Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander

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Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
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                        2.er

                               2013 gete
                          Au
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                               Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt

                               „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr!
                                Für ein offenes Miteinander“
                               Neues Kapitel: Interkultureller Dialog und Konfliktmanagement
2. erweiterte Auflage

         8/2013                                      Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds kofinanziert.
Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
I N H A LT

      1. Projektvorstellung                                                         4
         Integration ist kein Selbstläufer!                                         4
         Projekthintergrund                                                         4

      2. Einleitung                                                                 5
         Ansatzpunkte und Ziele der Handreichung                                    5
         Zum Aufbau                                                                 6

      3. Warum sollen sich die Feuerwehren mit den Themen
         Integration, Migration und Vielfalt beschäftigen?                          7
         Problemaufriss und Hintergrund                                             7
         Die Feuerwehr im Spiegel der Gesellschaft                                  8

      4. Einstieg ins Thema                                                         10
         Offenheit für die Themen schaffen – Beispiele aus der Praxis               10
         Wie mache ich den ersten Schritt?                                          11
         Vorgehen klären                                                            12
         Ziele formulieren und Format wählen                                        12
         Seminarplanung                                                             13

      5. Begriffsdefinitionen                                                       19

      6. Methodenteil                                                               26
         6.1 Die Geschichte meines Namens                                           26
         6.2 Erwartungsabfrage (Metaplan-Methode)                                   27
         6.3 Flüsterrunde                                                           28
         6.4 Dabei sein ist alles!                                                  29
         6.5 Arbeitsgruppen zum Thema Vielfalt oder Integration in der Feuerwehr    31
         6.6 Arbeit mit Kurzdefinitionen                                            32
         6.7 Drei Mitreisende bitte!                                                34
         6.8 Assoziationen zu Fotos                                                 37
         6.9 Kugellager oder Speed-Dating                                           38
         6.10 Brainstorming                                                         39
         6.11 Arbeit in Arbeitsgruppen zum Thema Handlungsoptionen                  40

      7. Vertiefung: Interkultureller Dialog und Konfliktmanagement                 41
         7.1 Warum interkultureller Dialog?                                         41
              Was haben die Feuerwehren vom interkulturellen Dialog?                41
              Was ist interkulturelle Kommunikation im Alltag in den Feuerwehren?   42
              … konkret?                                                            42
              Die Kulturalisierungsfalle                                            43

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Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

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     7.2     Exemplarischer Modulaufbau                                                                       44
             Wie das Material nutzen?                                                                         44
             Tabelle zu den Elementen des Moduls im Überblick                                                 44
     7.3     Begriffsdefinitionen                                                                             46
             Kulturbegriffe                                                                                   46
             Interkultureller Dialog                                                                          48
             Kommunikation                                                                                    49
             Konflikte und Konfliktmanagement                                                                 50
     7.4     Methoden                                                                                         52
             7.4.1 Arbeit mit Kurzdefinitionen                                                                52
             7.4.2 Meine Kulturen und ich – Fragebogen zu eigenen kulturellen Prägungen                       55
             7.4.3 Worte und was wir daraus machen!                                                           57
             7.4.4 Wenn alles anders wäre, dann ...                                                           58
             7.4.5 Etwas ist passiert – aber was genau?                                                       60
             7.4.6 Arbeit in Arbeitsgruppen zum interkulturellen Dialog                                       62

 8. Hintergrundinformationen: Links, Literaturhinweise                                                        63
    Allgemeine Links und Literatur                                                                            63
    Interkulturelle Kompetenzen                                                                               63
    Integration                                                                                               64
    Migration                                                                                                 64
    Migrationshintergrund                                                                                     64
    Kulturelle Vielfalt                                                                                       64

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Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
1 PROJEKTVORSTELLUNG

    Integration ist kein Selbstläufer!                     Projekthintergrund
    Damit sie dauerhaft gelingt, müssen wir sie aktiv      Kontakte fördern, interkulturelle Kompetenz stär-
    fördern und unterstützen. Integration braucht die      ken – dies sind Kernpunkte des Integrationspro-
    Bereitschaft, den anderen in seiner Verschieden-       jekts des Deutschen Feuerwehrverbandes. Ziel
    heit anzunehmen und Unterschiede als Bereiche-         des Projekts sind engere Kontakte mit migranti-
    rung und nicht als Mangel zu begreifen. Das ist        schen Organisationen und eine verstärkte Mitar-
    anstrengend für alle Beteiligten. Nicht nur für die-   beit von Migrantinnen und Migranten in den
    jenigen, die dazu kommen, sondern auch dieje-          Feuerwehren in Städten und Gemeinden.
    nigen, die „schon da sind“: Integration erfordert
    von ihnen die Anstrengung, alle teilnehmen las-        In dem zunächst auf ein Jahr angelegten Projekt
    sen zu wollen. Oder: wirklich allen die Teilnahme      sollen das Problembewusstsein bei den Feuer-
    zu ermöglichen. Außerdem benötigt Integration          wehren verdeutlicht, die interkulturelle Kompe-
    Ausdauer, um gemeinsam Regeln des Miteinan-            tenz erhöht und das Vertrauen von Migrantinnen
    ders zu entwickeln und auch auf ihre Einhaltung        und Migranten erworben werden. Das Projekt
    zu achten. Dies ist wichtig für das gegenseitige       wird aus Mitteln des Europäischen Integrations-
    Verstehen der jeweiligen Standpunkte und Ar-           fonds kofinanziert; für die Verwaltung des Fonds
    beitsweisen, für die Prävention und auch langfris-     ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    tig für eine ehrenamtliche Tätigkeit.                  zuständig.

    Mit den Projekten „Deine Feuerwehr – Unsere            Grundsätzlich haben die Feuerwehren den An-
    Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“ und            spruch, die Bevölkerung widerzuspiegeln, der sie
    „Miteinander reden!“, will der Deutsche Feuer-         Hilfe leisten. Bisher repräsentieren sie jedoch
    wehrverband aufzeigen, wie jede einzelne               nicht den Querschnitt der Bevölkerung; sie zeigen
    Feuerwehr Vorteile aus einer guten Integra-            sich im Gegenteil eher monokulturell: Der klassi-
    tionsarbeit ziehen kann. Hierzu werden verschie-       sche Feuerwehrangehörige ist männlich und
    dene bundesweite Aktionen zu Mosaiksteinen,            ohne Migrationshintergrund. Besonders stark
    die (erst) gemeinsam das bunte Bild des Mitei-         ausgeprägt zeigt sich die Monokultur im Bereich
    nanders ergeben: gleichberechtigt, weltoffen           der (mangelnden) Vielfalt der ethnischen Hinter-
    und engagiert.                                         gründe, die Feuerwehrangehörige mitbringen.

                                                                Bislang liegen auf Bundesebene keinerlei
                                                                statistisch belastbare Zahlen zum Anteil von
                                                                Migrantinnen und Migranten in den Feuer-
                                                                wehren vor. Die Studie „Freiwilliges Enga-
                                                                gement in Deutschland 1999 – 2004“
                                                                beziffert den Anteil der in den Feuerweh-
                                                                 ren und Rettungsdiensten engagierten Mi-
                                                                 grantinnen und Migranten auf ein Prozent,
                                                                 wobei jedoch nicht zwischen Feuerwehren
                                                                 und Rettungsdiensten unterschieden wird.
                                                                  Hinsichtlich ihres Engagements in den Feu-
                                                                  erwehren sind demnach Migrantinnen
                                                                  und Migranten noch sehr stark unterre-
                                                                  präsentiert. Für eine Mehrheit der Migran-
                                                                  tinnen und Migranten ist die Feuerwehr
                                                                  also eine unbekannte Organisation, mit
                                                                  der sie zudem (höchstens) in Schadensfäl-
                                                                   len und persönlichen Notsituation kon-
                                                                   frontiert sind.

