Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
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weiter 2.er 2013 gete Au fla Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ Neues Kapitel: Interkultureller Dialog und Konfliktmanagement 2. erweiterte Auflage 8/2013 Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds kofinanziert.
I N H A LT 1. Projektvorstellung 4 Integration ist kein Selbstläufer! 4 Projekthintergrund 4 2. Einleitung 5 Ansatzpunkte und Ziele der Handreichung 5 Zum Aufbau 6 3. Warum sollen sich die Feuerwehren mit den Themen Integration, Migration und Vielfalt beschäftigen? 7 Problemaufriss und Hintergrund 7 Die Feuerwehr im Spiegel der Gesellschaft 8 4. Einstieg ins Thema 10 Offenheit für die Themen schaffen – Beispiele aus der Praxis 10 Wie mache ich den ersten Schritt? 11 Vorgehen klären 12 Ziele formulieren und Format wählen 12 Seminarplanung 13 5. Begriffsdefinitionen 19 6. Methodenteil 26 6.1 Die Geschichte meines Namens 26 6.2 Erwartungsabfrage (Metaplan-Methode) 27 6.3 Flüsterrunde 28 6.4 Dabei sein ist alles! 29 6.5 Arbeitsgruppen zum Thema Vielfalt oder Integration in der Feuerwehr 31 6.6 Arbeit mit Kurzdefinitionen 32 6.7 Drei Mitreisende bitte! 34 6.8 Assoziationen zu Fotos 37 6.9 Kugellager oder Speed-Dating 38 6.10 Brainstorming 39 6.11 Arbeit in Arbeitsgruppen zum Thema Handlungsoptionen 40 7. Vertiefung: Interkultureller Dialog und Konfliktmanagement 41 7.1 Warum interkultureller Dialog? 41 Was haben die Feuerwehren vom interkulturellen Dialog? 41 Was ist interkulturelle Kommunikation im Alltag in den Feuerwehren? 42 … konkret? 42 Die Kulturalisierungsfalle 43 2
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ I N H A LT 7.2 Exemplarischer Modulaufbau 44 Wie das Material nutzen? 44 Tabelle zu den Elementen des Moduls im Überblick 44 7.3 Begriffsdefinitionen 46 Kulturbegriffe 46 Interkultureller Dialog 48 Kommunikation 49 Konflikte und Konfliktmanagement 50 7.4 Methoden 52 7.4.1 Arbeit mit Kurzdefinitionen 52 7.4.2 Meine Kulturen und ich – Fragebogen zu eigenen kulturellen Prägungen 55 7.4.3 Worte und was wir daraus machen! 57 7.4.4 Wenn alles anders wäre, dann ... 58 7.4.5 Etwas ist passiert – aber was genau? 60 7.4.6 Arbeit in Arbeitsgruppen zum interkulturellen Dialog 62 8. Hintergrundinformationen: Links, Literaturhinweise 63 Allgemeine Links und Literatur 63 Interkulturelle Kompetenzen 63 Integration 64 Migration 64 Migrationshintergrund 64 Kulturelle Vielfalt 64 3
1 PROJEKTVORSTELLUNG Integration ist kein Selbstläufer! Projekthintergrund Damit sie dauerhaft gelingt, müssen wir sie aktiv Kontakte fördern, interkulturelle Kompetenz stär- fördern und unterstützen. Integration braucht die ken – dies sind Kernpunkte des Integrationspro- Bereitschaft, den anderen in seiner Verschieden- jekts des Deutschen Feuerwehrverbandes. Ziel heit anzunehmen und Unterschiede als Bereiche- des Projekts sind engere Kontakte mit migranti- rung und nicht als Mangel zu begreifen. Das ist schen Organisationen und eine verstärkte Mitar- anstrengend für alle Beteiligten. Nicht nur für die- beit von Migrantinnen und Migranten in den jenigen, die dazu kommen, sondern auch dieje- Feuerwehren in Städten und Gemeinden. nigen, die „schon da sind“: Integration erfordert von ihnen die Anstrengung, alle teilnehmen las- In dem zunächst auf ein Jahr angelegten Projekt sen zu wollen. Oder: wirklich allen die Teilnahme sollen das Problembewusstsein bei den Feuer- zu ermöglichen. Außerdem benötigt Integration wehren verdeutlicht, die interkulturelle Kompe- Ausdauer, um gemeinsam Regeln des Miteinan- tenz erhöht und das Vertrauen von Migrantinnen ders zu entwickeln und auch auf ihre Einhaltung und Migranten erworben werden. Das Projekt zu achten. Dies ist wichtig für das gegenseitige wird aus Mitteln des Europäischen Integrations- Verstehen der jeweiligen Standpunkte und Ar- fonds kofinanziert; für die Verwaltung des Fonds beitsweisen, für die Prävention und auch langfris- ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tig für eine ehrenamtliche Tätigkeit. zuständig. Mit den Projekten „Deine Feuerwehr – Unsere Grundsätzlich haben die Feuerwehren den An- Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ und spruch, die Bevölkerung widerzuspiegeln, der sie „Miteinander reden!“, will der Deutsche Feuer- Hilfe leisten. Bisher repräsentieren sie jedoch wehrverband aufzeigen, wie jede einzelne nicht den Querschnitt der Bevölkerung; sie zeigen Feuerwehr Vorteile aus einer guten Integra- sich im Gegenteil eher monokulturell: Der klassi- tionsarbeit ziehen kann. Hierzu werden verschie- sche Feuerwehrangehörige ist männlich und dene bundesweite Aktionen zu Mosaiksteinen, ohne Migrationshintergrund. Besonders stark die (erst) gemeinsam das bunte Bild des Mitei- ausgeprägt zeigt sich die Monokultur im Bereich nanders ergeben: gleichberechtigt, weltoffen der (mangelnden) Vielfalt der ethnischen Hinter- und engagiert. gründe, die Feuerwehrangehörige mitbringen. Bislang liegen auf Bundesebene keinerlei statistisch belastbare Zahlen zum Anteil von Migrantinnen und Migranten in den Feuer- wehren vor. Die Studie „Freiwilliges Enga- gement in Deutschland 1999 – 2004“ beziffert den Anteil der in den Feuerweh- ren und Rettungsdiensten engagierten Mi- grantinnen und Migranten auf ein Prozent, wobei jedoch nicht zwischen Feuerwehren und Rettungsdiensten unterschieden wird. Hinsichtlich ihres Engagements in den Feu- erwehren sind demnach Migrantinnen und Migranten noch sehr stark unterre- präsentiert. Für eine Mehrheit der Migran- tinnen und Migranten ist die Feuerwehr also eine unbekannte Organisation, mit der sie zudem (höchstens) in Schadensfäl- len und persönlichen Notsituation kon- frontiert sind. 4
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ 2 EINLEITUNG Ansatzpunkte und Ziele der Handreichung rellen Öffnung entwickeln, in der Jugendarbeit Diese Handreichung möchte dazu ermutigen, ansetzen und vieles mehr. sich mit den aktuellen Fragen und Anforderun- gen zu den Themen Integration, Vielfalt/Diversity Mit dieser Handreichung soll ein möglicher An- und Migration in den Feuerwehren zu beschäfti- satz aufgezeigt werden, wie Integration und Viel- gen und Diskussionen anzustoßen. falt in der Feuerwehr als Themen angesprochen und bearbeitet werden können. Es gibt keine Pa- Es reicht nicht, Integration und Vielfalt anzuord- tentlösungen im Umgang mit diesen komplexen nen, sondern sie sind nur erlebbar und gestaltbar, Themen. Was es gibt, sind Türöffner und Hand- wenn die Menschen an der Basis sich für die da- werkszeuge, um in Gespräche und Diskussionen raus erwachsenen Anforderungen, Veränderun- zu kommen. An vielen Stellen geht es darum, Weitere Informationen über gen und Fragen öffnen und sich darauf einlassen. mit dem bereits existierenden Wissen, den Erfah- das Projekt Es erfordert Interesse, Neugierde und