformieren leer stehende Hallen zu über ganz Hamburg bekannten
Kulturorten, wir betreiben ehrenamtlich Stadtteilkulturzentren, wir gestalten Räume des
Teilens und des solidarischen Wirtschaftens, wir verwandeln brachliegende Gelände in
öffentliche Parks. Der Hamburger Osten steht vor tiefgreifenden
Transformationsprozessen, die die sozialen und räumlichen Strukturen verändern. Unter
dem Brennglas vielschichtiger Interessen und beplant von den Visionen der Masterpläne
Stromaufwärts an Elbe und Bille, Alster-Elbe-Bille-Grünzug und dem Stadteingang
Elbbrücken sowie zunehmender Immobilienspekulationen steigen die Mieten und
Bodenpreise und die Verdrängungsprozesse verschärfen sich. Während also Hallen leer
stehen wie die am ehemalige Branntweinmonopol-Gelände am Stadteingang, Sandwüsten
am Huckepackbahnhof oder auf dem Grasbrook, auf Investor:innen mit dem nötigen
Kapital warten und ganze Gelände in privaten Fondshänden verwahrlosen, bangt eine
hundertjährige alte Rudervereinigung um ihre Zukunft und Kulturorte verlieren ihre Räume.

Deshalb fordern wir, dass die Hamburger Bürgerschaft ihre Verantwortung wahrnimmt und
die Kultur des Selbermachens, des Räumeschaffens und -öffnens, des sozialen
Austausches, des Erinnerns und des Gemeinsam-Sportlich-Tätigwerdens schützt und
fördert. Es braucht jetzt langfristige bezahlbare Räume für eben diese Akteure, die seit
Jahren schon hier im Hamburger Osten tätig sind.

Vorsitzende: Vielen Dank, Frau Zander. Es geht jetzt weiter mit einem Vertreter oder
einer Vertreterin von der Mundhalle. Frau Helene Kummer, okay.

Frau Kummer: Hallo. Wir sind die Mundhalle und wir brauchen Räume. Die 70 Mitglieder
der Mundhalle-Genossenschaft brauchen Räume. Wir brauchen Platz für Bootsbau,
Bildhauerei, Rahmenbau, Fotografie, Produktdesign, Malerei, Typografie, Bühnenbild,
Performance, für Innovationen und für traditionelle Korbflechterei. Es gibt unzählige
Beispiele von Produkten, künstlerischen Arbeiten und Projekten, die gemeinsam und
interdisziplinär von den Mitgliedern der Mundhalle realisiert wurden. So wird jetzt
beispielsweise Raum benötigt für die 45 Bassboxen, die gemeinschaftlich in der Mundhalle
entwickelt und gebaut wurden und die regelmäßig bei Kultur-Events und Festivals in ganz
Hamburg im Einsatz sind.

Solche Synergien entstehen, weil wir nicht nur gemeinsam am selben Ort arbeiten,
sondern auch täglich im Austausch sind, Erfahrungen, Wissen und Tools teilen,
mitbekommen, woran wir gerade arbeiten und einander beraten und unterstützen. Dieses
genossenschaftliche und gemeinschaftliche Konzept der Mundhalle kann nur überleben,
wenn wir einen neuen und permanenten Ort finden. Wir brauchen Raum für
Ausstellungen, Lesungen, Performance und Workshops mit Kindern aus der
Nachbarschaft. Wir brauchen Raum, von dem aus wir wirken können, über Hallentore
hinaus, in Stadtteile hinein. Wir brauchen Türen, die wir öffnen können.

Die Mundhalle ist ein selbstorganisierter und offener Ort und keine abgeriegelte Industrie-
oder Produktionsstätte eines internationalen Großunternehmens. Heute sind es noch
20 Tage, dann ist mit unserem aktuellen Standort in der HafenCity Schluss und der Abriss
beginnt. Die Ateliers und Arbeitsräume müssen wieder abgebaut und eingepackt werden,
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Formatkreissägen, Lastenregale und große Stahlskulpturen wollen verladen werden.
Wohin? Wir wissen es nicht.