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Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

2 EINLEITUNG

Ansatzpunkte und Ziele der Handreichung                    rellen Öffnung entwickeln, in der Jugendarbeit
Diese Handreichung möchte dazu ermutigen,                  ansetzen und vieles mehr.
sich mit den aktuellen Fragen und Anforderun-
gen zu den Themen Integration, Vielfalt/Diversity          Mit dieser Handreichung soll ein möglicher An-
und Migration in den Feuerwehren zu beschäfti-             satz aufgezeigt werden, wie Integration und Viel-
gen und Diskussionen anzustoßen.                           falt in der Feuerwehr als Themen angesprochen
                                                           und bearbeitet werden können. Es gibt keine Pa-
Es reicht nicht, Integration und Vielfalt anzuord-         tentlösungen im Umgang mit diesen komplexen
nen, sondern sie sind nur erlebbar und gestaltbar,         Themen. Was es gibt, sind Türöffner und Hand-
wenn die Menschen an der Basis sich für die da-            werkszeuge, um in Gespräche und Diskussionen
raus erwachsenen Anforderungen, Veränderun-                zu kommen. An vielen Stellen geht es darum,                      Weitere Informationen über
gen und Fragen öffnen und sich darauf einlassen.           mit dem bereits existierenden Wissen, den Erfah-                         das Projekt
Es erfordert Interesse, Neugierde und Geduld,              rungen, Ängsten und Befürchtungen der betei-                         „Deine Feuerwehr –
                                                                                                                                Unsere Feuerwehr!
sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben. Der             ligten Personen umzugehen, neue Sichtweisen
                                                                                                                           Für ein offenes Miteinander“
Wunsch, mehr Migrant/innen und andere Grup-                und neue oder andere Denk- und Handlungs-                           sind auf der Website
pen, die bisher in den Feuerwehren unterreprä-             wege aufzuzeigen. Hinzu kommt die gemein-                       www.feuerwehrverband.de
sentiert sind, zu integrieren, braucht vielfältige         same Arbeit an den Ideen und dem Selbst-                         /miteinander nachzulesen.
Strategien, Umdenkprozesse und einen nachhal-              verständnis der Feuerwehr als kommunaler Auf-
tigen Wandel in Kommunikationsprozessen, im                gabenträger, als Verein und als Verband. Und das
Umgang mit Unterschieden und in der Art, wie               Nachdenken darüber, wo die Feuerwehren in der
die Feuerwehren nach außen treten. Aber es                 Gesellschaft stehen, und wo sie stehen sollten,
knüpft auch an (viel) gelebte Realität im Umgang           sowie über die Frage, was das konkret für die all-
mit Vielfalt an, mit unterschiedlichen Fähigkeiten         tägliche Arbeit heißt.
und Qualifikationen. Im Einsatz ist nicht mehr
wichtig, wo der eine herkommt oder wie die an-             Auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren
dere lebt. Es kommt darauf an, als Team zu funk-           und neue Weichen zu stellen, bedeutet, aktiv die
tionieren. Im Einsatz – aber auch in den anderen           Zukunft zu gestalten. Dafür bietet die Handrei-
Bereichen des Feuerwehrlebens – werden die ver-            chung verschiedene Möglichkeiten zur Auseinan-
schiedenen Lebensrealitäten zusammengetragen.              dersetzung mit den Themen: einen Einstieg dazu,
An diesen positiven Erfahrungen will die Hand-             warum diese Themen überhaupt wichtig für die
reichung ansetzen und für neue Wege werben.                Feuerwehren sind; Angebote, wie                                   rwichtig,
                                                                                                            tzistnichtmeh
                                                           man die Auseinandersetzung mit        „ImE insa
                                                                                                                     erkommtod
                                                                                                                                  er
                                                                                                      wodereineh
Keine noch so eloquente Werbung kann allein                zentralen Begriffen einführen                              erelebt.“
                                                                                                          wiedieand
neue Mitglieder in die Feuerwehren locken und              kann, thematische Anleitungen
zum Bleiben animieren, schon gar nicht solche              für die praktische Arbeit sowie Hin-
Personen, die aus noch gar nicht oder sehr wenig           weise zum Auffinden von Hintergrundmaterial.
vertretenen Gruppen kommen. Dazu bedarf es
einer (neuen) „Willkommenskultur“ – also einer             Für wen ist die Handreichung gedacht?
anderen Atmosphäre, Verständigung und Offen-               Die Handreichung richtet sich an Aktive in den
heit –, die sich im Alltag zeigt und Personen ein-         Feuerwehren, die sich mit den Themen Integra-
lädt, sich mit all ihrer Vielfältigkeit in die Feuer-      tion, Migration und Vielfalt beschäftigen möch-
wehren einzubringen. Wie immer schon muss die              ten. Dabei ist der Blick insbesondere darauf
Feuerwehr sich mit den Veränderungen in der                gerichtet, diese Menschen darin zu unterstützen,
Gesellschaft bewegen und sich dabei auch mit               die Themen aktiv in ihren Wehren anzusprechen
den Spannungsverhältnissen zwischen Traditio-              und Diskussionen anzustoßen. Diese Handrei-
nen und Neuerungen beschäftigen. Die Schritte              chung bietet keinen umfassenden Überblick zum
bis dahin müssen auf unterschiedlichen Ebenen              Selbststudium und ersetzt auch kein Konzept
ansetzen: sich fürs Thema interessieren, Reflexi-          bzw. Leitfaden zum Thema „interkulturelle Öff-
onsprozesse anstoßen, Leitfäden zur interkultu-            nung der Feuerwehren“. Dieser wurde im Projekt

                                                                                                                                                 5
Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
ebenfalls entwickelt und kann unterstützend hin-           Jede exemplarische Seminareinheit wird vorge-
    zugenommen werden. Vielmehr möchte die                     stellt und ist mit einer Anleitung für Diskussionen,
    Handreichung durch Methoden, Fragestellungen               Material für Inputs und Anleitungen für Metho-
    und Diskussionsansätze alltagstaugliche und an-            den/Übungen versehen.
    wendungsorientierte Anregungen geben. Daraus               In die Handreichung fließen die Erfahrungen im
    können dann eigene Handlungswege entwickelt                Umgang mit dem Thema aus verschiedenen bun-
    werden.                                                    desweiten Pilot- und Multiplikator/innenschulun-
                                                               gen in Feuerwehren und Jugendfeuerwehren ein.
    Zum Aufbau                                                 Das Konzept der Handreichung ist aus unter-
    Die Handreichung gruppiert sich in ihrem Aufbau            schiedlichen Arbeitsbereichen zum Thema Inte-
    um ein exemplarisches Seminar von circa vier               gration und Vielfalt zusammengestellt und stützt
    Stunden. Anhand dieses Seminarplans werden                 sich unter anderem auf Übungen aus dem Ord-
    Vorschläge dazu gemacht, wie die unterschiedli-            ner „Demokratie steckt an“ des Projekts „Ju-
    chen Themenbereiche angesprochen werden                    gendfeuerwehren strukturfit für Demokratie“ der
    können. Neben den inhaltlichen Vorschlägen ent-            Deutschen Jugendfeuerwehr.
    hält sie aber auch methodische Anregungen. Die
    Methoden werden separat vorgestellt und sind
    als Baukastenprinzip zu verstehen. Je nach
    Gruppe, Art der Veranstaltung oder Thema kön-
    nen verschiedene Übungen/Methoden miteinan-
    der kombiniert werden.

                  ZUSAMMENFASSUNG

        1. Was will die Handreichung?
               Ansatzpunkte liefern, zur Diskussion ermutigen, Handlungswege aufzeigen
        2. Warum das Thema in den Feuerwehren?
               Feuerwehren sollte aus der Mitte der Gesellschaft gespeist werden, deshalb muss sie Menschen
               unterschiedlicher Qualifikationen, Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen begeistern und ansprechen
        3. Wie kann ich das Thema ansprechen?
                Es zum Thema eines Abends machen, eine Fortbildung anbieten, ein Fest oder ähnliches etwas an-
                ders gestalten
        4. Was sind das eigentlich für Begriffe?
                Integration, Migration, Diskriminierung, Interkultureller Dialog, Vielfalt – es stecken viele Sicht-
                weisen und politische Haltungen in diesen Wörtern, deshalb ist es sinnvoll, sich in ihrem Dschungel
                zurechtzufinden
        5. Umgang mit Ängsten, Befürchtungen und Erwartungen
              Veränderungen machen vielen Menschen Angst, andere machen sie neugierig; Unterschiede sind
              hilfreich und bereichernd, aber sie können auch Konflikte produzieren – es geht darum, sie pro-
              duktiv zu nutzen
        6. Vorschläge für Veranstaltungen
                Exemplarische Inhalte und Aufbau von Veranstaltungen, wie sie vom Deutschen
                Feuerwehrverband angeboten werden
        7. Methoden
               Ausgewählte und erprobte Methoden, um mit den Themen in den Feuerwehren zu arbeiten

