Strategie digital MAGAZIN FÜR HOCHSCHULSTRATEGIEN IM DIGITALEN ZEITALTER - AUSGABE #03 / OKTOBER 2022
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strategie digital MAGAZIN FÜR HOCHSCHULSTRATEGIEN IM DIGITALEN ZEITALTER AUSGABE #03 / OKTOBER 2022 NEUE LEADERSHIP- ALLE ANSÄTZE MITNEHMEN Digitalität, Aber wie?!Agilität Anwendungsbeispiele und Ambidextrie als Ansatzpunkte guter Partizipation für ein zeitgemäßes Leadership DUBLIN CITY UNIVERSITY HOW TO?! Ein 5 Praxisbeispiele Festival für die Hochschulstrategie für Leadership im digitalen Zeitalter
EDITORIAL / 3 PARTIZIPATION Liebe Leserin, lieber Leser, wir als Hochschulforum Digitalisierung sind der festen strategischen Fragen zur Digitalisierung in Studium und SCHWERPUNKT Überzeugung, dass vieles besser funktioniert, wenn sich Lehre bereits angestoßen haben. Nachlesen können Sie Stakeholdergruppen zusammentun und Themen ge- diese Kurzberichte ab S. 60. Danke an alle, die Ihre Er- meinsam bearbeiten. Es kommt eine größere Vielfalt an fahrungen mit uns und unseren Leser:innen teilen! Wie be- Perspektiven zusammen, man schafft gegenseitiges Ver- reits in den ersten beiden Ausgaben unseres Magazins fin- ständnis und alle Akteur:innen, die ein nachhaltiger Ver- den Sie in der Mitte unsere Interviewformate: Professor änderungsprozess benötigt, sind unmittelbar an Bord. Win- Heribert Nacken von der RWTH Aachen berichtet von seinen Win sozusagen – für alle Parteien. Erfahrungen als Peer-Experte und Professorin Carolin Sut- ter lässt uns an ihren Erkenntnissen aus den Strategie- Wie gestaltet man solche Partizipationsprozesse an Hoch- prozessen zur Digitalisierung von Studium und Lehre an der schulen erfolgreich? Wie spricht man die verschiedenen SRH Hochschule Heidelberg teilhaben. Im hinteren Teil des Akteursgruppen am besten an und bindet sie ein? In der Magazins haben wir unter “HFD aktuell” wieder allerlei vorliegenden, dritten Ausgabe von strategie digital widmen Neues und Interessantes aus dem Hochschulforum Digita- wir uns genau diesen Fragen. Wir zeigen konkrete An- lisierung zusammengestellt, das für Sie als strategische:r wendungsbeispiele auf, wie man die unterschiedlichen Entscheider:in spannend sein könnte. Stakeholder in strategische Prozesse einbinden kann. Dafür konnten wir Autor:innen aus allen Statusgruppen Welche Erfahrung haben Sie mit Partizipationsprozessen in gewinnen: von der Hochschulleitung über Lehrende bis hin Hochschulen gesammelt? Wissen Sie von Good Practises, zu Studierenden. Auch einen Blick von Seiten der For- die in unserer Sammlung noch fehlen? Wir freuen uns auf schung auf das Thema Partizipation in Digitalisierungs- den Austausch mit Ihnen. Schreiben Sie uns unter prozessen, praktische Tipps sowie ein internationales Bei- strategie-digital@hochschulforum.org. Dies ist auch die spiel können Sie in diesem Magazin finden. Worin sich die richtige Adresse, wenn Sie sonstige Anregungen, Lob oder Autor:innen einig sind: Transparenz ist unabdingbar und es Kritik für uns haben. lohnt sich, mutig zu sein, um neue (Begegnungs-) Anlässe zu schaffen! Einen schnellen Überblick über Partizipations- Eine inspirierende Lektüre wünschen methoden finden Sie übrigens auf S. 78. Dort haben wir die im Magazin aufgeführten Ansätze für Sie zusammen- gestellt. Wir wünschen viel Erfolg beim Ausprobieren! Wir sind mächtig stolz, dass wir diese Ausgabe wieder ge- meinsam mit Ihnen, unserer Community, gestalten konn- ten: Auf unseren Aufruf hin haben wir zahlreiche Ein- sendungen von engagierten Hochschul angehörigen Josephine Sames & erhalten, die Partizipationsprozesse im Rahmen von das Strategieteam des HFD
4 / INHALT INHALT / 5 INHALT #03 3 Editorial 46 Ein Festival für die Hochschulstrategie: Partizipative Strategieentwicklung an der Dublin City University von Tina Basner & Inken Rabbel 6 Nacherzählt Zahlen, Daten und Fakten Community 54 Peer gefragt! mit Prof. Dr. Heribert Nacken Schwerpunkt 8 Partizipation als Stellschraube einer kollektiven Veränderung von Marcel Graf-Schlattmann & Gudrun Oevel 56 Drei Fragen zur Digitalisierung in Studium und Lehre an Prof. Dr. Carolin Sutter 16 Kolumne: Expert:innenmeinungen aus dem 60 Community-Beiträge: Partizipationsprozesse an Bildungssektor von Frank Ziegele Hochschulen 18 Transparenz als Gelingensbedingung guter HFD aktuell 66 Studierende als Gestaltungspartner:innen für Partizipation zukunftsfähige Hochschulen von Ute von Lojewski von Yasmin Djabarian & René Rahrt 24 Die Beteiligung von Lehrenden an Hochschul 72 Weitere News aus dem HFD strategieprozessen ist gewinnbringend – wenn der Prozess gut geplant ist 77 strategie digital: Wir sind an Ihrer Meinung interessiert! von Martina Mauch & Meike Vogel 78 Methodenverzeichnis 32 Studentische Partizipation im Wandel — Wie kann erfolgreiches Changemanagement an der Hochschule 80 Das Strategieteam aussehen? von Jürgen Schiffer 82 Impressum 40 „Alle mitnehmen“ bei der digitalen Transformation, aber wie? von Ronny Röwert
6 / NACHERZÄHLT NACHERZÄHLT / 7 NACH Digitale Auslandssemester und Digitale Future Skills werden relevanter Konferenzen Der Stifterverband und McKinsey stellen im Hochschul- ERZÄHLT bildungsreport eine neue Liste mit 21 wichtigen Future Skills Die COVID-19-Pandemie hat internationale Studienaufent- für angehende Arbeitnehmer:innen vor. 5 der 21 Skills be- halte durch Distance-Learning und Reisebeschränkungen fassen sich mit Digitalisierung und insgesamt 11 Skills sind tiefgreifend verhindert. Im Jahr 2020 wurden 41 % aller Eras- im technischen oder digitalen Bereich veranlagt. Dieser Aus- mus-Aufenthalte verkürzt, verschoben oder abgebrochen. blick unterstreicht die Relevanz digitaler Hochschulbildung in Die Zahl der internationalen Studienanfänger:innen ist im sel- der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt der Zukunft. [S. 52-54] ben Jahr um 29 % gesunken. Einen Ausgleich schafften teil- Hier finden Sie Zahlen, Daten und In einer Umfrage unter 500 Unternehmen