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   Trump's Fair Trade - aber fair für wen?
   Mildner, Stormy-Annika; Schmucker, Claudia

   Veröffentlichungsversion / Published Version
   Arbeitspapier / working paper

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Mildner, S.-A., & Schmucker, C. (2017). Trump's Fair Trade - aber fair für wen? (DGAP-Analyse, 6). Berlin:
Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-
ssoar-56084-8

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DGAPanalyse                                                               Nr. 6 / Juli 2017

Trump’s Fair Trade – aber fair für wen?
Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker

US-Präsident Donald Trump setzt in der Handelspolitik auf strikte Reziprozität im
Marktzugang; Messlatte sind bilaterale Handelsbilanzen. Die transatlantischen
Wirtschaftsbeziehungen dürften somit deutlich schwieriger werden. Daher müs-
sen Deutschland und die EU auch ihre eigenen handelspolitischen Hausaufgaben
entlang eines 5-Punkte Plans machen: 1. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg müssen
sich die Staaten gemeinsam gegen Protektionismus und für offene Märkte stark
machen, zur Not auch ohne die USA. 2. Die EU sollte sich für eine Modernisie­
rung des WTO-Handelsrechts einsetzen und weitere bilaterale Handelsabkommen
abschließen. Dabei muss sie dafür sorgen, dass möglichst viele von den Vorteilen
des Handels profitieren. 3. Die EU sollte die Gefahren der Handelspolitik von Trump
nicht unterschätzen, da er einen großen Spielraum hat, um Importe einzuschrän-
ken. 4. Das Projekt TTIP darf nicht aufgegeben werden. Die Verhandlungen sollten
aber erst dann wiederaufgenommen werden, wenn es auf beiden Seiten ernsthafte
Aussichten auf Erfolg bei Verhandlung und Ratifizierung gibt. 5. Die EU sollte die
transatlantischen Dialogformate wiederbeleben. Dazu gehört auch der Transatlan-
tische Wirtschaftsrat, der die TTIP-Gespräche zu Regulierungsfragen weiterführen
könnte.
DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Inhalt

		 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?
            Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker

        3   Executive Summary und Handlungsempfehlungen

        5   I. Einleitung

        6   II. Trumps handelspolitische Agenda: Grund zur Besorgnis

       11   III. Trumps Team und das neue institutionelle Set-up

       12   IV. Was kann der Präsident? Das handelspolitische Instrumentarium
            der Exekutive

       18   V. Trump und Freihandelsabkommen: Neuverhandlung von NAFTA

       20   VI. Trumps Basis: Interessenkoalitionen

       25   VII. Ein „Deal“ mit Trump? Die Zukunft der transatlantischen
            Wirtschaftsbeziehungen

       29   Anmerkungen

                                                          DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
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DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
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Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?
Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker

Executive Summary und                                           G20 aufgrund des Widerstands der USA nicht gelingt,
Handlungsempfehlungen                                           sollten sich zumindest die restlichen Mitglieder ge-
Die Handelspolitik gehört zu den Top-Prioritäten von            meinsam gegen Protektionismus und für offene und
US-Präsident Donald Trump. Trump will aggressiv gegen           inklusive Märkte stark machen. Gleichzeitig müssen die
von der Regierung als unfair identifizierte Praktiken von       G20-Mitglieder auf nationaler Ebene die Vorteile des
US-Handelspartnern vorgehen und das US-Handelsbi-               Welthandels besser erklären. Dabei müssen sie auch
lanzdefizit abbauen. So will er die US-Wirtschaft stärken       jene ansprechen, die sich ausgegrenzt fühlen, und ihre
und Arbeitsplätze schaffen. Er setzt auf strikte Rezipro-       Anstrengungen in den Bereichen Bildung und lebens-
zität (Gegenseitigkeit) im Marktzugang – Messlatte sind         langes Lernen verstärken, um diesen Menschen zu neu-
bilaterale Handelsbilanzen. Handelsabkommen, die nicht          en Chancen zu verhelfen. Deutschland hat noch bis zum
den versprochenen Nutzen für die USA bringen, sollen            30. November 2017 die G20-Präsidentschaft inne; dann
neu verhandelt werden. Während die USA in der Vergan-           übernimmt Argentinien. Mitte Dezember 2017 wird
genheit stets Verfechter eines regelbasierten, internatio­      in Buenos Aires die 11. Ministerkonferenz der Welt-
nalen Handelssystems waren, stellt Präsident Trump              handelsorganisation (WTO) stattfinden. Zusammen
dieses grundlegend in Frage.                                    mit Argentinien sollte die Bundesregierung die zweite
    Handel und Investitionen werden auch in Zukunft das         Jahreshälfte nutzen, um in der G20 ein gemeinsames
Rückgrat der transatlantischen Beziehungen sein. Aber           Verständnis zur WTO-Agenda zu erarbeiten und so eine
die wirtschaftspolitischen Beziehungen dürften deutlich         Basis für eine erfolgreiche Konferenz zu schaffen.
schwieriger werden. Dabei steht für Deutschland und          .. Stärkung der EU-Handelspolitik: Sollte Trumps han-
Europa viel auf dem Spiel: Die USA sind das wichtigste          delspolitische Agenda umgesetzt werden, bedeutet
Zielland für deutsche Warenexporte (2016). Deutsche und         dies einen Rückzug der USA aus dem internationalen
US-amerikanische Unternehmen sind außerdem wichtige             Handelssystem. Die USA würden dann eine Führungs-
Investoren für den jeweils anderen Markt – die Verei-           lücke hinterlassen. Die EU sollte diese schließen. Sie
nigten Staaten sind das wichtigste Zielland für deutsche        sollte sich in der WTO nicht nur weiterhin proaktiv für
Direktinvestitionen im Ausland. Auch die Wirtschaftsbe-         eine Modernisierung des Handelsrechts einsetzen (zum
ziehungen zwischen der EU und den USA sind eng. 2016            Beispiel für die Entwicklung von Regeln zum digitalen
gingen (ohne intra-europäischen Handel) 20,7 Prozent            Handel), sondern auch weitere bilaterale Handelsab-
der gesamten europäischen Exporte in die USA. Aus den           kommen mit wichtigen Handelspartnern abschließen.
USA kamen 14,5 Prozent der Importe der EU.                      Dies wird ihr jedoch nur dann gelingen, wenn sie dafür
    Angesichts der Bedeutung der transatlantischen              die uneingeschränkte Rückendeckung der EU-Mit-
Wirtschaftsbeziehungen sollten Deutschland und die EU           gliedstaaten hat. Entsprechend muss sie einen offenen
nicht nur weiter in die transatlantischen Beziehungen           Dialog mit diesen sowie der Zivilgesellschaft darüber
investieren, sondern müssen auch ihre eigenen handels-          führen, welche Konsequenzen aus dem Urteil des Euro-
politischen Hausaufgaben entlang des folgenden 5-Punk-          päischen Gerichtshofes über das Freihandelsabkommen
te Plans machen:                                                mit Singapur zu ziehen sind (Kompetenzverteilung
.. Agenda für freien und inklusiven Handel: Um Trumps           zwischen EU und Mitgliedstaaten) und wie moderne
   protektionistischen Vorhaben entgegenzuwirken, muss          und ambitionierte Handelsabkommen in der Zukunft
   die internationale Gemeinschaft ein deutliches Zei-          gestaltet werden sollen. Die EU muss eine Handelspoli-
   chen für offene Märkte setzen. Auf dem anstehenden           tik verfolgen, die für offene Märkte steht und gleichzei-
   G20-Gipfel in Hamburg sollten die G20-Mitglieder             tig dafür sorgt, dass möglichst viele von den Vorteilen
   ihre Verpflichtung mit Nachdruck wiederholen, keine          des Handels profitieren. Nur ein nach innen starkes
   neuen protektionistischen Maßnahmen einzuführen.             Europa kann auch international stark sein.
   Wenn eine gemeinsame Erklärung der Mitglieder der

                                                                                             DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
4 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?