6
Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

3 WARUM SOLLEN SICH DIE FEUERWEHREN MIT DEN THEMEN
         INTEGRATION, MIGRATION UND VIELFALT BESCHÄFTIGEN?

Problemaufriss und Hintergrund                              Immer mehr Frauen suchen ihren Platz in den
Die Feuerwehren und die Jugendfeuerwehren                   Feuerwehren. Sie werden Truppführer, Wehrlei-
sind ihrem Selbstverständnis nach in der Mitte              terinnen und erklimmen nach und nach die
der Gesellschaft beheimatet. Sie sollten am bes-            verschiedenen Hierarchieebenen in den Feuer-
ten einen Querschnitt der Bevölkerung repräsen-             wehren. Das geht nicht ohne Konflikte, aber es
tieren. Das wirft natürlich Fragen auf, zum                 setzt auch viele positive Energien frei und gibt
Beispiel                                                    neue Impulse. Der Weg bis zu einer Gleichbe-
• Wie sieht ein Querschnitt der Bevölkerung in              rechtigung und gleichen Mitgliederanzahl ist
   diesem Land aus?                                         (noch) weit. Den Anfang machten Pionierinnen
• Können die Feuerwehren diese Anforderung                  in den einzelnen Wehren, es folgten große Wer-
   erfüllen?                                                bekampagnen und Schulungen. So wächst der
• Warum gibt es überhaupt diese Idee, in der                Anteil der Frauen, auch wenn aktuell erst rund
   Mitte der Gesellschaft verankert zu sein?                acht Prozent der Feuerwehrangehörigen weiblich
Nicht alle diese Fragen lassen sich einfach beant-          sind.
worten, aber es lohnt sich, sie zu stellen. Mit Blick
auf einige Teilbereiche möchte dieser Text Denk-            Auch die Lebensmodelle sind vielfältiger gewor-
anstöße geben und ein wenig Hintergrundwissen               den: Neben der heterosexuellen Ehe existiert die
vermitteln, damit aus den Fragen spannende Dis-             „Homo-Ehe“, die eingetragene Lebenspartner-
kussionen entstehen können.                                 schaft für Lesben und Schwule. Menschen leben
                                                            als Singles, in Patchwork-Familien, in Lebenspart-
Die Gesellschaft in Deutschland wird immer viel-            nerschaften ohne Trauschein usw. Das soziale
fältiger, heterogener und „bunter“. Das zeigt sich          Gefüge in den Feuerwehren wird vielfältiger; das
in unterschiedlichen Bereichen des Alltags. Die             nimmt Einfluss darauf, wer wie viel Zeit zur Ver-
Konventionen und das, was als „normal“ gilt,                fügung hat, es betrifft aber auch den geselligen
haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert.            Teil der Feuerwehrtätigkeit.
Das hat auch Auswirkungen auf die Stellung der
Feuerwehren in der Gesellschaft, zum Beispiel:              Einwanderungsgesellschaft
Wird sie als modern oder als rückständig emp-               Deutschland ist und war immer schon von Ein-
funden? Wer findet es attraktiv, seine Freizeit in          und Auswanderungsbewegungen geprägt. Ins-
den Feuerwehren zu verbringen? Wie viel Ver-                besondere in die Industrieregionen und in die
trauen wird den Feuerwehren entgegen ge-                    Großstädte kamen Menschen aus Frankreich,
bracht?                                                     Polen, Russland, Schlesien, Italien, der Türkei
Das heißt auch, dass die Feuerwehren sich mit               usw. Die industrielle Revolution brachte Arbeits-
den gesellschaftlichen Veränderungen, mit de-               kräfte aus verschiedenen Ländern. Das „Wirt-
mografischem Wandel, mit Veränderungen der                  schaftswunder“ im Westen und auch die DDR
Lebensrealitäten und Lebensweisen der Bevölke-              brauchten ebenfalls Arbeitskräfte aus aller Welt,
rung beschäftigen müssen – und sich selbst dabei            um mit der wirtschaftlichen Entwicklung mithal-
natürlich mit verändern.                                    ten zu können. Einwanderung und Auswander-
                                                            ung gehören zu den Charakteristika mensch-
Die Stellung von Frauen und Männern in der Ge-              licher Entwicklung und sind seit jeher Bestandteil
sellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehn-            menschlicher Geschichte und Gegenwart.
ten gewandelt. Somit auch das Rollenverständnis             So sind aus vielen ländlichen Regionen Deutsch-
– zum Beispiel wird heute von Männern erwar-                lands Menschen nach Nordamerika, Rumänien,
tet, dass sie ihren Teil an Erziehungsarbeit und            die Türkei oder Australien usw. ausgewandert.
Hausarbeit leisten. Frauen werden Bundeskanz-               Nicht nur die sogenannten Spätaussiedler/innen,
lerin, Managerinnen großer Konzerne oder über-              die seit den 1960er Jahren aus Osteuropa nach
nehmen hohe Funktionen in helfenden Organi-                 Deutschland zurück gewandert sind, erinnern
sationen.                                                   uns an diese deutschen Migrationsprozesse, son-
Lange war die Feuerwehr ein Ort fast ausschließ-            dern auch Menschen wie der Regisseur Wolf-
lich für Männer. Das hat sich, genau wie die ge-            gang Emmerich oder die Sportlerin Steffi Graf,
sellschaftliche Stellung der Frau, verändert.               die in die USA gegangen sind.

                                                                                                                                              7
Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
Warum migrieren Menschen?                           Warum sollten die Feuerwehren den
    Menschen verlassen ein Land, um in einem an-        Querschnitt der Bevölkerung abbilden?
    deren ihr Glück zu finden, einen neuen Job, ein     Die Feuerwehren repräsentieren traditionell die
    neues Zuhause oder, weil sie in ihrem Land von      Bevölkerung, der sie Hilfe leisten. Diese Tradition
    Hunger, Gewalt oder Verfolgung bedroht sind.        hat sich bewährt und seit der Gründung der Feu-
    Menschen wandern, weil das Klima sich verän-        erwehren dazu beigetragen, dass die Menschen
    dert, weil es den Wunsch nach einem besseren        in Deutschland Vertrauen in die Feuerwehren
    Leben gibt oder weil die Liebe sie woanders hin-    haben. Der Vorteil dieser Idee ist offensichtlich:
    führt. Deutsche unterscheiden sich in ihren Be-     Wenn die Menschen wissen, dass der Feuerwehr-
    weggründen dabei nicht von Menschen anderer         mann oder die Feuerwehrfrau aus der Nachbar-
    Nationen.                                           schaft kommt, erleben die Menschen ihn oder sie
                                                        als eine der ihren.
    Trotz dieser historischen und demografischen Wo das nicht so selbstverständlich ist, gibt es
    Realitäten hat es in Deutschland lange gedauert, immer wieder Probleme im Einsatz, weil die Ver-
    bis sich ein Selbstverständnis als Einwanderungs- ständigung dort nicht so reibungslos funktioniert.
    gesellschaft durchgesetzt hat. Insbesondere in Das hat einerseits mit Kommunikationsproble-
    Zeiten der Globalisierung                                                 men zu tun, andererseits mit
    und der internationalen        „EtwajedefünftePersoninde kulturellen Unterschieden.
    Kooperationen war diese
                                                                        r    Der zentrale Vorteil dieser
                                           Bundesrepublikhat
    Entwicklung mit allen                ausländischeWurzeln.              Idee  betrifft aber das Ver-
    daraus      erwachsenen                                      “           trauen der Bevölkerung in die
    Vorteilen und Anforde-                                                   Tätigkeit der Feuerwehr. Dies
    rungen aber ein logischer und überfälliger Schritt. lässt sich sehr gut im Vergleich mit anderen Län-
                                                        dern nachvollziehen, in denen es dieses Ver-
    Die Feuerwehr im Spiegel der Gesellschaft           trauen eben nicht gibt. Es gibt andernorts
    Wie sieht aktuell das Verhältnis zwischen der Be- schlechte Erfahrungen mit den Feuerwehren,
    völkerung und ihrer Repräsentanz in den Feuer- weil diese in vielen Ländern der Welt Teil militäri-
    wehren aus? Etwa jede fünfte Person in der scher oder staatlicher Repressionsorgane sind. Sie
    Bundesrepublik Deutschland hat „ausländische gelten als korrupt oder unzuverlässig, oder auch
    Wurzeln“. Also haben etwa 20 Prozent der in als schlecht ausgebildet. Deshalb haben sie keine
    Deutschland lebenden Menschen selbst Migrati- Akzeptanz in der Bevölkerung, sondern werden
    onserfahrungen oder ihre Eltern sind nach stattdessen auch durchaus als Bedrohung erlebt.
    Deutschland eingewandert. Das sind aktuell 15,7 Daraus erwachsen auch in der Bundesrepublik
    Millionen Personen (vgl. „Die Zeit“ vom 26. Sep- Deutschland Probleme, weil ein familiäres, posi-
    tember 2011). Der Anteil von Menschen mit Mi- tives Verständnis und Vertrauen in die Arbeit der
    grationshintergrund in den Feuerwehren liegt Feuerwehren nicht als selbstverständlich voraus-
    jedoch geschätzt, wie in anderen helfenden Ver- gesetzt werden kann. Die Feuerwehr muss des-
    bänden, unter einem Prozent.                        halb aktiv etwas tun, um dieses Vertrauen
    Damit spiegelt sich der Anteil von Menschen mit aufzubauen – in ihrem eigenen Interesse, zum
    Migrationshintergrund an der Bevölkerung in den Schutz im Einsatz und um sich wieder stärker in
    Feuerwehren genauso wenig wider wie der An- der Mitte der Gesellschaft zu beheimaten.
    teil von Frauen oder von anderen Minderheiten. Dieses Problem teilt die Feuerwehr mit anderen
    In anderer Hinsicht kommen die gesellschaftli- wichtigen Institutionen, Verbänden und Organi-
    chen Verhältnisse zum Thema Migration in den sationen. Aktuell wird deutlich, dass die Mehr-
    Feuerwehren trotzdem zum Ausdruck: In größe- heitsgesellschaft erst sehr spät erkannt hat, dass
    ren Städten und Ballungszentren sind auch in den Integration auch heißt, die eigenen Strukturen zu
    Feuerwehren Menschen mit unterschiedlicher verändern, zu öffnen und attraktiver zu gestal-
    Herkunft, Interessen und Lebensentwürfen stär- ten. Auf Grundlage dieser Einsicht werden nun-
    ker vertreten als in ländlichen Gegenden, wo die mehr die Bemühungen von Seiten der Mehrheit
    Bevölkerung oft – vermeintlich – homogener und und der Minderheiten, sich einander anzunähern,
    Vielfalt weniger offensichtlich ist.                gezielt gefördert.