und Behörden Digital Learning könnte der wichtigste Future Skill werden. weise digitale Auslandssemester, welche von der Hälfte der Fakten rund um die Digitalisierung wurde Digital Literacy als wichtigster digitaler Skill für den europäischen Hochschulen anerkannt wurden. Dennoch heutigen Arbeitsmarkt identifiziert: 83 % der Befragten be- in der (Hochschul-)Bildung. haben nur 1,5 % der deutschen Erasmus-Studierenden ein fanden ihn als wichtig. Es wurde auch danach gefragt, ob die Mediale Internetnutzung: Video- und solches Online-Auslandssemester durchgeführt. Skills in fünf Jahren wichtig sein werden. Dabei schätzten Nicht nur Studierende, sondern auch Forschende mussten Audio-Inhalte dominieren 97 % der Befragten Digital Learning als zukünftig wichtig ein, auf digitale Veranstaltungen ausweichen. Bei vielen von was die höchste Übereinstimmung darstellt. Allgemein wur- 87 % der 14- bis 29 -jährigen Deutschen nutzen täglich durch Ihnen stießen digitale Konferenz auf ein positives Interesse. den digitale Future Skills in der Umfrage schnittlich 4,5 Stunden das mediale Internet. Dies geht aus 70 % der Forschenden begrüßen die digitale Durchführung noch leicht unwichtiger als andere Future der ARD-ZDF-Onlinestudie 2021 hervor. Dabei beträgt die von Konferenzen auch in der Zukunft. McKinsey und der Skills eingeschätzt. In der 5-Jahres-Er- Tagesreichweite von Video-Inhalten 70 % mit durchschnitt- Stifterverband prognostizieren durch inter- wartung werden sie jedoch als ebenbürtig licher täglicher Nutzungsdauer von 142 Minuten, die von Au- nationalen Online-Austausch einen wach- zu anderen Fähigkeiten wahrgenommen. (lp) dio-Inhalten 60 % mit 105 Minuten durchschnittlicher täg- senden Fokus auf interkulturellen Aus- licher Nutzungsdauer und die von tausch in Auslandssemestern und Text-Inhalten bei 32 Minuten täglicher Forschung. (lp) Nutzungsdauer lediglich 27 % in dieser Altersgruppe. Damit setzt sich der Trend der Gedrucktes Lehrbuch weiterhin beliebt vergangen Jahre fort. (kes) 70 Das Deutsche Zentrum für Hochschulbildung und Wissen- schaftsforschung hat mit der Technischen Informations- bibliothek Hannover untersucht, welchen Stellenwert das Lehrbuch an deutschen Hochschulen einnimmt. Ergebnis: Bei Lehrenden steht das Lehrbuch auf dem 1. Platz. % Studierende bevorzugen andere, insbesondere digitale Lehr 27% materialien wie PDF-Skripte, Präsentationsfolien oder E- Learning-Angebote – vermutlich, weil dort prüfungs- relevantes Wissen gebündelt bereitgestellt wird. Auf Platz 2 folgt bei den Studierenden das Lehrbuch. Die Bedeutung des 60% Lehrbuchs nimmt mit fortschreitendem Studium allerdings ab, da es vor allem für die Vermittlung von Grundlagenwissen genutzt wird. Bei der Frage, ob „analoge“ oder „digitale“ Lehrbücher bevorzugt wer- den, zeigt sich ein geteiltes Bild: E-Book Forschende konnten während der COVID-19-Pandemie, im Gegensatz zu und Printexemplar konkurrieren hier nicht, Studierenden, durch die digitale Durchführung internationaler Konferenzen sondern ergänzen sich vielmehr. (kes) Tagesreichweite von Video-, Audio- und Textinhalten bei 14-29-jährigen. mehr vom interkulturellen Austausch profitieren.
PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG / SCHWERPUNKT / 9 FOKUS: MODELL DER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG Partizipation als Stellschraube einer Kollektiven Veränderung Die organisationalen Bedingungen von Hochschulen erzeugen spezifische Effekte auf die Digitalisierung. Partizipation kann dabei eine zentrale Stellschraube für eine nachhaltig verankerte und verstetigte hochschulweite digitale Transformation spielen. VON MARCEL GRAF-SCHLATTMANN UND GUDRUN OEVEL Hochschulen befinden sich derzeit mitten im Prozess einer die digitale Transformation organisationale Relevanz. Dies digitalen Transformation bzw. vielmehr mitten in einer bietet ein enormes Potential, eine eigene Veränderung an- Vielzahl digitaler Transformationsprozesse. Denn die Digi- zustoßen und in die eigene Hochschule zu tragen. In die- talisierung ist nicht im Sinne eines einzelnen, stringenten sem Zusammenhang erweist sich das Merkmal ver- Prozesses der Veränderung zu fassen, sondern ist – ins- schiedener lose gekoppelter Transformationsprozesse als besondere im Hochschulwesen – dadurch gekennzeichnet, elementar hinsichtlich der Bedeutung von Partizipation in dass unterschiedliche, teils wider- der hochschulweiten Digitalisierung. sprüchliche, teils parallele Pro- Um dies zu plausibilisieren, er- Vielmehr ist die hochschulweite zesse erfolgen (vgl. Graf-Schlatt- läutern wir im Folgenden zunächst digitale Transformation als mann et al., 2019). Die digitale in nötiger Kürze, weshalb gerade im eine gemeinsame Entwick- Transformation ist hierbei als ein Hochschulwesen eine Vielzahl von lung auf Basis intensiver soziotechnischer Veränderungs- Transformationsprozessen zu be- Austausch- und Abstim- prozess zu fassen, sodass das obachten ist. Anschließend wenden mungsprozesse auf unter- Einbeziehen der Beteiligten be- wir uns dem Thema der Partizipation schiedlichen Ebenen der reits zum Einmaleins des Change- selbst zu und liefern einen ersten Hochschule zu verstehen. Managements gehört. Über diesen Ein- und Überblick auf dessen Rele- grundlegenden Bedarf an Partizi- vanz anhand der empirischen Er- pation hinaus, bietet die digitale Transformation zudem gebnisse aus dem BMBF-geförderten Projekt „Qualitäts- einen Rahmen für partizipative Veränderungen. Denn der sicherung in der Digitalisierungsstrategie“ (QuaSiD). Dabei Erfolg der Veränderung ist nicht im technischen Wechsel soll auf die grundlegende Bedeutung der Partizipation für des Mediums allein – beispielsweise von Papier auf PDFs den Change-Prozess und insbesondere den digitalen – sondern in der Veränderung der sozialen Praktiken ver- Transformationsprozess sowie den Nutzen für die ver- ortet. Erst mit dem Wandel in den Arbeitsprozessen erfährt schiedenen Statusgruppen eingegangen werden.
