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www.ssoar.info Trump's Fair Trade - aber fair für wen? Mildner, Stormy-Annika; Schmucker, Claudia Veröffentlichungsversion / Published Version Arbeitspapier / working paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Mildner, S.-A., & Schmucker, C. (2017). Trump's Fair Trade - aber fair für wen? (DGAP-Analyse, 6). Berlin: Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168- ssoar-56084-8 Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer CC BY-NC-ND Lizenz This document is made available under a CC BY-NC-ND Licence (Namensnennung-Nicht-kommerziell-Keine Bearbeitung) zur (Attribution-Non Comercial-NoDerivatives). For more Information Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu den CC-Lizenzen finden see: Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de
DGAPanalyse Nr. 6 / Juli 2017 Trump’s Fair Trade – aber fair für wen? Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker US-Präsident Donald Trump setzt in der Handelspolitik auf strikte Reziprozität im Marktzugang; Messlatte sind bilaterale Handelsbilanzen. Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen dürften somit deutlich schwieriger werden. Daher müs- sen Deutschland und die EU auch ihre eigenen handelspolitischen Hausaufgaben entlang eines 5-Punkte Plans machen: 1. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg müssen sich die Staaten gemeinsam gegen Protektionismus und für offene Märkte stark machen, zur Not auch ohne die USA. 2. Die EU sollte sich für eine Modernisie rung des WTO-Handelsrechts einsetzen und weitere bilaterale Handelsabkommen abschließen. Dabei muss sie dafür sorgen, dass möglichst viele von den Vorteilen des Handels profitieren. 3. Die EU sollte die Gefahren der Handelspolitik von Trump nicht unterschätzen, da er einen großen Spielraum hat, um Importe einzuschrän- ken. 4. Das Projekt TTIP darf nicht aufgegeben werden. Die Verhandlungen sollten aber erst dann wiederaufgenommen werden, wenn es auf beiden Seiten ernsthafte Aussichten auf Erfolg bei Verhandlung und Ratifizierung gibt. 5. Die EU sollte die transatlantischen Dialogformate wiederbeleben. Dazu gehört auch der Transatlan- tische Wirtschaftsrat, der die TTIP-Gespräche zu Regulierungsfragen weiterführen könnte.
DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Inhalt Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker 3 Executive Summary und Handlungsempfehlungen 5 I. Einleitung 6 II. Trumps handelspolitische Agenda: Grund zur Besorgnis 11 III. Trumps Team und das neue institutionelle Set-up 12 IV. Was kann der Präsident? Das handelspolitische Instrumentarium der Exekutive 18 V. Trump und Freihandelsabkommen: Neuverhandlung von NAFTA 20 VI. Trumps Basis: Interessenkoalitionen 25 VII. Ein „Deal“ mit Trump? Die Zukunft der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen 29 Anmerkungen DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
2 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
3 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Stormy-Annika Mildner und Claudia Schmucker Executive Summary und G20 aufgrund des Widerstands der USA nicht gelingt, Handlungsempfehlungen sollten sich zumindest die restlichen Mitglieder ge- Die Handelspolitik gehört zu den Top-Prioritäten von meinsam gegen Protektionismus und für offene und US-Präsident Donald Trump. Trump will aggressiv gegen inklusive Märkte stark machen. Gleichzeitig müssen die von der Regierung als unfair identifizierte Praktiken von G20-Mitglieder auf nationaler Ebene die Vorteile des US-Handelspartnern vorgehen und das US-Handelsbi- Welthandels besser erklären. Dabei müssen sie auch lanzdefizit abbauen. So will er die US-Wirtschaft stärken jene ansprechen, die sich ausgegrenzt fühlen, und ihre und Arbeitsplätze schaffen. Er setzt auf strikte Rezipro- Anstrengungen in den Bereichen Bildung und lebens- zität (Gegenseitigkeit) im Marktzugang – Messlatte sind langes Lernen verstärken, um diesen Menschen zu neu- bilaterale Handelsbilanzen. Handelsabkommen, die nicht en Chancen zu verhelfen. Deutschland hat noch bis zum den versprochenen Nutzen für die USA bringen, sollen 30. November 2017 die G20-Präsidentschaft inne; dann neu verhandelt werden. Während die USA in der Vergan- übernimmt Argentinien. Mitte Dezember 2017 wird genheit stets Verfechter eines regelbasierten, internatio in Buenos Aires die 11. Ministerkonferenz der Welt- nalen Handelssystems waren, stellt Präsident Trump handelsorganisation (WTO) stattfinden. Zusammen dieses grundlegend in Frage. mit Argentinien sollte die Bundesregierung die zweite Handel und Investitionen werden auch in Zukunft das Jahreshälfte nutzen, um in der G20 ein gemeinsames Rückgrat der transatlantischen Beziehungen sein. Aber Verständnis zur WTO-Agenda zu erarbeiten und so eine die wirtschaftspolitischen Beziehungen dürften deutlich Basis für eine erfolgreiche Konferenz zu schaffen. schwieriger werden. Dabei steht für Deutschland und .. Stärkung der EU-Handelspolitik: Sollte Trumps han- Europa viel auf dem Spiel: Die USA sind das wichtigste delspolitische Agenda umgesetzt werden, bedeutet Zielland für deutsche Warenexporte (2016). Deutsche und dies einen Rückzug der USA aus dem internationalen US-amerikanische Unternehmen sind außerdem wichtige Handelssystem. Die USA würden dann eine Führungs- Investoren für den jeweils anderen Markt – die Verei- lücke hinterlassen. Die EU sollte diese schließen. Sie nigten Staaten sind das wichtigste Zielland für deutsche sollte sich in der WTO nicht nur weiterhin proaktiv für Direktinvestitionen im Ausland. Auch die Wirtschaftsbe- eine Modernisierung des Handelsrechts einsetzen (zum ziehungen zwischen der EU und den USA sind eng. 2016 Beispiel für die Entwicklung von Regeln zum digitalen gingen (ohne intra-europäischen Handel) 20,7 Prozent Handel), sondern auch weitere bilaterale Handelsab- der gesamten europäischen Exporte in die USA. Aus den kommen mit wichtigen Handelspartnern abschließen. USA kamen 14,5 Prozent der Importe der EU. Dies wird ihr jedoch nur dann gelingen, wenn sie dafür Angesichts der Bedeutung der transatlantischen die uneingeschränkte Rückendeckung der EU-Mit- Wirtschaftsbeziehungen sollten Deutschland und die EU gliedstaaten hat. Entsprechend muss sie einen offenen nicht nur weiter in die transatlantischen Beziehungen Dialog mit diesen sowie der Zivilgesellschaft darüber investieren, sondern müssen auch ihre eigenen handels- führen, welche Konsequenzen aus dem Urteil des Euro- politischen Hausaufgaben entlang des folgenden 5-Punk- päischen Gerichtshofes über das Freihandelsabkommen te Plans machen: mit Singapur zu ziehen sind (Kompetenzverteilung .. Agenda für freien und inklusiven Handel: Um Trumps zwischen EU und Mitgliedstaaten) und wie moderne protektionistischen Vorhaben entgegenzuwirken, muss und ambitionierte Handelsabkommen in der Zukunft die internationale Gemeinschaft ein deutliches Zei- gestaltet werden sollen. Die EU muss eine Handelspoli- chen für offene Märkte setzen. Auf dem anstehenden tik verfolgen, die für offene Märkte steht und gleichzei- G20-Gipfel in Hamburg sollten die G20-Mitglieder tig dafür sorgt, dass möglichst viele von den Vorteilen ihre Verpflichtung mit Nachdruck wiederholen, keine des Handels profitieren. Nur ein nach innen starkes neuen protektionistischen Maßnahmen einzuführen. Europa kann auch international stark sein. Wenn eine gemeinsame Erklärung der Mitglieder der DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
