Zum Verhältnis von Prospekthaftung und Einlagenrückgewähr beim Erwerb von Aktien auf dem Sekundärmarkt

 
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Zum Verhältnis von Prospekthaftung und Einlagenrückgewähr beim Erwerb von Aktien auf dem Sekundärmarkt
2                                     Juridicum Law Review                                    Vol 1:1

              Zum Verhältnis von Prospekthaftung und
        Einlagenrückgewähr beim Erwerb von Aktien auf dem
                         Sekundärmarkt

                                    HANNES SCHLAGER*
     Inhaltsverzeichnis
A.   Einleitung ______________________________________________________________ 3
     I. Sachverhalt __________________________________________________________________________ 3
     II. Höchstgerichtliche Entscheidung und Rechtsfrage ____________________________________________ 4
B.   Prospekt und Prospekthaftung nach § 11 KMG _________________________________ 4
     I. Allgemeines _________________________________________________________________________ 4
     II. Inhalt und Kausalitätsproblem ___________________________________________________________ 4
        a)   Exkurs: Anlagestimmung ___________________________________________________ 5
        b)   Mitverschulden nach § 1304 ABGB ___________________________________________ 5
C.   Verbot der Einlagenrückgewähr bei Aktiengesellschaften __________________________ 5
D.   Das Spannungsfeld zwischen Prospekthaftung und Kapitalerhaltung __________________ 6
     I. Meinungen und Lösungen der Lehre: _____________________________________________________ 6
        a)   Begrenzung auf ausschüttbare Mittel __________________________________________ 6
        b)   Unterscheidung zwischen Anlegern ___________________________________________ 8
        c)   Aktionär als bloßer Drittgläubiger _____________________________________________ 9
        d)   Lehre des fehlerhaften Verbands _____________________________________________ 9
        e)   Schadenersatzanspruch und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien _________________ 10
     II. Lösung der Rsp aus den beiden Grundsatzentscheidungen ____________________________________ 11
        a)   7 Ob 77/10i_____________________________________________________________ 11
        b)   6 Ob 28/12d ____________________________________________________________ 12
E.   Deutsche Rechtslage (insb BGH II ZR 287/02) _________________________________ 13
     I. Deutschland ________________________________________________________________________ 13
        a)   Historische Rechtsprechung ________________________________________________ 13
        b)   BGH II ZR 287/02 vom 9.5.2005 (EM.TV)____________________________________ 14
F.   Haftungsanspruch in der Insolvenz __________________________________________ 15
G.   Ausblick_______________________________________________________________ 16
     I. Interessenwahrung aller Beteiligten _______________________________________________________ 16
     II. (Marktrechtlicher) Gleichbehandlungsgrundsatz _____________________________________________ 17
     III. Generalisierung der Schadensbewältigung _________________________________________________ 17
H.   Organaußenhaftung als Alternative __________________________________________ 17
     I. Richtlinienkonforme Interpretation und rechtspolitische Tendenzen _____________________________ 18
     II. (Bleibende) Geltende Rechtslage in Österreich _____________________________________________ 18
I.   Eigene Stellungnahme ____________________________________________________ 20

     * Hannes Schlager, Student an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Juridicum Wien.
3                                   Juridicum Law Review                                        Vol 1:1

A. Einleitung
     Dieser Artikel behandelt die im Titel genannte Problematik des Verhältnisses zwischen
     kapitalmarktrechtlicher       Prospekthaftung          und        gesellschaftsrechtlichen
     Kapitalerhaltungsmaßnahmen. Sogleich erfolgt eine kurze Zusammenfassung des
     Sachverhalts der Entscheidung des OGH vom 15.3.2012 mit der GZ 6 Ob 28/12d, welche
     die Grundlage dieser Erörterung darstellt. Anschließend möchte ich die Problematik auf
     theoretischer Ebene unter Bezugnahme der in Österreich vertretenen Meinungen und
     einschlägigen Entscheidungen detaillierter betrachten. Dazu passend werde ich noch den
     Gedanken (der Ausweitung) der Organaußenhaftung und der Behandlung der
     Prospekthaftungsansprüche in der Insolvenz betrachten und die Erwägungen für die
     zukünftige Neuausrichtung der Emittentenhaftung zusammenfassen. Abschließend folgt
     eine kurze Stellungnahme des Autors.

I.   Sachverhalt
     Der Kläger hat Aktien erworben, die mittlerweile mehr als die Hälfte an Wert eingebüßt
     haben. Er begehrt nun die Feststellung der Haftung der Emittentin als Beklagte für alle sich
     durch den Aktienkauf künftig in seinem Vermögen ergebenden Schäden. Das
     Schadenersatzbegehren stützt er auf die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung nach
     § 11 KMG. Außerdem wirft er der Beklagten vor, sie hätte unrichtige
     Kapitalmarktinformationen gestreut, ihre Immobilien überbewertet, wesentliche
     Informationen über die Geschäftsgebahrung nicht gemeldet und im Allgemeinen
     Marktmanipulation nach § 48a BörseG betrieben. Eigentlich wollte der Kläger sein
     Vermögen risikoarm und vernünftig anlegen. Bei Kenntnis der wahren Umstände,
     insbesondere der Verlustwahrscheinlichkeit der Aktien, hätte er diese nicht erworben.
     Genau diese wahren Umstände seien ihm von der Beklagten aber vorenthalten worden.
     Die Beklagte wandte daraufhin ein, dass ein Schadenersatzanspruch – sollte ein solcher
     bestehen – grundsätzlich gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 52 AktG
     verstoßen würde. Ihrer Meinung nach gingen die Interessen der sonstigen Gläubiger
     denjenigen des auf den Prospekt vertrauenden Aktionärs vor.
     Außerdem sei sie gar nicht passivlegitimiert. Aufgrund eines Spaltungs- und
     Übernahmsvertrages seien alle Ansprüche gegen sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
     auf ihre Rechtsnachfolgerin, die I-Beteiligungsverwaltungs AG übergegangen.
     Das Erstgericht wies die Klage ab. Zum einen legt es dar, dass der Kläger den Anspruch
     gegen die Beklagte als Emittentin begehre. Diese hat aber einen Teil der
     klagsgegenständlichen Aktien gar nicht emittiert, wodurch bereits dadurch der Anspruch
     hinsichtlich dieser Aktien ins Leere gehen würde. Zum anderen bestätigt das Gericht den
     Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr.
     Das Berufungsgericht hingegen gibt der Berufung statt und führt aus, dass die Klage nicht
     allein schon wegen eines bloßen Verstoßes gegen das Verbot nach § 52 AktG abzuweisen
     sei. Es erteilt in gewissem Maße einen „Verbesserungsauftrag“ an den Kläger. Dieser möge
     das Klagebegehren konkretisieren, insb den Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang
     zwischen der behaupteten Fehlinformation und dem dadurch eingetretenen Schaden
     darlegen.
4                                     Juridicum Law Review                                       Vol 1:1

II.     Höchstgerichtliche Entscheidung und Rechtsfrage1
        Der OGH gab dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des OLG Wien, mit
        dem wiederum das erstinstanzliche Urteil aufgehoben wurde, nicht statt. Kurz gesagt sieht
        er den Prospekthaftungsanspruch nach § 11 KMG gegenüber dem
        Kapitalerhaltungsgrundsatz als vorrangig an. Dieser Anspruch stellt seiner Meinung nach
        keine verbotene Einlagenrückgewähr dar, weil die Auszahlung nicht „causa societatis“
        erfolge.2 Auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsinstituten soll nun im Folgenden
        näher eingegangen werden.