Geduld, rungen, Ängsten und Befürchtungen der betei- „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben. Der ligten Personen umzugehen, neue Sichtweisen Für ein offenes Miteinander“ Wunsch, mehr Migrant/innen und andere Grup- und neue oder andere Denk- und Handlungs- sind auf der Website pen, die bisher in den Feuerwehren unterreprä- wege aufzuzeigen. Hinzu kommt die gemein- www.feuerwehrverband.de sentiert sind, zu integrieren, braucht vielfältige same Arbeit an den Ideen und dem Selbst- /miteinander nachzulesen. Strategien, Umdenkprozesse und einen nachhal- verständnis der Feuerwehr als kommunaler Auf- tigen Wandel in Kommunikationsprozessen, im gabenträger, als Verein und als Verband. Und das Umgang mit Unterschieden und in der Art, wie Nachdenken darüber, wo die Feuerwehren in der die Feuerwehren nach außen treten. Aber es Gesellschaft stehen, und wo sie stehen sollten, knüpft auch an (viel) gelebte Realität im Umgang sowie über die Frage, was das konkret für die all- mit Vielfalt an, mit unterschiedlichen Fähigkeiten tägliche Arbeit heißt. und Qualifikationen. Im Einsatz ist nicht mehr wichtig, wo der eine herkommt oder wie die an- Auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren dere lebt. Es kommt darauf an, als Team zu funk- und neue Weichen zu stellen, bedeutet, aktiv die tionieren. Im Einsatz – aber auch in den anderen Zukunft zu gestalten. Dafür bietet die Handrei- Bereichen des Feuerwehrlebens – werden die ver- chung verschiedene Möglichkeiten zur Auseinan- schiedenen Lebensrealitäten zusammengetragen. dersetzung mit den Themen: einen Einstieg dazu, An diesen positiven Erfahrungen will die Hand- warum diese Themen überhaupt wichtig für die reichung ansetzen und für neue Wege werben. Feuerwehren sind; Angebote, wie rwichtig, tzistnichtmeh man die Auseinandersetzung mit „ImE insa erkommtod er wodereineh Keine noch so eloquente Werbung kann allein zentralen Begriffen einführen erelebt.“ wiedieand neue Mitglieder in die Feuerwehren locken und kann, thematische Anleitungen zum Bleiben animieren, schon gar nicht solche für die praktische Arbeit sowie Hin- Personen, die aus noch gar nicht oder sehr wenig weise zum Auffinden von Hintergrundmaterial. vertretenen Gruppen kommen. Dazu bedarf es einer (neuen) „Willkommenskultur“ – also einer Für wen ist die Handreichung gedacht? anderen Atmosphäre, Verständigung und Offen- Die Handreichung richtet sich an Aktive in den heit –, die sich im Alltag zeigt und Personen ein- Feuerwehren, die sich mit den Themen Integra- lädt, sich mit all ihrer Vielfältigkeit in die Feuer- tion, Migration und Vielfalt beschäftigen möch- wehren einzubringen. Wie immer schon muss die ten. Dabei ist der Blick insbesondere darauf Feuerwehr sich mit den Veränderungen in der gerichtet, diese Menschen darin zu unterstützen, Gesellschaft bewegen und sich dabei auch mit die Themen aktiv in ihren Wehren anzusprechen den Spannungsverhältnissen zwischen Traditio- und Diskussionen anzustoßen. Diese Handrei- nen und Neuerungen beschäftigen. Die Schritte chung bietet keinen umfassenden Überblick zum bis dahin müssen auf unterschiedlichen Ebenen Selbststudium und ersetzt auch kein Konzept ansetzen: sich fürs Thema interessieren, Reflexi- bzw. Leitfaden zum Thema „interkulturelle Öff- onsprozesse anstoßen, Leitfäden zur interkultu- nung der Feuerwehren“. Dieser wurde im Projekt 5
ebenfalls entwickelt und kann unterstützend hin- Jede exemplarische Seminareinheit wird vorge- zugenommen werden. Vielmehr möchte die stellt und ist mit einer Anleitung für Diskussionen, Handreichung durch Methoden, Fragestellungen Material für Inputs und Anleitungen für Metho- und Diskussionsansätze alltagstaugliche und an- den/Übungen versehen. wendungsorientierte Anregungen geben. Daraus In die Handreichung fließen die Erfahrungen im können dann eigene Handlungswege entwickelt Umgang mit dem Thema aus verschiedenen bun- werden. desweiten Pilot- und Multiplikator/innenschulun- gen in Feuerwehren und Jugendfeuerwehren ein. Zum Aufbau Das Konzept der Handreichung ist aus unter- Die Handreichung gruppiert sich in ihrem Aufbau schiedlichen Arbeitsbereichen zum Thema Inte- um ein exemplarisches Seminar von circa vier gration und Vielfalt zusammengestellt und stützt Stunden. Anhand dieses Seminarplans werden sich unter anderem auf Übungen aus dem Ord- Vorschläge dazu gemacht, wie die unterschiedli- ner „Demokratie steckt an“ des Projekts „Ju- chen Themenbereiche angesprochen werden gendfeuerwehren strukturfit für Demokratie“ der können. Neben den inhaltlichen Vorschlägen ent- Deutschen Jugendfeuerwehr. hält sie aber auch methodische Anregungen. Die Methoden werden separat vorgestellt und sind als Baukastenprinzip zu verstehen. Je nach Gruppe, Art der Veranstaltung oder Thema kön- nen verschiedene Übungen/Methoden miteinan- der kombiniert werden. ZUSAMMENFASSUNG 1. Was will die Handreichung? Ansatzpunkte liefern, zur Diskussion ermutigen, Handlungswege aufzeigen 2. Warum das Thema in den Feuerwehren? Feuerwehren sollte aus der Mitte der Gesellschaft gespeist werden, deshalb muss sie Menschen unterschiedlicher Qualifikationen, Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen begeistern und ansprechen 3. Wie kann ich das Thema ansprechen? Es zum Thema eines Abends machen, eine Fortbildung anbieten, ein Fest oder ähnliches etwas an- ders gestalten 4. Was sind das eigentlich für Begriffe? Integration, Migration, Diskriminierung, Interkultureller Dialog, Vielfalt – es stecken viele Sicht- weisen und politische Haltungen in diesen Wörtern, deshalb ist es sinnvoll, sich in ihrem Dschungel zurechtzufinden 5. Umgang mit Ängsten, Befürchtungen und Erwartungen Veränderungen machen vielen Menschen Angst, andere machen sie neugierig; Unterschiede sind hilfreich und bereichernd, aber sie können auch Konflikte produzieren – es geht darum, sie pro- duktiv zu nutzen 6. Vorschläge für Veranstaltungen Exemplarische Inhalte und Aufbau von Veranstaltungen, wie sie vom Deutschen Feuerwehrverband angeboten werden 7. Methoden Ausgewählte und erprobte Methoden, um mit den Themen in den Feuerwehren zu arbeiten 6