10 / SCHWERPUNKT / PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG / SCHWERPUNKT / 11 Dies hat weitreichende Folgen hinsichtlich einer hochschul- der soeben skizzierten Herausforderungen einer hochschul- nz und Legitimität de weiten digitalen Transformation, die nicht im Sinne eines top- weiten digitalen Transformation und vereint verschiedene kzepta r Ve e A rän down ausgerichteten Prozesses zu fassen ist. Die Hochschul- Lösungsansätze aus der Praxis. ial de z ru So n leitung kann nicht ohne Weiteres ein Ziel und den g dazugehörigen Weg vorgeben und sich auf die Umsetzung Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einzelent- Erkennbarer Professionalität dieser planvollen Strategien konzentrieren. Vielmehr ist die wicklungen der Transformation unter anderen Bedingungen Nutzen und Freiräume hochschulweite digitale Transformation als eine gemeinsame und nach anderen Mustern erfolgen als die hochschulweite Entwicklung auf Basis intensiver Austausch- und Ab- Transformation und die Teilnahmemotivation des akademi- stimmungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen der Hoch- schen Personals an der hochschulweiten Entwicklung – Kollektive schule zu verstehen. An dieser Stelle zeigt sich bereits die ge- im Sinne der Verstetigung und Verankerung der verschiede- Veränderungs- hobene Bedeutung der Partizipation für den digitalen nenen Einzelentwicklungen – nicht vorausgesetzt werden bereitschaft Abstimmung Transparenz Transformationsprozess. Doch auch darüber hinaus erweist kann und gesondert hergestellt werden muss (vgl. Graf- und Vernetzung und Sichtbar- sich die Partizipation als ein zentrales Element. Schlattmann, 2021). An ebendieser Stelle setzt das ent- keit wickelte Modell der Kollektiven Veränderung an. Dieses be- Unterstützungs- steht aus drei Komponenten, die jeweils einen Teilbereich des strukturen und KOLLEKTIVE VERÄNDERUNGSBEREITSCHAFT ALS GRUND digitalen Transformationsprozesses abbilden. Das Zentrum Qualitäts- LAGE FÜR EINEN ERFOLGREICHEN TRANSFORMATIONS des Modells bildet die Kollektive Veränderungsbereitschaft, bedingungs- PROZESS ERZEUGEN nz die im Folgenden fokussiert werden soll. Gerahmt wird Ve än te management pe r de m diese von zwei weiteren Komponenten im Sinne von Um- ru ko ng gs Um dies zu verdeutlichen, lohnt sich ein Blick auf das Modell setzungsbedingungen: der Veränderungsmöglichkeit und sm un ö gl er ic h k e it Ve rä n d der Kollektiven Veränderung, das im Zuge des QuaSiD-Pro- der Veränderungskompetenz. Die Veränderungsmöglich- jekts entwickelt wurde (vgl. Graf-Schlattmann et al., 2020; keit umfasst die organisationalen und technischen 2021a; 2021b) und das ein besonderes Augenmerk auf die Rahmenbedingungen und die notwendigen personellen Momente der Partizipation legt. Das QuaSiD-Projekt unter- und finanziellen Ressourcen für die digitale Transformation, Abb. 1: Das Modell der Kollektiven Veränderung (Graf-Schlattmann et al., 2021a). suchte von 2017 bis 2020 die Erfolgsfaktoren und Gelingens- während die Veränderungskompetenz bedeutet, dass die bedingungen für eine nachhaltige Verbreitung und Ver- Beteiligten über das nötige Wissen und Können verfügen, ankerung von Digitalisierungsinitiativen und -projekten in um den digitalen Transformationsprozess erfolgreich zu HOCHSCHULEN ALS LOSE GEKOPPELTE SYSTEME ein Organisationsteil eine lokale Anpassung vornehmen einer hochschulweiten Digitalisierungsstrategie. Ein Ergebnis durchlaufen. kann, ohne damit andere Teile zu beeinflussen (vgl. Orton und ist das skizzierte Verständnis einer hochschulweiten- Ein geeigneter Erklärungsansatz des obigen Phänomens Weick, 1990). Ebenso kann an bestehenden Lösungen fest- strategischen Digitalisierung im Sinne einer Vielzahl von Die Kollektive Veränderungsbereitschaft fußt auf einer sozia- einer Vielzahl von Transformationssträngen ist die Be- gehalten werden, da die Identität, Einzigartigkeit und Eigen- Transformationssträngen mit differierenden Inhalten, Zielen, len Akzeptanz und Legitimität der Veränderung, die jedoch schreibung einer losen Kopplung innerhalb der Hochschul- ständigkeit bewahrt bleibt. Der eigene Umweltzuschnitt – Transformationsgeschwindigkeiten und eingesetzten Digital- nur schwerlich direkt hergestellt werden kann. Aus diesem organisation (vgl. Weick, 1976, Orton und Weick, 1990). Diese beispielsweise die eigene wissenschaftliche Disziplin – wird technologien innerhalb eines hochschulweiten strategischen Grunde werden unterstützende Strategien – im Modell „Hand- wird in der Hochschulforschung breit rezipiert und genutzt auf diese Weise privilegiert und andere Umweltausschnitte Rahmens (vgl. Graf-Schlattmann et al., 2019). lungsvariablen” genannt – zur Herstellung des Commitments (vgl. Huber 2012). Lose Kopplung bedeutet hier, dass einzelne können ausgeklammert werden. Steuerungstheoretisch stellt benötigt. Eine zentrale Handlungsvariable hinsichtlich der Elemente – beispielsweise Organisationseinheiten – zwar diese Flexibilität eine gewisse Herausforderung dar: Sofern Im Zuge der mehrdimensionalen empirischen Untersuchung Akzeptanz eines digitalen Veränderungsprozesses an Hoch- miteinander verbunden sind, zugleich aber jeweils über „ein einzelne Teile der Organisation, hier im Konkreten die einzel- stellte sich die Bereitschaft zur Veränderung bzw. das schulen ist das Gewähren von Frei- und Experimentier- gewisses Maß an Identität und Eigenständigkeit“ verfügen nen Fachbereiche und Fakultäten, flexibel auf die sich än- Commitment der Akteure als die zentrale Herausforderung räumen. Das akademische Personal verfügt bereits grund- und in ihrer „Verbindung als unregelmäßig, schwach in der dernden Umwelten reagieren oder auf den bestehenden Rou- für den nachhaltigen digitalen Veränderungsprozess heraus. legend über eine weitgehende Autonomie, die sich auch im gegenseitigen Beeinflussung, unwichtig und/oder langsam tinen beharren können, ist nicht nur eine zentrale Steuerung Auf Basis dieser Herausforderungen und der organisationa- Prozess und in der Wahl der Tools und Medien niederschlägt. in der Reaktion“ (Weick, 2010, S. 88) zu fassen sind. Eine erschwert, auch das Etablieren hochschulweiter geplanter len Bedingungen in Hochschulen wurde das Modell der Mithilfe einer veränderungsförderlichen Kultur und den dazu- Folge dieses Strukturmerkmals ist die Funktion der adaptabi- Reaktionen auf sich neu ergebende Ausgangslagen wird ein- Kollektiven Veränderung als ein weiteres Projektergebnis ent- gehörigen Freiräumen können einerseits Widerstände ab- lity, wonach eine gesteigerte lokale Reaktanz möglich ist und geschränkt und erfolgt mindestens zeitlich verzögert. wickelt. Dieses zielt auf eine organisationssensible Lösung gebaut werden, andererseits erhalten die Lehrenden