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Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

Eine Chance zur Veränderung                               -frauen jedoch nicht nur positive Erwartungen,
Mit Blick auf Menschen mit Migrationshinter-              sondern sind auch mit Ängsten besetzt. Jede Ver-
grund, also Personen, deren familiäre Wurzeln             änderung bedeutet auch einen Abschied von
außerhalb Deutschlands liegen, ist der geschätzte         etwas Vertrautem und Bekannten. Sie bedeutet,
Anteil in den Feuerwehren unter ein Prozent. Das          sich neu zu verorten und das eigene Handeln, die
macht bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Pro-            eigene Kultur kritisch unter die Lupe zu nehmen.
zent eine große Lücke, die verkleinert werden             Das setzt den Willen und die Selbstsicherheit vo-
sollte: Damit das traditionelle Verständnis der           raus, dass Gutes und Gelungenes erhalten blei-
Feuerwehren als Teil der Bevölkerung wieder ge-           ben kann und die Einführung von Neuem eine
wonnen wird, damit die Vielfalt in der Gesell-            Verbesserung bedeutet. Tradition heißt nicht Still-
schaft auch die Feuerwehren bereichert und –              stand, sondern bedeutet, Entwicklungen zu ver-
ganz pragmatisch – damit auf Dauer der Erhalt             folgen und das Selbstverständnis immer wieder
der Feuerwehren gesichert werden kann. Erleben            zu erweitern. Das gilt für technische Entwicklun-
wir nicht gerade die Erwägungen, Wehren zu-               gen in der Gefahrenabwehr genauso wie für die
sammenzulegen, weil nicht genug Geld und                  Entwicklungen der eigenen kameradschaftlichen
nicht genug Mitglieder da sind? Hier braucht es           Strukturen.
neue Impulse und Ideen, um die Struktur der Feu-
erwehren auch langfristig aufrechterhalten zu             Die eigenen Strukturen für andere zu öffnen,
können.                                                   heißt, Umgangsformen zu überprüfen sowie For-
                                                          men und Wege der Kommunikation zu verän-
Die Integration von Menschen (beiderlei Ge-               dern – im übertragenen wie im praktischen
schlechts) mit so genanntem Migrationshinter-             Sinne: zum Beispiel von der Sirene über den Piep-
grund und auch die fortgesetzte Werbung von               ser zum Handy als Kommunikationsmittel.
Frauen bieten ein riesiges Potenzial für neue Mit-
                                                                                                                henattraktiver
                                                                                              NeueImpulsemac
glieder in der Feuerwehr und sollten verstärkt            Veränderung und Integration
                                                                                            „
werden. Die Aufgabe, Integration und Vielfalt in          brauchen die Bereitschaft zur
                                                                                                      undeffektiver–
die Feuerwehren zu tragen, fordert dabei alle             Neugierde, zum Gespräch                                Tradition.“
Ebenen, die kleine Ortsfeuerwehr ebenso wie               und zur Infragestellung von           undstärkendie
eine große Berufsfeuerwehr, die Landesfeuer-              Vertrautem – von Seiten der
wehrverbände und auch den Deutschen Feuer-                bereits in den Feuerwehren Engagierten und von
wehrverband. Überall gilt es, an den konkreten            Seiten derer, die als neue Mitglieder gewonnen
Aufgaben und Tätigkeiten ansetzend neue                   werden sollen. Dabei darf weder Erfahrung und
Räume für Unterschiedlichkeit, Differenz und              Wissen, das über Jahre erworben wurde, verloren
Vielfalt zu öffnen.                                       gehen, noch sollten neue Impulse und andere
                                                          Sichtweisen als Bedrohung erlebt werden. Neue
Veränderungen in den eigenen Strukturen be-               Impulse machen attraktiver und effektiver – und
deuten für manche Feuerwehrmänner und                     sie stärken die Tradition!

                                                                                                                          Einfach mal darüber
                                                                                                                          reden: Manchmal ist
                                                                                                                          es ganz anders,
                                                                                                                          als es zuerst aussieht.

                                                                                                                                                    9
Deine Feuerwehr - Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander
4 EINSTIEG INS THEMA

     Offenheit für die Themen schaffen –                   Im Mittelpunkt steht hier die Auseinandersetzung
     Beispiele aus der Praxis                              mit dem Wissen über die und dem Bild von der
     Es gibt viele Gründe und Motive, warum die The-       Feuerwehr in der Gesellschaft. Was glauben die
     men Umgang mit Vielfalt oder Integration von          Leute, wie Feuerwehren funktionieren? Was
     Menschen in den Feuerwehren bearbeitet wer-           kommt in der italienischen Gemeinschaft von der
     den. Manchmal sind es konkrete Anlässe, die das       Feuerwehr an?
     Thema auf den Tisch bringen, manchmal ist es          Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander-
     eher Zufall, manchmal kann es auch als Anord-         setzung können sein: Wie werden die Feuerweh-
     nung von „oben“ kommen. Immer geht es                 ren wahrgenommen? Was für Bilder transpor-
     darum, Menschen für die Auseinandersetzung zu         tieren sich über die Feuerwehr in die Mehrheits-
     gewinnen, ihr Interesse zu wecken und sie neu-        gesellschaft, aber auch in die verschiedenen Min-
     gierig zu machen auf die Chancen, die eine Ver-       derheiten? Was bedeutet das für die Frage von
     änderung beinhaltet. Jedes neue Thema ist solch       Vielfalt und Mitgliederwerbung der Feuerweh-
     ein Sprungbrett zur Weiterentwicklung, eine           ren? Was wären praktische Schritte zu einer Ver-
     Möglichkeit, die Feuerwehren attraktiver zu ma-       änderung der Präsenz in der Öffentlichkeit?
     chen, etwas zu ihrem Erhalt zu tun.
     Doch was heißt das eigentlich ganz konkret? Was       Beispiel 2: „Neulich hat eine Kameradin ihre Le-
     sind solche Anlässe dafür, sich mit dem Thema         benspartnerin zum Familienfest unserer Wehr mit-
     Integration, Vielfalt oder Migration zu beschäfti-    gebracht. Da kam der Wehrleiter auf mich zu und
     gen? Zunächst können es – sehr unterschiedliche       fragte was ich davon halte: Frau und dann auch
     – konkrete Vorkommnisse im Alltag sein; dane-         noch andersrum – die soll das zu Hause machen,
     ben aber auch vieles andere. Die Palette reicht       aber nicht hier bei uns. Erst mal war ich schockiert
     hier vom eigenen Interesse am Thema oder              und konnte gar nichts sagen. Dabei fand ich es
     schwierigen Einsatzerfahrungen über geplante          gut, dass Erika ihre Lebenspartnerin mitgebracht
     Projekte bis zu anstehenden Jahrestagen in der        hat. Was ist auch dabei?“
     Feuerwehr oder der Gemeinde.                                               Thomas, 52 Jahre, Brandenburg
     Anhand von Beispielen aus dem Alltag von vier
     Feuerwehren werden im Folgenden Möglichkei-           In diesem Beispiel geht es um Diskriminierungen
     ten dargelegt. Dabei werden nicht nur reale           und um Vorurteile, aber auch darum, was man
     (wenn auch anonymisierte) Beispiele vorgestellt,      gegen die eigene Ohnmacht tun kann. Konkret
     sondern auch die thematischen Möglichkeiten           geht es um das Thema Akzeptanz von Lesben
     und Fragen, die sich daraus ergeben, exempla-         und Frauen in der Feuerwehr.
     risch benannt. Die Beispiele und Fragen können        Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander-
     auch helfen, eigene Diskussionen zu strukturie-       setzung können sein: Warum gilt Homosexualität
     ren: als Kopiervorlage eingesetzt, können sie Ar-     nicht als „normal“? Was ist so besonders an He-
     beitsgruppen als thematischer Einstieg dienen.        terosexualität? Wie entstehen Vorurteile? Was
     Vielleicht fallen Ihnen bei der Lektüre aber auch     kann ich konkret in so einer Situation tun, wie
     eigene Beispiele aus Ihrer Praxis in der Feuerwehr    kann ich reagieren? Noch konkreter: Was für ein
     ein? Sie sind – ggf. anonymisiert, um niemanden       Bild hat der Wehrleiter von Frauen und insbeson-
     bloßzustellen! – sehr gutes Arbeitsmaterial, das      dere von Lesben? Was kann ich tun, wenn ich die
     in gleicher Weise eingesetzt werden könnte.           Haltung meines Wehrleiters nicht teile?
     Beispiel 1: „Ich frage mich oft, warum so wenige      Beispiel 3: „Ein Kollege erzählte mir von einem
     Kollegen von meiner Arbeitsstelle in der Freiwilli-   guten Freund, der Lust hätte, bei uns mitzuma-
     gen Feuerwehr aktiv sind. Neulich beim Betriebs-      chen, sich aber nicht traut, einfach mal vorbei zu
     ausflug habe ich mich mit Antonio darüber             kommen. Da habe ich beide zum Übungsabend
     unterhalten. Der sagte nur ,Wieso Freiwillige Feu-    eingeladen und meine Kamerad/innen darüber in-
     erwehr – das machen die doch als Job so wie bei       formiert. Als Uwe dann mit Erçan in den Raum
     uns im Betrieb‘. Das hat mich verblüfft, der weiß     kam, hörte ich ein unangenehmes Gemurmel. Ich
     doch schon lange, was ich in meiner Freizeit so       habe beide begrüßt und unserem Wehrleiter vor-
     tue.“                      Martin Z., 28 Jahre, NRW   gestellt. Der freute sich sichtlich über deren Inte-

