ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine

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ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
ZFA
                                                                                          5 I 2021
                                                                                          97. JAHRGANG

        Zeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine

Influenza-Impfrate
in der älteren
Bevölkerung
SEITE 195

Wenn Ärzt*innen auf
internetinformierte
Patienten treffen
SEITE 210

30. Heidelberger Tag
der Allgemeinmedizin
SEITE 216

Entwicklung der
Coronavirus-Epidemie
SEITE 223

                                                 This journal is regularly listed in
                                       EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO.
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
HERAUSGEBENDE GESELLSCHAFTEN / PUBLISHING INSTITUTIONS

ZFA
Organ der/des ... / Official journal of the ...

Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
German College of General Practitioners and Family Physicians
Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA)
Society of Professors and University Lecturers of Family Medicine
Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM)
Lower Austrian Society of Family Medicine
Österreichischen Instituts für Allgemeinmedizin (ÖIfAM)
Austrian Institute of Family Medicine
Salzburger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (SAGAM)
Salzburg Society of Family Medicine
Steierischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM)
Styrian College of Family Medicine
Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM)
Southern Tyrolean Society of Family Medicine
Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM)
Tyrolean Society of Family Medicine
Vorarlberger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (VGAM)
Vorarlberg Society of Family Medicine

                                                                                  Titelbildhinweis: Thomas Ledig

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
EDITORIAL / EDITORIAL                                                                                                                                 193

Wie gefährlich ist Gewichtszunahme
nach Rauchstopp?
Dass Rauchen zu einem der größten Gesundheitsrisiken zählt, ist eine Binsen-
weisheit. Laut einer kürzlichen Aufstellung des Deutschen Krebsforschungs-
zentrums sind bis zu 90 % aller Lungenkrebsfälle, aber auch die meisten
Tumoren des Kopf-Hals-Bereichs oder des kompletten Gastrointestinaltrakts
auf das Rauchen zurückzuführen. Fast noch bedeutender ist die Verursachung
kardio- und zerebrovaskulärer Krankheiten oder chronisch obstruktiver
Lungenerkrankungen.
    Die dauerhafte Nikotinentwöhnung bringt nicht nur einen gewaltigen Nut-
zen bei der Risikoverminderung der erwähnten chronischen Erkrankungen,
sondern auch einen eher unangenehmen, möglicherweise nicht ganz ungefähr-
lichen Nebeneffekt: Gewichtszunahme.
    Untersuchungen von Millionen Studienteilnehmern erbrachten, dass ein
Body Mass Index (BMI) zwischen 20 und 25 keine Auswirkungen auf die Gesamt-
sterblichkeit hat. Jede weitere Erhöhung des BMI um Fünfer-Schritte jedoch
erhöhte die Mortalität (alleine bei kardiovaskulären Erkrankungen bis zu 49 %,
wobei Männer stärker betroffen waren als Frauen).
    Eine Metaanalyse britischer und französischer Wissenschaftler von 62 Studi-
en zeigte, dass Abstinente 12 Monate nach Rauchstopp im Mittel 4–5 kg an                                    Foto: Carla Rosendahl

Gewicht zulegten. Wird die Nachverfolgung auf mehrere Jahre ausgedehnt,
steigt das erreichte Gewicht noch weiter an. Wie gefährlich ist eine solche
Gewichtszunahme? Die bisherigen Analysen haben sich meist nur auf kardio-
vaskuläre Erkrankungen und Diabetes konzentriert; wie es mit den gesamt-
gesundheitlichen Auswirkungen steht, blieb bislang relativ unklar.
    Australische Autoren haben jetzt etwas mehr Klarheit in diese Problematik
gebracht. Sie interviewten 16.663 Personen über 18 Jahre (8082 Männer, 8581
Frauen; mittleres Alter 43,7 Jahre), die für die australische Bevölkerung reprä-
sentativ waren (Antwortrate zwischen 66,5 und 74 %). Die Zeit zwischen Ent-
zug und Befragung betrug bei über der Hälfte der Teilnehmer mehr als sechs
Jahre.
    Die Gewichtszunahme betrug bei rund 25 % der Abstinenten zwischen 0,1
und 5,0 kg, bei 12 % zwischen 5,1 und 10 kg und bei 8,8 % über 10 kg. Beim
Rest bleib das Gewicht entweder gleich (25 %) oder sank sogar (29 %).
    Verglichen mit denjenigen, die weiter rauchten verminderte sich das Risiko
(Hazard Ratio) für den Tod bei allen Teilgruppen – und zwar
• bei Personen, die trotz Nikotinentzug abgenommen hatten auf 0,50
  (95%-Konfidenzintervall: 0,36–0,68),
• bei Menschen, deren Gewicht gleich geblieben war auf 0,79 (95%-KI:
  0,51–0,98),
• bei Teilnehmern mit einer Gewichtszunahme zwischen 0,1 und 5,0 kg um 0,33
  (95%-KI: 0,21–0,51), zwischen 5,1 und 10 kg um 0,24 (95%-KI: 0,11–0,53) und
  bei mehr als 10 kg Zunahme um 0,36 (95%-KI: 0,16–0,82).

Die Autoren gehen dann auch noch auf einzelne Krankheitsentitäten ein: Die
Ergebnisse lassen sich demnach auch auf kardiovaskuläre Erkrankungen,
Typ-2-Diabetes, Krebs und COPD übertragen.
     Quintessenz: Abstinenzwillige Raucher mögen zwar im Hinblick auf die
Zunahme ihres Gewichts Probleme mit ihrem Körperbild haben. Das Krank-
heits- und Todesrisiko einer Gewichtszunahme nach Nikotinverzicht aber
bleibt vernachlässigbar. Der Gewinn in Bezug auf die gewonnene Lebenszeit
ist eindeutig: Positiv!

                                                                       Herzlich
                                                                            Ihr
                                                             Michael M. Kochen

                                                                    © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
194   INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS

      EDITORIAL / EDITORIAL
                      Michael M. Kochen
      193             Wie gefährlich ist Gewichtszunahme nach Rauchstopp?

      ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE
                      Olga A. Sawicki, Angelina Müller, Anastasiya Glushan, Renate Klaaßen-Mielke, Ferdinand M. Gerlach,
                      Martin Beyer, Kateryna Karimova
      195             Influenza-Impfrate in der älteren Bevölkerung in und außerhalb der HZV
                      in Baden-Württemberg
                      Influenza Vaccination Coverage in the Older Population In- and Outside Family Physician-Centered
                      Health Care in Baden-Wuerttemberg

      DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE
                      Anne Messemaker, Ulrike Sonntag, Miriam Schwär, Sabine Winkler, Daniela Mauer, Marischa Fast
      200             Intensivierter Austausch statt „distancing“:
                      Wie Zusammenarbeit überregional funktionieren kann
                      Fostering Exchange Instead of “Distancing”: How to Cooperate Successfully Across Federal Borders

      ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE
                      Simon Schwill, Lia Pauscher, Thomas Ledig, Katharina Dippel, Gregor Feldmeier, Bert Huenges,
                      Lydia Roßkamp, Sophie-Anabelle Rösel, Marco Roos, Jost Steinhäuser, Ulrike Sonntag
      204             Train-the-Trainer-Seminare für Weiterbildende an Kompetenzzentren Weiterbildung –
                      ein bundesweiter Ist-Stand
                      Train the Trainer-Courses for Family Medicine Trainers at Competence Centers – a Nationwide Current Status

                      M. Alexander Graafen, Monika Sennekamp, Anne Messemaker
      210             „Also, im Internet steht …“ –
                      Wenn Ärztinnen und Ärzte auf internetinformierte Patienten treffen
                      “Well, the Internet Says …” – Physicians Dealing with Internet-informed Patients

                      Sandra Stengel, Annika Baldauf, Joachim Szecsenyi, Frank Peters-Klimm
      216             30. Heidelberger Tag der Allgemeinmedizin –
                      Hausarztpraxen und Universitätsabteilung gemeinsam
                      30. Heidelberg Day of Family Medicine – Family Practices and Department of University Hospital Together

                      Levente Kriston
      223             Entwicklung der Coronavirus-Epidemie in den deutschen Bundesländern bis Juli 2020
                      Development of the Coronavirus Epidemic in the German Federal States up to July 2020

      DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE
                      Franziska Särchen, Susanne Springborn
      229             Telemedizin erlernen in der Hausarztpraxis
                      Erfahrungen aus dem Fernpraktikum für Allgemeinmedizin
                      Learning Telemedicine in a Family Practice
                      Experiences of a Remote Medical Internship in Family Medicine

      KOMMENTAR/MEINUNG / COMMENTARY/OPINION
                      Jörg Schelling, Kerstin Püllmann, Julia Nonnenmann
      233             Wiederverwendung von FFP2-Masken in der Praxisrealität – ein Rückblick
                      Re-Use of N95-Masks in Primary Care – a Retrospect

      235             NACHRICHTEN AUS DER DEGAM UND IHRER STIFTUNG / NEWS FROM DEGAM AND ITS FOUNDATION

      238             GHA-NACHRICHTEN / GHA NEWS

      240             IMPRESSUM / IMPRINT

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE                                                                                                                                            195

Influenza-Impfrate in der älteren
Bevölkerung in und außerhalb der HZV
in Baden-Württemberg
Influenza Vaccination Coverage in the Older Population
In- and Outside Family Physician-Centered Health Care in
Baden-Wuerttemberg
Olga A. Sawicki1, Angelina Müller1, Anastasiya Glushan1, Renate Klaaßen-Mielke2, Ferdinand M. Gerlach1,
Martin Beyer1, Kateryna Karimova1

Hintergrund                                                                         Background
Die ständige Impfkommission (STIKO) zählt ältere Menschen                           The standing committee on vaccination (STIKO) recommends
ab 60 Jahren zu der Risikogruppe, die jährlich gegen die saison-                    that older persons are vaccinated against seasonal influenza
ale Influenza geimpft werden sollte. Die Impfung gilt als wirk-                     because they are at higher risk of developing complications.
samste Maßnahme zur Prävention der Influenza, insbesondere                          The vaccination is considered the most effective means of pre-
um die Komplikationsrate zu senken und damit das Gesund-                            venting influenza, and especially of reducing the rate of com-
heitssystem zu entlasten. Trotzdem bestehen in Deutschland                          plications and relieving the burden on the health system.
deutliche Impfdefizite im höheren Lebensalter. Den Hausärz-                         Nevertheless, there is a significant vaccination deficit in higher
ten kommt bei der Durchführung von Impfungen eine Schlüs-                           age groups. Family physicians play a key role in carrying out
selstellung zu. Durch die kontinuierliche hausärztliche Betreu-                     vaccinations. By providing continuous health care, the family
ung in dem Versorgungsmodell der hausarztzentrierten Ver-                           physician-centered health care model (HZV) can be expected
sorgung (HZV) ist eine höhere Durchimpfungsrate zu erwar-                           to result in higher vaccination coverage. The aim of this study
ten. Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen der HZV in Ba-                     is to examine the effects of HZV in Baden-Wuerttemberg on
den-Württemberg auf die Häufigkeiten von Influenza-Impfun-                          the frequency of influenza vaccinations in older insured per-
gen bei älteren Versicherten zu untersuchen.                                        sons.
Methoden                                                                            Methods
Die Auswertung basiert auf Routinedaten der AOK Baden-                              The evaluation is based on routine data of persons over 65
Württemberg von Versicherten jenseits des 65. Lebensjahres.                         years of age provided by the AOK Baden-Wuerttemberg
Versicherte in der HZV werden mit Versicherten in der Regel-                        healthcare fund. Persons receiving HZV are compared with in-
versorgung verglichen. Es erfolgt eine längsschnittliche Analy-                     sured persons receiving usual care. A longitudinal analysis is
se der Influenzasaisons 2011/12 bis 2017/18. Die Impfraten                          carried out for the influenza seasons from 2011/12 to
werden deskriptiv und mittels multivariater Regressionsmodel-                       2017/18. Vaccination rates are described both descriptively
le zur Adjustierung wesentlicher Einflussfaktoren analysiert.                       and using multivariate regression models to adjust for signifi-
Ergebnisse                                                                          cant influencing variables.
Über die betrachteten sieben Saisonjahre zeigte sich ein deut-                      Results
licher Unterschied bei den Influenza-Impfraten der über                             There was a considerable difference in vaccination rates of over
65-Jährigen (n = 628.523) zugunsten der HZV mit einer unad-                         65 years old persons (n = 628,523) in favor of HZV (unadjusted
justierten Impfrate von 33–39 % versus 29–34 % in der Regel-                        vaccination rate 33–39 % versus 29–34 % in persons receiving
versorgungsgruppe. Die adjustierten Differenzen zwischen                            usual care. Adjusted differences were 3–5 %. The overall trend
den Gruppen lagen bei 3–5 %. Der Gesamttrend zeigt sich                             in both groups over the complete time of investigation was
über den Untersuchungszeitraum sowohl in der HZV als auch                           slightly declining (OR 0.98). Baden-Wuerttemberg does not
in der Regelversorgung mit einer OR 0,98 leicht absteigend.                         come close to achieving the vaccination rates recommended
Den anzustrebenden Impfquoten der Europäischen Union                                by the European Union.
kommt Baden-Württemberg nicht nahe.
                                                                                    Conclusions
Schlussfolgerungen                                                                  The results of the study show that the continuous health care
Die Studienergebnisse zeigen, dass eine kontinuierliche haus-                       coverage provided by the HZV can lead to higher vaccination
ärztliche Versorgung im Rahmen der HZV zu einer höheren                             coverage in older insured persons.
Durchimpfungsrate der älteren Versicherten im Vergleich zur
                                                                                    Keywords
Regelversorgung führen kann.                                                        influenza; vaccination; family physician; family physician-
Schlüsselwörter                                                                     centered health care; health services research
Influenza; Impfung; Hausarzt; Hausarztzentrierte Versorgung;
Versorgungsforschung

1Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main
2Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Ruhr-Universität, Bochum
Die Verwendung des männlichen Geschlechts geschieht zur besseren Lesbarkeit des Artikels, meint aber gleichberechtigt alle Geschlechter.
Peer reviewed article eingereicht: 30.11.2020, akzeptiert: 13.01.2021
DOI 10.3238/zfa.2021.0195–0199

                                                                                           © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
Sawicki et al.:
      Influenza-Impfrate in der älteren Bevölkerung
196   Influenza Vaccination Coverage in the Older Population

