Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

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Überblick über die Teilrevision 2000 des OECD—Musterabkommens

Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim
direkten und indirekten Rückkauf eigener
Aktien
                                             *)
von Michael Buchser und Thomas Jaussi

Eine Aktiengesellschaft kann sich aus mannigfaltigen Gründen veranlasst sehen,
eigene Aktien zurück zu kaufen. So kann der Aktienrückkauf gestützt auf eine
statutarische Escape-Klausel, im Hinblick auf eine Kapitalherabsetzung erfolgen
oder für eine kleinere Gesellschaft die einzige Möglichkeit sein, sich von einem
missliebigen Aktionär zu trennen. Zivilrechtlich ist der Rückkauf eigener Aktien
heikel, weil er grundlegende aktienrechtliche Prinzipien verletzen kann. Steuer-
rechtlich stellt der Aktienrückkauf, werde er direkt oder aber indirekt über eine
Tochtergesellschaft abgewickelt, in bestimmten Fällen eine direkte Teilliquida-
tion dar. Entsprechend hat der Verkäufer der Beteiligungsrechte einen Kapitaler-
trag zu versteuern. Aus dogmatischer Sicht schiesst die geltende gesetzliche Re-
gelung mit ihrer Teilliquidationsfiktion über das Ziel hinaus, denn den eigenen
Aktien kommt in vielen Fällen ein tatsächlicher wirtschaftlicher Wert zu. Das
Steuerrecht fingiert mithin eine Teilliquidation der rückkaufenden Gesellschaft,
ohne dass bei dieser eine Entreicherung eingetreten ist. Zahlreiche heikle wie
auch ungelöste Fragen, auf die der vorliegende Beitrag eine Antwort geben will,
stellen sich beim indirekten Rückkauf eigener Aktien.

Une société anonyme peut être amenée pour des raisons les plus diverses à ra-
cheter ses propres actions. Ainsi, le rachat d’actions peut survenir en vertu
d’une clause statutaire de sauvegarde, en vue d’une diminution de capital ou
encore constituer, pour une petite société, l’unique possibilité de se séparer
d’un actionnaire indésirable. Sous l’angle du droit civil, le rachat de propres
actions est une chose délicate, parce qu’il peut violer des principes fondamen-
taux du droit des sociétés anonymes. Fiscalement, le rachat de propres actions,
qu’il soit effectué de manière directe ou indirecte, par le biais d’une filiale,
équivaut dans certains cas à une liquidation partielle directe. Le vendeur des
droits de participation doit par conséquent subir l’imposition d’un rendement
de capital. D’un point de vue dogmatique toutefois, du fait de la liquidation
partielle fictive, la réglementation légale en vigueur manque sa cible, car les
actions propres ont fréquemment une valeur économique réelle. Le droit fiscal
*)
     Michael Buchser, lic. iur., Assistent am Institut für Steuerrecht der Universität Bern; Thomas
     Jaussi, lic. iur. und dipl. Steuerexperte, KPMG Basel. Die Autoren danken den Herren Prof.
     Dr. iur. Urs R. Behnisch und Prof. Dr. iur. Peter Locher für wertvolle Anregungen und Dis-
     kussionen und die kritische Durchsicht des Manuskripts.

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

conçoit ainsi une liquidation partielle de la société acquéreuse, sans que
celle-ci ne s’en trouve appauvrie. Le rachat indirect de propres actions soulève
de nombreuses questions délicates, voire non résolues, auxquelles le présent
exposé veut répondre.

1. Rückkauf eigener Aktien im Zivilrecht
1.1. Schranken und Problematik des Rückkaufs
1.1.1. Schranken
Nach Art. 659 Abs. 1 OR darf eine Aktiengesellschaft eigene Aktien im Nenn-
                                                1)
wert von höchstens 10% ihres Aktienkapitals erwerben. Werden die eigenen
Aktien im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung zurück ge-
                                                      2)
kauft, so beträgt die Limite 20% des Aktienkapitals . Diese höhere Grenze ist
lediglich auf jene Fälle zugeschnitten, in denen eine Gesellschaft, deren Aktien
nicht börsenkotiert sind, den Verkauf von Namenaktien an einen ihr nicht ge-
nehmen Interessenten verhindert, indem sie dem Veräusserer der Aktien anbie-
                                                   3)
tet, diese zum wirklichen Wert zu übernehmen . Zwischen dem Gesuch um
Übertragung der Mitgliedschaft und dem Aktienrückkauf besteht dabei
zwangsläufig Kausalität. Die über die 10%-Limite hinaus erworbenen eigenen
Aktien hat die Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren zu veräussern oder
                                             4)
durch Kapitalherabsetzung zu vernichten .
    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, sofern in der Höhe des
                                                                5)
Erwerbspreises frei verwendbares Eigenkapital vorhanden ist . Zum Erwerb
von Aktien, die nicht voll liberiert sind, muss die Gesellschaft über frei ver-
wendbares Eigenkapital in der Höhe des Kaufpreises zuzüglich der ausstehen-
                                          6)
den Restforderung (non-versé) verfügen . Nicht zum frei verwendbaren Eigen-
kapital gehören das Aktien- und das Partizipationskapital, die Reserve für eige-
                                     7)
ne Aktien, die Aufwertungsreserve sowie die statutarisch zweckgebundenen
Reserven und weitere Reserven, deren Bildung die Generalversammlung zu ei-
1)
     «Aktienkapital» ist in diesem Zusammenhang zu verstehen als «Nominalkapital», denn zur
     Berechnung des höchstzulässigen Nominalwerts der zurück gekauften Aktien ist das Partizi-
     pationskapital ebenfalls einzubeziehen.
2)
     Art. 659 Abs. 2 OR.
3)
     Art. 685b Abs. 1 und 4 OR; näheres bei Peter Forstmoser/ Arthur Meier-Hayoz/ Peter Nobel,
     Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 44 N 161 ff.
4)
     Art. 659 Abs. 2 OR.
5)
     Art. 659 Abs. 1 OR.
6)
     Reinhard Oertli, Zum Erwerb eigener Aktien, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts-
     recht 6 (1994), S. 263 sowie hinten Ziff. 1.2.11. und dort insb. Fn. 58.
7)
     Art. 671b OR.

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nem bestimmten, nicht mit der Anschaffung eigener Aktien vereinbaren
                         8)
Zweck beschlossen hat . Die allgemeine gesetzliche Reserve ist insoweit ge-
sperrt, als sie aus Agio gebildet wurde und die Quote von 50% des Nennkapi-
                     9)
tals nicht übersteigt . Dies ergibt sich einerseits aus der Bestimmung von Art.
671 Abs. 3 OR, welche die Verwendung der durch den Jahresgewinn und das
Agio zu speisenden gesetzlichen Reserve in engen Grenzen hält, und anderer-
seits aus dem Einlagerückgewährverbot von Art. 680 Abs. 2 OR, welches u.E.
                                                          10)
die Rückzahlung des Agios an die Aktionäre untersagt .