.. Trump nicht unterschätzen: Trumps erratischer Füh-            handlungspartner sollten die gemeinsame Grundlage
   rungsstil, sein internationales Auftreten, seine sinken-      und Erfolgsausschichten für eine Wiederaufnahme
   den Beliebtheitswerte in den USA und die aktuellen po-        der TTIP-Verhandlungen sorgfältig prüfen. Wenn auf
   litischen Skandale sollten nicht dazu verleiten, die Ge-      beiden Seiten ernsthafte Aussichten auf Erfolg bei
   fahren seiner Handelspolitik zu unterschätzen. Trump          Verhandlung und Ratifizierung bestehen, sollten die
   fordert schon seit Jahrzehnten einen faireren Handel          Verhandlungen wieder aufgenommen werden.
   für die USA und ist damit – im Gegensatz zu vielen         .. Wiederbelebung der transatlantischen Dialoge: Unab-
   anderen Themen – gefestigt in seinen Überzeugungen.           hängig von TTIP sollte die EU den konstruktiven Dialog
   Mit Robert Lighthizer, Wilbur Ross und Peter Navarro          über Freihandel mit der neuen US-Administration
   in den handelspolitischen Spitzenpositionen hat er sich       suchen. Dabei muss sie den USA gleichzeitig deutlich
   zudem nicht nur Hardliner, sondern auch erfahrene             machen, welche Interessen und Werte sie verfolgt.
   Handelsexperten und harte Verhandler in sein Team             Bestehende Dialogformate mit den USA sollten ge-
   geholt. Verfassungsrechtlich liegt die Kompetenz für          stärkt und eingeschlafene Formate gegebenenfalls
   den Handel im Kongress. Trump wird langfristig daher          neu gestartet werden – und zwar auf allen Ebenen: auf
   keine Handelspolitik am Kongress vorbei machen kön-           Regierungsebene und zwischen der Wirtschaft ebenso
   nen, der zu einem wichtigen Korrektiv werden könnte.          wie der Zivilgesellschaft. Dazu gehört beispielsweise
   Nichtsdestotrotz hat der Präsident einen beachtlichen         der Transatlantische Wirtschaftsrat (Transatlantic Eco-
   Spielraum, um Importe einzuschränken.                         nomic Council, TEC). Der 2007 gegründete TEC brachte
.. TTIP auf der Agenda behalten: Die Argumente für eine          vor der Aufnahme der TTIP-Verhandlungen Regulierer
   Transatlantische Handels- und Investitionspartner-            von beiden Seiten des Atlantiks zusammen, um durch
   schaft (TTIP) haben weiter Bestand. Der Abbau von             Kooperation bei Regulierungsfragen nicht-tarifäre
   Handels- und Investitionshemmnissen würde einen               Handelshemmnisse abzubauen. Die Bilanz des TEC fällt
   positiven Impuls für Wirtschaftswachstum und Ar-              zwar gemischt aus, doch könnte er die TTIP-Gespräche
   beitsplätze bedeuten. Zudem bieten Handelsabkommen            zu Regulierungsfragen in denjenigen Sektoren weiter-
   wie TTIP eine Chance, die Globalisierung mit guten            führen, in denen bereits Fortschritte erzielt wurden.
   Regeln zu gestalten. Die handelspolitische Agenda von         Vor dem Hintergrund der vielen Konfliktpunkte in den
   US-Präsident Trump verheißt allerdings nichts Gutes           transatlantischen Beziehungen ist es zudem wichtig,
   für TTIP. In vielen Bereichen – allen voran die öffent-       dass die transatlantischen Partner Themen mit gleich-
   liche Auftragsvergabe – dürften die ohnehin schon             gerichteten Interessen identifizieren, um so eine posi-
   schwierigen Verhandlungen noch mühseliger werden.             tive Dynamik zu schaffen. Dazu könnte beispielsweise
   Seit Herbst 2016 liegen die Gespräche auf Eis. Die Ver-       das Thema Aus- und Weiterbildung gehören.

DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 5

I. Einleitung                                                   mit Deutschland nur dann „fair“, wenn die Deutschen
„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in                ebenso viele US-amerikanische Autos kaufen würden wie
 unsere eigene Hand nehmen“, erklärte die deutsche              die Amerikaner deutsche.
 Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem G7-Gipfel                  Trump will Industriejobs zurück in die Vereinigten
 von Taormina Ende Mai 2017. „Die Zeiten, in denen wir          Staaten holen und Arbeitsplätze schaffen. Auch das Han-
 uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein          delsbilanzdefizit soll verringert werden. Noch in seiner
 Stück vorbei“, kritisierte die Kanzlerin das Verhalten der     ersten Amtswoche zog Trump die Beteiligung der USA an
 USA nach dem Gipfel.1 Die USA sind unter US-Präsident          der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) formell zurück.
 Trump zu einem schwierigen Partner geworden. Das               Nachdem Trump kurz davor stand, das Nordamerikani-
 Ergebnis der G7-Verhandlungen zum internationalen              sche Freihandelsabkommen (North American Free Trade
 Handel war zwar besser als die Erklärung der G20-              Agreement, NAFTA), das er wiederholt als „bad deal“
 Finanzminister in Baden-Baden Mitte März 2017. Ange-           bezeichnet hatte, aufzukündigen, will er nun zumindest
 sichts der Herausforderungen, vor denen der interna-           den Vertrag mit Mexiko und Kanada modernisieren.
 tionale Handel steht, ist jedoch auch diese Erklärung          Trump zieht bilaterale Abkommen multilateralen vor und
 enttäuschend. Auch das Forum und Ministerratstreffen           stellt die Geltung internationaler Rechtsnormen in Frage:
 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit            Urteile der WTO in Streitschlichtungsfällen sollen genau
 und Entwicklung (OECD) in Paris Anfang Juni verheißt           überprüft werden und nach Ansicht von Trump nicht
 nichts Gutes. Die OECD-Mitglieder konnten sich nicht           mehr notwendigerweise zu einer Änderung von US-ame-
 auf eine gemeinsame Deklaration verständigen. Schließ-         rikanischen Gesetzen führen.
 lich veröffentlichten die USA eine eigene Erklärung, in           Als Präsident Obama 2009 ins Weiße Haus einzog, ließ
 deren Mittelpunkt „fairer Handel“ stand.2                      auch er handelskritische Töne anklingen. Auch er wollte
     Mit Entsetzen schaut die internationale Wirtschaftsge-     US-Handelsrecht aggressiver international durchsetzen
 meinschaft auf Trumps Handelspolitik. Die USA waren in         und Handelsabkommen, die sein Vorgänger, Georg W.
 der Vergangenheit stets Verfechter eines regelbasierten,       Bush, verhandelt hatte und die noch nicht vom Kongress
 internationalen Handelssystems. Ohne sie hätte sich die        ratifiziert waren, einer kritischen Überprüfung unter-
 internationale Staatengemeinschaft wohl kaum nach dem          ziehen. In seiner zweiten Amtszeit wurde Handelspolitik
 Zweiten Weltkrieg auf das Allgemeine Zoll- und Han-            jedoch zu einem zentralen Pfeiler seiner Job- und Wachs-
 delsabkommen (GATT, Abschluss 1947) verständigt. Und           tumsstrategie. Obamas wichtigste handelspolitische
 ohne die USA wäre das GATT sicherlich nicht durch die          Projekte, TPP und TTIP, wären – wenn ratifiziert – die
 WTO (Gründung 1995) abgelöst worden. Trumps Credo              ambitioniertesten Freihandelsabkommen (FTAs) in der
 hingegen ist „fairer Handel“, „Reziprozität“ und „Ame-         Geschichte der USA gewesen.
 rica first“. „Fair trade“ ist nicht neu für die USA. Die USA      Noch ist vieles von Trumps Politik kaum mehr als
 sind zudem schon lange einer der aktivsten Nutzer von          Rhetorik. Ein Grund für Entwarnung ist dies allerdings
 Antidumping-Maßnahmen unter den WTO-Mitgliedern.               nicht. Trump ist in vielerlei Hinsicht unberechenbar, doch
 Und auch die Obama-Administration war nicht immer              seine handelspolitischen Ansichten zeichnen sich durch
 ein einfacher Partner. Präsident Trump stellt jedoch das       große Beständigkeit aus. Seit Jahrzehnten fordert er
 regelbasierte, liberale Handelssystem grundlegend in Fra-      einen „faireren“ Handel für die USA. Derzeit verschlech-
 ge. Damit vollzieht er einen deutlichen Bruch gegenüber        tern sich Trumps Umfragewerte in der Bevölkerung. Lag
 seinen Vorgängern.                                             die Zustimmungsrate für Trump zum Zeitpunkt seiner
     Trump scheint ein überzeugter Merkantilist zu sein.        Amtsübernahme noch bei 45 Prozent, kam er Anfang Juni
 Für ihn scheint Handel ein Nullsummenspiel: Exporte            nur noch auf 37 Prozent – 58 Prozent sind mit der Politik
 sind gut, Importe sind schlecht. Produktion im Inland          des Präsidenten unzufrieden.3 Der Präsident steht unter
 ist gut, Produktion im Ausland ist schlecht. Handels-          erheblichem Druck, auf seine Wahlversprechen auch
 überschüsse sind gut, Handelsdefizite sind schlecht. Die       Taten folgen zu lassen und spätestens zu den Mid-Term
 großen Überschüsse einzelner Länder wie Deutschland,           Elections 2018 Ergebnisse vorweisen zu können.
 China oder auch Japan sind hingegen kein Zeichen von              Welche Maßnahmen hat der Präsident bisher getrof-
 Wettbewerbsfähigkeit oder Folgen von Marktstrukturen,          fen? Wie sieht seine Planung aus? Wer macht was in
 sondern ein Zeichen von unfairem Wettbewerb – von              seinem handelspolitischen Team? Und wie sollten die
 Währungsmanipulation, Subventionen und Dumping.                EU und Deutschland auf Trump reagieren? Vieles ist
 Nach Ansicht von Trump wäre beispielsweise der Handel          zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Gewiss ist jedoch: Die