B. Prospekt und Prospekthaftung nach § 11 KMG

I.      Allgemeines
        Bevor im Inland ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen gestellt
        werden kann, ordnet § 2 KMG an, dass spätestens einen Werktag zuvor ein nach den
        Bestimmungen des KMG erstellter und kontrollierter („gebilligter“) Prospekt veröffentlicht
        werden muss. Ist dies nicht passiert und haben Anleger die Wertpapiere trotzdem
        erworben, kommt ihnen – sofern sie Verbraucher sind – das Rücktrittsrecht nach § 5
        KMG zugute. Dieses erlischt erst eine Woche nach dem (späteren) Veröffentlichen des
        Prospekts.3 Neben dem Rücktrittsrecht und der allgemeinen schadenersatzrechtlichen
        Haftung bietet § 11 KMG gleichermaßen als „Nachfolgeregelung“ des § 80 BörseG4 einen
        besonderen Haftungstatbestand für mangelhafte Prospekte. Schon die Erläuterungen zu
        § 11 KMG geben das vorrangige Ziel der Prospekthaftung an:5
        „Die Bestimmungen der Prospekthaftung sollen auch eine spezielle zivilrechtliche
        Schadloshaltung des Anlegers in Bezug auf gesetzwidrige Prospektinformationen
        gegenüber den Personen, die für den Prospekt Verantwortung tragen, sowie gegenüber
        Personen, die gewerbsmäßig mit Wertpapieren oder Veranlagungen handeln oder
        Verträge hierüber gewerbsmäßig vermitteln, ermöglichen. “

II.     Inhalt und Kausalitätsproblem
        Die Prospekthaftung ist eine spezialgesetzlich vertypte Form der culpa in contrahendo, der
        Haftung aus der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten.6 Der Veräußerer muss
        den Anleger bereits vor Abschluss des Zeichnungsvertrags über die für den Aktienkauf
        relevanten Umstände informieren. Dies soll dem Funktionieren des Kapitalmarkts dienen. 7
        Die Prospekthaftung greift eben genau dann, wenn diese Informationen und damit auch
        der Prospekt mangelhaft sind. Mangelhaft ist ein Prospekt dann, wenn er widersprüchlich,
        unverständlich, unvollständig oder schlicht unrichtig ist. Diese Mangelhaftigkeit muss
        kausal für die Erwerbsentscheidung gewesen sein, wobei ein prima-facie Beweis ausreicht.8
        Die Höhe der Prospekthaftung hängt vom Verschulden der Emittentin ab, ist aber – außer

        1 Siehe im Detail Punkt D.II.b).
    2   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung bei der AG, der GmbH sowie GmbH&Co
        KG 364.
    3   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 345.
    4   Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, § 11 Rz 1ff.
    5   EBRV 147 BlGNR 18. GP 20f.
    6   Gruber, Prospekthaftung der AG versus Kapitalerhaltung, GesRZ 2010/2.
    7   6 Ob 28/12d, OGH v. 15.3.2012
    8   Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG, § 11 Rz 4.
5                                         Juridicum Law Review                                           Vol 1:1

         es liegt vorsätzliches Handeln vor – mit dem bezahlten Erwerbspreis zzgl Spesen und
         Zinsen begrenzt.9

a)       Exkurs: Anlagestimmung
         Dieser angesprochene prima-facie Beweis muss aber nicht einmal die „eigene Kenntnis“,
         also jene des betroffenen Aktionärs, vom Prospekt nachweisen. In der Praxis zeigt sich,
         dass Anlageprospekte meist gar nicht gelesen werden. Vielmehr verlassen sich Anleger auf
         die Beratung ihrer Finanzexperten, Bankberater, oder aber auch auf Werbung, Artikel der
         Wirtschaftspresse oder gar auf Meinungen von Bekannten, die selbst so veranlagt haben.10
         Damit der Kausalität nun genüge getan wird, reicht es der hM nach aus, wenn die durch
         die unrichtigen Prospektangaben generierte positive Anlagestimmung es ermöglicht, einen
         gelockerten Zusammenhang zwischen dem Prospekt und der Anlageentscheidung
         herzustellen. Der Anleger muss den Anscheinsbeweis somit nicht hinsichtlich seiner
         Kenntnis des Prospekts, sondern lediglich hinsichtlich der Tatsache führen, dass der
         Prospekt zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung erhältlich war. Je mehr Zeit aber
         zwischen dem Veröffentlichen des Prospekts und der Erwerbsentscheidung des Anlegers
         liegt, desto „schwächer“ wird der Beweis.11 Obwohl für Anleger vorteilhaft, findet das aus
         Deutschland kommende und von der österreichischen Rsp angewandte Rechtsinstitut der
         Anlagestimmung nicht uneingeschränkt Zustimmung.12

b)       Mitverschulden nach § 1304 ABGB
         Mit dem bisher Gesagten einhergehend braucht der Anleger die Prospektangaben freilich
         auch nicht zu kontrollieren, was ihm aufgrund seiner regelmäßig mangelnden Fachkenntnis
         auch nicht möglich sein wird. Er darf sich also auf die im Prospekt enthaltenden Angaben
         verlassen.13 Dementsprechend führt die unterlassene Kontrolle auch nicht zu einem ihm
         anzulastenden Mitverschulden. Zutreffend wird aber darauf hingewiesen, dass der Anleger
         aber dann leer ausgeht, wenn er den Prospektfehler kannte. 14

C. Verbot der Einlagenrückgewähr bei Aktiengesellschaften
         Wie der Erwerb eigener Aktien gehört auch das Verbot der Einlagenrückgewähr zu den
         meistdiskutierten und wichtigsten Themen des Gesellschaftsrechts. Bei der
         Aktiengesellschaft wird dieses Verbot in § 52 AktG normiert.
         Grundsätzlich haben die Aktionäre nur Anspruch auf den Bilanzgewinn, der in Form einer
         Dividende ausgeschüttet wird. Darüber hinausgehende Zahlung sind zwar grundsätzlich
         zulässig, doch muss genauer überprüft werden, ob dem Aktionär nicht seine Einlage
         zurückbezahlt wird. Gerade bei Kapitalgesellschaften wären die umfangreichen
         Kapitalaufbringungsvorschriften nämlich nur von eingeschränktem Nutzen, würde man das
         aufgebrachte Kapital nachträglich nicht schützen.15 § 52 AktG möchte sicherstellen, dass
         das Anfangsvermögen der Gesellschaft nicht sogleich wieder an die Gesellschafter
         zurückgezahlt wird, sei es durch Geldleistungen oder durch andere (verdeckte)
         Vermögenszuwendungen. Der Fokus liegt klarerweise auf den weit weniger offensichtlichen

    9    Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG I5 § 52 Rz 4.
    10   Hofmann, Kausalitätserfordernis und „positive Anlagestimmung“ bei der Haftung für fehlerhafte
         Kapitalmarktinformationen, GeS 2011, 317.
    11   Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I1, § 11 Rz 25.
    12   Hofmann, Kausalitätserfordernis, GeS 2011, 317 (319f).
    13   Dullinger, Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vermögensanlage, JBl
         2011, 693 (698).
    14   Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG, § 11 Rz 14.
    15   Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, zu § 52 Rz 1f.
6                                         Juridicum Law Review                                              Vol 1:1

         verdeckten Zuwendungen. Diese sind meist in ein rechtlich (anscheinend) zulässiges
         Umsatzgeschäft gekleidet.
         Ob ein Geschäft mit einem Aktionär unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fällt, ist im
         Lichte des Drittvergleichs zu prüfen.16 Hiebei kommt es darauf an, ob das fragliche
         Geschäft auch mit einem an der Gesellschaft nicht beteiligten Dritten in der Form und –
         vor allem – zu den gleichen Konditionen geschlossen worden wäre.17 Um nicht unter das
         Verbot zu fallen, ist es also notwendig, dass der Aktionär wie ein Dritter behandelt wird („at
         arm’s length“).18 Da das Verbot der Einlagenrückgewähr normalerweise im Rahmen der
         universitären Lehrveranstaltungen eingehend behandelt wird, soll hier von einer
         detaillierteren Darstellung Abstand genommen werden.

