Zukunft der Beratung Ein Vergleich der Honorar- und Provisionsberatung aus Sicht der Retail-Kunden Whitepaper - Deutsche Kreditwirtschaft
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Zukunft der Beratung Ein Vergleich der Honorar- und Provisionsberatung aus Sicht der Retail-Kunden Whitepaper November 2021
Executive Summary Die vorliegende Studie betrachtet die Auswirkungen Hinzu kommt, dass die meisten Retail-Kunden grund- eines Zuwendungsverbots für den deutschen Markt. sätzlich nicht bereit sind, für eine Beratung zu bezahlen. Sie wurde im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft Aus einer für diese Studie durchgeführten Investoren- (DK), des deutschen Fondsverbands (BVI) und des befragung ergibt sich, dass sich nur knapp 16 % der Deutschen Derivate Verbands (DDV) von KPMG erstellt. Befragten vorstellen können, für die Beratung über- Untersucht werden die Belange der Anleger mit kleinen haupt ein gesondertes Honorar zu bezahlen. Dabei und mittleren Vermögen (nachfolgend: Retail-Kunden). haben die Befragten im Schnitt lediglich 34,80 € als Diese Kundengruppe benötigt aufgrund ihrer mangeln- angemessenen Stundensatz angegeben. Das durch- den Erfahrung und teilweise auch ihrer mangelnden schnittliche Stundenhonorar von derzeit 180 € wären finanziellen Bildung im Besonderen eine fachkundige nur 0,3 % der Befragten bereit zu zahlen. Die überwie- Unterstützung bei der Verwaltung ihres Vermögens. gende Mehrheit (74 %) ist hingegen gar nicht bereit, für Häufig müssen diese Anleger überhaupt erst von der eine Beratung ein Honorar zu bezahlen. Damit bliebe Notwendigkeit eines Vermögensaufbaus überzeugt und einer erheblichen Anzahl von Retail-Kunden im Falle an den Kapitalmarkt herangeführt werden. eines Verbots der provisionsbasierten Beratung nur der Ausweg, keine oder weniger Beratung in Anspruch zu Aufgrund dauerhaft niedriger Zinsen und des demogra- nehmen. Da die Beratung bei der Geldanlage für die fischen Wandels ist die Investition in Wertpapiere mitt- überwiegende Zahl der befragten Anleger (80 %) lerweile für jeden Bürger ein unerlässlicher Baustein für jedoch essenziell ist, würde ein Verbot der Provisions- die Vermögensbildung und die private Altersvorsorge. beratung aller Voraussicht nach dazu führen, dass diese Dies hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt Anleger sich – entgegen dem erklärten Ziel des europä- und die Stärkung der privaten Vermögensanlage als ischen Gesetzgebers – von den Finanzmärkten abwen- eines der wichtigsten Ziele bei der Schaffung einer den und keine Finanzprodukte mehr erwerben oder, mit Kapitalmarktunion festgeschrieben. entsprechend höherem Risiko, beratungsfrei agieren. Noch einschneidender wären die Konsequenzen für Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die sachge- Bürger, die sich noch gar nicht mit der Vermögensan- rechte Heranführung der Retail-Kunden und deren fach- lage in Wertpapiere beschäftigt haben und ohne durch kundige Begleitung bei der Investition in Wertpapiere Zuwendungen finanzierte Berater auch nicht auf die nur durch den Erhalt der provisionsbasierten Beratung Notwendigkeit dieser Art der Vermögensanlage auf- gewährleistet werden kann. Ein Verbot dieser Form der merksam gemacht werden. Dies hätte für den Vermö- Beratung würde zu einer Beratungslücke bei der gensaufbau von Retail-Kunden äußerst negative Gruppe der besonders beratungsbedürftigen Retail-Kun- Konsequenzen. den führen. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Honorarberatung für diese Anleger mit kleinen Anlage- Erfahrungen aus dem Vereinigten Königreich und den beträgen nicht rechnet bzw. unüberwindbare Kosten- Niederlanden belegen diese Prognosen anschaulich. hürden darstellt. Ein Ergebnis der Studie ist, dass mehr Seit dem Inkrafttreten des Provisionsverbotes 2013 als die Hälfte aller Investitionen von Retail-Kunden mit bzw. 2014 hat sich der Anlageberatungsmarkt deutlich Beträgen unter 5.000 € (55,5 %) bzw. monatlichen zulasten kleiner und mittlerer Vermögen verschoben. Sparraten von weniger als 100 € (54,6%) getätigt wer- Mindestanlagebeträge für die Inanspruchnahme einer den. Bis zu einem Anlagebetrag von 25.000 € ist die Anlageberatung sind in diesen Ländern keine Seltenheit Honorar-Anlageberatung jedoch teurer als die provisi- (im Vereinigten Königreich sind dies z. B. häufig ca. onsbasierte Beratung; ausgehend von dem Median des 50.000 £). Erhebungen der britischen Finanzaufsicht Finanzvermögens deutscher Haushalte im Jahr 2017 zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Anlagebera- von 16.900 € liegen die Kosten für die Honorar-Anlage- tung zu erhalten, signifikant mit dem Vermögen steigt. beratung 50 % höher. Da deutsche Haushalte im Durchschnitt jedoch nur 6.000 € in Fondsvermögen hal- ten, wären die Kosten für eine Honorar-Anlageberatung in der Praxis im Durchschnitt etwa viermal so hoch wie die Kosten einer provisionsbasierten Beratung. 2 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Gerade Kunden mit kleineren Vermögen fallen so in Die Studie widerlegt zudem die gegen die provisionsba- eine Beratungslücke. Im Ergebnis legen Anleger in die- sierte Beratung zum Teil vorgebrachte Kritik einer gerin- sen beiden Ländern deutlich weniger Geld in Fonds an geren Beratungsqualität sowie eines erhöhten Interes- als in Deutschland. Dies dürfte wesentlich mit den senkonfliktpotenzials. Berater sind gesetzlich dazu genannten Einschränkungen im Beratungsangebot für verpflichtet, vereinnahmte Provisionen ausschließlich Retail-Kunden zusammenhängen. für die Qualitätsverbesserung der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verwenden, was einer All dies zeigt, dass Honorarberatung allenfalls ein geringeren Beratungsqualität bereits widerspricht. Inte- (zusätzliches) Modell für vermögende Kunden sein ressenkonflikte spielen aufgrund der starken Regulie- kann, nicht jedoch für den durchschnittlichen rung eine untergeordnete Rolle und treten (in anderer Retail-Kunden sinnvoll ist. Zudem ist bereits heute die Form) gleichermaßen bei der honorarbasierten Bera- Nutzung der Honorar-Anlageberatung für Retail-Kunden tung auf. Beide Anforderungen werden durch eine möglich, wird von diesen jedoch kaum genutzt. regelmäßige interne Überwachung sowie eine engma- schige hoheitliche Finanzaufsicht sichergestellt. Zukunft der Beratung 3