1.1.2. Problematik und Gefahren des Rückkaufs eigener Aktien
In den Aktien sind die Mitgliedschafts- und die Vermögensrechte der Aktionä-
re verbrieft. Eine Gesellschaft, welche eigene Aktien aktiviert hat, hält daher
eine Quote an ihrem eigenen Vermögen. Da die Gesellschaft zu ihrer eigenen
                 11)
Aktionärin wird , übernimmt sie ein erhöhtes Risiko: Erleidet sie Verluste, so
büssen auch die eigenen Aktien an Wert ein, wodurch bei der Gesellschaft ein
zusätzlicher Verlust eintritt. Böckli spricht in diesem Zusammenhang von ei-
                  12)
nem Hebeleffekt . Ist die Gesellschaft zur Dividendenausschüttung nicht in
                                                                             13)
der Lage, so bleiben ihre Investitionen in die eigenen Aktien ohne Erträge .
Der Rückkauf eigener Aktien kann weiter dazu führen, dass aus dem geschütz-
ten Gesellschaftsvermögen Leistungen an Aktionäre erbracht werden, mithin
                                                         14)
eine verbotene Einlagerückgewähr vorgenommen wird . Art. 680 Abs. 2 OR
verbietet einer Gesellschaft, den Aktionären ihre Einlagen zurück zu erstatten.
Dieses Rückgewährverbot umfasst nicht nur das Nominalkapital, sondern auch
                       15)
jegliche Agioeinlagen .
8)
       Zweckgebundene Reserven können indessen von der Generalversammlung durch eine Statu-
       tenänderung oder einen zweckändernden Generalversammlungsbeschluss in frei verwendba-
       res Eigenkapital transformiert werden.
9)
       Ebenso Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Zürich 1996, Rz. 924; a.M. Peter Binder,
       Das Verbot der Einlagerückgewähr im Aktienrecht, Diss. Bern 1981 sowie Ernst Giger, Der Er-
       werb eigener Aktien aus aktienrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, Diss. Bern 1995.
10)
       Begründung dieses Standpunkts und Hinweise auf abweichende Meinungen nachfolgend
       Ziff. 1.1.32.
11)
       Dazu die Botschaft des Bundesrates über die Revision des Aktienrechts vom 23. Februar
       1983, Bundesblatt 1983 II 745 ff., S. 804: «Der Erwerb eigener Aktien durch eine Gesell-
       schaft ist ein innerer Widerspruch; die Gesellschaft kann nicht ihr eigener Aktionär sein, und
       sie erwirbt damit nichts, das nicht schon ihr gehörte (...).»
12)
       Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 368.
13)
       Botschaft des Bundesrates über die Revision des Aktienrechts (Fn. 11), S. 805.
14)
       Vgl. nachfolgend Ziff. 1.1.32.
15)
       Ebenso Louis Bochud, Darlehen an Aktionäre aus wirtschaftlicher, zivil- und steuerrechtlicher
       Sicht, Diss. Bern 1991, S. 152; Dieter C. Probst, Die verdeckte Gewinnausschüttung nach
       schweizerischem Handelsrecht, Diss. Bern 1979, S. 71 und 76; a.M. Binder (Fn. 9), S. 26 ff.

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

Der Erwerb eigener Aktien birgt ausserdem die Gefahr, dass die Machtverhält-
nisse in der Generalversammlung ins Wanken geraten. Da das Stimmrecht an
                          16)
den eigenen Aktien ruht , verschieben sich auch die Verhältnisse der Stimm-
kraft zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären oder zwischen allenfalls
                               17)
bestehenden Aktionärsgruppen . Schliesslich kann ein Rückkauf eigener Ak-
tien das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot verletzen. Denn mit dem
Rückkauf befreit die Gesellschaft den Veräusserer vom Aktionärsrisiko; sie
                                          18)
gewährt ihm sinngemäss ein Austrittsrecht . Die Ungleichbehandlung der Ak-
                                                         19)
tionäre ist nur zulässig, wenn sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt er-
scheint, d.h. wenn sie im allgemeinen Interesse der Gesellschaft liegt; mithin
eine durch die Verfolgung des Gesellschaftszwecks geforderte, notwendige
                      20)
Massnahme darstellt .

1.1.3. Rechtsfolgen bei Verletzung der Schranken von Art. 659 OR
1.1.31. Überschreitung der Prozentlimiten
Die prozentualen Erwerbsobergrenzen von Art. 659 OR stellen, wie bereits un-
ter Art. 659 altOR, nach herrschender Lehre eine blosse Ordnungsvorschrift
    21)
dar . Deren Verletzung bewirkt keine Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts. Dies
ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nach dem die Nichtigkeit
infolge einer Überschreitung der Prozentlimiten nicht als angemessene und
sachgemässe Rechtsfolge bezeichnet werden könnte. So hält Giger zu Recht
fest, dass ein Verstoss gegen Art. 659 OR unter Umständen durchaus im Inter-
                                                                      22)
esse der Aktionäre, der Gläubiger oder der Gesellschaft liegen kann . Die
Rechtsfolge des Verstosses gegen die Erwerbsobergrenzen liegt gemäss Böckli
in einer «aktualisierten Handlungspflicht und Verantwortlichkeit von Verwal-
                               23)
tungsrat und Geschäftsleitung» .
16)
      Art. 659a Abs. 1 OR.
17)
      Giger (Fn. 9), S. 11. Diese Gefahr ist insbesondere nicht zu unterschätzen, wenn eine Gesell-
      schaft über ein erhebliches Partizipationskapital verfügt. Im Extremfall der Ausstattung mit
      dem höchstzulässigen Partizipationskapital kann eine Gesellschaft eigene Aktien im Umfan-
      ge von 30% (im Fall von Art. 659 Abs. 1 OR) oder von 60% (im Fall von Art. 659 Abs. 2 OR)
      des Aktienkapitals zurück kaufen (Peter Nobel, Vom Umgang mit eigenen Aktien, Schriften
      zum neuen Aktienrecht, Bd. 6, Zürich 1994, S. 25; Böckli, Aktienrecht [Fn. 9], Rz. 383).
18)
      Vgl. statt vieler Giger (Fn. 9), S. 12 und 63 ff.
19)
      Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 391 ff., Forstmoser/ Meier-Hayoz/ Nobel (Fn. 3), § 50 N 171;
      Giger (Fn. 9), S. 63 f., insb. 65; Nobel (Fn. 17), S. 39.
20)
      Differenzierend Giger (Fn. 9), S. 65 f.
21)
      Forstmoser/ Meier-Hayoz/ Nobel (Fn. 3), § 50 N 173; Giger (Fn. 9), S. 138; Nobel (Fn. 17), S.
      26; Andreas von Planta, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II,
      Basel 1994, N 11 zu Art. 659 OR.
22)
      Giger (Fn. 9), S. 135.
23)
      Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 401.

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Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

1.1.32. Erwerb zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens
Davon zu unterscheiden sind nun die Rechtsfolgen eines Erwerbs, wenn die
Gesellschaft nicht über genügend freies Eigenkapital verfügt. Nach der hier
vertretenen Ansicht ist zu differenzieren, ob die eigenen Aktien zu Lasten des
Nominalkapitals und des Agios (Fallgruppe 1) oder zu Lasten des gebundenen
Gesellschaftsvermögens (Fallgruppe 2) zurückgekauft werden. Bevor auf die
spezifischen Schwierigkeiten der beiden Fallgruppen eingegangen wird, sind
einige allgemeine Ausführungen angebracht:
• Das Vermögen einer Aktiengesellschaft ist vom Vermögen der Aktionäre
   rechtlich weitgehend abgekapselt. Entnahmen aus dem Gesellschaftsver-
   mögen zu Gunsten der Aktionäre können nur auf zwei Arten erfolgen: Ent-
   weder als Rückleistung von Kapitaleinlagen, mithin unter Beachtung der
                                                                   24)
   handelsrechtlichen Vorschriften über die Kapitalherabsetzung , oder als
                   25)
   Ausschüttungen . Jede Nettovermögensverschiebung von der Gesellschaft
                                                                            26)
   an ihre Aktionäre ist entweder Einlagerückgewähr oder Ausschüttung .
   Nun bestimmt Art. 680 Abs. 2 OR, der Aktionär habe kein Recht, den ein-
   gezahlten Betrag zurück zu fordern. Durch die Statuierung dieses Rückfor-
   derungsausschlusses will das Aktienrecht verhindern, dass die Aktionäre
   die Gesamtheit der Einlagen auf das Gesellschaftsvermögen, welches den
   Gläubigern zur Befriedigung ihrer gegen die Gesellschaft gerichteten For-
   derungen verhaftet ist, durch Entnahmen wieder vermindern.
• Entgegen dem Wortlaut von Art. 680 Abs. 2 OR erfasst das Verbot der
   Rückforderung nicht nur den eingezahlten Betrag, sondern die gesamte
   Einlageverpflichtung. Der Aktionär soll nicht nur kein Recht haben, seinen
   tatsächlich geleisteten Betrag zurück zu fordern, sondern es soll ihm auch
                                                                       27)
   verwehrt sein, sich von seiner restlichen Einlagepflicht zu befreien .
• Aus dem Liberierungsbegriff lässt sich ableiten, was unter dem Begriff der
   Einlage» im Sinne von Art. 680 OR zu verstehen ist. Der Aktienzeichner
   hat seine bedingungslose Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft erfüllt,
   wenn er der Gesellschaft Vermögenswerte übertragen hat, welche dem
   Ausgabebetrag der gezeichneten Beteiligungsrechte, d.h. dem Nennwert
   und einem allfälligen Agio, entsprechen.
• Art. 680 Abs. 2 OR richtet sich nicht nur an die Aktionäre, sondern verbietet
   es der Gesellschaft ebenfalls, den Aktionären ihre Einlagen wieder zurück