4 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? .. Trump nicht unterschätzen: Trumps erratischer Füh- handlungspartner sollten die gemeinsame Grundlage rungsstil, sein internationales Auftreten, seine sinken- und Erfolgsausschichten für eine Wiederaufnahme den Beliebtheitswerte in den USA und die aktuellen po- der TTIP-Verhandlungen sorgfältig prüfen. Wenn auf litischen Skandale sollten nicht dazu verleiten, die Ge- beiden Seiten ernsthafte Aussichten auf Erfolg bei fahren seiner Handelspolitik zu unterschätzen. Trump Verhandlung und Ratifizierung bestehen, sollten die fordert schon seit Jahrzehnten einen faireren Handel Verhandlungen wieder aufgenommen werden. für die USA und ist damit – im Gegensatz zu vielen .. Wiederbelebung der transatlantischen Dialoge: Unab- anderen Themen – gefestigt in seinen Überzeugungen. hängig von TTIP sollte die EU den konstruktiven Dialog Mit Robert Lighthizer, Wilbur Ross und Peter Navarro über Freihandel mit der neuen US-Administration in den handelspolitischen Spitzenpositionen hat er sich suchen. Dabei muss sie den USA gleichzeitig deutlich zudem nicht nur Hardliner, sondern auch erfahrene machen, welche Interessen und Werte sie verfolgt. Handelsexperten und harte Verhandler in sein Team Bestehende Dialogformate mit den USA sollten ge- geholt. Verfassungsrechtlich liegt die Kompetenz für stärkt und eingeschlafene Formate gegebenenfalls den Handel im Kongress. Trump wird langfristig daher neu gestartet werden – und zwar auf allen Ebenen: auf keine Handelspolitik am Kongress vorbei machen kön- Regierungsebene und zwischen der Wirtschaft ebenso nen, der zu einem wichtigen Korrektiv werden könnte. wie der Zivilgesellschaft. Dazu gehört beispielsweise Nichtsdestotrotz hat der Präsident einen beachtlichen der Transatlantische Wirtschaftsrat (Transatlantic Eco- Spielraum, um Importe einzuschränken. nomic Council, TEC). Der 2007 gegründete TEC brachte .. TTIP auf der Agenda behalten: Die Argumente für eine vor der Aufnahme der TTIP-Verhandlungen Regulierer Transatlantische Handels- und Investitionspartner- von beiden Seiten des Atlantiks zusammen, um durch schaft (TTIP) haben weiter Bestand. Der Abbau von Kooperation bei Regulierungsfragen nicht-tarifäre Handels- und Investitionshemmnissen würde einen Handelshemmnisse abzubauen. Die Bilanz des TEC fällt positiven Impuls für Wirtschaftswachstum und Ar- zwar gemischt aus, doch könnte er die TTIP-Gespräche beitsplätze bedeuten. Zudem bieten Handelsabkommen zu Regulierungsfragen in denjenigen Sektoren weiter- wie TTIP eine Chance, die Globalisierung mit guten führen, in denen bereits Fortschritte erzielt wurden. Regeln zu gestalten. Die handelspolitische Agenda von Vor dem Hintergrund der vielen Konfliktpunkte in den US-Präsident Trump verheißt allerdings nichts Gutes transatlantischen Beziehungen ist es zudem wichtig, für TTIP. In vielen Bereichen – allen voran die öffent- dass die transatlantischen Partner Themen mit gleich- liche Auftragsvergabe – dürften die ohnehin schon gerichteten Interessen identifizieren, um so eine posi- schwierigen Verhandlungen noch mühseliger werden. tive Dynamik zu schaffen. Dazu könnte beispielsweise Seit Herbst 2016 liegen die Gespräche auf Eis. Die Ver- das Thema Aus- und Weiterbildung gehören. DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 5 I. Einleitung mit Deutschland nur dann „fair“, wenn die Deutschen „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in ebenso viele US-amerikanische Autos kaufen würden wie unsere eigene Hand nehmen“, erklärte die deutsche die Amerikaner deutsche. Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem G7-Gipfel Trump will Industriejobs zurück in die Vereinigten von Taormina Ende Mai 2017. „Die Zeiten, in denen wir Staaten holen und Arbeitsplätze schaffen. Auch das Han- uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein delsbilanzdefizit soll verringert werden. Noch in seiner Stück vorbei“, kritisierte die Kanzlerin das Verhalten der ersten Amtswoche zog Trump die Beteiligung der USA an USA nach dem Gipfel.1 Die USA sind unter US-Präsident der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) formell zurück. Trump zu einem schwierigen Partner geworden. Das Nachdem Trump kurz davor stand, das Nordamerikani- Ergebnis der G7-Verhandlungen zum internationalen sche Freihandelsabkommen (North American Free Trade Handel war zwar besser als die Erklärung der G20- Agreement, NAFTA), das er wiederholt als „bad deal“ Finanzminister in Baden-Baden Mitte März 2017. Ange- bezeichnet hatte, aufzukündigen, will er nun zumindest sichts der Herausforderungen, vor denen der interna- den Vertrag mit Mexiko und Kanada modernisieren. tionale Handel steht, ist jedoch auch diese Erklärung Trump zieht bilaterale Abkommen multilateralen vor und enttäuschend. Auch das Forum und Ministerratstreffen stellt die Geltung internationaler Rechtsnormen in Frage: der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit Urteile der WTO in Streitschlichtungsfällen sollen genau und Entwicklung (OECD) in Paris Anfang Juni verheißt überprüft werden und nach Ansicht von Trump nicht nichts Gutes. Die OECD-Mitglieder konnten sich nicht mehr notwendigerweise zu einer Änderung von US-ame- auf eine gemeinsame Deklaration verständigen. Schließ- rikanischen Gesetzen führen. lich veröffentlichten die USA eine eigene Erklärung, in Als Präsident Obama 2009 ins Weiße Haus einzog, ließ deren Mittelpunkt „fairer Handel“ stand.2 auch er handelskritische Töne anklingen. Auch er wollte Mit Entsetzen schaut die internationale Wirtschaftsge- US-Handelsrecht