12 / SCHWERPUNKT / PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG / SCHWERPUNKT / 13 Gestaltungsmöglichkeiten, die die intrinsische Motivation des sichtbar gemacht. Auf diese Weise können Synergieeffekte akademischen Personals fördert und dessen Professionalitätder verschiedenen Entwicklungen gefördert und das Engage- akzeptiert und wertschätzt (vgl. Graf-Schlattmann et al., ment innerhalb der hochschulweiten Transformation kann 2020). Durch die gewährten Freiräume und die – für Change-mit einem lokalen Prestige verknüpft werden. Die Effekte las- Management-Prozesse untypische – Verortung der Prozess- sen sich durch die Handlungsvariable von Abstimmung und gestaltung auf dezentraler Ebene im Sinne des Gegenstrom- Vernetzung mit den dazugehörigen Austauschformaten – prinzips (vgl. Stock, 2004) entsteht eine Vielzahl von beispielsweise dem „Tag der Lehre” – intensivieren (vgl. Graf- Einzelentwicklungen und iterativen Schleifen in der Digitali- Schlattmann et al., 2020). Die Momente von Abstimmung und sierung mit teils unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Vernetzung sind grundlegend in der Organisationsstruktur von Hochschulen (vgl. Huber, 2012; Stichweh, 2005) und Aufgrund der bereits eingeführten losen Kopplung als umfassen den typischen Entscheidungsmodus in einer Strukturmerkmal der Hochschulorganisation erfolgen diese bottom-up ausgerichteten Gremienstruktur. Hierdurch kön- weitgehend unabhängig voneinander. Zudem müssen nen die verschiedenen Stränge und iterativen Schleifen die einzelnen Prozesse nicht zusätzlich verzahnt und die zwingend in dieselbe Rich- weitere – gemeinsame – Ent- tung erfolgen. So können Denn eine nachhaltige Verankerung wicklungsrichtung entschieden Entwicklungen beispiels- und Verstetigung der Einzel werden. Dies hat nicht nur Ef- weise in der Verwaltung, die entwicklungen ist ohne Partizipation fekte auf die verschiedenen Veränderungen in den Fach- kaum denkbar, da ohne diese eine Entwicklungsstränge, vielmehr bereichen fördern, aber auch einmal initiierte digitale wirkt sich der Einbezug der Ak- hindern und die jeweiligen Transformation zu versanden droht. teure auch auf die hochschul- Abstimmungsprozesse und weite Akzeptanz der Ver- Austauschformate sind von änderung aus. entscheidender Bedeutung für eine gemeinsame Ent- wicklungsrichtung. Dies hat auch zur Folge, dass Hoch- schulen häufig als unflexibel und veränderungsresistent PARTIZIPATION BRAUCHT STRUKTUR UND VER beschrieben werden (vgl. Stock, 2004; Huber, 2012). ANTWORTUNG Abstimmung und Vernetzung sind grundlegende Elemente in der Organisationsstruktur von Hochschulen. Der Erfolg des (digitalen) Veränderungsprozesses an Hoch- Ergänzend dazu braucht es klare Verantwortlichkeiten – als tausch- und Abstimmungsformate. Dies verdeutlicht die Re- schulleitung, sondern müssen auf allen Ebenen der Hoch- schulen wäre jedoch maßgeblich gefährdet, wenn diese Teil der Veränderungsmöglichkeit – die den synchronisieren- levanz, die das Thema der Partizipation für die Hochschul- schule greifen. Dabei ist die synchronisierende Funktion organisationalen Freiräume nicht zugelassen würden. den Gegenpol zur skizzierten Dynamik darstellen. Dabei hat leitung hat. Denn eine nachhaltige Verankerung und eines „digitalen Netzwerkers“ bzw. einer „digitalen Netz- Da die Dynamiken der Veränderungen in Folge dessen die Hochschulleitung eine besondere Rolle inne. Sie muss Verstetigung der Einzelentwicklungen ist ohne Partizipation werkerin“ als Bindeglied zwischen den verschiedenen Strän- synchronisiert und hinsichtlich eines gemeinsamen strategi- den Digitalisierungsprozess anstoßen, gestaltend fördern kaum denkbar, da ohne diese eine einmal initiierte digitale gen und iterativen Prozessen hervorzuheben (vgl. Graf- schen Rahmens geeint werden müssen, entsteht auf diese und eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung im Sinne eines Transformation zu versanden droht. Schlattmann et al., 2021b). Dadurch werden die iterativen Weise ein erhöhter Abstimmungsbedarf innerhalb der Hoch- strategischen Rahmens entwickeln. Zudem gilt es auch, Prozessschleifen in eine gemeinsame Entwicklungsrichtung schule (vgl. Graf-Schlattmann et al., 2021b). Hier kommen die Prioritäten zu setzen und diese in den Entwicklungsplänen Dieses Muster findet sich auch beim akademischen Personal. zusammengeführt. Handlungsvariablen von Transparenz und Sichtbarkeit sowie der Hochschule zu verankern, um ein gemeinsames Ver- Aufgrund der Differenz zwischen Einzelentwicklungen und Abstimmung und Vernetzung zum Tragen. Diese befördern ständnis zu entwickeln und zu dokumentieren. Die Hoch- einer hochschulweiten Entwicklung (vgl. Graf-Schlattmann, Neben der Hochschulleitung und den Lehrenden bzw. dem nicht nur die soziale Akzeptanz der Veränderung, sondern schulleitung selbst kann jedoch nur den Rahmen gestalten 2021) braucht es gesonderte Mechanismen, um eigene Initia- akademischen Personal sind noch weitere Statusgruppen re- verfügen zugleich auch über eine Synchronisationsfunktion und ein förderliches Umfeld schaffen. Entschieden, diskutiert tiven auf eine höhere intentionelle Ebene zu befördern. Die levant, die jedoch nicht im Zentrum der Untersuchung des hinsichtlich des gemeinsamen strategischen Rahmens. und umgesetzt wird zumeist in den vielfältigen Gremien auf skizzierten Funktionen der Partizipation nehmen hierbei eine QuaSiD-Projekts standen: die Studierenden und die hoch- Unter dem Dach von Transparenz und Sichtbarkeit werden die Ebene der Fakultäten und Institute ebenso wie auf Ebene der zentrale Stellung ein. Aus diesem Grunde erschöpfen sich die schulische Zentralverwaltung. Gerade mit Blick auf die Stu- Prozesse, aber auch die einzelnen Akteure für alle Beteiligten gesamten Hochschule oder auf Ebene neu geschaffener Aus- klaren Verantwortlichkeiten auch nicht auf Ebene der Hoch- dierenden wird der Bedarf und Nutzen der Partizipation
14 / SCHWERPUNKT / PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG PARTIZIPATION ALS STELLSCHRAUBE EINER KOLLEKTIVEN VERÄNDERUNG / SCHWERPUNKT / 15 jedoch besonders deutlich, da durch die Teilhabe am Pro- das Einbinden verschiedener Akteure in den Prozess der Ver- Graf-Schlattmann, M.; Thomen, B.; Wilde, M.; Oevel, G. & Organisation. In: Sieg, U. & Korsch, D. (Hg.) (2005), Die Idee zess der Zugriff auf hochschulweite Entwicklungen poten- änderung und der Einsatz von Austausch- und Abstimmungs- Meister, D. M. (2021b). Zwischen Dynamik und Synchronisa- der Universität heute (S. 123 – 134). München: K. G. Saur ziert wird. So können die Studierenden zwar ebenfalls in den formaten als eine entscheidende Stellschraube für den tion. Herausforderungen und Handlungsoptionen für die Verlag. konkreten Lehr-Lern-Settings Veränderungen mitgestalten, Transformationserfolg. Hier gilt jedoch: Auch die Partizi- strategische, hochschulweite digitale Transformation der die größere Tragkraft entsteht jedoch erst in der Ab- pation selbst stellt keinen unidirektional gesteuerten Pro- Hochschullehre. In: Hochschulforum Digitalisierung (Hg.) Stock, M. (2004). Steuerung als Fiktion. Anmerkungen zur stimmung und Vernetzung. Hinsichtlich der hoch- zess dar, sondern