Wenn die Schwangerschaft das Herz schädigt - Hoffnung für Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie - Klinik für ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
HER ZSCHWÄCHE Wenn die Schwangerschaft das Herz schädigt Hoffnung für Frauen mit peripartaler Kardiomyopathie Tobias König, Denise Hilfiker-Kleiner & Johann Bauersachs Die Schwangerschafts-Kardiomyopathie ist Lungenstauung. Die Ultraschalluntersuchung eine schwere Schwäche des Herzens. Sie des Herzens zeigt schließlich eine hochgradig kann tödlich enden. Die Erkrankung rasch eingeschränkte Pumpleistung der linken Herz- zu erkennen, ist lebenswichtig: Bei rechtzei- kammer. Anja L. muss im Krankenhaus bleiben. tiger Diagnose kann das drohende Herzver- Sie erhält über die Vene ein Medikament, das sagen mit einem Medikament zum Abstillen den Körper überschüssige Flüssigkeit ausschei- verhindert werden. den lässt. Ihre Luftnot bessert sich daraufhin rasch, innerhalb weniger Tage gehen auch die Als Anja L. ihr drittes Kind zur Welt bringt, Schwellungen der Unterschenkel und Knöchel scheint das Glück der jungen Familie vollkom- zurück. Zusätzlich erhält Anja L. Medikamente men. Zwei Wochen nach der Entbindung aber zur Behandlung der Herzschwäche – und ein klagt die 34-Jährige zunehmend über ständige Abstillmittel. Müdigkeit und Abgeschlagenheit. „So kurze Die Diagnose lautet: schwangerschaftsbeding- Zeit nach der Geburt ist das nicht ungewöhn- te Herzschwäche, fachsprachlich peripartale lich“, beruhigt sie die Hebamme. „Viele Frau- Kardiomyopathie. „Herzschwäche? Ich hatte en haben nach der Entbindung solche Pro- doch noch nie Probleme mit dem Herzen!“, bleme – sie werden bald vorübergehen.“ Doch wundert sich Anja L. „Und warum muss ich die Beschwerden bleiben. „Geh zu unserem ein Abstillmittel einnehmen?“ Der Arzt erklärt Hausarzt“, bittet der besorgte Ehemann. Schon ihr, dass das Stillhormon Prolaktin als wesent- einen Tag darauf besucht die junge Mutter lich für das Entstehen der peripartalen Kardio- den Hausarzt in der Praxis, berichtet von der myopathie angesehen wird: „Mit dem Abstill- Geburt ihres Kindes und ihren Beschwerden. mittel wollen wir weitere Schädigungen Ihres „Womöglich haben Sie Asthma“, vermutet der Herzens verhindern.“ Noch eine Woche bleibt Arzt. Er verordnet Asthmamedikamente zum Inhalieren und sagt seiner Patientin, dass sie sich keine Sorgen machen soll. Doch der Zustand von Anja L. verschlechtert Symptome sich weiter. Bei jeder noch so kleinen körperli- chen Belastung gerät sie in Luftnot, ihre Unter- QAbgeschlagenheit und Antriebslosigkeit schenkel und Knöchel sind geschwollen. Erneut QAtemnot unter Belastung oder in Ruhe sucht sie den Hausarzt auf. Diesmal überweist QSchlafen im Liegen nicht möglich er sie ins Krankenhaus. Der Assistenzarzt in der QGeschwollene Beine, geschwollene Notaufnahme befürchtet eine Lungenembolie Knöchel und veranlasst eine Computertomographie. Qmehrfaches Wasserlassen während Doch es lässt sich keine verschlossene Lungen- der Nacht arterie nachweisen. Stattdessen bemerkt der QHerzrasen oder Herzstolpern Radiologe ein vergrößertes Herz und eine 22 HERZ HEUTE 1/2019
Die schwangerschaftsbedingte Kardiomyopathie ist eine seltene Erkrankung, die bei zuvor herzgesunden Frauen gegen Ende der Schwangerschaft oder in den Monaten nach der Entbindung auftreten kann. Anja L. im Krankenhaus, dann kann sie wieder dass sich Ihr Herz wieder ganz erholen wird“, nach Hause zu Ehemann und Kindern. In den versichert der Arzt seiner Patientin. nächsten Monaten bessert sich ihre Leistungs- fähigkeit, der Körper lagert kein Wasser mehr ein und die Kontrolluntersuchung verläuft Plötzlich herzkrank positiv. „Die Herzleistung ist nur noch leicht Die peripartale Kardiomyopathie, abgekürzt eingeschränkt“, bemerkt der Kardiologe. Die PPCM (nach der englischen Bezeichnung Peri- Medikamente soll Anja L. vorerst weiter regel- partum Cardiomyopathy), ist eine seltene Herz- mäßig einnehmen. „Es ist davon auszugehen, erkrankung. Sie kann bei zuvor herzgesunden HERZ HEUTE 1/2019 23