aggressiver international durchsetzen meinschaft auf Trumps Handelspolitik. Die USA waren in und Handelsabkommen, die sein Vorgänger, Georg W. der Vergangenheit stets Verfechter eines regelbasierten, Bush, verhandelt hatte und die noch nicht vom Kongress internationalen Handelssystems. Ohne sie hätte sich die ratifiziert waren, einer kritischen Überprüfung unter- internationale Staatengemeinschaft wohl kaum nach dem ziehen. In seiner zweiten Amtszeit wurde Handelspolitik Zweiten Weltkrieg auf das Allgemeine Zoll- und Han- jedoch zu einem zentralen Pfeiler seiner Job- und Wachs- delsabkommen (GATT, Abschluss 1947) verständigt. Und tumsstrategie. Obamas wichtigste handelspolitische ohne die USA wäre das GATT sicherlich nicht durch die Projekte, TPP und TTIP, wären – wenn ratifiziert – die WTO (Gründung 1995) abgelöst worden. Trumps Credo ambitioniertesten Freihandelsabkommen (FTAs) in der hingegen ist „fairer Handel“, „Reziprozität“ und „Ame- Geschichte der USA gewesen. rica first“. „Fair trade“ ist nicht neu für die USA. Die USA Noch ist vieles von Trumps Politik kaum mehr als sind zudem schon lange einer der aktivsten Nutzer von Rhetorik. Ein Grund für Entwarnung ist dies allerdings Antidumping-Maßnahmen unter den WTO-Mitgliedern. nicht. Trump ist in vielerlei Hinsicht unberechenbar, doch Und auch die Obama-Administration war nicht immer seine handelspolitischen Ansichten zeichnen sich durch ein einfacher Partner. Präsident Trump stellt jedoch das große Beständigkeit aus. Seit Jahrzehnten fordert er regelbasierte, liberale Handelssystem grundlegend in Fra- einen „faireren“ Handel für die USA. Derzeit verschlech- ge. Damit vollzieht er einen deutlichen Bruch gegenüber tern sich Trumps Umfragewerte in der Bevölkerung. Lag seinen Vorgängern. die Zustimmungsrate für Trump zum Zeitpunkt seiner Trump scheint ein überzeugter Merkantilist zu sein. Amtsübernahme noch bei 45 Prozent, kam er Anfang Juni Für ihn scheint Handel ein Nullsummenspiel: Exporte nur noch auf 37 Prozent – 58 Prozent sind mit der Politik sind gut, Importe sind schlecht. Produktion im Inland des Präsidenten unzufrieden.3 Der Präsident steht unter ist gut, Produktion im Ausland ist schlecht. Handels- erheblichem Druck, auf seine Wahlversprechen auch überschüsse sind gut, Handelsdefizite sind schlecht. Die Taten folgen zu lassen und spätestens zu den Mid-Term großen Überschüsse einzelner Länder wie Deutschland, Elections 2018 Ergebnisse vorweisen zu können. China oder auch Japan sind hingegen kein Zeichen von Welche Maßnahmen hat der Präsident bisher getrof- Wettbewerbsfähigkeit oder Folgen von Marktstrukturen, fen? Wie sieht seine Planung aus? Wer macht was in sondern ein Zeichen von unfairem Wettbewerb – von seinem handelspolitischen Team? Und wie sollten die Währungsmanipulation, Subventionen und Dumping. EU und Deutschland auf Trump reagieren? Vieles ist Nach Ansicht von Trump wäre beispielsweise der Handel zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Gewiss ist jedoch: Die DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
6 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Wirtschaft – Handel und Investitionen – wird Rückgrat gen des WTO-Streitschlichtungsorgans sowie -Beru- der transatlantischen Beziehungen bleiben. Aber die wirt- fungsgremiums verteidigt werden. schaftspolitischen Beziehungen dürften deutlich schwie- .. US-amerikanisches Handelsrecht soll strikter durchge- riger werden. Umso mehr müssen die EU und Deutsch- setzt werden, gegebenenfalls durch einen häufigeren land in die transatlantischen Beziehungen investieren. Gebrauch von Antidumping-, Ausgleichs- und Schutz- maßnahmen, wie sie im US-Recht erlaubt sind. .. Andere Staaten sollen ihre Märkte stärker für US- II. Trumps handelspolitische Agenda: Grund amerikanische Waren und Dienstleistungen öffnen. zur Besorgnis Dabei soll das geistige Eigentum von US-Unternehmen „Fair Trade“ und „Reziprozität“: Déjà-vu aus den geschützt werden. 1980er-Jahren? .. Neue und vor allem bessere bilaterale Handelsabkom- Im März 2017 veröffentlichte der USTR (US-Handels- men sollen US-Exporte steigern. Bestehende Abkom- beauftragter) die Handelsagenda des Präsidenten für men hätten dazu geführt, dass die USA mit vielen 2017. Trump setzt darin auf „fairen Handel“ und „strikte Ländern Handelsbilanzdefizite haben und Arbeitsplätze Reziprozität“, um so ein „Level Playing Field“ für US-ame- insbesondere in der Industrie verloren gegangen seien. rikanische Produzenten und Arbeitnehmer zu schaffen. Das Handelsbilanzdefizit der USA bewertet Trump als Er will die Exporte steigern (vgl. Abb. 1 für das Wachstum Ausdruck eines unfairen Wettbewerbs. des US-Handels; Abb. 2 zeigt die Bedeutung des Handels Ende Juni 2017 bekräftigte USTR Robert Lighthizer im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) und den Anteil der diese Agenda in einer Anhörung vor den Finanzausschüs- USA am Welthandel anheben (Abb. 3 zeigt den Anteil der sen des Repräsentantenhauses und Senats. Er unterstrich, USA am Welthandel und den weltweiten ausländischen dass der Ausstieg aus der TPP nicht bedeute, dass sich Direktinvestitionen). Die Trump-Administration verfolgt die USA aus der Region zurückzögen. Vielmehr wolle die vier übergeordnete Ziele: Trump-Administration bilaterale Abkommen mit Län- .. Die nationale Souveränität der USA über die Handels- dern in der Region verhandeln, wobei er allerdings offen politik soll gegenüber der WTO und den Entscheidun- ließ, um welche Länder es sich dabei handeln könnte. Abb. 1: Entwicklung des Außenhandels der USA Exporte und Importe, 1980 bis 2016 (Warenhandel, Mio. US-$) Quelle: UNCTAD, Merchandise Trade, (eingesehen am 21.06.2017). DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 7 Abb. 2: Die US-Außenhandelsquote Außenhandel (Exporte + Importe) im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Prozent) Quelle: UNCTAD, (eingesehen am 22.06.2017). Auch eine Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen sei politischen Interessen sicherheitspolitischen Erwägungen Lighthizer zufolge möglich, allerdings vor 2018 aufgrund unter. der Wahlen in der EU eher unwahrscheinlich. Für die Mit- In den 1960er-Jahren begann sich die Position der USA te Dezember 2017 anstehende WTO-Ministerkonferenz in der Weltwirtschaft zu wandeln. Die Länder Europas in Argentinien hat die Trump-Administration geringe hatten sich nicht nur vom Zweiten Weltkrieg erholt, son- Ambitionen: „Wir befürworten kein Treffen, das (…) sig- dern waren zu ernsthaften Konkurrenten aufgestiegen. nifikante