                                                                                                DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
6 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?

Wirtschaft – Handel und Investitionen – wird Rückgrat                         gen des WTO-Streitschlichtungsorgans sowie -Beru-
der transatlantischen Beziehungen bleiben. Aber die wirt-                     fungsgremiums verteidigt werden.
schaftspolitischen Beziehungen dürften deutlich schwie-                    .. US-amerikanisches Handelsrecht soll strikter durchge-
riger werden. Umso mehr müssen die EU und Deutsch-                            setzt werden, gegebenenfalls durch einen häufigeren
land in die transatlantischen Beziehungen investieren.                        Gebrauch von Antidumping-, Ausgleichs- und Schutz-
                                                                              maßnahmen, wie sie im US-Recht erlaubt sind.
                                                                           .. Andere Staaten sollen ihre Märkte stärker für US-
II. Trumps handelspolitische Agenda: Grund                                    amerikanische Waren und Dienstleistungen öffnen.
zur Besorgnis                                                                 Dabei soll das geistige Eigentum von US-Unternehmen
„Fair Trade“ und „Reziprozität“: Déjà-vu aus den                              geschützt werden.
 1980er-Jahren?                                                            .. Neue und vor allem bessere bilaterale Handelsabkom-
Im März 2017 veröffentlichte der USTR (US-Handels-                            men sollen US-Exporte steigern. Bestehende Abkom-
beauftragter) die Handelsagenda des Präsidenten für                           men hätten dazu geführt, dass die USA mit vielen
2017. Trump setzt darin auf „fairen Handel“ und „strikte                      Ländern Handelsbilanzdefizite haben und Arbeitsplätze
Reziprozität“, um so ein „Level Playing Field“ für US-ame-                    insbesondere in der Industrie verloren gegangen seien.
rikanische Produzenten und Arbeitnehmer zu schaffen.                          Das Handelsbilanzdefizit der USA bewertet Trump als
Er will die Exporte steigern (vgl. Abb. 1 für das Wachstum                    Ausdruck eines unfairen Wettbewerbs.
des US-Handels; Abb. 2 zeigt die Bedeutung des Handels                         Ende Juni 2017 bekräftigte USTR Robert Lighthizer
im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) und den Anteil der                  diese Agenda in einer Anhörung vor den Finanzausschüs-
USA am Welthandel anheben (Abb. 3 zeigt den Anteil der                     sen des Repräsentantenhauses und Senats. Er unterstrich,
USA am Welthandel und den weltweiten ausländischen                         dass der Ausstieg aus der TPP nicht bedeute, dass sich
Direktinvestitionen). Die Trump-Administration verfolgt                    die USA aus der Region zurückzögen. Vielmehr wolle die
vier übergeordnete Ziele:                                                  Trump-Administration bilaterale Abkommen mit Län-
.. Die nationale Souveränität der USA über die Handels-                    dern in der Region verhandeln, wobei er allerdings offen
   politik soll gegenüber der WTO und den Entscheidun-                     ließ, um welche Länder es sich dabei handeln könnte.

Abb. 1: Entwicklung des Außenhandels der USA
Exporte und Importe, 1980 bis 2016 (Warenhandel, Mio. US-$)

Quelle: UNCTAD, Merchandise Trade,  (eingesehen am 21.06.2017).

 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 7

Abb. 2: Die US-Außenhandelsquote
Außenhandel (Exporte + Importe) im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Prozent)

Quelle: UNCTAD,  (eingesehen am 22.06.2017).

