ZIELMARKTANALYSE INDIEN 2017 - Markterkundung Anlagenbau- und Entsorgungsunternehmen zum Thema nachhaltiger Abfallwirtschaft Erstellt im Rahmen ...

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ZIELMARKTANALYSE INDIEN 2017 - Markterkundung Anlagenbau- und Entsorgungsunternehmen zum Thema nachhaltiger Abfallwirtschaft Erstellt im Rahmen ...
ZIELMARKTANALYSE INDIEN 2017
Markterkundung Anlagenbau- und Entsorgungsunternehmen zum Thema
nachhaltiger Abfallwirtschaft

Erstellt im Rahmen des BMWi Markterschließungsprogramms für KMU 2017
ZIELMARKTANALYSE INDIEN 2017 - Markterkundung Anlagenbau- und Entsorgungsunternehmen zum Thema nachhaltiger Abfallwirtschaft Erstellt im Rahmen ...
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Impressum
Herausgeber
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
11019 Berlin
www.bmwi.de

Text und Redaktion
AHK Indien
Florian Wenke

Gestaltung und Produktion
AHK Indien

Stand
28. August 2017

Bildnachweis
DIHK

Disclaimer

Die Zielmarktanalyse wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms für die Markterkundungsreise "
Markterkundung Anlagenbau- und Entsorgungsunternehmen zum
Thema nachhaltiger Abfallwirtschaft" erstellt und aufgrund eines
Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Die
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grob fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis ................................................................................................................................................................... I
Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................................................................. I
Abürzungsverzeichnis ..............................................................................................................................................................II
1.      Executive Summary ......................................................................................................................................................... 1
2.      Zielmarkt allgemein ........................................................................................................................................................ 2
     2.1.       Länderprofil ............................................................................................................................................................ 2
       2.1.1. Geographie und Demographie Indiens .................................................................................................................. 2
       2.1.2. Politik und Wirtschaft Indiens ............................................................................................................................... 4
       2.1.3. Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Indien ............................................................................... 11
3.      Abfallentsorgung in Indien ............................................................................................................................................ 16
4.      Die IFAT ......................................................................................................................................................................... 21
5.      Schlussbemerkung ........................................................................................................................................................ 22
6.      Profile der Marktakteure .............................................................................................................................................. 23
     6.1.       Verbände und Vereinigungen .............................................................................................................................. 23
     6.2.       Ministerien und Behörden ................................................................................................................................... 25
     6.3.       Unternehmen im Bereich Abfallwirtschaft ..........................................................................................................27
     6.4.       Finanzinstitute ...................................................................................................................................................... 31
     6.5.       Anwälte ................................................................................................................................................................. 35
     6.6.       Beratungen ........................................................................................................................................................... 36
7.      Quellenverzeichnis .........................................................................................................................................................37
MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT                                                                           I

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählte Handelsabkommen Indiens ................................................................................................................. 14
Tabelle 2: Verteilung von Swachh Bhrat Mission (urban) Geldern auf einzelne Bundesstaaten ........................................... 16
Tabelle 3: Müllaufkommen und Müllverarbeitungsquote der indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien ................. 17
Tabelle 4: Waste-to-Energy Anlagen in Indien ......................................................................................................................... 18
Tabelle 5: Müllkompostieranlagen in Indien ............................................................................................................................ 19

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien .................................................................................... 3
Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre) ........................................................................................... 4
Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015) ..............................................................................5
Abbildung 4: Anteile ausgewählter Wirtschaftssektoren am indischen BIP (zwischen 1960 und 2016) ................................ 6
Abbildung 5: Relatives Wirtschaftswachstum Indien 2003 – 2018* ........................................................................................ 8
Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014) ...................................................................... 11
Abbildung 7: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2016 ............................................................................................................... 12
Abbildung 8: Beabsichtigte Einstellungsrate deutschen Arbeitgeber in Indien in 2017 ......................................................... 14
Abbildung 9: Gewinnerwartung deutschen Arbeitgeber in Indien in 2017 ............................................................................. 15
II   MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT

Abürzungsverzeichnis
AHK           – Auslandshandelskammer
APTA          – Asia Pacific Trade Agreement
BIP           – Bruttoinlandsprodukt
BJP           – Bharatiya Janata Party
Bzw.          – Beziehungsweise
EUR           – Euro
et al.        – und andere
FDI           – Foreign Direct Investment (Ausländische Direktinvestitionen)
GATT          – General Agreement on Tariffs and Trade
GTAI          - Germany Trade & Invest
INC           – Indian National Congress
INR           – Indische Rupien
IWF           – Internationaler Währungsfonds
KKP           – Kaufkraftparität
MERCOSUR      – Regionalorganisation “Gemeinsamer Markt Südamerikas”
Mio.          – Millionen
Mrd.          – Milliarden
PS            – Paise
PTA           – Preferential Trading Area (Bevorzugtes Handelsabkommen)
SWOT          – Strengths Weaknesses Opportunities Threats
t             – Tonne(en)
TRIPS         – Trade – Related Aspects of Intellectual Property Rights
u. a.         – unter anderem
UPA           – United Progressive Alliance
USD           – US- Dollar
v. a.         – vor allem
vgl.          – vergleiche
WTO           – World Trade Organization
z. B.         – zum Beispiel
MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT                           I

          1. Executive Summary
Gegenwärtig gibt es weltweit wenige Länder, die allein durch ihre Dynamik in der Entwicklung, der flächenmäßigen
Größe des Landes und ihrer Population so beeindrucken, wie es bei der Republik Indien der Fall ist. Zwei offizielle
nationale, 21 Amts- und über 800 lokale Sprachen und Dialekte sind nur ein Indikator für die Vielfalt des Landes.1
Ähnlich vielfältig wie das Land sind die Möglichkeiten zum Einsatz Wissen und Technologien aus dem Feld der
Abfallwirtschaft. Bisher ist dieser Sektor in Indien sehr stark unterentwickelt, gerade auch im Hinblick auf die massiv
voranschreitende Urbanisierung des Landes. Die für die Abfallentsorgung eigentlich zuständigen Stadt- und
Gemeindeverwaltungen kommen dieser Aufgabe nur unzureichend nach. Teils liegt das an der prekären finanziellen
Ausstattung selbiger, teils aber auch an mangelndem Bewusstsein um die Bedeutung des Themas. Auch bei vielen
Haushalten fehlt es an Wissen zur korrekten Handhabung von Abfall.
Daraus ergibt sich beinah konsequent die Tatsache, dass der überwiegende Teil des indischen Mülls unbehandelt und
unrecycelt auf Deponien landet. Das was an Leistung im Bereich Müllsortierung und Abfallverwertung geleistet wird,
findet fast ausschließlich durch den informellen Sektor Staat.
Durch die rasant steigende Urbanisierung wird Indiens städtische Bevölkerung in den kommenden Jahren weiter massiv
zunehmen. Alleine zwischen 2014 und 2050 wird mit einem Zuwachs von 404 Mio. Menschen gerechnet. 2 Nicht zuletzt
aufgrund eines veränderten Konsumverhaltens diese Bevölkerung wird dadurch auch das Müllaufkommen massiv
ansteigen. Dabei sollte beachtet werden, dass bereits 2011 täglich 150.080 t Abfall pro Tag in Indien erzeugt wurden,
wobei in etwa von einer Verdopplung des Müllaufkommens bis zum Jahr 2020 ausgegangen wird.
Dies stellt eine gigantische Herausforderung für Indien dar. Gleichzeitig bieten sich deutschen Firmen und Institutionen
dadurch Chancen in einen Markt im frühen Entwicklungsstadium einzusteigen. In allen Bereichen der
Wertschöpfungskette der Abfallwirtschaft werden Lösungen und Technologien benötigt. Gleiches gilt für (Aus-)Bildung
in diesem Sektor. Es muss ein schlagkräftiges Abfallentsorgungs- und Recyclingsystem aufgebaut werden. Aufgrund ihres
guten Rufes haben deutsche Firmen gute Chancen hier tatkräftige Unterstützung leisten zu können.
Neben einzelnen und oft lokal begrenzten Initiativen gibt es mit dem nationalen Programm Swachh Bharat Abhizan
(Mission sauberes Indien) nun erstmals eine großangelegte die für ein sauberes Indien sorgen soll. Gerade medial erhielt
und erhält diese Initiative einiges an Aufmerksamkeit. Dies ist besonders wichtig, denn für eine Professionalisierung und
Weiterentwicklung von Indiens Abfallwirtschaft sind gebildete und aufgeklärte Konsumente unbedingt notwendig.
Dennoch kann auch das nur ein Anfang sein, um Indiens Abfallwirtschaft effektiver zu gestalten. In Anbetracht des stark
wachsenden Müllaufkommens ist dies mehr als notwendig.