24)
      Art. 732 ff. OR.
25)
      Peter Böckli, Darlehen an Aktionäre als aktienrechtlich kritischer Vorgang, Der Schweizer
      Treuhänder 2 (1980), S. 4 ff.
26)
      Böckli, Darlehen (Fn. 25), S. 4 f.
27)
      Binder (Fn. 9), S. 25.

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

      zu erstatten (eigentliches Rückgewährverbot). Vor einer Rückgewähr ge-
      schützt ist dieselbe Vermögenssubstanz wie beim Rückforderungsaus-
      schluss, denn wollte man eine Rückerstattung von Einlagen durch die Ge-
                                                                           28)
      sellschaft zulassen, wäre der Kapitalschutz schlichtweg eine Illusion . Es
      ist demnach einer Gesellschaft verboten, den Aktionären ihre Einlagen auf
                                                          29)
      Nominalkapital und Agio wieder zurück zu erstatten . Dies gilt – entgegen
      der Ansicht von Kurer – selbst dann, wenn das Agio bereits in die gesetzli-
                                            30)
      chen Reserven eingebucht worden ist .

Auf der Grundlage dieser einleitenden Überlegungen lässt sich nun prüfen,
welche Rechtsfolgen eintreten, wenn eine Gesellschaft eigene Aktien zurück-
kauft, ohne über (genügend) «frei verwendbares Eigenkapital» zu verfügen.

Fallgruppe 1: Erwirbt eine Gesellschaft eigene Aktien, so erhält der Aktionär
mit dem Kaufpreis seine ursprünglich geleistete Einlage zurück und überdies
den auf die verkauften Beteiligungsrechte entfallenden Anteil an den Reserven
der Gesellschaft. Der Kaufpreis, den ihm die Gesellschaft entrichtet, setzt sich,
wie bei einer Liquidation der Anteil des Aktionärs am Liquidationsergebnis,
aus den beiden Komponenten «Aktionärseinlage» und «Gewinnanteil» zusam-
men. Daher führt der Rückkauf eigener Aktien immer zu einer Einlagerückge-
währ – doch ist diese, soweit die Aktionärseinlage aus frei verwendbarem Ei-
genkapital der Gesellschaft zurück erstattet wird, kraft gesetzlicher Vorschrift
zulässig. Denn Art. 659 OR statuiert nichts anderes als eine auf den Sonderfall
des Aktienrückkaufs zugeschnittene Rückgewährerlaubnis.
28)
      Vgl. Peter Kurer, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, Basel
      1994, N 19 zu Art. 680 OR.
29)
      Gl. M. Bochud (Fn. 15), S. 214, Probst (Fn. 15), S. 71 und 76.
30)
      Kurer vertritt die Ansicht, mit der Einbuchung des Agios in die gesetzlichen Reserven ge-
      mäss Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR verlasse dieses den Schutzbereich von Art. 680 Abs. 2 OR
      und sei «nur noch nach den Regeln von Art. 671 Abs. 3 gebunden; daher kann die Gesell-
      schaft indirekt Agio an die Aktionäre zurückführen, sobald die gesetzlichen Reserven die
      Hälfte des Nennkapitals übersteigen» (N 19 zu Art. 680 OR). Kurer gelangt damit zum selben
      Ergebnis wie Binder (Fn. 9), welcher in der Hauptsache argumentiert, der Gläubigerschutz
      erstrecke sich nur auf das Grundkapital (S. 30 f.). Aus folgenden Gründen vertreten wir eine
      andere Ansicht: Die Einlage über den Nennwert stellt wirtschaftlich betrachtet eine Abgel-
      tung für die anteilsmässige Beteiligung des Aktionärs an bereits bestehenden offenen und
      stillen Reserven dar; würde sie nicht geleistet, träte eine erhebliche Verwässerung des Ge-
      winnanteils der Altaktionäre ein. Im Gegensatz zu den in den Reserven der Gesellschaft the-
      saurierten Gewinnen vergangener Geschäftsjahre ist aber die Einlage Investition. Eine Inves-
      tition dient der Finanzierung der Unternehmungstätigkeit. Wer sie tätigt, erhält u.a. einen
      quotenmässigen Anteil am Ertrag des früher durch die Altaktionäre investierten Kapitals. In-
      vestiertes Kapital bleibt den Ausschüttungen entzogen, gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt
      und in welcher Höhe es der Gesellschaft zufliesst. Ausschüttbar ist – als Ertrag aus einer In-
      vestition – lediglich Bilanzgewinn (Art. 675 Abs. 2 OR).

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Ein Verstoss gegen das Einlagerückgewährverbot hat gemäss herrschender
Lehre die Nichtigkeit des betreffenden Vertrags oder Generalversammlungs-
                     31)
beschlusses zur Folge . Selbst Statutenbestimmungen, die einem Aktionär ein
                                              32)
Rückforderungsrecht einräumen, sind nichtig . Der Erwerb eigener Aktien zu
Lasten des Nominalkapitals und des Agios bewirkt daher die Nichtigkeit des
               33)
Kaufgeschäfts . Sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft
                                  34)
sind von der Nichtigkeit betroffen . Andere Standpunkte nehmen diesbezüg-
           35)
lich Böckli und Giger ein. Insbesondere die Auseinandersetzung mit der Ar-
gumentation Gigers erscheint uns notwendig zu sein, da er davon ausgeht, die
Rechtsfolge der Nichtigkeit greife nur Platz, wenn die Eigenkapitalbasis der
                                            36)
Gesellschaft unmittelbar geschwächt werde . Diese Argumentation läuft da-
rauf hinaus, dass von einer verbotenen Einlagerückgewähr, welche die Nich-
tigkeit des Kaufgeschäfts bewirkt, in aller Regel nur dann auszugehen wäre,
wenn ein Aktienerwerb zu Lasten des gebundenen Eigenkapitals zugleich eine
                                                        37)
verdeckte Gewinnausschüttung an den Aktionär darstellt . Diese enge Ausle-
gung des Einlagerückgewährverbots ist u.E. nicht zulässig. Das Einlagerück-
31)
      Binder (Fn. 9), S. 37 f., Sebastian Burckhardt, Der Erwerb eigener Aktien und Stammanteile,
      Diss. Basel 1983, S. 32 ff., Forstmoser/ Meier-Hayoz/ Nobel (Fn. 3), § 50 N 107 ff., Nobel
      (Fn. 17), S. 26.
32)
      Kurer (Fn. 28), N 16 zu Art. 680 OR.
33)
      Burckhardt (Fn. 31), S. 24; Forstmoser/ Meier-Hayoz/ Nobel (Fn. 3), § 50 N 174; Nobel (Fn.
      17), S. 26, gehen bereits von Nichtigkeit aus, wenn der Erwerb eigener Aktien nicht durch frei
      verwendbares Eigenkapital finanziert wird.
34)
      Vgl. Burckhardt (Fn. 31), S. 32.
35)
      Nach Böckli tritt die Rechtsfolge der Nichtigkeit nur dann ein, «wenn das Kaufgeschäft Ge-
      genstand einer von Wissen und Willen beider Vertragsparteien getragenen Verletzung des Ge-
      setzes ist» (Böckli, Aktienrecht [Fn. 9], Rz. 403). Dieser Meinung können wir uns nicht an-
      schliessen. Denn beim Schutz der Aktionärseinlagen sind subjektive Momente wie die Bös-
      gläubigkeit des Veräusserers oder das Verschulden der Beteiligten unbeachtlich.
36)
      Giger (Fn. 9), S. 136 ff.
37)
      Kauft nämlich eine Gesellschaft eigene Aktien zu einem offensichtlich übersetzten Preis zu-
      rück, so dass sie zu Gunsten des Aktionärs entreichert wird, und war die Missbräuchlichkeit
      der Leistung aufgrund des Leistungsmissverhältnisses erkennbar, so erhält der Aktionär eine
      auf dem Beteiligungsverhältnis gründende Leistung (Leistung causa societatis). Nach Art.
      678 Abs. 2 OR steht der Gesellschaft in solchen Fällen ein Rückerstattungsanspruch zu. Ent-
      gegen dem Wortlaut von Art. 678 Abs. 2 OR kommt es dabei nicht darauf an, ob die Leistung
      zudem in einem offensichtlichen Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft
      steht (Böckli, Aktienrecht [Fn. 9], Rz. 1428 f.; Beat Spörri, Die aktienrechtliche Rückerstat-
      tungspflicht, Diss. Zürich 1996, S. 198 ff.; Peter Locher, Die verdeckte Gewinnausschüttung
      im Aktien- und Steuerrecht, Festschrift Rolf Bär, Bern 1998, S. 255); dafür herrscht in der
      Lehre mehrheitlich die Auffassung, der Rückerstattungsanspruch bestehe – wie bei den «un-
      gerechtfertigten Leistungen» im Sinne von Art. 678 Abs. 1 OR – nur gegenüber einem bös-
      gläubigen Leistungsempfänger (Kurer [Fn. 28], N 18 zu Art. 678 OR; Rolf Watter, Verdeckte
      Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften: Die zivil- und handelsrechtliche Sicht,
      Schriftenreihe der Treuhand-Kammer, Bd. 150, Zürich 1997, S. 153).

ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002                                                                625
Michael Buchser und Thomas Jaussi

gewährverbot schützt die Aktionärseinlagen umfassend. Das zentrale Kriteri-
um im Zusammenhang mit dem Rückgewährverbot ist daher, ob das rückge-
währgeschützte Kapital den Gläubigern ausreichende Sicherheit bietet. Da
jeder Rückkauf eigener Aktien eine potentielle Verschlechterung der Gläubi-
gersicherheiten darstellt, ist im Falle des Rückkaufs zu Lasten des Aktienkapi-
tals und des Agios die Nichtigkeit des Kaufgeschäfts eine angemessene
Sanktion.

Fallgruppe 2: Auch ein Rückkauf eigener Aktien, den die Gesellschaft zwar
aus gebundenem Gesellschaftsvermögen, nicht aber aus Aktionärseinlagen fi-
nanziert, stellt eine verbotene Einlagerückgewähr dar, da der Aktionär seine
Einlage zurück erstattet erhält und der Vorgang von der begrenzten Rückge-
währerlaubnis des Art. 659 OR nicht erfasst wird. Die gesetzlichen Reserven
                                                                  38)
werden durch die Vorschrift von Art. 671 Abs. 3 OR geschützt . Der Rück-
kauf eigener Aktien zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens ver-
stösst demnach gegen Art. 659, Art. 671 Abs. 3 und Art. 680 Abs. 2 OR. Bei
Verletzung dieser Vorschriften ist Nichtigkeit als Rechtsfolge anzunehmen,
wenn sie sich aus Sinn und Zweck der übertretenen Verbotsnormen ergibt. Mit
der Vorschrift von Art. 659 OR hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht,
dass der Rückkauf eigener Aktien, welcher zentrale aktienrechtliche Prinzipien
                                   39)
wie das Gleichbehandlungsgebot oder das Kapitalrückzahlungsverbot be-
trifft, grundsätzlich problematisch ist und deshalb nicht uneingeschränkt zuge-
lassen werden darf. Art. 659 OR ist deshalb weder eine Schutznorm, die spezi-
fisch die übrigen Aktionäre vor einer Veränderung der Stimmrechtsverhältnis-
se oder vor einer Ungleichbehandlung bewahren will, noch eine Bestimmung
mit dem vordergründigen Zweck, das Gesellschaftsvermögen vor unberechtig-
ten Zugriffen durch Aktionäre zu schützen. Daher erscheint die Nichtigkeit
nicht als sachgemässe und angemessene Rechtsfolge, wenn eine Gesellschaft
eigene Aktien zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens zurück-
kauft. Auch die Verletzung von Art. 680 Abs. 2 OR lässt in einem solchen Falle
das Erwerbsgeschäft nicht als nichtig erscheinen, denn trotz der Einlagerück-
gewähr wird bei einem Rückkauf, der dieser Fallgruppe zuzuordnen ist, nicht
das von Art. 680 Abs. 2 OR spezifisch geschützte Kapital angetastet. Zu prüfen
bleibt schliesslich, ob die Verletzung von Art. 671 Abs. 3 OR zur Nichtigkeit
des Erwerbsgeschäfts führt. Die Reservebildungs- und Reserveverwendungs-
vorschriften von Art. 671 Abs. 1-3 OR wollen sicherstellen, dass die Gesell-
schaft in ertragreichen Geschäftsjahren Eigenkapital zurücklegt, welches dem

38)
      Kurer (Fn. 28), N 20 zu Art. 680 OR.
39)
      Vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen bei Giger (Fn. 9), S.63 ff.

626                                                             ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002
Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

Unternehmen in Zeiten schlechten Geschäftsganges zur Verfügung stehen soll.
Sie verhindern die Verfolgung einer allzu kurzfristig orientierten Ausschüt-
tungspolitik und dienen damit in erster Linie der Gesellschaft selbst. Werden
Bestimmungen verletzt, die der Fortdauer der Gesellschaft dienen, ist die
Rechtsfolge mit Blick auf die Auswirkungen des einschlägigen Rechtsge-
schäfts (in unserem Fall der Aktienrückkauf) für die Gesellschaft zu beurteilen.
Die Nichtigkeit als Rechtsfolge ist angemessen, wenn die Gefahren gegenüber
den aus der Sicht der Gesellschaft bestehenden Interessen am Aktienrückkauf
überwiegen. Rücken dagegen die Gesellschaftsinteressen die Verletzung von
Art. 671 Abs. 3 OR in den Hintergrund oder ist der Aktienrückkauf sogar als
Notwendigkeit zu betrachten, kann die Nichtigkeit keine sachgerechte Rechts-
folge sein. Beim Erwerb der eigenen Aktien zu Lasten des gebundenen Vermö-
gens ist daher vorerst abzuklären, welchen Gefahren das Gesellschaftskapital
                40)
ausgesetzt wird . Sodann ist zu prüfen, welche Interessen den Aktienrückkauf
als geboten erscheinen liessen: Beispielsweise diente der Rückkauf dazu, eine
unfreundliche Übernahme abzuwehren oder sich von einem missliebigen Ak-
                  41)
tionär zu trennen . Welche Rechtsfolge aus der Verletzung von Art. 671 Abs. 3
OR resultiert, geht erst aus dieser Abwägung hervor. Daher muss eine minima-
                                                        42)
le Rechtsunsicherheit leider in Kauf genommen werden .

1.2. Der Erwerb teilliberierter eigener Aktien
1.2.1. Im Grundsatz: Zulässigkeit
Dem derivativen Erwerb teilliberierter eigener Aktien steht grundsätzlich
                43)
nichts entgegen . Die Gesellschaft kann beim Rückkauf die Restforderung an
den Aktionär, das non-versé, mit dem Kaufpreis verrechnen, oder aber die teil-
liberierten Aktien zum tatsächlichen Wert (Verkehrswert) vollständig liberier-
ter Aktien zurück kaufen – womit die Liberierungsverpflichtung auf sie
übergeht.