4 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt 1 Einführung 7 1.1 Motivation 7 1.2 Datenerhebung und Methodik 8 2 Der Anlageberatungsmarkt für deutsche Retail-Kunden 11 2.1 Abgrenzung der Anlageberatungsmodelle 11 2.2 Das Retail-Kundensegment 12 2.3 Investitions- und Beratungsverhalten von Retail-Kunden in Deutschland 13 2.4 Das deutsche Berater- und Filialnetz 16 2.5 Fazit 17 3 Zuwendungsverbot führt zu Beratungslücke und Abkehr von den Kapitalmärkten 19 3.1 Entwicklung in anderen Ländern nach Einführung eines Zuwendungsverbots 19 3.2 Kunden sind nicht bereit, für Beratung zu zahlen 22 3.3 Reaktion von Retail-Kunden auf die Einführung eines Beratungshonorars 23 3.3.1 Sinkende Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Anlageberatung 24 3.3.2 Sinkende Investitionsbereitschaft 24 3.4 Sonstige Effekte 24 3.5 Fazit 25 4 Provisions- und Honorar-Anlageberatung im direkten Vergleich 27 4.1 Provisionsberatung ist für das Gros der Retail-Kunden günstiger als Honorarberatung 27 4.1.1 Überblick 27 4.1.2 Beispielrechnung 27 4.2 Zuwendungen bringen Kunden Mehrwert („Qualitätsverbesserung“) 33 4.3 Interessenkonfliktpotenzial ist nicht auf Provisionsberatung beschränkt 36 4.3.1 Provisionsberatung 36 4.3.2 Honorarberatung 37 4.3.3 Fazit 38 5 Zusammenfassung 39 6 Literaturverzeichnis 40 7 Anhang 42 Zukunft der Beratung 5 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
6 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
01 Einführung 1.1 Motivation Zuwendungsverbot, bei dem die Annahme von Zuwen- In Zeiten des demografischen Wandels, mit dem Risiko dungen auch unter Einhaltung der aktuellen Bestim- eines weiter sinkenden Rentenniveaus in Deutschland mungen nicht mehr zulässig wäre. und niedriger Zinsen ist eine Partizipation privater Anle- ger an den Kapitalmärkten wichtiger denn je. Die Stär- Ein solches Verbot könnte einen großen Teil der deut- kung der privaten Vermögensanlage ist daher auch schen Bevölkerung faktisch von der Anlageberatung eines der ausdrücklichen Ziele bei der Schaffung eines ausschließen, da alternative Beratungsformen für sie europäischen Binnenmarktes für Kapital (der „Kapital- nicht finanzierbar wären (sog. „Beratungslücke“). Dabei marktunion“).1 Derzeit herrscht in vielen europäischen sind Kleinanleger mit geringem bis mittlerem Vermögen Ländern, darunter auch Deutschland, das Modell einer und fehlender Erfahrung am Kapitalmarkt besonders provisionsbasierten Beratung vor. Sie stellt den Zugang betroffen. Erfahrungen aus Ländern wie dem Vereinig- zu qualifizierter, regulierter Wertpapierberatung für alle ten Königreich sowie den Niederlanden, die Zuwendun- Bevölkerungsschichten – auch Anlegern mit kleineren gen bereits verboten haben, zeigen, dass gerade dieser oder mittleren Vermögen und Einwohnern von ländli- (besonders schutzwürdige) Teil der Bevölkerung dort chen Gebieten – sicher. Mit diesem Modell belief sich faktisch keinen Zugang mehr zu qualifizierter Anlagebe- allein in den letzten zehn Jahren der Nettoabsatz von ratung hat. Publikumsfonds in Europa auf 3.400 Mrd. €.2 Die Auswirkungen fehlender Anlageberatung wurden in Gegen die provisionsbasierte Anlageberatung wird teil- verschiedenen früheren Studien beleuchtet. So führen weise vorgebracht, sie sei für Kunden zu teuer, intrans- Fehler in Investmententscheidungen zu Vermögensver- parent und rufe aufseiten der Banken Interessenkon- lusten4 und fehlender Zugang zu Anlageberatung zu flikte hervor. Dies lässt jedoch unberücksichtigt, dass einer geringeren Partizipation am Kapitalmarkt.5 Eine die Annahme von Zuwendungen in der provisionsba- hohe Partizipation am Kapitalmarkt wird vom europäi- sierten Anlageberatung nur ausnahmsweise und unter schen Gesetzgeber aber als ökonomisch sinnvoll „bestimmten, strengen Voraussetzungen“3 möglich ist gewertet und ist im Rahmen der Kapitalmarktunion poli- (siehe Kapitel 2.1.). Wertpapierdienstleistungsunterneh- tisch gewünscht. men haben ihre provisionsbasierten Beratungsprozesse in den letzten Jahren umfassend überarbeitet und opti- Inwiefern sich ein absolutes Zuwendungsverbot auf miert. Die Produkt- und Dienstleistungskosten, aber den deutschen Markt für das Angebot der Anlagebera- auch Zuwendungen, werden konkret beziffert. Dies tung und damit auf Retail-Kunden auswirkt, ist Gegen- wurde auch vom Gesetzgeber, insbesondere in der stand dieser Studie. Dabei wird zunächst der Markt für MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) Anlageberatung in Deutschland skizziert und analysiert, und der entsprechenden Umsetzung in Deutschland, welche Auswirkungen ein absolutes Zuwendungsver- vorgesehen. Dadurch ist für die Anleger umfassende bot auf der Angebots- und Nachfrageseite haben Transparenz gegeben. (Potenzielle) Interessenkonflikte dürfte. Anschließend werden die sich daraus ergeben- werden größtenteils vermieden, gemanagt oder zumin- den Implikationen für Retail-Kunden aufgezeigt. dest den Anlegern offengelegt. Abschließend wird ein Kostenvergleich des provisions- basierten Anlageberatungsmodells mit honorarbasier- Forderungen nach einem vollständigen Verbot von ten Modellen durchgeführt und beschrieben, welchen Zuwendungen gab und gibt es dennoch immer wieder. Mehrwert der Einsatz von Zuwendungen für Kunden Aktuell laufen die Arbeiten für die turnusmäßig stattfin- bringt und wie potenzielle Interessenkonflikte gehand- dende Überarbeitung der MiFID II (sog. MiFID-Review). habt werden. Ein mögliches Szenario ist dabei ein absolutes 1 Europäische Kommission (2020), S. 7 2 Nettoabsatz von Wertpapier-Publikumsfonds (OGAW) zwischen 2011 und 2020 laut EFAMA Fact Book 2021. 3 BaFin (2018b), S.16 4 Inderst (2014), S. 61 ff. 5 EZB (2011), S. 31. Zukunft der Beratung 7 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