Als wir hier im Januar, also in die HafenCity, 2021 einzogen, waren wir uns einig, dies sei
die letzte Zwischennutzung, denn Umzüge und Immobiliensuche kosten enorm viel Kraft,
Geld und Zeit, in der wir eigentlich unseren Berufen nachgehen müssen und wollen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind in jeder Arbeitswoche den gesamten Donnerstag und Freitag
ausschließlich damit beschäftigt, für die darauffolgende Woche wieder ein Büro zu finden.
Bei uns ist das aktuell Montag bis Freitag der Fall. Alle zwei Jahre umziehen und die
andauernde Planungsunsicherheit – so können wir nicht arbeiten. Zwischennutzungen
vertagen und befeuern dieses Problem.

Wir erfahren viel Unterstützung und Zuspruch seitens der Hamburger Politik und Medien.
Dafür sind wir dankbar. Und dennoch müssen wir feststellen: Trotz intensiver
Zusammenarbeit konnte bisher kein neuer Ort gefunden werden. Es wird klar: Selbst die
Stadt hat unzureichend Zugriff auf Grundstücke und Räumlichkeiten. Wir haben eine
Genossenschaft gegründet, um einen permanenten Arbeitsort zu schaffen für bildende
Künstler:innen, Selbstständige, Gewerbe- und Handwerksbetriebe, um gleichermaßen
Berufseinsteiger:innen als auch Profis eine Perspektive in Hamburg zu geben. Seit 2017
gestalten wir den Stadtraum aktiv mit und bereichern Hamburg durch partizipative
Produktionskultur und offene Kunst- und Kulturangebote. Um dies weiterzuführen,
brauchen wir jetzt einen Ort und jetzt Ihr Engagement.

Auch als Teil der AG Ost, die sich für den Erhalt subkultureller Räume und für
Stadtplanung auf Augenhöhe einsetzt, fordern wir die Stadt auf, uns und anderen
Initiativen jetzt Räume und Flächen zur Verfügung zu stellen.

Und jetzt möchte ich das Wort an den HALLO: e. V übergeben, deren Arbeit wir enorm
schätzen. Der Verlust der Schaltzentrale oder die aktuelle Schließung der Schaltzentrale
ist ein enormer Verlust. – Danke schön.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank, Frau Kummer, das ist nett, dass Sie jetzt die Regie
übernehmen wollen, aber ich muss jetzt trotzdem das Wort erteilen. Die nächste
Wortmeldung ist dann von Frau Doro Halbrock vom Verein HALLO: Verein zur Förderung
raumöffnender Kultur. Bitte schön.

Frau Halbrock: Hallo. Sehr geehrte Vertreter:innen der Stadt Hamburg, liebe
Mitstreiter:innen und Unterstützende. Wir sind Franziska Dehm und Dorothee Halbrock
vom HALLO: Verein zur Förderung raumöffnender Kultur. Nach acht intensiven Jahren
werden die Aktivitäten des HALLO: Vereins am Standort Kraftwerk Bille in Hammerbrook
beendet. Der HALLO: e. V. ist seit 2015 im denkmalgeschützten Kraftwerk aktiv. Unsere
Themenschwerpunkte liegen in der gemeinwohlorientierten Stadt- und Kulturproduktion
und der vernetzenden Stadtteilarbeit, kurz, in der urbanen Praxis. Seit Beginn zielen die
forschenden, künstlerischen und experimentellen Formate und Nutzungen auf die
Entwicklung dauerhafter Strukturen. Mit dem Format der HALLO: Festspiele wurden in den
letzten Jahren viele Tausende Quadratmeter des Kraftwerks durch internationale und
lokale Produktionen mit Künstler:innen wie Luciana Achugar und Adnan Softic für die
Öffentlichkeit zugänglich gemacht, vielfach unterstützt von der Behörde für Kultur und
Medien und anderen Förderer:innen wie der Kulturstiftung des Bundes.

