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Geburtshilfe / Frauen-Heilkunde / Strahlen-Heilkunde / Forschung / Konsequenzen Leodolter S, Joura EA HPV-Impfung: Praktische Aspekte Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2007; 25 (1) (Ausgabe für Schweiz), 12-12 Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2007; 25 (1) (Ausgabe für Österreich), 12-15 Homepage: www.kup.at/speculum Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche
Mitteilungen aus der Redaktion: Die meistgelesenen Artikel Journal für Urologie und Urogynäkologie P Journal für Reproduktions- medizin und Endokrinologie P Speculum P Journal für Gynäkologische Endokrinologie P Finden Sie in der Rubrik „Tipps und Tricks im Gyn-Ultraschall“ aktuelle Fallbeispiele von Univ.Prof. Dr. Christoph Brezinka, Innsbruck.
25. Jahrgang, 1/2007 Die bisherigen klinischen Untersuchun- gen zeigen bei Impfung entsprechend dem Schema einen 100%igen Schutz gegen In- HPV-Impfung: fektionen mit den durch den Impfstoff er- faßten HPV-Typen und gegen die damit as- soziierten Erkrankungen, wobei entspre- Praktische Aspekte chend den serologischen Studienergeb- nissen die Immunantwort besonders aus- geprägt ist. Für die Praxis ergibt sich eine Reihe wichti- S. Leodolter, E. Joura ger Fragen: ■ Wogegen schützt der Impfstoff? eit Anfang der 80er Jahre wird ein Der tetravalente SPMSD-Impfstoff (Garda- S Zusammenhang zwischen Infek- tionen mit humanen Papilloma- Viren (HPV) und der Entstehung von Zervixkarzinomen beschrie- ben; Pionier auf diesem Gebiet ist Harald zur Hausen aus Heidelberg. Bisher sind weit über 100 verschiedene HPV-Typen iden- sil®) löst die Bildung von impfspezifischen Antikörpern aus, er schützt demnach vor Infektionen mit den „high risk“-HPV-Ty- pen 16 und 18 sowie den „low risk“-HPV- Typen 6 und 11. ■ Wie hoch ist der Impfschutz? tifiziert worden, etwa 20 Typen werden der Die bislang publizierten Studien zeigen, daß „high risk“-Gruppe zugeordnet. Diese so- HPV-naive Frauen in 100 % vor Infektionen genannten „onkogenen“ HPV-Typen sind und Folgeerkrankungen, die durch die impf- ursächlich mit der Entstehung von Zervix- spezifischen HPV-Typen hervorgerufen wer- karzinomen und anderen Malignomen im den, geschützt sind. Personen, die bereits Ano-Genital-Bereich (und zusätzlich im mit einem oder mehreren der Impfstoff- HNO-Bereich) assoziiert, wobei allein die HPV-Typen infiziert sind, werden durch beiden HPV-Typen 16 und 18 für mehr als den Impfstoff vor den übrigen Impfstoff- 70 % aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs HPV-Typen geschützt. (und Vorstufen) ursächlich sind. Die wich- tigsten Vertreter der „low risk“-HPV-Gruppe ■ Hat der Impfstoff Einfluß auf eine be- (sogenannte „nicht-onkogene“ HPV-Ty- stehende Infektion? pen) sind die Typen 6 und 11, sie sind für über 90 % aller Fälle von Condylomata acu- Der Impfstoff hat keinen Einfluß auf eine minata, aber auch für bis zu 25 % der ge- bestehende Infektion, bietet aber einen gu- ringgradigen zervikalen intraepithelialen ten Schutz vor einer Re-Infektion (aus na- Neoplasien (CIN 1) verantwortlich. türlichen HPV-Infektionen resultiert hin- gegen keine Immunität); außerdem ist ein Seit etwa 10 Jahren entwickeln die Firmen 100%iger Schutz gegen die anderen im Impf- Merck Sharp & Dohme (MSD) und Glaxo stoff enthaltenen Virusstämme gegeben. SmithKline (GSK) Impfstoffe gegen Infek- tionen mit HPV. Diese Impfstoffe bestehen ■ Wer soll geimpft werden? aus nichtinfektiösen Viruspartikeln (sog. Entsprechend der Gebrauchsinformation „ Virus-like Particles“ = VLP). Der