D. Das              Spannungsfeld                zwischen           Prospekthaftung                 und
         Kapitalerhaltung
         Sofern die AG in einem öffentlichen Angebot unrichtige oder unvollständige
         Informationen über ihre Aktien erteilt, haftet sie bei Verschulden nach allgemeinem
         Schadenersatzrecht (§§ 1293 ff ABGB) und darüber hinaus verschuldensabhängig nach der
         besonderen kapitalmarktrechlichen Prospekthaftung des § 11 KMG. Die Zahlung des
         Ersatzes an den Aktionär führt aber dazu, dass er eine finanzielle Zuwendung von der
         Gesellschaft erhält, die naturgemäß kein Bilanzgewinn ist und daher gegen das Verbot der
         Einlagenrückgewähr verstoßen würde.
         Hier zeigt sich das Spannungsverhältnis zwischen Kapitalmarktrecht und
         Gesellschaftsrecht. Während das Kapitalmarktrecht den Gesellschafter wie einen
         Gläubiger sieht – was auch daran zu erkennen ist, dass das KMG ihn gemäß § 1 Abs 1 Z 5
         als „Anleger“ bezeichnet – wird er vom Gesellschaftsrecht eher als Risikoträger eingestuft,
         der seine Interessen nach jenen der Drittgläubiger einzureihen hat.19.
         Auf die Frage, welcher Norm nunmehr der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich aus den
         jeweiligen Materialien bzw den zugrunde liegenden Richtlinien – Kapitalrichtlinie
         77/91/EWG und Prospekt-Richtlinie 2003/71/EG – keine Antwort ableiten.20
         Dementsprechend gibt es einige unterschiedliche Lösungsvorschläge, die in der Folge
         geordnet dargestellt werden sollen.

I.       Meinungen und Lösungen der Lehre:

a)       Begrenzung auf ausschüttbare Mittel
         Kalss, Zivny und auch Artmann setzen sich dafür ein, die Ersatzansprüche der Aktionäre
         nur insoweit zu gewähren, als sie aus freien Mitteln der AG, also allfälligen freien
         Rücklagen, dem Gewinn und dem Gewinnvortrag, bezahlt werden können.21 Die übrigen
         Aktionäre hätten dies ebenso zu dulden, wie bei einem „normalen“, anderweitig

    16   Rüffler, Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, in FS Straube (2009) 121.
    17   Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht2, 286f.
    18   Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, zu § 52 Rz 23.
    19   Rüffler in FS Straube 121.
    20   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 343f.
    21   Kalss, Anlegerinteressen 221; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I1, § 11 Rz 47; Artmann in
         Jabornegg/Strasser, AktG I5 § 52 Rz 5; Zivny, KMG § 11 Rz 60; Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG
         § 11 Rz 31f; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 19.
7                                        Juridicum Law Review                                      Vol 1:1

         aufgetretenen Schaden, der zur Kürzung der Dividende führen kann.22 Das Grundkapital
         sowie gebundene Rücklagen stünden ausnahmslos nicht zur Verfügung.
         In analoger Anwendung der verschmelzungsrechtlichen Bestimmungen über den Ausgleich
         bei einem unangemessenen Umtauschverhältnis (§§ 225e Abs 3 iVm 225j Abs 2 AktG)
         treten Doralt/Winner dafür ein, dem Aktionär in Höhe seines Ersatzanspruches primär
         zusätzliche Aktien, die entweder aus dem eigenen Bestand oder aus einer nominellen
         Kapitalerhöhung stammen sollen, zu übertragen.23

         EXKURS: Überprüfung des Umtauschverhältnisses bei Verschmelzungen
         Wesentliche Merkmale einer Verschmelzung von Gesellschaften sind, dass das Vermögen
         der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende im Wege der
         Gesamtrechtsnachfolge übergeht, wobei die übertragende Gesellschaft selbst (unter
         Ausschluss der Abwicklung) aufgelöst wird.24 Da die Aktionäre einer im Nachhinein
         aufgelösten übertragenden Gesellschaft nicht einfach so ihre Anteile verlieren können,
         werden ihnen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft gewährt. Dabei muss aber
         beachtet werden, dass die „neuen“ Anteile dem Wert entsprechen, den ihre „alten“ Anteile
         hatten. MaW: Die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre dürfen durch die
         Verschmelzung und das Umtauschen ihrer Anteile nicht verwässert werden.25 Um aber die
         Verschmelzung – die vorher schon von den Aktionären in der HV beschlossen wurde –
         rasch durchführen zu können, wird den Aktionären in § 225b AktG26 die Anfechtung eben
         genau dieses Beschlusses verwehrt, wenn als Anfechtungsgrund die „Unangemessenheit
         des Umtauschverhältnisses oder der allfälligen baren Zuzahlungen“ behauptet wird.27 Das
         verschmelzungsrechtliche Überprüfungsverfahren, das in den §§ 225c AktG geregelt ist,
         dient dazu, dieses Umtauschverhältnis nachträglich doch noch gerichtlich überprüfen zu
         lassen. Grundsätzlich soll die subjektive Wertäquivalenz der Anteile durch die Zahlung
         eines Barausgleichs an die Aktionäre erreicht werden.28 In § 225e Abs 3 S 2 AktG wird der
         übernehmenden Gesellschaft aber das Recht eingeräumt, bei Gericht einen Antrag zu
         stellen, sie zu ermächtigen, statt des Barausgleichs zusätzliche Aktien zu leisten. Hat das
         Gericht diesen Antrag bewilligt, normiert § 225j Abs 2 AktG, dass hierfür vorrangig eigene
         Aktien zu verwenden sind. Erst wenn diese nicht ausreichen, dürfen neue ausgegeben
         werden.
         Nach Doralt/Winner müsste der Aktionär die ihm gewährten Aktien gleichsam als
         Naturalrestitution annehmen, was einen Vermögensabfluss bei der leistungspflichtigen AG
         verhindern würde. 29 Erst wenn das nicht möglich ist, dürfe man auf die freien Mittel der
         AG greifen.
         Dieser Meinung wird zutreffend entgegengehalten, dass der Aktionär grundsätzlich das
         Recht habe, frei zu wählen, welche Befriedigungsmöglichkeit er in Anspruch nehmen
         möchte. 30 In den wenigsten Fällen wird es wohl gewünscht sein, noch mehr von jenen
         Wertpapieren zu erhalten, über die man angeblich getäuscht wurde. Außerdem würde das

    22     Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG I5 § 52 Rz 4.
    23     Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 18; Doralt/Winner in MünchKomm AktG2, § 57 Rz
         227ff; ablehnend Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG I5 § 52 Rz 4.
    24   Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht2 423.
    25   Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225c Rz 2.
    26   Siehe auch § 195 Abs 4 S 2 AktG.
    27   Helbich/Wiesner/Bruckner, Handbuch der Umgründungen Rz 164.
    28   Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 225c Rz 7.
    29     Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 18.
    30     Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 19; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 364.
8                                        Juridicum Law Review                                        Vol 1:1

         Prozedere der Schaffung von zusätzlichen Aktien im Wege der Kapitalberichtigung
         einerseits erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, weswegen der Aktionär mit seinem
         Ersatzanspruch zuwarten müsse, was aber abzulehnen ist.31
         Andererseits sieht § 3 Abs 4 KapBG vor, dass „die neuen Anteilsrechte […] den
         Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Nennkapital kraft Gesetzes
         zu[stehen]“ und „ein entgegenstehender Beschluß […] nichtig [ist]“. De lege lata ist es daher
         – außer unter Umgehung des (auch) hier angeordneten Gleichbehandlungsgrundsatzes –
         nicht möglich, die durch eine nominelle Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien lediglich zur
         Befriedigung des Schadenersatzanspruchs eines oder weniger Aktionäre zu verwenden, da
         jene Aktionäre die nicht geschädigt wurden, gleichermaßen um ihren Anteil „umfallen“
         würden.