Seit 2016 wurde mit der Schaltzentrale, unterstützt durch bezirkliche Mittel, ein staubiger
Ort mit Rissen in den Wänden gemeinsam mit vielen zu einem Versammlungsraum.
Dieser beinhaltete ein Café, Proberäume, Werkstätten und Veranstaltungsräume und
machte Kulturproduktionen, Radio, Mittagstische und Bildungsangebote im gesamten
Kraftwerk Bille möglich. Veranstaltungen mit großem Raumbedarf wie die Phototriennale,
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Festivals wie Hauptsache Frei, Proben vom Schauspielhaus oder freie Produktionen von
Yolanda Morales und Alexander Schubert wurden hier durch die Vermittlung und
praktische Unterstützung von HALLO: ermöglicht.

Aufgrund einer Kündigung des neuen Investors geht unsere Arbeit im Januar 2023 an
diesem Standort zu Ende, also jetzt. Damit verliert Hamburg nicht nur eine tragende
Spielstätte der freien Szene, sondern auch ein Stadtteilzentrum. Heute Abend findet auf
Kampnagel die Veranstaltung Dennoch! zur aktuellen finanziellen Situation der freien
performativen Künste statt. Ebenso wie Geld braucht diese Arbeit auch Räume.

Um spekulativen Investitionen entgegenwirken zu können, haben wir bereits 2018 das
Konzept WERK für einen dauerhaften Produktions-, Begegnungs- und Kulturort entwickelt.
Das von Bund und Stadt mit 7,5 Millionen Euro geförderte Konzept sollte das Kraftwerk
Bille modellhaft als bedeutenden Ort der Hamburger Kulturproduktion stärken, indem es
bestehende Pioniernutzungen sichert und langfristig bezahlbare Räume für weitere
Nutzungen schafft.

WERK wird von Kulturakteur:innen wie René Pollesch, Christoph Lieben-Seutter, Amelie
Deuflhard, Olaf Nicolai und Deichkind sowie von der Hamburger Politik und Verwaltung
unterstützt. Dennoch lässt sich WERK mit dem Verkauf des Areals und der Absage der
neuen privaten Investoren am Kraftwerk Bille nicht realisieren. Und es gibt derzeit keine
gesicherte Perspektive für einen Alternativstandort, weder für WERK noch für die
Schaltzentrale.

Frau Dehm: Und das, obwohl wir seit zwei Jahren verschiedene Standorte nach
Maßgaben des Koalitionsvertrags 2020 prüfen. Hier wird eine gemeinwohlorientierte
Bodenpolitik in Form von Erbbaurechtsvergaben, Vorkaufsrechten und städtebaulichen
Entwicklungsmaßnahmen ausdrücklich genannt. Wir fordern Sie und uns alle dazu auf,
gemeinsam eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik für den Erhalt und Ausbau nicht
kommerzieller und gesellschaftlich bedeutsamer Nutzungen voranzutreiben, und damit
meinen wir Kunst und Kultur ebenso wie Soziales und Bildung. Solche Orte der
Begegnung und des Austauschs sind für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zentral.
Die profitorientierte Stadtentwicklung bedroht diese Räume. Verwaltung, Politik und die
organisierte Zivilgesellschaft können gemeinsam für einen Ausbau von notwendigen
Infrastrukturen für das Gemeinwesen arbeiten, auch in Form von partnerschaftlichen
Kooperationen. Mit 50 Prozent der Flächen in städtischer Hand hält Hamburg ein enormes
Potenzial für zukunftsfähige Entwicklungen. Das Thema ist für uns und für ganz Hamburg
von großer Relevanz. Es müssen jetzt Weichen für eine kultursensible Stadtentwicklung
gesetzt werden.