10
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

resse daran, bei uns Mitglied zu werden. Wir lern-        einerseits und ihrer Offenheit andererseits.
ten einander kennen und vereinbarten die übliche          Manchmal ist uns das Gegebene so selbstver-
Probezeit. Im Anschluss würden wir dann weiter            ständlich, dass es uns erst auffällt, wenn sich
sehen. Beim nächsten Einsatz wurden Witze über            etwas daran verändert oder verändern soll. Die
,die Türken‘ gemacht und mir wurde mulmig bei             Aufnahme eines Muslims wirft Fragen nach der
der Vorstellung, dass Erçan das auch bald zu hören        religiösen Verortung der Feuerwehren und ihren
kriegen würde. Da habe ich entschieden, dass ich          religiösen Traditionen auf.
                                                                                                                           mens-
etwas gegen die Vorurteile bei uns tun will.“             Ansatzpunkte für eine vertie-        „WiekanneineWillwkoermden,
                          Sören, 23 Jahre, Hamburg        fende Auseinandersetzung kön-           kulturentwickelt
                                                                                                                    chiedener
                                                          nen sein: Macht es wirklich            dieMenschenvers
                                                                                                    Herkunftanspricht “
Das Beispiel zeigt eine Form des alltäglichen Ras-        einen großen Unterschied, wel-                                  ?
sismus, die erst dann auffällt, wenn sich etwas an        cher Religion eine Person ange-
der Gruppenzusammensetzung verändert. Die                 hört? Wie christlich ist und sollte
Fragen, die hier aufgeworfen werden, sind unter           die Feuerwehr sein? Verträgt sich das mit dem
anderem: Wer ist in der Feuerwehr willkommen?             Neutralitätsgebot? Stehen die Traditionen der
Woran macht sich eine Atmosphäre der Offen-               Feuer- wehren unverrückbar fest oder sind Ver-
heit fest? Was wäre ein guter Umgang mit Un-              änderungen möglich und wünschenswert? Was
terschieden?                                              würde es auf lange Sicht bedeuten, wenn die
Ansatzpunkte für eine vertiefende Auseinander-            Feuerwehren tatsächlich so blieben, „wie sie
setzung können sein: Wie kann eine Willkom-               immer schon waren“? Was sind Kernbestandteile
menskultur entwickelt werden, die Menschen                des Selbstverständnisses? Welchen Stellenwert
verschiedener Herkunft anspricht? Integration ist         haben Feste, Essen und Korpsgeist im Gemein-
keine Einbahnstraße, sondern fordert immer eine           schaftsgefühl und im Selbstverständnis? Wie
Bewegung der Mehrheit und der Minderheit.                 können pragmatische Lösungen aussehen?
Wie werden neue Leute in die Wehr aufgenom-
men? Gibt es Rituale? Wie funktionieren Ein-              Wie mache ich den ersten Schritt?
schluss und Ausgrenzung? Wie schaffe ich ein              Welchen Anstoß es auch immer gibt, sich mit den
Bewusstsein bei den Kamerad/innen dafür, dass             Themen zu beschäftigen, braucht es als Nächstes
neue Leute sich nur dann für uns begeistern wer-          konkrete Überlegungen zu Inhalten, Formen und
den, wenn wir offen sind für Neues und Ande-              Strukturen. Gerade Themen wie diese sind für
res?                                                      viele Menschen auch innerhalb der Feuerwehren
                                                          emotional, politisch oder ideologisch aufgeladen.
Beispiel 4: „Wir waren seit über 100 Jahren pro-
                                                          Die Auseinandersetzung damit wird also kaum
testantenfrei und stolz darauf. Dann kam ein jun-
                                                          „neutral“ sein, weil in der Regel alle Beteiligten
ger Bosnier und wollte bei uns eintreten. Ein
                                                          emotional beteiligt sind. Aus diesem Grund wird
Muslim, einer, der kein Schweinefleisch isst und
                                                          sie auch selten gänzlich unaufgeregt vonstatten
regelmäßig betet. So lange haben wir es ohne Pro-
testanten geschafft, und jetzt würden wir von den
                                                          gehen, denn viele müssen sich mit ihren Ängsten,
Muslimen übernommen? Ich wusste nicht, wie das            einem diffusen oder speziellen Unwohlsein be-
gehen sollte, was würde aus unserem Feuerwehr-            schäftigen, Vorurteile werden sichtbar, reale Er-
fest mit dem Spanferkelgrillen und aus dem Mar-           fahrungen müssen von Verallgemeinerungen
tinsumzug werden? Unsere Freiwillige Feuerwehr            getrennt werden. Für einige bedeutet es, mit ei-
ist Teil der katholischen Gemeinschaft im Ort.            genen Erfahrungen von Diskriminierungen durch
Nach einigem Hin und Her habe ich die Kollegen            Rassismus, Antisemitismus, Sexismus usw. kon-
von der Berufsfeuerwehr in der Kreisstadt einge-          frontiert zu werden; für andere, sich der Erkennt-
laden, die hatten da mehr Erfahrung als ich. Heute        nis zu stellen, dass sie selbst schon diskriminiert
muss ich lachen über die Probleme, die ich damals         und ausgegrenzt haben, nicht ohne Vorurteile
sah.“          Georg, 62 Jahre, Baden-Württemberg         sind. Es ist deshalb sogar wünschenswert, dass
                                                          die Gefühle der Beteiligten nicht gänzlich außen
Im Mittelpunkt dieses Beispiels steht das Selbst-         vor bleiben, denn das würde bedeuten, dass die
verständnis der Freiwilligen Feuerwehren als Be-          Auseinandersetzung nur oberflächlich geführt
standteil gewachsener Kulturen und Religionen             wird.

                                                                                                                                            11
Gerade in der Feuerwehr stellt das manchmal das          Gemeinde, dem schwul-lesbischen Jugendzen-
     Gemeinschaftsgefühl in Frage, da unterschied-            trum oder der Sonderschule um die Ecke pla-
     lichen Sichtweisen im geteilten Alltag oft wenig         nen. Dazu sollte in der Vorbereitung innerhalb
     Platz eingeräumt wird. Die Arbeit als Team, die          der Wehr geklärt werden, was alles an Kompe-
     Identifikation über die Tätigkeit und das Helfen         tenzen und Wissen für eine gelungene Zusam-
     werden zur gemeinsamen Basis. Manchmal wer-              menarbeit auf Seiten der Feuerwehr gebraucht
     den dabei Unterschiede, die es neben diesem              wird. Möglicherweise entsteht in der Vorberei-
     Konsens gibt, als Bedrohung der Gemeinschaft             tung „ganz von selbst“ der Wunsch, die eige-
     erlebt. Eine offene Diskussions- und auch Streit-        nen interkulturellen Kompetenzen zu erwei-
     kultur gibt es bislang nicht in vielen Wehren; das       tern.
     macht es manchmal komplizierter, heikle Themen         • Ein Fortbildungsseminar von vier bis sechs Stun-
     anzusprechen.                                            den zum Thema ansetzen und bewerben.