1.2 Datenerhebung und Methodik Für diese Studie wurde auf verschiedene Datenquellen zurückgegriffen. Um die Kundensicht auf ein mögliches Zuwendungsver- bot zu eruieren, wurden über das Meinungsforschungs- institut KANTAR 2.064 für die deutschsprachige Bevöl- kerung repräsentativ ausgewählte Personen zu ihrem Beratungs- und Investitionsverhalten und ihrer Reaktion auf eine mögliche flächendeckende Einführung von Beratungshonoraren befragt. Ferner wurden von Kreditinstituten aller deutschen Ins- titutsgruppen (Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Banken) folgende Daten erhoben: – Angaben zum Beratungs- und Investitionsverhalten von Retail-Kunden (Depot- und Transaktionsvolumina) sowie zur Umsetzung von Qualitätsverbesserungen durch Befragung von 14 Kreditinstituten (Details vgl. Anhang 1) – Angaben zu Ausgabeaufschlägen und Bestandsprovi- sionen auf Basis von 100 Ex-Ante-Kostensimulationen für die beliebtesten Privatanleger-Fonds von 11 Kredi- tinstituten (Details vgl. Anhang 2) für den Kostenver- gleich zwischen honorar- und provisionsbasierter Anlageberatung Zudem berücksichtigt die Studie Publikationen und Stu- dien nationaler und europäischer Institutionen (ESMA, EZB, Financial Conduct Authority (FCA) und Bundes- bank) sowie Forschungseinrichtungen.6 6 Eine vollständige Auflistung der verwendeten Publikationen ist dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. 8 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
02 Der Anlageberatungsmarkt für deutsche Retail-Kunden Dieses Kapitel stellt zunächst die in Deutschland gängi- sowohl zwischen freien Beratern nach Region als auch gen Anlageberatungsmodelle vor. Anschließend wird zwischen freien und angestellten Anlageberatern. Der der im Rahmen dieser Studie betrachtete Retail-Kunde Fokus wird im Folgenden auf den rechtlichen Vorschrif- definiert sowie dessen Anlage- und Beratungsverhalten ten des WpHG und den angestellten Beratern liegen. beschrieben. Außerdem wird der Markt für Anlagebera- tung in Deutschland skizziert und mit anderen europäi- Provisionsbasierte Anlageberatung schen Märkten verglichen. Die provisionsbasierte Anlageberatung wird ganz oder teilweise durch Zuwendungen finanziert. Zuwendungen 2.1 Abgrenzung der Anlageberatungsmodelle sind Zahlungen Dritter an das Wertpapierdienstleis- Kunden in Deutschland können sich aktuell frei zwi- tungsunternehmen, z. B. vom Produkthersteller. Diese schen der provisionsbasierten Anlageberatung und der Zahlung (Provision oder Zuwendung) wird unmittelbar honorarbasierten Anlageberatung (sog. unabhängige für den Abschluss einer Transaktion geleistet, etwa in Honorar-Anlageberatung) entscheiden. Form eines Ausgabeaufschlags bei Investmentfonds. Abgrenzung nach Aufsichtshoheit Der Begriff der Zuwendung ist sehr breit gefasst und Grundsätzlich können Anlageberater in Deutschland in nicht abschließend. Er enthält u. a. nach § 70 Abs. 2 zwei Gruppen klassifiziert werden, die der Aufsicht Satz 1 WpHG Provisionen, Gebühren und sonstige unterschiedlicher Behörden unterliegen: Geldleistungen sowie alle nichtmonetären Vorteile. Kern der gesetzlichen Vorgaben ist das Erfordernis – Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einer sog. Qualitätsverbesserung für die Annahme und (BaFin) beaufsichtigt die bei Wertpapierdienstleis- Gewährung von Zuwendungen. Das bedeutet, dass das tungsinstituten angestellten Anlageberater und führt Annehmen und Gewähren von Zuwendungen regulato- über diese ein Register (Mitarbeiter- und Beschwer- risch nur dann (ausnahmsweise) zulässig ist, wenn drei deregister). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 1) die Zuwen- die Anlageberatung von Finanzinstituten sind auf dungen sind darauf ausgelegt, die Qualität der für den europäischer Ebene in der MiFID II sowie deren Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern, 2) sie Durchführungsrechtsakten sowie auf deutscher stehen der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienst- Ebene im WpHG geregelt. leistung im bestmöglichen Interesse des Kunden nicht entgegen und 3) Existenz, Art und Umfang der Zuwen- – Selbstständig tätige („freie“) Anlageberater werden dung werden dem Kunden vorher offengelegt. Die in § 34 f (Finanzanlagenvermittler) bzw. § 34 h (Finan- WpDVerOV liefert konkrete (nicht abschließende) zanlageberater) GewO definiert. Sie bedürfen einer Regelbeispiele, wann eine Zuwendung auf eine Quali- Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handels- tätsverbesserung ausgelegt ist (§ 6 Abs. 2 WpDVerOV). kammer (IHK) bzw. Gewerbebehörde und werden nach erfolgter Zulassung im Vermittlerregister geführt Die Rahmenbedingungen der provisionsbasierten Anla- sowie seitens der IHK beaufsichtigt. Die rechtlichen geberatung wurden über die Jahre stetig verschärft, Rahmenbedingungen für die freien Anlageberater zuletzt mit Inkrafttreten der Richtlinie 2014/65/EU ergeben sich aus der Finanzanlagenvermittlerverord- (MiFID II), der delegierten Richtlinie 2017/593/EU im nung (FinVermV). Jahre 2018 sowie den Auslegungen der BaFin für die deutsche Verwaltungspraxis (BT 10 MaComp). Weitere Aufgrund der strengeren Vorschriften des WpHG Präzisierungen finden sich in den regelmäßig aktuali- (bspw. Pflicht zur Erstellung einer Interessenkonflikt-Po- sierten Q&A der Europäischen Wertpapier- und Markt- licy, interne Kontrollfunktionen und Pflicht zur Verwen- aufsichtsbehörde ESMA für den Bereich Anlegerschutz. dung von Zuwendungen für Qualitätsverbesserungen) Dabei wurden die Voraussetzungen für die Annahme für Wertpapierdienstleistungsinstitute sowie der unein- und Gewährung von Zuwendungen (insbesondere das heitlichen Beaufsichtigung der freien Anlageberater Erfordernis einer Verbesserung der Qualität der Wertpa- durch die regional zuständigen IHKs bzw. Gewerbebe- pierdienstleistung) deutlich schärfer konturiert, um sicherzu- hörden bestehen jedoch große Qualitätsunterschiede Zukunft der Beratung 11 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