Verhandlungsergebnisse anstrebt“, unterstrich Der Handelsbilanzüberschuss der USA nahm kontinu- Lighthizer.4 ierlich ab, auch infolge des überbewerteten Dollars. Die Die Konzepte des „fairen Handels“ und der „Reziprozi- USA setzen sich nach wie vor für Handelsliberalisierung tät“ sind nicht neu für die USA, sondern spielten bereits ein – ein Beispiel hierfür ist die Kennedy-Runde des GATT in der Handelspolitik der 1970er- und 1980er-Jahre eine –, doch gab es erste Zeichen für einen Wandel. Der „Trade zentrale Rolle. In den Nachkriegsjahren hatten die USA Expansion Act“ von 1962 stärkte sowohl die Schutzklausel zunächst aktiv Verantwortung im Weltwirtschaftssystem („Escape Clause“) als auch die Sicherheitsklausel (siehe übernommen und den Aufbau eines liberalen, multila- Kapitel: Was kann der Präsident). In den 1970er-Jahren teralen Handelssystems, basierend auf der unbedingten vollzog sich dann ein Paradigmenwechsel vom „free Meistbegünstigung (MFN), gefördert. Damit wollten trade“ zum „fair trade“. Die US-Wirtschaft büßte immer die USA eine Wiederholung der politischen Fehler, die mehr ihren Produktionsvorsprung ein; die Wirtschaft sta- nach dem Ersten Weltkrieg gemacht worden waren und gnierte, die Arbeitslosenquote war hoch. 1971 hatten die letztlich zum Beginn der Weltwirtschaftskrise und später USA erstmals seit 1893 wieder ein Defizit in der Handels- des Zweiten Weltkriegs beigetragen hatten, vermeiden. bilanz zu verzeichnen, und der Anteil der USA am welt- Zudem sollte der Wiederaufbau Europas und Japans nicht weiten Warenhandel sank stetig. Infolgedessen wuchs in nur durch direkte Finanzhilfen wie den Marshall-Plan, den USA das Gefühl, dass der US-Markt weitaus offener sondern auch durch „trade instead of aid“ forciert werden. sei als die Märkte der westlichen Handelspartner, die sich Schließlich sollten engere globale Handelsbeziehungen mithilfe struktureller Handelsbarrieren abzuschotten zu einer größeren politischen und wirtschaftlichen schienen. Folglich wurde vermehrt die Anwendung des Stabilität auf internationaler Ebene führen, um Kriege Grundsatzes der „strikten Reziprozität“ im Handel gefor- und Weltwirtschaftskrisen künftig zu verhindern. Die dert, um ein vergleichbares Marktöffnungsniveau und USA akzeptierten daher auch in Teilen eine ungleiche ein „Level Playing Field“ zu schaffen. Reziprozität, die Marktöffnung und ordneten nicht selten ihre wirtschafts- Gegenseitigkeit von Zugeständnissen, ist eines der Grund- DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
8 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Abb. 3: Die USA in der Weltwirtschaft Anteile am globalen Außenhandel (Waren & Dienstleistungen) und globalen Direktinvestitionsbeständen (Prozent) Quelle: UNCTAD, (eingesehen am 22.06.2017). prinzipien von GATT und WTO. Anders als die Meistbe- haben. Zudem sah er Sanktionsmaßnahmen vor (siehe günstigung, die im Regelwerk explizit festgeschrieben Kapitel: Was kann der Präsident). ist, ist Reziprozität nur implizit verankert. Dennoch war „Fair Trade“ war eine pluralistische Handelspolitik, die dieses Konzept seit Inkrafttreten des GATT ein zentraler unterschiedliche Handelsstrategien miteinander verband Leitgedanke für die Verhandlungen. Demnach sollten den – Multilateralismus, Regionalismus und Unilateralismus. Handelsvorteilen, die ein Staat den anderen Mitgliedern Ziel war es, ein internationales „Level Playing Field“ für einräumt, gleichwertige – aber nicht unbedingt dieselben US-Exporteure zu schaffen. Mit Hilfe unilateraler Instru- – Handelsvorteile der anderen Staaten gegenüberstehen. mente wie Antidumping- und Ausgleichszöllen sowie dem Bei strikter Reziprozität erfolgt hingegen ein Abgleich Super 301 gingen die USA gegen „unfaire“ Handelsprak- der Marktöffnung – Produkt gegen Produkt, Sektor gegen tiken im Ausland vor. Gleichzeitig verfolgten sie zuneh- Sektor, Land gegen Land. Messlatte sind zudem die Han- mend Ansätze einer strategischen Handels- und Indus delsbilanzen. Bilaterale Handelsbilanzüberschüsse wer- triepolitik („managed trade“). Schließlich setzten sich die den als Indikator für ungleiche Marktöffnung gewertet. USA für den Beginn einer neuen GATT-Verhandlungsrun- Ausdruck dieses Paradigmenwechsels war insbeson- de, der Uruguay-Runde, ein, während sie gleichzeitig den dere das Handelsgesetz von 1974. In Anlehnung an den Abschluss bilateraler und regionaler Handelsabkommen „Trade Expansion Act“ von 1962 wurde in den „Trade Act“ forcierten. von 1974 Abschnitt 301 (Verletzung von Handelsabkom- Dass Trumps Handelsagenda ähnliche Maßnahmen men oder -regeln) aufgenommen. Diesem zufolge sollte vorsieht, überrascht kaum, haben doch viele seiner der Präsident alle möglichen Schritte einleiten, um unge- Handelsexperten bereits in den 1980er-Jahren handels- rechtfertigte Importbeschränkungen anderer Länder ab- politische Erfahrung gesammelt. Und doch könnte es zubauen. 1988 wurde Abschnitt 301 durch den „Omnibus einen deutlichen Unterschied zur Handelspolitik der Trade and Competitiveness Act“ noch einmals verschärft. 1980er Jahre geben: Die USA waren damals, trotz aller Der besonders umstrittene Super 301 verlangte eine jähr- unilateralen Ansätze, ein Grundpfeiler der multilatera- liche Auflistung der gravierendsten Handelsbarrieren, mit len Handelsordnung und -liberalisierung. Die Uruguay- denen US-Exporteure konfrontiert sind, sowie derjenigen Runde des GATT hatte nicht nur mehr Marktöffnung Länder, die diese Handelsschranken zu verantworten weltweit gebracht, sondern auch mit der Gründung der WTO das Regelwerk für den globalen Handel grund- DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 9 Abb. 4: Handelsbilanzdefizit der USA im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung Handelsbilanz (Exporte - Importe) im Verhältnis zum BIP (Prozent) Quelle: UNCTAD, Balance of Payments, Current Account Net, Percentage of GDP, (eingesehen am 13.06.2017). legend modernisiert und einen überaus effektiven Me- Proklamation, im Amtsblatt der USA („Federal Register“) chanismus für die Beilegung von Handelsstreitigkeiten veröffentlicht werden.5 geschaffen. Ohne die treibende Kraft der USA wäre dies Trumps bisherige Exekutivmaßmaßnahmen erteilen nicht möglich gewesen. Dass die USA unter Präsident größtenteils Arbeitsaufträge – in erster Linie Überprü- Trump die WTO und die Doha-Runde in ähnlichem fungen von Handelspolitik und Handelsbeziehungen – an Maße unterstützen, ist eher unwahrscheinlich. seine Minister und Behörden, die diese innerhalb be- stimmter Fristen