     Vorgehen klären                                        Diese Beispiele sind, anders als die zuvor genann-
     Unaufgeregtheit und Ruhe in solche Debatten zu         ten, positiv besetzt, denn sie eröffnen neue Per-
     bringen, ist deshalb eine der großen Anforderun-       spektiven zusätzlich zum Feuerwehralltag.
     gen an diejenigen, die solche Prozesse anstoßen.       Gleichzeitig könnten sie auch den Unmut der Ka-
     Hilfreich dafür sind eine gute Vorbereitung und        merad/innen wecken, da der Eindruck entstehen
     die Reflexion der eigenen Haltungen, Ziele und         kann, als sollten feuerwehrfremde Themen auf-
     Meinungen. Oftmals ist es hilfreich, diese eige-       gegriffen werden. Je konkreter sich die Situation
     nen Voraussetzungen am Beginn des Prozesses            und die Interessen der Beteiligten einschätzen
     offenzulegen und auszusprechen. Dafür sollte ein       lassen, desto leichter wird es, das richtige Format
     Rahmen geschaffen werden, der es auch allen            zu wählen oder auch verschiedene Formate zu
     anderen Beteiligten ermöglicht, ihre Erwartun-         kombinieren.
     gen, Erfahrungen und auch Ängste anzuspre-
     chen. Wichtig erscheint aus pädagogischer Sicht,
     dass mit jedem Schritt im Prozess auch die Mög-
     lichkeit geschaffen wird, sachliche Informationen
     zu erhalten. Das kann in unterschiedlicher Form
     erfolgen: indem Sie einen Erfahrungsaustausch
     anleiten, indem Sie Inhalte und Methoden ein-
     bringen, die helfen, das eigene Wissen zu erwei-
     tern, indem Sie Hilfestellungen dazu geben, wie
     Handlungsoptionen entwickeln werden können,
     und anderes mehr.

     Ziele formulieren und Format wählen
     Die Zielstellungen am Beginn des Prozesses mög-
     lichst klar zu formulieren, erleichtert die konkrete
     Planung und öffnet Spielräume für die praktische
     Umsetzung.
     Auch hier ist die Spanne der Möglichkeiten sehr
     breit:
     • Im Rahmen eines Übungsabends mal auf das
        Thema Vielfalt und Unterschiede in der Wehr
        eingehen.
     • Eine Veranstaltung zum Thema „Vielfalt bei uns“
        organisieren und eine/n Referent/in einladen.
     • Das nächsten Feuerwehrfest gemeinsam mit
        anderen Vereinen, zum Beispiel der türkischen

12
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

Seminarplanung                                            auch andere Schulungen beworben werden; zum
An dieser Stelle ist das Fortbildungsseminar das          anderen durch gezieltes Ansprechen von Leuten,
Format der Wahl. Im Weiteren wird es nun darum            die schon mal Interesse signalisiert haben oder als
gehen, wie dieses Seminar geplant und auch                offen gelten. Darüber hinaus kann es sinnvoll
durchgeführt werden kann. Für die Planung sind            sein, gezielt auf Mundpropaganda zu setzen. Das
folgende Leitfragen hilfreich:                            heißt, hier kann von einem Aushang, einem Brief,
• Warum plane ich ein Seminar zum Thema In-               der Website bis zur Flüsterpost alles für die Öf-
   terkulturelle Öffnung?                                 fentlichkeitsarbeit genutzt werden. Auf der
• Was möchte ich erreichen? Was sind meine                nächsten Seite ist ein exemplarisches Einladungs-
   Zielsetzungen?                                         schreiben abgedruckt. Es sollte den Teilnehmer/
• Für wen mache ich das? Also wer ist die Ziel-           innen einen ersten inhaltlichen Eindruck von den
   gruppe?                                                Inhalten und Arbeitsweisen zu vermitteln.
• Welche Informationen, Interessen und Motiva-
   tionen kann ich bereits in der Vorbereitung von        Mit der Anmeldung oder der Bestätigung kann
   den Teilnehmer/innen erhalten?                         ein kurzer Fragebogen verschickt werden, der ein
• Was habe ich an Vorwissen? Was muss ich in-             paar Basisinformationen abfragt, zum Beispiel:
   haltlich noch in Erfahrung bringen?                    • Geschlecht
• Wie soll der Ablauf des Seminars sein? Welche           • Alter
   Themen lassen sich mit welchen Methoden be-            • Mit oder ohne Migrationshintergrund
   arbeiten? Wie viel eigenständiges Arbeiten             • Funktion(en) in der Feuerwehr
   traue ich der Gruppe zu?                               • Interesse oder Motivation, sich mit dem Thema
• Welche Bereiche kann ich selber abdecken?                 zu beschäftigen
   Für was und von wem sollte ich mir Unterstüt-
   zung holen?
• Bis wann sollte was vorbereitet sein? Zeitpla-
   nung und Logistik von der inhaltlichen Vorbe-
   reitung lösen.
Nicht immer sind alle diese Fragen zu beantwor-
ten und oft überschneiden sich die Antworten
auch, aber sie sind als Planungsgerüst sehr hilf-
reich. Nach der Reflexion der Planung können
konkrete Schritte eingeleitet werden. Geplant
und durchgeführt wird ein vier- bis sechsstündi-
ges Seminar, wie es im Rahmen des Projekts an
verschiedenen Orten mit Erfolg durchgeführt
wurde. Dabei müssen die Inhalte und Methoden
jeweils an die Bedingungen vor Ort angepasst
werden.

Die konkrete Vorbereitung des Seminars
Ausgangspunkt für dieses Seminar ist eine An-
zahl von Teilnehmer/innen von zehn bis 15 Leu-
ten aus einer Wehr oder verschiedenen Wehren              Die inhaltliche Planung wird einfacher, je konkre-
der Stadt oder im Kreis. Gut ist, wenn möglichst          ter die Interessen und Motive der Gruppe be-
Leute aus den verschiedenen Bereichen vertreten           kannt sind. Gleichzeitig ist es für die Auswahl der
sind, also von der Jugendfeuerwehr über die Ein-          Themenschwerpunkte und des methodischen
satzabteilung bis zur Alters- und Ehrenabteilung.         Vorgehens interessant, ob bereits eine offensicht-
Um das Interesse am Seminar zu wecken, sollten            liche Heterogenität in der Gruppe vorhanden ist
wenn möglich verschiedene Wege beschritten                oder ob Unterschiede eher erst „entdeckt“ wer-
werden: zum einen der offizielle Weg, über den            den müssen.

                                                                                                                                            13
Exemplarische Einladung zu einem Seminar
     zum Thema Vielfalt und Integration in der Feuerwehr

            Schulungen für Feuerwehrleute und Multiplikator/innen
                           im Rahmen des Projekts
      „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“
                     des Deutschen Feuerwehrverbandes
                                               Datum, Ort
     Seminarinhalte:
     Wenn wir von Integration in der Feuerwehr sprechen, dann geht es zum einen darum, neue
     Menschen für diese Arbeit zu begeistern. Es geht aber auch darum, eine Art „Willkommens-
     kultur“ zu entwickeln, also zu überlegen, was sich in den Feuerwehren ändern muss, damit wir
     für Menschen mit Migrationserfahrungen, Frauen, Akademiker/innen usw. interessanter werden.

     Deshalb bearbeitet das Seminar aktuelle Fragestellungen von Vielfalt/Diversity und interkultu-
     reller Öffnung und stellt dabei den konkreten Bezug zu ihren Bedeutungen für die Feuerwehren
     her. Dabei werde ich Ihnen zum einen das Spektrum des Themenfeldes vorstellen, zum anderen
     stehen Ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Interessen zum Thema im Mittelpunkt. Welche kon-
     kreten Handlungsmöglichkeiten gibt es, um mehr Vielfalt im Alltag in der Feuerwehr zu leben?
     Es wird um Chancen und Potenziale, aber auch um Schwierigkeiten und Befürchtungen gehen.

     Vielfalt und Integration sind Begriffe, die in aller Munde sind; doch oft wird damit Unterschied-
     liches gemeint. Deshalb werde ich verschiedene Begriffsdeutungen und ihre Wirkungen vorstel-
     len und mit Ihnen diskutieren. Darin können uns zum Beispiel folgende Fragen leiten:
             1. Was bedeutet Vielfalt für mich?
             2. Wie viel Vielfalt gibt es bereits in meiner Wehr?
             3. Wo sind noch Potenziale?
             4. Wo sehe ich Schwierigkeiten?