stellen, dass eine durch den Einsatz von Zuwendungen 2.2 Das Retail-Kundensegment generierte Qualitätsverbesserung auch tatsächlich bei In der MiFID II findet eine rechtliche Unterscheidung den Kunden ankommt. Ferner wurden die Anforderun- von Kundensegmenten statt: Kleinanleger sind hier gen an die Transparenz von Zuwendungen erhöht: So negativ als nicht professionelle Kunden (Art. 4 Abs. 1 sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflich- Nr. 11 MiFID II) definiert. Für den Zweck dieser Studie tet, dem Kunden alle Kosten und Gebühren vor einer wird das Kundensegment mit dem Begriff des Wertpapiertransaktion offenzulegen (Ex-ante-Kostenin- „Retail-Kunden“ jedoch weiter spezifiziert; der Fokus formation). Zusätzlich erhält der Kunde einmal jährlich liegt ausschließlich auf dem standardisierten Privatkun- eine Zusammenstellung aller im letzten Jahr angefalle- dengeschäft, also dem Vertrieb von Standardprodukten nen Kosten und Gebühren (jährliche bzw. Ex-post-Kos- an Kunden mit kleinen und mittleren Vermögen. Die teninformation). Darüber hinaus ist dem Kunden im Vor- Beratung vermögender Privatkunden („Private Ban- feld einer Anlageberatung mitzuteilen, dass es sich king“) wird nicht betrachtet, da dieses Kundensegment nicht um eine (unabhängige) Honorar-Anlageberatung weniger schutzbedürftig ist und für das von der handelt, und ob zu einer umfangreichen oder EU-Kommission ausgerufene Ziel einer vermehrten Par- beschränkten Auswahl an Finanzinstrumenten beraten tizipation von Kleinanlegern am Kapitalmarkt7 nicht rele- wird. vant ist. Honorarbasierte Anlageberatung Der deutsche Markt für Anlageberatung wird maßgeb- Am 1. August 2014 trat das Honoraranlageberatungs- lich durch Retail-Kunden bestimmt. Der Median des gesetz in Deutschland in Kraft, das das Berufsbild des Finanzvermögens deutscher Haushalte lag laut Zahlen Honorarberaters in das WpHG integriert und gesetzlich der Bundesbank im Jahr 2017 bei nur 16.900 €.8 Das definiert. bedeutet: 50 % der deutschen Privathaushalte könnten maximal 16.900 € investieren; bei 7,5 % der Haushalte Das Gesetz gibt vor, dass die Honorar-Anlageberatung übersteigt die Verschuldung sogar das Vermögen.9 ausschließlich vom Kunden vergütet werden darf. Weitere 30 % der Haushalte verfügten über ein Finanz- Daher dürfen Honorar-Anlageberater keine Zuwendun- vermögen zwischen 16.900 € und 79.500 €. Zum gen von Anbietern annehmen, deren Produkte sie ver- Finanzvermögen zählen jedoch auch Girokonten und mitteln bzw. beraten. Für den Fall, dass ein Produkt nur damit Mittel, die für den Alltagskonsum genutzt wer- mit Zuwendungen durch den Anbieter für den Kunden den oder als Reserve für unvorhergesehene Ausgaben erhältlich ist, müssen diese an den Kunden ausgekehrt dienen. Tatsächlich liegen die Anlagesummen also werden. Für seine Anlageempfehlungen muss der deutlich niedriger. Wegen des hohen Aufwands einer Honorar-Anlageberater zudem eine ausreichende professionellen Anlageberatung kommt für viele dieser Palette von am Markt angebotenen Finanzinstrumenten (potenziellen) Anleger realistischerweise nur eine stan- berücksichtigen (§ 64 Abs. 5 WpHG). Dabei dürfen dardisierte Lösung infrage (siehe Kapitel 4.1.). Honorar-Anlageberater nicht nur beratend tätig sein, sondern auch den Erwerb eines konkreten Produktes Gleichzeitig ist es wichtig, diese Bevölkerungsgruppen vermitteln. für eine Anlage an den Kapitalmärkten zu gewinnen. Einerseits bietet sie deutlich bessere Renditeaussich- Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ten gegenüber Einlagen wie Tagesgeldkonten oder sowohl provisionsbasierte als auch honorarbasierte Sparbriefen, andererseits spricht auch die außerge- Anlageberatung, sind beide Bereiche organisatorisch wöhnlich geringe Immobilieneigentumsquote in streng voneinander zu trennen (§ 80 Abs. 7 WpHG). Deutschland dafür: Nur knapp die Hälfte aller Haushalte Dies betrifft sowohl die personelle als auch die funktio- verfügt über Immobilieneigentum, was im europäi- nelle Ausstattung der beiden Bereiche. schen Vergleich den niedrigsten Wert darstellt.10 Im Niedrigzinsumfeld profitieren Immobilieneigentümer anders als Mieter von steigenden Immobilienpreisen. Mieter können diesen Nachteil aber zumindest teil- weise durch Wertpapieranlagen ausgleichen, wodurch die Auseinanderentwicklung der Vermögen von Eigen- tümern von Immobilien und Mietern verringert wird. 7 Europäische Kommission (2020), S. 7 8 Bundesbank (2019), S. 34 9 Bundesbank (2019), S. 27 10 EZB (2021), S. 7 12 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
2.3 Investitions- und Beratungsverhalten von Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der (a) Retail-Kunden in Deutschland Transaktionsvolumina bei monatlichen Sparplanraten sowie (b) Einmalanlagen13 Kleinstbeträge überwiegen im Retail-Kundensegment Trotz aller Vorteile hielten im Jahr 2017 nur 16 % der (a) deutschen Privathaushalte Investmentfondsanteile.11 Selbst wenn nur diese Haushalte betrachtet werden, 200€ lag der Median des Fondsvermögens bei nur 12.900 €. Das heißt: 84 % der Haushalte hielten keinerlei Fonds- anteile, 8 % Anteile im Wert von maximal 12.900 € und weitere 8 % Anteil von mehr als 12.900 € (vgl. Abbil- 28,3% dung 1). 18,9% unter 100 Euro: Abbildung 1: Privathaushalte in Deutschland 54,6% der Sparpläne nach Fondsvermögen 26,6% 26,3% 8% 8% Keine Fondsanteile 12.900€ Fondsanteile 84% 10.000€ © KPMG, Deutschland 2021 23,4% 24,6% Die Erhebung von Depot- und Transaktionsvolumina unter 5.000 Euro: bei den für diese Studie befragten Instituten bekräftigt 55,5% der Einmalanlagen diese Ergebnisse und zeigt, dass die Kundenstruktur 21,2% der für diese Studie ausgewählten Kreditinstitute reprä- 30,9% sentativ ist. So liegt das Median-Depotvolumen von Retail-Kunden bei den befragten Kreditinstituten durch- schnittlich bei 13.100 €12 und damit nur leicht über dem seitens der Bundesbank ermittelten Median-Fonds- © KPMG, Deutschland 2021 vermögen. Interessant für das Vertriebsgeschehen ist aber vor allem die Betrachtung der Transaktionsvolumina. Diese Dies alles zeigt, dass der durchschnittliche Retail-Kunde ergibt ein ähnliches Bild: Mehr als die Hälfte (54,6 %) lediglich Kleinbeträge (z. B. in einen Wertpapierspar- aller Wertpapiersparpläne werden mit monatlichen plan) bzw. niedrige einmalige Investitionssummen in Beträgen unter 100 € bespart; über ein Viertel aller Wertpapiere anlegen kann. Für solche Anleger sind die Sparpläne (28,3 %) sogar mit weniger als 50 €. Ferner Kosten einer Honorarberatung im Verhältnis zur Investi- liegen mehr als die Hälfte (55,5 %) der Einmalanlagen tionssumme zu hoch (siehe den detaillierten Vergleich von Retail-Kunden unter 5.000 € (vgl. Abbildung 2). in Kapitel 4.1.). 11 Bundesbank (2019), S. 38 12 Diese Zahl ergibt sich aus einer einfachen Durchschnittsberechnung der Median-Depotvolumina innerhalb der Institutsgruppen und anschließender Mittelung der Gruppendurchschnitte. 