40)
      Diese sind relativ gering, wenn es sich um rege an der Börse gehandelte Aktien handelt, oder
      wenn der Gesellschaft bereits zum Rückkaufszeitpunkt ein oder mehrere spätere Käufer be-
      kannt sind. Grösser sind sie in der Regel, wenn die Gesellschaft nicht börsenkotiert ist, einen
      sehr engen Aktionärskreis aufweist, oder wenn sie seit längerer Zeit Verluste schreibt.
41)
      Beispiele bei Giger (Fn. 9), S. 135.
42)
      Die Lösung Böcklis (vgl. Fn. 35) hat dem gegenüber den Vorteil, dass sie der Rechtssicherheit
      eher dient: Aufgrund des Kriteriums des «Komplotts» der Vertragsparteien gegen die Schutz-
      norm lässt sich die Rechtsfolge genauer abschätzen.
43)
      Burckhardt (Fn. 31), S. 30; Giger (Fn. 9), S. 122; Oertli (Fn. 6), S. 263.

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

1.2.11. Rückkauf unter Verrechnungserklärung
Die Voraussetzungen zur Verrechnung gemäss Art. 120 OR sind in der Regel
erfüllt. Die Fälligkeit der Verrechnungsforderung wird durch eine entspre-
chende Erklärung gegenüber dem Aktionär aufgrund eines Verwaltungsratsbe-
                        44)
schlusses herbeigeführt . Dieser Vorgang kommt einer nachträglichen Libe-
                                   45)
rierung durch Verrechnung gleich , weshalb der Verwaltungsrat einen Re-
chenschaftsbericht über den Bestand und die Verrechenbarkeit der Schuld zu
                                                          46)
verfassen hat, der von einem Revisor geprüft werden muss . Beim Rückkauf
eigener Aktien mit Verrechnungserklärung erlischt die Einlageverpflichtung
des Aktionärs, und dieser wird aus dem Aktienbuch gestrichen. Die Gesell-
schaft muss über frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des noch zu be-
                                                        47)
zahlenden Kaufpreises zuzüglich des non-versés verfügen .

1.2.12. Rückkauf zum tatsächlichen Wert
Beim Rückkauf eigener Aktien erlischt die mit der Aktie verbundene Mitglied-
schaft nicht. Auch die Liberierungspflicht besteht fort; sie geht auf die Gesell-
schaft über. Der Verkäufer der Aktien, der seine Aktionärsstellung im Umfang
der verkauften Beteiligungsrechte einbüsst, wird folgerichtig von seiner Einla-
                 48)
gepflicht befreit . Mit dem Erwerb eigener Aktien konzentrieren sich die
44)
      Art. 634a OR.
45)
      Vgl. Art. 634a Abs. 2 OR.
46)
      Art. 635 und 635a OR.
47)
      Dazu folgendes Beispiel: Eine Gesellschaft kauft Aktien mit einem Verkehrswert von
      Fr. 50’000.– und einem Nominalwert von Fr. 10’000.– zurück; dies bei einem non-versé von
      Fr. 6’000.–. Buchungen: Eigene Aktien/flüssige Mittel 50’000.–, flüssige Mittel/non-versé
      6’000.–, allg. Reserve/Spezialreserve 50’000.–. Mittels frei verwendbaren Eigenkapitals von
      Fr. 50’000 wird der Kauf der eigenen Aktien finanziert. Der gesamte Kaufpreis beträgt
      Fr. 50’000.–; ein Teil davon wird mit der Liberierungsforderung an den Aktionär verrechnet.
      Gl. M. in Bezug auf die Höhe des frei verwendbaren Eigenkapitals ist Oertli (Fn. 6), S. 263.
      Allerdings scheint er den Vorgang buchhalterisch anders abwickeln zu wollen: «Als Folge
      des Kaufs wird das freie Eigenkapital durch Abschreibung im Betrag der weggefallenen akti-
      vierten Rest-Einzahlungsforderung vermindert. Vom verbleibenden freien Eigenkapital wird
      ein dem bezahlten Kaufpreis entsprechender Teil in die Spezialreserve umgewandelt» (S.
      263, Hervorhebungen nur hier). Dies bedeutet: Eigene Aktien/flüssige Mittel 44’000.–, allg.
      Reserve/non-versé 6’000.–, allg. Reserve/Spezialreserve 44’000.–. Auch bei dieser Verbu-
      chungsvariante ist frei verwendbares Eigenkapital von Fr. 50’000.– vorhanden. Da Fr.
      6’000.– der «Abschreibung» des non-versés dienen, beträgt die Spezialreserve jedoch nur Fr.
      44’000.–. Das ist problematisch. Die Spezialreserve soll nach dem gesetzgeberischen Kon-
      zept verhindern, dass in der Höhe der erfolgten Mittelverwendung später Ausschüttungen ge-
      tätigt werden (vgl. auch Böckli, Aktienrecht [Fn. 9], Rz. 932). Die Gesellschaft verwendet
      Mittel von Fr. 50’000, da sie Barmittel von Fr. 44’000.– und den Anspruch auf die
      Rest-Einzahlung von Fr. 6’000.– verliert.
48)
      Burckhardt (Fn. 31), S. 32, Giger (Fn. 9), S. 123.

628                                                             ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002
Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

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Schuldner- und Gläubigereigenschaften in der Person der Gesellschaft . Diese
Vereinigung (Konfusion) bewirkt, dass die mit den Aktien verbundene Liberie-
                      50)                   51)
rungspflicht untergeht , und zwar endgültig . Die Gesellschaft erfüllt folglich
die Nachleistungspflicht des Aktionärs unter Verwendung von Eigenkapital.
                                                         52)
Das non-versé wird zu Lasten der Reserven ausgebucht . Damit die Gesell-
schaft dem Aktionär einen Kaufpreis in der Höhe des tatsächlichen Aktien-
werts entrichten kann, muss sie über ungebundenes Vermögen in der Höhe des
Aktienwerts zuzüglich des non-versés verfügen.
    Davon abzugrenzen sind jene Fälle, in denen die Generalversammlung vor
der Abwicklung des Kaufgeschäfts eine konstitutive Kapitalherabsetzung be-
schliesst. Von Bedeutung beim Rückauf teilliberierter Aktien ist, dass die Gene-
                                                                              53)
ralversammlung sowohl im Grundsatz- wie auch im Durchführungsbeschluss
bestimmt, dass die vom Rückkauf betroffenen Aktionäre im Zuge der Kapitalhe-
rabsetzung von ihrer Einlagepflicht befreit werden. Der Nennwert der Aktien,
welche die Gesellschaft zurückzukaufen beabsichtigt, ist in der Höhe des
non-versés zu reduzieren. Der Durchführungsbeschluss ändert die Statuten. Der
Eintrag im Handelsregister bewirkt schliesslich die Kapitalherabsetzung; mit
diesem Eintrag werden die Aktionäre von ihrer Einlageverpflichtung befreit. Da
die konstitutive Wirkung vor dem Rückkauf der eigenen Aktien eintritt, kauft die
Gesellschaft zwar nennwertreduzierte, jedoch volliberierte eigene Aktien zu-
rück: Es kommt nicht zur Konfusion. Die Gesellschaft darf die eigenen Aktien
nur zurück kaufen, wenn sie hierfür über frei verwendbares Eigenkapital in der
Höhe des tatsächlichen Werts (des Kaufpreises) der Aktien verfügt.