      Hintergrund                                                   handlungskette definiert, um die Pa-              beit und Entwicklung (OECD) als ein
      In Deutschland wird die Impfung ge-                           tientenversorgung zu verbessern und               Indikator für die Qualität der Ge-
      gen Influenza von der Ständigen                               die Ressourcen möglichst effizient zu             sundheitsversorgung benannt wurde.
      Impfkommission (STIKO) am Robert-                             nutzen. Die Teilnahmevorgaben für                 Die verabreichte Influenza-Impfun-
      Koch-Institut (RKI) als jährliche Stan-                       Ärzte beinhalten dabei bestimmte                  gen wurden als Zielvariable durch
      dardimpfung der älteren Bevölkerung                           Qualitätsanforderungen wie die regel-             den einheitlichen Bewertungsmaß-
      ab dem 60. Lebensjahr empfohlen [1].                          mäßige Teilnahme an strukturierten                stab (EBM) Nummer 89.111 in ihrer
      Die Impfung gilt als die effektivste                          Qualitätszirkeln sowie die Qualifizie-            dichotomen Ausprägung abgebildet.
      primär-präventive Maßnahme gegen                              rung nichtärztlicher Mitarbeiter [8].             Die Impfrate für die jeweilige Influen-
      Influenza und kann vor allem in Risi-                         Das Honorierungsprinzip basiert auf               za-Saison wurde aus dem vierten
      kopopulationen Komplikationen wie                             Pauschalvergütungen. Ein spezi-                   Quartal eines Kalenderjahres und
      Hospitalisierungen und Mortalität                             fischer finanzieller Anreiz wurde nur             dem jeweils ersten Quartal des fol-
      reduzieren [2]. In der COVID-Pande-                           für die Influenza-Impfquote durch ei-             genden Kalenderjahres zusammenge-
      mie kommt der Influenza-Impfung                               nen Quartalszuschlag gesetzt, wenn                fasst. Zum Vergleich zwischen HZV
      bei der Vermeidung einer Überlas-                             für mindestens 55 % der beim Haus-                und der Regelversorgung erfolgte die
      tung des Gesundheitssystems eine                              arzt eingeschriebenen HZV-Versicher-              Zuordnung der Versicherten zur HZV-
      besondere Bedeutung zu. Ein flächen-                          ten ab 60 Jahren eine Grippeschutz-               Gruppe, wenn diese in der HZV ein-
      deckender Immunschutz der deut-                               impfung durchgeführt wurde [8]. In                geschrieben waren. Versicherte wur-
      schen Bevölkerung ist jedoch nicht                            dieser Studie werden die Auswirkun-               den der Regelversorgung zugeordnet,
      vorhanden. Solide Daten über ver-                             gen der HZV auf die saisonale Influ-              wenn eine hausärztliche Leistung in
      abreichte Influenza-Impfungen sind                            enza-Impfrate der älteren Versicher-              der Regelversorgung in Anspruch ge-
      zudem spärlich, und systematische                             ten ab dem 65. Lebensjahr längs-                  nommen wurde und sie einen nicht
      Erhebungen fehlen, weil es keine zen-                         schnittlich untersucht.                           an der HZV teilnehmenden Hausarzt
      trale Dokumentation in Deutschland                                                                              besuchten. Ein- und Ausschlusskrite-
      gibt. Nach Schätzungen des RKI liegt                          Methoden                                          rien wurden zum jeweiligem Erhe-
      die Durchimpfung gegen die saison-                            Die Evaluation basiert auf Routine-               bungszeitpunkt angewendet und in
      ale Influenza bei den über 60-jäh-                            daten der AOK Baden-Württemberg.                  der eAbbildung 1 für die Influenzasai-
      rigen bei maximal 40–55 % [3], in                             Dabei wurden Daten über alle Ver-                 son 2017/18 aufgeführt.
      europäischen Ländern wie Spanien                              sicherten für den Zeitraum zwischen                   Neben der deskriptiven Auswer-
      und Großbritannien ist sie deutlich                           dem 01.10.2011 und 31.03.2018 zur                 tung wurde eine längsschnittliche
      höher [4].                                                    Verfügung gestellt. Die Influenza-                Analyse durchgeführt. Die Zielvaria-
          Dem Hausarzt wird bei der Ver-                            Impfung der über 65-Jährigen wurde                ble sowie die zeitveränderlichen Ko-
      anlassung und Durchführung der In-                            betrachtet, da diese von der Organisa-            variaten wurden jährlich erfasst. Alle
      fluenza-Impfung eine Schlüsselpositi-                         tion für wirtschaftliche Zusammenar-              im jeweiligen Jahr infrage kommen-
      on zugeschrieben [5]. Studien zeigen,
      dass ein gezieltes Ansprechen und ei-
      ne enge Hausarztbindung mit einer
      höheren Impfmotivation assoziiert
      sind [5]. Basierend auch auf der inter-
      nationalen Literatur [6] erwarten wir
      durch die kontinuierliche hausärzt-
      liche Betreuung im Versorgungs-
      modell der hausarztzentrierten Ver-
      sorgung (HZV) eine höhere Durch-
      impfungsrate, fraglich ist vor allem
      die Größe des Unterschieds. Die HZV
      wurde zur Stärkung der hausärzt-
      lichen Grundversorgung vom Gesetz-
      geber eingeführt (§ 73b Sozialgesetz-
      buch Fünftes Buch). Die AOK Baden-
      Württemberg hat bereits 2008 die
      HZV eingeführt. Ab 2011/12 waren
      bereits mehr als 50 % der AOK-Ver-
      sicherten in die HZV eingeschlossen.
      2018 versorgten rund 4000 Hausärzte
      sowie hausärztlich tätige Kinder- und
      Jugendärzte 1,6 Millionen Versicherte
                                                                    Abbildung 1 Ergebnisse der längsschnittlichen Analyse: Vorhersagen für Anteile
      in der HZV [7].                                               der Patienten mit Influenza-Impfung in einer standardisierten Population für die
          In der HZV wird die Rolle des                             hausarztzentrierte Versorgung (HZV) sowie Regelversorgung (Querschnitt je Influenza-
      Hausarztes als Koordinator in der Be-                         Saison und Trendschätzung) [9]                                             Abb.: Sawicki et al.

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
Sawicki et al.:
Influenza-Impfrate in der älteren Bevölkerung
Influenza Vaccination Coverage in the Older Population                                                                                                       197

                             Beobachtet                          Ergebnisse der Modellberechnung

 Influenza-       HZV Anteil          Regel-          Adjustierte Differenz                       Odds Ratio [KI]                          p-Wert
 Saison             (%)            versorgung       HZV-Regelversorgung (%)                         HZV versus
                                   Anteil (%)                                                     Regelversorgung

 2011/12              36,0             31,6                      4,92                               1,25 [1,24; 1,24]                     < 0,0001
 2012/13              36,3             31,9                      4,41                               1,22 [1,21; 1,21]                     < 0,0001
 2013/14              38,7             33,5                      5,10                               1,26 [1,24; 1,24]                     < 0,0001
 2014/15              32,9             29,1                      4,09                               1,22 [1,21; 1,21]                     < 0,0001
 2015/16              33,0             29,4                      4,04                               1,22 [1,20; 1,20]                     < 0,0001
 2016/17              33,5             29,9                      4,22                               1,23 [1,21; 1,21]                     < 0,0001
 2017/18              33,6             30,4                      3,27                               1,17 [1,16; 1,16]                     < 0,0001

Tabelle 1 Beobachtete Anteile und geschätzte Differenzen in der jeweiligen Influenza-Saison bei älteren Versicherten ≥ 65 Jahre

den Versicherten wurden berücksich-           Jahre in der eTabelle 1 dargestellt. Der           Trend in beiden Gruppen der über
tigt (offene Kohorte). Unterschiede           weibliche Anteil mit insgesamt 59 %                65-jährigen (Abb. 1), wobei sich von
zwischen HZV- und Vergleichsgruppe            war sowohl in der HZV- als auch in                 Beginn des Beobachtungszeitraums
wurden im Rahmen eines erweiterten            der Regelversorgungsgruppe höher.                  an ein deutlicher Unterschied zu-
verallgemeinerten linearen Modells            Das Durchschnittsalter der Versicher-              gunsten der HZV zeigt (OR 1,25). Von
untersucht, während die Parameter-            ten war 77 Jahre. Die HZV-Versicher-               der Saison 2011/12 bis 2013/14 stieg
schätzungen mittels verallgemeiner-           ten (n = 399.804) hatten mehr Ko-                  die Impfrate und nahm in der Saison
ten Schätzungsgleichungen (generali-          morbiditäten und waren im Schnitt                  2014/15 ab. Das etwas niedrigere Ni-
zed estimation equations, GEE) mit ei-        etwas krankheitsbelasteter, gemessen               veau hielt sich in der Folgesaison. In
ner Logit-Link-Funktion erfolgten.            am Charlson-Index (2,8 ± 2,6 versus                den darauffolgenden Saisons ist ein
Um die Vergleichbarkeit zwischen              2,3 ± 2,4), sowie häufiger im Disease-             Wiederanstieg der Rate zu verzeich-
den Gruppen sicherzustellen, erfolgte         Management-Programm (DMP) für                      nen. Der Gesamttrend zeigt sich über
eine Adjustierung für relevante Ein-          koronare Herzkrankheiten einge-                    den Untersuchungszeitraum sowohl
flussfaktoren (eTab. 2, 3). Gegenstand        schrieben (15 % versus 8 %). In der                in der HZV als auch in der Regelver-
der ersten Analyse waren Schätzer für         Regelversorgung (n = 228.719) liegt                sorgung mit einer OR 0,98 leicht ab-
den Effekt der HZV-Versorgung in der          der Anteil von Versicherten mit Pfle-              steigend. In der multivariaten Ana-
jeweiligen Influenza-Saison (Quer-            gegrad höher, während weitere Cha-                 lyse ergaben alle einbezogenen Kova-
schnitt je Influenza-Saison). Die Er-         rakteristika sich weitgehend gleich-               riaten ausgenommen der chro-
gebnisse der saisonbezogenen Schät-           mäßig zwischen den Vergleichsgrup-                 nischen Niereninsuffizienz einen sig-
zungen werden als Odds Ratios (OR)            pen verteilen.                                     nifikanten Einfluss auf die Zielvaria-
mit den jeweiligen 95%-Konfidenz-                                                                ble (eTab. 3).
intervallen, den zugehörigen p-Wer-           Saisonbezogene Schätzungen
ten (für multiples Testen nach Tukey          Über die betrachteten sieben Saison-               Diskussion
adjustiert) und den durch das Modell          jahre zeigte sich ein deutlicher Unter-            Die retrospektive Beobachtungsstudie
vorhergesagten Differenzen berichtet.         schied bei den Influenza-Impfraten                 über die Winter 2011/12 bis 2017/18
Darüber hinaus wurde eine Trendana-           der über 65-jährigen zugunsten der                 zeigt in der HZV eine durchweg hö-
lyse durchgeführt. In der Abbildung 1         HZV (Tab. 1) mit einer unadjustierten              here Impfrate der über 65-jährigen als
werden die Ergebnisse der Modell-             Impfrate von 33–39 versus 29–34 %                  in der Regelversorgung. Darüber hi-
berechnungen visualisiert.                    in der Regelversorgungsgruppe. Die                 naus zeigen die Analysen einen säku-
    Die Studie folgt den STROBE-              adjustierten Differenzen zwischen                  laren Rückgang der Impfraten. Der
(Strengthening the reporting of obser-        den Gruppen lagen bei 3–5 %. In den                Zusammenhang zwischen HZV-Ein-
vational studies in epidemiology-)Richt-      multivariaten Analysen waren die                   schreibung und höherer Impfchance
linien für Beobachtungsstudien. Die           meisten chronischen Komorbiditäten                 bleibt im zeitlichen Trend relevant
Berechnungen und statistischen Aus-           sowie ein höheres Patientenalter,                  und statistisch signifikant. Angesichts
wertungen wurden mit SAS 9.4. und             männliches Geschlecht und höherer                  der hohen Anzahl von Versicherten
SPSS Statistics Version 25 erstellt.          Charlson-Score mit einer höheren                   lässt sich ermessen, dass die Differenz
                                              Impfchance assoziiert (eTab. 2).                   der Impfrate als versorgungsrelevant
Ergebnisse                                                                                       einzustufen ist. Vorherige Evaluatio-
Beispielhaft für die Influenzasaison          Trendschätzungen                                   nen weisen zudem auf eine reduzierte
2017/18 sind die Charakteristika der          Für den gesamten Untersuchungszeit-                Hospitalisierungsrate bei Älteren [9],
insgesamt 628.523 Versicherten ≥ 65           raum ergab sich ein abnehmender                    eine verringerte Mortalität und einge-