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ 3 WARUM SOLLEN SICH DIE FEUERWEHREN MIT DEN THEMEN INTEGRATION, MIGRATION UND VIELFALT BESCHÄFTIGEN? Problemaufriss und Hintergrund Immer mehr Frauen suchen ihren Platz in den Die Feuerwehren und die Jugendfeuerwehren Feuerwehren. Sie werden Truppführer, Wehrlei- sind ihrem Selbstverständnis nach in der Mitte terinnen und erklimmen nach und nach die der Gesellschaft beheimatet. Sie sollten am bes- verschiedenen Hierarchieebenen in den Feuer- ten einen Querschnitt der Bevölkerung repräsen- wehren. Das geht nicht ohne Konflikte, aber es tieren. Das wirft natürlich Fragen auf, zum setzt auch viele positive Energien frei und gibt Beispiel neue Impulse. Der Weg bis zu einer Gleichbe- • Wie sieht ein Querschnitt der Bevölkerung in rechtigung und gleichen Mitgliederanzahl ist diesem Land aus? (noch) weit. Den Anfang machten Pionierinnen • Können die Feuerwehren diese Anforderung in den einzelnen Wehren, es folgten große Wer- erfüllen? bekampagnen und Schulungen. So wächst der • Warum gibt es überhaupt diese Idee, in der Anteil der Frauen, auch wenn aktuell erst rund Mitte der Gesellschaft verankert zu sein? acht Prozent der Feuerwehrangehörigen weiblich Nicht alle diese Fragen lassen sich einfach beant- sind. worten, aber es lohnt sich, sie zu stellen. Mit Blick auf einige Teilbereiche möchte dieser Text Denk- Auch die Lebensmodelle sind vielfältiger gewor- anstöße geben und ein wenig Hintergrundwissen den: Neben der heterosexuellen Ehe existiert die vermitteln, damit aus den Fragen spannende Dis- „Homo-Ehe“, die eingetragene Lebenspartner- kussionen entstehen können. schaft für Lesben und Schwule. Menschen leben als Singles, in Patchwork-Familien, in Lebenspart- Die Gesellschaft in Deutschland wird immer viel- nerschaften ohne Trauschein usw. Das soziale fältiger, heterogener und „bunter“. Das zeigt sich Gefüge in den Feuerwehren wird vielfältiger; das in unterschiedlichen Bereichen des Alltags. Die nimmt Einfluss darauf, wer wie viel Zeit zur Ver- Konventionen und das, was als „normal“ gilt, fügung hat, es betrifft aber auch den geselligen haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Teil der Feuerwehrtätigkeit. Das hat auch Auswirkungen auf die Stellung der Feuerwehren in der Gesellschaft, zum Beispiel: Einwanderungsgesellschaft Wird sie als modern oder als rückständig emp- Deutschland ist und war immer schon von Ein- funden? Wer findet es attraktiv, seine Freizeit in und Auswanderungsbewegungen geprägt. Ins- den Feuerwehren zu verbringen? Wie viel Ver- besondere in die Industrieregionen und in die trauen wird den Feuerwehren entgegen ge- Großstädte kamen Menschen aus Frankreich, bracht? Polen, Russland, Schlesien, Italien, der Türkei Das heißt auch, dass die Feuerwehren sich mit usw. Die industrielle Revolution brachte Arbeits- den gesellschaftlichen Veränderungen, mit de- kräfte aus verschiedenen Ländern. Das „Wirt- mografischem Wandel, mit Veränderungen der schaftswunder“ im Westen und auch die DDR Lebensrealitäten und Lebensweisen der Bevölke- brauchten ebenfalls Arbeitskräfte aus aller Welt, rung beschäftigen müssen – und sich selbst dabei um mit der wirtschaftlichen Entwicklung mithal- natürlich mit verändern. ten zu können. Einwanderung und Auswander- ung gehören zu den Charakteristika mensch- Die Stellung von Frauen und Männern in der Ge- licher Entwicklung und sind seit jeher Bestandteil sellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehn- menschlicher Geschichte und Gegenwart. ten gewandelt. Somit auch das Rollenverständnis So sind aus vielen ländlichen Regionen Deutsch- – zum Beispiel wird heute von Männern erwar- lands Menschen nach Nordamerika, Rumänien, tet, dass sie ihren Teil an Erziehungsarbeit und die Türkei oder Australien usw. ausgewandert. Hausarbeit leisten. Frauen werden Bundeskanz- Nicht nur die sogenannten Spätaussiedler/innen, lerin, Managerinnen großer Konzerne oder über- die seit den 1960er Jahren aus Osteuropa nach nehmen hohe Funktionen in helfenden Organi- Deutschland zurück gewandert sind, erinnern sationen. uns an diese deutschen Migrationsprozesse, son- Lange war die Feuerwehr ein Ort fast ausschließ- dern auch Menschen wie der Regisseur Wolf- lich für Männer. Das hat sich, genau wie die ge- gang Emmerich oder die Sportlerin Steffi Graf, sellschaftliche Stellung der Frau, verändert. die in die USA gegangen sind. 7
Warum migrieren Menschen? Warum sollten die Feuerwehren den Menschen verlassen ein Land, um in einem an- Querschnitt der Bevölkerung abbilden? deren ihr Glück zu finden, einen neuen Job, ein Die Feuerwehren repräsentieren traditionell die neues Zuhause oder, weil sie in ihrem Land von Bevölkerung, der sie Hilfe leisten. Diese Tradition Hunger, Gewalt oder Verfolgung bedroht sind. hat sich bewährt und seit der Gründung der Feu- Menschen wandern, weil das Klima sich verän- erwehren dazu beigetragen, dass die Menschen dert, weil es den Wunsch nach einem besseren in Deutschland Vertrauen in die Feuerwehren Leben gibt oder weil die Liebe sie woanders hin- haben. Der Vorteil dieser Idee ist offensichtlich: führt. Deutsche unterscheiden sich in ihren Be- Wenn die Menschen wissen, dass der Feuerwehr- weggründen dabei nicht von Menschen anderer mann oder die Feuerwehrfrau aus der Nachbar- Nationen. schaft kommt, erleben die Menschen ihn oder sie als eine der ihren. Trotz dieser historischen und demografischen Wo das nicht so selbstverständlich ist, gibt es Realitäten hat es in Deutschland lange gedauert, immer wieder Probleme im Einsatz, weil die Ver- bis sich ein Selbstverständnis als Einwanderungs- ständigung dort nicht so reibungslos funktioniert. gesellschaft durchgesetzt hat. Insbesondere in Das hat einerseits mit Kommunikationsproble- Zeiten der Globalisierung men zu tun, andererseits mit und der internationalen „EtwajedefünftePersoninde kulturellen Unterschieden. Kooperationen war diese r Der zentrale Vorteil dieser Bundesrepublikhat Entwicklung mit allen ausländischeWurzeln. Idee betrifft aber das Ver- daraus erwachsenen “ trauen der Bevölkerung in die Vorteilen und Anforde- Tätigkeit der Feuerwehr. Dies rungen aber ein logischer und überfälliger Schritt. lässt sich sehr gut im Vergleich mit anderen Län- dern nachvollziehen, in denen es dieses Ver- Die Feuerwehr im Spiegel der Gesellschaft trauen eben nicht gibt. Es gibt andernorts Wie sieht aktuell das Verhältnis zwischen der Be- schlechte Erfahrungen mit den Feuerwehren, völkerung und ihrer Repräsentanz in den Feuer- weil diese in vielen Ländern der Welt Teil militäri- wehren aus? Etwa jede fünfte Person in der scher oder staatlicher Repressionsorgane sind. Sie Bundesrepublik Deutschland hat „ausländische gelten als korrupt oder unzuverlässig, oder auch Wurzeln“. Also haben etwa 20 Prozent der in als schlecht ausgebildet. Deshalb haben sie keine Deutschland lebenden Menschen selbst Migrati- Akzeptanz in der Bevölkerung, sondern werden onserfahrungen oder ihre Eltern sind nach stattdessen auch durchaus als Bedrohung erlebt. Deutschland eingewandert. Das sind aktuell 15,7 Daraus erwachsen auch in der Bundesrepublik Millionen Personen (vgl. „Die Zeit“ vom 26. Sep- Deutschland Probleme, weil ein familiäres, posi- tember 2011). Der Anteil von Menschen mit Mi- tives Verständnis und Vertrauen in die Arbeit der grationshintergrund in den Feuerwehren liegt Feuerwehren nicht als selbstverständlich voraus- jedoch geschätzt, wie in anderen helfenden Ver- gesetzt werden kann. Die Feuerwehr muss des- bänden, unter einem Prozent. halb aktiv etwas tun, um dieses Vertrauen Damit spiegelt sich der Anteil von