Auch eine Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen sei                           politischen Interessen sicherheitspolitischen Erwägungen
Lighthizer zufolge möglich, allerdings vor 2018 aufgrund                      unter.
der Wahlen in der EU eher unwahrscheinlich. Für die Mit-                         In den 1960er-Jahren begann sich die Position der USA
te Dezember 2017 anstehende WTO-Ministerkonferenz                             in der Weltwirtschaft zu wandeln. Die Länder Europas
in Argentinien hat die Trump-Administration geringe                           hatten sich nicht nur vom Zweiten Weltkrieg erholt, son-
Ambitionen: „Wir befürworten kein Treffen, das (…) sig-                       dern waren zu ernsthaften Konkurrenten aufgestiegen.
nifikante Verhandlungsergebnisse anstrebt“, unterstrich                       Der Handelsbilanzüberschuss der USA nahm kontinu-
Lighthizer.4                                                                  ierlich ab, auch infolge des überbewerteten Dollars. Die
   Die Konzepte des „fairen Handels“ und der „Reziprozi-                      USA setzen sich nach wie vor für Handelsliberalisierung
tät“ sind nicht neu für die USA, sondern spielten bereits                     ein – ein Beispiel hierfür ist die Kennedy-Runde des GATT
in der Handelspolitik der 1970er- und 1980er-Jahre eine                      –, doch gab es erste Zeichen für einen Wandel. Der „Trade
zentrale Rolle. In den Nachkriegsjahren hatten die USA                        Expansion Act“ von 1962 stärkte sowohl die Schutzklausel
zunächst aktiv Verantwortung im Weltwirtschaftssystem                        („Escape Clause“) als auch die Sicherheitsklausel (siehe
übernommen und den Aufbau eines liberalen, multila-                           Kapitel: Was kann der Präsident). In den 1970er-Jahren
teralen Handelssystems, basierend auf der unbedingten                         vollzog sich dann ein Paradigmenwechsel vom „free
Meistbegünstigung (MFN), gefördert. Damit wollten                             trade“ zum „fair trade“. Die US-Wirtschaft büßte immer
die USA eine Wiederholung der politischen Fehler, die                         mehr ihren Produktionsvorsprung ein; die Wirtschaft sta-
nach dem Ersten Weltkrieg gemacht worden waren und                            gnierte, die Arbeitslosenquote war hoch. 1971 hatten die
letztlich zum Beginn der Weltwirtschaftskrise und später                      USA erstmals seit 1893 wieder ein Defizit in der Handels-
des Zweiten Weltkriegs beigetragen hatten, vermeiden.                         bilanz zu verzeichnen, und der Anteil der USA am welt-
Zudem sollte der Wiederaufbau Europas und Japans nicht                        weiten Warenhandel sank stetig. Infolgedessen wuchs in
nur durch direkte Finanzhilfen wie den Marshall-Plan,                         den USA das Gefühl, dass der US-Markt weitaus offener
sondern auch durch „trade instead of aid“ forciert werden.                    sei als die Märkte der westlichen Handelspartner, die sich
Schließlich sollten engere globale Handelsbeziehungen                         mithilfe struktureller Handelsbarrieren abzuschotten
zu einer größeren politischen und wirtschaftlichen                            schienen. Folglich wurde vermehrt die Anwendung des
Stabilität auf internationaler Ebene führen, um Kriege                        Grundsatzes der „strikten Reziprozität“ im Handel gefor-
und Weltwirtschaftskrisen künftig zu verhindern. Die                          dert, um ein vergleichbares Marktöffnungsniveau und
USA akzeptierten daher auch in Teilen eine ungleiche                          ein „Level Playing Field“ zu schaffen. Reziprozität, die
Marktöffnung und ordneten nicht selten ihre wirtschafts-                      Gegenseitigkeit von Zugeständnissen, ist eines der Grund-

                                                                                                             DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
8 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?

Abb. 3: Die USA in der Weltwirtschaft
Anteile am globalen Außenhandel (Waren & Dienstleistungen) und globalen Direktinvestitionsbeständen (Prozent)

Quelle: UNCTAD,  (eingesehen am 22.06.2017).

 prinzipien von GATT und WTO. Anders als die Meistbe-                         haben. Zudem sah er Sanktionsmaßnahmen vor (siehe
 günstigung, die im Regelwerk explizit festgeschrieben                        Kapitel: Was kann der Präsident).
 ist, ist Reziprozität nur implizit verankert. Dennoch war                      „Fair Trade“ war eine pluralistische Handelspolitik, die
 dieses Konzept seit Inkrafttreten des GATT ein zentraler                     unterschiedliche Handelsstrategien miteinander verband
 Leitgedanke für die Verhandlungen. Demnach sollten den                      – Multilateralismus, Regionalismus und Unilateralismus.
 Handelsvorteilen, die ein Staat den anderen Mitgliedern                      Ziel war es, ein internationales „Level Playing Field“ für
 einräumt, gleichwertige – aber nicht unbedingt dieselben                     US-Exporteure zu schaffen. Mit Hilfe unilateraler Instru-
– Handelsvorteile der anderen Staaten gegenüberstehen.                        mente wie Antidumping- und Ausgleichszöllen sowie dem
 Bei strikter Reziprozität erfolgt hingegen ein Abgleich                      Super 301 gingen die USA gegen „unfaire“ Handelsprak-
 der Marktöffnung – Produkt gegen Produkt, Sektor gegen                       tiken im Ausland vor. Gleichzeitig verfolgten sie zuneh-
 Sektor, Land gegen Land. Messlatte sind zudem die Han-                       mend Ansätze einer strategischen Handels- und Indus­
 delsbilanzen. Bilaterale Handelsbilanzüberschüsse wer-                       triepolitik („managed trade“). Schließlich setzten sich die
 den als Indikator für ungleiche Marktöffnung gewertet.                       USA für den Beginn einer neuen GATT-Verhandlungsrun-
    Ausdruck dieses Paradigmenwechsels war insbeson-                          de, der Uruguay-Runde, ein, während sie gleichzeitig den
 dere das Handelsgesetz von 1974. In Anlehnung an den                        Abschluss bilateraler und regionaler Handelsabkommen
„Trade Expansion Act“ von 1962 wurde in den „Trade Act“                       forcierten.
 von 1974 Abschnitt 301 (Verletzung von Handelsabkom-                            Dass Trumps Handelsagenda ähnliche Maßnahmen
 men oder -regeln) aufgenommen. Diesem zufolge sollte                         vorsieht, überrascht kaum, haben doch viele seiner
 der Präsident alle möglichen Schritte einleiten, um unge-                    Handelsexperten bereits in den 1980er-Jahren handels-
 rechtfertigte Importbeschränkungen anderer Länder ab-                        politische Erfahrung gesammelt. Und doch könnte es
 zubauen. 1988 wurde Abschnitt 301 durch den „Omnibus                         einen deutlichen Unterschied zur Handelspolitik der
 Trade and Competitiveness Act“ noch einmals verschärft.                      1980er Jahre geben: Die USA waren damals, trotz aller
 Der besonders umstrittene Super 301 verlangte eine jähr-                     unilateralen Ansätze, ein Grundpfeiler der multilatera-
 liche Auflistung der gravierendsten Handelsbarrieren, mit                    len Handelsordnung und -liberalisierung. Die Uruguay-
 denen US-Exporteure konfrontiert sind, sowie derjenigen                      Runde des GATT hatte nicht nur mehr Marktöffnung
 Länder, die diese Handelsschranken zu verantworten                           weltweit gebracht, sondern auch mit der Gründung der
                                                                              WTO das Regelwerk für den globalen Handel grund-

 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 9

Abb. 4: Handelsbilanzdefizit der USA im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung
Handelsbilanz (Exporte - Importe) im Verhältnis zum BIP (Prozent)

Quelle: UNCTAD, Balance of Payments, Current Account Net, Percentage of GDP,  (eingesehen am 13.06.2017).