umsetzen müssen. Einige Maßnahmen Trumps Exekutivmaßnahmen und handelspoliti- haben aber auch direkte Auswirkungen, wie beispielswei- sche Überprüfungen se der Rückzug der USA aus der TPP. Diesen verkündete Seit den ersten Tagen seiner Präsidentschaft nutzt Trump bereits am 23. Januar 2017, drei Tage nach seiner US-Präsident Trump regelmäßig Exekutivmaßnahmen Amtseinführung, per Memorandum.6 („executive actions“), um seine handelspolitische Agenda Am 31. März 2017 ordnete Trump das Wirtschaftsminis- voranzutreiben. Darunter fallen „executive orders“ (Prä- terium (Department of Commerce, DOC) und das Büro sidialerlasse), „presidential memoranda“ (Memoranden) des USTR an, innerhalb von 90 Tagen einen umfassenden und „proclamations“ (Proklamationen). Die US-Verfas- Bericht über die Handelspraktiken der US-amerikani- sung definiert diese Exekutivmaßnahmen zwar nicht und schen Handelspartner („Omnibus Report on Significant überträgt dem Präsidenten auch nicht explizit die Befug- Trade Deficits“) zu erstellen. Das hohe Handelsbilanzde- nis, diese zu erlassen. Trotzdem werden sie im politischen fizit ist Trump ein Dorn im Auge (vgl. Abb. 4). DOC und System der USA als fester Bestandteil der präsidialen USTR sollen untersuchen, wo die Ursachen des Defizits Kompetenzen unter Artikel II der US-Verfassung angese- liegen. Dabei sind sie angewiesen, unter anderem folgen- hen. Durch Exekutivmaßnahmen weist der US-Präsident de Faktoren zu berücksichtigen: Betrug oder unangemes- die Behörden an, bestimmte Maßnahmen durchzuführen. senes Verhalten von Handelspartnern, Freihandelsabkom- Diese Maßnahmen sind allerdings nur in denjenigen men, die nicht zu den vorhergesagten Effekten geführt Fällen rechtlich bindend, in denen sie auf einer präsidia- haben, mangelnde Durchsetzung von Handelsregeln len Kompetenz beruhen, die ihm die US-Verfassung oder seitens der USA oder auch Währungsmanipulation.7 eine andere rechtliche Grundlage verleihen. Präsidial Ebenfalls am 31. März erließ Trump noch ein weiteres erlasse müssen, anders als ein Memorandum oder eine Dekret. Die „Presidential Executive Order on Establishing Enhanced Collection and Enforcement of Antidumping DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
10 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? and Countervailing Duties and Violations of Trade and Pipelines nur Materialien aus US-amerikanischer Herstel- Customs Laws“ weist zunächst darauf hin, dass andere lung verwendet werden dürfen.11 Darüber hinaus soll das Länder den USA für den Untersuchungszeitraum bis Mai Dekret vom 18. April unter dem „Hire American“-Aspekt 2015 noch Antidumpingzoll- und Ausgleichszollzahlun- sicherstellen, dass Einreise- und Aufenthaltsregelungen gen in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar schuldeten. Als für ausländische Arbeitnehmer in den USA streng kont- Konsequenz wird der US-Heimatschutzminister angewie- rolliert und durchgesetzt werden. So will Trump US-ame- sen, innerhalb von 90 Tagen eine Strategie zu entwickeln, rikanische Arbeitnehmer schützen.12 um entsprechende Barsicherheiten von den Unternehmen Am 20. April wies der Präsident den US-Wirtschaftsmi- einzutreiben, und weitere mögliche Durchsetzungsme- nister per Memorandum gemäß Abschnitt 232 des „Trade chanismen zu identifizieren. Zudem soll er einen Plan Expansion Act of 1962 as amended“ an, zu untersuchen, entwickeln und implementieren, um Verletzungen des ob Stahlimporte die nationale Sicherheit gefährden. Nach US-amerikanischen Zoll- und Handelsrechts zu bekämp- Artikel XXI des GATT ist es WTO-Mitgliedern erlaubt, fen. Ein Fokus liegt auf Verletzungen geistiger Eigen- handelseinschränkende Maßnahmen zu ergreifen, um tumsrechte durch Handelspartner, wie etwa die Einfuhr ihre nationale Sicherheit zu garantieren. Abschnitt 232 gefälschter Waren in die USA.8 legt diese Erlaubnis für das US-Handelsrecht aus und defi- Am 18. April folgte der Präsidialerlass „Buy American niert entsprechende Maßnahmen. Falls der Wirtschafts- and Hire American“. Dieser soll zum einen sicherstel- minister in seiner Untersuchung zum Ergebnis kommt, len, dass sowohl der „Buy American Act“ als auch „Buy dass die Sicherheit gefährdet ist, kann der Präsident den America“-Regulierungen und -Regeln überwacht, durch- Import von Stahl einschränken. Für die Untersuchung hat gesetzt und eingehalten werden. So soll die Verwendung das Wirtschaftsministerium maximal 270 Tage Zeit. Dazu von US-amerikanischen Produkten und Materialien verfasst das Bureau of Industry and Security, das dem durch die US-Behörden gesteigert werden. Der „Buy DOC untergeordnet ist, einen entsprechenden Bericht. Im American Act“ verpflichtet die US-Bundesregierung, in Anschluss wird der Bericht an den Kongress übermittelt.13 ihrer öffentlichen Beschaffung heimische Materialien zu Der Präsident entscheidet innerhalb von 90 Tagen, ob verwenden, sofern keine Ausnahmeregelung greift. Da- er der Einschätzung des Wirtschaftsministers folgt und mit Materialien als „heimisch“ anerkannt werden können, ob importbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden müssen sie im Falle von unverarbeiteten Erzeugnissen sollen, und begründet seine Entscheidung innerhalb von oder Baumaterialien komplett aus den USA stammen und 30 Tagen gegenüber dem Kongress. Am 27. April initiier- im Fall von verarbeiteten Produkten in den USA gefertigt te Trump per Memorandum eine weitere Untersuchung worden sein, während der Kostenanteil der Rohstoffe und dieser Art zu Aluminiumimporten.14 Komponenten, die in den USA abgebaut beziehungsweise Seit der Gründung der WTO hat es nur zwei Unter- hergestellt wurden, bei über 50 Prozent liegen muss.9 Die suchungen gemäß Abschnitt 232 des „Trade Expansion „Buy America“-Regeln beziehen sich auf Vorschriften des Act of 1962 as amended“ gegeben, von denen keine zu US-Transportministeriums für die Ausschreibung von Maßnahmen geführt hat. Dass Trump seinen Wirtschafts- Verkehrsinfrastrukturprojekten durch einzelstaatliche minister nun per Memorandum zu zwei Untersuchungen oder lokale Regierungsbehörden. Die untergeordneten dieser Art auffordert, zeigt, zusammen mit den weiteren Behörden des Verkehrsministeriums – die Federal Transit Exekutivmaßnahmen, dass er seine Handelsagenda ernst Administration, die Federal Highway Administration meint. Allerdings weht ihm mittlerweile auch Gegenwind und die Federal Aviation Administration – haben alle- aus den eigenen Reihen entgegen. Laut einem Bericht der samt eigene „Buy America“-Regeln und Regulierungen.10 