13 Rundungsdifferenzen möglich. Zukunft der Beratung 13 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Qualifizierte Anlageberatung ist Voraussetzung Abbildung 3: Antworthäufigkeiten auf die Frage für die Kapitalmarktbeteiligung „Würden Sie sich damit wohl fühlen, ohne Einer YouGov-Onlineumfrage zufolge nehmen 36 % der professionelle Unterstützung sämtliche Anlage- deutschen Bevölkerung über 30 Jahren Anlageberatung entscheidungen selbst zu treffen?“17 in Anspruch; zudem wünschen sich 76 % der Befragten in Zukunft eine Anlageberatung.14 Unter Wertpapierkun- den im Retail-Bereich nehmen gemäß einer Datenaus- wertung von 27.064 Wertpapierkundendaten aus dem Jahr 2018 64 % der Retail-Kunden regelmäßig Anlage- 6% beratung bei ihrem Kreditinstitut wahr. Zudem deuten 28% die Ergebnisse auf eine sehr gute Abdeckung des 12% Retail-Kundensegments mit Beratungsdienstleistungen hin: Bei vermögenden Kunden liegt der Anteil der eine Beratung nutzenden Kunden mit 77,3 % nicht wesent- lich höher.15 Der Vergleich dieser Zahlen mit der Verbrei- 21% tung von Fonds und anderen Wertpapieren (siehe ers- 31% ten Absatz dieses Kapitels) zeigt, dass ein Großteil der erfolgten Beratungen nicht zu Produktkäufen führt. Das heißt: Im provisionsbasierten Beratungsmodell sind viele Beratungen kostenlos. Bereits 2011 hat die Europäische Zentralbank festge- Ja, auf jeden Fall Nein, wahrscheinlich nicht stellt: Anlageberatung ist ein Schlüsselfaktor für die Bereitschaft von Haushalten zur Investition in (risikobe- Ja, wahrscheinlich Nein, auf keinen Fall haftete) finanzielle Vermögensgegenstände.16 Ohne Eventuell Beratung würden auch deutsche Anleger voraussicht- lich weitaus weniger in Wertpapiere investieren als bis- © KPMG, Deutschland 2021 lang. Das zeigt auch die aktuelle Kundenbefragung über KANTAR. Danach fühlt sich nur knapp ein Fünftel der Befragten wohl dabei, ohne Beratung Anlageentschei- dungen zu treffen (vgl. Abbildung 3); 28 % können sich dies überhaupt nicht vorstellen. Angesichts der hohen Bedeutung, die Kunden der Anla- geberatung beimessen, ist es wenig verwunderlich, dass Beratungsgespräche die wichtigste Entschei- dungsgrundlage für Investitionen in Wertpapiere sind. Eine Umfrage im Rahmen einer Studie zur Entschei- dungsfindung von Retail-Kunden18 ergab, dass 80 % der Investitionen im Rahmen von persönlichen Beratungs- gesprächen getätigt werden. Über die Hälfte der Befragten gab an, dass sie bei ihren Investitionsent- scheidungen maßgeblich den Empfehlungen des Anla- geberaters gefolgt sind. 14 Concredo (2018), S. 5 15 Boes (2018), S. 192 f. 16 EZB (2011) 17 Datenquelle: Repräsentative Studie von Kantar (mit 2.064 Interviews); Rundungsdifferenzen möglich. 18 Chater, Huck und Inderst (2010), S. 227, 385 14 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Persönliche Beratung ist wichtiges Qualitätsmerk- mal für Kunden Nach wie vor präferieren deutsche Anleger bei der Anlageberatung den persönlichen Austausch: Gemäß den Ergebnissen der KANTAR-Befragung ist 80 % der deutschen Bevölkerung persönliche Beratung „wichtig“ bis „äußerst wichtig“ (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: Antworthäufigkeiten auf die Frage „Wie wichtig ist für Sie die persönliche Beratung bei der Geldanlage (z. B. in der Filiale/Geschäftsstelle einer Bank/Sparkasse, am Telefon oder per Video)?“19 2% 6% 25% 11% 27% 28% Äußerst wichtig Weniger wichtig Sehr wichtig Unwichtig Wichtig Bin unentschlossen © KPMG, Deutschland 2021 Ein ähnliches Bild liefert die YouGov-Umfrage20: Hier gaben fast neun von zehn Befragten an, dass sie im Rahmen ihrer letzten Beratung für eine (potenzielle) Vermögensanlage ausschließlich oder ergänzend per- sönliche Beratungsformen wahrgenommen haben. Automatisierte Beratungsformen wie beispielsweise Robo-Advice stellen damit offensichtlich keine adäquate Alternative zu persönlichen Beratung, sondern besten- falls eine Ergänzung des bestehenden Beratungsange- bots dar. 19 Datenquelle: Repräsentative Studie von Kantar (mit 2.064 Interviews); Rundungsdifferenzen möglich. 20 Concredo (2018), S. 4 Zukunft der Beratung 15 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
2.4. Das deutsche Berater- und Filialnetz Hohe Anzahl qualifizierter Anlageberater Die Versorgung der Bevölkerung mit Beratungsdienst- Hohe Filialdichte leistungen wird durch eine hohe Zahl an qualifizierten Anleger in Deutschland profitieren aktuell von einem Anlageberatern sichergestellt. Insgesamt erbringen dichten Filialnetz: Im europäischen Vergleich ist die 126.185 Angestellte von Banken und sonstigen Wertpa- Anzahl von Beratern bzw. Filialen pro Einwohner sehr pierdienstleistungsinstituten Anlageberatung (Stand hoch. Mit 3,2 Bankfilialen auf 10.000 Einwohner im Jahr 2018)23; hinzu kommen 38.568 selbstständige Anlage- 2019 liegt die Filialdichte in Deutschland europaweit berater, die gemäß § 34 f GewO als Finanzanlagenver- (EU 28) über dem Durchschnitt (siehe Abbildung 5). mittler tätig sind, sowie 228 selbstständige Anlagebera- ter, die gemäß § 34 h GewO Honorar-Anlage- Dieses breite Filialnetz wird anteilig – bezogen auf das beratung erbringen.24 Damit kommen in Deutschland Angebot von Anlageberatung in den Filialen – auch 503 Einwohner auf einen Berater. durch Zuwendungen finanziert. Der positive Effekt wird insbesondere bei einem Vergleich der Filialdichte zwi- Auch hier zeigt sich eine hohe Beratungsdichte im Ver- schen Deutschland und den Niederlanden bzw. dem gleich zu anderen Ländern: In den Niederlanden25 liegt Vereinigten Königreich deutlich: In diesen Ländern sind die Beraterdichte bei 671 Einwohnern pro Berater; im Zuwendungen verboten und können somit nicht (antei- Vereinigten Königreich26 kommen mit 2.439 sogar lig) für die Aufrechterhaltung des Filialnetzes eingesetzt knapp fünfmal so viele Einwohner auf einen Berater werden (siehe hierzu auch Kapitel 3.1. und 3.4.). In der wie in Deutschland. Konsequenz belegen diese Länder mit 0,7 bzw. 1,1 Bankfilialen pro 10.000 Einwohner im europäischen In Deutschland überwiegt die Anlageberatung auf Provi- Vergleich unter den größeren EU-Ländern die hinteren sionsbasis deutlich: Nur 17 Finanzinstitute erbringen Plätze in Bezug auf die Filialdichte. Honorar-Anlageberatung. Gemessen an den selbststän- digen Anlageberatern liegt der Marktanteil der Hono- rar-Anlageberatung bei 0,6 %.27 Abbildung 5: Bankfilialen pro 10.000 Einwohner der größten EU-Länder21 im Jahr 201922 Frankreich Spanien Italien Portugal Deutschland Polen EU28 Belgien Rumänien Griechenland Tschechische Republik Schweden Vereinigtes Königreich Niederlande 0 1 2 3 4 5 6 © KPMG, Deutschland 2021 21 Berücksichtigt wurden Länder, die im Jahr 2019 mehr als 10 Millionen Einwohner hatten. Der Durchschnitt (EU28) ist für alle Länder der EU angegeben. 