                                                                           © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
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Sawicki et al.:
      Influenza-Impfrate in der älteren Bevölkerung
198   Influenza Vaccination Coverage in the Older Population

      sparte Gesundheitskosten in der                               Schutz gegen den kursierenden Vi-        gungsbedarf während der aktuellen
      HZV-Gruppe [7]. In früheren ver-                              russtamm bestand [17]. Dies könnte       COVID-19-Pandemie zu vermeiden.
      gleichbaren Studien [10] wurde sogar                          die Impfbereitschaft negativ beein-          Limitationen dieser Analyse se-
      abgeschätzt, dass bei hochaltrigen,                           flusst haben. Weiterhin könnten          hen wir in der Verwendung vertrags-
      vulnerablen Patienten eine Erhöhung                           kontroverse Diskussionen über Risi-      ärztlicher Abrechnungsdaten und in
      der Impfquote mit einer etwa einpro-                          ken zu dem Rückgang der Impfraten        einem möglichen Selektionsbias. Ob-
      zentigen Mortalitätsreduktion ver-                            beigetragen haben [18].                  gleich Hausärzte die Mehrzahl der In-
      bunden war. Die hier beobachteten                                 Trotz variabler Schutzwirkung ist    fluenza-Impfungen         durchführen,
      Assoziationen zwischen höherer                                eine möglichst hohe Impfrate die         werden mit den AOK-Abrechnungs-
      Impfchance und den Einflussfaktoren                           wirksamste Maßnahme zur Influen-         daten die Impfdaten aus der Praxis
      höheres Patientenalter, männliches                            zaprävention sowie zur Verbesserung      und anderen Einrichtungen etwa aus
      Geschlecht sowie chronische Erkran-                           der Ressourcennutzung. Die Erhö-         öffentlichen     Gesundheitsdiensten
      kung konnte in anderen Studien be-                            hung der Impfquoten erfordert daher      nicht erfasst, sodass die tatsächlichen
      legt werden [11].                                             effiziente Strategien. Barrieren kön-    Impfraten unter Umständen höher
          Die Spanne der Impfquoten der                             nen durch die Hausarztpraxen auf-        liegen könnten, jedoch dürfte der
      über 65-jährigen in Baden-Württem-                            grund der hohen Kontaktfrequenz          Einfluss der betriebsärztlichen Impf-
      berg reichte in dem betrachteten Zeit-                                                                 tätigkeit bei über 65-jährigen zu ver-
      raum von 29–39 %. Bei den über                                                                         nachlässigen sein. Die Gefahr eines
      60-jährigen werden vom RKI in den                                                                      Selektionsbias kann sowohl auf Pra-
      Influenza-Saisons      2010/11      bis                                                                xis- als auch auf der Patientenebene
      2016/17 bundesweit höhere Impf-                                                                        bestehen. Bei der HZV-Gruppe han-
      quoten von 35–44 % angegeben [12].                                                                     delt es sich möglicherweise um eine
      Jedoch liegen im regionalen Ver-                                                                       Auswahl von Praxen mit einer bes-
      gleich die Impfraten in vielen Kreisen                                                                 seren Organisation und solider Impf-
      Süddeutschlands unter dem Bundes-                                                                      dokumentation. Auch auf Patienten-
      durchschnitt [13]. Nationale Trend-                                                                    ebene könnten Selektionseffekte eine
      analysen weisen analog zu unseren                                                                      Rolle spielen, da die HZV-Teilnahme
      Ergebnissen auf einen rückläufigen                                                                     sowie Impfungen auf Freiwilligkeit
                                                                    Dr. med. Olga A. Sawicki, MScPH …
      Trend der Impfrate seit 2010/11 hin                                                                    basieren. Für wesentliche Versicher-
                                                                    … ist stellvertretende Leiterin des
      [16]. Damit liegt Deutschland deut-                                                                    tencharakteristika wurde jedoch ad-
                                                                    Arbeitsbereichs Versorgungs-
      lich hinter den erwünschten Min-                              epidemiologie am Institut für            justiert.
      destquoten. In einer Resolution for-                          Allgemeinmedizin Frankfurt. Sie              Ein wesentlicher Vorteil der auf
      dert die Europäische Union seit der                           studierte Medizin in Berlin sowie        Routinedaten basierenden Auswer-
      Saison 2014/15 eine Influenza-Impf-                           Paris und war für den postgradualen      tung ist die meist vollständige Erfas-
                                                                    Masterstudiengang Public Health an
      quote von 75 % für die ältere Bevöl-                                                                   sung der betreffenden Zielpopulation
                                                                    der London School of Hygiene &
      kerung [14]. In der Bevölkerungs-                             Tropical Medicine. In ihrer Funktion     im Datenkörper. Auch lassen sich die
      gruppe jenseits des 65. Lebensjahres                          als Gesundheitsberaterin arbeitete       Impfungsverläufe über einen länge-
      bleibt jedoch die Impfsituation in                            sie von 2016–17 bei den Vereinten        ren Zeitraum solide darstellen und
      Europa suboptimal. Laut einer Studie                          Nationen in Genf.                        zugrundeliegende Einflussfaktoren
                                                                    Abb.: privat
      wurde in der Saison 2014/15 die Ziel-                                                                  analysieren.
      impfquote nur von Schottland er-                                                                           Die anzustrebende Zielimpfquote
      reicht [15]. Unter den 33 europäi-                                                                     bei älteren Menschen wird in Baden-
      schen Ländern, die für Ältere eine                                                                     Württemberg verfehlt. Für den Beob-
      Impfempfehlung aussprechen, lag                               systematisch abgebaut werden. Be-        achtungszeitraum ist innerhalb der
      Deutschland mit der erreichten Impf-                          sonders die HZV ist auf eine stringen-   HZV die Impfrate höher als in der Re-
      rate an 17. Position [15].                                    te Behandlungskontinuität ausgerich-     gelversorgung bei einem rückläufigen
          Die Gründe für den Rückgang                               tet. Sicherlich macht sich auch die      Gesamttrend.
      der Impfraten können anhand der                               gezielte Förderung der Impfungen
      vorliegenden Daten nicht erklärt                              durch den finanzielle Anreiz für HZV-    Danksagung: Wir danken der AOK
      werden. Nach dem Influenza-Saison-                            Ärzte bemerkbar [19]. Ein weiterer       Baden-Württemberg für die Unter-
      bericht des RKI war die Intensität der                        Ansatz der HZV sind die strukturier-     stützung des Evaluationsprojektes.
      Influenzawelle 2013/14 schwach                                ten regionalen Qualitätszirkel zur       Weiterhin danken wir Dr. Claudia
      [16]. Insbesondere bei älteren Patien-                        Pharmakotherapie, in denen auf die       Witte aus dem aQua-Institut für das
      ten ergaben Schätzungen bundes-                               Impfungen hingewiesen werden             Datenmanagement und Phillip Elliott
      weit niedrige Werte für Exzess-Hos-                           kann. Durch die in der HZV verfolgte     für die Übersetzung der Zusammen-
      pitalisierungen. 2014 traten nach                             Impfstrategie kann eine Durchimp-        fassung ins Englische.
      der Genehmigung der Stammanpas-                               fung von älteren Patienten gegen die
      sung für die Impfstoffe neue Muta-                            saisonale Influenza offenbar gestei-     Rolle der Sponsoren: Die Evaluation
      tionen auf, sodass in der Influenza-                          gert werden, was auch dazu beiträgt,     der HZV Baden-Württemberg wurde
      saison 2014/15 kein effektiver                                einen potenziell vermehrten Versor-      durch die AOK Baden-Württemberg,