Menschen mit aufzubauen – in ihrem eigenen Interesse, zum Migrationshintergrund an der Bevölkerung in den Schutz im Einsatz und um sich wieder stärker in Feuerwehren genauso wenig wider wie der An- der Mitte der Gesellschaft zu beheimaten. teil von Frauen oder von anderen Minderheiten. Dieses Problem teilt die Feuerwehr mit anderen In anderer Hinsicht kommen die gesellschaftli- wichtigen Institutionen, Verbänden und Organi- chen Verhältnisse zum Thema Migration in den sationen. Aktuell wird deutlich, dass die Mehr- Feuerwehren trotzdem zum Ausdruck: In größe- heitsgesellschaft erst sehr spät erkannt hat, dass ren Städten und Ballungszentren sind auch in den Integration auch heißt, die eigenen Strukturen zu Feuerwehren Menschen mit unterschiedlicher verändern, zu öffnen und attraktiver zu gestal- Herkunft, Interessen und Lebensentwürfen stär- ten. Auf Grundlage dieser Einsicht werden nun- ker vertreten als in ländlichen Gegenden, wo die mehr die Bemühungen von Seiten der Mehrheit Bevölkerung oft – vermeintlich – homogener und und der Minderheiten, sich einander anzunähern, Vielfalt weniger offensichtlich ist. gezielt gefördert. 8
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ Eine Chance zur Veränderung -frauen jedoch nicht nur positive Erwartungen, Mit Blick auf Menschen mit Migrationshinter- sondern sind auch mit Ängsten besetzt. Jede Ver- grund, also Personen, deren familiäre Wurzeln änderung bedeutet auch einen Abschied von außerhalb Deutschlands liegen, ist der geschätzte etwas Vertrautem und Bekannten. Sie bedeutet, Anteil in den Feuerwehren unter ein Prozent. Das sich neu zu verorten und das eigene Handeln, die macht bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Pro- eigene Kultur kritisch unter die Lupe zu nehmen. zent eine große Lücke, die verkleinert werden Das setzt den Willen und die Selbstsicherheit vo- sollte: Damit das traditionelle Verständnis der raus, dass Gutes und Gelungenes erhalten blei- Feuerwehren als Teil der Bevölkerung wieder ge- ben kann und die Einführung von Neuem eine wonnen wird, damit die Vielfalt in der Gesell- Verbesserung bedeutet. Tradition heißt nicht Still- schaft auch die Feuerwehren bereichert und – stand, sondern bedeutet, Entwicklungen zu ver- ganz pragmatisch – damit auf Dauer der Erhalt folgen und das Selbstverständnis immer wieder der Feuerwehren gesichert werden kann. Erleben zu erweitern. Das gilt für technische Entwicklun- wir nicht gerade die Erwägungen, Wehren zu- gen in der Gefahrenabwehr genauso wie für die sammenzulegen, weil nicht genug Geld und Entwicklungen der eigenen kameradschaftlichen nicht genug Mitglieder da sind? Hier braucht es Strukturen. neue Impulse und Ideen, um die Struktur der Feu- erwehren auch langfristig aufrechterhalten zu Die eigenen Strukturen für andere zu öffnen, können. heißt, Umgangsformen zu überprüfen sowie For- men und Wege der Kommunikation zu verän- Die Integration von Menschen (beiderlei Ge- dern – im übertragenen wie im praktischen schlechts) mit so genanntem Migrationshinter- Sinne: zum Beispiel von der Sirene über den Piep- grund und auch die fortgesetzte Werbung von ser zum Handy als Kommunikationsmittel. Frauen bieten ein riesiges Potenzial für neue Mit- henattraktiver NeueImpulsemac glieder in der Feuerwehr und sollten verstärkt Veränderung und Integration „ werden. Die Aufgabe, Integration und Vielfalt in brauchen die Bereitschaft zur undeffektiver– die Feuerwehren zu tragen, fordert dabei alle Neugierde, zum Gespräch Tradition.“ Ebenen, die kleine Ortsfeuerwehr ebenso wie und zur Infragestellung von undstärkendie eine große Berufsfeuerwehr, die Landesfeuer- Vertrautem – von Seiten der wehrverbände und auch den Deutschen Feuer- bereits in den Feuerwehren Engagierten und von wehrverband. Überall gilt es, an den konkreten Seiten derer, die als neue Mitglieder gewonnen Aufgaben und Tätigkeiten ansetzend neue werden sollen. Dabei darf weder Erfahrung und Räume für Unterschiedlichkeit, Differenz und Wissen, das über Jahre erworben wurde, verloren Vielfalt zu öffnen. gehen, noch sollten neue Impulse und andere Sichtweisen als Bedrohung erlebt werden. Neue Veränderungen in den eigenen Strukturen be- Impulse machen attraktiver und effektiver – und deuten für manche Feuerwehrmänner und sie stärken die Tradition! Einfach mal darüber reden: Manchmal ist es ganz anders, als es zuerst aussieht. 9
4 EINSTIEG INS THEMA Offenheit für die Themen schaffen – Im Mittelpunkt steht hier die Auseinandersetzung Beispiele aus der Praxis mit dem Wissen über die und dem Bild von der Es gibt viele Gründe und Motive, warum die The- Feuerwehr in der Gesellschaft. Was glauben die men Umgang mit Vielfalt oder Integration von Leute, wie Feuerwehren funktionieren? Was Menschen in den Feuerwehren bearbeitet wer- kommt in der italienischen Gemeinschaft von der den. Manchmal sind es konkrete Anlässe, die das Feuerwehr an? Thema auf den Tisch bringen, manchmal ist es Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander- eher Zufall, manchmal kann es auch als Anord- setzung können sein: Wie werden die Feuerweh- nung von „oben“ kommen. Immer geht es ren wahrgenommen? Was für Bilder transpor- darum, Menschen für die Auseinandersetzung zu tieren sich über die Feuerwehr in die Mehrheits- gewinnen, ihr Interesse zu wecken und sie neu- gesellschaft, aber auch in die verschiedenen Min- gierig zu machen auf die Chancen, die eine Ver- derheiten? Was bedeutet das für die Frage von änderung beinhaltet. Jedes neue Thema ist solch Vielfalt und Mitgliederwerbung der Feuerweh- ein Sprungbrett zur Weiterentwicklung, eine ren? Was wären praktische Schritte zu einer Ver- Möglichkeit, die Feuerwehren attraktiver zu ma- änderung der Präsenz in der Öffentlichkeit? chen, etwas zu ihrem Erhalt zu tun. Doch was heißt das eigentlich ganz konkret? Was Beispiel 2: „Neulich hat eine Kameradin ihre Le- sind solche Anlässe dafür, sich mit dem Thema benspartnerin zum Familienfest unserer Wehr mit- Integration, Vielfalt oder Migration zu beschäfti- gebracht. Da kam der Wehrleiter auf mich zu und gen? Zunächst können es – sehr unterschiedliche fragte was ich davon halte: Frau und dann auch – konkrete Vorkommnisse im Alltag sein; dane- noch andersrum – die soll das zu Hause machen, ben aber auch vieles andere. Die Palette reicht aber nicht hier bei uns. Erst mal war ich schockiert hier vom eigenen Interesse am Thema oder und konnte gar nichts sagen. Dabei fand ich es schwierigen Einsatzerfahrungen über geplante gut, dass Erika ihre Lebenspartnerin mitgebracht Projekte bis zu anstehenden Jahrestagen in der hat. Was ist auch dabei?