Die stattfindende Markterkundungsreise bietet den Delegationsteilnehmern eine gute Möglichkeit, sich selbst und vor
Ort ein Bild vom aktuellen Entwicklungsstand der Abfallwirtschaft in Indien zu verschaffen.

1   Indische Botschaft, 2016
2   United Nations Department of Economic and Social Affairs 1, 2014
2       MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER
        ABFALLWIRTSCHAFT

       2. Zielmarkt allgemein
Der Subkontinent Indien liegt im südasiatischen Raum und grenzt an insgesamt sechs weitere Länder an.3 Flächenmäßig
ist es das siebtgrößte Land der Erde mit der zweitgrößten Population4 und im asiatischen Raum mit der drittgrößten
Volkswirtschaft (Stand August 2017).5

          2.1. Länderprofil

Die nachfolgenden Ausführungen sollen dazu dienen, einen umfassenden Überblick zum Standort Indien zu gewinnen.
Erläutert werden dabei nicht nur die Geographie und Demographie Indiens, sondern auch politische und wirtschaftliche
Entwicklungen von der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947 bis in die Gegenwart. Ebenfalls genauer beleuchtet
werden die allgemeinen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland.

2.1.1. Geographie und Demographie Indiens

Mit einer Gesamtfläche von 3.287.259 km² ist Indien das siebtgrößte Land der Erde und knapp neunmal so groß wie die
Bundesrepublik Deutschland (357.380 km²). Das Land verfügt über gemeinsame Landgrenzen mit Pakistan, China,
Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch. Der äußerste Norden Indiens ist geprägt durch Hoch- und Mittelgebirge.
Südlich davon schließen sich die Täler der Flüsse Indus, Yamuna und Ganges an, zum Westen hin auch aride und semi-
aride Der flache Küstenstreifen im Westen ist nur sehr schmal. Direkt hinter diesem Streifen verlaufen über die gesamte
Westküste von Norden nach Süden die Western Ghats, ein Gebirge mit Erhebungen von bis zu 2.695 m. Der Ostteil
Indiens ist ebenfalls durch einen recht schmalen Küstenabschnitt geprägt, an den sich zum Landesinneren die von
Norden nach Süden verlaufenden und bis zu 1680 m hohen Eastern Ghats anschließen. Ferner ist der nord-östliche
Küstenabschnitt durch Teiles des riesigen Ganges-Deltas geprägt und nur eine schmale Landbrücke verbindet den durch
hohe Gebirge und Regenwald geprägten Nord-Osten mit dem Rest des Landes. Der Nord-Westen hingegen ist durch
Wüsten und südlich daran anschließende Sumpflandschaften geprägt. Zentralindien wird durch das Deccan Plateau
dominiert.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2015 mehr als 1,31 Milliarden (Mrd.) Menschen im Land6
und das Bevölkerungswachstum lag bei 1,209 %.7 Indien hatte damit 2015 rund 16-mal so viel Einwohner wie
Deutschland (ca. 82,2 Mio.8). Obwohl Indien gerade einmal über 2,4 % der bewohnbaren Erdoberfläche verfügt, betrug
der Anteil der indischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung 2015 ca. 18 %.9 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf
die Bevölkerungsdichte. Durchschnittlich lebten 2015 in Indien 441 Menschen pro Quadratkilometer,10 wobei es
durchaus dichter besiedelte Bundesstaaten mit über 1.000 Einwohnern gab.11 Zum Vergleich hierzu: Deutschland wies für
das gleiche Jahr einen Durchschnittswert von 234 auf, China 146 und die USA 35 Einwohner pro Quadratkilometer.12

Obwohl das Bevölkerungswachstum in Indien seit 1981 stetig zurückgeht und auch in Zukunft weiter sinken wird, steigt
die Population absolut gesehen weiter an.13 Indien ist ein junges Land. Im Jahre 2016 betrug der Altersmedian14 der

3 Nach indischer Auffassung hat Indien auch eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Diese Grenze liegt allerdings im pakistanisch
kontrollierten Teil Kaschmirs jenseits der „Line of control“. Indien hat über diesen Teil der Grenze faktisch keine Kontrolle.
4 Auswärtiges Amt Deutschland 1, 2016
5 Statistic Times, 2016, World Bank 1, 2017
6 Statistisches Bundesamt 1, 2017
7 World Bank 2, 2017
8 Statistisches Bundesamt 2, 2017
9 United Nations Department of Economic and Social Affairs 2, 2015
10 Statistisches Bundesamt 1, 2017
11 Maps of India 1, 2011. Der letzte indische Zensus wurde 2011 durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Werte seitdem noch

erhöht haben.
12 World Bank 3, 2017
13 Journal of Economic Perspectives, 2003
MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT                                               3

indischen Bevölkerung 27,6 Jahre.15 Es wird davon ausgegangen, dass 2020 das durchschnittliche Alter eines Inders bei
28,1 Jahren liegen wird, was deutlich unter den erwarteten Werten für China (38,1 Jahre), Japan (48,2 Jahre) oder auch

den USA (37,9 Jahre) liegt.16 Auch für Deutschland wird für das Jahr 2020 mit 47,4 Jahre ein deutlich höheres

     Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien

              1,4

              1,2

              1,0

              0,8
       Mrd.