Zeitschrift Inside U.S. Trade kritisierten das Finanzminis- Das Ziel der „Buy American“-Anordnungen ist, laut dem terium, der Nationale Wirtschaftsrat (National Economic Dekret, die wirtschaftliche und nationale Sicherheit zu Council, NEC) und das Verteidigungsministerium die fördern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, gut Pläne von Wirtschaftsminister Ross. Auch zahlreiche bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, die Mittelschicht Wirtschaftsvertreter äußerten Sorge darüber, dass das zu stärken und wiederum die Industrie des Landes zu Vorgehen der USA andere Länder dazu bewegen könnte, stärken. Bereits in seiner ersten Amtswoche hatte Trump ebenfalls protektionistische Maßnahmen auf der Basis per Memorandum verfügt, dass für alle neu genehmigten nationaler Sicherheitsbedenken zu ergreifen.15 DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 11 III. Trumps Team und das neue von den Vereinigten Staaten niemals vereinbart wur- institutionelle Set-up den.“19 Eine Vielzahl von Institutionen ist an der Erarbeitung und Ebenfalls in die Handelspolitik eingebunden ist das Ausführung der US-Handelspolitik beteiligt. Federfüh- Wirtschaftsministerium. Außenwirtschaftspolitische rend in der Handelspolitik ist – zumindest bisher – das Fragen werden dort vor allem in der International Trade Büro des USTR. Allerdings deutet sich bereits ein Kompe- Administration (ITA) und ihren verschiedenen Abtei- tenzgerangel zwischen dem Büro des USTR, dem Wirt- lungen behandelt. Die ITA ist verantwortlich für Export- schaftsministerium und dem von Trump neu gegründeten förderung, Handelsvertretungen im Ausland, die Ver- Office of Trade and Manufacturing Policy ab. waltung von Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen, Der USTR ist als Handelsbeauftragter mit Kabinetts- Exportkontrollmaßnahmen sowie Unterstützung der und Botschafterrang direkt dem Präsidenten unterstellt. Handelsanpassung für Unternehmen. Wirtschaftsminis- Er dient als Vermittler sowohl zwischen den innenpo- ter ist aktuell Wilbur Ross. Wie Lighthizer unterstützt der litischen Interessen und den Interessen ausländischer ehemalige Hedgefonds-Manager internationalen Han- Regierungen als auch zwischen der Exekutive und dem del, will aber gleichermaßen stärker US-Handelsrecht Kongress. Er fungiert somit als Koordinierungsstelle zwi- und „fairen“ Handel durchsetzen. Ross hat erklärt, dass schen den an der Handelspolitik beteiligten Institutionen das US-Handelsdefizit ein Ergebnis von „manipulierten innerhalb und außerhalb der Exekutive. Darüber hinaus Währungen, merkantilistischen Praktiken und schlecht vertritt er die USA in internationalen Verhandlungen. Zu ausgehandelten Handelsabkommen“ sei und das US-Wirt- den Kompetenzfeldern des USTR gehören bilaterale, regi- schaftswachstum hemme.20 Das Wirtschaftsministerium onale und multilaterale Handels- und Investitionsfragen erhebt schon jetzt einen deutlich größeren Anspruch, an sowie ausgewählte unilaterale Handelsinstrumente (u. a. der strategischen Weichenstellung sowie Verhandlung/ Abschnitt 201 und Abschnitt 301). Neuverhandlung von Freihandelsabkommen beteiligt zu Handelsbeauftragter ist zurzeit Robert Lighthizer, ein sein, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. erfahrener Handelsexperte. Als stellvertretender Han- Ross dürfte entsprechend auch eine wichtige Rolle bei delsbeauftragter unter der Reagan-Administration spielte den NAFTA-Neuverhandlungen spielen. Wer die Leitung er eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Handels- für diese übernehmen wird – Ross oder Lighthizer – ist politik und war an der Entstehung zahlreicher Abkom- allerdings noch nicht abschließend geklärt.21 men zum Stahl- oder auch Getreidehandel beteiligt. Er Ende April schuf Präsident Trump eine neue handels- ist somit bestens vertraut mit der „Fair-Trade“-Politik und politische Institution.22 Das Office of Trade and Manu- dem aggressiven Unilateralismus der Handelspolitik der facturing Policy soll von Peter Navarro geleitet werden. 1980er-Jahre. Als Anwalt in der Kanzlei Skadden Arps hat Navarro hatte Trump bereits im Wahlkampf beraten. Der er die Interessen von US-Unternehmen in Anti-Dumping- Ökonom an der University of California/Irvine kritisiert Fällen vertreten. Lighthizer gehört zu den handelspoliti- China massiv für unfaire Wettbewerbspraktiken wie schen Hardlinern, die die Interessen der USA aggressiv Währungsmanipulation. Aufmerksamkeit erregte er mit durchsetzen wollen. In der Senats-Anhörung zu seiner seinem Dokumentarfilm „Death by China: How America Amtsernennung führte er aus: „Ich stimme Präsident Lost its Manufacturing Base“, der auf seinem gleichnami- Trump zu, dass wir eine Amercia-first-Handelspolitik gen Buch beruht. Darin beschreibt er den Aufstieg Chinas haben sollten und dass wir besser in der Aushandlung zur Weltmacht als Gefahr für die US-Wirtschaft. Von ihm von Handelsabkommen sein können und stärker in der stammt die Idee, einen Strafzoll auf Importe aus China Durchsetzung unserer Handelsgesetze“.16 Er will einen zu erheben.23 Ende Januar warf Navarro Deutschland vor, harten Kurs gegenüber China fahren und steht der WTO die USA sowie andere EU-Länder mit Hilfe eines massiv kritisch gegenüber.17 Lighthizer hat in der Vergangenheit unterbewerteten Euros auszubeuten.24 Anfänglich als wiederholt China für „Währungsmanipulation, Subventi- National Trade Council geplant, sind weder Aufgaben- onen, Diebstahl von geistigem Eigentum und Dutzenden portfolio noch Handlungsspielraum der neuen Institution von anderen Formen von staatlich gefördertem, staatlich bisher genau bestimmt. Sie soll den Präsidenten beraten, organisiertem unlauteren Handel“ kritisiert.18 Bezüglich wie Wirtschaftswachstum und Jobs in den USA gefördert, des WTO-Streitschlichtungsmechanismus kritisierte er, die Industrie gestärkt und das Handelsbilanzdefizit redu- dass dieser „US-Interessen konsequent untergraben“ habe, ziert werden können. Zudem soll sie das Verbindungsbüro „indem er neue gesetzliche Anforderungen erarbeitet, die zwischen Weißem Haus und der US-Wirtschaft werden. DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