“ Feuerwehr oder der Gemeinde. Thomas, 52 Jahre, Brandenburg Anhand von Beispielen aus dem Alltag von vier Feuerwehren werden im Folgenden Möglichkei- In diesem Beispiel geht es um Diskriminierungen ten dargelegt. Dabei werden nicht nur reale und um Vorurteile, aber auch darum, was man (wenn auch anonymisierte) Beispiele vorgestellt, gegen die eigene Ohnmacht tun kann. Konkret sondern auch die thematischen Möglichkeiten geht es um das Thema Akzeptanz von Lesben und Fragen, die sich daraus ergeben, exempla- und Frauen in der Feuerwehr. risch benannt. Die Beispiele und Fragen können Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander- auch helfen, eigene Diskussionen zu strukturie- setzung können sein: Warum gilt Homosexualität ren: als Kopiervorlage eingesetzt, können sie Ar- nicht als „normal“? Was ist so besonders an He- beitsgruppen als thematischer Einstieg dienen. terosexualität? Wie entstehen Vorurteile? Was Vielleicht fallen Ihnen bei der Lektüre aber auch kann ich konkret in so einer Situation tun, wie eigene Beispiele aus Ihrer Praxis in der Feuerwehr kann ich reagieren? Noch konkreter: Was für ein ein? Sie sind – ggf. anonymisiert, um niemanden Bild hat der Wehrleiter von Frauen und insbeson- bloßzustellen! – sehr gutes Arbeitsmaterial, das dere von Lesben? Was kann ich tun, wenn ich die in gleicher Weise eingesetzt werden könnte. Haltung meines Wehrleiters nicht teile? Beispiel 1: „Ich frage mich oft, warum so wenige Beispiel 3: „Ein Kollege erzählte mir von einem Kollegen von meiner Arbeitsstelle in der Freiwilli- guten Freund, der Lust hätte, bei uns mitzuma- gen Feuerwehr aktiv sind. Neulich beim Betriebs- chen, sich aber nicht traut, einfach mal vorbei zu ausflug habe ich mich mit Antonio darüber kommen. Da habe ich beide zum Übungsabend unterhalten. Der sagte nur ,Wieso Freiwillige Feu- eingeladen und meine Kamerad/innen darüber in- erwehr – das machen die doch als Job so wie bei formiert. Als Uwe dann mit Erçan in den Raum uns im Betrieb‘. Das hat mich verblüfft, der weiß kam, hörte ich ein unangenehmes Gemurmel. Ich doch schon lange, was ich in meiner Freizeit so habe beide begrüßt und unserem Wehrleiter vor- tue.“ Martin Z., 28 Jahre, NRW gestellt. Der freute sich sichtlich über deren Inte- 10
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ resse daran, bei uns Mitglied zu werden. Wir lern- einerseits und ihrer Offenheit andererseits. ten einander kennen und vereinbarten die übliche Manchmal ist uns das Gegebene so selbstver- Probezeit. Im Anschluss würden wir dann weiter ständlich, dass es uns erst auffällt, wenn sich sehen. Beim nächsten Einsatz wurden Witze über etwas daran verändert oder verändern soll. Die ,die Türken‘ gemacht und mir wurde mulmig bei Aufnahme eines Muslims wirft Fragen nach der der Vorstellung, dass Erçan das auch bald zu hören religiösen Verortung der Feuerwehren und ihren kriegen würde. Da habe ich entschieden, dass ich religiösen Traditionen auf. mens- etwas gegen die Vorurteile bei uns tun will.“ Ansatzpunkte für eine vertie- „WiekanneineWillwkoermden, Sören, 23 Jahre, Hamburg fende Auseinandersetzung kön- kulturentwickelt chiedener nen sein: Macht es wirklich dieMenschenvers Herkunftanspricht “ Das Beispiel zeigt eine Form des alltäglichen Ras- einen großen Unterschied, wel- ? sismus, die erst dann auffällt, wenn sich etwas an cher Religion eine Person ange- der Gruppenzusammensetzung verändert. Die hört? Wie christlich ist und sollte Fragen, die hier aufgeworfen werden, sind unter die Feuerwehr sein? Verträgt sich das mit dem anderem: Wer ist in der Feuerwehr willkommen? Neutralitätsgebot? Stehen die Traditionen der Woran macht sich eine Atmosphäre der Offen- Feuer- wehren unverrückbar fest oder sind Ver- heit fest? Was wäre ein guter Umgang mit Un- änderungen möglich und wünschenswert? Was terschieden? würde es auf lange Sicht bedeuten, wenn die Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander- Feuerwehren tatsächlich so blieben, „wie sie setzung können sein: Wie kann eine Willkom- immer schon waren“? Was sind Kernbestandteile menskultur entwickelt werden, die Menschen des Selbstverständnisses? Welchen Stellenwert verschiedener Herkunft anspricht? Integration ist haben Feste, Essen und Korpsgeist im Gemein- keine Einbahnstraße, sondern fordert immer eine schaftsgefühl und im Selbstverständnis? Wie Bewegung der Mehrheit und der Minderheit. können pragmatische Lösungen aussehen? Wie werden neue Leute in die Wehr aufgenom- men? Gibt es Rituale? Wie funktionieren Ein- Wie mache ich den ersten Schritt? schluss und Ausgrenzung? Wie schaffe ich ein Welchen Anstoß es auch immer gibt, sich mit den Bewusstsein bei den Kamerad/innen dafür, dass Themen zu beschäftigen, braucht es als Nächstes neue Leute sich nur dann für uns begeistern wer- konkrete Überlegungen zu Inhalten, Formen und den, wenn wir offen sind für Neues und Ande- Strukturen. Gerade Themen wie diese sind für res? viele Menschen auch innerhalb der Feuerwehren emotional, politisch oder ideologisch aufgeladen. Beispiel 4: „Wir waren seit über 100 Jahren pro- Die Auseinandersetzung damit wird also kaum testantenfrei und stolz darauf. Dann kam ein jun- „neutral“ sein, weil in der Regel alle Beteiligten ger Bosnier und wollte bei uns eintreten. Ein emotional beteiligt sind. Aus diesem Grund wird Muslim, einer, der kein Schweinefleisch isst und sie auch selten gänzlich unaufgeregt vonstatten regelmäßig betet. So lange haben wir es ohne Pro- testanten geschafft, und jetzt würden wir von den gehen, denn viele müssen sich mit ihren Ängsten, Muslimen übernommen? Ich wusste nicht, wie das einem diffusen oder speziellen Unwohlsein be- gehen sollte, was würde aus unserem Feuerwehr- schäftigen, Vorurteile werden sichtbar, reale Er- fest mit dem Spanferkelgrillen und aus dem Mar- fahrungen müssen von Verallgemeinerungen tinsumzug werden? Unsere Freiwillige Feuerwehr getrennt werden. Für einige bedeutet es, mit ei- ist Teil der katholischen Gemeinschaft im Ort. genen Erfahrungen von Diskriminierungen durch Nach einigem Hin und Her habe ich die Kollegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus usw. kon- von der Berufsfeuerwehr in der Kreisstadt einge- frontiert zu werden; für andere, sich der Erkennt- laden, die hatten da mehr Erfahrung als ich. Heute nis zu stellen, dass sie selbst schon diskriminiert muss ich lachen über die Probleme, die ich damals und ausgegrenzt haben, nicht ohne Vorurteile sah.“ Georg, 62 Jahre, Baden-Württemberg sind. Es ist deshalb sogar wünschenswert, dass die Gefühle der Beteiligten nicht gänzlich außen Im Mittelpunkt dieses Beispiels steht das Selbst- vor bleiben, denn das würde bedeuten, dass die verständnis der Freiwilligen Feuerwehren als Be- Auseinandersetzung nur oberflächlich geführt standteil gewachsener Kulturen und Religionen wird. 11