              0,6

              0,4

              0,2

              0,0

                                                      unter 15-jährige                  15- bis 64-jährige                     über 64-Jährige

     Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division; World Population Prospects, 2015

durchschnittliches Alter der Bevölkerung vorausgesagt.17 Indien wird auch in Zukunft über viele junge Menschen und
damit potentielle Arbeitskräfte verfügen wird. Wie in Abbildung 1 erkennbar ist, wächst die erwerbsfähige Bevölkerung
(15- bis 64-Jährige) seit 1950 kontinuierlich an. Alleine zwischen 2010 und 2020 nimmt der Anteil der
Erwerbsbevölkerung um mehr 137 Mio. Menschen zu und damit um durchschnittlich etwa 12 bis 13 Mio. Personen pro
Jahr. Dies stellt den Jobmarkt und die indische Regierung vor erhebliche Herausforderungen bei der Schaffung
geeigneter und ausreichender Arbeitsplätze18 liefert Unternehmen jedoch ein schier unerschöpfliches Reservoir an
Arbeitskräften. Von 2020 bis 2030 soll die Zahl der 15- bis 64-Jährigen um weitere 108 Mio. Menschen wachsen und mit
geschätzten 1,14 Mrd. Menschen wird erst im Jahr 2050 der Maximalwert an Personen innerhalb dieser Altersgruppe
erreicht werden. Aber auch Indien altert: So wächst die Zahl der über 64-Jährigen besonders stark – wenn auch von
einem sehr niedrigen Niveau ausgehend. Auf der anderen Seite wird in diesem Jahrzehnt (2010 bis 2020) nach
Prognosen der Vereinten Nationen die Zahl der unter 15-Jährigen erstmals sinken. Indien hat damit einen Punkt erreicht,
ab dem der Anteil der abhängigen Bevölkerung (unter 15-Jährige und über 64-Jährige) kleiner ist als der Anteil der
erwerbsfähigen Bevölkerung (15- bis 64-Jährige). Somit kommen auf jede Person im erwerbstätigen Alter immer weniger
Personen im abhängigen Alter. Die Wirtschaftsleistung wird in den kommenden Jahrzehnten von dieser sogenannten
„demografischen Dividende“ profitieren.19

14 50 % der Bevölkerung sind jünger und 50 % sind älter.
15 Statista 1, 2017
16 Parliamanet of India Rajya Sabha 2, 2016
17 Statista 2, 2017
18 Livemint 1, 2016
19 Aufgrund statistischer Unsicherheiten bleibt allerdings offen, wie lange dieser Prozess andauern wird.
4              MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER
               ABFALLWIRTSCHAFT

Während die arbeitsfähige Bevölkerung nicht nur in Europa sondern bspw. auch in China sinkt, nimmt sie in Indien noch
auf Jahrzehnte zu. Einen größeren Aufwuchs werden nur afrikanische Länder (vor allem südlich der Sahara) verzeichnen
können. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2 verdeutlicht.

     Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre)

               3,0

               2,5

               2,0

               1,5
        Mrd.

               1,0

               0,5

               0,0

                                                         Indien              Sub-Sahara Afrika                   China         Europa

     Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division; World Population Prospects, 2015

2.1.2. Politik und Wirtschaft Indiens

Die Republik Indien besteht aus einem Verbund von 29 Bundesstaaten und 7 Unionsterritorien, die unmittelbar von der
Zentralregierung in Delhi verwaltet werden. Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht die aktuelle
Zusammensetzung der indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich Indien
nicht mit allen seiner Nachbarländer über den Grenzverlauf einig ist. So bestehen besonders mit Pakistan aber auch mit
China Differenzen über einiger der nördlichen Gebiete Indiens. Mit Hinblick auf Pakistan ist dies besonders die Region
Kaschmir, die von beiden Seiten beansprucht wird. Mit China existieren Meinungsverschiedenheiten insbesondere über
die Zugehörigkeit der Regionen Arunachal Pradhesh. Aus diesen Gründen wird oft auch nicht von „Grenzen“ zwischen
Indien und diesen beiden Ländern gesprochen. Mit Bezug zu Pakistan stellt die „Line of Control“ die de facto Grenze
zwischen beiden Ländern dar.20 Mit China hingegen bildet die „Line of Actual Control“ die de facto Grenze. 21

20   The Wall Street Journal, 2016
21   Business Standard 1, 2012
MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT                                           5

  Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015)

  Quelle: Maps of India 2, 2017

Indien ist die größte Demokratie der Welt mit regelmäßigen Wahlen, Parteienwettbewerb und verfassungsrechtlich
verankerten Grundrechten. Vor dem Hintergrund weit verbreiteter Armut, ethnischer, religiöser und linguistischer
Vielfalt sowie tiefgreifender Kasten- und Klassengegensätze ist es in Indien seit der Unabhängigkeit am 15. August 1947
gelungen, ein gefestigtes demokratisches System aufzubauen. In den ersten Wahlen im Dezember und Januar 1950/51
siegte der linksliberale Indian National Congress (INC)22 unter der Führung von Jawaharlal Nehru, der zum ersten

22Eine Einordnung des INC in ein eindimensionales Links-Rechts-Spektrum wird der Komplexität von Politik in Indien nicht ganz
gerecht. Regionale Parteien (Sprache, Religion und oft auch Kastenzugehörigkeit sind nach wie vor starke entscheidende Faktoren in
der indischen Politik) sind in Indien sehr stark. Der INC war in der Vergangenheit oft die einzige „wahre“ nationale Partei Indiens und
die einzige Partei, die es geschafft hat, das Land über Jahrzehnte in Regierungskoalitionen zu führen, die nicht selten aus einem guten
Dutzend Parteien bestanden. Dem INC unter Führung der Nehru-Gandhi-Familie gelingt es wie keiner anderen Partei, regionale und
6           MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER
            ABFALLWIRTSCHAFT

Premierminister gewählt wurde, deutlich. Bis Mitte der 1990er Jahre dominierte die Kongresspartei meist unter Führung
der Nehru-Gandhi-Familie, mit nur zwei kurzen Unterbrechungen, die Politik des Landes. Bei den Parlamentswahlen im
Mai 2014 konnte der INC allerdings gerade noch knapp 20 % der Stimmen auf sich vereinen. Viele Bürger des Landes
waren der Regierung überdrüssig geworden und sehnten sich nach Veränderung. Vor allem die letzten Regierungsjahre
der zweiten Regierungsphase der sogenannten United Progressive Alliance (UPA II) war außerdem durch zahlreiche
Korruptionsskandale erschüttert, was die Wechselstimmung im Land weiter befeuerte.23
Die oppositionelle Bharatiya Janata Party (BJP) unter Führung von Narendra Modi, der bis zu seiner Vereidigung als
Premierminister Indiens Ministerpräsident in Gujarat war, erhielt über 30 % der Stimmen. Durch das indische
Wahlsystem („First-past-the-post“ in jedem Wahlkreis) verfügt der INC nun über lediglich rund 8 % der Sitze, während
die BJP mit mehr als 52 % der Sitze in der Lok Sabha, welches als eine Art Unterhaus innerhalb des politischen Systems
in Indien bezeichnet werden kann und vergleichbar ist mit dem deutschen Parlament, allein regieren kann.24 Die
Erwartungen an Narendra Modi waren und sind gewaltig. Gujarats Wirtschaft ist in den zwölf Jahren BJP-Herrschaft
überdurchschnittlich stark gewachsen. Viele Inder hoffen, dass Modi Ähnliches nun für ganz Indien gelingt. Kritiker
befürchten hingegen, dass Modi das Land spaltet. Kurz nachdem er 2002 Ministerpräsident von Gujarat geworden war,
kam es in dem Bundesstaat zu Pogromen gegen Muslime, bei denen ca. 2.000 Menschen ums Leben kamen. Bis heute ist
nicht eindeutig geklärt, welche Rolle Modi bei den Ausschreitungen spielte. 25