1.2.2. Zu beachten: Einlagerückgewährverbot
1.2.21. Beim Rückkauf unter Verrechnungserklärung
Beim Rückkauf unter Verrechnungserklärung ist gedanklich von der Abfolge
auszugehen, dass:
a) der Aktionär einerseits der Gesellschaft flüssige Mittel in der Höhe des
   non-versés zufliessen lässt;
49)
      Giger (Fn. 9), S. 123.
50)
      Im Sinne von Art. 118 OR.
51)
      Vgl. Giger (Fn. 9), S. 123. A.M. Alfred Siegwart, Die Aktiengesellschaft, Zürcher Kommen-
      tar, V/ 5a: Allgemeine Bestimmungen (Art. 620-659), N 14 zu Art. 659 OR.
52)
      Ausgehend vom Beispiel in Fn. 47 wären folgende Buchungen vorzunehmen: Eigene Aktien/
      flüssige Mittel 50’000.–, allg. Reserve/ non-versé 6’000.–, allg. Reserve/ Spezialreserve
      50’000.–.
53)
      Zu den Begriffen sowie zum zeitlichen Verfahrensablauf Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz.
      297e ff. sowie 297t ff.

ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002                                                           629
Michael Buchser und Thomas Jaussi

b) die Gesellschaft andererseits dem Aktionär seine gesamte Einlage zurück
   erstattet und ihm zudem den auf die Beteiligungsrechte entfallenden Anteil
                                                54)
   an den Reserven der Gesellschaft ausschüttet .
Der Rückkauf unter Verrechnungserklärung führt daher faktisch, wie der
Rückkauf volliberierter eigener Aktien, zu einer vollständigen Rückzahlung
der Einlage an den Aktionär. Erwirbt die Gesellschaft die eigenen Aktien in
Missachtung von Art. 659 OR zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermö-
gens, treten daher die vorne ausgeführten Rechtsfolgen ein.

1.2.22. Beim Rückkauf zum tatsächlichen Wert
Indem die Gesellschaft den Aktionär faktisch von seiner Kapitaleinlageschuld
                                                                        55)
befreit, erbringt sie ihm eine Rückgewähr in der Höhe des non-versés ; die be-
reits auf die Aktien geleisteten Einlagen erstattet sie ihm durch die Kaufpreis-
zahlung zurück. Die vollständige Rückgewähr der Aktionärseinlage führt da-
her bei der Gesellschaft nur zu einem Abfluss flüssiger Mittel in der Höhe be-
reits geleisteter Aktionärseinlagen. In der Differenz zwischen Kaufpreis und
den zurück gezahlten Aktionärseinlagen ist der Kapitalfluss als Gewinnaus-
schüttung zu qualifizieren. Da der Aktionär den tatsächlichen Wert seiner Ak-
tien vergütet erhält, obwohl es sich um teilliberierte Aktien handelt, fliesst ihm
– entsprechend dem non-versé – mehr zu, als ihm aufgrund seiner Beteili-
gungsquote zustehen würde. Der Rückkauf teilliberierter eigener Aktien zum
tatsächlichen Wert stellt daher in aller Regel auch eine verdeckte Gewinnaus-
                                                                 56)
schüttung an den Aktionär im Sinne von Art. 678 Abs. 2 OR dar . In Bezug auf
die Rechtsfolgen eines solchen Aktienrückkaufs ist daher zu differenzieren:

54)
      Vgl. vorne Ziff. 1.1.32.
55)
      Vgl. Buchungsbeispiel in Fn. 52.
56)
      Beispiel: Die in Fn. 47 genannte Gesellschaft bezahlt dem Aktionär einen Preis von Fr.
      50’000.–. Die faktische Befreiung des Aktionärs von seiner Kapitaleinlageschuld (Fr. 6’000.–)
      ist eine teilweise Einlagerückgewähr. Im Kaufpreis ist die Rückgewähr der restlichen Aktio-
      närseinlagen von Fr. 4’000.– enthalten. In der Höhe von Fr. 46’000.– stellt die Kaufpreiszah-
      lung eine Gewinnausschüttung an den Aktionär dar. Der auf die zurück gekauften Aktien ent-
      fallende Anteil an den Reserven der Gesellschaft beträgt jedoch nur Fr. 40’000.–. Bei einem
      Verkauf an einen Dritten hätte der Aktionär keinen Preis in der Höhe des tatsächlichen Werts
      vollständig liberierter Aktien erzielt, sondern einen um das non-versé verminderten Preis. Ste-
      hen die Austauschleistungen des Aktienrückkaufs in einem offensichtlichen Missverhältnis, so
      liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Das offensichtliche Leistungsmissverhältnis ist
      beim Rückkauf teilliberierter eigener Aktien zum tatsächlichen Wert vollständig liberierter Ak-
      tien zu bejahen. Ausführlich zu den Tatbestandsmerkmalen der verdeckten Gewinnausschüt-
      tung im Handelsrecht Reto Heuberger, Die verdeckte Gewinnausschüttung aus Sicht des Ak-
      tienrechts und des Gewinnsteuerrechts, Diss. Bern 2001, § 8.

630                                                               ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002
Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

• Wird der Kaufpreis zu Lasten des Nominalkapitals und des Agios entrich-
  tet, ist – analog den Ausführungen zum Erwerb vollständig liberierter Ak-
  tien – die Nichtigkeit des Kaufgeschäfts die Folge. Erfolgt hingegen die
  Kaufpreiszahlung nur zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens,
  ergibt sich die Rechtsfolge aus der Abwägung der für den Rückkauf spre-
  chenden Gesellschaftsinteressen und der Gefahren des Rückkaufs.
                                                                         57)
• Im Umfang der verdeckten Gewinnausschüttung ist der Vertrag nichtig .
  In der Höhe des non-versés steht der Gesellschaft gegenüber dem veräus-
  sernden Aktionär von Gesetzes wegen ein Rückerstattungsanspruch zu. Die
  Nichtigkeit bleibt nicht auf den Umfang der verdeckten Gewinnausschüt-
  tung beschränkt, wenn anzunehmen ist, der Aktienrückkauf wäre ohne die
                                                58)
  Leistungsdisparität nicht abgeschlossen worden .

1.3. Eigene Aktien in den Büchern der Gesellschaft
1.3.1. Aktivierungspflicht
                                                                                                    59)
Die eigenen Aktien erscheinen in der Bilanz der Gesellschaft als Aktivum .
Sie sind selbständig erfassbar, bewertbar und – solange die Gesellschaft nicht
57)
      In der Lehre ist umstritten, ob verdeckte Gewinnausschüttungen bei Eingriffen in frei verwend-
      bares Eigenkapital nichtig sind. Gegen die Nichtigkeit sind beispielsweise Oliver Bartholet,
      Transferpreisberichtigung und ihre Sekundäraspekte im Schweizerischen Steuerrecht, Diss.
      Basel 1995, S. 23; Tobias A. Braun, Behördliche Korrektur von Verrechnungspreisen bei multi-
      nationalen Unternehmen, Diss. St. Gallen 1994, S. 30 f.;Watter (Fn. 37), S. 154 f. Für die Nich-
      tigkeit als Rechtsfolge sind Bochud (Fn. 15), S. 135; Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 1423; Ku-
      rer (Fn. 28), N 26 zu Art. 678 OR; Spörri (Fn. 37), S. 239 ff. Nach der hier vertretenen Ansicht
      beruht eine Gewinnausschüttung einer Aktiengesellschaft nur auf einem gültigen Rechtsgrund
      (gültige causa societatis), wenn die aktienrechtliche Kompetenzordnung eingehalten und der
      Gewinnausschüttungsbeschluss in Kenntnis der Ertragslage und im Vertrauen auf ein revidier-
      tes Rechnungswerk getroffen wird. Dass zudem die Reservebildungs- und Kapitalschutzbe-
      stimmungen eingehalten werden müssen, versteht sich. Sind die genannten Voraussetzungen
      nicht erfüllt, ist das der Vermögensverschiebung zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig
      (vgl. auch Böckli, Aktienrecht [Fn. 9], Rz. 1423, der darauf hinweist, dass die in der Praxis vor-
      kommenden ungerechtfertigten Gewinnentnahmen «wegen klaren Verstosses gegen die Aus-
      schüttungsvorschriften meist aktienrechtlich von der Nichtigkeit betroffen» seien).
58)
      Vgl. zur Teilnichtigkeit der verdeckten Gewinnausschüttung Spörri (Fn. 37), S. 244.
59)
      Max Boemle/Hanspeter Frank, Die eigenen Aktien in der schweizerischen Rechnungsle-
      gungspraxis, ST 10/2001, S. 941. Gemäss Boemle und Frank dominiert dagegen in den an-
      gloamerikanischen Rechnungslegungsnormen die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise:
      Der Rückkauf eigener Aktien ist eine Kapitalrückzahlung und bedeutet eine Ausschüttung an
      die verkaufenden Aktionäre, welche auch als solche in der Rechnungslegung durch eine ent-
      sprechende Verminderung des Eigenkapitals zu erfassen ist. Die eigenen Aktien werden als
      Abzugsposition zum Eigenkapital behandelt mit der Folge, dass das Eigenkapital in der Bi-
                                                                          (Fortsetzung auf Seite 632)