Gerade in der Feuerwehr stellt das manchmal das Gemeinde, dem schwul-lesbischen Jugendzen- Gemeinschaftsgefühl in Frage, da unterschied- trum oder der Sonderschule um die Ecke pla- lichen Sichtweisen im geteilten Alltag oft wenig nen. Dazu sollte in der Vorbereitung innerhalb Platz eingeräumt wird. Die Arbeit als Team, die der Wehr geklärt werden, was alles an Kompe- Identifikation über die Tätigkeit und das Helfen tenzen und Wissen für eine gelungene Zusam- werden zur gemeinsamen Basis. Manchmal wer- menarbeit auf Seiten der Feuerwehr gebraucht den dabei Unterschiede, die es neben diesem wird. Möglicherweise entsteht in der Vorberei- Konsens gibt, als Bedrohung der Gemeinschaft tung „ganz von selbst“ der Wunsch, die eige- erlebt. Eine offene Diskussions- und auch Streit- nen interkulturellen Kompetenzen zu erwei- kultur gibt es bislang nicht in vielen Wehren; das tern. macht es manchmal komplizierter, heikle Themen • Ein Fortbildungsseminar von vier bis sechs Stun- anzusprechen. den zum Thema ansetzen und bewerben. Vorgehen klären Diese Beispiele sind, anders als die zuvor genann- Unaufgeregtheit und Ruhe in solche Debatten zu ten, positiv besetzt, denn sie eröffnen neue Per- bringen, ist deshalb eine der großen Anforderun- spektiven zusätzlich zum Feuerwehralltag. gen an diejenigen, die solche Prozesse anstoßen. Gleichzeitig könnten sie auch den Unmut der Ka- Hilfreich dafür sind eine gute Vorbereitung und merad/innen wecken, da der Eindruck entstehen die Reflexion der eigenen Haltungen, Ziele und kann, als sollten feuerwehrfremde Themen auf- Meinungen. Oftmals ist es hilfreich, diese eige- gegriffen werden. Je konkreter sich die Situation nen Voraussetzungen am Beginn des Prozesses und die Interessen der Beteiligten einschätzen offenzulegen und auszusprechen. Dafür sollte ein lassen, desto leichter wird es, das richtige Format Rahmen geschaffen werden, der es auch allen zu wählen oder auch verschiedene Formate zu anderen Beteiligten ermöglicht, ihre Erwartun- kombinieren. gen, Erfahrungen und auch Ängste anzuspre- chen. Wichtig erscheint aus pädagogischer Sicht, dass mit jedem Schritt im Prozess auch die Mög- lichkeit geschaffen wird, sachliche Informationen zu erhalten. Das kann in unterschiedlicher Form erfolgen: indem Sie einen Erfahrungsaustausch anleiten, indem Sie Inhalte und Methoden ein- bringen, die helfen, das eigene Wissen zu erwei- tern, indem Sie Hilfestellungen dazu geben, wie Handlungsoptionen entwickeln werden können, und anderes mehr. Ziele formulieren und Format wählen Die Zielstellungen am Beginn des Prozesses mög- lichst klar zu formulieren, erleichtert die konkrete Planung und öffnet Spielräume für die praktische Umsetzung. Auch hier ist die Spanne der Möglichkeiten sehr breit: • Im Rahmen eines Übungsabends mal auf das Thema Vielfalt und Unterschiede in der Wehr eingehen. • Eine Veranstaltung zum Thema „Vielfalt bei uns“ organisieren und eine/n Referent/in einladen. • Das nächsten Feuerwehrfest gemeinsam mit anderen Vereinen, zum Beispiel der türkischen 12
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ Seminarplanung auch andere Schulungen beworben werden; zum An dieser Stelle ist das Fortbildungsseminar das anderen durch gezieltes Ansprechen von Leuten, Format der Wahl. Im Weiteren wird es nun darum die schon mal Interesse signalisiert haben oder als gehen, wie dieses Seminar geplant und auch offen gelten. Darüber hinaus kann es sinnvoll durchgeführt werden kann. Für die Planung sind sein, gezielt auf Mundpropaganda zu setzen. Das folgende Leitfragen hilfreich: heißt, hier kann von einem Aushang, einem Brief, • Warum plane ich ein Seminar zum Thema In- der Website bis zur Flüsterpost alles für die Öf- terkulturelle Öffnung? fentlichkeitsarbeit genutzt werden. Auf der • Was möchte ich erreichen? Was sind meine nächsten Seite ist ein exemplarisches Einladungs- Zielsetzungen? schreiben abgedruckt. Es sollte den Teilnehmer/ • Für wen mache ich das? Also wer ist die Ziel- innen einen ersten inhaltlichen Eindruck von den gruppe? Inhalten und Arbeitsweisen zu vermitteln. • Welche Informationen, Interessen und Motiva- tionen kann ich bereits in der Vorbereitung von Mit der Anmeldung oder der Bestätigung kann den Teilnehmer/innen erhalten? ein kurzer Fragebogen verschickt werden, der ein • Was habe ich an Vorwissen? Was muss ich in- paar Basisinformationen abfragt, zum Beispiel: haltlich noch in Erfahrung bringen? • Geschlecht • Wie soll der Ablauf des Seminars sein? Welche • Alter Themen lassen sich mit welchen Methoden be- • Mit oder ohne Migrationshintergrund arbeiten? Wie viel eigenständiges Arbeiten • Funktion(en) in der Feuerwehr traue ich der Gruppe zu? • Interesse oder Motivation, sich mit dem Thema • Welche Bereiche kann ich selber abdecken? zu beschäftigen Für was und von wem sollte ich mir Unterstüt- zung holen? • Bis wann sollte was vorbereitet sein? Zeitpla- nung und Logistik von der inhaltlichen Vorbe- reitung lösen. Nicht immer sind alle diese Fragen zu beantwor- ten und oft überschneiden sich die Antworten auch, aber sie sind als Planungsgerüst sehr hilf- reich. Nach der Reflexion der Planung können konkrete Schritte eingeleitet werden. Geplant und durchgeführt wird ein vier- bis sechsstündi- ges Seminar, wie es im Rahmen des Projekts an verschiedenen Orten mit Erfolg durchgeführt wurde. Dabei müssen die Inhalte und Methoden jeweils an die Bedingungen vor Ort angepasst werden. Die konkrete Vorbereitung des Seminars Ausgangspunkt für dieses Seminar ist eine An- zahl von Teilnehmer/innen von zehn bis 15 Leu- ten aus einer Wehr oder verschiedenen Wehren Die inhaltliche Planung wird einfacher, je konkre- der Stadt oder im Kreis. Gut ist, wenn möglichst ter die Interessen und Motive der Gruppe be- Leute aus den verschiedenen Bereichen vertreten kannt sind. Gleichzeitig ist es für die Auswahl der sind, also von der Jugendfeuerwehr über die Ein- Themenschwerpunkte und des methodischen satzabteilung bis zur Alters- und Ehrenabteilung. Vorgehens interessant, ob bereits eine offensicht- Um das Interesse am Seminar zu wecken, sollten liche Heterogenität in der Gruppe vorhanden ist wenn möglich verschiedene Wege beschritten oder ob Unterschiede eher erst „entdeckt“ wer- werden: zum einen der offizielle Weg, über den den müssen. 13