ist im Sinne des Gegenstromprinzips zu (2021). Digitalisierung in Studium und Lehre gemeinsam Implementierung der neuen Steuerungskonzepte an Hoch- schulischen Zentralverwaltung ist die Ausgangslage ein verstehen. Top-down müssen förderliche Bedingungen gestalten. Innovative Formate, Strategien und Netzwerke (S. schulen aus organisationssoziologischer Sicht. In: die hoch- wenig anders als auf der akademischen Seite der Doppel- bzw. eine Ermöglichungskultur sowie geeignete Aus- 183 – 200). Wiesbaden: Springer VS. schule – Journal für Wissenschaft und Bildung 1/13. (S. 30 struktur (vgl. Stichweh, 2005), da die digitale Trans- tausch- und Arbeitsformate geschaffen werden. Bottom- – 48). Halle-Wittenberg: Martin-Luther-Universität – Institut formation zusätzlich mit dem Erfüllen gesetzlicher Vor- up kommt jedoch das Leben in den Partizipationsprozess. Huber, M. (2012). Die Organisation Universität. In: Apelt M. & für Hochschulforschung (HoF). gaben verbunden ist. So erfordern die E-Government-Gesetze Das Engagement der Beteiligten kann nicht vorgeschrieben Tacke V. (Hg.) (2012), Handbuch Organisationstypen (S. 239 der Länder und das Onlinezugangsgesetz beispielsweise werden, sodass stattdessen eine intrinsische Motivation – 252). Wiesbaden: VS Verlag. Weick, K. E. (1976). Educational Organizations as Loosely Veränderungen im Verwaltungshandeln und -denken und gefördert werden muss. Dies führt zurück zum Eingangs Coupled Systems. In: Administrative Science Quarterly, 21, eine zunehmend prozessorientierte Verwaltungspraxis. benannten Aspekt der sozialen Akzeptanz und Legitimität Orton, J. D. & Weick, K. E. (1990). Loosely Coupled Systems: (S. 1 – 19). Doch auch wenn im QuaSiD-Projekt konkret der Bereich der Veränderung.// A Reconceptualization. Academy of Management Review, hochschulischer Lehre untersucht wurde, lassen sich die 15(2), (S. 203 – 223). Weick, K. E. (2010). Bildungsorganisationen als lose ge- gewonnenen Ergebnisse auch auf das administrative Han- koppelte Systeme. In: Koch, S. & Schemmann, M. (Hg.) deln der hochschulischen Zentralverwaltung übertragen. So Stichweh, R. (2005): Neue Steuerungsformen der Universität (2010). Neo-Institutionalismus in der Erziehungswissen- ist der motivationale Faktor der Kollektiven Veränderung QUELLEN und die akademische Selbstverwaltung. Die Universität als schaft (S. 85 – 109). Wiesbaden: VS Verlag. auch mit Blick auf die Zentralverwaltung zu berücksichtigen Graf-Schlattmann, M. (2021). Hochschulorganisation und – wenn auch in abgewandelter Ausprägung der einzelnen Digitalisierung. Die Auswirkungen organisationaler Funk- Handlungsvariablen. Zudem können die gesetzten Ziele des tionslogiken auf die digitale Transformation an Uni- bereichsübergreifenden Austauschs und der bereichsüber- versitäten. Wiesbaden: Springer VS. greifenden Arbeit im Sinne der gesetzlichen Anforderungen und der prozessorientierten Verwaltungsarbeit ohne partizi- Graf-Schlattmann, M.; Meister, D. M.; Oevel, G. & Wilde, M. pative Mechanismen kaum erreicht werden. (2019). Digitalisierungsstrategien auf dem Prüfstand – eine empirische Untersuchung auf Basis der Grounded-Theory- Methodologie an deutschen Hochschulen. In: Hafer, J., Mauch, FAZIT: PARTIZIPATION ALS ENTSCHEIDENDE M. & Schumann, M. (Hg.) (2019), Teilhabe in der digitalen STELLSCHRAUBE DIGITALER VERÄNDERUNGSPROZESSE Bildungswelt (S. 14 – 26). Münster, New York: Waxmann. Graf-Schlattmann, M.; Meister, D. M.; Oevel, G. & Wilde, M. Das Schaffen guter Bedingungen für eine hohe Partizipation (2020). Kollektive Veränderungsbereitschaft als zentraler im hochschulischen Transformationsprozess ist, ebenso wie Erfolgsfaktor von Digitalisierungsprozessen an Hoch- das partizipative Handeln selbst, mit gewissen Aufwänden schulen. In: Sandra Hofhues, S. et al. (Hg.) (2020), Zeitschrift und Kosten verbunden. Bei genauerer Betrachtung übersteigt für Hochschulentwicklung. Jg. 15 / Nr. 1 (März 2020) (S. 19 der Nutzen der Partizipation jedoch diese Aufwände. Auf- DR. PHIL. MARCEL GRAF-SCHLATTMANN PROF. DR. GUDRUN OEVEL – 39). grund der lose gekoppelten Struktur innerhalb der Hoch- ist Organisationssoziologe mit einem Schwerpunkt auf verantwortet seit 2012 als CIO die Entwicklung und Um- schulen, aber auch der losen Kopplung von Einzelent- Graf-Schlattmann, M.; Meister, D. M.; Oevel, G. & Wilde, M. Hochschulforschung. Seit 2017 befasst er sich in unter- setzung der Digitalisierungsstrategie der Universität wicklungen und einer hochschulweiten Transformation, ist (2021a). Gelingensbedingungen für die strategisch gerahmte schiedlichen Projekt- und Forschungszusammenhängen Paderborn. Sie forscht im Bereich der technisch-organisa- die Partizipation ein zentraler Faktor hinsichtlich einer nach- Digitalisierung der Hochschullehre. In: Bohndick et al. (Hg.) mit der digitalen Transformation an Hochschulen. Er ver- torischen Umsetzung und nachhaltigen Verankerung von haltigen Verankerung und Verstetigung von Digitalisierungs- (2021). Hochschullehre im Spannungsfeld zwischen indivi- fasste seine Dissertation über das wechselseitige Zusam- E-Science und E-Learning in Hinblick auf Personal- und prozessen. Zum einen gehört das Thema Partizipation fest dueller und institutioneller Verantwortung (S. 83–94). Wies- menwirken von Hochschulorganisation und Digitalisierung. Organisationsentwicklung an Infrastruktureinrichtungen. zum Wesen der Hochschulen und zum anderen erweist sich baden: Springer VS.
16 / SCHWERPUNKT / KOLUMNE KOLUMNE /SCHWERPUNKT / 17 Expert:innenmeinungen der deutschen Hochschulen eine Digitalisierungsstrategie, teten Lösungen mittragen und an ihrer Umsetzung engagiert aber letztlich war die produktive Nutzung der Digitalisierung mitwirken. 2. Kreativität und Lösungsfindung. Die Akteur:in- für studierendenzentrierte Lehr-Lern-Settings meist eine Sa- nen „vor Ort“ verfügen über Wissensvorsprünge, die, mit Kre- aus dem Bildungssektor che von „Einzelkämpfer:innen“. D. h. wir hatten vor der Pande- ativität gepaart, notwendige Inputs für gute Lösungen liefern. mie eher ein grass-roots-movement als Partizipationsform. 