tetra- (die aus den Studienergebnissen resultiert) valente MSD-Impfstoff (Gardasil®) besteht sollten alle Jugendlichen zwischen dem 9. aus VLPs von HPV 16 und 18 sowie HPV 6 und 15. Lebensjahr sowie junge Frauen bis und 11 und wurde bereits im Juni 2006 in zum 26. Lebensjahr geimpft werden. Da die Mexiko, den USA und in Australien zugelas- HPV-Infektion in erster Linie durch Ge- sen. Weitere Zulassungen erfolgten im Juli schlechtsverkehr übertragen wird, ist die 2006 in Kanada, Neuseeland und im August Immunisierung vor Aufnahme des Sexual- 2006 in Brasilien. Seit September 2006 ist lebens wünschenswert. Gardasil® nunmehr auch in Europa verfüg- bar, er wird durch die Firma Sanofi Pasteur ■ Sollen auch Buben geimpft werden? (SP) vertrieben. Mit der Zulassung des biva- lenten GSK-Impfstoffes (Cervarix®), der VLPs Ja, denn Buben (und Männer) erkranken so- der „high risk“-HPV-Typen 16 und 18 ent- gar häufiger an Genitalwarzen (Condylo- 12 hält, ist 2007 zu rechnen. mata acuminata) als Mädchen und Frauen. For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
25. Jahrgang, 1/2007 Außerdem können Männer auch an HPV- ■ Welche Nebenwirkungen treten auf? assoziierten Karzinomen (wie Peniskarzi- Zu den häufigeren Nebenwirkungen (bei nom und Analkarzinom) erkranken. Und mehr als 1 von 10 Geimpften) zählen Ne- nicht zuletzt können sie als Überträger von benwirkungen an der Einstichstelle wie „onkogenen“ HP-Viren einen Risikofaktor Schmerz, Schwellung und Rötung, gele- darstellen. gentlich wurde auch eine erhöhte Tempe- ratur beobachtet. Seltener (bei etwa 1 von ■ Warum gibt es (vorerst) eine Altersober- 100 Geimpften) traten Blutungen und grenze von 26 Jahren? Juckreiz im Bereich der Einstichstelle auf. Die HPV-Impfung wurde als prophylaktische Ganz selten (bei weniger als 1 von 1000 Ge- Impfung konzipiert, daher wurden die welt- impften) kann es zu einer allergischen weiten Studien an Mädchen und Frauen in Reaktion, wie z. B. zu einer Urtikaria, kom- der Altersgruppe zwischen 16 und 26 Jah- men. ren durchgeführt. Zusätzlich wurden Kin- der zwischen 9 und 15 Jahren geimpft und ■ Gibt es Daten bezüglich Impfung in der entsprechende serologische Daten erho- Frühschwangerschaft? ben. Auf Basis der Ergebnisse der verschie- Der Impfstoff ist nicht teratogen. Die ver- denen Studien erfolgte die Zulassung. fügbaren Daten bzgl. Schwangerschafts- verlauf und „Fetal Outcome“ bei Frauen, Da zweifellos auch für Frauen, die älter die während der Impfphase schwanger wur- als 26 Jahre sind, ein Benefit durch die den, ergaben keine Hinweise auf eine er- Impfung gegeben ist, kann bei ihnen höhte Rate an Fehlgeburten oder Mißbil- eine HPV-Impfung „off label“ empfohlen dungen (Tab. 1). Trotzdem sollte bei Kin- werden; eine entsprechende Information derwunsch mit der Schwangerschaft bis zur der zu Impfenden ist naturgemäß obligat. Beendigung der Impfphase abgewartet wer- Es ist zu erwarten, daß es im Jahre 2007 den. Kommt es zum Eintritt einer Schwan- auch Daten für Frauen über dem 26. Le- gerschaft während der Impfphase, so sollte bensjahr geben wird, entsprechend wird mit den noch ausstehenden Teilimpfungen auch die Zulassung erweitert werden. GSK bis zur Beendigung der Schwangerschaft hat für den Impfstoff Cervarix® um eine zugewartet werden. Bei Frauen, die stillen, Zulassung bis zum 55. Lebensjahr an- besteht keine Kontraindikation zur Imp- gesucht. fung. ■ Wie lange hält der Impfschutz? ■ Muß vor der Impfung ein HPV-Test Die Studienergebnisse zeigen, daß es in- durchgeführt werden? nerhalb von 5 Jahren nach Immunisierung