Exemplarische Einladung zu einem Seminar zum Thema Vielfalt und Integration in der Feuerwehr Schulungen für Feuerwehrleute und Multiplikator/innen im Rahmen des Projekts „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ des Deutschen Feuerwehrverbandes Datum, Ort Seminarinhalte: Wenn wir von Integration in der Feuerwehr sprechen, dann geht es zum einen darum, neue Menschen für diese Arbeit zu begeistern. Es geht aber auch darum, eine Art „Willkommens- kultur“ zu entwickeln, also zu überlegen, was sich in den Feuerwehren ändern muss, damit wir für Menschen mit Migrationserfahrungen, Frauen, Akademiker/innen usw. interessanter werden. Deshalb bearbeitet das Seminar aktuelle Fragestellungen von Vielfalt/Diversity und interkultu- reller Öffnung und stellt dabei den konkreten Bezug zu ihren Bedeutungen für die Feuerwehren her. Dabei werde ich Ihnen zum einen das Spektrum des Themenfeldes vorstellen, zum anderen stehen Ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Interessen zum Thema im Mittelpunkt. Welche kon- kreten Handlungsmöglichkeiten gibt es, um mehr Vielfalt im Alltag in der Feuerwehr zu leben? Es wird um Chancen und Potenziale, aber auch um Schwierigkeiten und Befürchtungen gehen. Vielfalt und Integration sind Begriffe, die in aller Munde sind; doch oft wird damit Unterschied- liches gemeint. Deshalb werde ich verschiedene Begriffsdeutungen und ihre Wirkungen vorstel- len und mit Ihnen diskutieren. Darin können uns zum Beispiel folgende Fragen leiten: 1. Was bedeutet Vielfalt für mich? 2. Wie viel Vielfalt gibt es bereits in meiner Wehr? 3. Wo sind noch Potenziale? 4. Wo sehe ich Schwierigkeiten? Zeitplan: 8:00 Uhr Begrüßung und Kennenlernen, Erwartungsabfrage 8:45 Uhr Vorstellung des Seminarplans 9:00 Uhr Einstieg in das Themenfeld Vielfalt/Diversity Begriffsklärungen und Erfahrungsaustausch 11:30 Uhr Mittagspause 12:00 Uhr Thema Integration: „Wie werden wir bunter und mehr?“ 12:45 Uhr Entwicklung von Handlungsansätze oder „Wie spreche ich es an?!“ 13:45 Uhr Auswertung und Abschluss 14:00 Uhr Ende des Seminars Je nach Öffentlichkeitsarbeit kann auch mit Fotos oder der Website des DFV-Projekts geworben werden. Sollten bereits thematisch einschlägige Projekte in den Feuerwehren vor Ort stattge- funden haben oder in Planung sein, kann dies auch mit der Werbung gekoppelt werden. So zum Beispiel die Werbekampagne der Kreisfeuerwehren in Heidenheim, um Menschen mit Migrationshintergrund für die Feuerwehr zu gewinnen. 14
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ Exemplarischer Seminarplan Sitzordnung: Kreis oder im Halbkreis Material: Flipchart und Papier oder großes Papier und Kreppklebeband, dicke Stifte in !! d Pausen e DIN A4 Papier und Stifte, Methodenanleitung inkl. Material, Kopien lanen Sie ausreichen P Zeit Inhalt Methode (Erklärungen ab S. 26) 15 min. Begrüßung Visualisierung auf großem Papier Vorstellung des Themas Tagesplan 15 min. Vorstellungsrunde Kurzes Vorstellen: Name, Funktion in der Feuerwehr, evtl. Beruf 30 min. Erweitertes Kennenlernen – Geschichte meines Namens Aufdecken von Vielfalt 10 min. Erwartungsabfrage Sammeln der Erwartungen auf Zuruf auf einer Flipchart oder Metaplan-Abfrage 45 min. Klärung der Begriffe: Brainstorming: Vielfalt, Migration, Integration, Variante a) in Arbeitsgruppen (AGs) zu einem Thema, Migrationshintergrund Aufgabenstellung: Sammeln Sie alles, was Ihnen zu dem Begriff einfällt. Versuchen Sie in der Diskussion eine erste Begriffsklärung (ohne Hilfsmittel!) Präsentation der Ergebnisse Variante b) Sammlung in der Großgruppe auf Flipchart- bei Variante a) papier – gemeinsames Sortieren Alternativ kann hier auch mit Diskussion in AGs zu verschiedenen Kurzdefinitionen Definitionen gearbeitet werden aus Kapitel 6 – das hemmt jedoch den Erfahrungsaustausch 30 min. Erfahrungen mit Integration von Aufgabenstellungen in AGs bearbeiten und diskutieren unterschiedlichen Menschen in die Ein positives Beispiel pro AG auswählen Feuerwehren sammeln – Diskussion in kleinen Gruppen anstoßen Vorstellung der Diskussionsergebnisse 20 min. Austausch über Fremd- und Selbst- Kugellager – Speed Dating: wahrnehmungen der Feuerwehr Fragen: Wie ist das gesellschaftliche Bild der Feuer- wehr? Welche Bilder/Symbole bringt die Allgemeinheit mit der Feuerwehr in Verbindung (positiv und negativ)? Was macht das Selbstverständnis der Feuerwehr im Inneren aus? Welche Bilder oder Symbole drücken das positiv aus? 10 min. Visualisieren der Ergebnisse Fremd- und Selbstbilder auf Flipcharts getrennt fest- halten 10 min. Willkommenskultur: Ansatzpunkte Sammlung auf Metaplan-Karten und anpinnen nach innen und außen – gemeinsames Auswertungsgespräch 15
Exemplarischer Seminarplan (Fortsetzung) Zeit Inhalt Methode (Erklärungen ab S. 26) 45 min. Auseinandersetzung mit Ritua- Dabei sein ist alles! – Eine konkrete Situation len, Prozessen und Gruppen- vorgeben, zum Beispiel: Es werden Wertungsrich- dynamik in der Feuerwehr ter/innen für den nächsten Wettbewerb gesucht; eine neue Frau mit Feuerwehrerfahrung kommt in eine Ortswehr 15 min. Auswertung und Übertragung Auswertung der Beobachter/innen auf Ein- und Ausgrenzung in Übertragung auf den Alltag der Feuerwehr 60 min. Alternativ: Thema Vorurteile Drei Mitreisende bitte! bearbeiten, über Stereotype, Diskriminierungen und Vorur- teile ins Gespräch kommen 15 min. Auswertung und Übertragung Visualisierung der Ideen, Einfälle und Beispiele auf den Feuerwehralltag und auf Flipchartpapier die Hindernisse von positiver Vielfalt 45 min. Konkrete Handlungsansätze in Brainstorming zur Frage: Wie lässt sich ein Zuge- AGs entwickeln winn an Vielfalt und Offenheit in der einzelnen Wehr erreichen? Planung eines konkreten Projekt, so praktisch wie möglich: Thema, Format, Zeitraum, Kooperations- partner/innen, Finanzen, Voraussetzungen 15 min. Vorstellung der Projekte Präsentation der Ergebnisse – visualisiert 20 min. Roten Faden des Seminars Moderation zeigt den roten Faden anhand der herausstellen bearbeiteten Fragestellungen und Methoden auf. Zusammenfassen Den Zusammenhang von der Reflexion eigener Feedback der Teilnehmer/innen Interessen, Erfahrungen bis hin zum konkreten Handlungsauftrag thematisieren. Verdeutlichen, dass nur, wenn die einzelne Person sich um Of- fenheit, interkulturelle Kompetenz und Respekt bemüht, Integration gelingen kann. Integration muss von der Feuerwehr als Willkom- menskultur nach außen getragen werden, damit bis jetzt nicht vertretene Gruppen überhaupt Interesse an Beteiligung entwickeln können. der Ideen lisierung Die Visua nnen hilft ehmern/i von Teiln aden des a be i de n roten F d llen. herzuste Seminars 16
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ Seminarbeginn und Kennenlernen Am Beginn des Seminars steht eine Entscheidung über die Sitzordnung. Für viele der hier vorgestell- ten Themen und Methoden ist es sinnvoll, einen Kreis oder Halbkreis aus Stühlen ohne Tische zu bilden. Das Seminar lebt vom methodischen Wechsel und der Mobilität der Teilnehmer/innen. Die Teilnehmer/innen sollen immer wieder in un- terschiedlichen Kleingruppen arbeiten, das ist lo- gistisch in einem Kreis aus Stühlen einfacher und schneller zu organisieren. In jedem Fall müssen alle Teilnehmer/innen einander sehen können, so dass eine zweite Reihe unbedingt vermieden wer- den sollte. Die Gruppendynamik und die Offenheit zum Ge- spräch sind sehr wichtig! Einen Beitrag dazu leis- tet eine offen gestaltete Sitzordnung. Des Weiteren trägt die Moderation wesentlich zur At- mosphäre bei: freundliche, klare und auch hu- morvolle Arbeitsaufträge unterstützen eine gute befördert, in der auch persönliche Äußerungen, Grundstimmung. Dieser guten Grundstimmung Unsicherheiten und Zweifel ausgesprochen wer- sehr