     Zeitplan:
        8:00 Uhr      Begrüßung und Kennenlernen, Erwartungsabfrage
        8:45 Uhr      Vorstellung des Seminarplans
        9:00 Uhr      Einstieg in das Themenfeld Vielfalt/Diversity
                      Begriffsklärungen und Erfahrungsaustausch
        11:30 Uhr     Mittagspause
        12:00 Uhr     Thema Integration: „Wie werden wir bunter und mehr?“
        12:45 Uhr     Entwicklung von Handlungsansätze oder „Wie spreche ich es an?!“
        13:45 Uhr     Auswertung und Abschluss
        14:00 Uhr     Ende des Seminars

     Je nach Öffentlichkeitsarbeit kann auch mit Fotos oder der Website des DFV-Projekts geworben
     werden. Sollten bereits thematisch einschlägige Projekte in den Feuerwehren vor Ort stattge-
     funden haben oder in Planung sein, kann dies auch mit der Werbung gekoppelt werden. So
     zum Beispiel die Werbekampagne der Kreisfeuerwehren in Heidenheim, um Menschen mit
     Migrationshintergrund für die Feuerwehr zu gewinnen.

14
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

Exemplarischer Seminarplan

Sitzordnung: Kreis oder im Halbkreis
Material: Flipchart und Papier oder großes Papier und Kreppklebeband, dicke Stifte
                                                                                                                                   in !!
                                                                                                                         d Pausen e
          DIN A4 Papier und Stifte, Methodenanleitung inkl. Material, Kopien
                                                                                                     lanen Sie ausreichen
                                                                                                    P

     Zeit                       Inhalt                                       Methode      (Erklärungen ab S. 26)
   15 min.     Begrüßung                                     Visualisierung auf großem Papier
               Vorstellung des Themas
               Tagesplan
   15 min.     Vorstellungsrunde                             Kurzes Vorstellen: Name, Funktion in der Feuerwehr,
                                                             evtl. Beruf
   30 min.     Erweitertes Kennenlernen –                    Geschichte meines Namens
               Aufdecken von Vielfalt
   10 min.     Erwartungsabfrage                             Sammeln der Erwartungen auf Zuruf auf einer Flipchart
                                                             oder Metaplan-Abfrage

   45 min.     Klärung der Begriffe:                         Brainstorming:
               Vielfalt, Migration, Integration,             Variante a) in Arbeitsgruppen (AGs) zu einem Thema,
               Migrationshintergrund                         Aufgabenstellung: Sammeln Sie alles, was Ihnen zu
                                                             dem Begriff einfällt. Versuchen Sie in der Diskussion
                                                             eine erste Begriffsklärung (ohne Hilfsmittel!)
               Präsentation der Ergebnisse                   Variante b) Sammlung in der Großgruppe auf Flipchart-
               bei Variante a)                               papier – gemeinsames Sortieren
               Alternativ kann hier auch mit                 Diskussion in AGs zu verschiedenen Kurzdefinitionen
               Definitionen gearbeitet werden                aus Kapitel 6
               – das hemmt jedoch den
               Erfahrungsaustausch
   30 min.     Erfahrungen mit Integration von               Aufgabenstellungen in AGs bearbeiten und diskutieren
               unterschiedlichen Menschen in die             Ein positives Beispiel pro AG auswählen
               Feuerwehren sammeln – Diskussion
               in kleinen Gruppen anstoßen                   Vorstellung der Diskussionsergebnisse
   20 min.     Austausch über Fremd- und Selbst-             Kugellager – Speed Dating:
               wahrnehmungen der Feuerwehr                   Fragen: Wie ist das gesellschaftliche Bild der Feuer-
                                                             wehr?
                                                             Welche Bilder/Symbole bringt die Allgemeinheit mit der
                                                             Feuerwehr in Verbindung (positiv und negativ)?
                                                             Was macht das Selbstverständnis der Feuerwehr im
                                                             Inneren aus?
                                                             Welche Bilder oder Symbole drücken das positiv aus?
   10 min.     Visualisieren der Ergebnisse                  Fremd- und Selbstbilder auf Flipcharts getrennt fest-
                                                             halten
   10 min.     Willkommenskultur: Ansatzpunkte               Sammlung auf Metaplan-Karten und anpinnen
               nach innen und außen                          – gemeinsames Auswertungsgespräch

                                                                                                                                           15
Exemplarischer Seminarplan (Fortsetzung)

        Zeit                 Inhalt                             Methode        (Erklärungen ab S. 26)

       45 min.   Auseinandersetzung mit Ritua-      Dabei sein ist alles! – Eine konkrete Situation
                 len, Prozessen und Gruppen-        vorgeben, zum Beispiel: Es werden Wertungsrich-
                 dynamik in der Feuerwehr           ter/innen für den nächsten Wettbewerb gesucht;
                                                    eine neue Frau mit Feuerwehrerfahrung kommt
                                                    in eine Ortswehr
       15 min.   Auswertung und Übertragung         Auswertung der Beobachter/innen
                 auf Ein- und Ausgrenzung in        Übertragung auf den Alltag
                 der Feuerwehr
       60 min.   Alternativ: Thema Vorurteile       Drei Mitreisende bitte!
                 bearbeiten, über Stereotype,
                 Diskriminierungen und Vorur-
                 teile ins Gespräch kommen
       15 min.   Auswertung und Übertragung         Visualisierung der Ideen, Einfälle und Beispiele
                 auf den Feuerwehralltag und        auf Flipchartpapier
                 die Hindernisse von positiver
                 Vielfalt
       45 min.   Konkrete Handlungsansätze in       Brainstorming zur Frage: Wie lässt sich ein Zuge-
                 AGs entwickeln                     winn an Vielfalt und Offenheit in der einzelnen
                                                    Wehr erreichen?
                                                    Planung eines konkreten Projekt, so praktisch wie
                                                    möglich: Thema, Format, Zeitraum, Kooperations-
                                                    partner/innen, Finanzen, Voraussetzungen
       15 min.   Vorstellung der Projekte           Präsentation der Ergebnisse – visualisiert

       20 min.   Roten Faden des Seminars           Moderation zeigt den roten Faden anhand der
                 herausstellen                      bearbeiteten Fragestellungen und Methoden auf.
                 Zusammenfassen                     Den Zusammenhang von der Reflexion eigener
                 Feedback der Teilnehmer/innen      Interessen, Erfahrungen bis hin zum konkreten
                                                    Handlungsauftrag thematisieren. Verdeutlichen,
                                                    dass nur, wenn die einzelne Person sich um Of-
                                                    fenheit, interkulturelle Kompetenz und Respekt
                                                    bemüht, Integration gelingen kann.
                                                    Integration muss von der Feuerwehr als Willkom-
                                                    menskultur nach außen getragen werden, damit
                                                    bis jetzt nicht vertretene Gruppen überhaupt
                                                    Interesse an Beteiligung entwickeln können.

                                                                      der Ideen
                                                            lisierung
                                                 Die Visua            nnen hilft
                                                            ehmern/i
                                                 von Teiln             aden des
                                                   a be i de n roten F
                                                  d                     llen.
                                                               herzuste
                                                  Seminars

16
Schulungsmaterial für Multiplikator/innen zum Projekt „Deine Feuerwehr – Unsere Feuerwehr! Für ein offenes Miteinander“