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
Sawicki et al.:
Influenza-Impfrate in der älteren Bevölkerung
Influenza Vaccination Coverage in the Older Population                                                                                                       199

den Hausärzteverband Baden-Würt-             5. Müller D, Wutzler P, Szucs TD. Influ-            13. Bätzing-Feigenbaum J, Schulz M,
temberg und MEDI Baden-Württem-                 enza vaccination coverage rates in                   Schulz M, Acet S, Gisbert-Miralles J.
berg gefördert.                                 Germany a population-based cross-                    Entwicklung der saisonalen Influenza-
                                                sectional analysis of the seasons                    standardimpfraten im kassenärzt-
                                                2002/2003 and 2003/2004. Med                         lichen Versorgungssektor in Deutsch-
Zusatzmaterial im Internet                      Klin 2005; 100: 6–13                                 land seit der Pandemie 2009: Zen-
(www.online-zfa.de)                                                                                  tralinstitut für kassenärztliche Versor-
                                             6. Banach DB, Ornstein K, Factor SH,                    gung in der Bundesrepublik Deutsch-
eAbbildung 1 Flussdiagramm Gruppen-
zuordnung für die Influenzasaison               Soriano TA. Seasonal influenza vacci-                land, Berlin, 2015
2017/18                                         nation among homebound elderly
                                                receiving home-based primary care                14. Europäischer Rat. Empfehlung des
eTabelle 1 Charakteristika der Versi-           in New York City. J Comm Health                      Rates vom 22. Dezember 2009 zur
cherten der AOK Baden-Württemberg ab            2012; 37: 10–14                                      Impfung gegen die saisonale Grippe.
dem 65. Lebensjahr für die Influenzasai-                                                             https://eur-lex.europa.eu/legal-con
son 2017/18                                  7. Universitätsklinikum Heidelberg, Goe-                tent/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009
                                                the-Universität Frankfurt am Main.                   H1019&from=EN (letzter Zugriff am:
eTabelle 2 Multivariate Analyse der sai-        Evaluation der Hausarztzentrierten                   27.10.2020)
sonbezogenen Schätzungen bei AOK-               Versorgung (HZV) in Baden-Württem-
Versicherten mit Influenza-Impfung ab                                                            15. Jorgensen P, Mereckiene J, Cotter S,
                                                berg. https://aok-bw-presse.de/file
dem 65. Lebensjahr in Baden-Württem-                                                                 Johansen K, Tsolova S, Brown C. How
                                                admin/mediathek/dokumente/hzv-
berg                                                                                                 close are countries of the WHO Euro-
                                                evaluation_2018.pdf (letzter Zugriff
                                                                                                     pean Region to achieving the goal of
                                                am: 23.10.2020)
eTabelle 3 Multivariate Analyse der In-                                                              vaccinating 75% of key risk groups
fluenza-Impfungsrate (Trendschät-            8. AOK Baden-Wuerttemberg, HÄVG,                        against influenza? Results from natio-
zungen) bei AOK-Versicherten ab dem             MEDI Verbund. Vertrag zur Hausarzt-                  nal surveys on seasonal influenza vac-
65. Lebensjahr für die Influenzasaisons         zentrierten Versorgung in Baden-                     cination programmes, 2008/2009 to
2011/12 bis 2017/18 in Baden-Württem-           Württemberg vom 08.05.2008 i.d.F.                    2014/2015. Vaccine 2018; 36:
berg                                            vom 01.10.2019 gemäß § 73b SGB                       442–452
                                                V. www.hausarzt-bw.de/website/var/               16. Buda S, Köpke K, Prahm K, et al. Be-
Interessenkonflikte:                            assets/6.hzv-vertraege/hzv-vertraege/                richt zur Epidemiologie der Influenza
F.M.G. erhielt ein Honorar als Vorsitzen-       vertragsunterlagen/aok/vertrag-zur-                  in Deutschland Saison 2013/14. Ber-
der des Sachverständigenrates zur Begut-        hausarztzentrierten-versorgung-in-ba-                lin: Robert-Koch-Institut, 2014
achtung der Entwicklung im Gesund-              den-wuerttemberg/hauptvertrag-aok-
heitswesen. O.A.S., A.G., A.M., M.B. und                                                         17. Hagel S, Ludewig K, Moeser A, et al.
                                                bw.pdf (letzter Zugriff am:
K.K. haben über die Goethe-Universität                                                               Characteristics and management of
                                                23.10.2020)
Mittel der AOK-Baden-Württemberg er-                                                                 patients with influenza in a German
halten. R.K.-M. gibt keine Interessenskon-   9. Universitätsklinikum Heidelberg, Insti-              hospital during the 2014/2015 influ-
flikte an.                                      tut für Allgemeinmedizin der Goethe-                 enza season. Infection 2016; 44:
                                                Universität Frankfurt. Evaluation der                667–672
                                                Hausarztzentrierten Versorgung
Literatur                                                                                        18. Böhmer MM, Walter D, Falkenhorst
                                                (HZV) in Baden-Württemberg. www.                     G, Müters S, Krause G, Wichmann O.
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   lungen der Ständigen Impfkommis-             201210-HZV-Evaluation_Broschuere_                    nation and uptake of seasonal influen-
   sion beim Robert-Koch-Institut –             HZV-Evaluation_2020.pdf (letzter Zu-                 za vaccine in the post-pandemic sea-
   2019/2020. Berlin: Robert-Koch-Insti-        griff am: 21.12.2020)
   tut, 2019                                                                                         son in Germany. BMC Public Health
                                             10. Nichol KL, Nordin J, Mullooly J, Lask               2012; 12: 938
2. Ahmed AH, Nicholson KG, Nguyen-
                                                 R, Fillbrandt K, Iwane M. Influenza             19. Kroneman M, Paget WJ, van Essen
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                                                 2003; 348: 1322–1332                                cination uptake. Euro Surveill 2003;
3. AG Influenza der Ständigen Impf-
   kommission (STIKO). Wissenschaftli-       11. Ives DG, Lave JR, Traven ND, Kuller                 8: 130–138
   che Begründung für die Empfehlung             LH. Impact of Medicare reimburse-
   des quadrivalenten saisonalen Influ-          ment on influenza vaccination rates
   enzaimpfstoffs. Berlin: Robert-Koch-                                                          Korrespondenzadresse
                                                 in the elderly. Preventive Med 1994;
   Institut, 2018                                                                                Dr. med. Olga A. Sawicki
                                                 23: 134–141
4. Blank PR, Schwenkglenks M, Szucs                                                              Institut für Allgemeinmedizin
   TD. Influenza vaccination coverage        12. Rieck T, Feig M, Siedler A, Wichmann            Goethe Universität
   rates in five European countries du-          O. Aktuelles aus der KV-Impfsurveil-            Theodor-Stern-Kai 7
   ring season 2006/07 and trends over           lance – Impfquoten ausgewählter                 60590 Frankfurt am Main
   six consecutive seasons. BMC Public           Schutzimpfungen in Deutschland.                 sawicki@allgemeinmedizin.
   Health 2008; 8: 272                           Berlin: Robert-Koch-Institut, 2018              uni-frankfurt.de