    Abbildung 4: Anteile ausgewählter Wirtschaftssektoren am indischen BIP (zwischen 1960 und 2016)

      100%

        90%

        80%

        70%

        60%

        50%

        40%

        30%

        20%

        10%

         0%

                                           Landwirtschaft    Industrie   Dienstleistungen

    Quelle: World Bank 4, 2017

Während 1960 in Indien noch fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung (rund 43 %) in der Landwirtschaft entstand,
dominierte 2016 mit mehr als 53 % der Dienstleistungssektor. Der Anteil der Landwirtschaft am indischen BIP ist, wie
auch in den Vorjahren, weiter gesunken. Lag er 1990 noch bei über 29 %, fiel bis 2010 auf knapp 18 %. 2016 lag der Anteil
der landwirtschaftlichen Produktion an der gesamtwirtschaftlichen Produktion bei 17,4 %.26 Dennoch ist die

religiöse Strömungen und Partikularinteressen auf nationaler Ebene auszugleichen. Der BJP gelingt es jedoch zunehmend neue
Wählerschichten und Regionen für sich zu gewinnen.
23 Bertelsmann Stiftung, 2017
24 Parliament of India Lok Sabha
25 BBC, 2012
26 World Bank 4, 2017; CIA World Factbook, 2017.
MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER ABFALLWIRTSCHAFT                                   7

Landwirtschaft für die Hälfte der Bevölkerung noch immer die Haupteinnahmequelle (50 % für 2015/2016).27 Anders als
in China hat die Industrie in Indien immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihr Anteil lag 2016 bei ca. 29 % (zum
Vergleich: In China liegt der Anteil der Industrie rund 40 %).28 Abbildung 4 verdeutlicht diese Entwicklung.
Unter indischen Ökonomen und Politikern setzt sich allerdings zunehmend die Einsicht durch, dass eine Verbesserung
des Lebensstandards für breite Bevölkerungsschichten 29 ohne Industrialisierung unmöglich ist. Die Regierung ist deshalb
bestrebt, den Anteil der Industrie an der Wertschöpfung zu erhöhen. Der indische Premier Narendra Modi hat deshalb
kurz nach Amtsantritt die Kampagne „Make in India“ ins Leben gerufen.30 Durch eine Vereinfachung des Unternehmens-
und Steuerrechts sowie Investitionen in Infrastruktur und berufliche Bildung soll der Anteil der Industrie am BIP erhöht
werden. Indien war im April 2015 Partnerland der Hannover Messe 2015, die gemeinsam von Angela Merkel und
Narendra Modi eröffnet wurde. Ziel auch dieses Auftritts war es, ausländische Unternehmen zu überzeugen, dass Indien
ein attraktiver Industriestandort ist.31 Die Liste der wirtschaftsfreundlichen Reformen, die die Regierung umsetzen
möchte, ist lang. Allerdings bestehen Zweifel, dass die meisten dieser Reformen umgesetzt werden können. Zwar verfügt
die BJP über eine absolute Mehrheit in der Lok Sabha (vgl. Bundestag), allerdings hielt sie Anfang August 2017 lediglich
58 der 244 Sitze in der Rajya Sabha (vgl. Bundesrat).32 Narendra Modi hat daher bisher viele Reformen per Erlass
angestoßen. Allerdings müssen diese Erlasse früher oder später von beiden Kammern des Parlaments bestätigt werden,
weshalb nur wenige Unternehmen auf Basis der Erlasse langfristige Investitionsentscheidungen treffen möchten.33
Aufgrund des indischen Wahlrechtes ist es unwahrscheinlich, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Rajya Sabha
signifikant vor den nächsten regulären Parlamentswahlen im Jahr 2019 ändern werden.34

Dennoch zeigte die aktuelle Regierung zuletzt, dass sie den Reformpfad weiter begehen will und, dass in der indischen
Demokratie Kompromisslösungen gefunden werden können. Nach mehr als einer Dekade wiederkehrender
Diskussionen35 über die Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer (General Sales Tax – GST) wurde diese im August
2016 sowohl durch die Rajya Sabha als auch durch die Lok Sabha prinzipiell genehmigt und weitere wichtige
Entscheidungen dazu wurden von beiden Parlamentskammern Anfang April bzw. Ende März getroffen. Durch diese sehr
wichtige Reform soll das Steuerwirrwarr aus Bundes- und Landessteuern in Indien beendet werden und Indien damit
einen wichtigen Schritt zu einem wirklich einheitlichen Binnenmarkt mit freiem Verkehr von Gütern und
Dienstleistungen gehen. Unternehmen und Verbraucher erhoffen sich durch ein vereinfachtes Steuersystem nicht nur
mehr Transparenz, sondern auch eine sinkende Steuerbelastung. Ferner rechnen viele Unternehmen mit deutlich
sinkenden Transportkosten. Im Gegenzug hofft die indische Regierung auf steigende Steuereinnahmen durch eine
Ausweitung der Zahlungspflichtigen. Angedacht war eine Einführung der Steuer bis zum April 2017, jedoch wurde der
Termin auf den Juli 2017 verschoben. Dennoch hat alleine die Ankündigung dieser Reform das Vertrauen in Indien bei
vielen Investoren wachsen lassen. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass die Reform das indische
Wirtschaftswachstum um bis zu 2 % steigern kann, wenngleich bei der Umsetzung der Reform Schwierigkeiten zu
erwarten sind. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten und Proteste hielt die indische Regierung an der Einführung der Steuer
zum 1. Juli 2017 fest. 36 Kritiker bemängeln bereits jetzt, dass die Reform das Steuerrecht zu wenig vereinfacht und damit
hinter ihrem Potenzial zurück bleibt. Viele Marktbeobachter hatten sich weniger Ausnahmen und weniger als die fünf
vorgesehenen Steuerstufen (5, 12, 18 und 28 Prozent erhofft). Für eine Analyse der Effekte Reform ist es aber noch
deutlich zu früh und es wird noch Jahre bzw. Jahrzehnte dauern, bis belastbares Datenmaterial zum Effekt der GST auf
die indische Wirtschaft zur Verfügung steht.37

Im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion geriet Indien im Jahr 1991 in wirtschaftliche Turbulenzen, die in einer
Zahlungsbilanzkrise und anschließend fast im Staatsbankrott mündeten. Verhindert wurde dieser nur durch Notkredite