Das Ultraschallbild zeigt das Herz einer Patientin mit akuter periparta- ler Kardiomyopathie. Zu erkennen ist die erweiterte linke Herzkammer (mit * gekennzeichnet) und die erweiterte linke Vorkammer (mit # markiert). Im Herzbeutel hat sich Flüssigkeit angesammelt (Perikarderguss; siehe Pfeil). Frauen gegen Ende der Schwangerschaft oder sich während der Schwangerschaft entwickeln- in den Monaten nach der Entbindung auftreten. der Bluthochdruck. Was die Erkrankung letzt- In Deutschland entwickelt sich eine periparta- lich auslöst, war lange unbekannt. Im Jahr 2007 le Kardiomyopathie bei schätzungsweise einer wurde als möglicher Auslöser das Stillhormon von 1 000 bis 1 500 Schwangerschaften: Das Prolaktin erkannt, das über eine komplexe mo- Herz ist schwach, die Pumpleistung der linken lekulare Kette das Herz schädigt (siehe Kasten Herzkammer liegt unter 45 Prozent, normal „Aus der Forschung“ auf Seite 26). Auch die Pla- sind 60 bis 70 Prozent. Die Symptome ähneln zenta könnte neueren Erkenntnissen nach zur Beschwerden, die gegen Ende der Schwanger- Herzschwäche beitragen: Sie setzt Faktoren in schaft und nach einer Entbindung nicht selten die Blutbahn der Mutter frei, etwa das Protein sind. Sie werden deshalb häufig fehlgedeutet sFlt-1, welche die Gefäße schädigen. und zunächst nicht mit einer Schwäche des Herzens in Verbindung gebracht. Zumeist klagen die Frauen über Kurzatmigkeit Diagnose und Therapie bei Belastung, Schwellungen der Unterschen- Zwei Methoden sind für die Diagnose der pe- kel und Knöchel (Ödeme), Abgeschlagenheit, ripartalen Kardiomyopathie unverzichtbar: Müdigkeit, Übelkeit, Schwindel und Herzrasen. die Untersuchung des Herzens mit Ultraschall In schweren Fällen kann akute Luftnot selbst in (Echokardiographie) und die Analyse des Ruhe bestehen; tritt Kammerflimmern auf, die Blutes, um Proteine nachzuweisen, die eine gefährlichste Herzrhythmusstörung, droht der Schwäche des Herzens anzeigen (natriureti- plötzliche Herztod. Als Risikofaktoren, die das sche Peptide: NTpro-BNP oder BNP; sogenann- Entstehen einer peripartalen Kardiomyopathie te Herzschwächemarker). Mit diesen beiden begünstigen, gelten ein höheres Alter der Mut- Untersuchungsmethoden kann eine peripar- ter, Mehrlingsschwangerschaften, Rauchen, In- tale Kardiomyopathie rasch festgestellt bezie- fektionen, künstliche Befruchtung und ein be- hungsweise ausgeschlossen werden. Die EKG- reits vor der Schwangerschaft bestehender oder Untersuchung des Herzens hingegen ist häufig 24 HERZ HEUTE 1/2019
Das Herz der Patientin sechs Monate nach Diagnose und Behandlung: Die linke Herzkammer (*) und die linke Vorkammer (#) sind nicht mehr erweitert, der Perikarderguss ist nicht mehr nachweisbar. wenig aussagekräftig. Untersuchungen mit der möglich. Bromocriptin hemmt die Bildung Computer- oder Magnetresonanztomographie des Stillhormons Prolaktin und verhindert dienen dazu, anderweitige Ursachen für die die sich anschließende molekulare Signalket- Herzschwäche auszuschließen, beispielsweise te, die letztlich das Herz schädigt. Weil durch eine Lungenembolie oder Herzmuskelentzün- das Medikament ein Versiegen des Milchflus- dung. Besteht der Verdacht auf einen Infarkt als ses herbeigeführt und das Kind abgestillt wird, Ursache, wird eine Herzkatheteruntersuchung können die Patientinnen darüber hinaus die notwendig. üblicherweise bei Herzschwäche eingesetz- Die Schädigung des Herzens bei einer peripar- ten Medikamente erhalten, ohne das Kind zu talen Kardiomyopathie ist potenziell reversibel gefährden (Betablocker, ACE-Hemmer/AT1- und kann mit einer medikamentösen Therapie Antagonisten/ARNI, Mineralokortikoidrezep- rückgängig gemacht werden. In nahezu allen tor-Antagonisten, gegebenenfalls der Sinus- Fällen ist dafür ein Krankenhausaufenthalt er- knotenhemmer Ivabradin). forderlich; je nach Schwere der Erkrankung Dass Bromocriptin als Medikament zur Be- kann es notwendig werden, die Patientin auf handlung der peripartalen Kardiomyopathie der Intensivstation zu behandeln, künstlich zu dienen könnte, wurde erstmals vor zehn Jah- beatmen und zeitweise Herzunterstützungs- ren vermutet, als Wissenschaftler den mögli- systeme einzusetzen. Sollte die Patientin zum chen molekularen Entstehungsmechanismus Zeitpunkt der Erkrankung noch nicht entbun- der Erkrankung entdeckten. Neben anderen den haben, muss die Geburt von Kardiologen, Studien konnte auch eine von der Medizini- Frauen- und Kinderärzten sowie Anästhesisten schen Hochschule Hannover initiierte und im sorgsam geplant werden und sollte in einem Jahr 2017 in der renommierten Fachzeitschrift Zentrum stattfinden, das damit Erfahrung hat. „European Heart Journal“ veröffentlichte Stu- Eine ursächlich ansetzende medikamentö- die den therapeutischen Nutzen des Abstill- se Therapie der peripartalen Kardiomyopa- mittels bei der schwangerschaftsbedingten thie ist mit dem Arzneistoff „Bromocriptin“ Herzschwäche belegen: Patientinnen, die an HERZ HEUTE 1/2019 25