                                                                           © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine
200   DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

      Intensivierter Austausch statt
      „distancing“: Wie Zusammenarbeit
      überregional funktionieren kann
      Fostering Exchange Instead of “Distancing”:
      How to Cooperate Successfully Across Federal Borders
      Anne Messemaker1, Ulrike Sonntag2, Miriam Schwär1, Sabine Winkler3, Daniela Mauer4, Marischa Fast1

      Zusammenfassung                                                                       Summary
      Aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie standen bundesweit alle                              As a result of the SARS-CoV-2 pandemic, all competence
      Kompetenzzentren für die Facharztweiterbildung Allgemein-                             centers for specialist training in family medicine faced similar
      medizin (KW) vor ähnlichen Herausforderungen, das Mento-                              challenges of converting their mentoring programs to digital
      ringprogramm in digitale Formate umzuwandeln. Die vorhan-                             formats. Existing communication structures based on the
      denen Kommunikationsstrukturen durch den bundesweiten                                 national integration of the responsible organizers for the men-
      Zusammenschluss der zuständigen Mentoringprogramm-Ko-                                 toring program, helped to make it possible for resources to be
      ordinatoren/innen im Arbeitskreis Mentoring halfen, innerhalb                         pooled and available resources to be exploited. The working
      kürzester Zeit Synergien zu nutzen und Ressourcen zu bün-                             group‘s way of operation might serve as an example for other
      deln. Die Arbeitsweise des Arbeitskreises kann beispielhaft für                       working groups.
      andere Arbeitsgruppen wirken.                                                         Keywords
      Schlüsselwörter                                                                       specialist training; mentoring; networking; SARS-CoV-2
      Weiterbildung; Mentoring; Vernetzung; SARS-CoV-2-Pandemie;                            pandemic; online formats
      Onlineformate

      Hintergrund                                                   aufgrund der SARS-CoV-2-Pande-                Wie arbeitet der Arbeitskreis
      Seit dem 1. Juli 2017 werden Kom-                             mie das Mentoringprogramm in-                 Mentoring der DEGAM?
      petenzzentren für die Facharztweiter-                         nerhalb kürzester Zeit – soweit               Der AK Mentoring wurde beim Sekti-
      bildung Allgemeinmedizin (KW)                                 möglich – in ein Onlineformat um-             onstreffen Weiterbildung der DEGAM
      nach § 75a SGBV bundesweit geför-                             zuwandeln. Bundesweit entstanden              im März 2016 gegründet und besteht
      dert. Sie bieten neben einem Semi-                            sehr ähnliche Fragen zur tech-                aus aktuell 29 Mitglieder (Stand Sept.
      nar- und einem Train-the-Trainer-An-                          nischen Umsetzung, den Möglich-               2020) aus 13 KWs bzw. 17 Stand-
      gebot ein strukturiertes Mentoring-                           keiten und Grenzen der digitalen              orten. Seitdem gibt es einen regel-
      programm für Ärzte/innen in Weiter-                           Durchführung von Gruppentreffen,              mäßigen Austausch in Form von per-
      bildung (ÄiW) an [1]. Zur Förderung                           der Akquise und Einbindung neuer              sönlichen Treffen z.B. beim Sektions-
      der Qualität der KW-Mentoringpro-                             Teilnehmenden sowie der Evalua-               treffen Weiterbildung der DEGAM
      gramme hat sich der Arbeitskreis (AK)                         tion. Durch die schon vorhandenen             bzw. Telefonkonferenzen oder im of-
      Mentoring der Sektion Weiterbildung                           Strukturen im AK Mentoring konn-              fenen E-Mail-Verteiler. Seit 2018 fin-
      der Deutschen Gesellschaft für All-                           ten innerhalb kürzester Zeit bun-             det außerdem jährlich ein zweitägiges
      gemeinmedizin und Familienmedizin                             desweit Kommunikationsstrukturen              Netzwerktreffen statt, um Themen
      (DEGAM) den regelmäßigen Aus-                                 ausgebaut, Räume für vernetzten               wie organisatorische, inhaltliche so-
      tausch der KW untereinander zu best                           Austausch geschaffen, Synergien               wie evaluative Aspekte rund um das
      practices zur Aufgabe gemacht.                                genutzt und eine breite gegenseiti-           Mentoring voranzutreiben. Das ge-
          Im März 2020 standen alle KW                              ge Unterstützung angeboten wer-               plante Netzwerktreffen im April 2020
      vor der gleichen Herausforderung                              den.

      1 Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main
      2 Institut für Allgemeinmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin
      3 Selbstständige Abteilung für Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig
      4 Studiendekanat der Medizinischen Fakultät, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

      Peer reviewed article eingereicht: 21.12.2020, akzeptiert: 11.01.2021
      DOI 10.3238/zfa.2021.0200–0203

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
Messemaker et al.:
Intensivierter Austausch statt „distancing“: Wie Zusammenarbeit überregional funktionieren kann
Fostering Exchange Instead of “Distancing”: How to Cooperate Successfully Across Federal Borders                                                      201

musste kurzerhand aufgrund von           ten und Grenzen diskutiert. Doku-                füllt zurückgesendet (Rücklaufquo-
COVID-19 abgesagt werden.                mentiert werden diese sowie alle ge-             te = 56,7 %).
    Alternativ traf sich der AK Mento-   meinsam erprobten Methoden zur                       Zur geschlossenen Frage „Wie
ring bereits im April, Mai und Sep-      Gruppenmoderation und -aktivie-                  zufrieden bist Du mit der Zusam-
tember 2020 für jeweils ca. drei Zeit-   rung in einem digitalen Methoden-                menarbeit im Arbeitskreis Mento-
stunden online. Darüber hinaus wur-      reader, auf den alle Mitglieder des              ring?“ gaben alle teilnehmenden
den in mehreren Kleinteams mit ent-      AK zugreifen können. Hierdurch                   AK     Mitglieder   an,    zufrieden
sprechenden regelmäßigen Online-         kann eine hohe Methodenvielfalt                  (17,6 %) bis sehr zufrieden (82,4 %)
Konferenzen wichtige Themen wie          auf die Eignung für ein Onlineset-               mit der bisherigen Zusammenarbeit
Methoden im Online-Mentoring,            ting und für diverse Anwendungs-                 zu sein.
Gruppen, die online starten, Mento-      kontexte (online und präsent) im                     Im nächsten Schritt wurden die
renschulungen und Evaluations-           Mentoring getestet und die Syner-                offenen Fragen inhaltsanalytisch
aspekte erarbeitet bzw. weiterent-       gien bundesweit gebündelt und ge-                nach Kuckartz [2] mittels MAXQDA
wickelt und dem gesamten AK zur          nutzt werden.                                    2020 von zwei Personen ausgewertet.
Verfügung gestellt.                                                                       Die Fragen bildeten hierbei die vor-
                                         Online-Befragung zur                             gegebenen Hauptkategorien, zu de-
Methodenfrühstück                        Zusammenarbeit während                           nen induktiv Subkategorien definiert
Als ein niedrigschwelliges Angebot       der SARS-CoV-2-Pandemie im                       wurden. In Abbildung 1 findet sich
für alle Mitglieder des AK Mento-        AK Mentoring                                     eine Übersicht zum gebildeten Kate-
ring wurde ab Juni 2020 ein alle 2       Zur Reflexion der Zusammenarbeit                 goriensystem.
bis 4 Wochen stattfindendes Metho-       im AK Mentoring führten wir eine                     In der Hauptkategorie 1 „Was
denfrühstück initiiert. Ziel dieses      Online-Befragung mittels LimeSur-                schätzt Du an der Arbeit im AK
morgendlichen halbstündigen Tref-        vey im Herbst 2020 durch. Die Um-                Mentoring?“ konnten induktiv vier
fens ist ein niedrigschwelliger digi-    frage bestand aus einer geschlosse-              Subkategorien gebildet werden. Die-
taler Austausch zu neuen Online-         nen und fünf offenen Fragen. Alle                se beziehen sich auf „Organisation“,
methoden für digitale Mentoring-         29 Mitglieder hatten die Möglich-                „Ziel/Interesse an der Sache“, „eige-
treffen. Vielfältige Methoden wer-       keit vom 23. September bis 7. Okto-              ner Gewinn“ (weitere Subkategorien
den in diesem geschützten Rahmen         ber 2020 an der Befragung teil-                  s. Abb. 1) und „Austausch“. Beson-
direkt erprobt sowie anschließend        zunehmen, 17 Mitglieder haben                    ders hervorzuheben sind hier die
bezüglich deren Einsatzmöglichkei-       den Umfragebogen komplett ausge-                 Kategorien „eigener Gewinn“, der

Abbildung 1 Kategoriensystem aus der Online-Befragung zur Zusammenarbeit im AK Mentoring                                   Abb.: Messemaker et al.