Vorsitzende: Ja, das war es offenbar. Vielen Dank für den Beitrag. Ich habe einen
Hinweis von der Gremienbetreuung bekommen, und zwar diejenigen, die etwas zu
Protokoll geben wollen, schicken das bitte an die Adresse auf der Einladung, also an die
Bürgerschaftskanzlei, Gremienbetreuung, am besten dann noch zu Händen Dr. Monika
Potztal. Digital am besten.

Gut, wir machen weiter, und zwar mit Jens Gottschau von der Hanseatischen
Materialverwaltung.

Herr Gottschau: Guten Tag, lieber Ausschuss, liebe Anwesende. Vielen Dank an die
guten Vorrednerinnen. Mein Name ist Jens Gottschau. Wir haben vor zehn Jahren die
Hanseatische Materialverwaltung gegründet. Ich selbst bin aber schon seit ungefähr 25
Jahren Teil der Hamburger Kulturszene, war selbst als Künstler tätig und kenne zwar nicht
die ganze Hamburger Szene, aber doch einen kleinen Teil davon sehr gut, und möchte auf
eine Besonderheit und eine Gemeinsamkeit der Subkulturen, die hier heute gesprochen
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haben oder sozusagen für die gesprochen wurde, eingehen, und zwar, dass wir Grenzen
überwinden. Bei uns ist der Künstler und der Kunstrezipient …, oft werden da auch die
Rollen gewechselt und wir sind offene Szenen, wo auch die Sparten Musik, darstellende
Kunst ineinanderfließen, wo das Private und Politische ineinander geht und wo
Stadtgesellschaft sich konstituiert. Das kann am besten mit einem modernen Kunstbegriff
verstanden werden, den Joseph Beuys die Soziale Plastik genannt hat und der meiner
Ansicht nach in der Stadt noch viel zu wenig Beachtung findet. Was dort passiert, ist ganz
entscheidend für eine Stadtgesellschaft als Ganzes. Ich will jetzt nicht ins Theoretische
gehen, aber nur noch einmal hinweisen auf die gute und hilfreiche Theorie von Jürgen
Habermas.

Es geht hier nicht um eine Szene, sondern es geht um viele. Sie unterscheiden sich von
Lebensgefühl, Musikgeschmack, künstlerischem Ansatz, dem Publikum oder eben auch
nach Stadtteil. Das Besondere an Hamburg war für mich immer, dass es gerade groß
genug ist, dass sich diese Milieus, diese Subkulturen, dass diese Szenen überhaupt erst
sich bilden können, aber oft auch gerade nur so groß genug, dass sie überhaupt
existieren. In ganz vielen Fällen haben diese Szenen nur wenige Orte, manchmal auch nur
einen. Um Ihnen zu verdeutlichen, was es eigentlich bedeutet, wenn solche Orte
wegfallen, möchte ich eine Parabel nutzen, und zwar die einer Dorflinde, die in der Mitte
der Gemeinschaft steht als Versammlungs- und Begegnungsort enorm wichtig ist, wo
gemeinsame Feste ausgerichtet werden, die ausgeschmückt wird von den einen, andere
musizieren, führen auf oder tragen vor. Das Gefühl, was ich verbinde damit, wenn diese
Orte – und tatsächlich seit 25 Jahren, seit ich mich in der Szene bewege, begleitet mich
dieses Gefühl –, dass die Säge schon bereitliegt und wir suchen immer wieder neue Orte.
Trotzdem bleibt auch eine Trauer um das, was wir immer wieder aufgeben mussten.