22 Datenquelle: EZB. 23 BaFin (2018a), S. 43 24 https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/recht-in-der-wirtschaft/gewerberecht/statistiken-vermittlerverzeichnisse-3344 (Stand: 2020) 25 Basierend auf der Anzahl der Anlageberater gemäß Adfiz (2020), S. 5. 26 Basierend auf der Anzahl der Anlageberater gemäß https://www.fca.org.uk/data/retail-intermediary-market-2020 (Stand: 2020). 27 Anteil der nach § 34h GewO registrierten Anlageberatern an der Gesamtzahl der freien Anlageberater. 16 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Anlageberatungsmarkt im Vereinigten Im Vereinigten Königreich ist die Nachfrage nach Königreich und den Niederlanden – Investmentfonds seitens der Privatanleger vergleichbar vergleichbar mit Deutschland? mit Deutschland. In beiden Ländern entfielen etwa drei Viertel der Absätze auf Anlageberatungen, während nur knapp 10 % direkt vertrieben wurden.30 Die Vertriebs- Von Befürwortern eines absoluten Zuwendungsverbo- struktur unterscheidet sich jedoch maßgeblich: Wäh- tes für den deutschen Wertpapiervertrieb werden rend in Deutschland 2014 knapp drei Viertel der Wert- oftmals die gesetzlichen Regelungen im Vereinigten papiere von Banken vertrieben wurden, entfiel auf sie Königreich und in den Niederlanden herangezogen, die im Vereinigten Königreich nur 1 %; stattdessen betrug seit dem Jahr 2013 bzw. 2014 ein Zuwendungsverbot der Marktanteil von Vermögensberatern 70 bis 75 %. für den Vertrieb bestimmter Wertpapiere beinhalten. Eine von der Hausbank unabhängige Vermögens- bzw. Allerdings waren die Voraussetzungen für ein Zuwen- Wertpapierberatung war bei Einführung des Zuwen- dungsverbot in diesen beiden Märkten deutlich günsti- dungsverbots insofern bereits etabliert. In Deutschland ger als in Deutschland. müssten sich Anbieter und Anleger deutlich stärker umstellen. So ist das niederländische Rentensystem maßgeblich auf kapitalgedeckten Pensionsfonds aufgebaut, die sei- Außerdem ist das Finanzsystem des Vereinigten König- tens des Arbeitgebers in den meisten Fällen verpflich- reichs traditionell stärker am Kapitalmarkt ausgerichtet tend anzubieten sind; in der Konsequenz zahlen über als in Deutschland, wo Banken eine stärkere Rolle bei 90 % der Arbeitnehmer in den Niederlanden in Pensi- der Finanzierung von Unternehmen einnehmen. So sind onsfonds ein.28 Für einen Großteil der Retail-Kunden an der London Stock Exchange mit 164731 Unterneh- entfällt damit die Notwendigkeit, privat in Investment- men fast viermal so viele Unternehmen wie an der fonds zu investieren. Dies belegt der niedrige Anteil an Frankfurter Börse (439)32 gelistet.33 Dies verringert mög- Privatanlegern am gesamten Fondsvermögen: Dieser licherweise Berührungsängste gegenüber Aktien als lag Ende 2012 bei 7,4 % und ist seitdem leicht auf 7,0 % Anlageform. Ende 2020 zurückgegangen. Zum Vergleich: In Deutsch- land bzw. im Vereinigten Königreich liegt der Anteil an Insgesamt sprechen Unterschiede in den Altersvorsor- Privatanlegern bei 23,0 % bzw. 23,8 %.29 Ein direkter gesystemen und Vertriebsstrukturen dafür, dass nega- Vergleich der Vergütungsstrukturen mit dem deutschen tive Auswirkungen eines Zuwendungsverbots in Anlageberatungsmarkt ist daher schwierig, da die Nach- Deutschland stärker zum Tragen kommen würden als in frage nach privater Vorsorge und somit Anlageberatung den Niederlanden oder dem Vereinigten Königreich. in den Niederlanden deutlich geringer ist. 2.5 Fazit Für einen großen Teil der Bevölkerung ist qualifizierte Dies trägt in Verbindung mit der hohen Zahl an Anlage- Anlageberatung die Voraussetzung zur Partizipation am beratern dazu bei, dass in Deutschland der Zugang zu Kapitalmarkt und den damit verbundenen höheren Anla- Anlageberatungsleistungen, die an den Bedürfnissen der gerenditen.34 Derzeit verfügt Deutschland über ein im deutschen Bevölkerung ausgerichtet sind, sehr gut ist. europäischen Vergleich sehr gut ausgebautes Filialnetz. 28 VB und Opf, S. 11 29 Datenquelle: EZB 30 Deloitte (2014), S. 6 31 https://www.londonstockexchange.com/reports?tab=issuers (Stand: 31.08.2021) 32 https://www.deutsche-boerse-cash-market.com/dbcm-de/instrumente-statistiken/statistiken/gelistete-unternehmen (Stand: 01.09.2021) 33 Unternehmen, welche ihren Hauptsitz im Ausland haben, wurden hierbei nicht berücksichtigt. 34 EZB (2011), S. 31 Zukunft der Beratung 17 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Bildkauf notwendig 18 Zukunft der Beratung
03 Zuwendungsverbot führt zu Beratungslücke und Abkehr von den Kapitalmärkten In diesem Kapitel werden die Auswirkungen eines Vereinigtes Königreich absoluten Zuwendungsverbots zunächst anhand von Im Jahr 2013 wurden im Rahmen des „Retail Distribu- Beispielen aus Ländern, in denen bereits ein Zuwen- tion Review“ (RDR) im Vereinigten Königreich die dungsverbot eingeführt wurde, beleuchtet. Anschlie- Anforderungen an Finanzberater deutlich verschärft. ßend wird gezeigt, dass in Deutschland insbesondere Neben der verpflichtenden Offenlegung, ob die angebo- für Kunden mit geringem Finanzvermögen bei einem tene Beratung das gesamte Spektrum von Finanzinstru- absoluten Verbot der provisionsbasierten Anlagebera- menten („independent“) oder nur einen Teilbereich tung eine schwer überwindbare Kostenhürde für Bera- („restricted“) abdeckt, wurde ein vollständiges Verbot tungsdienstleistungen entstünde, die zu einer Bera- von Zuwendungen von Produktherstellern an Finanzbe- tungslücke in diesem Kundensegment führen würde. rater eingeführt. In der Konsequenz hat sich der über- wiegende Teil der Banken aus dem Anlageberatungsge- 3.1 Entwicklung in anderen Ländern nach schäft zurückgezogen, was in Verbindung mit einer Einführung