Seminarbeginn und Kennenlernen
Am Beginn des Seminars steht eine Entscheidung
über die Sitzordnung. Für viele der hier vorgestell-
ten Themen und Methoden ist es sinnvoll, einen
Kreis oder Halbkreis aus Stühlen ohne Tische zu
bilden. Das Seminar lebt vom methodischen
Wechsel und der Mobilität der Teilnehmer/innen.
Die Teilnehmer/innen sollen immer wieder in un-
terschiedlichen Kleingruppen arbeiten, das ist lo-
gistisch in einem Kreis aus Stühlen einfacher und
schneller zu organisieren. In jedem Fall müssen
alle Teilnehmer/innen einander sehen können, so
dass eine zweite Reihe unbedingt vermieden wer-
den sollte.
Die Gruppendynamik und die Offenheit zum Ge-
spräch sind sehr wichtig! Einen Beitrag dazu leis-
tet eine offen gestaltete Sitzordnung. Des
Weiteren trägt die Moderation wesentlich zur At-
mosphäre bei: freundliche, klare und auch hu-
morvolle Arbeitsaufträge unterstützen eine gute            befördert, in der auch persönliche Äußerungen,
Grundstimmung. Dieser guten Grundstimmung                  Unsicherheiten und Zweifel ausgesprochen wer-
sehr zuträglich ist auch, immer wieder darauf hin-         den können. Neben der klassischen Vorstellungs-
zuweisen, dass möglichst alle Teilnehmer/innen             runde sollte noch eine intensivere Methode
gleichberechtigt zu Wort kommen sollen und                 benutzt werden, die sowohl Spaß macht als auch
dass es Aufgabe alle Teilnehmer/innen ist, darauf          ins Thema einleitet. „Die Geschichte meines Na-
zu achten. Je nach Gruppe ist es hilfreich, zusätz-        mens“ ist so eine Methode (Kapitel 6.1).
lich ein Plakat mit Kommunikationsregeln aufzu-
hängen; darauf kann bei Bedarf immer wieder                Erwartungsabfrage
verwiesen werden. Gute Inhalte des Plakats:                Zu diesem Einstiegsteil des Seminars gehört auch
Gleichberechtigte Kommunikation, keine Mono-               eine Verständigung über die Erwartungen, Inte-
loge, Aussprechen lassen, Wertschätzen … Es ist            ressen und Bedürfnisse der Teilnehmer/innen. Mit
die Aufgabe aller Beteiligten, für eine gute Ge-           Hilfe einer Erwartungsabfrage in Form eines Me-
sprächsatmosphäre zu sorgen.                               taplans (Kapitel 6.2) oder auch einer Sammlung
                                                           von Erwartungen auf Zuruf in der Gesamtgruppe
Nach der Begrüßung folgt eine kurze Einführung             erhalten alle Beteiligten die Chance, ihre eigenen
dazu, warum das Thema ausgewählt wurde:                    Vorstellungen zu äußern und gleichzeitig mehr
• Anlass                                                   über die anderen Leute in der Runde zu erfahren.
• Ziele                                                    Für die Moderation ist hier eine Möglichkeit, be-
• Motivationen                                             reits zu Beginn des Seminars zu verdeutlichen,
• Organisatorischer Rahmen                                 was im Rahmen des Tages angesprochen und be-
                                                           arbeitet werden kann und was den Rahmen
Ein Seminarplan auf Flipchartpapier sollte gut             sprengt. Es ist auch eine Möglichkeit, die eigenen
sichtbar aufgehängt und vorgestellt werden. Erst           Schwerpunkte oder Methodenauswahl gegebe-
danach folgt der inhaltliche Einstieg ins Seminar.         nenfalls noch mal zu verändern und der Gruppe
Um gemeinsam an einem Thema zu arbeiten,                   besser anzupassen.
müssen die Teilnehmer/innen einander (näher)
kennenlernen. Selbst wenn die Gruppe in ande-              Thematische Vertiefung und
ren Zusammenhängen miteinander vertraut ist,               Erfahrungsaustausch
ist es wichtig, am Anfang des Tages einen Rah-             Integration, Vielfalt, Migration sind Begriffe, die
men zum vertiefenden Kennenlernen zu schaf-                in aller Munde sind. Gleichzeitig gibt es eine
fen. Damit wird eine Gruppenatmosphäre                     große Unsicherheit über ihre Bedeutung und Ver-

                                                                                                                                             17
wendung. Gerade für Leute, die nicht aus dem          sem Fall wird ein Schwerpunkt auf die Integrati-
                          sozialen oder politischen Bereich kommen, ist es      ons- und Eingliederungsprozesse in den Feuer-
                          oft schwierig zu entscheiden, was jeweils ge-         wehren gelegt, es geht um Ein- und Ausschluss.
                          meint ist und woher eine bestimmte Bedeutung          Dabei können sowohl Gruppendynamiken und
                          eines Begriffs kommt. Einige dieser Bedeutungen       Rituale als auch Probleme und positive Konzepte
                          und Zusammenhänge werden in Kapitel 5 erläu-          reflektiert und diskutiert werden. Als Methode
                          tert bzw. als Kurzdefinitionen in Kapitel 6.6 zu-     bietet sich hier „Dabei sein ist alles!“ (Kapitel 6.4)
                          sammengefasst. Für das Seminar hat die Beschäf-       an, da hier in einer Art Rollenspiel verschiedene
                          tigung mit den Begriffen Vielfalt, Migration, Mi-     Verhaltensweisen erprobt und reflektiert werden.
                          grationshintergrund, Integration und kulturelle
                          Kompetenzen eine besondere Bedeutung, da da-          Eine andere Strecke orientiert sich an der Ausei-
                          durch eine gemeinsame Grundlage für das wei-          nandersetzung mit Stereotypen, Vorurteilen und
                          tere Gespräch und die Beschäftigung mit den           Diskriminierungen. In diesem Fall werden mit
                          Themen gelegt wird. Es lohnt sich, hier auf das       Hilfe der Methode „Drei Mitreisende bitte!“ (Ka-
                          Brainstorming (Kapitel 6.10) als Methode zurück-      pitel 6.7) verschiedene Zuschreibungen zu Perso-
                                     zugreifen, da damit sowohl ein             nen bearbeitet. Auch hier lässt sich eine Verbin-
                             nen     Wissens- und Erfahrungs- austausch         dung zum Thema Fremd- und Selbstbilder genau
          kretenIdeenkön
„D iekon
                 e mitinden
                                      der Teilnehmer/innen geför- dert als      wie zum Thema Willkommenskultur herstellen.
         ka nstöß                     auch eine Gesprächsbasis gelegt wird.
 alsDen
             om m enw erden“        Zum Erfahrungsaustausch gehört zu-        Handlungsansätze
  Alltaggen
                                    sätzlich die Reflexion der positiven Er-    Im letzten Teil des Seminars stehen die Zukunft
                          fahrungen mit Integration und Vielfalt in den         und mögliche Handlungsansätze im Mittelpunkt.
                          Wehren. Die Teilneh- mer/innen sollen in kleine-      Dem roten Faden des Seminars – von der Ausei-
                          ren Gruppen über ihre Erfahrungen in der Praxis       nandersetzung mit der eigenen Identität
                          sprechen. Dabei geht es zum einen darum, ins          (Namen), dem Erfahrungsaustausch, der Verstän-
                          Gespräch und den Austausch zu kommen. Zum             digung über Grundlagen hin zur Vertiefung des
                          anderen lässt sich an konkreten positiven Beispie-    Themas mittels Bearbeitung verschiedener
                          len zeigen, was für Faktoren, Bedingungen und         Fremd- und Selbstbilder und den Gruppendyna-
                          Personen die Integration von Frauen,                  miken in den Feuerwehren – wird hier eine
                          Migrant/innen, Protestant/ innen, Katholik/innen      weitere praktische Ebene hinzugefügt. Die Teil-
                          usw. in den Feuerwehralltag unterstützen und          nehmer/innen sollen so konkret wie nur möglich
                          befördern können. Mit Hilfe der positiven Bei-        eine Projektskizze entwickeln, wie sie zukünftig
                          spiele können dann Faktoren gesammelt werden,         mehr Vielfalt und Integration erreichen möchten.
                          die einer Willkommenskultur förderlich sind.          Anhand dieser konkreten Planungen lassen sich
                          Eine Beschäftigung mit den Fremd- und Eigen-          die verschiedenen Inhalte und Diskussionen des
                          wahrnehmungen der Feuerwehr kann diese Aus-           Tages noch einmal bündeln. Die konkreten Ideen
                          einandersetzung befördern. Hieran lassen sich         können als Denkanstöße mit in den Alltag ge-
                          sowohl positive als auch negative Bilder, Vorstel-    nommen werden.
                          lungen und Vorurteile offenlegen. Die Methode
                          des Speed Dating/Kugellagers (Kapitel 6.9) er-        Abschluss des Seminars
                          möglicht den konkreten Austausch in verschie-         Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung
                          denen Konstellationen und wird mit einer              durch die Moderation, in der noch einmal der
                          gemeinsamen Erkenntnissammlung abgeschlos-            rote Faden und der Aufbau des Seminars und
                          sen. Sie fördert den Austausch aller Beteiligten      seine Ergebnisse dargestellt wird. Wichtig ist es,
                          und gibt auch ruhigeren Teilnehmer/innen eine         dabei auf bestimmte Diskussionen, offene Fragen
                          gute Chance, sich einzubringen.                       oder Konflikte, die im Laufe des Tages aufge-
                                                                                taucht sind, einzugehen. Am Ende steht ein
                         Inhaltliche Vertiefung                                 wechselseitiges Feedback von Teilnehmer/innen
                         Je nach Zusammensetzung der Gruppe kann es             und Moderation. Gegebenenfalls können auch
                         sinnvoll sein, an der Willkommenskultur und den        konkrete Vereinbarungen für die weitere Arbeit
                         Indikatoren von Vielfalt weiter zu arbeiten. In die-   getroffen werden.

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