3. Legitimation. Durch Partizipation und dabei geäußerte Zu- Pionier:innen gestalteten digitale Angebote allein und es gab stimmung zu einem gemeinsamen Weg erhalten Entschei- wenig Partizipation im Sinne gemeinsamer Aushandlung und dungen ihre Legitimität. Hochschulleitungen sollten bezogen noch weniger Vorgaben von oben. Corona bedeutete in Sa- auf diese Funktionen Prozessmanagement betreiben: An In unserer Kolumne fragen wir wechselnde Persönlichkeiten chen Partizipation also einen Umschwung von einem Extrem welcher Stelle in einem geplanten Gegenstromprozess ist ins andere, von grass-root zu top-down. In die Post-Corona- welcher der Zwecke relevant und welches Partizipations aus dem Bildungssektor nach ihrer Meinung zum Themen Phase gehen – so eine Umfrage des instrument passt zum jeweiligen schwerpunkt des Magazins. Dieses Mal berichtet Hochschulforums Digitalisierung – Durch Partizipation und dabei Zweck? Motivation entsteht z. B. aus Frank Ziegele von seinen Eindrücken zu Partizipation. die Hoch schul leitungen jedoch mit geäußerte Zustimmung zu einem Qualitätszirkeln zur digitalen Lehre, der Idee eines gemischten Ansatzes: Legitimation aus einem Gremienbe- gemeinsamen Weg erhalten 80 Prozent der befragten Hochschul schluss über eine Leitlinie zum digita- Entscheidungen ihre Legitimität. leitungen sehen Vize-Präsident:in- len Prüfen und eine gute Lösung für nen weiter in federführender Rolle, asynchrone digitale Elemente kön- 50 Prozent wollen Studierende und Lehrende maßgeblich in nen aus einem Workshop resultieren, in dem Studierende und Prof. Dr. Frank Ziegele Entscheidungen einbinden und 73 Prozent halten Befra- Lehrende die Pandemie-Erfahrungen auswerten. gungsergebnisse zur digitalen Lehre für besonders relevant. ist Wirtschaftswissenschaftler, seit 2004 Professor Das klingt so, als ginge da etwas in Sachen Gegen Auch wenn ein Gegenstromprozess mit partizipativen Ele- für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an stromprozesse für innovative Lehr-Lern-Settings. menten zum Tragen kommt, kann in dessen Umsetzung im- der Hochschule Osnabrück und seit 2008 mer noch genug schief gehen. So planen Hochschulleitungen Geschäftsführer des CHE Gemeinnütziges Centrum Es zeigt sich also im Zeitablauf ein Muster, das Birnbaum vor beispielsweise häufig höchst partizipative Events und sam- für Hochschulentwicklung GmbH. An den Aktivitäten vielen Jahren in seinem Buch zu „Management Fads in Higher meln die Ideen der Hochschulangehörigen, kommunizieren des Hochschulforums Digitalisierung wirkt er vor Education“ beschrieben hat: Ein überzogenes Konzept in eine dann aber im Nachgang nicht, was aus den Ideen geworden allem als langjähriger Moderator der „Peer-to-Peer- Richtung wird durch ein überzogenes Konzept in die andere oder nicht geworden ist. Partizipation wird dann schnell als Strategieberatungen“ und als Mitglied des Richtung abgelöst, und am Ende ergibt sich eine gemischter Scheinaktivität wahrgenommen. Anderes Beispiel: Man fo- Lenkungskreises mit. Ansatz zwischen den beiden Extrema. Die Aufgabe der Ge- kussiert die Partizipation auf eine Gruppe, z. B. die Studieren- stalter:innen von Entscheidungsprozessen ist es nun, dafür den, und übersieht dabei, auch die Mitarbeiter:innen etwa im zu sorgen, dass der neue hybride Ansatz funktioniert und die Servicecenter Lehre mitzunehmen. Solche und andere ver- besten Bausteine der Extremvarianten verbindet. Genau das meintlich kleinteiligen Fragen dürfen für erfolgreiche Partizi- scheint in Bezug auf die Partizipation an der Entwicklung di- pation keinesfalls übersehen werden. Die Pandemie war in vielen Lebensbereichen eine Zeit der oben zu treffen. Aber was bedeutet das für die zukünftigen gitaler Lehr-Lern-Gestaltung nun zu passieren. Dabei wird es Top-down-Entscheidungen, denn in Krisen muss schnell und Entscheidungen über die Digitalisierung des Lehrens und – so das Positiv-Szenario – auf eine durchdacht gestaltete Es bleibt dabei, auch für die Zukunft der digitalen Lehre: konsistent reagiert werden. Wenn der Patient leblos am Bo- Lernens? Sind die Zeiten der Partizipation, die ja eigentlich Partizipation hinauslaufen. Hochschulen sind Orte der intensiven Partizipation und kön- den liegt, kann man nicht erst eine medizinische Fach Entscheidungsprozesse an Hochschulen immer gekenn- nen sich nur gut im Zusammenwirken zwischen Bottom-up- konferenz einberufen. Das galt auch für zahlreiche Entschei- zeichnet haben, endgültig vorbei und sagen die Hochschul Hochschulen brauchen dafür, auch bei der Digitalisierung der Impulsen und Top-down-Entscheidungen entwickeln. Partizi- dungen zur Digitalisierung der Hochschullehre: Die leitungen auch in Zukunft vor allem top-down, wo es lang Lehre, ein systematisches „Partizipationsmanagement“, da- pation ist mehr als eine zu erfüllende gesetzliche Anforderung Umstellung auf reine Online-Lehre musste von Hochschul geht? mit Partizipation nicht in Blockaden mündet oder unproduktiv in Bezug auf Gremien. Gelebte, professionell und bewusst ge- leitungen innerhalb kürzester Zeit verfügt werden. An meiner bleibt. Dieses sollte zunächst den Zweck der Partizipation re- managte Partizipation ist ein entscheidender Erfolgsfaktor - Hochschule in Osnabrück geschah dies von einem Tag auf Für eine Antwort auf diese Fragen ist zunächst relevant, wo flektieren. Ich sehe dabei drei wichtige Funktionen: 1. Teil- nicht nur, aber gerade auch für das Lehren und Lernen an der den anderen. Größere Investitionsentscheidungen waren von wir vor der Pandemie eigentlich standen: Zwar hatten 14 Prozent habe und Motivation. Wer mitgestaltet, wird auch die erarbei- „Blended University“.
TRANSPARENZ ALS GELINGENSBEDINGUNG GUTER PARTIZIPATION / SCHWERPUNKT / 19 Hochschulen sind – auch in ihrem Leitungsverständnis – besondere Organisationen und verlangen eine besondere Führungskultur. Partizipation gilt als Mittel der Wahl. Aber was macht gute Partizipation aus? Ute von Lojewski berichtet von ihren Erfahrungen als ehemalige Hochschulleitung der FH Münster. WENIGE EINLEITENDE WORTE ECHTE DIALOGE ZULASSEN Nach 18 Jahren Hochschulleitung, davon 13 Jahre in der Egal ob Hochschulrat, Senat, Fachbereichskonferenz oder Funktion der Präsidentin, und einigen gut überstandenen informelle Arbeitsgruppe, immer gilt: Respektvolles Zuhören, Wiederwahlen, sollte ich eigentlich wissen, wie eine erfolg offenes Diskutieren und sorgfältiges gemeinsames Abwä- reiche Partizipation gelingen kann. Aber ich habe trotzdem gen verbessern die zu treffenden Entscheidungen, machen noch Mitglieder meines ehemaligen Präsidiumsteams be- sie transparent und erhöhen deren Akzeptanz in der Hoch- fragt, was sie dazu zu sagen haben. Nachfolgend das Ergeb- schule. nis meiner Recherchen und Überlegungen in vier Handlungs- empfehlungen, die sich an Hochschulentscheider:innen Dies gilt besonders für den Umgang mit der „zweiten Füh- richten und dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit er- rungsebene“ – den Dekan:innen und Leitungen der Service- heben und deren Wahrheitsgehalt eher evidenzbasiert ist. bereiche. Hier sitzen die Expert:innen, die nah am Geschehen Hochschulrat 03.02.2020 14.12.2020 Abstimmen: Anpassung Leitbild/- Beraten und beschließen Grundzüge ASC (Dekan- und Dezernent:innen- (Dekan und Dezernent:innen- Präsidium FOKUS: EIN PLÄDOYER AN HOCHSCHULLEITUNGEN 22.01.2020 Ende 11.12.2020 Abstimmen: 20.01.2020 Abstimmen: runde+ Leitungsrunde) runde + Leitungsrunde) Abstimmen: Leitbild/- ... 12/2020 Grundzüge ASC Veröffentlicht Vorarbeiten HEP inkl. Open Space Transparenz als Fachbereiche Gelingensbedingung ... guter Partizipation Senat 27.01.2020 Abstimmen: Leitbild/Grundzüge ASC 07.12.2020 Beraten und beschließen VON UTE VON LOJEWSKI Abb. 1: Gegenstromverfahren an der FH Münster für den Hochschulentwicklungsplan V mit Academic Scorecard (ASC) (HEP 2021-2025).