Einmal kurz zur Materialverwaltung: Wir – die meisten werden uns wohl kennen – haben
ein relativ einfaches Konzept. Wir haben damals versucht, zwei Probleme zu einer Lösung
zu verbinden, nämlich einerseits, dass viele Dinge, die in großen Produktionen abgespielt
und dann sozusagen vakant sind, wurden vordem verschrottet, und andererseits gibt es
eben jetzt den viel besprochenen Mangel an Spielräumen und wir haben versucht,
wenigstens über die Verfügbarmachung von Material der freien Szene etwas von dem
Spielraum zurückzugeben. Die Idee war damals tatsächlich, dass diese Materialien für
Künstler:innen und für Schulen, für Bildungszwecke umsonst zur Verfügung gestellt
werden könnten. Es gibt ein fantastisches Vorbild in New York, die machen das dort seit
den Siebzigerjahren auf 20 Tsd. Quadratmetern, komplett von der Stadt finanziert, und für
jeden eingesetzten Euro werden dort Materialien im Wert von 6 Euro, also dort ja Dollar,
gerettet und weitervermittelt. Das ist uns leider nicht geglückt, aber uns ist es geglückt,
wenigstens einen Ort zu finden und uns selbst finanzieren zu dürfen. Das hat immerhin
geklappt. Nun steht die Materialverwaltung allerdings selbst durch die Sanierung und die
dann anstehende Mieterhöhung von über 100 Tsd. Euro im Jahr vor dem Aus, wenngleich
wir guter Hoffnung sind, dass in der Stadt die Notwendigkeit erkannt wird, hier Abhilfe zu
schaffen.

Allerdings würde ich mich freuen, wenn wir nun – also nicht nur wir als Materialverwaltung,
sondern wir als Szene – mehr bekommen als nur das Allernotwendigste und wenn wir hier
nicht als Bittsteller auftreten müssten. Das Allernotwendigste sind die Räume. Eigentlich
bräuchten wir noch mal 100 Tsd. Euro obendrauf im Jahr, damit wir vernünftig arbeiten
können und auch den gesellschaftlichen Hebel ansetzen können. Wie viel mehr könnten
wir bewegen, wenn wir uns nicht auch noch so viel mit der Selbstfinanzierung
herumschlagen müssten.

Bitte erkennen Sie, um wie kleine Summen es im Vergleich geht, wie groß die Wirkung ist
und wie viele Menschen Sie damit erreichen könnten. – Vielen Dank.
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Vorsitzende: Ja, vielen Dank, Herr Gottschau. Und wir machen weiter mit Herrn Gelbe
vom Südpol.

Herr Gelbe: Hallo. Ich bin Daniel Gelbe vom Verein Kulturelles Neuland, wir betreiben in
Hammerbrook am Hochwasserbassin den Kulturort Südpol. Wir hatten das Glück, vor
zehn Jahren den Zuschlag zu bekommen, diesen Ort kulturell bespielen zu dürfen. Das
geschah in enger Zusammenarbeit mit der Kreativ Gesellschaft. Wir haben also sehr gute
Erfahrungen gemacht, Orte zu bekommen, zu bespielen. Wir haben Ateliers geschaffen,
Werkstätten, Tonstudios und einen Veranstaltungsraum.

Wir haben 2015 einen langen Vertrag abschließen können und hatten das
ausgesprochene Glück, dass er 20 Jahre dauert und uns ist total klar, dass eigentlich
wenige Akteure dieses Glück haben. Es ist total wichtig, wie wir eben auch schon gehört
haben, langfristig planen zu können und nicht immer mit dem Gedanken, alle zwei Jahre
seinen Schaffensort wechseln zu müssen, sondern eben vielleicht zehn, zwanzig Jahre
oder sogar darüber hinaus einen Ort zu haben, an dem man die Dinge realisieren kann,
die man realisieren möchte.

Für uns am Hochwasserbassin ist darum auch wichtig, dass wir eine Zusage von der
Politik bekommen über das Jahr 2035 hinaus. Wir möchten gern, dass dieser Ort
unbefristet als kultureller Spielort erhalten bleibt. Da scheint es mir sinnvoll zu sein, schon
langsam in die Gespräche zu gehen, damit wir nicht erst zwei Jahre vorher erfahren, ob es
weitergeht oder nicht.