27 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015
28 World Bank 4, 2017. Auch für 2016 sind keine deutlich anderen Zahlen zu erwarten. Siehe dazu CIA World Factbook, 2017.
29 In der indischen IT-Industrie arbeiten bspw. nur drei Millionen Menschen. 10 Millionen, wenn man man eine eine breitere Definition

der Beschäftigung in der IT-Industrie zugrunde legt. Sieh dazu IBEF 1, 2017.
30 Make in India 1, 2015
31 Die Zeit 1, 2015
32 Parliament of India Rajya Sabha, 2017. Damit verfügte die BJP jedoch über die meisten Sitze aller Parteien und besaß zum ersten Mal

in ihrer Geschichte mehr Size als der INC.
33 The Economist 1, 2015
34 Livemint 2, 2017
35 The Economic Times 1, 2016
36 Tehelka, 2017; The Indian Express 1, 2016; Reuters 1, 2016.
37 CNBC, 2017, The Economist 4, 2017.
8           MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER
            ABFALLWIRTSCHAFT

der Bank of England und der Bank of Japan. Nachdem der sofortige wirtschaftliche Zusammenbruch Indiens abgewendet
war, unterstützte der Internationale Währungsfond (IMF) das Land mit langfristigen Krediten, allerdings unter der
Bedingung weitreichender wirtschaftlicher Reformen. Das Jahr 1991 markierte damit den Startschuss für ein Jahrzehnt
wirtschaftlicher Liberalisierung und Prosperität. Die Effekte der Reformen hielten noch bis in das erste Jahrzehnt des
neuen Jahrtausends an, verloren mittlerweile allerdings deutlich an Wirkung. Das Wachstumspotenzial Indiens ist in der
Folge deutlich zurückgegangen. Die von Korruptionsskandalen geschüttelte Regierung schien zunehmend unfähig, die
Wirtschaft mit einer neuen Welle wirtschaftlicher Reformen zu beleben. Der über 80-jährige Premierminister Manmohan
Singh (als Finanzminister eine der Schlüsselfiguren während der Reformphase zu Beginn der 1990er Jahre) wirkte
zunehmend amtsmüde. Im Ergebnis war das Wirtschaftswachstum in Indien deutlich zurückgegangen. Die indische
Rupie verlor an Wert. Das Haushaltsdefizit stieg ebenso wie Indiens Leistungsbilanzdefizit. Nachdem die indische Rupie
im Jahr 2013 innerhalb weniger Monate deutlich über 20 % gegenüber dem US-Dollar (USD) verloren hatte und die
Regierung gezwungen war, Maßnahmen zu ergreifen um nicht notwendige Importe (vor allem Gold) einzuschränken,
sprachen Beobachter bereits von einer Wiederholung der Ereignisse des Jahres 1991.

Die Märkte haben sich allerdings mittlerweile wieder beruhigt: Die indische Rupie stabilisiert sich gegenwärtig und auch
das Leistungsbilanzdefizit hat sich leicht verbessert.38 Nach Angaben der Weltbank reduzierte sich das Defizit von 5°% im
Jahre 2012 auf 2,6 % 2013, 1,5 % 2014 und schließlich 1,1 % des indischen BIP im Jahr 2015.39 Der Reformbedarf in
Indien ist nichtsdestotrotz unübersehbar. Ein Segen für das Land ist der niedrige Ölpreis. Die Regierung war weise
genug, die Preise für Benzin und Diesel nicht stark zu senken, sondern stattdessen Energiesubventionen abzubauen und
den Haushalt zu konsolidieren. Weil Indien einen Großteil seines Bedarfs an fossilen Energieträgern durch Importe
deckt, ist durch den gesunkenen Ölpreis auch das Zahlungsbilanzdefizit zurückgegangen. Beide Entwicklungen und die
neue Reformfreudigkeit der Regierung40 haben den wirtschaftlichen Ausblick für Indien verbessert. Abbildung 5
verdeutlicht die relativen Wachstumsraten des indischen BIP von 2003 bis 2018, wobei die Werte für 2017 und 2018 vom
Internationalen Währungsfond erwartet werden.

     Abbildung 5: Relatives Wirtschaftswachstum Indien 2003 – 2018*

          12

          10

          8

          6
      %
          4

          2

          0

          -2
                2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017* 2018*

     Quelle: World Bank 6, 2017, *International Monetary Fund, 2017

38 Wallstreet online, 2014
39 World Bank 5, 2017
40 Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die Indiens aktuelle Regierung unter Narendra Modi eher als Verwalter denn als Reformer

darstellen. Im Zuge zunehmender Kontroversen um regierungskritische Berichterstattung sorgen stoßen solche Berichte oft wenig
Verständnis bei weiten Teilen der indischen Bevölkerung. Sieh dazu The Economist 4, 2017.
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Nachdem die indische Wirtschaft 2014 um 5,8 % wuchs, konnte 2015 bereits eine Wachstumsrate von 7,6 % erreicht
werden.41 Für das Jahr 2016 wurde zunächst ein solides Wachstum von 7,6 % erwartet. Aufgrund der sogenannten
„Demonetisation“42 wuchs die Wirtschaft jedoch um weniger als 7 % Im Durchschnitt wurden die Wachstumsraten für
2016 um 1 % gesenkt, sodass Indiens Wirtschaftsleistung 2016 wohl um 6,6 % wuchs.43