20 / SCHWERPUNKT / TRANSPARENZ ALS GELINGENSBEDINGUNG GUTER PARTIZIPATION TRANSPARENZ ALS GELINGENSBEDINGUNG GUTER PARTIZIPATION / SCHWERPUNKT / 21 sind – also bitte nicht mit fertiger Meinung in die Sitzungen sor:innen über die Mitarbeiter:innen bis zu den Studierenden TEAMGEIST (VOR)LEBEN gehen! Stattdessen: Fragestellung und Ziel benennen, nicht – mit und ohne Amt. Grundlage all dieser Aktivitäten ist die aber die Lösung. Dann gut zuhören und vor allem später Ent- gegenseitige Wertschätzung; der zeitliche Aufwand wird ge- Eltern wissen, sie sind Vorbilder für ihre Kinder – wie sie leben, scheidungen treffen, die sich aus dem Gespräch ergeben ha- rechtfertigt durch die Erkenntnis, dass gemeinsame Überle- prägt das kindliche Verhalten. Vergleichbares gilt auch für ben. Nichts ist frustrierender für Diskussionspartner:innen, gungen und ihre Ergebnisse hochschulweit transparent und Hochschulleitungen: Die Hochschulmitglieder beobachten als wenn bei der letztendlichen Entscheidung ihres Gegen- besser akzeptiert werden. Ein Beispiel dafür ist die ganztä- ihre Leitung genau und sind sehr sensibel. Sie merken sofort, übers die vorherige Beratung unberücksichtigt bleibt. Ist es gige Open Space-Veranstaltung zu Beginn des oben bereits wenn keine Einigkeit im Präsidiums-/Rektoratsteam besteht doch einmal nötig, anders zu agieren als es sich in der erwähnten HEP-Prozesses (s. Abb. 1) an der FH Münster: Bei oder seine Mitglieder „heimlich Wein trinken und öffentlich betreffenden Sitzung abgezeichnet hat, sollte die Ab der Strategieentwicklung für die Jahre 2021 bis 2025 sind wir Wasser predigen“1. weichung unbedingt mit guter Begründung und persönli- als Hochschulleitung mit ersten Ideen in den Tag gegangen; cher Ansprache erläutert werden. Aber: Das alles kostet unsere Ingenieur:innen legten aber größeren Wert als bis Ein „eingeschworenes“ Leitungsteam wirkt authentisch und Zeit. Zeit, die sich viele nicht nehmen – mit fatalen Fol- dahin vorgesehen auf eine prominente Platzierung des kann vom Rest der Hochschule Vertrauen und Solidarität Gemeinsam statt von oben nach unten. gen. Frustration stellt sich ein: „... warum haben wir uns da Themas Zukunftstechnologien. Dies hat dann Eingang in erwarten. Und wieder gilt: Die Zeit ist auch hier der limitie- den Mund fusselig geredet?“, „… machen ja doch, was sie den Hochschulentwicklungsplan gefunden und so wurden rende Faktor, aber gut investiert! Strategietagungen im wollen!“ Jede:r von uns hat das sicher auch schon in anderen Entscheidungen im Team entstehen. Ein partizipatives Vor- etwaige Widerstände gegen die hochschulweiten Ziele für kleinen Team, gerade zu Anfang einer Amtsperiode, helfen, Zusammenhängen – etwa im Gespräch mit Ministerien – gehen macht den Abstimmungsprozess sehr zeitaufwändig, die nächsten fünf Jahre deutlich vermindert. Auch in der einen Grundkonsens für die gemeinsame Arbeit zu schaffen, erlebt. Gut vorgetragene Argumente verpuffen, eine Be- ist aber angesichts besserer Ergebnisse unbedingt lohnens- Literatur, z. B. zum Change Management, wird der vorgeschla- wöchentliche Sitzungen mit wechselseitigen schriftlichen teiligung wird zur Pseudo-Partizipation, Resignation folgt. wert. An der FH Münster mit ihren 15.500 Studierenden und gene Weg als wichtiger Schritt zum Verhindern von Widerstän- sowie mündlich erläuterten Berichten lassen alle Mitglieder ca. 1.250 Mitarbeiter:innen gibt es – oft belächelt – 13 Fach- den bei Änderungsprozessen genannt. des Teams gut informiert sein und gemeinsam getroffene Ein Beispiel für einen partizipativen Prozess mit hoher bereiche. Jede Fachbereichskonferenz wird dadurch zu ei- Transparenz ist die Anwendung des Gegenstromverfahrens nem Diskussionsforum mit mindestens 14 Sichtweisen! Aber – wie es z. B. die FH Münster bei der strategischen Hoch- wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich dadurch viele schulentwicklungsplanung standardmäßig einsetzt (s. verschiedene Fachkulturen gesehen fühlen und Fachspezi- Abb. 1). Hier wird der Dialog in diversen Iterationsschleifen fika möglichst weitgehend berücksichtigt werden können. bis zu einem gemeinsamen Ergebnis geführt. Bildung Forschung Ressourcen BETROFFENE ZU BETEILIGTEN MACHEN FLACHE HIERARCHIEN SCHAFFEN FH Münster Seite Forschung Seite Ressourcen Seite Neben der formalen Kommunikation über Gremien liegt ein Die Hochschule in Zahlen 3 Gliederung 19 Gliederung 28 Die Fachbereiche im Überblick 4 Kommentare 20 Kommentare 29 Je mehr Ebenen zwischen Hochschulleitung und Basis unschätzbarer Wert im Nutzen der informellen Kommunika- Drittmittel: 22 Finanzen: …. 30 liegen, desto schwerer ist es, letztere zu erreichen und tion, also im Schaffen von Gesprächsanlässen außerhalb der FH gesamt nach 22 Personal: 37 Seite Geldgebern Bildung mitzunehmen. Eine Partizipation weiterer Kreise wird formalen Wege. Denn „Partizipation bedeutet außerdem, Einnahmen nach Org.einheiten 23 Köpfe nach Kategorien 37 Gliederung 5 Ausgaben nach Org.einheiten 25 VZÄ nach Org.einh. (in VZÄ) 38 deutlich erschwert, die wechselseitige Information und die dass die Menschen ihre Erfahrungen und Wertvorstellungen Kommentare 6 Einnahmen nach 26 VZÄ Lehraufträge und 39 Produktgruppen Hilfskräfte Transparenz der Entscheidungsprozesse leiden. Dadurch in die gemeinsame Arbeit einbringen. Dadurch machen sie Bewerbungen, Zulassungen Ausgaben nach 27 und Einschreibungen: ….. 7 Produktgruppen entsteht einerseits die Gefahr, dass verschiedene Hoch- sich die Vorhaben zu eigen und übernehmen die Verantwor- schulebenen inkonsistent handeln, da sie wechselseitig zu tung für ihren Erfolg (Ownership)“ (BMZ, 2022). Auch an der Studierendenzahlen: ….. 8 Anhang Seite wenig übereinander wissen. Andererseits mangelt es FH Münster wird das Prinzip, „Betroffene zu Beteiligten“ zu Absolvent*innenzahlen: 16 Gliederung 40 „unten“ (z. B. in den Fachbereichen) an Verständnis für machen, an vielen Stellen gepflegt. Feste Arbeitsgruppen, … nach Abschluss und 16 Studiengänge 41 Org.einheit 17 Weitere Anlagen 45 das, was „oben“ (z. B. die Hochschulleitung) entscheidet – etwa zur Beratung in Fragen der Internationalisierung oder … nach Verlauf mit fatalen Folgen für eine vertrauensvolle Hochschul Digitalisierung, sind ebenso wie offene Treffen, Hochschul- Auslastung: … 18 Management-Report des Präsidiums kultur. Je mehr Ebenen existieren, umso größer ist die tage und -dialoge zum Content Management, zur Didaktik Gefahr von „Flaschenhälsen“ im Kommunikationskanal. oder zu anderen Themen bunt gemischt mit Vertreter:innen Flache Hierarchien begünstigen also Partizipation, da aus den verschiedenen Statusgruppen – von den Profes- Abb. 2: Management-Report für die obersten Führungsebenen an der FH Münster.