b)       Unterscheidung zwischen Anlegern
         Reich-Rohrwig möchte hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Anleger differenzieren und
         befindet – ähnlich wie Jabornegg32 – Kleinanleger schutzwürdiger als Großanleger.
         Kleinanlegern könne man die gesetzlichen Informationspflichten und das
         Informationsrisiko nicht zumuten. Außerdem würden die Kosten des Prüfungsaufwands
         für diese Anleger wirtschaftlich unvertretbar sein. Das Vertrauen der Klein- und
         Kleinstanleger auf die Richtigkeit des Prospekts ist daher besonders stark zu schützen. Aus
         diesem Grund ist ihnen der Prospekthaftungsanspruch „mit vollem Gläubigerstatus“ zu
         gewähren.33
         Zur Unterscheidung zwischen Klein- und Großanlegern soll § 3 KMG dienen. Dieser
         normiert Ausnahmen von der in § 2 KMG normierten Prospektpflicht. Reich-Rohrwig
         bezieht sich auf §§ 3 Abs 1 Z 9 und 11 KMG.34 Großanleger wären demnach einerseits jene
         Anleger, die Veranlagungen ab einem Mindestbetrag von EUR 100.000 (im Zeitpunkt des
         Verfassens – EUR 40.000) bzw solche mit einer Mindeststückellung von EUR 100.000 (im
         Zeitpunkt des Verfassens – EUR 40.000) erwerben und andererseits sog qualifizierte
         Anleger iSd § 1 Abs 1 Z 5a KMG iVm §§ 58, 59 WAG. Dass für diese Anleger schon gar
         kein Prospekt erstellt werden muss, stelle klar, dass sie vom Gesetz als weniger
         schutzwürdig erachtet werden.
         Dies bedeutet aber freilich nicht, dass man ihnen den Prospekthaftungsanspruch komplett
         verwehren würde. Vielmehr können sie insoweit von der AG Ersatz verlangen, als durch
         den Vermögensabfluss nicht die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit („im
         konkursrechtlichen Sinn“; nach geltender Rechtslage § 66 und 67 IO) der AG
         herbeigeführt werde.35 Durch den Prospekthaftungsanspruch darf also das Bestehen der
         Gesellschaft bzw des Unternehmens nicht gefährdet werden.
         Für Kleinanleger ergibt sich der erhöhte Schutz aus dem Ziel der
         Emissionsprospektrichtlinie. Diese soll einen „wirksamen Schutz der Sparer bei der Anlage
         von Geldern in Wertpapieren […]“36 bewirken. Aus dem Terminus „Sparer“ leitet Reich-
         Rohrwig einen Bezug auf Klein- und Kleinstanleger ab.
         Obgleich die Rechtsprechung der Meinung Reich-Rohrwigs nicht folgt (siehe Punkt
         D.II.a)), findet er doch Zustimmung von Rüffler. Dieser vermeint ebenfalls, dass die
         Bestimmungen über Großanleger jene Aktionäre betreffen, die vom KMG eindeutig als

    31   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 364.
    32   Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 65 Rz 24.
    33   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 366.
    34   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 366.
    35   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 366.
    36   RL 89/298/EWG v. 17.4.1989 (Erwägungsgrund 1).
9                                       Juridicum Law Review                                           Vol 1:1

         weniger schutzwürdig angesehen werden. Wenn man nun die Schutzwürdigkeit für diese
         Personen verneint, verneint man auch die Ableitungsbasis für den Vorrang der
         Prospekthaftung. Man könnte somit die Anwendung von § 52 AktG annehmen und einen
         Schadenersatzanspruch verwehren.37

c)       Aktionär als bloßer Drittgläubiger

         Rüffler vertritt eine prominentere These, nach der er den Aktionär im Falle von
         Prospekthaftungsansprüchen vollkommen von seiner Gesellschafterstellung loslöst.
         Er stützt sich dazu auf eine frühere Arbeit Martens’, die schon die Frage behandelt,
         ob die haftungsbegründende Informationspflichtverletzung einem Aktionärsrecht
         oder einem Gläubigerrecht näher steht.38
         Rüffler spricht sich für die Nähe zum Gläubigerrecht aus. Dies, weil das KMG
         Verhaltenspflichten der Gesellschaft am Markt gegenüber potentiellen Anlegern
         normiert.39 Da das Verbot der Einlagenrückgewähr einen Gesellschafter, der in
         dieser Hinsicht die Stellung eines Drittgläubigers genießt, nicht tangiert, ist es auch
         nicht notwendig, Schadenersatzansprüche auf das ausschüttbare Vermögen zu
         beschränken. Oft wird auch davon gesprochen, dass die Schadenersatzzahlung
         nicht causa societatis erfolgen würde.40 Der Gewährung im Ausmaß von
         verfügbarem weil ausschüttbarem Vermögen, seien überdies praktische
         Folgeprobleme (wie etwa Bewertungen) immanent.41

d)       Lehre des fehlerhaften Verbands
         Es verwundert nicht, dass Rüffler bezeichnend davon spricht, dass bestimmte Autoren im
         Zuge der gegenständlichen Diskussion bereits zu „moving targets“ geworden sind.42 Gruber
         wettert regelrecht gegen die Meinung Rüfflers. Seiner Meinung nach handelt es sich bei
         einem Zeichnungsvertrag um einen organsationsrechtlichen bzw korporationsrechtlichen
         Vertrag und nicht um ein bloßes Drittgeschäft. Entscheidend ist für ihn, dass den Aktionär
         die Pflicht zur Einlageleistung treffe und er damit nicht als bloßer Gläubiger sondern als
         Verbandsmitglied und Risikoträger gelte.43 Als Aktionär kann bei der Geltendmachung von
         Prospekthaftungsansprüchen aber die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft einschlägig
         sein.
         Diese Lehre behandelt das Problem, dass eine Gesellschaft ex-tunc aufzulösen wäre, wenn
         ein Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag wegen Irrtums gemäß § 871 ABGB anficht. Das
         hätte aber die unbillige Folge, dass den Gläubigern der Gesellschaft auf einmal kein
         Vertragspartner mehr gegenüberstünde bzw rechtlich nie gegenüberstand. Auch die im
         Innenverhältnis der Gesellschaft auftretenden Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung –
         Beschlüsse sind gefasst, Leistungen erbracht und Gewinne entnommen worden44 – haben
         dazu veranlasst, die Irrtumsanfechtung des Gesellschafters ins Leere laufen zu lassen.
         Demnach ist eine Anfechtung und ex-tunc Auflösung der Gesellschaft dann nicht möglich,
         wenn diese bereits in Vollzug gesetzt wurde und keine gewichtigen Interessen der

    37   Rüffler in FS Straube 127f.
    38   Martens, Die Anzeigepflicht des Verlustes des Garantiekapitals nach dem AktG und dem GmbHG,
         ZGR 1982, 254ff; Rüffler in FS Straube 124f.
    39   Rüffler in FS Straube 124f.
    40   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 364, so auch 6 Ob 28/12d.
    41   Rüffler in FS Straube 125.
    42   Rüffler in Kalss/U. Torggler, Kapitalmarkthaftung und Gesellschaftsrecht 1.
    43   Gruber, Prospekthaftung, GesRZ 2010/2.
    44   Rüffler in FS Straube 126.
10                                     Juridicum Law Review                                            Vol 1:1

      Allgemeinheit bzw besonders schutzwürdiger Personen für eine Auflösung sprechen
      würden.45 Mängel in der Gesellschaftsgründung oder des fehlerhaften Beitritts können nur
      im Wege der Kündigung bzw der Auflösung ex-nunc geltend gemacht werden.46
      Gruber konstatiert, dass die Prospekthaftung nach § 11 KMG nur eine sondergesetzlich
      vertypte Haftung aus culpa in contrahendo darstelle.47 Als solche ist sie einer
      irrtumsrechtlichen Anfechtung sehr nahe. Wertungsmäßig könne daher für einen
      Anspruch aus der Prospekthaftung nichts anderes gelten, wie auch für die
      Irrtumsanfechtung. Die Geltendmachung von beiden sollte ins Leere laufen.