12 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Der wohl moderateste Handelsexperte im Trump- der Außenpolitik und kann internationale Verträge mit Team ist Gary Cohn. Er leitet den NEC. Als NEC-Direktor anderen Ländern verhandeln und unterzeichnen. hat er eine koordinierende Rolle für die gesamte Wirt- .. Grundsätzlich muss der Senat mit einer Zwei-Drittel- schaftspolitik der Regierung inne. Der NEC wurde 1993 Mehrheit einem internationalen Abkommen (engl. eingerichtet, um den Präsidenten in US- und globalen „treaty“) zustimmen, damit es in Kraft tritt. Wirtschaftsfragen zu beraten, alle Stellen zu koordinie- .. Zudem hat der Präsident die Möglichkeit, „executive ren, die den Präsidenten in Wirtschaftsfragen unterstüt- agreements“ abzuschließen. Diese können ohne Einbe- zen, und sicherzustellen, dass politische Entscheidungen ziehung des Kongresses in Kraft treten. und wirtschaftspolitische Programme im Einklang mit ..„Congressional-executive agreements“ verlangen die den wirtschaftlichen Zielen des Präsidenten stehen.25 Zustimmung von beiden Kammern des Kongresses, also Der ehemalige Investmentbanker Cohn ist registrierter dem Repräsentantenhaus und dem Senat, mit einfacher Demokrat. Er begleitete Trump im Mai zum Treffen mit Mehrheit. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Rats- Die Entscheidung, ob ein Vertrag als „treaty“, „executi- präsident Donald Tusk, zum NATO-Gipfel nach Brüssel ve agreement“ oder „congressional-executive agreement“ und zum G7-Gipfel nach Sizilien. gehandhabt wird, ist laut US-amerikanischer Rechtspre- chung eine politische Frage, die im Normalfall nicht ge- richtlich überprüft wird. In den wenigen Fällen, in denen IV. Was kann der Präsident? Das handelspo- die Reichweite von Handelsverträgen begrenzt ist, in de- litische Instrumentarium der Exekutive nen sie keine fiskalische Bedeutung haben und sie keine Dem Präsidenten steht ein umfassender Instrumenten- Änderungen nationaler Gesetze bedingen, können sie als kasten zur Verfügung, um seine handelspolitische Agenda „executive agreements“ in Kraft treten. Dies gilt beispiel- umzusetzen: 1. die Verhandlung von Handelsabkommen, weise für Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung 2. Instrumente gegen unfairen Handel, 3. Schutzinstru- von Produktstandards oder von Konformitätsprüfungs- mente im Falle fairer Handelsbedingungen und 4. Instru- stellen. Freihandelsabkommen werden hingegen zumeist mente zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität und als „congressional-executive agreements“ gehandhabt. nationalen Sicherheit. Sowohl das multilaterale Abkommen zur Gründung der Der Kongress wirkt in dreifacher Weise an der Gestal- WTO als auch die bi- und plurilateralen Freihandelsab- tung der Handelspolitik mit: Er berät und beschließt die kommen legten die jeweils amtierenden Präsidenten dem Gesetze, kann seine Bedenken in Handelsangelegenheiten Kongress als „congressional-executive agreements“ vor. durch Einschränkungen der finanziellen Zuwendungen an Dazu gehört beispielsweise auch NAFTA. die wichtigsten Handelsbehörden zum Ausdruck bringen Der Kongress kann die handelspolitischen Kompe- und die Verhandlungsmacht der Exekutive empfindlich tenzen des Präsidenten erheblich stärken und zugleich einschränken, indem er ihr das Handelsmandat, die „Trade seine eigenen Kontroll- und Mitsprachrechte sichern, Promotion Authority“, (TPA) verweigert. Die Adminis- indem er ihm die TPA überträgt. Das Handelsmandat, tration wiederum bestimmt nach Beratungen mit einer das auf die Fast Track Authority des „Trade Act“ von 1974 Vielzahl von Gremien die handelspolitische Agenda und zurückgeht, ist keine Voraussetzung für den Beginn von führt die internationalen Verhandlungen durch. Zudem Verhandlungen. Allerdings erleichtert es deutlich den Im- hat der Kongress in zahlreichen Gesetzen dem Präsidenten plementierungsprozess von Handelsabkommen. Legt der handelspolitische Kompetenzen übertragen. Der Präsident Präsident dem Kongress ein Abkommen vor, das er ohne hat somit einen erheblichen Handlungsspielraum. TPA verhandelt hat, ist dieser nicht verpflichtet, über den entsprechenden Gesetzesentwurf abzustimmen. Der Verhandlung von Handelsabkommen Kongress ist an keine Fristen gebunden, und er kann das Laut US-Verfassung hat der Kongress die Kompetenz über Paket komplett aufschnüren, Passagen ändern und mit die Handelspolitik (Art. 1 Abs. 8, Verfassung der USA): Gesetzeszusätzen versehen. Ohne TPA sind die USA somit „Der Kongress hat das Recht: Steuern, Zölle, Abgaben und ein unberechenbarer Verhandlungspartner. Anders sieht Akzisen aufzuerlegen und einzuziehen [und] den Han- es bei Handelsverträgen aus, die der Präsident mit TPA del mit fremden Ländern, zwischen den Einzelstaaten verhandelt hat. Der Kongress ist dann verpflichtet, über und mit den Indianerstämmen zu regeln.“ Der Präsident einen entsprechenden Gesetzesentwurf abzustimmen. hingegen verfügt über weitreichende Kompetenzen in Gesetzeszusätze sind nicht möglich und es gelten stren- ge Fristen für den Ratifizierungsprozess. TPA ist kein DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? 13 Blankocheck für die Verhandlungen. So ist der Präsident Austritt aus der WTO ist zwar unwahrscheinlich, möglich an Notifizierungs- und Konsultationspflichten gebunden. wäre er. Sollten die USA aus der WTO austreten, könnten Zudem werden in der TPA Verhandlungsziele für Freihan- die bei der WTO gebundenen Zölle ihre Gültigkeit verlie- delsabkommen definiert. ren. Auch die bei der WTO gebundenen Zölle wurden per Der US-Kongress erteilte dem Präsidenten 2015 die präsidialer Bekanntmachung – durch Präsident Bill Clin- aktuelle TPA („Bipartisan Congressional Trade Priorities ton – im Anschluss an die Uruguay-Runde in Kraft gesetzt. and Accountability Act of 2015“). Sie ist noch bis 2018 Die MFN-Zölle der USA sind jedoch auch im „Harmonized gültig und gilt nach der Amtsübergabe auch für Donald Tariff Schedule“ (HTS), also dem harmonisierten Zollver- Trump. Sie könnte bis 2021 verlängert werden.26 Präsident zeichnis der USA, festgeschrieben. Es ist rechtlich nicht Trump könnte die laufenden Verhandlungen über Frei- klar, welche Gültigkeit der HTS dann im Falle eines WTO- handelsabkommen wie TTIP also unter den Vorgaben der Austritts hätte.29 TPA fortsetzen. Die TPA setzt auch den Rahmen für die NAFTA-Neuverhandlungen. Instrumente gegen unfairen Handel Der Kongress hat dem Präsidenten zudem in verschie- Schon die Obama-Administration legte einen starken Fo- denen Fällen die Kompetenz übertragen, über präsidiale kus auf die Durchsetzung von US-Handelsregeln („trade Bekanntmachungen Zölle in Handelsabkommen abzu- enforcement“). Der ehemalige US-Handelsbeauftragte senken oder auch wieder anzuheben.27 Diese Kompetenz- Michael Froman wies in seinem Abschlussbericht Anfang übertragung fand erstmals durch den „Reciprocal Trade Januar 2017 