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

                                                                                  60)
liquidiert wird – verwertbar und daher abstrakt aktivierungsfähig . Die eige-
nen Aktien stellen selbständige Vermögenswerte dar. Da in Bezug auf die eige-
nen Aktien kein gesetzliches Aktivierungswahlrecht gegeben ist, ist von einer
Aktivierungspflicht auszugehen. Nach der überzeugenden Argumentation von
                                                       61)          62)
Giger sind die eigenen Aktien dem Umlaufvermögen zuzuweisen . Inner-
halb der Sammelposition des «übrigen Umlaufvermögens» sind die eigenen
Aktien als Wertschriften gemäss Art. 667 OR zu bilanzieren und entsprechend
              63)
zu bewerten . Eigene Aktien mit Kurswert dürfen daher höchstens zum
Durchschnittskurs des letzten Monats vor dem Bilanzstichtag bewertet wer-
    64)
den ; d.h. eine Aufwertung über den Anschaffungspreis ist zulässig. Diese
Durchbrechung des Realisationsprinzips führt dazu, dass die Unternehmung
nicht realisierte Gewinne ausweist. Eigene Aktien ohne Kurswert sind dagegen
                                                         65)
höchstens zu den Anschaffungskosten zu bilanzieren . Fällt der Wert der
eigenen Aktien unter den Buchwert, sind Wertberichtigungen zwingend
vorzunehmen.

(Fortsetzung von Seite 631)
    lanz mit der allein aussagekräftigen Nettogrösse ausgewiesen wird. Beim Kauf von eigenen
    Aktien handelt es sich nämlich finanzwirtschaftlich gesehen um eine Verminderung, beim
    Verkauf um eine Erhöhung des Eigenkapitals zum jeweiligen Transaktionspreis (Boem-
    le/Frank, S. 942 f.). Böckli hält dieser Ansicht entgegen, dass der im Schweizer Recht vorge-
    sehene Bruttoausweis der eigenen Aktien der direkten Verrechnung mit dem Aktienkapital
    überlegen ist, weil durch diese Methode die Transparenz verbessert und eine schlichte Herab-
    setzung der Sperrzahl durch Kaufakt des Verwaltungsrates verhindert wird (Böckli, Aktien-
    recht [Fn. 9], Rz. 386a).
60)
    Klaus Dellmann, Bilanzierung nach neuem Aktienrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1996, S. 45 ff.
61)
    Giger (Fn. 9), S. 74.
62)
    In der Literatur dagegen werden unterschiedlichste Meinungen vertreten: Neben der Aktivie-
    rung im Umlaufvermögen sollen eigene Aktien als eigene Position verbucht werden, weil sie
    weder Umlauf- noch Anlagevermögen darstellen; sie gehören gemäss dieser Ansicht ins
    «Niemandsland» (vgl. Boemle/Frank [Fn. 59], S. 941). Von Ah spricht sich ausdrücklich da-
    für aus, dass eigene Aktien als Finanzanlagen und somit im Anlagevermögen einzubuchen
    sind (Julia von Ah, Die Kapitalherabsetzung von Publikumsgesellschaften; Schriften zum
    Steuerrecht, Bd. 10, Zürich 2001, S. 107 ff.). Boemle und Frank führen gestützt auf die be-
    triebswirtschaftliche Zwecksetzung an, dass sich eine differenzierte Sicht aufdrängt: Die Ver-
    buchung hängt davon ob, ob das zurückkaufende und somit bilanzierende Unternehmen mit
    den zurückgekauften Aktien eine baldige Veräusserung oder Anlagenzwecke verfolgt. Die
    Einreihung der eigenen Aktien ist demgemäss abhängig von der betriebswirtschaftlichen
    Zwecksetzung (Boemle/Frank [Fn. 59], S. 941 f.).
63)
    Giger, (Fn. 9) S. 74; vgl. auch Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung 1998, Bd. 1,
    S. 195 f.
64)
    Art. 667 Abs. 1 OR.
65)
    Art. 667 Abs. 2 OR.

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Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

1.3.2. Die Reserve für eigene Aktien
Die zurück kaufende Gesellschaft ist zur Bildung einer Spezialreserve in der
Höhe des Anschaffungswerts der eigenen Aktien verpflichtet. In dieser Höhe hat
die Reserve Bestand, bis die Gesellschaft die eigenen Aktien verkauft oder durch
                                   66)
Kapitalherabsetzung vernichtet hat . Der Reserve kommt nicht die Funktion ei-
ner passiven Ausgleichsposition zu. Sie wirkt als Ausschüttungs-Sperrzahl und
soll verhindern, dass in der Höhe des Anschaffungswerts der eigenen Aktien
Ausschüttungen an die Aktionäre getätigt werden, solange die Gesellschaft die
eigenen Aktien in ihrem Vermögen hält. Diese Funktion vermag die Reserve nur
zu erfüllen, sofern ihr Umfang bis zur Veräusserung oder Vernichtung der eige-
nen Aktien nicht verändert wird. Aus diesem Grund darf sie selbst dann nicht he-
rabgesetzt werden, wenn auf den eigenen Aktien infolge eines Wertverlusts
Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen.

1.4. Der indirekte Erwerb eigener Aktien
1.4.1. Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft
Der Erwerb eigener Aktien unterliegt denselben aktienrechtlichen Einschrän-
kungen, wenn er von einer Untergesellschaft getätigt wird, an der die Gesell-
                                                                              67)
schaft, deren Aktien erworben werden, eine Mehrheitsbeteiligung hält .
«Mehrheitliche Beteiligung» im Sinne von Art. 659b OR ist als Stimmenmehr-
heit zu verstehen, denn nur eine solche erlaubt es der Obergesellschaft, die von
ihr beherrschte Untergesellschaft als Instrument zum Aktienerwerb einzuset-
    68)
zen . Eine Mehrheitsbeteiligung kommt nicht nur über direkte Beteiligungen
zustande, sondern auch, wenn die Obergesellschaft in der Untergesellschaft,
welche die Aktien erwirbt, über zwischengeschaltete Gesellschaften die Stim-
menmehrheit hält. Fälle, in denen eine «Enkelgesellschaft» Aktien ihrer
                                                                   69)
«Grossmutter» erwirbt, werden ebenfalls von Art. 659b OR erfasst – dies im-
66)
      Dies wurde von Giger (Fn. 9) überzeugend nachgewiesen – vgl. S. 94, Fn. 291; gl.M. Markus
      Neuhaus, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, Basel 1994, N
      11 zu Art. 671a OR; ebenso das Handbuch der Wirtschaftsprüfung (Fn. 63), Bd. 1, S. 196. Die
      abweichende Ansicht von Oertli (Fn. 6), S. 268 f., wonach die Bestimmungsgrösse für die
      Spezialreserve der jeweilige Aktivenwert der eigenen Aktien sei, verdient keine Zustim-
      mung. Eine auf den Buchwert der Aktien beschränkte Spezialreserve erfüllt die Funktion,
      welche die Spezialreserve erfüllen sollte, nicht in jedem Fall.
67)
      Art. 659b OR.
68)
      Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 412; von Planta (Fn. 21), N 3 zu Art. 659b OR; a.M. Giger
      (Fn. 9), S. 115, welcher auch eine Mehrheit am Grundkapital der Untergesellschaft gelten
      lassen will.
69)
      So auch Böckli, Aktienrecht (Fn. 9), Rz. 414a f.; Nobel (Fn. 17), S. 28; von Planta (Fn. 21), N
      4 zu Art. 659b OR; a.M. Oertli (Fn. 6), S. 265, nach dessen Ansicht Art. 659b OR «nur im
      Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften» Anwendung findet.