                                                                    © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
Messemaker et al.:
      Intensivierter Austausch statt „distancing“: Wie Zusammenarbeit überregional funktionieren kann
202   Fostering Exchange Instead of “Distancing”: How to Cooperate Successfully Across Federal Borders

                                                                                                               der Hälfte der Teilnehmenden posi-
                                                                                                               tiv hervorgehoben: „Kurze und un-
                                                                                                               komplizierte Methoden für Online-Sit-
                                                                                                               zungen“ – A20.
                                                                                                                   Kategorie 4 „Was wünschst du dir
                                                                                                               für die Arbeit im AK Mentoring für
                                                                                                               die Zukunft?, Was möchtest Du bei-
                                                                                                               behalten, was möchtest du ändern?“
                                                                                                               beinhaltet unter der Subkategorie
                                                                                                               „ändern“ den Wunsch nach regel-
                                                                                                               mäßigen Präsenztreffen plus Online-
                                                                                                               Treffen, weitere Inhalte, wie zum Bei-
                                                                                                               spiel die Abgrenzung zu anderen For-
                                                                                                               maten und Vertiefung der Themen-
                                                                                                               zentrierten Interaktion, gemeinsame
                                                                                                               Studien und Publikationen, alle
                                                                                                               Standorte einzubeziehen und die ge-
                                                                                                               meinsame Online-Plattform noch in-
                                                                                                               tensiver zu nutzen. Der Wunsch nach
                                                                                                               „Beibehaltung“ entspricht der Art
                                                                                                               und Weise der Zusammenarbeit
                                                                                                               („weiterhin Austausch auf Augenhöhe,
                                                                                                               niedrigschwellig, gemeinsam Lösungen
                                                                                                               entwickeln, hierarchiefreies Miteinander
                                                                                                               arbeiten“ – A26), der Häufigkeit der
      Abbildung 2 Visualisierung der konkreten Aussagen aus der Online-Befragung zur                           Treffen und des Methodenfrühstücks
      Zusammenarbeit im AK Mentoring nach Häufigkeit                     Abb.: Messemaker et al.               und die intensive zusätzliche Zusam-
                                                                                                               menarbeit in den Kleinteams. Die
                                                                                                               Wortwolke in Abbildung 2 gibt einen
                                                                                                               inhaltlichen Überblick über die ge-
      darin gesehen wurde, dass der AK                              rie „Online – positive Faktoren“ die       troffenen Aussagen.
      eine Plattform für die Unterstüt-                             häufigeren Treffen („Der Austausch
      zung in Form von Informationen,                               fand öfters statt, dadurch waren die ge-   Schlussfolgerungen
      Materialien, Methoden und die ge-                             meinsame Treffen rund um das Mento-        Die Schaffung von regelmäßigen,
      genseitige „Unterstützung und Empo-                           ring präsenter und wurden intensiver be-   überregionalen Kommunikations-
      werment der Kolleginnen untereinan-                           arbeitet“ – A30) und die „intensivere      strukturen im AK Mentoring ermög-
      der“ – A31 bietet und „Austausch“.                            Zusammenarbeit“ – A32 und ins-             lichten auch in herausfordernden
      Der Austausch innerhalb des AKs                               besondere das Methodenfrühstück            Zeiten die KW-Mentoringprogram-
      wird als sehr wertschätzend, inter-                           sehr hervorgehoben („Es war schön,         me für unsere ÄiW im Fach All-
      disziplinär, bundesweit, offen, kol-                          sich regelmäßig virtuell zu sehen und      gemeinmedizin in angepasster Form
      legial, hierarchiearm, authentisch,                           kreative Ansätze wie das Methodenfrüh-     umzusetzen und zu optimieren. Ne-
      unkompliziert und konkurrenzfrei                              stück zu gestalten“ – A26). Nur wenige     ben dem Bereitstellen von Materia-
      beschrieben. Mit der Organisation                             Aussagen beziehen sich darauf, dass        lien und Methoden auf der Online-
      und klaren Strukturierung der regel-                          der Schwerpunkt ein anderer gewor-         Plattform und dem Austausch von
      mäßig stattfindenden AK-Sitzungen                             den ist oder sich nichts verändert         Erfahrungswissen wurde das Erpro-
      sind die Teilnehmenden zufrieden                              hat.                                       ben von Online-Methoden im digi-
      und betonen das gemeinsame Ziel:                                  In Kategorie 3 „Welche Anregun-        talen Mentoring in Form eines Me-
      „Interesse am Mentoring und der gro-                          gen aus dem AK Mentoring hast Du           thodenfrühstücks als positiv hervor-
      ßen gemeinsamen Idee des Unterstüt-                           für die Durchführung von Mento-            gehoben. Grundlegend für die ge-
      zens der ÄiW“ – A32.                                          ringsitzungen anwenden können?“            lungene Zusammenarbeit war nach
          In Kategorie 2 „Was hat sich für                          wurden die Aussagen sechs Subkate-         Angaben der teilnehmenden AK-
      Dich in der Arbeit im AK Mentoring                            gorien zugeordnet: Methoden (on-           Mentoring-Mitglieder der wertschät-
      während der SARS-CoV-2-Pandemie                               line), Strukturierung von Mentoring-       zende, interdisziplinäre, bundeswei-
      verändert?“ spielt vor allem die Um-                          sitzungen, Formalitäten/Datenschutz,       te, offene, kollegiale, hierarchiearme,
      stellung auf regelmäßige Online-Tref-                         Digitale Tools, Abgleich unter KW          authentische, unkomplizierte und
      fen eine Rolle. Nur wenige Aussagen                           Reduzierung von Vorbehalten, Tipps         konkurrenzfreie Austausch. Gleich-
      fallen in die Subkategorie „Online –                          Einzelmentoring. Insbesondere die          wohl bedauerten die AK-Mitglieder
      negative Faktoren“ und beziehen sich                          Vermittlung von Online-Methoden            die durch die Pandemie bedingte Ab-
      meistens auf die fehlende Präsenz.                            im regelmäßig stattfindenden Me-           sage des jährlichen Netzwerktreffens.
      Hingegen wird unter der Subkatego-                            thodenfrühstück wird von mehr als          Zukünftig wünschen sich die AK-

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
Messemaker et al.:
Intensivierter Austausch statt „distancing“: Wie Zusammenarbeit überregional funktionieren kann
Fostering Exchange Instead of “Distancing”: How to Cooperate Successfully Across Federal Borders                                                               203

                                                  Mentoring-Mitglieder eine Mischung
                                                                                                   Interessenkonflikte:
                                                  aus digitalen Austauschtreffen und
                                                                                                   Keine angegeben.
                                                  einem jährlichen Präsenztreffen un-
                                                  ter Beibehaltung des Arbeitens in
                                                                                                   Literatur
                                                  Kleinteams und des weiterhin regel-
                                                  mäßig stattfindenden Methoden-                   1. Vereinbarung zur Förderung der Wei-
                                                                                                      terbildung gemäß § 75a SGB V (Fas-
                                                  frühstücks. Engagement für die
                                                                                                      sung vom 9. Dezember 2019).
                                                  (Weiterbildung im Fach) Allgemein-                  www.kbv.de/media/sp/Foerderung_
                                                  medizin ist ein wichtiger Treiber der               Allgemeinmedizin.pdf
Dr. rer. med. Anne Messemaker …                   intensivierten Zusammenarbeit. An                2. Kuckartz U. Qualitative Inhaltsana-
… ist Psychologin und wissenschaft-               dieser Stelle sei noch auf einen mög-               lyse. Methoden, Praxis, Computer-
liche Mitarbeiterin am Kompetenz-                 lichen Selection Bias hingewiesen, da               unterstützung. Weinheim: Beltz,
zentrum Weiterbildung Hessen. Seit                                                                    2012
                                                  nicht alle aktiven AK-Mentoring-
2015 begleitet und organisiert sie
das Mentoring für Ärztinnen und                   Mitglieder an der Umfrage teil-
Ärzte in Weiterbildung im Fach All-               genommen haben. Zusammenfas-                     Korrespondenzadresse
gemeinmedizin mit. Neben Marischa                 send lässt sich sagen, dass die vor-
Fast und Ulrike Sonntag fungiert sie                                                               Dr. rer. med. Anne Messemaker
                                                  gestellte Arbeitsweise und Strukturie-           Institut für Allgemeinmedizin
als Sprecherin des Arbeitskreises
                                                  rung dieses bundesweiten Arbeits-                Goethe-Universität Frankfurt am Main
Mentoring der DEGAM-Sektion
Weiterbildung.                                    kreises beispielhaft für andere Ar-              Theodor-Stern-Kai 7
Foto: Adams Foto, Frankfurt am Main               beitsgruppen wirken kann.                        60590 Frankfurt am Main