Die Inflationsrate lag im Mai 2017 bei niedrigen 2,18 %, nachdem sie im Juni vergangenen Jahres noch bei 5,77 %
stand.44 Die Lebensmittelinflation ging von Januar 2016 bis Januar 2017 von knapp 6,8 % auf 0,5 % zurück.45 Beeinflusst
durch den normal einsetzenden Monsun im Juni 2017 erreichte die Lebensmittelinflation im Juni 2017 einen Wert von –
1,1 %. Damit war zum ersten Mal seit Januar 2012 eine Deflation im Bereich der Lebensmittel zu verzeichnen. 46 Die
Entwicklung hat Spielräume für die Zentralbank eröffnet, die Zinsen zu senken. Am 15. Januar 2015 senkte die Reserve
Bank of India den Leitzins von 8,0 % auf 7,75 % und am 4. März um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 7,5 %.47 Hierbei
handelte es sich um die erste Senkung seit Beginn des Jahres 2013.48 Aufgrund sinkender Inflation ergaben sich auch im
Folgezeitraum weitere Möglichkeiten zur Zinssenkung. Zuletzt wurde der Leitzins am 5. April 2016 von 6,75 % auf den
Satz von 6,5 % gesenkt49 und dann im Oktober 2016 auf den auch im Juli 2017 noch gültigen Stand von 6,25 %.50 Der
Druck auf die Zentralbank zu weiteren Senkungen des Leitzinses bleibt hoch, jedoch hatte der scheidenden Vorsitzende
der Reserve Bank of India, Dr. Raghuram Rajan, sich stets gegen Einmischung von außen in die Geldpolitik gewährt und
sich gegen eine allzu lockere Geldpolitik gestemmt. Bei Dr. Rajans letzter Vorstellung der im Abstand von jeweils zwei
Monaten veröffentlichten Stellungnahmen zur Geldpolitik (im August 2016) zeigte er sich besorgt, ob das Inflationsziel
von 5 % für Januar 2017 erreichen werden kann. Niedrige Preise für wichtige Importgüter wie Rohöl halfen jedoch bei
der Erreichung des Ziels. Bekräftigt wurde in dieser Stellungnahme die Haltung der Reserve Bank of India in Bezug auf
die Eindämmung der, vor allem bei staatseigenen indischen Banken, massiv vorhandenen faulen Krediten.51 Diese
Kredite sind eine Hauptgrund für niedrige Gewinne bei den Banken und eine sehr zähe Kreditvergabe vor allem an kleine
und mittelständische Firmen.52 Im Februar 2017 wurde der Umfang dieser faulen Kredite in den Bilanzen der Banken auf
rund 17 % aller Kredite in Indien geschätzt.53
Für einige Unruhe an den Märkten sorgte die die Tatsache, dass Dr. Rajan nach drei Jahren Tätigkeit als Vorsitzender der
Reserve Bank of India seinen 2016 regulär auslaufenden Vertrag nicht verlängerte. Dr. Rajan genoss hohes Ansehen in
weiten Teilen der indischen Bevölkerung und verfügte über eine hohe Strahlkraft weit über die indische Landesgrenze
hinaus. Neben seiner unzweifelhaften Expertise als Volkswirt galt Dr. Rajan als jemand, der auch an gesellschaftlichen
Debatten teilnahm. Zu einem nicht unerheblichen Teil war seine Person mit gesteigertes Investorenvertrauen verbunden,
hat er doch ganz klar Inflationsziele herausgearbeitet, die Geldpolitik gestrafft, Inflation eindämmen können und das
massive Problem fauler Kredite in Indiens staatseigenen Banken auf die Agenda gebracht. Ferner setzte er sich für eine
starke und generell unabhängige Zentralbank ein. Aus politischer Sicht scheint er daher als unbequem gegolten zu haben.
Wenngleich ihn viele, vor allem ausländische, Investoren gerne auch für eine zweite Amtszeit als Vorsitzender der
Reserve Bank of India gesehen hätten, entschied er sich gegen eine weitere Arbeit dieser Art. Immer wieder wurde über
politischen Druck spekuliert, der ihn zu dieser Entscheidung bewog. 54 Sein Nachfolger seit September 2016 ist nun Dr.
Urjit Patel. Er gilt ebenfalls aus ausgesprochener Fachmann für den Posten und es wird erwartet, dass er die Arbeit seines
Vorgängers thematisch fortsetzt, insgesamt aber leiser und weniger sichtbar agieren wird. 55

41 World Bank 6, 2017
42 Der Begriff und die Folgen dieser Maßnahme werden auf der folgenden Seite umfassend erläutert.
43 International Monetary Fund, 2017
44 Tradingeconomics, 2017
45 Centre for Monitoring the Indian Economy 1, 2017
46 Centre for Monitoring the Indian Economy 2, 2017
47 The Hindu 1, 2015
48 Reserve Bank of India 1, 2015
49 Reserve Bank of India 2, 2016
50 Reserve Bank of India 3, 2016; Reserve Bank of India 4, 2017.
51 Reserve Bank of India 5, 2016
52 The Indian Express 2, 2017
53 The Economist 2, 2017. Andere Quellen beziffern den Anteil auf 11 %, was das Problem allerdings nicht significant kleiner macht.

Siehe dazu Financial Express, 2017.
54 The Economist 3, 2016
55 The Economic Times 2, 2016
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Bisweilen wird ein möglicher Grund für Dr. Rajans abrupten Rückzug in Modis Politik der sogenannten „Demonitasition“
gesehen.56 Bei dieser Maßnahme wurden am 8. November 2016 die beiden größten Geldscheine im Wert von 500 INR
(ca. 7,10 EUR) und 1000 INR (ca. 14,20 EUR) über Nacht für ungültig als Zahlungsmittel erklärt. Damit wurden rund
86% des Wertes der umlaufenden Geldmenge für ungültig erklärt und ungefähr 24% (insgesamt 22,03 Mrd. Geldscheine)
der umlaufenden Geldscheine quasi wertlos.57 Bis zum 31. Dezember 2016 bestand eine Frist zum Tausch der Scheine in
gültige Noten bzw. zur Einzahlung auf Konten. Außerdem wurden die alten 500 INR Scheine sukzessive durch neue
Noten ersetzt und neue 2000 INR Scheine schrittweise in Zirkulation gebracht.
Weil anscheinend nur wenige Personen vorab von der Maßnahme wussten, kam es in den auf den 8. November 2016
folgenden Wochen zu teils chaotischen Zuständen. Banken verfügten nicht über genügend Bargeld zur Versorgung ihrer
Kunden und trotz Abhebelimits waren sehr viele Bankautomaten meist ohne Geld. Rund 90 % des Handels in Indien
wurde in bar abgewickelt. Ferner hatten rund 250 Mio. Inder kein Bankkonto und konnten daher von den ohnehin kaum
vorhanden Möglichkeiten zu Kartenzahlung ebenfalls keinen Gebrauch machen. Vor fast allen Banken kam es in der
Folgezeit zu langen Schlangen und umlaufendes Bargeld war sehr knapp. Die Verwerfungen innerhalb der Wirtschaft
waren ebenfalls enorm. Konsumenten schränkten ihren Konsum auf notwendige Bedarfsgüter ein und Unternehmen
vorschoben Investitionsentscheidungen. Es wird davon ausgegangen, dass die Maßnahme Indiens Wirtschaftswachstum
für 2016 wohl um 1 % gegenüber den Schätzungen schmälert und Indien damit um weniger als 7 % wuchs. Viele Folgen
der „Demonetisation“ werden sich allerdings erst in den kommenden Quartalen zeigen. Ursprünglich war sie von der
Regierung Modi als Mittel im Kampf gegen Korruption und Schwarzgeld angepriesen. Weiterhin soll die so erzwungene
Einschränkung von Bargeld Indien langfristig zu einem Land des bargeldlosen Zahlungsverkehres machen. Aus diesem
Grund wird daher oft die Vokabel der „cashless economy“ bemüht.
Ob diese Vorhaben gelingen wird sich zeigen. Deutlich über 90 % der alten Banknoten wurden bei den Banken eingezahlt
und damit wurde wohl nur wenig Schwarzgel ungültig. Die steigende Menge an Einlagen bei den Banken führte in der
Folge jedoch zu sinkenden Zinsen. Ferner wuchs das Steueraufkommen durch mehr Geld im offiziellen Umlauf, was sich
langfristig positiv auf Infrastruktur und Sozialausgaben auswirken könnte. Generell sind Mitte 2017 noch wenige
Auswirkungen der „Demonetisation“ zu überblicken. 58
Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist Indien noch immer ein verhältnismäßig armes Land. Die Zahl der
Inder, die in ärmlichen Verhältnissen leben, ist durch den Aufschwung der letzten Jahre allerdings erheblich gesunken.
Die statistische Erfassung von Armut hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Nachdem bis 2014 die offizielle
Armutsgrenze bei 27 INR (0,36 EUR) (Dorf) und 33 INR(0,44 EUR) (Stadt) pro Tag lag, sind nach Neuberechnungen
mindestens 32 INR (0,43 EUR) (Dorf) und 47 INR (0,63 EUR) (Stadt) pro Tag zum Überleben notwendig. Hierdurch
fallen 100 Mio. Menschen mehr unter die Armutsgrenze als zuvor angenommen.59 Im Finanzjahr 2014/2015 lebten noch
immer etwa 30 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und rund 70 % hatten weniger als 2 USD pro Tag zur
Verfügung.60 Die Zahl der Inder, die nicht alle Grundbedürfnisse (Essen, Energie, Wohnen, Trinkwasser, Sanitäranlagen,
Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Sicherheit) decken können, ist noch immer relativ hoch. Das
Beratungsunternehmen McKinsey schätzt in einem Bericht aus dem Jahr 2014, dass 680 Mio. Menschen in Indien in
diese Kategorie fallen. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung liegen die minimalen monatlichen
Konsumausgaben zur Deckung dieser Bedürfnisse bei 1,336 INR (ca. 18 EUR). Abbildung 6 zeigt, wie sich die
monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben 2014 verteilten.61 Auch in einem Bericht aus dem Jahr 2016 bestätigte
McKinsey die Zahlen und gibt an, dass rund 4 % der jährlichen indischen Wirtschaftsleistung notwendig sind, um diese
Menschen aus der Armut zu heben. Als Hauptmittel zur Erreichung dieses Zieles gibt McKinsey nicht nur mehr
Staatsausgaben an, sondern empfiehlt ebenfalls einen Fokus auf die Schaffung von Arbeitsplätzen außerhalb der
Landwirtschaft zu legen. Ebenfalls wird empfohlen, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und die Effizienz bereits
bestehender staatlicher Programme zur Armutsbekämpfung zu steigern. 62
Die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben von mehr als 95 % der Inder im ländlichen Raum liegen entsprechend unter
3.000 INR (ca. 40 EUR); in den Städten sind es über 70 %, die weniger zur Verfügung haben.63