Warum das überhaupt möglich war und warum wir in der guten Position sind, einen Ort zu
haben, an dem wir arbeiten können, war, weil uns zugehört wurde – und das kam jetzt ja
auch schon zur Sprache: Es muss den Akteuren aus der Kreativbranche, aus der
Kulturbranche zugehört werden. Es müssen Institutionen geschaffen werden, die sich
damit auseinandersetzen. Ich denke, dass die Kreativ Gesellschaft eigentlich schon ein
ganz gutes Instrument ist, wenn sie nicht den Fokus auf die Wirtschaft, meines Erachtens,
legen würde, mehr als auf den Part kreativ in dem Wort Kreativwirtschaft. Darum halte ich
es für total wichtig, die Kreativ Gesellschaft – es kann auch eine andere Institution sein –
mit mehr Ressourcen auszustatten. Den Menschen, die hier sitzen, die das Wort ergreifen,
zuzuhören, und zwar nicht nur allein in dieser Anhörung, sondern institutionalisiert, weil
dann können die es hoffentlich schaffen, die 50 Prozent, die ich gerade gehört habe,
Immobilienflächen, die in städtischer Hand sind, vielleicht auch für uns weiterhin nutzbar
zu machen, und zwar langfristig, nicht im 2-Jahrestakt, sondern vielleicht im 20-Jahrestakt
oder darüber hinaus.

Darum ist mein Appell an die Stadt Hamburg, mehr Mut zu beweisen, Projekte zu
unterstützen, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die auch subkulturelle Projekte
gelingen lassen, weil: Zu verlieren hat Hamburg, die Stadt, sehr wenig, aber sehr viel zu
gewinnen. Der Schaden dürfte dann, selbst bei einem Verlust solcher Orte, weitaus
geringer sein als eine realisierte Elbphilharmonie. – Danke schön.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank für diesen Appell, Herr Gelbe. Wir machen weiter mit BBS40
und Herrn Moritz Preiss.

Herr Preiss: Liebe Ausschussmitgliederinnen und Ausschussmitglieder, liebe Initiativen!
Vielen Dank für die tollen Vorredner:innen. Ja, mein Name ist Moritz Preiss, ich bin
Sprecher des BBS40 e. V., das ist ein Verein der Menschen, die im Mercedes-Haus an
den Elbbrücken tätig sind. Wir sind ein von außen sehr graues Haus, aber von innen umso
bunter. Bei uns haben Kulturschaffende, kulturnahes Gewerbe, Handwerker, Kleingewerbe
ihre Heimat gefunden. Bei uns werden zum Beispiel Riesenskulpturen in Form von
begehbaren Achterbahnen konzipiert, die dann in Südkorea stehen. Bei uns im Haus gibt
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es ein Graffiti-Künstlerkollektiv, das die höchste Graffiti-Wand der Welt in Calgary in
Kanada gemalt hat und unter anderem eines der größten Graffiti-Archive in Europa
betreibt. Wir haben im Haus ein Tonstudio, das Filmmusik für den "Tatort" komponiert. Bei
uns gibt es eine der wenigen selbst organisierten Werkstattgemeinschaften im Haus, die
mit verschiedenen Gewerken arbeitet und dort werden unter anderem individuelle
Ladeneinrichtungen für Hamburger Szenelokale handwerklich geschaffen. Wir haben eine
Bibliothek bei uns im Haus, die politische Literatur als Schwerpunkt hat und mit
öffentlichen Veranstaltungen den politischen Diskurs fördert. In dem Haus werden
Stadtrundgänge aus Sicht von Stadtplanern geplant für alle interessierten Menschen, die
Hamburg aus Sicht der Stadtplanung erleben möchten. Es gibt diverse andere sehr bunte
Akteure – sie alle heute aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen, bildende
Künstler:innen und diverse weitere. Ich werde da jetzt nicht weiter drauf eingehen, weil es
eben den Rahmen sprengt. Und ich lade alle Ausschussmitglieder und
Ausschussmitglieder herzlich ein, uns vor Ort einmal zu besuchen und sich selbst davon
ein Bild zu machen, wie bunt das Haus von innen ist.