                                                 46. GHA-Symposium
           Kernkompetenzen Allgemeinmedizin und Digitalisierung –
                  „neue Normalitäten“ im Medizinstudium?
                                                        Termin: 26./27. Juni 2021
                                                          Online-Veranstaltung

              Es geht im diesjährigen Symposium vor allem um Konzepte und Ideen zur digitalen Lehre im Studium und
                 um unseren „Dauerbrenner“, die Umsetzung der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO).
                                                   Ihre Teilnahme haben u.a. zugesagt:
  Prof. Dr. med. Jana Jünger, MME, Direktorin des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP);
   Prof. Dr. med. Stephanie Joos, Ärztliche Direktorin, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung und
          Vorsitzende des Zentrums für öffentliches Gesundheitswesen und Versorgungsforschung Tübingen (ZÖGV),
                                                  Universitätsklinikum Tübingen;
    Prof. Dr. med. Attila Altiner, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock, Studiendekan
                                                 der Universitätsmedizin Rostock;
     Prof. Dr. med. Jost Steinhäuser, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein,
                                                       Campus Lübeck sowie
  Stella Schayan-Araghi und Tobias Henke, Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd), Berlin.
                 Außerdem gibt es Beiträge von erfahrenen ärztlichen Lehrenden sowie Nachwuchs-Lehrenden
                                                aus dem akademischen Mittelbau.
                           Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme, interessante Beiträge und engagierte Diskussionen.
                                       Programm und Anmeldung ab sofort unter www.gha-info.de

                                                                             © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
204   ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE

      Train-the-Trainer-Seminare für
      Weiterbildende an Kompetenzzentren
      Weiterbildung – ein bundesweiter Ist-Stand
      Train the Trainer-Courses for Family Medicine Trainers at
      Competence Centers – a Nationwide Current Status
      Simon Schwill1, Lia Pauscher2, Thomas Ledig1, Katharina Dippel2, Gregor Feldmeier3, Bert Huenges4,
      Lydia Roßkamp5, Sophie-Anabelle Rösel4, Marco Roos6, Jost Steinhäuser7, Ulrike Sonntag8

      Hintergrund                                                                            Background
      Train-the-Trainer-Seminare (TtT-Seminare) für Weiterbildungs-                          Train the Trainer (TtT)-courses for trainers in family medicine (TFM)
      befugte (WBB) sind Bestandteile der nach § 75 SGB V eingerichte-                       form a mandatory component of German competence centers for
      ten Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin (KW).                              post-graduate medical education (CC) in regard to legal require-
      Ziele der vorliegenden Studie waren die Analyse der bestehenden                        ments. Aims of this study were to analyse the current status of TtT-
      TtT-Angebote in Deutschland und die darauf aufbauende Überar-                          courses in Germany and to revise the TtT-checklist of the German
      beitung der Checkliste TtT der Sektion Weiterbildung der DEGAM.                        College of General Practitioners and Family Physicians.
      Methoden                                                                               Methods
      In einer interprofessionellen Arbeitsgruppe wurde ein an der                           An interprofessional working group developed a structured in-
      Checkliste TtT (Version 1, 2017) orientierter, strukturierter In-                      terview-guideline which incorporated items of the TtT checklist
      terviewleitfaden konzipiert, konsentiert und mit zwei Testinter-                       (version no. 1, 2017). After group consensus, it was piloted in
      views pilotiert. Über vier Monate (1.3.–30.6.2019) wurden alle                         two test-interviews. In between four months (March 1st–June
      KW mehrfach via E-Mail und telefonisch zur Teilnahme einge-                            30th 2019) all CC were invited to participate, multiple times via
      laden. Die Auswertung der Ergebnisse der Befragung erfolgte                            e-mail and telephone. Data was analysed descriptively by an inter-
      deskriptiv und wurde durch Vertreter*innen der KW auf dem                              professional team and validated during the annual meeting of the
      Jahreskongress der DEGAM inhaltlich bestätigt.                                         German College of General Practitioners and Family Physicians.
      Ergebnisse                                                                             Results
      15 von 16 KW (94 %) nahmen an der Befragung teil. An 13 KW                             15 of 16 CC participated in the study (response rate 94 %).
      (81 %) sind TtT-Seminare implementiert. 2018 starteten acht                            81 % (n = 13) of CC offered TtT-courses. 53 % (n = 8) had
      (53 %) KW mit dem Angebot, drei KW (20 %) führten schon vor                            initiated TtT-courses in 2018, 20 % (n = 3) had started pre-
      2017 Seminare durch. Die Zahl der Durchführungsorte schwankte                          viously. Locations of regional TtT-courses varied from one to
      von eins bis sieben, die Anzahl der bisherigen Seminare zwischen eins                  seven per CC. Experience differed from one up to 17 TtT-
      und 17. Die maximale Teilnahmezahl variierte von 12–40. Zusätzlich                     courses performed. The range of attendants was from twelve
      zu WBB der Allgemeinmedizin ermöglichten elf KW (78 %) WBB                             to 40. 78 % (n = 11) offered the courses to TFM as well as of
      anderer Gebiete die Teilnahme. Die Dozierendenteams waren inter-                       other specialties. Lecturers mainly operated interprofessional.
      disziplinär zusammengesetzt. Die Checkliste TtT wurde unter Be-                        Checklist TtT was adopted and revised by the help of 13 CC
      teiligung von 13 KW angepasst und im Dezember 2019 konsentiert.                        and consensus was found in December 2019.
      Schlussfolgerungen                                                                     Conclusions
      Die meisten KW boten im Befragungszeitraum TtT-Programme                               At time of the study, the majority of CC offered TtT-courses,
      an, die Inhalte orientieren sich an der Checkliste TtT. Die didakti-                   predominantly in accordance with the TtT-checklist. Length of
      sche Ausgestaltung und der zeitl. Umfang der Seminare sind he-                         time as well as teaching techniques of TtT-courses differed in
      terogen. Die Implementierung von TtT-Seminaren in den KW All-                          between the CC. In summary, implementation of TtT-courses
      gemeinmedizin ist erfolgreich umgesetzt. Die überarbeitete                             in CC for family medicine has been completed. The revised
      DEGAM-Checkliste TtT kann zur Sicherstellung von Mindeststan-                          TtT-checklist could proof useful to ensure minimum standard.
      dards genutzt werden. Der nächste Schritt ist die Anbindung der                        The next steps include stable integration of TFM by broad im-
      WBB durch eine breite Implementierung von TtT-Folgetreffen.                            plementation of iterative TtT-courses .
      Schlüsselwörter                                                                        Keywords
      Allgemeinmedizin; Train-the-Trainer-Seminare; didaktische                              Family Medicine; train the trainer; teaching skills; postgraduate
      Qualifikation; Facharztweiterbildung; Kompetenzzentrum                                 medical education/vocational training; Competence-Centers
      Weiterbildung Allgemeinmedizin                                                         for post-graduate medical education

      1 Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung; 2 Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin;
      3 Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin; 4 Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Allgemeinmedizin; 5 Vernetzungsstelle Weiterbildung Allgemeinme-
      dizin, Lübeck; 6 Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut; 7 Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin;
      8 Charité-Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin

      Peer reviewed article eingereicht: 06.11.2020, akzeptiert: 05.01.2021
      DOI 10.3238/zfa.2021.0204–0209

      © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2021; 97 (5)
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