      Rüffler spricht sich gegen die Anwendung der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft
      aus. Er konstatiert, dass ein Schadenersatzanspruch, der mittels Rückgabe der
      Aktien an die Gesellschaft einerseits und andererseits durch Rückzahlung des
      Erwerbspreises abgewickelt wird, gar keine ex-tunc-Abwicklung darstellt. Der
      geschädigte Aktionär sei ja bis zur Rückgabe der Aktien Aktionär der Gesellschaft
      geblieben. Es kommt damit weder zu Rückabwicklungsschwierigkeiten im
      Innenverhältnis, noch wird den Gläubigern ein Haftungssubjekt entzogen. Was
      allerdings schon Beachtung erfordert, ist, dass mit dem Ausscheiden des Aktionärs
      (zwar kein Haftungssubjekt aber doch) Vermögen zugunsten einzelner Aktionäre
      entzogen wird. Dass ein geschädigter Aktionär „sein“ Vermögen aus der
      Gesellschaft abziehen kann, widerspricht der dieser Lehre immanenten Teleologie,
      dass die Interessen des Aktionärs hinter jene der Gläubiger zurückzutreten haben.
      Gleichwohl kann man diesen Widerspruch auflösen, weil eben nur jene Ansprüche
      vom „Zurücktreten“ erfasst sind, die mit der Mitgliedschaft, dem Beitritt oder der
      Stellung als Aktionär in Zusammenhang stehen. Wie Rüffler aber umfangreich
      ausführt (siehe Punkt D.I.c)), wird der Aktionär aber bezüglich seines
      Prospekthaftungsanspruchs als Drittgläubiger angesehen, weswegen er nicht „hinter
      anderen Gläubigern zurückstehen muss“.48

e)    Schadenersatzanspruch und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien
      Wird die Emittentin zum Ersatz des Schadens verurteilt, muss sie – sofern der Kläger die
      Aktien noch hält – Zug-um-Zug die Aktien des Klägers gegen Zahlung des Erwerbspreises
      zurücknehmen. § 52 AktG sieht die Rückzahlung des Erwerbspreises prinzipiell als
      verbotene Einlagenrückgewähr an, die nur dann zulässig ist, wenn man den Erwerb eigener
      Aktien unter einen der Ausnahmetatbestände der §§ 65 ff AktG subsumieren könnte.
      Die Lehre sieht die Ausnahmetatbestände des § 65 Abs 1 Z 1 – zur Abwendung eines
      schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens – oder Z 5 AktG – zur Entschädigung
      von Minderheitsaktionären – als einschlägig an.49
      Gruber führt aus, dass § 65 Abs 1 Z 1 schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil es bei
      dem vorausgesetzten „schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden“ um einen Schaden
      der AG geht und nicht um einen Schaden des Aktionärs. Macht der geschädigte Aktionär
      legitime Aktionärsrechte – darunter wird auch ein Prospekthaftungsanspruch verstanden –
      geltend, so ist die Ausnahme nach Z 1 nicht gerechtfertigt.50

 45   Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht2 59f.
 46   Rüffler in FS Straube 126; EBRV 147 BlGNR 18. GP 21.
 47   Gruber, Kapitalmarktinformationshaftung der Aktiengesellschaft und Kapitalerhaltungsgrundsatz,
      JBl 2007, 2; Rüffler in FS Straube 125.
 48   Rüffler in FS Straube 126f.
 49   Rüffler in FS Straube 121.
 50   Gruber, Kapitalmarktinformationshaftung, JBl 2007, 2 (8).
11                                         Juridicum Law Review                                         Vol 1:1

          Vielmehr sei die Anwendung der Z 5 „wohl hM“. Der Erwerb ist demnach zur
          Entschädigung von Minderheitsaktionären zulässig, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist. Es
          wird vertreten, dass die Z 5 auch per analogiam auf Fälle angewendet werden kann, in
          denen die Rücknahmeverpflichtung auf einem Prospekthaftungsanspruch beruht. Für
          Gruber ist aber zweifelhaft, ob mit dem Prospekthaftungsfall eine Rücknahmeverpflichtung
          einhergeht.51
          Einerseits sieht er die Übernahme eigener Aktien durch die Gesellschaft – wie schon in der
          Entscheidung „EM-TV“ (zur Entscheidung siehe auch E.I.b)) angesprochen – lediglich als
          eine Folge der Besonderheiten der kapitalmarktrechtlichen Naturalrestitution.
          Andererseits möchte er die Zulässigkeit der Rückgabe der Aktien mit einer
          Rückgabeverpflichtung des Aktionärs begründen. Diese resultiere aus dem
          schadenersatzrechtlichen Bereicherungsverbot. Erhielte der Aktionär nämlich den
          zugesprochenen Kaufpreis, ohne die Aktien zurückgeben zu müssen, so würde auf Seiten
          des Aktionärs eine ungerechtfertigte Bereicherung eintreten.52
          Für Rüffler erübrigt sich das Finden einer Lösung des Konflikts zwischen § 52 und § 65
          AktG, da – seiner Meinung nach – das KMG den Anleger sowieso als Drittgläubiger sieht.
          Bei einem Drittgläubiger kann aber wiederum kein Verstoß gegen § 52 AktG vorliegen,
          womit sich eine Prüfung der Ausnahmetatbestände nach §§ 65 ff AktG erübrigt.53

II.       Lösung der Rsp aus den beiden Grundsatzentscheidungen
          Da die gegenständliche Entscheidung bzw deren Argumentation im Wesentlichen auf der
          Grundsatzentscheidung 7 Ob 77/10i fußt, werde ich zunächst deren Lösungsweg aufzeigen.
          Anschließend werde ich etwaige Differenzen oder weiterführende Argumentation der
          gegenständlichen Entscheidung des 6. Senats darlegen.

a)        7 Ob 77/10i54
          Ähnlich wie in 6 Ob 28/12d, möchte die Klägerin einen Prospekthaftungsanspruch geltend
          machen. Sie stützt ihr Klagebegehren demnach auf § 11 KMG und bringt vor, dass „die
          Darstellung der Tätigkeit, Strategie und Risikofaktoren in den Kapitalerhöhungsprospekten
          2006 und 2007 […] unrichtig, in jedem Fall irreführend, verkürzt oder verklausuliert
          gewesen [sei].“ Anders als in der E des 6. Senats hat die Klägerin die Aktien hier am
          Primärmarkt, konkret im Rahmen der Kapitalerhöhungen 2006 und 2007 gezeichnet.

i.        Der OGH spricht aus, dass die Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen
          dem Verbot der Einlagenrückgewähr nicht entgegensteht. Der 7. Senat folgt hier
          der Meinung Rüfflers und behandelt den Aktionär als bloßen Drittgläubiger. Und
          gerade weil die Zahlung nicht causa societatis erfolge, sieht er auch die
          Beschränkung auf das ausschüttbare Vermögen als nicht geboten. Außerdem stellt
          sich dann das Problem der Gleichbehandlung der Aktionäre gemäß § 47 AktG
          nicht.
ii.       Die Meinung Grubers zur Anwendbarkeit der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft
          wird abgelehnt (siehe Punkt D.I.d)), denn diese Lehre stehe einem
          Prospekthaftungsanspruch nicht entgegen. Zum einen stimmt er Rüffler zu, der