Die Problematik, die uns jetzt hierher treibt, ist die, dass die Stadt Hamburg um das
Gebäude herum – wir kennen ja das Gebäude, diesen Solitär, der mitten in der Billhorner
Brückenstraße vor den Elbbrücken steht – entwickeln möchte und hier der neue
repräsentative Stadteingang Hamburgs entstehen soll. Dieser Solitär ist auch in diesem
Spannungsfeld eventuell zu entwickeln. Im Moment ist es so, dass das Gebäude der
Billebogen Entwicklungsgesellschaft gehört, die eine hundertprozentige Tochter der
HafenCity GmbH ist – somit städtische Akteure –, verwaltet wird es von der Sprinkenhof
GmbH. Wir als Nutzer und Nutzerinnen sind mit Mietverträgen ausgestattet, die eine
Kündigungsfrist von sechs Monaten haben. Unsere wirtschaftliche Existenz ist massiv an
dieses Haus gebunden und wir brauchen langfristige Planungssicherheit in diesem
Prozess der Stadtentwicklung am neuen Stadteingang Elbbrücken. Wir wünschen uns
vonseiten der Stadt Unterstützung für langfristige Pachtverträge für das Haus und eine
selbst verwaltete Betriebsgesellschaft dieses Hauses.

Die Stadt Hamburg hat in Form der städtischen Akteure und Akteurinnen es hier selbst in
der Hand, einen kulturellen und kreativen Standort für Hamburg, aber auch für das
Hamburger Umfeld und für ganz Deutschland hinaus zu sichern. Ja. – Vielen Dank.

Vorsitzende: Ja, vielen Dank, Herr Preiss. Sie geben uns ja hier richtig Hausaufgaben mit.
Wir werden doch viel Zeit benötigen, um das alles abzuarbeiten, aber sehr schön, vielen
Dank. Wir machen weiter, und zwar jetzt mit dem Zentrum für Zukunft. Wer spricht? Frau
Julia Nordholz? Nein. Wenn Sie sich vorstellen?

Herr Haji: Genau, also ich bin Ali Haji und ich spreche für das Zentrum für Zukunft. "Falls
das, was im ehemaligen Karstadt an der Mönckebergstraße derzeit passiert, ein Versuch
sein soll, die Umnutzung eines obsolet gewordenen Kaufhauses für ein paar Monate
vorwegzunehmen, muss man sagen, das Projekt leidet unter Perspektivlosigkeit." Das war
ein Zitat aus einem Artikel aus der "Zeit" vom 14. Oktober 2022.

Mein Name ist Ali Haji, ich bin ausgebildeter Architekt und Stadtplaner und repräsentiere
heute die Initiative Zentrum für Zukunft. 2020 habe ich auf Einladung eines Bekannten an
einem digitalen Plenum vom Bündnis Stadtherz teilgenommen. Als Reaktion auf die
leerstehenden Kaufhäuser der ehemaligen Karstadt Sport und Galeria Kaufhof in der
Mönckebergstraße haben wir gemeinsam die Initiative Zentrum für Zukunft ins Leben
gerufen und arbeiten seitdem ununterbrochen zusammen. Wir setzen uns im Allgemeinen
für eine soziale Stadtentwicklung um den Hamburger Hauptbahnhof ein und konkret
beschäftigen wir uns mit der bedarfsgerechten Umnutzung der leerstehenden Kaufhäuser
in der Hamburger Innenstadt. Wir arbeiten kooperativ und prozessbasiert und haben in
den letzten zwei Jahren durch digitale Formate während der Pandemie, Lehre an der
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Universität, verschiedene Ausstellungen und Netzwerkarbeit Konzepte für bedarfsgerechte
Umnutzung der leerstehenden Kaufhäuser in Hamburg entwickelt.