22 / SCHWERPUNKT / TRANSPARENZ ALS GELINGENSBEDINGUNG GUTER PARTIZIPATION TRANSPARENZ ALS GELINGENSBEDINGUNG GUTER PARTIZIPATION / SCHWERPUNKT / 23 Entscheidungen fördern die Harmonie. Dies gilt auch und Gilt das zuvor Geschriebene auch in einer zunehmend digi VERWEISE gerade für eine möglichst enge und vertrauensvolle Kom- talen Welt? 1 In Anlehnung an Heinrich Heine, Deutschland. Ein munikation mit dem/der Kanzler:in, der/die dann wiederum Die schnelllebige digitale Welt verlangt mehr denn je nach Wintermärchen, in: Projekt Gutenberg-DE. CAPUT I die Präsidiumsüberlegungen in die Dezernent:innenrunde Partizipation und die oben genannten Punkte funktionieren (https://www.projekt-gutenberg.org/heine/wintmrch/ trägt. auch dort als Gelingensbedingung: Dialogisches Beteiligen wintmr01.html) gelingt auch bei Videokonferenzen durch Break-Out- Zum Teamgeist gehört auch, sich nicht abzuschotten, Sessions und Umfragetools, dem Teamgeist tut eine ge- sondern möglichst viele Hochschulmitglieder an den Überle- meinsame Gruppe bei einem Messengerdienst gut, kollabo- QUELLE gungen des Kernteams zu beteiligen – wieder eine Frage der rative Plattformen fördern hierarchieübergreifendes Ar- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Transparenz. Informationen zu teilen heißt nicht nur persön- beiten etc. Gute Partizipation vereint in ihren Methoden das und Entwicklung (BMZ) (Hg.) (2022): Partizipation. Lexi- lich zu kommunizieren (s. o.), sondern auch schriftlich. Dabei Beste aus der analogen und digitalen Welt. kon der Entwicklungspolitik. https://www.bmz.de/de/ser- sollte keine Informationsflut, aber auch kein Eindruck von vice/lexikon/#lexicon=14752 „Geheimniskrämerei“ entstehen. Beispiele für empfänger Kann man Partizipation lernen? gerechte Informationen an der FH Münster sind etwa der Der Führungsstil wird sicherlich stark durch die Persönlich- PROF. DR. UTE VON LOJEWSKI monatliche Newsletter an die komplette Hochschulöffent- keit beeinflusst und den Charakter eines Menschen zu war von 2008 bis 2021 Präsidentin der FH lichkeit, Weitergabe der wöchentlichen Präsidiumsprotokolle ändern, ist schwer bis unmöglich. Im partizipativen Tun geht Münster, zuvor Prorektorin von 2003 bis 2008. Als und des halbjährigen Management-Reports an die zweite es aber eher um so etwas wie eine Grundhaltung (die man studierte Betriebswirtin hat sie sich stark für den Einsatz Leitungsebene in Wissenschaft und Verwaltung oder der sich sehr wohl aneignen oder zu eigen machen kann) und von Managementinstrumenten im Hochschulbereich schriftliche ausführliche Bericht an den Senat mit der Mög- etwas „Handwerkszeug“, das jede:r im Hochschulalltag ein- eingesetzt. 2013 wurde sie von CHE und DIE ZEIT als lichkeit zur Nachfrage (s. Abb. 2). setzen kann. Hochschulmanagerin des Jahres ausgezeichnet. Gibt es Gefahren der Partizipation? Offen in der Meinungsbildung zu sein und trotzdem nicht als zögerlich oder entscheidungsschwach wahrgenommen zu Partizipation als Mittel der Zielerreichung – mit flachen Hierachien, Team- werden, ist ein schmaler Grat. Ein solches Agieren erfordert geist und Beteiligung können gesteckte Ziele gemeinsam erreicht werden. ein gewisses Selbstbewusstsein der Hochschulleitung: Wie viel einfacher ist es, sich vorab eine Meinung zu bilden und diese dann nur noch zu verkünden – aber wie viel schlechter ist dieser Weg in Bezug auf den langfristigen Erfolg der Ent- scheidung! Was ist das Fazit? Betroffene zu Beteiligten machen. Eine gute Partizipation ist nur etwas für „fleißige“ Hochschul- leitungen, denn sie verlangt Transparenz, diese wiederum erfordert zeitaufwändige umfassende Information und Kom- EINIGE ABSCHLIESSENDE WORTE munikation. Dazu darf ich abschließend einen sehr verehrten Nach diesen vier Handlungsempfehlungen zu guter Partizi- Kanzlerkollegen zitieren, der bei seiner Verabschiedung pation drängen sich vier Fragen auf; hier der Versuch kurzer meinte: “80 % der Zeit habe ich Gespräche mit Leuten ge- Antworten: führt, der Rest war einfach!”
DIE BETEILIGUNG VON LEHRENDEN AN HOCHSCHULSTRATEGIEPROZESSEN / SCHWERPUNKT / 25 FOKUS: PARTIZIPATION VON LEHRENDEN An Hochschulen existieren unterschiedlichste Heran Eine Reihe von Lehrenden sehen ihre eigene Rolle darin, die gehensweisen an Strategieprozesse – insbesondere für die Lehrentwicklung an der Hochschule oder hochschulüber- Die Beteiligung von Lehrenden an Entwicklung einer Hochschulstrategie für Bildung im digita greifend voranzutreiben und haben ein intrinsisches Interesse len Zeitalter. Nachfolgend reflektieren die Autorinnen ihre an überindividuellen Strukturen oder am konkreten Thema. An- Erfahrungen im Rahmen von partizipativen Strategie dere versprechen sich positive Effekte für die eigene Lehre und Hochschulstrategieprozessen ist prozessen mit Fokus auf die Statusgruppe der Lehrenden. möchten ihre Bedarfe einbringen. Sicherlich gibt es auch Leh- rende, die sich engagieren, um die Entwicklungen an ihrer Ins- gewinnbringend WARUM SOLLTEN LEHRENDE IN PARTIZIPATIONSPROZESSE titution mitzusteuern oder antizipierte negative Auswirkungen abwenden zu können. – wenn der Prozess gut geplant wird EINBEZOGEN WERDEN? Lehre ist das Kerngeschäft der Hochschulen. Wir sehen es Entscheidend für eine erfolgreiche VON MARTINA MAUCH UND MEIKE VOGEL deshalb als unerlässlich an, Lehrende als Hauptakteure in der Strategie für die Bildung im digitalen Zeit Hochschullehre in den Strategieentwicklungsprozess mitein- alter an Hochschulen ist deshalb häufig zubeziehen. Zum einen bringen sie aus der Praxiserfahrung nicht das Strategiepapier selbst, sondern heraus Ideen und Innovationspotentiale ein. Es ist wichtig, der Prozess der Strategieentwicklung diese Expertise zu nutzen, wenn die Strategieziele nicht an dorthin. den Bedarfen der Lehrenden und Studierenden vorbei gehen sollen. Zum anderen sind es die Lehrenden, die die Strategien mit umsetzen werden. Die Akzeptanz der strategischen Ent- Eine weitere Motivation kann das Interesse am Austausch und wicklung ist entscheidend. Deshalb ist es aus unserer Sicht an den Perspektiven der Kolleg:innen aus anderen Disziplinen relevant, das Commitment der Lehrenden durch die Ein- sein. Dies ist nur bedingt der erste Antrieb zur Teilnahme; im bindung in strategische Prozesse zu erhöhen. Idealfall findet allerdings der Austausch unter Lehrenden statt, der sie untereinander vernetzt, zu Reflexion angeregt und Syn- Der Strategieprozess sollte genutzt werden, um Themen zur ergieeffekte mit sich bringt. Denn relativ häufig melden Leh- Diskussion zu bringen und in die Hochschule zu tragen, die rende nach Partizipationsprozessen zurück, dass es zu frucht- sich auf die Praxis des Lehrens und Lernens auswirken. Ent- baren Impulsen für die eigene Lehre und das eigene Fach scheidend für eine erfolgreiche Strategie für die Bildung im gekommen ist. Jedoch sind viele Lehrende auch skeptisch, ob digitalen Zeitalter an Hochschulen ist deshalb häufig nicht Steuerung über partizipative Prozesse oder Strategiepapiere das Strategiepapier selbst, sondern der Prozess der Strategie- überhaupt sinnvoll ist (Kühl, 2019). Um diesen Bedenken früh- entwicklung dorthin. Lehre kann so als Gemeinschaftsauf- zeitig zu begegnen, sollte in jedem Fall der erkennbare Nutzen gabe in der Hochschule gerahmt und weiterentwickelt werden. für Lehrende herausgearbeitet werden, um die Beteiligung zu erhöhen (Graf-Schlattmann et al., 2021). WARUM SOLLTEN SICH LEHRENDE AN STRATEGIE PROZESSEN BETEILIGEN? PARTIZIPATIONSMÖGLICHKEITEN FÜR LEHRENDE AN HOCHSCHULEN „Lehrende:r“ ist zumeist nur eine von mehreren Rollen, die Wissenschaftler:innen an Hochschulen innehaben. Durch Aus unserer Erfahrung stellen sich in der Planung von Lehr-, Forschungs- und Selbstverwaltungsaufgaben sind die Strategieprozessen im Bereich Studium und Lehre an Hoch- ohnehin knappen Zeitressourcen begrenzt. Warum also soll- schulen immer wieder ähnliche Fragen bezüglich der Ein- ten Lehrende sich an der Weiterentwicklung von Lehre in beziehung von Lehrenden. Im Folgenden stellen wir einige die- Form von Strategieprozessen oder Initiativen zur allgemeinen ser Fragen und Spannungslinien dar und geben einen Einblick Lehrentwicklung beteiligen? in Praxisbeispiele.
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