     51   Gruber, Kapitalmarktinformationshaftung, JBl 2007, 2 (9).
     52   Gruber, Kapitalmarktinformationshaftung, JBl 2007, 2 (7).
     53   Rüffler in FS Straube 125.
     54   Sofern im Folgenden nicht gesondert zitiert, beziehen sich die Ausführungen in diesem Punkt
          ausschließlich auf den Inhalt der E 7 Ob 77/10i vom 30.3.2011.
12                                         Juridicum Law Review                                                Vol 1:1

          darlegt, dass ein Schadenersatzanspruch in Form einer Naturalrestitution – also
          Rückgabe der Aktien Zug-um-Zug gegen Rückzahlung des Erwerbspreises – keine
          Rückabwicklung ex-tunc bedeutet, weil der Gesellschafter bis zum Schluss
          Gesellschafter bleibt und der Rückabwicklung im Innenverhältnis keine
          Schwierigkeiten entgegenstehen.55
          Zum anderen erkennt der OGH, dass der Gesellschaft mit dem Ausscheiden eines
          Aktionärs nachträglich kein Haftungssubjekt entzogen wird. Problematisch ist aber,
          dass uU ein nicht unerheblicher Vermögensabfluss stattfinden kann. Diesbezüglich
          spricht er aus, dass der Teleologie des Gesellschaftsrechts – demzufolge die
          Interessen des Verbandsmitglieds hinter jene der Drittgläubiger zurückzutreten
          haben – selbstverständlich zu folgen sei. Allerdings werden nur jene Ansprüche
          erfasst, die im Zusammenhang mit entweder (i) der Mitgliedschaft, (ii) der Stellung
          als Aktionär oder (iii) dem Beitritt desselben zur Gesellschaft stehen.
          Demgegenüber        statuieren die kapitalmarktrechtlichen Normen aber
          Verhaltenspflichten der Emittentin gegenüber dem Anleger und behandeln ihn
          daher als Drittgläubiger. Für einen Drittgläubiger ist die Lehre der fehlerhaften
          Gesellschaft aber irrelevant und daher hier auch nicht einschlägig.
iii.      Explizit lehnt der OGH die Auffassung Reich-Rohrwigs ab, zwischen Anlegern zu
          differenzieren und den Prospekthaftungsanspruch nur für Kleinanleger (siehe
          Punkt D.I.b)) zu gewähren. Eine Befreiung von der Prospektpflicht sei dem KMG
          – auch nur für bestimmte Gruppen – nicht zu entnehmen und daher abzulehnen.
b)        6 Ob 28/12d56

i.        Die E 6 Ob 28/12d unterscheidet sich in dem ihr zu Grunde gelegten Sachverhalt
          nur leicht. Hier hat der Kläger die Aktien vom Sekundärmarkt – also weder im
          Zuge eines Börsenganges noch einer Kapitalerhöhung57 – erworben (dazu siehe
          unten). Der 6. Senat folgt in ihrer Argumentation im Wesentlichen der zuvor
          ergangenen Grundsatzentscheidung 7 Ob 77/10i, denn er findet „keinen Grund,
          von der der zitierten Entscheidung des 7. Senats zu Grunde liegenden
          Rechtsansicht abzugehen“.
          Zusätzlich zu den Erwägungen der E 7 Ob 77/10i hält der OGH hier fest, dass der
          Prospekthaftung schon deshalb der Vorrang gebührt, weil § 11 KMG die spätere
          Norm ist (lex-posterior).
          Erstmalig wurde 1989 mit § 80 AktG eine Prospekthaftung normiert. Mit
          § 11 KMG wurde auch die AG als Emittentin miteinbezogen und mit der KMG-
          Novelle 2005 wurde § 80 AktG schließlich aufgehoben. Das Verbot der
          Einlagenrückgewähr wurde hingegen erstmalig durch das BGBl. Nr. 98/1965
          erlassen. Gerade weil mit § 11 KMG bezweckt werden sollte, dass auch die AG als
          Emittentin von der Haftung erfasst wäre, könne man nicht unterstellen, dass der
          Gesetzgeber den wichtigsten (und hier gegenständlichen) Anwendungsfall nicht
          bedacht haben wollte. Die Verpflichtung der AG, einen richtigen Prospekt zu
          publizieren wäre dann sinnlos, weil eben genau dieser Fall zu keiner wirksamen
          Sanktion führen würde.

     55   Rüffler in FS Straube S 126.
     56   Sofern im Folgenden nicht gesondert zitiert, beziehen sich die Ausführungen in diesem Punkt
          ausschließlich auf den Inhalt der E 6 Ob 28/12d.
     57   www.deloittetax.at/2013/01/14/kapitalerhaltung-versus-anlegerschutz-was-hat-vorrang; (abgerufen am
          16.4.2013).
13                                      Juridicum Law Review                                             Vol 1:1

ii.    Weiters    hindere      der     Erwerb      auf     dem     Sekundärmarkt      den
       Prospekthaftungsanspruch nicht. Es wurde nämlich argumentiert, dass dieser zu
       verneinen sei, weil der Emittentin durch den Erwerb am Sekundärmarkt keine
       neuen Mittel zuflossen – Veräußerer sei ja nicht die Emittentin sondern ein anderer
       Marktakteur (zB Altaktionär).58
       Gerade hier knüpft der 6. Senat aber an und spricht aus, dass dies für den
       Schadenersatzanspruch irrelevant sei. Es kommt ja für den Umfang des Ersatzes
       ganz allgemein nur darauf an, wie hoch der Schaden ist, der dem Geschädigten
       erwachsen ist und nicht, in welcher Höhe der Schädiger eine Zuwendung erhalten
       hat.
       Außerdem erkennt der OGH, dass der Kauf vom Sekundärmarkt „nicht
       gesellschaftsrechtlich geprägt“ sei und dass die „Ersatzforderung jener Aktionäre,
       die ihre Aktien auf dem Sekundärmarkt von dritten Marktteilnehmern erworben
       haben, in erster Linie nicht auf ihrer mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung
       als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläubiger“ beruhen. Dies spricht
       ebenfalls (und mE umso mehr) für das Gewähren des Anspruchs und weist noch
       einmal deutlich darauf hin, dass die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft hier nicht
       zur Anwendung gelangen soll.

E. Deutsche Rechtslage (insb BGH II ZR 287/02)

I.     Deutschland

a)     Historische Rechtsprechung

       Bereits im Jahre 1900 hatte das deutsche Reichsgericht die Prospekthaftung einer
       Aktiengesellschaft bejaht, allerdings unter völliger Außerachtlassung des Verhältnisses
       dieses Anspruchs zum Kapitalerhaltungsrecht.59

       Nur 3 Jahre später holte es dies aber nach und verneinte einen gleichgelagerten Anspruch
       mit der Begründung, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften zu beachten seien, was dazu
       führe, dass dem Aktionär nur die im Aktienrecht geregelten Ansprüche zustehen. Mit der
       Beteiligung an einer AG erlange man nämlich nicht zugleich auch ein Gläubigerrecht.60
       1905 urteilte das Reichsgericht in einem ähnlichen Fall auch zugunsten der AG und
       bestätigte seine Auffassung, dass Schadenersatzansprüche des Anlegers mit dem Wesen
       der AG unvereinbar seien.61

  58   Der Primärmarkt ist der Handelsplatz für Wertpapiere, die erstmals ausgegeben werden (durch
       Börsegang oder Kapitalerhöhung), während auf dem Sekundärmarkt bereits ausgegebene, auf dem
       Markt befindliche Wertpapiere gehandelt werden; www.deloittetax.at/2013/01/14/kapitalerhaltung-
       versus-anlegerschutz-was-hat-vorrang; (abgerufen am 16.4.2013).
  59   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 347.
  60   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 347.
  61   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 347.
14                                     Juridicum Law Review                                           Vol 1:1