56 Business  Standard 2, 2017; Hindustan Times, 2017
57 The Indian Express 3, 2016
58 FAZ, 2016; The Hindu 2, 2017; Forbes, 2016
59 Die Zeit 2, 2014
60 Auswärtiges Amt Deutschland 3, 2015
61 McKinsey 1, 2014
62 McKinsey 2, 2016
63 Ministry of Statistics and Programme Implementation 1, 2014
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     Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014)

                                       7

                                       6
         Monatliche Pro-Kopf-Konsum-
          ausgaben in Tausend INR

                                       5

                                       4

                                       3

                                       2

                                       1

                                       0
                                           5%     15%     25%      35%           45%          55%     65%   75%   85%   95%
                                                                kummulierter Anteil der Bevölkerung

                                                Land    Stadt

     Quelle: McKinsey 1, 2014

Die Einkommensteuerpflicht in Indien beginnt ab einem Jahreseinkommen von 200.000 INR (ca. 2.700 EUR). Lediglich
ca. 1 % der Bevölkerung zahlten im Finanzjahr 2012/2013 Einkommensteuer, wobei es seitdem zu keinen signifikanten
Veränderungen gekommen ist.64 Ursache für das nach wie vor geringe Einkommen ist die hohe Zahl unproduktiver
Arbeitsplätze. Zum einen sind noch immer mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Landwirtschaft beschäftigt (sehr
oft nur Subsistenzwirtschaft), zum anderen ist es keiner indischen Regierung bisher gelungen, einen leistungsfähigen
Industriesektor, wie bspw. in China, aufzubauen. Insgesamt ist ein großer Teil des industriellen Sektors nach wie vor
starken interventionistischen Maßnahmen und staatlicher Regulierung ausgesetzt, welche das Wachstum schwächen. Vor
allem das Arbeitsrecht ist für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern sehr restriktiv. Die World Bank kam in ihrem
Länderbericht 2008 zu dem Schluss, dass das indische Arbeitsrecht eines der komplexesten der Welt sei. Dieses wurde
seit der Unabhängigkeit kaum reformiert.65

2.1.3. Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Indien

Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Beleg dafür ist
nicht zuletzt die Entwicklung der Mitgliederzahl der Deutsch-Indischen Handelskammer. Diese stieg um 100 % von 1990
bis 2017 auf eine Gesamtzahl von mehr als 6.000 Mitgliedern.

In der Europäischen Union ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner.66 Im Jahr 2006 lag das bilaterale
Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien erstmals über 10 Mrd. EUR. Bis 2011 war es auf 18,4 Mrd. EUR
angewachsen. Es schien, als wären beide Länder auf einem guten Weg, die von Manmohan Singh und Angela Merkel auf
der gemeinsamen Regierungskonferenz im Jahr 2010 gesetzte Zielmarke von 20 Mrd. EUR bis 2012, zu erreichen. Doch
vor allem aufgrund des Nachlassens der wirtschaftlichen Dynamik in Indien sank das Handelsvolumen im Jahr 2012 auf

64 NDTV 1, 2016, FAZ, 2016. Hierbei handelt es sich um die aktuellsten verfügbaren Daten zur Problematik.
65 World Bank 6, 2014
66 Ministry of Commerce and Industry 1, 2015
12                  MARKTERKUNDUNG ANLAGENBAU- UND ENTSORGUNGSUNTERNEHMEN ZUM THEMA NACHHALTIGER
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17,4 Mrd. EUR (von einer winzigen Delle im Jahr 2009 abgesehen der erste Rückgang seit dem Jahr 1999). Im Jahr 2013
sank das Handelsvolumen auf 16,1 Mrd. EUR, wobei vor allem die deutschen Exporte nach Indien zurückgingen, was sich
in einem deutlich niedrigeren Handelsüberschuss in Höhe von 2,2 Mrd. EUR für Deutschland niederschlug (dem
niedrigsten seit 2006). Nachdem auch im Jahr 2014 das deutsch-indische Handelsvolumen noch einmal leicht auf 16
Mrd. EUR zurückgegangen war und Indien damit als Handelspartner weiter an Bedeutung für Deutschland verlor, nahm
2015 das bilaterale Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 8,5 % auf 17,3 Mrd. EUR zu und
erreichte 2016 schließlich etwas mehr als 17,4 Mrd. EUR. Im Vergleich zu 2014 stiegen die deutsche Ausfuhren dabei um
knapp 10 %, während Einfuhren aus Indien um ca. 6,5 % stiegen. Abbildung 7 gibt einen Überblick über das deutsch-
indische Handelsvolumen von 1990 bis 2016. Im Jahr 2013 lag das Land sowohl bei den Ausfuhren als auch bei den
Einfuhren auf Rang 25 unter Deutschlands Handelspartnern. Im Jahr 2016 lag Indien bei den Ausfuhren auf Platz 24
und bei den Einfuhren nur noch auf Rang 28 unter Deutschlands Handelspartnern. 67 Mit 3,1 Mrd. EUR waren
Maschinen das Hauptexportgut deutscher Unternehmen nach Indien im Jahr 2016, gefolgt von elektrotechnischen
Erzeugnissen mit 1,3 Mrd. EUR und optischen Instrumenten im Wert von 923 Mio. EUR. Mit 1,3 Mrd. EUR waren
Textilien und Bekleidung (ohne Schuhe) das Hauptexporterzeugnis indischer Unternehmen nach Deutschland, gefolgt
von chemischen Erzeugnissen mit 657 Mio. EUR.68