eines Zuwendungsverbots Erhöhung des Mindestvermögens für Beratungskunden Beispiele aus europäischen Ländern, in denen bereits ein zu einem deutlichen Rückgang der Filialdichte (siehe absolutes Zuwendungsverbot gilt, zeigen, dass der Weg- Abbildung 6) und für Retail-Kunden zu einem erschwer- fall der klassischen provisionsbasierten Filialberatung für ten Zugang zu qualifizierter Anlageberatung geführt hat. Retail-Kunden nicht durch alternative Modelle kompen- siert wird. Vielmehr ist der Zugang zu honorarbasierter Beratung für Kunden mit geringen Vermögen äußerst eingeschränkt. Abbildung 6: Jährliche Entwicklung der Filialdichte seit 201035 (2010: 100%), kumuliert 100% 75% 67% 61% 50% 42% 25% 0% 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Deutschland Niederlande Vereinigtes Königreich © KPMG, Deutschland 2021 35 Durch die Betrachtung des Zeitraums vor den Zuwendungsverboten 2013 bzw. 2014 wird einer antizipatorischen Anpassung der Vertriebsstruktur durch die betroffenen Banken Rechnung getragen. Zukunft der Beratung 19 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Seit 2013 hat sich das Tempo des Filialsterbens im Ver- abgewiesen haben. Der mit 43 % am häufigsten einigten Königreich erhöht: Sank die Anzahl der Filialen genannte Grund hierfür war, dass die Anlageberatung pro 10.000 Einwohner bis 2013 jährlich um 2 %, sinkt aufgrund der finanziellen Situation des Kunden nicht die Filialdichte seit 2013 jährlich im Schnitt um knapp wirtschaftlich gewesen wäre.41 7 %. Im Jahr 2019 (1,1 Filialen pro 10.000 Einwohner) lag die Filialdichte damit um 39 % niedriger als noch im Laut einer Studie der FCA aus dem Jahr 2020 wurde Jahr 2010 (1,9 Filialen pro 10.000 Einwohner). nur von 17 % der Verbraucher mit einem Vermögen von 10.000 £ oder mehr in den letzten 12 Monaten eine Auch die Anzahl der Anlageberater ist im Vereinigten qualifizierte Anlageberatung in Anspruch genommen, Königreich deutlich gesunken. Der größte Rückgang an wohingegen vermögendere Kunden (mit Vermögen Anlageberatern war zwischen 2011 und 2014 mit ca. über 100.000 £) deutlich häufiger Beratungsleistungen 60 % im Bankenbereich zu verzeichnen; 10 % aller in Anspruch nahmen (25 % der Kunden mit einem Ver- Anlageberater haben zudem ihren Status von „indepen- mögen zwischen 100.000 £ und 250.000 £ und 38 % der dent“ zu „restricted“ geändert.36 Kunden mit einem Vermögen von mehr als 250.000 £).42 Diese Einschätzung wird zudem durch eine Konsumen- Dass der Rückgang der Filialen im Vereinigten König- tenbefragung durch das Marktforschungsinstitut Critical reich – anders als in den Niederlanden – nicht wesent- Research aus dem Jahr 2018 gestützt.43 lich höher liegt als in Deutschland, ist damit zu erklären, dass der Vertrieb von Finanzinstrumenten im Vereinig- Die geringe Nachfrage nach Beratung in unteren Vermö- ten Königreich schon vor Erlass des Zuwendungsver- genssegmenten erklärt sich u. a. damit, dass Kunden bots vornehmlich durch Vermögensberater und nicht – anders als vor Einführung des Zuwendungsverbots durch Banken erbracht wurde (siehe hierzu die Ausfüh- – nicht mehr (aktiv) von ihrer Bank auf die Möglichkeit rungen zum Anlagemarkt im Vereinigten Königreich in einer Beratung hingewiesen werden.44 Kapitel 2.4.). Gerade Anleger mit kleineren Vermögen, für die auf- Eine Beratungslücke ist im Vereinigten Königreich den- grund der Struktur des Beratungsmarktes im Vereinig- noch entstanden. Ihr Umfang wurde von der Wirt- ten Königreich eine Unterversorgung mit Anlagebera- schaftsprüfungsgesellschaft Deloitte auf Basis einer tungsleistungen besteht, werden daher von Banken YouGov-Umfrage errechnet: Demnach nehmen 8 % der vielfach auf automatisierte Beratungslösungen verwie- Retail-Kunden keine Anlageberatung mehr in Anspruch; sen45. Viele dieser Kunden geben jedoch an, den per- weitere 18 % haben ihre Beratungsfrequenz reduziert sönlichen Kontakt zum Berater zu vermissen und in der oder verzichten für bestimmte Produkte komplett auf Folge Angst vor Fehlentscheidungen bei der Anlage zu eine Anlageberatung.37 Diese Beratungslücke konnte haben.46 bis heute nicht durch alternative Beratungsmodelle kompensiert werden: So ist beispielsweise bei 40 % Viele Firmen im Vereinigten Königreich haben keinen der Anlageberatungsfirmen ein Mindestvermögen vor- Anreiz, Angebote für weniger vermögende Kunden (mit geschrieben38; oft liegt dieses bei 50.000 £.39 Auch bei in der Regel weniger komplizierten Kundenwünschen) Firmen ohne formale Untergrenze zeigt sich gemäß vorzuhalten, da diese für sie weniger profitabel sind47: einer Datenauswertung der Financial Conduct Authority Ein einziger Kunde mit einem Vermögen von 250.000 £ (FCA), dass der Beratung durchschnittlich hohe Investi- ist ertragreicher als 10 Kunden mit jeweils 25.000 £ Ver- tionssummen zugrunde liegen, was in der Realität auf mögen.48 Die FCA stellt in ihrem Report aus 2020 einen äußerst beschränkten Zugang zu Anlageberatung abschließend fest: Während Personen mit hohem Ein- für Retail-Kunden hindeutet.40 Ergänzend hierzu wird in kommen in der Regel Zugang zu Beratung haben, wer- einem Report der FCA aus 2016 eine Befragung im Auf- den Menschen mit geringeren Einkommen nicht so gut trag des Verbands der professionellen Anlageberater vom Markt bedient und verpassen dadurch Möglichkei- (Association of Professional Financial Advisers) aufge- ten, ihr Geld für einen langfristigen Vermögensaufbau führt, die ergab, dass 69 % der befragten Anlagebera- am Kapitalmarkt zu investieren.49 ter in den letzten 12 Monaten potenzielle Kunden 36 Deloitte (2014), S. 8 37 Deloitte (2014), S. 11 43 Ignition House und Critical Research (2018), S. 26. 38 FCA (2020), S. 39 44 FCA (2020), S. 13. 39 Quelle: KPMG-Recherche auf Vermittlungsplattformen für 45 FCA (2020), S. 16 f. unabhängige Anlageberater (bspw. https://www.vouchedfor.co.uk/). 46 FCA (2020), S. 17,18 f. 40 FCA (2020), S. 33 47 FCA (2020), S. 22. 41 HM Treasury und FCA (2016), S. 6. 48 FCA (2020), S. 22. 42 FCA (2020), S. 10, 12. 49 FCA (2020), S. 24. 20 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. 