      Etwas später differenzierte das Reichsgericht zwischen originärem – durch Zeichnung –
      und derivativem Erwerb – durch Umsatzgeschäft – der Aktien und legte damit den
      Grundstein für die heute in Deutschland hM.62 Demnach sind die börsen- und
      kapitalmarktrechtlichen Regelungen lex-posterior63 und lex-specialis64 zu den
      aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften.
      Beim originären Erwerb käme direkt zwischen Anleger/Aktionär und emittierender AG
      ein Zeichnungsvertrag zustande, dessen Bestandskraft nicht durch die Prospekthaftung
      unterlaufen werden dürfe.
      Beim derivativen Erwerb allerdings sei eine Prospekthaftung nicht per se ausgeschlossen.
      Hier ist der Aktionär nicht Partei des Zeichnungsvertrages. Vielmehr kommt dieser
      zwischen der Emittentin und dem dazwischengeschalteten Emissionsunternehmen
      zustande. Von diesem erwirbt dann der Aktionär derivativ. Wie in Österreich bestehen
      auch in Deutschland unzählige alternative Meinungen, die vom „Verbot der
      Prospekthaftung auch beim derivativem Erwerb“ bis zum „vollständigen Vorrang der
      Prospekthaftung gegenüber der Kapitalerhaltung“ – und jeder Nuance dazwischen –
      reichen.65

b)    BGH II ZR 287/02 vom 9.5.2005 (EM.TV)66
      Der BGH hat in Deutschland mit der E II ZR 287/02 eine (weitere)67
      Grundsatzentscheidung getroffen. Ob allerdings die bisherige Unterscheidung zwischen
      originärem und derivativem Erwerb für die Rechtfertigung der Haftung aufrecht bleiben
      soll, hat er ausdrücklich dahingestellt, weil er im vorliegenden Fall die Haftung wegen einer
      sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB entscheiden musste (Parallelbestimmung
      § 1295 Abs 2 ABGB).68 § 826 BGB ist aber unabhängig von der Erwerbsart als ein
      Schutzgesetz zugunsten der Anleger iSv § 823 Abs 2 BGB (Parallelbestimmung § 1311
      ABGB) zu qualifizieren. Der Kapitalerhaltungsgedanke hat in diesem Fall in den
      Hintergrund zu treten.
      Wichtig war für den BGH – wie auch in weiterer Folge für den OGH – die Erkenntnis,
      dass den Anlegern die Stellung von Drittgläubigern zukommt. Im gegenständlichen Fall ist
      das umso klarer, weil die „Aktionäre“ ihre Aktien im Zuge von Umsatzgeschäften und
      außerdem von dritten Marktteilnehmern erworben haben. Ausdrücklich erkennt der
      BGH, dass das Gesellschaftsvermögen bei diesem Anspruch nicht anders belastet wird, als
      bei einem sonstigen Deliktsanspruch eines außenstehenden Gläubigers.69
      Zusammenfassend ergibt sich für den BGH also kein Grund eine Haftung zu verneinen
      bzw auch nur auf das freie Vermögen zu beschränken.

 62   BGH II ZR 287/02, Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 348.
 63   Für Österreich: bejahend Rüffler, GeS 2010, 4 (7); 6 Ob 28/12d; ablehnend Gruber,
      Kapitalmarktinformationshaftung, JBl 2007, 2 (13).
 64   Für Österreich: Artmann in Jabornegg/Strasser AktG I5 § 52 Rz 4, Ablehnend 7 Ob 77/10i.
 65   Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen 349.
 66   Sofern im Folgenden nicht gesondert zitiert, beziehen sich die Ausführungen dieses Punktes
      ausschließlich auf den Inhalt der E des BGH II ZR 287/02.
 67   Auf die übrigen Grundsatzentscheidungen Comroad I – VIII und Infomatec soll hier nicht
      eingegangen werden, da die Thematik rund um den Kapitalerhaltungsgrundsatz in der EM.TV-
      Entscheidung ausführlich behandelt wird. Siehe dazu auch Möllers, Das Verhältnis der Haftung
      wegen sittenwidriger Schädigung zum gesellschaftlichen Kapitalerhaltungsgrundsatz - EM.TV und
      Comroad, BB 2005, 1637.
 68   Fleischer, Konturen der kapitalmarktrechtlichen Informationsdeliktshaftung, ZIP 2005, 1805.
 69   Fleischer, Konturen, ZIP 2005, 1805.
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F. Haftungsanspruch in der Insolvenz
      Ein mangelhafter Prospekt kann zu unzähligen Klagen und Verfahren mit teils hohem
      Streitwert führen. Durch das Prozessieren und allfällige Ersatzpflichten kann die beklagte
      AG mit einem erheblichen Vermögensabfluss konfrontiert sein. Deswegen gebietet sich
      auch ein Blick auf die insolvenzrechtliche Betrachtung von Prospekthaftungsansprüchen.
      Die E 6 Ob 28/12d unterscheidet bei der Gewährung von Prospekthaftungsansprüchen
      zwischen Aktionären und Drittgläubigern. Obwohl dem OGH nach die geschädigten
      Anleger eher Drittgläubiger als Aktionäre sind, gebietet sich die Frage, ob man ihre
      Prospekthaftungsansprüche in der Insolvenz mit anderen Gläubigeransprüchen als
      gleichrangig betrachten will. Der OGH hat diese Frage bislang offengelassen. Die teils
      umstrittene Meinung in Österreich möchte bei dieser insolvenzrechtlichen Betrachtung
      nicht eine zweigliedrige (Aktionär – Drittgläubiger) sondern vielmehr eine dreigliedrige
      Unterscheidung in „Aktionär“ – „Drittgläubiger“ – „echter Drittgläubiger“ treffen.
      In Deutschland sehen Teile der Lehre in Anlehnung an § 39 dInsO und auf Grundlage
      des US Bankruptcy Code 11 USC 510b („a claim arising from rescission of a purchase or
      sale of a security of the debtor […] shall be subordinated to all claims or interests that are
      senior to or equal the claim or interest “) Anlegerforderungen in der Insolvenz gegenüber
      den Forderungen „echter“ Drittgläubiger als nachrangig an.70
      Teile der österreichischen Lehre sprechen sich in Anlehnung an Deutschland und die
      USA ebenfalls für eine Differenzierung aus. Dies deshalb, weil die „Anleger-Drittgläubiger“
      trotz allem als Eigenkapitalgeber fungiert haben und sie deswegen auch das endgültige
      Ausfallsrisiko der Gesellschaft treffen soll.71 Die „echten“ Drittgläubiger hingegen haben
      sich nicht nur nie auf die Gewährung von nachrangigem Eigenkapital eingelassen, sie haben
      auch in der Überzeugung der unbedingten Nachrangigkeit der Gesellschafteransprüche
      disponiert, weswegen sie in der Insolvenz auch bevorzugt zu behandeln sind.72
      Aktuell möchte auch Trenker die Prospekthaftungsansprüche wie nachrangige Forderung
      aus eigenkapitalersetzenden Darlehen gemäß § 57a IO (Parallelbestimmung zu § 39
      dInsO) behandeln. Das „nachrangige“ an den Forderungen gemäß § 57a IO ist, dass diese
      zwar wie Insolvenzforderungen behandelt werden, allerdings nur dann beim
      Insolvenzgericht angemeldet werden können, wenn noch so viel Masse vorhanden ist, dass
      es voraussichtlich zu einer Befriedigung von nachrangigen Forderungen kommen kann und
      wird. Erst wenn letzteres festgestellt wird, ist überhaupt ein diesbezüglicher Gläubigeraufruf
      zu veröffentlichen.73 Diese Meinung wird begründeterweise dahingehend kritisiert, dass es
      eben gerade nicht nachvollziehbar ist, warum der Aktionär, der seinen
      Prospekthaftungsanspruch bei einer „gesunden“ Gesellschaft geltend macht, wie ein
      Drittgläubiger behandelt wird; sobald die Gesellschaft aber insolvent wird, er wieder eine
      Verwandlung in Richtung Eigenkapitalgeber und Verbandsträger und weg von seiner davon
      losgelösten Gläubigerstellung vollzieht und dementsprechend bei der Geltendmachung

 70   6 Ob 28/12d, Baums, Haftung wegen Falschinformation des Sekundärmarktes, ZHR 167, 139
      (170); Möllers, EM.TV und Comroad, BB 2005, 1637 (1642); Hopt/Voigt, Prospekt- und
      Kapitalmarktinformationshaftung - Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und
      den USA, WM 2004, 1801.
 71   Langenbacher, Kapitalerhaltung und Kapitalmarkthaftung, ZIP 2005, 239.
 72   Trenker, Nachrangigkeit kapitalmarktrechtlicher Ansprüche in der Insolvenz der emittierenden AG,
      ÖBA 2013, 187; ablehnend Told, Noch offene Fragen zur Geltendmachung von
      Prospekthaftungsansprüchen nach 6 Ob 28/12d, GeS 2012, 333.
 73   Told, Noch offene Fragen, GeS 2012, 333.
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      seines Prospekthaftungsanspruchs gegenüber echten Drittgläubigern benachteiligt ist.74