Eingeschränkte Pumpleistung Eingeschränkte Pumpleistung Schwerstkranke Patientinnen der linken Herzkammer der linken Herzkammer mit Notwendigkeit der (LV-EF 25-45 %), keine (LV-EF
einer schweren peripartalen Kardiomyopa- mehr. Bei 30 bis 40 Prozent der Patientinnen thie erkrankt und mit Bromocriptin behandelt erholt sich das Herz zumindest teilweise: Die wurden, zeigten in der Verlaufskontrolle nach Pumpleistung des Herzens bessert sich, die sechs Monaten eine deutlich verbesserte Funk- Symptome werden geringer. Bei etwa zehn tion des Herzens. Verglichen mit Patientinnen Prozent der Frauen bleibt eine schwere Herz- eines Registers, denen Bromocriptin nicht ver- schwäche bestehen. In diesen Fällen wird es abreicht wurde, erwies sich darüber hinaus, zumeist notwendig, einen Defibrillator zu im- dass die mit Bromocriptin versorgten Patien- plantieren, eventuell in Verbindung mit einem tinnen eine geringere Sterblichkeit aufwiesen, sogenannten Resynchronisationssystem: Der dass Herztransplantationen oder die Implanta- Defibrillator schützt die Patientinnen vor dem tion von Kunstherzen weniger häufig notwen- plötzlichen Herztod aufgrund schwerer Herz- dig wurden und eine schwer eingeschränkte rhythmusstörungen; mit der Resynchronisa- Herzfunktion weniger oft bestehen blieb. tionstherapie lässt sich die Pumpleistung der linken Herzkammer steigern. Die Implantation eines Kunstherzens oder gar eine Herztrans- Frühes Erkennen wichtig plantation ist erfreulicherweise nur selten erfor- Die Prognose von Patientinnen mit peripar- derlich. Wichtig ist es, bei schwangeren Frauen taler Kardiomyopathie ist grundsätzlich gut. oder Wöchnerinnen, die eines oder mehrere Unter einer optimalen Therapie erholt sich der genannten Symptome zeigen, immer auch das Herz bei etwa der Hälfte der betroffenen an eine Schwangerschafts-Kardiomyopathie zu Frauen vollständig: Das Herz pumpt wieder denken: Je früher die Diagnose gestellt wird, normal, und es bestehen keine Beschwerden desto besser sind die Heilungsaussichten. Ausgewählte Literatur: DR. TOBIAS KÖNIG arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik Bauersachs, J., Arrigo, M., Hilfiker-Kleiner, D., Veltmann, für Kardiologie und Angiologie C., Coats, A. J., Crespo-Leiro, M. G. et al. (2016): Current der Medizinischen Hochschule management of patients with severe acute peripartum cardiomyopathy: practical guidance from the Heart Failure Hannover. Association of the European Society of Cardiology Study Group on peripartum cardiomyopathy. In: Eur J Heart Fail, 18(9), S. 1096-1105. doi:10.1002/ejhf.586. Hilfiker-Kleiner, D., Kaminski, K., Podewski, E., Bonda, PROF. DR. DENISE HILFIKER- T., Schaefer, A., Sliwa, K. et al. (2007): A cathepsin KLEINER ist Forschungsdeka- D-cleaved 16 kDa form of prolactin mediates postpartum cardiomyopathy. In: Cell, 128(3), S. 589-600. doi:S0092- nin und hat die Professur für 8674(07)00060-8. „Molekulare Kardiologie“ der Medizinischen Hochschule Hilfiker-Kleiner, D., Haghikia, A., Berliner, D., Vogel- Hannover inne. Claussen, J., Schwab, J., Franke, A. et al. (2017): Bromocrip- tine for the treatment of peripartum cardiomyopathy: a multicentre randomized study. In: Eur Heart J, 38(35), S. 2671-2679. doi:10.1093/eurheartj/ehx355. PROF. DR. JOHANN BAUER- Hilfiker-Kleiner, D., Haghikia, A., Nonhoff, J., Bauersachs, SACHS ist Direktor der Klinik J. (2015): Peripartum cardiomyopathy: current manage- für Kardiologie und Angiologie ment and future perspectives. In: Eur Heart J, 36(18), S. der Medizinischen Hochschule 1090-1097. doi:10.1093/eurheartj/ehv009. Hannover. Kontakt: koenig.tobias@mh-hannover.de HERZ HEUTE 1/2019 27
Sie können auch lesen