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Niederlande angeboten, die jedoch häufig ebenfalls Mindestanlage- In den Niederlanden wurde im Jahr 2014 ein vollständi- beträge voraussetzen. Klassische Anlageberatung ist in ges Verbot von Provisionen für Finanzprodukte („Provi- den Niederlanden dagegen größtenteils nur noch im sieverbod“) erlassen, nachdem eine 2009 eingeführte Private Banking zu finden und setzt häufig ein Mindest- Deckelung der Provisionshöhe einer Evaluierung des vermögen von 500.000 € voraus.50 Finanzministeriums zufolge nicht die gewünschte Wir- kung erzielt hat. Ähnlich wie im Vereinigten Königreich Es ist vor diesem Hintergrund nicht überraschend, dass ist seither ein massives Filialsterben zu beobachten: die Zuwendungsverbote im Vereinigten Königreich und Seit 2010 hat sich die Anzahl der Bankfilialen pro 10.000 den Niederlanden nicht zu einer vermehrten Partizipa- Einwohner von 1,7 im Jahr 2010 auf 0,7 im Jahr 2019 tion am Kapitalmarkt führen: Abbildung 7 zeigt die Net- verringert; im Jahr 2020 kommen sogar nur noch 0,5 tozuflüsse privater Haushalte in Fonds seit 2014, also Filialen auf 10.000 Einwohner. während bzw. kurz nach der Umsetzung der Zuwen- dungsverbote in den Niederlanden und dem Vereinigten Für Retail-Kunden dominieren seither alternative Königreich. Es ist zu erkennen, dass in Deutschland Modelle für das Vermögensmanagement, die größten- binnen weniger Jahre etwa 200 Mrd. € an Geldvermö- teils jedoch keine adäquate Alternative zu persönlicher gen über Fonds aufgebaut wurde; in den Niederlanden Beratung darstellen. Beispielsweise wird beobachtet, dagegen stagniert der Vermögensaufbau über Fonds dass Retail-Kunden größtenteils nur noch „Execution während dieses Zeitraums. Im Vereinigten Königreich Only“-Dienstleistungen (d. h. reine Ausführungsge- ist sogar ein Mittelabfluss von über 130 Mrd. € zu schäfte ohne Beratung) in Anspruch nehmen; zusätzlich erkennen. werden standardisierte Portfoliomanagement-Lösungen Abbildung 7: Kumulierter Nettozufluss in Fondsvermögen seit 201451 250 Deutschland Niederlande 200 Vereinigtes Königreich 188 150 100 50 0 -3 -50 -100 -133 -150 2015 2016 2017 2018 2019 2020 © KPMG, Deutschland 2021 50 DUFAS (2020), S. 3 51 Datenquelle: EZB. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Nettozuflüsse in Deutschland auf Abflüsse aus anderen Assetklassen, die für den Vermögensaufbau relevant sind, rückführbar sind. Bei Versicherungsprodukten können für alle drei Länder vergleichbare Nettozu- flüsse beobachtet werden; die Nettozuflüsse in Aktien stagnieren in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, während in Deutschland signifikante Nettozuflüsse verzeichnet werden. Zukunft der Beratung 21 © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Dies zeigt, dass Zuwendungen Investoren keineswegs Abbildung 8: Antworthäufigkeiten auf die Frage davon abhalten, am Kapitalmarkt zu investieren; im „Wieviel wären Sie bereit, für eine Beratung auf Gegenteil: Der aktive Beratungsansatz und die gute Basis von Stundensätzen zu zahlen?“54 Verfügbarkeit von professioneller Anlageberatung auf- 1% 0,2% grund eines gut ausgebauten Filialnetzes sind Katalysa- toren für die Partizipation von Retail-Kunden am Kapital- 3% 0,1% markt. Ausgehend von den Beobachtungen in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich ist davon auszugehen, dass ein absolutes Zuwendungsverbot in 11% Deutschland ähnliche Entwicklungen hin zu einer gerin- geren Kapitalmarktpartizipation sowie einer drastischen Ausdünnung des Filialnetzes und das Aufkommen einer Beratungslücke zur Folge haben würde. 3.2. Kunden sind nicht bereit, für Beratung zu zahlen 74% Hintergrund des prognostizierten Filialsterbens und des erheblichen Rückgangs bei der Anzahl der Berater im Falle eines Zuwendungsverbots ist die kaum vorhan- dene Bereitschaft von Kunden in Deutschland, direkt für eine Anlageberatung zu zahlen. 74 % der Befragten wären nicht bereit, überhaupt ein Honorar für Anlage- beratungsdienstleistungen zu zahlen (Abbildung 8). Nicht bereit, Honorar für Beratung zu zahlen Durchschnittlich wurden 34,80 € als angemessener Bis zu 50€/h Bis zu 150€/h Stundensatz für eine Finanzberatung genannt. Dies ist weit von den in der Praxis üblichen Werten entfernt. Im Bis zu 100€/h Bis zu 200€/h Über zu 200€/h Durchschnitt beträgt der Stundensatz für Honorar-Anla- geberatung in Deutschland rund 180 €.52 Selbst die – © KPMG, Deutschland 2021 staatlich subventionierte und nicht vergleichbare (siehe Kapitel 4.1.) – Beratung der Verbraucherzentrale Hessen kostet Anleger 80 € pro Stunde.53 Die Bereitschaft, die Abbildung 9: Vergleich der Zahlungsbereitschaft für für qualifizierte Anlageberatung üblichen Beratungsho- Honorar-Anlageberatung mit den durchschnittlichen norare zu bezahlen, ist verschwindend gering: Lediglich realen Stundensätzen 0,2 % der Befragten wären bereit, für eine Anlagebera- tung zwischen 150 € und 200 € pro Stunde zu bezah- len. Über 200 € pro Stunde würden sogar nur 0,1 % der Befragten bezahlen. Damit sind nur etwa 0,3 % der 80,00€ Befragten dazu bereit, den gängigen Stundensatz für Stundensatz Honorar-Anlageberatung in Deutschland zu entrichten. Verbraucher- zentrale Viele andere Studien kommen auf vergleichbare Ergeb- nisse: Bei einer Studie zur Akzeptanz von Honorar-Anla- geberatung55, die auf die Daten eines deutschen Online-Brokers zurückgreift, entschied sich die Mehr- heit der Kunden für die Provisionsberatung, wenn beide Modelle mit transparenter Kostenstruktur angeboten 34,80€ 180,00€ werden. Zur Vermeidung von Missverständnissen in Durchschnittlicher Bezug auf die Kostenaufschlüsselung wurden dem Kun- Durchschnittliche Stundensatz Zahlungs- den die potenziellen Kostenunterschiede dabei im Vor- Honorarberatung bereitschaft feld durch den Anlageberater auf Basis der Handelskos- ten des Kunden der letzten zwölf Monate erläutert. © KPMG, Deutschland 2021 52 Siehe hierzu Kapitel 4.1.1. 53 https://www.verbraucherzentrale-hessen.de/verbraucherzentrale/preisuebersicht-beratungen-verbraucherzentrale-hessen-30583 (Stand: 23.09.2021) 54 Datenquelle: Repräsentative Studie von Kantar (mit 2.064 Interviews); Rundungsdifferenzen möglich; Differenz zu 100 %: Weiß nicht/keine Angabe. 55 Meyer und Uhr (2021), S. 25 22 Zukunft der Beratung © 2021 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
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