     Abbildung 7: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2016

           12

           10

               8
      Mrd. €

               6

               4

               2

               0

               -2

                        Exporte nach Indien             Importe aus Indien     Saldo

     Quelle: Statistisches Bundesamt 3,2016; Statistisches Bundesamt 4, 2017

Von April 2000 bis März 2017 verzeichnete Indien einen kumulierten Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen von
rund 294 Mrd. EUR (332 Mrd. USD). In eben diesem Zeitraum wurden etwa 8,62 Mrd. EUR (9,698 Mrd. USD)
Direktinvestitionen aus Deutschland in den indischen Markt getätigt, davon alleine etwa 986 Millionen im Finanzjahr
2015/2016.69 Die Direktinvestitionen kamen überwiegend von deutschen Unternehmen aus dem Maschinen- und
Anlagenbau, aus der Automobilindustrie und aus der Chemieindustrie. Die größte Einzelinvestition eines deutschen
Unternehmens in Indien war der Bau der Volkswagenfabrik im westindischen Pune. Wenig überraschend sind deutsche
Unternehmen stark in den beiden Zentren der indischen Automobilindustrie, Pune und Chennai, vertreten. Indische

67 Statistisches Bundesamt 3, 2016, Auswärtiges Amt Deutschland 4, 2015
68 Statistisches Bundesamt 4, 2017
69 Ministry of Commerce and Industry 2, 2016, Ministry of Commerce and Industry 3, 2017
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Unternehmen investierten im Jahr 2016 ca. 124,08 Mio. EUR in Deutschland.70 Rund 379 international tätige indische
Unternehmen waren im Juli 2015 in Deutschland durch Tochtergesellschaften oder Unternehmensbeteiligungen aktiv
und der Bestand an Direktinvestitionen aus Indien nach Deutschland belief sich zum selben Zeitpunkt auf rund 4 Mrd.
EUR.71 Regionaler Schwerpunkt der Tätigkeit indischer Unternehmen in Deutschland ist die Region um Frankfurt. Die
prominentesten Investitionen indischer Unternehmen in Deutschland war die Übernahme der Carl Dan Peddinghaus
GmbH durch Bharat Forge, einem Automobilzulieferer aus Pune im Jahr 2003, sowie die Übernahme von Senvion
(REpower) durch den indischen Windturbinenhersteller Suzlon, ebenfalls aus Pune in den Jahren 2007 bis 2012 (letztere
Übernahme stellt mit einem Volumen von 1,8 Mrd. EUR alle anderen Übernahmen indischer Unternehmen in
Deutschland weit in den Schatten). Ende April 2015 wurde Senvion mit einem erheblichen Verlust an die amerikanische
Equity Firma Centrebridge verkauft, um die Liquiditätskonsolidierung und Neuorientierung des Unternehmens auf dem
Markt weiter fortzuführen.72

Bedeutende deutsch-indische Wirtschaftsabkommen sind das Doppelbesteuerungsabkommen, das am 19. Dezember
1996 in Kraft getreten ist, das Investitionsschutzabkommen vom Juli 1998, das Handelsabkommen vom 31. März 1955
sowie die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und technologischen
Entwicklung von 1971 und 1974.73
In den 1990er Jahren wurden die Regeln für ausländische Direktinvestitionen (FDI) in Indien zunehmend gelockert. Im
ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hielt dieser Trend weitgehend an; viele Beschränkungen für FDI wurden
beseitigt, die meisten Branchen delizensiert.74 Vor allem aber auch durch das „Make in India“-Programm, welches im
September 2014 mit dem neuen Ministerpräsidenten Modi etabliert wurde, konnten weitere Erfolge bei der Öffnung des
Landes erzielt werden. Nichtsdestotrotz sind bürokratische Hemmnisse noch immer eine der größten
Wachstumsbremsen in Indien. Im „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank erreichte Indien im Jahr 2017 lediglich
Rang 130 von 190 - zum Vergleich: Neuseeland lag im Jahr 2017 auf Rang 1, die USA auf Rang 8, Deutschland auf Rang
17 und China auf Rang 78. Ungefähr gleichauf mit Indien lagen die Tadschikistan (128), Kap Verde (129), Kambodscha
(131) und Tansania (132). Besonders schlecht schnitt Indien in den Feldern Steuerzahlung/Steuermoral (172),
Durchsetzung von Verträgen (172) und Baugenehmigungen (185) ab. Verhältnismäßig gut ist das Land hingegen im
Hinblick auf Zugang zur Fremdkapitalbeschaffung (Kredite) (44) und beim Investorenschutz (13). Gerade auch im
Vergleich zum Vorjahr wurde es laut Ranking signifikant einfacher in Indien einen Stromanschluss zu erhalten (26 statt
55 im Jahr 2016).75 Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International konnte sich die Republik Indien
verbessern. Nachdem man 2014 noch auf dem Rang 85 lag, verbesserte sich das Land im Jahr 2016 auf Rang 79 von 176.
Damit hat sich die Platzierung gegenüber dem Jahr 2013 (Rang 94) sukzessive verbessert.76

Aufgrund der guten Fundamentaldaten (eine junge Bevölkerung, niedrige Lohnkosten und ein nach wie vor hohes
Wachstumspotenzial) ist Indien trotz der verhältnismäßig ungünstigen Platzierung im „Ease of Doing Business“-Index
unter ausländischen Investoren beliebt. 2,2 % der globalen FDI flossen zwischen 2010 und 2015 nach Indien.77

Indien hatte bereits im Jahr 1948 (noch vor Deutschland) das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT, heute
WTO) unterzeichnet und später auch das Abkommen zu Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS).
Darüber hinaus hat Indien folgende Abkommen unterzeichnet:

70 Reserve Bank of India 6, 2017
71 Deutsch-Indische Handelskammer 2, 2015
72 Business Standard 3, 2015
73 Auswärtiges Amt Deutschland 5, 2014
74 In der Zeit des „License Raj“ bis Ende der 1980 konnten in kaum einer Branche ohne Lizenzen Geschäfte gemacht werden. Die

Lizenzen waren oft sehr detailliert bestimmt und enthielten Vorgaben zu Preis- und Mengenpolitik für Unternehmen.
75 World Bank 7, 2017; World Bank 8, 2017
76 Transparency International, 2014
77 United Nations Conference Trade and Development, 2015
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