zuträglich ist auch, immer wieder darauf hin- den können. Neben der klassischen Vorstellungs- zuweisen, dass möglichst alle Teilnehmer/innen runde sollte noch eine intensivere Methode gleichberechtigt zu Wort kommen sollen und benutzt werden, die sowohl Spaß macht als auch dass es Aufgabe alle Teilnehmer/innen ist, darauf ins Thema einleitet. „Die Geschichte meines Na- zu achten. Je nach Gruppe ist es hilfreich, zusätz- mens“ ist so eine Methode (Kapitel 6.1). lich ein Plakat mit Kommunikationsregeln aufzu- hängen; darauf kann bei Bedarf immer wieder Erwartungsabfrage verwiesen werden. Gute Inhalte des Plakats: Zu diesem Einstiegsteil des Seminars gehört auch Gleichberechtigte Kommunikation, keine Mono- eine Verständigung über die Erwartungen, Inte- loge, Aussprechen lassen, Wertschätzen … Es ist ressen und Bedürfnisse der Teilnehmer/innen. Mit die Aufgabe aller Beteiligten, für eine gute Ge- Hilfe einer Erwartungsabfrage in Form eines Me- sprächsatmosphäre zu sorgen. taplans (Kapitel 6.2) oder auch einer Sammlung von Erwartungen auf Zuruf in der Gesamtgruppe Nach der Begrüßung folgt eine kurze Einführung erhalten alle Beteiligten die Chance, ihre eigenen dazu, warum das Thema ausgewählt wurde: Vorstellungen zu äußern und gleichzeitig mehr • Anlass über die anderen Leute in der Runde zu erfahren. • Ziele Für die Moderation ist hier eine Möglichkeit, be- • Motivationen reits zu Beginn des Seminars zu verdeutlichen, • Organisatorischer Rahmen was im Rahmen des Tages angesprochen und be- arbeitet werden kann und was den Rahmen Ein Seminarplan auf Flipchartpapier sollte gut sprengt. Es ist auch eine Möglichkeit, die eigenen sichtbar aufgehängt und vorgestellt werden. Erst Schwerpunkte oder Methodenauswahl gegebe- danach folgt der inhaltliche Einstieg ins Seminar. nenfalls noch mal zu verändern und der Gruppe Um gemeinsam an einem Thema zu arbeiten, besser anzupassen. müssen die Teilnehmer/innen einander (näher) kennenlernen. Selbst wenn die Gruppe in ande- Thematische Vertiefung und ren Zusammenhängen miteinander vertraut ist, Erfahrungsaustausch ist es wichtig, am Anfang des Tages einen Rah- Integration, Vielfalt, Migration sind Begriffe, die men zum vertiefenden Kennenlernen zu schaf- in aller Munde sind. Gleichzeitig gibt es eine fen. Damit wird eine Gruppenatmosphäre große Unsicherheit über ihre Bedeutung und Ver- 17
wendung. Gerade für Leute, die nicht aus dem sem Fall wird ein Schwerpunkt auf die Integrati- sozialen oder politischen Bereich kommen, ist es ons- und Eingliederungsprozesse in den Feuer- oft schwierig zu entscheiden, was jeweils ge- wehren gelegt, es geht um Ein- und Ausschluss. meint ist und woher eine bestimmte Bedeutung Dabei können sowohl Gruppendynamiken und eines Begriffs kommt. Einige dieser Bedeutungen Rituale als auch Probleme und positive Konzepte und Zusammenhänge werden in Kapitel 5 erläu- reflektiert und diskutiert werden. Als Methode tert bzw. als Kurzdefinitionen in Kapitel 6.6 zu- bietet sich hier „Dabei sein ist alles!“ (Kapitel 6.4) sammengefasst. Für das Seminar hat die Beschäf- an, da hier in einer Art Rollenspiel verschiedene tigung mit den Begriffen Vielfalt, Migration, Mi- Verhaltensweisen erprobt und reflektiert werden. grationshintergrund, Integration und kulturelle Kompetenzen eine besondere Bedeutung, da da- Eine andere Strecke orientiert sich an der Ausei- durch eine gemeinsame Grundlage für das wei- nandersetzung mit Stereotypen, Vorurteilen und tere Gespräch und die Beschäftigung mit den Diskriminierungen. In diesem Fall werden mit Themen gelegt wird. Es lohnt sich, hier auf das Hilfe der Methode „Drei Mitreisende bitte!“ (Ka- Brainstorming (Kapitel 6.10) als Methode zurück- pitel 6.7) verschiedene Zuschreibungen zu Perso- zugreifen, da damit sowohl ein nen bearbeitet. Auch hier lässt sich eine Verbin- nen Wissens- und Erfahrungs- austausch dung zum Thema Fremd- und Selbstbilder genau kretenIdeenkön „D iekon e mitinden der Teilnehmer/innen geför- dert als wie zum Thema Willkommenskultur herstellen. ka nstöß auch eine Gesprächsbasis gelegt wird. alsDen om m enw erden“ Zum Erfahrungsaustausch gehört zu- Handlungsansätze Alltaggen sätzlich die Reflexion der positiven Er- Im letzten Teil des Seminars stehen die Zukunft fahrungen mit Integration und Vielfalt in den und mögliche Handlungsansätze im Mittelpunkt. Wehren. Die Teilneh- mer/innen sollen in kleine- Dem roten Faden des Seminars – von der Ausei- ren Gruppen über ihre Erfahrungen in der Praxis nandersetzung mit der eigenen Identität sprechen. Dabei geht es zum einen darum, ins (Namen), dem Erfahrungsaustausch, der Verstän- Gespräch und den Austausch zu kommen. Zum digung über Grundlagen hin zur Vertiefung des anderen lässt sich an konkreten positiven Beispie- Themas mittels Bearbeitung verschiedener len zeigen, was für Faktoren, Bedingungen und Fremd- und Selbstbilder und den Gruppendyna- Personen die Integration von Frauen, miken in den Feuerwehren – wird hier eine Migrant/innen, Protestant/ innen, Katholik/innen weitere praktische Ebene hinzugefügt. Die Teil- usw. in den Feuerwehralltag unterstützen und nehmer/innen sollen so konkret wie nur möglich befördern können. Mit Hilfe der positiven Bei- eine Projektskizze entwickeln, wie sie zukünftig spiele können dann Faktoren gesammelt werden, mehr Vielfalt und Integration erreichen möchten. die einer Willkommenskultur förderlich sind. Anhand dieser konkreten Planungen lassen sich Eine Beschäftigung mit den Fremd- und Eigen- die verschiedenen Inhalte und Diskussionen des wahrnehmungen der Feuerwehr kann diese Aus- Tages noch einmal bündeln. Die konkreten Ideen einandersetzung befördern. Hieran lassen sich können als Denkanstöße mit in den Alltag ge- sowohl positive als auch negative Bilder, Vorstel- nommen werden. lungen und Vorurteile offenlegen. Die Methode des Speed Dating/Kugellagers (Kapitel 6.9) er- Abschluss des Seminars möglicht den konkreten Austausch in verschie- Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung denen Konstellationen und wird mit einer durch die Moderation, in der noch einmal der gemeinsamen Erkenntnissammlung abgeschlos- rote Faden und der Aufbau des Seminars und sen. Sie fördert den Austausch aller Beteiligten seine Ergebnisse dargestellt wird. Wichtig ist es, und gibt auch ruhigeren Teilnehmer/innen eine dabei auf bestimmte Diskussionen, offene Fragen gute Chance, sich einzubringen. oder Konflikte, die im Laufe des Tages aufge- taucht sind, einzugehen. Am Ende steht ein Inhaltliche Vertiefung wechselseitiges Feedback von Teilnehmer/innen Je nach Zusammensetzung der Gruppe kann es und Moderation. Gegebenenfalls können auch sinnvoll sein, an der Willkommenskultur und den konkrete Vereinbarungen für die weitere Arbeit Indikatoren von Vielfalt weiter zu arbeiten. In die- getroffen werden. 18
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