darauf hin, dass die USA unter Obama 24 Agreements Act of 1934“ und später über die Implemen- Fälle, bei denen es um die Durchsetzung von Handelsre- tierungsgesetze für Beschlüsse des GATT und der WTO geln ging, bei der WTO eingereicht hätten. Von diesen 24 sowie für unterschiedliche Freihandelsabkommen statt. Fällen richteten sich 15 gegen China. Alle Fälle, die bereits Zusammen mit der Befugnis des Präsidenten über aus- entschieden seien, hätten die USA gewonnen. Präsident wärtige Angelegenheiten ermöglicht die Kompetenzüber- Trump ist damit nicht zufrieden. Er möchte noch deutlich tragung es ihm auch, bestehende Freihandelsverträge zu aggressiver US-Recht international durchsetzen. Zurzeit kündigen.28 laufen 28 Antidumping- und Antisubventions-Untersu- Trump hat wiederholt damit gedroht, FTAs aufzukün- chungen bei der U.S. International Trade Commission digen. Auch der WTO steht er kritisch gegenüber. Ein (USITC).30 Abb. 5: Bei der WTO registrierte Antidumping-Maßnahmen Maßnahmen der USA und gegen die USA Quelle: WTO, , Daten für 2016 lediglich Januar bis Juni (eingesehen am 13.06.2017). DGAPanalyse / Nr. 6 / Juli 2017
14 Trump’s Fair Trade – Aber fair für wen? Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen dien mit 599 Maßnahmen und gefolgt von der EU mit 310 Trump will deutlich stärker Gebrauch von Antidumping- Maßnahmen. Von den 368 Maßnahmen der USA richtet maßnahmen machen als seine Vorgänger. Während die sich die große Mehrheit – 107 Maßnahmen – gegen China, USITC Antidumpinguntersuchungen normalerweise gefolgt von Japan (23), Chinesisch Taipei (22) und Korea auf Ersuchen von Unternehmen einleitet, hat Trump (21).31 Insbesondere betreffen die Maßnahmen Chemikali- angekündigt, dass seine Administration auch auf eigene en und Pharmazeutika sowie Eisen und Stahl. Initiative hin Untersuchungen veranlassen wird. Besonders wichtig ist der Trump-Administration die Das US-amerikanische Antidumpingrecht wurde Stahlindustrie. Dies wird auch in den angeordneten Un- wiederholt angepasst. Grundlage bildet jedoch nach tersuchungen zur möglichen Gefährdung der nationalen wie vor Titel VII, Sektion 731 des „Smoot-Hawley Tariff Sicherheit durch Stahlimporte sowie durch das Dekret Act of 1930“ (kurz: „Tariff Act of 1930“). Antidumping- zur Eintreibung von Antidumping- und Ausgleichszöllen maßnahmen sind unter der WTO erlaubt, um Dumping deutlich. Trump macht die chinesischen Überkapazitäten entgegenzuwirken und faire Wettbewerbsbedingun- in der Stahlproduktion dafür verantwortlich, dass die gen wiederherzustellen. Das US-Antidumpingrecht Preise für Stahl deutlich gesunken sind und die US-Stahl definiert Dumping als Verkäufe zu Preisen von „less industrie Werke schließen musste. Antidumpinguntersu- than fair value“. Unter Dumping fallen demnach: chungen in diesem Bereich richten sich jedoch nicht nur Verkäufe ausländischer Waren in den USA unter ihren gegen China. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen, Herstellungskosten; Verkäufe ausländischer Waren in neben weiteren Unternehmen aus Europa und Asien. Im den USA unter dem Warenpreis, der im Inland verlangt April 2016 hatten US-Stahlproduzenten Klage bei der wird, sowie Verkäufe ausländischer Waren unter dem USITC gegen Importe von Grob- und Bandblech einge- Preis, der auf einem Drittmarkt verlangt wird. Zöl- reicht. Im Mai 2017 veröffentlichte die USITC ihren fina- le dürfen eingesetzt werden, wenn durch Dumping len Untersuchungsbericht. Darin kommt sie zum Schluss, schwerwiegende „materielle Schädigungen“ für die dass US-Produzenten durch Importe aus acht Ländern, heimische Industrie drohen oder bereits eingetreten darunter Deutschland, Schaden genommen hätten.32 Der sind. deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat die Antidum- Materielle Schädigung definiert das Gesetz als Scha- pingzölle kritisiert. Die Berechnungen der US-Behörden den, der weder unbedeutend, noch immateriell, noch seien nicht im Einklang mit den WTO-Regeln erfolgt. unwichtig ist. Um eine materielle Schädigung festzustel- Ein weiteres Instrument, um gegen unfairen Handel len, untersucht die USITC, ob die entsprechenden Waren- vorzugehen, sind Antisubventionsmaßnahmen („coun- importe signifikant gestiegen sind, ob ein signifikanter tervailing measures“, CV). Gesetzliche Grundlage Preisdruck durch den Import auf inländische gleicharti- bildet auch hier der „Smoot-Hawley Tariff Act of 1930 as ger Produkte vorliegt und wie sich dieser auf inländische amended“. Er erlaubt die Erhebung von Zöllen, wenn Produzenten gleichwertiger Produkte auswirkt. Eine durch Subventionen der Handelspartner der US-ameri- Antidumping-Untersuchung kann entweder direkt vom kanischen Industrie ein durch die USITC festzustellender Wirtschaftsministerium eingeleitet oder von einer inter- materieller Schaden droht oder bereits entstanden ist. essierten Partei im Namen eines US-Wirtschaftszweiges Ausgleichsmaßnahmen werden deutlich weniger genutzt beim DOC beantragt werden. Als „interessierte Parteien“ als Antidumpingmaßnahmen, da sie sich nicht gegen gelten unter anderem inländische Produzenten und Groß- einzelne Unternehmen, sondern gegen Staaten richten – händler gleichartiger inländischer Produkte, Gewerk- und demnach eine größere außenpolitische Bedeutung schaften des betroffenen US-Wirtschaftszweiges sowie entfalten können. Im Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. Juni Wirtschaftsverbände. 2016 zählte die WTO insgesamt 431 CV-Untersuchungen; Die USA nutzen Antidumpingmaßnahmen häufig (vgl. darunter entfielen 191 auf die USA. Im selben Zeitraum Abb. 5). Zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 30. Juni wurden 225 Maßnahmen implementiert, davon 98 von 2016 zählte die WTO insgesamt 5132 Antidumpingun- den USA. Die meisten dieser Maßnahmen richteten sich tersuchungen, von denen die Vereinigten Staaten 593 gegen China (36) und Indien (10)33 (vgl. Abb. 6). Es ist zu (11,6 Prozent) initiiert haben. Im selben Zeitraum haben erwarten, dass die Trump-Administration CV-Maßnah- die WTO-Mitglieder 3316 Antidumpingmaßnahmen men aktiv nutzen wird, um gegen ihrer Meinung nach gemeldet, von denen 368 (11,1 Prozent) auf die USA ent- unfairen Handel vorzugehen. Ob sie versuchen wird, das fallen. Damit sind die USA der zweithäufigste Nutzer von Instrument zu nutzen, um gegen angebliche Währungs- Antidumpingmaßnahmen in diesem Zeitraum, nach In- manipulation vorzugehen, bleibt allerdings abzuwarten. DGAPanalyse / Nr. 6 Juli 2017
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