legend modernisiert und einen überaus effektiven Me-                       Proklamation, im Amtsblatt der USA („Federal Register“)
chanismus für die Beilegung von Handelsstreitigkeiten                      veröffentlicht werden.5
geschaffen. Ohne die treibende Kraft der USA wäre dies                        Trumps bisherige Exekutivmaßmaßnahmen erteilen
nicht möglich gewesen. Dass die USA unter Präsident                        größtenteils Arbeitsaufträge – in erster Linie Überprü-
Trump die WTO und die Doha-Runde in ähnlichem                              fungen von Handelspolitik und Handelsbeziehungen – an
Maße unterstützen, ist eher unwahrscheinlich.                              seine Minister und Behörden, die diese innerhalb be-
                                                                           stimmter Fristen umsetzen müssen. Einige Maßnahmen
Trumps Exekutivmaßnahmen und handelspoliti-                                haben aber auch direkte Auswirkungen, wie beispielswei-
sche Überprüfungen                                                         se der Rückzug der USA aus der TPP. Diesen verkündete
Seit den ersten Tagen seiner Präsidentschaft nutzt                         Trump bereits am 23. Januar 2017, drei Tage nach seiner
US-Präsident Trump regelmäßig Exekutivmaßnahmen                            Amtseinführung, per Memorandum.6
(„executive actions“), um seine handelspolitische Agenda                      Am 31. März 2017 ordnete Trump das Wirtschaftsminis-
voranzutreiben. Darunter fallen „executive orders“ (Prä-                   terium (Department of Commerce, DOC) und das Büro
sidialerlasse), „presidential memoranda“ (Memoranden)                      des USTR an, innerhalb von 90 Tagen einen umfassenden
und „proclamations“ (Proklamationen). Die US-Verfas-                       Bericht über die Handelspraktiken der US-amerikani-
sung definiert diese Exekutivmaßnahmen zwar nicht und                      schen Handelspartner („Omnibus Report on Significant
überträgt dem Präsidenten auch nicht explizit die Befug-                   Trade Deficits“) zu erstellen. Das hohe Handelsbilanzde-
nis, diese zu erlassen. Trotzdem werden sie im politischen                 fizit ist Trump ein Dorn im Auge (vgl. Abb. 4). DOC und
System der USA als fester Bestandteil der präsidialen                      USTR sollen untersuchen, wo die Ursachen des Defizits
Kompetenzen unter Artikel II der US-Verfassung angese-                     liegen. Dabei sind sie angewiesen, unter anderem folgen-
hen. Durch Exekutivmaßnahmen weist der US-Präsident                        de Faktoren zu berücksichtigen: Betrug oder unangemes-
die Behörden an, bestimmte Maßnahmen durchzuführen.                        senes Verhalten von Handelspartnern, Freihandelsabkom-
Diese Maßnahmen sind allerdings nur in denjenigen                          men, die nicht zu den vorhergesagten Effekten geführt
Fällen rechtlich bindend, in denen sie auf einer präsidia-                 haben, mangelnde Durchsetzung von Handelsregeln
len Kompetenz beruhen, die ihm die US-Verfassung oder                      seitens der USA oder auch Währungsmanipulation.7
eine andere rechtliche Grundlage verleihen. Präsidial­                         Ebenfalls am 31. März erließ Trump noch ein weiteres
erlasse müssen, anders als ein Memorandum oder eine                        Dekret. Die „Presidential Executive Order on Establishing
                                                                           Enhanced Collection and Enforcement of Antidumping

                                                                                                                 DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
10 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?

 and Countervailing Duties and Violations of Trade and       Pipelines nur Materialien aus US-amerikanischer Herstel-
 Customs Laws“ weist zunächst darauf hin, dass andere        lung verwendet werden dürfen.11 Darüber hinaus soll das
 Länder den USA für den Untersuchungszeitraum bis Mai        Dekret vom 18. April unter dem „Hire American“-Aspekt
 2015 noch Antidumpingzoll- und Ausgleichszollzahlun-        sicherstellen, dass Einreise- und Aufenthaltsregelungen
 gen in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar schuldeten. Als    für ausländische Arbeitnehmer in den USA streng kont-
 Konsequenz wird der US-Heimatschutzminister angewie-        rolliert und durchgesetzt werden. So will Trump US-ame-
 sen, innerhalb von 90 Tagen eine Strategie zu entwickeln,   rikanische Arbeitnehmer schützen.12
 um entsprechende Barsicherheiten von den Unternehmen           Am 20. April wies der Präsident den US-Wirtschaftsmi-
 einzutreiben, und weitere mögliche Durchsetzungsme-         nister per Memorandum gemäß Abschnitt 232 des „Trade
 chanismen zu identifizieren. Zudem soll er einen Plan       Expansion Act of 1962 as amended“ an, zu untersuchen,
 entwickeln und implementieren, um Verletzungen des          ob Stahlimporte die nationale Sicherheit gefährden. Nach
 US-amerikanischen Zoll- und Handelsrechts zu bekämp-        Artikel XXI des GATT ist es WTO-Mitgliedern erlaubt,
 fen. Ein Fokus liegt auf Verletzungen geistiger Eigen-      handelseinschränkende Maßnahmen zu ergreifen, um
 tumsrechte durch Handelspartner, wie etwa die Einfuhr       ihre nationale Sicherheit zu garantieren. Abschnitt 232
 gefälschter Waren in die USA.8                              legt diese Erlaubnis für das US-Handelsrecht aus und defi-
    Am 18. April folgte der Präsidialerlass „Buy American    niert entsprechende Maßnahmen. Falls der Wirtschafts-
 and Hire American“. Dieser soll zum einen sicherstel-       minister in seiner Untersuchung zum Ergebnis kommt,
 len, dass sowohl der „Buy American Act“ als auch „Buy       dass die Sicherheit gefährdet ist, kann der Präsident den
 America“-Regulierungen und -Regeln überwacht, durch-        Import von Stahl einschränken. Für die Untersuchung hat
 gesetzt und eingehalten werden. So soll die Verwendung      das Wirtschaftsministerium maximal 270 Tage Zeit. Dazu
 von US-amerikanischen Produkten und Materialien             verfasst das Bureau of Industry and Security, das dem
 durch die US-Behörden gesteigert werden. Der „Buy           DOC untergeordnet ist, einen entsprechenden Bericht. Im
 American Act“ verpflichtet die US-Bundesregierung, in       Anschluss wird der Bericht an den Kongress übermittelt.13
 ihrer öffentlichen Beschaffung heimische Materialien zu     Der Präsident entscheidet innerhalb von 90 Tagen, ob
 verwenden, sofern keine Ausnahmeregelung greift. Da-        er der Einschätzung des Wirtschaftsministers folgt und
 mit Materialien als „heimisch“ anerkannt werden können,     ob importbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden
 müssen sie im Falle von unverarbeiteten Erzeugnissen        sollen, und begründet seine Entscheidung innerhalb von
 oder Baumaterialien komplett aus den USA stammen und        30 Tagen gegenüber dem Kongress. Am 27. April initiier-
 im Fall von verarbeiteten Produkten in den USA gefertigt    te Trump per Memorandum eine weitere Untersuchung
 worden sein, während der Kostenanteil der Rohstoffe und     dieser Art zu Aluminiumimporten.14
 Komponenten, die in den USA abgebaut beziehungsweise           Seit der Gründung der WTO hat es nur zwei Unter-
 hergestellt wurden, bei über 50 Prozent liegen muss.9 Die   suchungen gemäß Abschnitt 232 des „Trade Expansion
„Buy America“-Regeln beziehen sich auf Vorschriften des      Act of 1962 as amended“ gegeben, von denen keine zu
 US-Transportministeriums für die Ausschreibung von          Maßnahmen geführt hat. Dass Trump seinen Wirtschafts-
 Verkehrsinfrastrukturprojekten durch einzelstaatliche       minister nun per Memorandum zu zwei Untersuchungen
 oder lokale Regierungsbehörden. Die untergeordneten         dieser Art auffordert, zeigt, zusammen mit den weiteren
 Behörden des Verkehrsministeriums – die Federal Transit     Exekutivmaßnahmen, dass er seine Handelsagenda ernst
 Administration, die Federal Highway Administration          meint. Allerdings weht ihm mittlerweile auch Gegenwind
 und die Federal Aviation Administration – haben alle-       aus den eigenen Reihen entgegen. Laut einem Bericht der
 samt eigene „Buy America“-Regeln und Regulierungen.10       Zeitschrift Inside U.S. Trade kritisierten das Finanzminis-
 Das Ziel der „Buy American“-Anordnungen ist, laut dem       terium, der Nationale Wirtschaftsrat (National Economic
 Dekret, die wirtschaftliche und nationale Sicherheit zu     Council, NEC) und das Verteidigungsministerium die
 fördern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, gut        Pläne von Wirtschaftsminister Ross. Auch zahlreiche
 bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, die Mittelschicht       Wirtschaftsvertreter äußerten Sorge darüber, dass das
 zu stärken und wiederum die Industrie des Landes zu         Vorgehen der USA andere Länder dazu bewegen könnte,
 stärken. Bereits in seiner ersten Amtswoche hatte Trump     ebenfalls protektionistische Maßnahmen auf der Basis
 per Memorandum verfügt, dass für alle neu genehmigten       nationaler Sicherheitsbedenken zu ergreifen.15