Nein, eine HPV-Testung hat aus den folgen- zu keinem signifikanten Abfall der Antikör- den Gründen keine klinische Relevanz: per-Titer kommt. Daraus läßt sich ableiten, – Die meisten HPV-Infektionen sind tran- daß ein Impfschutz durch viele Jahre sient. (möglicherweise lebenslang) besteht. Aller- – Meistens liegt eine Infektion mit nur ei- dings ist anzuführen, daß bisher unbe- nem HPV-Stamm vor (nur in 5 % der kannt ist, wie hoch der Antikörper-Titer für Fälle eine Infektion mit zwei oder mehr die Prävention von HPV-Infektionen sein HPV-Stämmen) (Tab. 2). muß; die natürlich erworbenen Antikörper- Titer schützen bekanntlich nicht vor Rein- Tabelle 1: Ausgang der Schwangerschaften im Phase-III-Pro- fektionen. gramm, Daten ab 11. November 2005 Durch populationenbasierte Untersuchun- Ausgang GardasilTM Placebo gen werden zur Frage der Impfschutzdauer (n = 10.418) (n = 9120) laufend Informationen gesammelt. Anzahl der schwangeren Probanden 1115 1151 ■ Ist eine Auffrischungsimpfung notwen- Anzahl der Schwangerschaften 1244 1272 dig? Föten/Kinder laufende Schwangerschaft/ Diese Frage wird erst in einigen Jahren Ausgang unbekannt 258 263 beantwortet werden können. In Studien bekannter Ausgang 996 1018 wurde nachgewiesen, daß eine Auffrischung Lebendgeburten 621 (62 %) 611 (60 %) zu einer guten Boosterung der Antikörper Fehlgeburten 375 (38 %) 407 (40 %) führt. 13
25. Jahrgang, 1/2007 Tabelle 2: Probanden Tag 1, positiv bei einem tion zwei Monate nach der ersten Injektion, oder mehreren Impfstoff-HPV-Typen, Proto- und die dritte Impfdosis wird sechs Monate kolle 007, 013, 015 nach der Erstinjektion verabreicht. Die zu Anzahl der impfende Person sollte das komplette 3- Positiv bei positiven Dosen-Impfschema erhalten, da sie sonst Typen Serologie PCR beiden (möglicherweise) nicht vollständig ge- schützt ist. 1 15,1 % 12,2 % 19,6 % 2 3,7 % 2,1 % 5,6 % 3 0,7 % 0,2 % 1,2 % 4 0,07 % 0,006 % 0,1 % Wie oft soll geimpft werden, um 100 % Impfschutz zu erhalten? – Der einzige zugelassene Test (Hybride – Die Immunisierung erfolgt in 3 Teil- Capture II) hält lediglich die Risiko- impfungen nach Schema: Monat 0, gruppe (d. h. „high risk“ und/oder „low Monat 2 und Monat 6* risk“), jedoch nicht einen spezifischen – Verabreichungsort: Musculus deltoi- Stamm fest. deus am Oberarm ■ Gibt es eine Kreuzimmunität? * Sollte ein hiervon abweichendes Impf- schema erforderlich sein, ist die zweite Do- Aufgrund der engen genetischen Verwandt- sis frühestens einen Monat nach der ersten schaft zwischen den verschiedenen HPV- und die dritte frühestens drei Monate nach Stämmen ist auch ein gewisser Schutz ge- der zweiten Dosis zu verabreichen. Alle drei gen andere als die impfspezifischen HPV- Dosen sind innerhalb von 12 Monaten zu Typen zu erwarten, so insbesondere gegen verabreichen. die HPV-Stämme 31 und 45; allerdings gibt es bislang zu dieser Frage nur vorläufige Ergebnisse (Abb. 1). ■ Konsequenzen für das Screening? ■ Wer soll impfen? Da es durch die bisher entwickelten Impf- stoffe in erster Linie zu einer Immunisie- Das vordringliche Ziel sollte eine möglichst rung gegen die beiden „onkogenen“ HPV- hohe Impfrate bereits vor der Kohabitarche Typen 16 und 18 kommt, sie also keinen sein. Aus diesem Grund wäre eine Immuni- vollständigen Schutz vor dem Zervixkarzi- sierung im Rahmen der Schulimpfung wün- nom (und den Vorstufen) bieten, besteht schenswert, was sich zweifellos nur fachüber- für die Geimpften nach wie vor die Notwen- greifend erreichen läßt. Laut WHO ist jeder digkeit, an Krebsfrüherkennungsprogram- Arztkontakt für Impfaufklärung