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Michael Buchser und Thomas Jaussi

mer unter der Voraussetzung, dass auf jeder Stufe die Obergesellschaft jeweils
zumindest 51% der Stimmen in der Untergesellschaft hält. Ausschlaggebend
dafür, ob eine Mehrheitsbeteiligung an der Untergesellschaft besteht, kann
                                           70)
nicht sein, mit welcher errechneten Quote die Gesellschaft, deren Aktien zu-
rückgekauft werden, an der die Aktien zurück kaufenden Gesellschaft schliess-
lich noch beteiligt ist, sondern vielmehr, ob die Mehrheitsverhältnisse in der
Kette es erlauben, dass die unterste Gesellschaft als Instrument zum Aktien-
                                   71)
rückkauf eingesetzt werden kann . Eine andere Interpretation von Art. 659b
OR würde dem Normzweck, Umgehungen zu verhindern, zuwiderlaufen.

1.4.2. Reserve für eigene Aktien
Obwohl die Untergesellschaft die eigenen Aktien erwirbt, ist die Spezialreser-
ve bei der Obergesellschaft zu bilden. Die potentielle Gefährdung aus dem Ak-
tienrückkauf betrifft in erster Linie die Gläubiger der Obergesellschaft; zu ih-
rem Schutz ist deshalb sicherzustellen, dass die Gesellschaft in der Höhe des
Rückkaufswerts keine Ausschüttungen vornimmt, solange die Untergesell-
                                           72)
schaft die Aktien aktiviert hat. Die oben in Bezug auf die Spezialreserve an-
gestellten Überlegungen gelten auch hier. Zusätzlich ist zu beachten, dass die
Höhe der Spezialreserve von der Quote abhängt, mit der die Obergesellschaft
an der Untergesellschaft beteiligt ist. Selbstverständlich ist in diesem Zusam-
menhang auf die kapitalmässige Beteiligung abzustellen. Die Beteiligungs-
quote gibt Aufschluss darüber, in welcher Höhe der indirekte Aktienrückkauf
                                                           73)
als Mittelverwendung der Obergesellschaft zu gelten hat .
    Kaufen mehrere Untergesellschaften, an denen die Obergesellschaft im
Sinne von Art. 659b OR mehrheitlich beteiligt ist, Aktien der Obergesell-
schaft zurück, so bestimmt sich die Höhe der Spezialreserve nach der Höhe

70)
      Diese Quote ergibt sich aus der Multiplikation der Stimmrechtsquoten der in der Beteiligten-
      kette stehenden Gesellschaften (vgl. nachfolgend Fn. 71).
71)
      Die Möglichkeit der Einflussnahme ist beispielsweise gegeben, wenn die Alpha AG zu 75%
      an der Beta AG, die Beta AG zu 75% an der Gamma AG, und die Gamma AG zu 75% an der
      Delta AG beteiligt ist. Kauft nun die Delta AG Aktien der Alpha AG zurück, so untersteht der
      Rückkauf ebenfalls der aktienrechtlichen Beschränkung, obwohl die Alpha AG an der Delta
      AG nur noch mit einer errechneten Quote von 42,2% beteiligt ist (1 • 0,753).
72)
      Ziff. 1.3.2.
73)
      Beispiel: Die Alpha AG ist zu 75% am Nominalkapital der Beta AG beteiligt, welche zu ei-
      nem Preis von Fr. 50’000.– Alpha-Aktien im Nominalwert von Fr. 10’000.– erwirbt. Der Er-
      werb ist zu 75% als Mittelverwendung der Alpha-AG und zu 25% als Mittelverwendung der
      übrigen Beta-Aktionäre zu betrachten. Die Spezialreserve muss im Umfang von Fr. 37’500.–
      gebildet werden.

634                                                             ASA/Archives 70 · Nr. 10 · 2002
Zivil- und steuerrechtliche Probleme beim direkten und indirekten Rückkauf eigener Aktien

der jeweiligen Anschaffungswerte multipliziert mit den einschlägigen Betei-
              74)
ligungsquoten .

1.4.3. Schranken von Art. 659 OR

1.4.31. Prozentlimiten
Unter die Höchstlimiten von Art. 659 OR fällt im Sinne einer Gesamtbe-
trachtung der ganze Verbund von beteiligungsmässig miteinander verkop-
pelten Gesellschaften, soweit Mehrheitsbeteiligungen gemäss Art. 659b OR
vorliegen. Die gesamthaft von sämtlichen Untergesellschaften und der Ober-
                                                                         75)
gesellschaft gehaltenen Aktien der Obergesellschaft dürfen daher 10% ,
           76)                                                           77)
resp. 20% des Nominalkapitals der Obergesellschaft nicht übersteigen .
Art. 659b OR i. V. m. Art. 659 OR darf nicht dahingehend verstanden wer-
den, dass jede Untergesellschaft berechtigt wäre, bis zur Erwerbsobergenze
Aktien der Obergesellschaft zurück zu kaufen. Die genannten Bestimmungen
verhindern somit auch, dass eine Obergesellschaft zu einem wesentlichen Teil
von ihren Untergesellschaften gehalten wird. Bei der Untersuchung, wievie-
le eigene Aktien im Unternehmensverbund gehalten werden dürfen, vertreten
wir die Auffassung, die Beteiligungsverhältnisse seien zu berücksichtigen.
                                                     78)
Von den Gefahren, denen Art. 659 OR entgegen tritt , fällt in Bezug auf die
Fortdauer und das Gedeihen der Unternehmung vor allem der Rückkoppe-
             79)
lungseffekt ins Gewicht. Da die Stärke des Rückkoppelungseffekts von den
                                       80)
Beteiligungsverhältnissen abhängig ist , rechtfertigt es sich, die Erwerbs-
obergrenzen nicht als absolute Werte zu verstehen, sondern sie im Einzelfall
                                                         81)
unter Einbezug der Beteiligungsverhältnisse zu ermitteln . Der Nachteil die-
74)
      Beispiel: Die Alpha AG ist zu 60% an der Beta AG und zu 51% an der Gamma AG beteiligt.
      Die Gamma AG hält eine Beteiligung von 55% an der Delta AG. Zur Vereinfachung wird un-
      terstellt, die kapitalmässige Beteiligung entspreche den Stimmrechtsanteilen. Die Beta AG
      erwirbt für Fr. 60’000.–, die Delta AG für Fr. 50’000 Alpha-Aktien. Die bei der Alpha AG zu
      bildende Spezialreserve umfasst Fr. 50’025.– (60’000.– • 0,6 + 50’000.– • 0,55 • 0,51).
75)
      Art. 659 Abs. 1 OR.
76)
      Art. 659 Abs. 2 OR.
77)
      Ebenso Giger (Fn. 9), S. 117.
78)
      Vgl. auch vorne Ziff. 1.1.32.
79)
      Von Böckli als «Hebeleffekt» bezeichnet; vgl. vorne Fn. 12.
80)
      Vgl. Oertli (Fn. 6), S. 265 Fn. 32.
81)
      Davon ausgehend, dass eine schlechte Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft, die zu
      einem Wertzerfall der eigenen Aktien führt, voll auf die Gesellschaft zurückschlägt, wenn die
      eigenen Aktien von einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft gehalten werden («Rück-
      koppelungsfaktor» von 1), untersuchen wir die Intensität der Rückkoppelung für das vorne in
                                                                        (Fortsetzung auf Seite 636)

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