 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 11

III. Trumps Team und das neue                                  von den Vereinigten Staaten niemals vereinbart wur-
institutionelle Set-up                                         den.“19
 Eine Vielzahl von Institutionen ist an der Erarbeitung und       Ebenfalls in die Handelspolitik eingebunden ist das
 Ausführung der US-Handelspolitik beteiligt. Federfüh-         Wirtschaftsministerium. Außenwirtschaftspolitische
 rend in der Handelspolitik ist – zumindest bisher – das       Fragen werden dort vor allem in der International Trade
 Büro des USTR. Allerdings deutet sich bereits ein Kompe-      Administration (ITA) und ihren verschiedenen Abtei-
 tenzgerangel zwischen dem Büro des USTR, dem Wirt-            lungen behandelt. Die ITA ist verantwortlich für Export-
 schaftsministerium und dem von Trump neu gegründeten          förderung, Handelsvertretungen im Ausland, die Ver-
 Office of Trade and Manufacturing Policy ab.                  waltung von Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen,
     Der USTR ist als Handelsbeauftragter mit Kabinetts-       Exportkontrollmaßnahmen sowie Unterstützung der
 und Botschafterrang direkt dem Präsidenten unterstellt.       Handelsanpassung für Unternehmen. Wirtschaftsminis-
 Er dient als Vermittler sowohl zwischen den innenpo-          ter ist aktuell Wilbur Ross. Wie Lighthizer unterstützt der
 litischen Interessen und den Interessen ausländischer         ehemalige Hedgefonds-Manager internationalen Han-
 Regierungen als auch zwischen der Exekutive und dem           del, will aber gleichermaßen stärker US-Handelsrecht
 Kongress. Er fungiert somit als Koordinierungsstelle zwi-     und „fairen“ Handel durchsetzen. Ross hat erklärt, dass
 schen den an der Handelspolitik beteiligten Institutionen     das US-Handelsdefizit ein Ergebnis von „manipulierten
 innerhalb und außerhalb der Exekutive. Darüber hinaus         Währungen, merkantilistischen Praktiken und schlecht
 vertritt er die USA in internationalen Verhandlungen. Zu      ausgehandelten Handelsabkommen“ sei und das US-Wirt-
 den Kompetenzfeldern des USTR gehören bilaterale, regi-       schaftswachstum hemme.20 Das Wirtschaftsministerium
 onale und multilaterale Handels- und Investitionsfragen       erhebt schon jetzt einen deutlich größeren Anspruch, an
 sowie ausgewählte unilaterale Handelsinstrumente (u. a.       der strategischen Weichenstellung sowie Verhandlung/
 Abschnitt 201 und Abschnitt 301).                             Neuverhandlung von Freihandelsabkommen beteiligt zu
     Handelsbeauftragter ist zurzeit Robert Lighthizer, ein    sein, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
 erfahrener Handelsexperte. Als stellvertretender Han-         Ross dürfte entsprechend auch eine wichtige Rolle bei
 delsbeauftragter unter der Reagan-Administration spielte      den NAFTA-Neuverhandlungen spielen. Wer die Leitung
 er eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Handels-       für diese übernehmen wird – Ross oder Lighthizer – ist
 politik und war an der Entstehung zahlreicher Abkom-          allerdings noch nicht abschließend geklärt.21
 men zum Stahl- oder auch Getreidehandel beteiligt. Er            Ende April schuf Präsident Trump eine neue handels-
 ist somit bestens vertraut mit der „Fair-Trade“-Politik und   politische Institution.22 Das Office of Trade and Manu-
 dem aggressiven Unilateralismus der Handelspolitik der        facturing Policy soll von Peter Navarro geleitet werden.
 1980er-Jahre. Als Anwalt in der Kanzlei Skadden Arps hat      Navarro hatte Trump bereits im Wahlkampf beraten. Der
 er die Interessen von US-Unternehmen in Anti-Dumping-         Ökonom an der University of California/Irvine kritisiert
 Fällen vertreten. Lighthizer gehört zu den handelspoliti-     China massiv für unfaire Wettbewerbspraktiken wie
 schen Hardlinern, die die Interessen der USA aggressiv        Währungsmanipulation. Aufmerksamkeit erregte er mit
 durchsetzen wollen. In der Senats-Anhörung zu seiner          seinem Dokumentarfilm „Death by China: How America
 Amtsernennung führte er aus: „Ich stimme Präsident            Lost its Manufacturing Base“, der auf seinem gleichnami-
 Trump zu, dass wir eine Amercia-first-Handelspolitik          gen Buch beruht. Darin beschreibt er den Aufstieg Chinas
 haben sollten und dass wir besser in der Aushandlung          zur Weltmacht als Gefahr für die US-Wirtschaft. Von ihm
 von Handelsabkommen sein können und stärker in der            stammt die Idee, einen Strafzoll auf Importe aus China
 Durchsetzung unserer Handelsgesetze“.16 Er will einen         zu erheben.23 Ende Januar warf Navarro Deutschland vor,
 harten Kurs gegenüber China fahren und steht der WTO          die USA sowie andere EU-Länder mit Hilfe eines massiv
 kritisch gegenüber.17 Lighthizer hat in der Vergangenheit     unterbewerteten Euros auszubeuten.24 Anfänglich als
 wiederholt China für „Währungsmanipulation, Subventi-         National Trade Council geplant, sind weder Aufgaben-
 onen, Diebstahl von geistigem Eigentum und Dutzenden          portfolio noch Handlungsspielraum der neuen Institution
 von anderen Formen von staatlich gefördertem, staatlich       bisher genau bestimmt. Sie soll den Präsidenten beraten,
 organisiertem unlauteren Handel“ kritisiert.18 Bezüglich      wie Wirtschaftswachstum und Jobs in den USA gefördert,
 des WTO-Streitschlichtungsmechanismus kritisierte er,         die Industrie gestärkt und das Handelsbilanzdefizit redu-
 dass dieser „US-Interessen konsequent untergraben“ habe,      ziert werden können. Zudem soll sie das Verbindungsbüro
„indem er neue gesetzliche Anforderungen erarbeitet, die       zwischen Weißem Haus und der US-Wirtschaft werden.

                                                                                               DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
12 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen?