zu nützen. men teilzunehmen. Die Einführung der ■ Wie ist der Impfstoff anzuwenden? Impfung ersetzt also keineswegs die bishe- 1: rigen Vorsorgeprogramme. So wird eine Der Impfstoff wird in drei Einzeldosen ver- qualitätskontrollierte Zervixzytologie trotz HPV: Der phylogenetische abreicht. Die erste Injektion erfolgt zu ei- Immunisierung gegen HPV-Infektionen Stammbaum nem gewählten Zeitpunkt, die zweite Injek- auch in Zukunft ihren Stellenwert haben. ■ Perspektiven der Impfung? Kurzfristig ist bei entsprechendem Impf- verhalten eine Abnahme der Inzidenz von Krebsvorstufen und von Condylomen zu erwarten, mittel- und langfristig eine Re- duktion von anogenitalen Karzinomen. Schlußbetrachtung In der gynäkologischen Onkologie kommt Präventionsaspekten traditionell große Be- deutung zu. Neben den Bemühungen zur Reduktion von Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms durch Entdeckung von Vor- stadien (sekundäre Prävention) eröffnet die Immunisierung gegen anogenitale Mali- 14 gnome durch HPV-Impfung erstmals die
25. Jahrgang, 1/2007 Möglichkeit für eine primäre Prävention. Unserem Fach wird jedenfalls im Rahmen Zur Etablierung von flächendeckenden Impf- der praktischen Umsetzung der HPV-Impf- programmen sind nunmehr entsprechende programme eine ganz besondere Bedeu- Aktivitäten von seiten der Gesundheits- tung zukommen, einerseits als Berater der politik gefragt, deren Aufgabe es ist, eine Gesundheitsbehörden und andererseits für Reihe von logistischen und organisatori- die praktische Umsetzung des Impfpro- schen Fragen zu klären; auch steht die Be- grammes. reitschaft der Sozialversicherung, HPV- Impfprogramme zu finanzieren, noch aus. Literatur beim Verfasser. o. Univ.-Prof. Dr. Sepp Leodolter Geboren 1943 in Wien. Von 1961–1967 Medizinstudium an der Universität Wien. 1967 Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde. Von 1967–1969 Assistenzarzt am Pharmakologischen Institut, Universität Wien; weiters Absolvierung der Gegenfächer. 1970 Koautor einer mit dem „Anton von Eiselsberg-Preis 1970“ ausge- zeichneten Arbeit. 1970–1981 Universitätsassistent an der I. Universitäts-Frauenklinik, Wien. 1972 abermals Koautor einer mit dem „Anton von Eiselsberg-Preis 1972“ ausgezeichneten Arbeit. 1975 Facharzt für Frauen- heilkunde und Geburtshilfe. 1979 Lehrbefugnis als Universitätsdozent (venia docendi) für Gynäkologie und Geburtshilfe. 1981–1996 Vorstand der Gynäkologisch-Geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses der Stadt Wien/Lainz. 1983 Ernennung zum Leiter eines Ludwig Boltzmann-Institutes. 1985 Verleihung des Titels eines a.o. Universitätsprofessors. 1985 Ernennung zum Stellvertreter des Ärztlichen Leiters des Krankenhau- ses der Stadt Wien/Lainz. 1996 Ernennung zum o. Univ.-Prof., seit 1996 Leiter der Klinischen Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien. 1999 Wahl zum Vorsitzen- den der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO) der Österreichischen Gesellschaft für Gynä- kologie und Geburtshilfe (OEGGG). 1999 Wahl zum Stellvertreter des Vorstandes der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien. 2001 Wahl zum Präsidenten der Gesellschaft der Ärzte in Wien. 2003 Wahl zum Präsi- denten der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG). Korrespondenzadresse: o. Univ.-Prof. Dr. Sepp Leodolter Klinische Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinik für Frauenheilkunde A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20 E-Mail: Sepp.Leodolter@meduniwien.ac.at 15
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