Mitte letzten Jahres sind wir im Rahmen des Förderprogramms Frei_Fläche von der
Hamburg Kreativ Gesellschaft für eine sechsmonatige Pioniernutzung mit in das
leerstehende Gebäude des ehemaligen Karstadt Sports gezogen. Wir arbeiten
soziallraumorientiert und gemeinschaftsbasiert. Deswegen haben wir uns neben unserer
Arbeit zur Aufgabe gemacht, die Hausgemeinschaft zu fördern und zwischen den
verschiedenen Gruppen im Haus zu vermitteln. Gegen Ende des Jahres haben wir unsere
volle Kraft auf die Entwicklung eines Hauskonzeptes fokussiert, in dem die Bedürfnisse der
Nutzer:innen zum Ausdruck gebracht werden. Durch eine Reihe von Workshops und mit
Beteiligung anderer Pioniernutzenden haben wir am 23. Dezember das Hauskonzept Work
in Progress herausgebracht.

Die wichtigsten Ziele dieses Vorschlags sind die folgenden:

   1) Durch Kooperation mit einer stadtgesellschaftlichen Institution als intermediär eine
      organisatorische Zwischeninstanz zu ermöglichen, die das Gebäude im engen
      Austausch mit der Kreativgesellschaft zu einem Reallabor für die Wiederbelebung
      der leerstehenden Kaufhäuser umwandelt.

   2) Basierend auf den Themenschwerpunkten, die sich in der Pioniernutzung
      herauskristallisiert haben, das Gebäude bedarfsgerecht und inklusiv zu belegen.

   3) Einen Experimentierraum zu ermöglichen, der über die ausschließliche Förderung
      der Kreativwirtschaft hinaus bedarfsorientiert einen Mehrwert für die Stadt
      generiert.

Nach der Veröffentlichung des Hauskonzeptes müssen wir wie alle anderen Mieter:innen
zum Jahresende das Gebäude verlassen. Grund dafür war zum einen das Vertragsende
für die Zwischennutzung, zum anderen war es bis zu dem letzten Tag nicht klar, ob auch
dieses Gebäude durch die Fortführung des Förderprogramms Frei_Fläche der
Kreativgesellschaft weiter zwischengenutzt werden kann. Das Gebäude steht heute wieder
leer. Und die Frage, die uns bis heute noch begleitet, heißt: Sollen wir unser
Arbeitsmaterial woanders zwischenlagern beziehungsweise gar loswerden oder
spekulieren wir drauf, dass sich die Türen wieder öffnen und wir unsere Arbeit im Gebäude
fortführen können? Inzwischen wurde ein Vertrag für die Zwischennutzung des Hauses für
ein weiteres Jahr durch die Kreativgesellschaft geschlossen.

Auf dieser Basis und für die Umsetzung des Hauskonzeptes sind wir auch mit der
Kreativgesellschaft in Kontakt. Knapp drei Wochen nach unserem letzten Termin haben
wir gestern Abend diesbezüglich eine Absage erhalten. Das Konzept sei aus
verschiedenen organisatorischen Gründen so nicht umsetzbar. Nun erwarten wir heute
von Ihnen, liebe Abgeordnete, Folgendes:

Das ehemalige Karstadt Sports ist der deutschlandweit größte Leerstand, der für kreative
Zwischennutzung genutzt wird, und laut diversen Statistiken wird es auch nicht das letzte
leerstehende Kaufhaus in Hamburg bleiben. Außer materiellen Potenzialen des Standortes
ist die entstandene Gemeinschaft und das Netzwerk um dieses Gebäude ein
unbezahlbares Gut, das unserer Meinung nach durch das fehlende Entgegenkommen
seitens der Kreativ Gesellschaft von Zerstreuung bedroht ist. Die Hamburger Politik sollte
dieses einmalige Momentum wahrnehmen und unterstützend ein Zeichen setzen. Für uns
heißt der Schlüssel, nicht auf Neustart, sondern auf Prozesse und auf lokale Communities
setzen und durch neue Kooperationsmodelle Langfristigkeit der Nutzung ermöglichen,
sodass in diesem Standort über eine Zwischennutzung hinaus Perspektiven für eine
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