   Der wohl moderateste Handelsexperte im Trump-             der Außenpolitik und kann internationale Verträge mit
Team ist Gary Cohn. Er leitet den NEC. Als NEC-Direktor      anderen Ländern verhandeln und unterzeichnen.
hat er eine koordinierende Rolle für die gesamte Wirt-       .. Grundsätzlich muss der Senat mit einer Zwei-Drittel-
schaftspolitik der Regierung inne. Der NEC wurde 1993           Mehrheit einem internationalen Abkommen (engl.
eingerichtet, um den Präsidenten in US- und globalen           „treaty“) zustimmen, damit es in Kraft tritt.
Wirtschaftsfragen zu beraten, alle Stellen zu koordinie-     .. Zudem hat der Präsident die Möglichkeit, „executive
ren, die den Präsidenten in Wirtschaftsfragen unterstüt-        agreements“ abzuschließen. Diese können ohne Einbe-
zen, und sicherzustellen, dass politische Entscheidungen        ziehung des Kongresses in Kraft treten.
und wirtschaftspolitische Programme im Einklang mit          ..„Congressional-executive agreements“ verlangen die
den wirtschaftlichen Zielen des Präsidenten stehen.25           Zustimmung von beiden Kammern des Kongresses, also
Der ehemalige Investmentbanker Cohn ist registrierter           dem Repräsentantenhaus und dem Senat, mit einfacher
Demokrat. Er begleitete Trump im Mai zum Treffen mit            Mehrheit.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Rats-            Die Entscheidung, ob ein Vertrag als „treaty“, „executi-
präsident Donald Tusk, zum NATO-Gipfel nach Brüssel          ve agreement“ oder „congressional-executive agreement“
und zum G7-Gipfel nach Sizilien.                             gehandhabt wird, ist laut US-amerikanischer Rechtspre-
                                                             chung eine politische Frage, die im Normalfall nicht ge-
                                                             richtlich überprüft wird. In den wenigen Fällen, in denen
IV. Was kann der Präsident? Das handelspo-                   die Reichweite von Handelsverträgen begrenzt ist, in de-
litische Instrumentarium der Exekutive                       nen sie keine fiskalische Bedeutung haben und sie keine
Dem Präsidenten steht ein umfassender Instrumenten-          Änderungen nationaler Gesetze bedingen, können sie als
kasten zur Verfügung, um seine handelspolitische Agenda     „executive agreements“ in Kraft treten. Dies gilt beispiel-
umzusetzen: 1. die Verhandlung von Handelsabkommen,          weise für Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung
2. Instrumente gegen unfairen Handel, 3. Schutzinstru-       von Produktstandards oder von Konformitätsprüfungs-
mente im Falle fairer Handelsbedingungen und 4. Instru-      stellen. Freihandelsabkommen werden hingegen zumeist
mente zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität und      als „congressional-executive agreements“ gehandhabt.
nationalen Sicherheit.                                       Sowohl das multilaterale Abkommen zur Gründung der
    Der Kongress wirkt in dreifacher Weise an der Gestal-    WTO als auch die bi- und plurilateralen Freihandelsab-
tung der Handelspolitik mit: Er berät und beschließt die     kommen legten die jeweils amtierenden Präsidenten dem
Gesetze, kann seine Bedenken in Handelsangelegenheiten       Kongress als „congressional-executive agreements“ vor.
durch Einschränkungen der finanziellen Zuwendungen an        Dazu gehört beispielsweise auch NAFTA.
die wichtigsten Handelsbehörden zum Ausdruck bringen             Der Kongress kann die handelspolitischen Kompe-
und die Verhandlungsmacht der Exekutive empfindlich          tenzen des Präsidenten erheblich stärken und zugleich
einschränken, indem er ihr das Handelsmandat, die „Trade     seine eigenen Kontroll- und Mitsprachrechte sichern,
Promotion Authority“, (TPA) verweigert. Die Adminis-         indem er ihm die TPA überträgt. Das Handelsmandat,
tration wiederum bestimmt nach Beratungen mit einer          das auf die Fast Track Authority des „Trade Act“ von 1974
Vielzahl von Gremien die handelspolitische Agenda und        zurückgeht, ist keine Voraussetzung für den Beginn von
führt die internationalen Verhandlungen durch. Zudem         Verhandlungen. Allerdings erleichtert es deutlich den Im-
hat der Kongress in zahlreichen Gesetzen dem Präsidenten     plementierungsprozess von Handelsabkommen. Legt der
handelspolitische Kompetenzen übertragen. Der Präsident      Präsident dem Kongress ein Abkommen vor, das er ohne
hat somit einen erheblichen Handlungsspielraum.              TPA verhandelt hat, ist dieser nicht verpflichtet, über
                                                             den entsprechenden Gesetzesentwurf abzustimmen. Der
Verhandlung von Handelsabkommen                              Kongress ist an keine Fristen gebunden, und er kann das
 Laut US-Verfassung hat der Kongress die Kompetenz über      Paket komplett aufschnüren, Passagen ändern und mit
 die Handelspolitik (Art. 1 Abs. 8, Verfassung der USA):     Gesetzeszusätzen versehen. Ohne TPA sind die USA somit
„Der Kongress hat das Recht: Steuern, Zölle, Abgaben und     ein unberechenbarer Verhandlungspartner. Anders sieht
 Akzisen aufzuerlegen und einzuziehen [und] den Han-         es bei Handelsverträgen aus, die der Präsident mit TPA
 del mit fremden Ländern, zwischen den Einzelstaaten         verhandelt hat. Der Kongress ist dann verpflichtet, über
 und mit den Indianerstämmen zu regeln.“ Der Präsident       einen entsprechenden Gesetzesentwurf abzustimmen.
 hingegen verfügt über weitreichende Kompetenzen in          Gesetzeszusätze sind nicht möglich und es gelten stren-
                                                             ge Fristen für den Ratifizierungsprozess. TPA ist kein

 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 13

Blankocheck für die Verhandlungen. So ist der Präsident                     Austritt aus der WTO ist zwar unwahrscheinlich, möglich
an Notifizierungs- und Konsultationspflichten gebunden.                     wäre er. Sollten die USA aus der WTO austreten, könnten
Zudem werden in der TPA Verhandlungsziele für Freihan-                      die bei der WTO gebundenen Zölle ihre Gültigkeit verlie-
delsabkommen definiert.                                                     ren. Auch die bei der WTO gebundenen Zölle wurden per
   Der US-Kongress erteilte dem Präsidenten 2015 die                        präsidialer Bekanntmachung – durch Präsident Bill Clin-
aktuelle TPA („Bipartisan Congressional Trade Priorities                    ton – im Anschluss an die Uruguay-Runde in Kraft gesetzt.
and Accountability Act of 2015“). Sie ist noch bis 2018                     Die MFN-Zölle der USA sind jedoch auch im „Harmonized
gültig und gilt nach der Amtsübergabe auch für Donald                       Tariff Schedule“ (HTS), also dem harmonisierten Zollver-
Trump. Sie könnte bis 2021 verlängert werden.26 Präsident                   zeichnis der USA, festgeschrieben. Es ist rechtlich nicht
Trump könnte die laufenden Verhandlungen über Frei-                         klar, welche Gültigkeit der HTS dann im Falle eines WTO-
handelsabkommen wie TTIP also unter den Vorgaben der                        Austritts hätte.29
TPA fortsetzen. Die TPA setzt auch den Rahmen für die
NAFTA-Neuverhandlungen.                                                     Instrumente gegen unfairen Handel
   Der Kongress hat dem Präsidenten zudem in verschie-                      Schon die Obama-Administration legte einen starken Fo-
denen Fällen die Kompetenz übertragen, über präsidiale                      kus auf die Durchsetzung von US-Handelsregeln („trade
Bekanntmachungen Zölle in Handelsabkommen abzu-                             enforcement“). Der ehemalige US-Handelsbeauftragte
senken oder auch wieder anzuheben.27 Diese Kompetenz-                       Michael Froman wies in seinem Abschlussbericht Anfang
übertragung fand erstmals durch den „Reciprocal Trade                       Januar 2017 darauf hin, dass die USA unter Obama 24
Agreements Act of 1934“ und später über die Implemen-                       Fälle, bei denen es um die Durchsetzung von Handelsre-
tierungsgesetze für Beschlüsse des GATT und der WTO                         geln ging, bei der WTO eingereicht hätten. Von diesen 24
sowie für unterschiedliche Freihandelsabkommen statt.                       Fällen richteten sich 15 gegen China. Alle Fälle, die bereits
Zusammen mit der Befugnis des Präsidenten über aus-                         entschieden seien, hätten die USA gewonnen. Präsident
wärtige Angelegenheiten ermöglicht die Kompetenzüber-                       Trump ist damit nicht zufrieden. Er möchte noch deutlich
tragung es ihm auch, bestehende Freihandelsverträge zu                      aggressiver US-Recht international durchsetzen. Zurzeit
kündigen.28                                                                 laufen 28 Antidumping- und Antisubventions-Untersu-
   Trump hat wiederholt damit gedroht, FTAs aufzukün-                       chungen bei der U.S. International Trade Commission
digen. Auch der WTO steht er kritisch gegenüber. Ein                        (USITC).30