G. Ausblick
      Obwohl der OGH den gegenständlichen Konflikt jüngst mit anlegerfreundlichen
      Entscheidungen „gelöst“ hat, zeigt die heftige Diskussion der vergangenen Monate, dass
      eine Neuausrichtung der Emittentenhaftung unbedingt geboten ist. Auch bleibt mit
      Spannung zu erwarten, wie der EuGH in dieser Sache entscheiden wird. Das HG Wien
      hat nämlich mit seinem Vorlagebeschluss zur GZ 51 Cg 243/11h vom 26. 3. 2012 mehrere
      diesbezügliche Fragen zur Vorabentscheidung eingebracht75.
      Ein möglicher Vorschlag für die Neuausrichtung ist beispielsweise die Anwendung der
      Meinung von Doralt/Winner (siehe Punkt D.I.a)), den geschädigten Aktionären
      vorzugsweise eigene Aktien als Ersatz zu gewähren.76
      Ein interessanter Vorschlag kommt auch von Peter Hadler, dem Präsidenten des Wiener
      Handelsgerichts. Nicht zuletzt um die Welle an Anlegerverfahren einzudämmen – mit
      Ende letzten Jahres waren ja immer noch rund 8700 anhängig – möchte er dem
      eigentlichen Gerichtsverfahren ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vorschalten.77 Das
      Gericht könne einen „Organwalter bestellen, der Ansprüche sichtet und die wirtschaftliche
      Leistungsfähigkeit (des Beklagten, Anm.) im Auge behält“. Ziel dieses
      Schlichtungsverfahren soll ein vor Gericht vollstreckbarer Vergleich sein. Eine
      Weiterleitung zur richterlichen Beurteilung käme dann nur für bestimmte „relevante
      Ansprüche“ in Frage.78 Dieses Modell findet auch unter Praktikern breite Zustimmung.79
      Ganz gleich in welche Richtung die Neuausrichtung erfolgt; nach Kalss80 sollte sie de lege
      ferenda auf einigen (folgenden) Grundsätzen aufbauen, getragen vor allem von einer –
      aufgrund der Anzahl von immer wieder gleichgelagerten Anlegerverfahren gebotenen –
      Generalisierung:

I.    Interessenwahrung aller Beteiligten
      Im Rahmen einer Umgestaltung der Emittentenhaftung ist zu beachten, dass
      entgegengesetzte Interessen nicht nur zwischen den geschädigten Anleger und der
      Gesellschaft bzw der momentanen Aktionäre bestehen. Neben dem nämlichen Verlangen
      der Ersten, ihren Schadenersatzanspruch möglichst rasch und kostengünstig zu erlangen,
      und der Zweiten, einen Vermögensabfluss der Gesellschaft möglichst zu verhindern, sind
      auch die bereits ausgeschiedenen Aktionäre zu beachten, die ihre Aktien gewinnbringend
      veräußert haben. Diese haben selbstverständlich Interesse daran, nicht zum Ausgleich
      herangezogen zu werden respektive ihren Gewinn behalten zu dürfen. Weiters darf das
      volkswirtschaftliche Interesse nicht außer Acht gelassen werden. Demnach dürfen die

 74   Gruber, Sehr geehrte Damen und Herren!, Editorial in ZFR 2012, 149.
 75   Das Vorabentscheidungsverfahren ist beim EuGH unter C-174/12 anhängig; siehe Gruber,
      Prospekthaftung und Einlagenrückgewähr, ZFR 2012/103.
 76   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 139f.
 77   Jaindl, Gerichtspräsident schlägt „Anlegerschiedsrichter“ vor, Wirtschaftsblatt vom 30.8.2012.
 78   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 136f.
 79   Ergänzender Beitrag „Anwälte, WKÖ, VKI können sich Schlichtung vorstellen“ in Jaindl,
      Gerichtspräsident schlägt „Anlegerschiedsrichter“ vor, Wirtschaftsblatt vom 30.8.2012.
 80   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 136ff.
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      Kosten der Schadensbewältigung nicht auf Dritte oder die Öffentlichkeit überwälzt
      werden.81

II.   (Marktrechtlicher) Gleichbehandlungsgrundsatz
      Gerade      weil    das    Gesellschaftsrecht    wie    auch    das    Kapitalmarktrecht
      Gleichbehandlungsgebote vorsehen, müssen diese ebenfalls bei der Emittentenhaftung
      beachtet werden. Anders als der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß
      § 47 AktG, der nur zwischen der Gesellschaft bzw deren Organen und den aktuellen
      Aktionären gilt, geht das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgebot jedoch weiter. Es
      gilt darüber hinaus für außenstehende Marktteilnehmer und Einrichtung, aber auch für
      Emittenten und – vor allem – gegenüber allen Anlegern, die „sich in gleichen
      Verhältnissen“ befinden. Dieses Gleichbehandlungsgebot findet sich nur verstreut in
      mehreren Gesetzen und zeigt sich am Deutlichsten durch die gleichzeitige
      Informationsversorgung aller Marktteilnehmer und Anleger.82

III. Generalisierung der Schadensbewältigung
      Mit jedem Schadenersatzanspruch erfolgt nach geltendem Zivilrecht eine
      Einzelfallbetrachtung des Schadensfalls. Gerade bei Ansprüchen aus dem
      Kapitalmarktrecht sollte diese individuelle Betrachtung zu einer generalisierenden
      fortentwickelt werden. Immerhin ist sowohl dem Gesellschaftsrecht als auch dem
      Kapitalmarktrecht eine Generalisierung immanent. Einerseits durch das Mehrheitsprinzip
      des Gesellschaftsrechts (Organbeschlüsse, Gesellschafterbeschlüsse) und andererseits
      dadurch, dass sich kapitalmarktrechtliche Informationen nur an die Gesamtheit der
      Anleger als generellen und anonymen Adressatenkreis richten. Es kommt nicht einmal auf
      die Fähigkeit des einzelnen Anlegers an, den Informationsgehalt richtig deuten zu können,
      zumal das Kapitalmarktrecht von der Maßfigur eines durchschnittlich verständigen
      Anlegers ausgeht.83
      Mit der Generalisierung der Schadensbewältigung einhergehend, befürwortet Kalss84 die
      Entscheidung der wertungsmäßigen Gleichbehandlung von Transaktionen am Primär- und
      Sekundärmarkt. Es darf nicht darauf abgestellt werden, wem nun die finanziellen Mittel aus
      der Transaktion zukommen (Primärmarkt – Emittent; Sekundärmarkt – Altaktionär). Dies
      ist für den Anleger ja in der Regel irrelevant. Diese einheitliche Lösung muss auch bei der
      Neuausrichtung der Emittentenhaftung beibehalten werden.

H. Organaußenhaftung als Alternative
      Da eine nicht unerhebliche Meinung den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln den Vorrang
      gegenüber der Prospekthaftung einräumt und somit den Anspruch des Anlegers gegenüber
      der Emittentin verwehrt, hat man versucht, eine Außenhaftung der Organe als alternative
      Ersatzquelle zu konstruieren.

 81   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 136f.
 82   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 137; Kalss/Oppitz/Zollner,
      Kapitalmarktrecht I1, § 1 Rz 31.
 83   Kalss, Ausprägung und Auswirkung des Transparenzgebots im Kapitalmarkt-, Gesellschafts- und
      Wirtschaftsrecht, in FS Doralt (2004) 288f; Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und
      Gesellschaftsrecht 138f; Kalss, Anlegerstimmung, GesRZ 2010, 245.
 84   Kalss in Kalss/U. Torggler, Kapitalerhaltung und Gesellschaftsrecht 139.
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