Abb. 5: Bei der WTO registrierte Antidumping-Maßnahmen
Maßnahmen der USA und gegen die USA

Quelle: WTO, , Daten für 2016 lediglich Januar bis Juni (eingesehen am 13.06.2017).

                                                                                                                   DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
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Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen                   dien mit 599 Maßnahmen und gefolgt von der EU mit 310
Trump will deutlich stärker Gebrauch von Antidumping-       Maßnahmen. Von den 368 Maßnahmen der USA richtet
maßnahmen machen als seine Vorgänger. Während die           sich die große Mehrheit – 107 Maßnahmen – gegen China,
USITC Antidumpinguntersuchungen normalerweise               gefolgt von Japan (23), Chinesisch Taipei (22) und Korea
auf Ersuchen von Unternehmen einleitet, hat Trump           (21).31 Insbesondere betreffen die Maßnahmen Chemikali-
angekündigt, dass seine Administration auch auf eigene      en und Pharmazeutika sowie Eisen und Stahl.
Initiative hin Untersuchungen veranlassen wird.                Besonders wichtig ist der Trump-Administration die
   Das US-amerikanische Antidumpingrecht wurde              Stahlindustrie. Dies wird auch in den angeordneten Un-
wiederholt angepasst. Grundlage bildet jedoch nach          tersuchungen zur möglichen Gefährdung der nationalen
wie vor Titel VII, Sektion 731 des „Smoot-Hawley Tariff     Sicherheit durch Stahlimporte sowie durch das Dekret
Act of 1930“ (kurz: „Tariff Act of 1930“). Antidumping-     zur Eintreibung von Antidumping- und Ausgleichszöllen
maßnahmen sind unter der WTO erlaubt, um Dumping            deutlich. Trump macht die chinesischen Überkapazitäten
entgegenzuwirken und faire Wettbewerbsbedingun-             in der Stahlproduktion dafür verantwortlich, dass die
gen wiederherzustellen. Das US-Antidumpingrecht             Preise für Stahl deutlich gesunken sind und die US-Stahl­
definiert Dumping als Verkäufe zu Preisen von „less         industrie Werke schließen musste. Antidumpinguntersu-
than fair value“. Unter Dumping fallen demnach:             chungen in diesem Bereich richten sich jedoch nicht nur
Verkäufe ausländischer Waren in den USA unter ihren         gegen China. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen,
Herstellungskosten; Verkäufe ausländischer Waren in         neben weiteren Unternehmen aus Europa und Asien. Im
den USA unter dem Warenpreis, der im Inland verlangt        April 2016 hatten US-Stahlproduzenten Klage bei der
wird, sowie Verkäufe ausländischer Waren unter dem          USITC gegen Importe von Grob- und Bandblech einge-
Preis, der auf einem Drittmarkt verlangt wird. Zöl-         reicht. Im Mai 2017 veröffentlichte die USITC ihren fina-
le dürfen eingesetzt werden, wenn durch Dumping             len Untersuchungsbericht. Darin kommt sie zum Schluss,
schwerwiegende „materielle Schädigungen“ für die            dass US-Produzenten durch Importe aus acht Ländern,
heimische Industrie drohen oder bereits eingetreten         darunter Deutschland, Schaden genommen hätten.32 Der
sind.                                                       deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat die Antidum-
   Materielle Schädigung definiert das Gesetz als Scha-     pingzölle kritisiert. Die Berechnungen der US-Behörden
den, der weder unbedeutend, noch immateriell, noch          seien nicht im Einklang mit den WTO-Regeln erfolgt.
unwichtig ist. Um eine materielle Schädigung festzustel-       Ein weiteres Instrument, um gegen unfairen Handel
len, untersucht die USITC, ob die entsprechenden Waren-     vorzugehen, sind Antisubventionsmaßnahmen („coun-
importe signifikant gestiegen sind, ob ein signifikanter    tervailing measures“, CV). Gesetzliche Grundlage
Preisdruck durch den Import auf inländische gleicharti-     bildet auch hier der „Smoot-Hawley Tariff Act of 1930 as
ger Produkte vorliegt und wie sich dieser auf inländische   amended“. Er erlaubt die Erhebung von Zöllen, wenn
Produzenten gleichwertiger Produkte auswirkt. Eine          durch Subventionen der Handelspartner der US-ameri-
Antidumping-Untersuchung kann entweder direkt vom           kanischen Industrie ein durch die USITC festzustellender
Wirtschaftsministerium eingeleitet oder von einer inter-    materieller Schaden droht oder bereits entstanden ist.
essierten Partei im Namen eines US-Wirtschaftszweiges       Ausgleichsmaßnahmen werden deutlich weniger genutzt
beim DOC beantragt werden. Als „interessierte Parteien“     als Antidumpingmaßnahmen, da sie sich nicht gegen
gelten unter anderem inländische Produzenten und Groß-      einzelne Unternehmen, sondern gegen Staaten richten –
händler gleichartiger inländischer Produkte, Gewerk-        und demnach eine größere außenpolitische Bedeutung
schaften des betroffenen US-Wirtschaftszweiges sowie        entfalten können. Im Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. Juni
Wirtschaftsverbände.                                        2016 zählte die WTO insgesamt 431 CV-Untersuchungen;
   Die USA nutzen Antidumpingmaßnahmen häufig (vgl.         darunter entfielen 191 auf die USA. Im selben Zeitraum
Abb. 5). Zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 30. Juni       wurden 225 Maßnahmen implementiert, davon 98 von
2016 zählte die WTO insgesamt 5132 Antidumpingun-           den USA. Die meisten dieser Maßnahmen richteten sich
tersuchungen, von denen die Vereinigten Staaten 593         gegen China (36) und Indien (10)33 (vgl. Abb. 6). Es ist zu
(11,6 Prozent) initiiert haben. Im selben Zeitraum haben    erwarten, dass die Trump-Administration CV-Maßnah-
die WTO-Mitglieder 3316 Antidumpingmaßnahmen                men aktiv nutzen wird, um gegen ihrer Meinung nach
gemeldet, von denen 368 (11,1 Prozent) auf die USA ent-     unfairen Handel vorzugehen. Ob sie versuchen wird, das
fallen. Damit sind die USA der zweithäufigste Nutzer von    Instrument zu nutzen, um gegen angebliche Währungs-
Antidumpingmaßnahmen in diesem Zeitraum, nach In-           manipulation vorzugehen, bleibt allerdings abzuwarten.

DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
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